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Verein für mecklenburgische Geschichte und
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Mecklenburgische |
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Jahrbücher |
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Gegründet von Friedrich Lisch |
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101. Jahrgang 1937 |
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Beiheft |
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von
Dr. phil.
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Vorwort | 7 | |
Kapitel 1: Die Entstehungsgeschichte der mecklenburgischen Landstädte und die Hauptquellen zur Kenntnis ihrer ältesten Verfassung | 11 | |
A. Die Entstehungsgeschichte | 11 | |
§ 1. Übersicht über die Gründungszeit und die Entstehungsweise der Städte | 11 | |
§ 2. Der kolonisationsdeutsche Charakter des mecklenburgischen Städtewesens | 15 | |
B. Die Hauptquellen der ältesten städtischen Verfassung | 19 | |
§ 1. Die Stadtrechte | 19 | |
§ 2. Die durch den Kolonisationszusammenhang bedingte Rechtsverwandtschaft | 23 | |
Kapitel 2: Das Verhältnis von Stadt und Staat in Mecklenburg während des Mittelalters | 35 | |
A. Die Grundzüge der landstädtischen Verfassung in der ältesten Zeit | 35 | |
§ 1. Die ursprünglichen Bestandteile der Selbstverwaltung in den Landstädten | 35 | |
§ 2. Die Rechte des Landesherrn in den Landstädten | 45 | |
1) Der Zusammenhang von Stadt und Vogtei | 46 | |
2) Sonstige landesherrliche Rechte in den Städten | 57 | |
B. Die Verselbständigung der Städte und die Vermehrung ihrer Rechte im Laufe des Mittelalters | 67 | |
§ 1. Die Veränderungen in der städtischen Gerichtsverfassung | 67 | |
§ 2. Die Geltendmachung eines eigenen Besteuerungsrechtes | 83 | |
§ 3. Die Erlangung der landesherrlichen Regalien | 87 | |
§ 4. Das Übergreifen der Städte auf das Kirchen= und Schulwesen | 92 | |
§ 5. Die Erringung politischer Selbständigkeit | 98 | |
C. Das Ergebnis der Entwicklung: die in der Hand des Landesherrn verbliebenen Rechte | 103 | |
Kapitel 3: Der innere Aufbau der bürgerlichen Selbstverwaltung während des Mittelalters | 106 | |
A. Der Rat | 106 | |
§ 1. Die Befugnisse des Rates | 106 | |
1) Die Vertretung der Stadt nach außen | 106 | |
2) Die Rechtspflege | 107 |
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3) Die innere Verwaltung | 111 | |
a) Allgemeines | 111 | |
b) Die Ordnung des städtischen Wirtschaftslebens | 116 | |
c) Die Aufsicht über die gewerblichen Genossenschaften | 122 | |
d) Die Wohlfahrtspflege im engeren Sinne | 128 | |
e) Die Verwaltung des Polizeiwesens | 137 | |
4) Die Sorge für die militärische Sicherung der Stadt | 141 | |
5) Die Verwaltung des Gemeindehaushalts | 152 | |
§ 2. Die Verfassung des Rats | 170 | |
1) Bestellung, Amtsdauer und Zahl der Ratsherren | 170 | |
2) Die Ratsämter und die Unterbeamten der Stadt und des Rats | 176 | |
3) Die Einkünfte des Rats (Amtsentschädigungen) | 184 | |
B. Die Gemeinde | 186 | |
§ 1. Der Erwerb des Bürgerrechts | 186 | |
§ 2. Pflichten und Rechte der Bürger | 199 | |
1) Gerichtliche, militärische, wirtschaftliche Pflichten und Befugnisse | 199 | |
2) Der Anteil der Bürgerschaft und ihrer Gliederungen an der Stadtregierung | 202 | |
a) Die soziale Zusammensetzung des Rats | 202 | |
Nachweis einer handeltreibenden Oberschicht in einer Reihe von Städten | 202 | |
Ihr Verhältnis zum Rat | 209 | |
Untersuchung über das Vorkommen oder fehlen eines Patriziats | 213 | |
b) Der Anteil der Bürgerschaft an der Gemeindegewalt neben dem Rat | 223 | |
Quellen | 243 | |
Literatur | 244 | |
Abkürzungen | 246 | |
Register | 247 |
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Die Jahrhunderte haben stets ihrem Grundgedanken auch in der Form der städtischen Verfassung und Verwaltung Ausdruck verliehen. Dennoch gilt es Vergangenes immer wachzurufen, um daraus zu lernen, nicht zu sklavischer Nachahmung, sondern zu festerer Stütze des eigenen Standortes. Große Zeiten treten nahe aneinander heran, sind aber groß gerade durch ihre eigene geschichtsbildende Kraft. Von den Schlacken unangemessenen Fremdgutes gereinigt ist der Grundgedanke jener Städteordnung, um dessen willen der Freiherr vom Stein mit Leidenschaft im Rahmen des nationalen Befreiungskampfes ihre Durchführung betrieb: der Wille, durch Gewährung von Selbstverwaltung von abseitsstehendem Nörglertum fort und zu Staats= und Volksbejahung und Gemeinschaftsarbeit hinzuführen, heute im deutschen Gemeindegesetz wieder erweckt worden.
Der Stadt des Mittelalters fehlte diese klare Einordnung in ein größeres, kraftvolleres Ganzes. Bei den auf sich gestellten Gemeinden des dem Deutschtum zurückgewonnenen Gebietes war damals jedoch das gleichermaßen Notwendige vorhanden: die Fähigkeit, eigenverantwortlich Aufgaben zu übernehmen und zu lösen. Und das Gemeinschaftsleben hat hier - neben den noch vorwiegend dynastisch ausgerichteten Staatsgebilden - im Rahmen des freilich oft zeitbedingt engen Blickfeldes einen Höhepunkt gehabt, an den Stein anknüpfte, wenn er das politisch Wertvolle dieser zu seiner Zeit ja vielfach erstarrt und verzopft fortlebenden altdeutschen Welt in die Idee des Volksstaates einzuspannen suchte.
Die vorliegende Arbeit beschränkt sich wegen der andersartigen Verfassung der Strelitzer Städte (Brandenburger und Stendaler Recht) auf die Städte im Gebiet des früheren Mecklenburg=Schwerin. Die Sache forderte weiter, nur die Landstädte zu behandeln. Denn als bedeutende, nicht allein in ihrem Wirtschaftsleben über die Landesgrenzen hinausgreifende Seestädte nahmen Rostock und Wismar eine andere, eine unabhängigere Stellung zur Landesherrschaft ein als die sogenannten Landstädte. Sie zeigen aus diesem Grunde auch ein entwickelteres Gemeindeleben. Damit hängt wieder innerlich zusammen: sie besitzen ein ungleich reicheres Quellenmaterial, das die Dar=
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stellung der Verfassungszustände der Landstädte erdrückt hätte und überdies schon weitgehend von Sonderuntersuchungen ausgeschöpft ist. Es galt gerade, einmal für die infolge engerer Verhältnisse und eines den Archivalien meist mißgesinnten Geschickes quellenarmen Landstädte 1 ) das Material zur Geschichte ihrer Selbstverwaltung gesondert zusammenzutragen.
Als zeitlicher Endpunkt der Arbeit ist etwa das Jahr 1500 gewählt 2 ) Denn damals - unter Herzog Magnus - setzt eine neue Epoche ein. Die überkommenen Verhältnisse des Mittelalters haben sich mit der neuen obrigkeitlichen Staatsanschauung auseinanderzusetzen und werden, teilweise zwar durch die sich noch festigenden ständischen Rechte gestützt, in den folgenden Jahrhunderten jedoch durch jene Idee und die auf ihre Verwirklichung, auf die Schaffung eines geschlossenen Territorialstaats gerichteten landesherrlichen Bestrebungen weitgehend verwandelt.
Natürlich hat, genau genommen, jede Stadt ihre eigene Verfassungsgeschichte. Zunächst könnte es daher als das Richtige erscheinen, jeder Landstadt eine eigene Untersuchung zu widmen. In Wahrheit ist es zweckmäßig, ja m. E. notwendig, die Landstädte gemeinsam, nach systematischem Gliederungsprinzip zu behandeln. Die Landstadt ist auch im M. A., wenn schon gewisse Unterschiede obwalten, ein in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht abgerundetes Phänomen. Und das gleiche gilt infolge der Herrschaft dreier sich sehr ähnelnder Stadtrechte auch für das Rechtsleben. Nur bei der systematischen Anlage konnte ermüdenden Wiederholungen und kein verfassungsgeschichtliches Interesse bietenden Einzelheiten aus dem Wege gegangen werden. Gewisse Fragen waren nur unter Vereinigung des gesamten Materials zu behandeln. Schließlich ließ sich aus der in Bruchstücken auf die einzelnen Städte verteilten urkundlichen Überlieferung eine Anschauung von der landstädtischen Selbstverwaltung des Mittelalters als Ganzem lediglich dadurch gewinnen, daß man die Einzelzeugnisse, soweit es methodisch zulässig war, zu einem Bilde vereinigte.
Indes ist bei dieser zusammenfassenden Behandlungsweise zu beachten, daß Möglichkeit und Art der Schlußfolgerung frei von jedem Schema sind. Daher bedarf es eines Hinweises darauf, daß die Analogieschlüsse von Ort zu Ort in vieler Hinsicht vor den Mediatstädten haltmachen müssen. Auf deren verfassungsgeschichtliche Besonderheit näher einzugehen habe ich aber ver=
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zichtet 3 ), da sie fast ausschließlich aus den neuzeitlichen Quellen ersichtlich ist und, bisher in der Literatur nahezu ganz übersehen, durchaus eine Sonderuntersuchung verdient.
Bis 1400 lag das Quellenmaterial der Arbeit nahezu vollständig im Meckl. Urkundenbuch gedruckt vor. Den Zugang zu den in Betracht kommenden Urkunden der folgenden Zeit eröffneten ein Repertorium des 18. Jahrhunderts betr. die städtischen Privilegien und die Sammlung "Städtische Urkunden", beides im Geheimen und Hauptarchiv zu Schwerin. Zu den Urkunden treten im 15. Jahrhundert in mehreren Städten als wichtige Quelle die städtischen Amtsbücher hinzu. Manche Aufschlüsse wurden endlich dadurch erzielt, daß ich wenigstens aus der 1. Hälfte des 16. Jahrhundert die Quellen der eigentlichen Aktenzeit eingehend berücksichtigte 4 ).
Das Thema ist in der Literatur nur gestreift. Als erster ist der Rostocker Rechtshistoriker G. Böhlau mit seinem Meckl. Landrecht 5 ) zu nennen. Aber ihm war noch die Mehrzahl der Quellen unbekannt, und da seine eigentliche Absicht auf die Darstellung des zu seiner Zeit geltenden - freilich historisch tiefverwurzelten - Rechts gerichtet war, erscheint die Stadtverfassung des Mittelalters in starker Verkürzung. Riecks Schilderung des "Städtischen Lebens in Mecklenburg im Mittelalter" (1899 und 1900) ist dann ein Beispiel dafür, wie sehr man sich bei der Behandlung dieses Gegenstandes an die beiden Hansestädte zu halten pflegte. An Vorarbeiten - wenigstens für ein Teilgebiet - liegen die Dissertationen von Hoffmann und Krüger vor 6 ). K. Hoffmanns für die städtische Siedlungsgeschichte grundlegende Arbeit "Die Stadtgründungen Mecklenburg=Schwerins in der Kolonisationszeit vom 12. bis zum 14. Jahrhundert" 7 ) betrachtet an Hand der Gadebuscher, Parchimer und Güstrower Stadtrechtsurkunde, sich so quellenmäßig beschränkend, die ältesten Verfassungszustände der 3 Städte. K. Krüger gibt in seiner Dissertation "Die Verfassungsgeschichte der Stadt
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Güstrow bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts" 8 ) zum ersten Mal eine Monographie über die Verfassungsgeschichte einer Landstadt. Dabei mußten jedoch Fragen, die bei einer Betrachtung der gesamten mecklenburgischen Landstädte auftreten und beantwortbar sind, unbeachtet bleiben, und für Güstrow selber waren noch manche Aufschlüsse aus den von Krüger nicht benutzten Akten und Amtsbüchern des 16. Jahrhunderts zu gewinnen.
Mein Dank gebührt vor allem den Archivaren des Geheimen und Hauptarchivs zu Schwerins Herrn Staatsarchivdirektor i. R. Dr. Stuhr, der mich auf die Akten der landesherrlichen Städtepolitik im 18. und 19. Jahrhundert hinwies und damit letztlich die Anregung zu dieser Arbeit gegeben hat, Herrn Staatsarchivdirektor Dr. Strecker, der mir mit steter Liebenswürdigkeit die Schätze des Archivs zur Verfügung stellte, und Herrn Staatsarchivrat Dr. Steinmann für wertvolle Hinweise und Auskünfte. Ferner danke ich besonders meinem verehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Schüßler, für seine Hilfsbereitschaft und Beratung. Für eine Beihilfe zu den Druckkosten habe ich dem mecklenburgischen Gauamtsleiter für Kommunalpolitik, Herrn Stadtrat Crull, zu danken. Die Beihefte für die Vereinsmitglieder wurden als Mehrexemplare auf Kosten des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde gedruckt; dafür und für die Aufnahme der Dissertation unter dessen Veröffentlichungen bin ich dem Leiter des Geschichtsvereins zu Dank verpflichtet.
Schwerin (Meckl.), September 1937.
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A. Die Entstehungsgeschichte
§ 1.
Übersicht über die Gründungszeit und Entstehungsweise der Landstädte
Die Niederwerfung 1 ) des Polabenstammes und die ihr folgende Errichtung der Grafschaft Ratzeburg im Jahre 1139 leiteten die Eindeutschung des bis dahin rein wendischen Mecklenburg ein. Schon war die Grafschaft das Ziel einer langsam rinnenden deutschen Einwanderung geworden 2 ), als 1160 Herzog Heinrich der Löwe den Obotritenfürsten Niclot besiegte, die wendische Inselburg Schwerin seinem sächsischen Getreuen Gunzelin von Hagen übergab und damit den festen Grund für die friedliche Ausbreitung deutschen Volkstums in Mecklenburg legte. Um 1170 bedeckte den Westen Mecklenburgs bis nach Schwerin bereits "ein zusammenhängendes, wenn zunächst auch stellenweis noch dünnes Netz deutscher Kolonistendörfer" 3 ). Östlich der durch den Schweriner See und die Wismarer Bucht gebildeten Grenze zertraten freilich die blutigen Kämpfe Heinrichs des Löwen mit Niclots Söhnen Pribislav und Wertislav wieder die ersten unscheinbaren Keime deutscher Siedlung. 1167 in seine Herrschaft durch Heinrich den Löwen fast ungeschmälert wieder eingesetzt, hat Pribislav planmäßig sein Land gegen deutschen Zustrom abzusperren versucht. Wenn sein Nachfolger Heinrich Burwy I. auch den vom Vater eingeschlagenen Weg verließ, so verhinderten
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eine Besiedlung doch weiter die kriegerischen Wirren, in die der Sturz Heinrichs des Löwen das Land verwickelte. Erst die dänische Herrschaft brachte dem Lande die langersehnte Ruhe. Nun lebte die Einwanderung wieder auf. Die eigentliche Periode der Germanisation brach an und setzte sich nach Abschüttelung der Dänenherrschaft unter der Förderung der Landesherrschaft fort; im 13. Jahrhundert war über die nationale Zugehörigkeit des Landes bereits entschieden 4 ).
In jener Zeit, da das Deutschtum sich den mecklenburgischen Raum zurückeroberte, und in engem Zusammenhang mit der Besiedlung des Landes ist das mecklenburgische Städtewesen entstanden 5 ). Nach der Gründung Schwerins im Jahre 1160 6 ) als erster mecklenburgischer Stadt durch Heinrich den Löwen trat - dem Stocken der Kolonisation entsprechend - eine über fünfzigjährige Pause ein. Erst ins Jahr 1218 fällt als nächste Stadtgründung die von Rostock 7 ). Dann aber folgen die Gründungen schnell aufeinander, so daß mit dem Jahre 1275 die eigentliche Periode der mecklenburgischen Städtegründungen bereits abgeschlossen ist 8 ). Nur noch 7 Nachzügler kommen seit dem Ausgang des 13. und im 14. Jahrhundert hinzu. In späterer Zeit hat sich die Zahl der mecklenburgischen Städte nur ganz unwesentlich vermehrt 9 ).
Die Mehrzahl der ältesten mecklenburgischen Städte ist vermutlich aus Siedlungen deutscher Kaufleute hervorgegangen 10 ).
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Da diese Niederlassungen - abgesehen von Boizenburg - dann möglicherweise in die Zeit vor der Germanisation, als noch der slawische Staat über dem Lande herrschte, zurückreichen, ist die Frage aufgeworfen worden, nach welchem Rechte die Kaufmannssiedlungen währenddessen lebten. Hoffmann vertritt den Standpunkt, die kaufmännischen Fremdkolonien seien der bestehenden slawischen "Marktorganisation" 11 ) "nach slawischem Recht organisch eingegliedert gewesen" 12 ).
Worauf stützt sich diese Behauptung? Im Jahre 1299 erließ Nikolaus von Werle der Stadt Plau die Lieferung von einem Pfund Pfeffer und die Stellung eines Lehnspferdes 13 ). Hoffmann bringt diese Nachricht mit der von H. F. Schmidt geschilderten slawischen Fronhofswirtschaft zusammen; und da man "Lieferung von Pfeffer überhaupt nur von Kaufleuten, die mit dem Fernhandel in Verbindung standen, verlangen konnte" 14 ), standen demnach die Kaufmannssiedlungen "auch in slawischer Zeit in einem bestimmten Rechtsverhältnis zur Landesherrschaft", sie waren "also dienst= und abgabepflichtig" 15 ).
Einer solchen Ausdeutung jener Urkunde kann jedoch nicht zugestimmt werden. Schon die Geringfügigkeit der Leistung macht es unwahrscheinlich, daß sie in einem inneren Zusammenhang mit der Anlage der Kaufmannssiedlung stand. Auch heißt es in der Urkunde, daß diese Verpflichtung "in agris" der Stadt ruht, was wenig zu dem von Hoffmann behaupteten Wesen dieser Last als Verpflichtung einer Kaufmannskolonie paßt. Daher liegt es viel näher, andere Zusammenhänge zur Erklärung heranzuziehen. Parchimer Bürger zahlten laut einer Urkunde von 1339 als Lehnsrekognition (pro servitio) für das Dorf Böken eine Abgabe von 1 Pfund Pfeffer an die Küche der Fürsten von Werle 16 ). Der Besitzer des Dorfes Herzfeld verkaufte 1343 duas libras pyperis de taberna 17 ). Abgaben von Handels=
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artikeln wie Pfeffer und Safran an den Landesherrn sind z. B. im Ordensland bei Schulzen und Krügern durchaus gebräuchlich 18 ). Wahrscheinlich ist demnach jene Verpflichtung dadurch entstanden, daß die Stadt eine Lehnsrekognition oder die Abgabe eines Krugs oder Dorfschulzenamts bei Ankauf der zahlreich von ihr erworbenen Dörfer übernahm.
Lediglich bei Rostock besitzen wir wirklich sicheren Anhalt für das Bestehen einer Kaufmannssiedlung bereits in wendischer Zeit; diese war aber nicht dem slawischen Recht unterworfen. Gegen Ende des 12. Jahrhunderts, als das Land noch einen durchaus wendischen Charakter trug, waren hier deutsche Kaufleute ansässig geworden; abgesondert wohnend konnten sie auch "ihre eigenen inneren Angelegenheiten unter sich nach ihren heimischen Anschauungen und heimischem Recht regeln" 19 ); die erste erhaltene Urkunde der Stadt (von 1218) enthält keine Verleihung, nur eine Bestätigung des lübischen Rechts 20 ). Sollten auch Schwerin und Parchim als kaufmännische Niederlassungen bereits vor der Eindeutschung des Gebietes vorhanden gewesen sein, so haben sie vermutlich ebenfalls ein beschränktes rechtliches Eigenleben geführt 21 ). Vielleicht erklärt sich daraus das eigene Stadtrecht Schwerins und ebenso der Stadt Parchim, die ein besonderes vom Schwerin=Güstrower abweichendes Stadtrecht empfing, obwohl sie fast zu gleicher Zeit wie Güstrow von Heinrich Burwy mit Stadtrecht bewidmet wurde.
Die für die Kolonisationszeit charakteristische Entstehungsweise einer Stadt ist die Gründung aus frischer Wurzel. Sie hat auch für das mecklenburgische Städtewesen eine bedeutende Rolle gespielt. Man hat darunter freilich nicht Anlage in öder und unbewohnter Gegend zu verstehen; diese Gründungen suchen vielmehr sämtlich Anlehnung an bereits vorhandene
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Siedlungen, meist eine Burg oder ein wendisches Dorf 22 ). Ihr gemeinsames Kennzeichen ist aber, wie der Stadtgrundriß mit seiner regelmäßigen Straßenführung und dem rechteckigen oder quadratischen Marktplatz vielfach noch heute erkennen läßt, der bautechnische Gründungsakt, die Errichtung nach einem vorher entworfenen Plane 23 ).
Bei der dritten Gruppe von Städten fehlt eine solche Planung. Man kann sie als gewachsene Städte bezeichnen 24 ), da sie aus Dörfern, in welchen sich mit der Zeit den Städten ähnliche Wirtschaftsverhältnisse herausbildeten, hervorgingen. Doch liegt bei ihnen insofern ebenfalls eine Gründung vor, als sie ihren Stadtcharakter in der Regel erst der Stadtrechtsverleihung verdankten. Diese Gruppe ist in Mecklenburg zwar die zahlreichste 25 ), die ihr angehörenden Städte haben aber während des Mittelalters am wenigsten Bedeutung zu erlangen vermocht.
§ 2.
Der deutsche Charakter des mecklenburgischen Städtewesens
Im Zusammenhang mit dem Bestreben, die Bedeutung der deutschen Einwanderung für die Neuordnung des 13. und 14. Jahrhunderts auf dem Kolonialboden herabzuwerten oder gänzlich zu streichen, unternehmen es neuere slawische Forscher, zu leugnen, daß das Städtewesen in Ost=Mitteleuropa seinen Ursprung der deutschen Einwanderung verdanke. So wirft Jegorov der modernen Stadtplanforschung methodologische Verfehlung vor; das Axiom von dem deutschen Ursprung aller Städte des Koloniallandes bilde bei ihr den nicht durch Spezialuntersuchungen einer Revision unterzogenen Ausgangspunkt. Es sei aber notwendig, über die Betrachtung des Stadtplans auf seinen ursprünglichen Kern hin "einen absolut entschlossenen Schritt weiter in die Vergangenheit zurück" zu tun. Indem Jegorov dann auf die vielfach zu beobachtende Siedlungskontinuität hinweist, glaubt er sich den Weg zu der "präexistenten slawi=
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schen Stadt" gebahnt zu haben 26 ). Was ist von dieser Jegorovschen Entdeckung zu halten? 27 ).
Bereits seit längerem hat die deutsche Forschung sich von der Theorie einer allgemeinen Verachtung der Wenden bei den deutschen Siedlern und ihrer Vernichtung und Vertreibung in der Kolonisationszeit 28 ) abgewandt und eine Aufsaugung der dünnen wendischen Restbevölkerung durch die deutsche Einwanderung angenommen 29 ). Der Städteforschung fällt damit die Aufgabe zu, den siedlungsgeschichtlichen Zusammenhang der deutschen Stadt mit eventuellen slawischen Parallelerscheinungen zu untersuchen.
Trotz durchaus vorherrschender Naturalwirtschaft hatten sich doch Handel und Verkehr im Slawenland bereits eine Marktorganisation geschaffen. Unter der slawischen "civitas" haben wir uns allerdings nicht eine Stadt, sondern eine Burg vorzustellen, die als Sitz eines slawischen Kastellans oder als Tempelstätte diente 30 ). Aber in ihrem Schutze hatten sich slawische Dörfer vielfach zu Märkten entwickelt. So erzählt Helmold 1150 von Oldenburg, dem Haupthandelsplatz der Wagrier, daß "neben dem Wall der alten Stadt am Sonntage alles Volk zum Markte zusammen zu kommen pflegte". 1163 wird ein ähnlicher Sonntagsmarkt in Plön erwähnt. Als drittes wagrisches Handelsemporium wird uns Lübeck genannt 31 ). Ebenso treffen wir slawische Märkte in Mecklenburg. An einem Markttage bot man bei der Obotritenfeste Meklenburg 700 gefangene Dänen zum Kauf 32 ). In der Knytlingasage wird eine wahrscheinlich bei Gnoien gelegene wendische Kaufstadt genannt 33 ). Ein reger Marktverkehr bestand im wendischen Marktort Rostock, dem späteren Dorf "Wendische Wik" 34 ). Wendische Marktflecken
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haben anscheinend auch bei Marlow, bei der Burg Werle 35 ) und vielleicht in Altendorf bei Boizenburg 36 ) gelegen.
Wenn allen diesen Marktorten auch die Lage bei einer wendischen Burg gemeinsam ist, so wird man darum doch nicht mit Hoffmann annehmen können, daß "in der Regel . . . bei jedem Mittelpunkt eines Burgbezirks wohl auch ein Marktplatz" bestand 37 ), wenn auch zugegeben werden soll, daß die Quellen uns nicht alle wendischen Märkte überliefern. Nicht aufrechtzuerhalten ist aber vor allem die sich daran anschließende Behauptung, es bestände insofern eine Kontinuität von slawischer Marktorganisation und deutschem Städtewesen, als später neben der landesherrlichen Burg einer Vogtei - die räumlich dem früheren slawischen Burgbezirk entspräche - regelmäßig auch eine Stadt gelegen habe 38 ).
Nun betont allerdings auch Hoffmann, "eine direkte Entstehung der Stadt aus einem slawischen Marktplatz . . . bei keiner mecklenburgischen Stadt nachweisen" zu können 39 ). Der grundsätzlich deutsche Siedlungscharakter des Städtewesens kann demnach auf Grund der vorhandenen Quellen nicht bezweifelt werden.
Doch würden wir uns bei der Abwehr der Jegorovschen Behauptung lediglich mit Ergebnissen der Siedlungsgeschichte verteidigen, so wären wir in den gleichen Fehler verfallen, den Jegorow begangen hat 40 ). Die entscheidende Frage, die zu beantworten Jegorov unterlassen hat, ist vielmehr die, ob die
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Slawen bereits eine Institution gekannt haben, die der deutschen Stadt im verfassungsrechtlichen Sinn ähnelte 41 ).
Über die rechtliche Lage der slawischen Märkte in Mecklenburg fehlt alles Material. Bei der großen Verwandtschaft aller ehemaligen Slavenländer 42 ) müssen jedoch die außermecklenburgischen Forschungsergebnisse berücksichtigt werden. Der polnische Forscher Maleczynski ist bei der verfassungsgeschichtlichen Untersuchung der polnischen Märkte 43 ) zu dem Ergebnis gekommen, daß zwar die Institution der Stadt im Sinne der westlichen Auffassung des 12. und 13. Jahrhunderts als selbständiger Verwaltungs= und Gerichtsbezirk in größerem Maßstab erst aus dem Westen, besonders aus Deutschland nach Polen gelangte; man könne "jedoch nicht behaupten, daß solche Einrichtungen kleineren Ausmaßes in Polen gänzlich unbekannt gewesen wären" 44 ). "Das Städtewesen der Kolonisation erscheint ihm als jüngere Stufe polnischer Markt= und Marktsiedlungsorganisation" 45 ). Doch ergibt eine Nachprüfung, wie sie Koebner angestellt hat: der wendische Markt ist keine selbständige Gemeinde, "kein Siedlungsraum und eben darum auch keine Stadt gewesen; der Fürst hat ihn lediglich seinen Monopoleinrichtungen vorbehalten" 46 ). Ebenso fehlte den polnischen Märkten eine gerichtliche Immunität 47 ). Eine fortgeschrittenere Verfassung werden wir auch für die slawischen Handelsplätze in Mecklenburg nicht annehmen können.
Seit der Kolonisation erhob sich auf der Grundlage deutscher Rechts= und Wirtschaftsverhältnisse statt des bisherigen wendischen ein deutsches Staatswesen, dessen wesentliches Merkmal
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neben dem Lehnswesen die selbständige Gemeinde war 48 ). Eine Untersuchung der städtischen Verfassung in Mecklenburg findet hierdurch ihren zeitlichen Ausgangspunkt bestimmt 49 ).
B. Die Hauptquellen der ursprünglichen städtischen Verfassung
§ 1:
Die Stadtrechte
Hauptquelle für unsere Kenntnis der ältesten Verfassung der mecklenburgischen Landstädte sind die Stadtrechte 50 ), mit denen die Städte bei ihrer Gründung oder bald nachher bewidmet wurden. Am verbreitetsten war das lübische Recht; zu seinem Geltungsbereich gehören ebenso die Städte im Westen Mecklenburgs, wie die in der Herrschaft Rostock 51 ). Nach lübischem Recht lebten Boizenburg, Dömitz, Gadebusch, Gnoien, Grevesmühlen, Grabow 52 ), Marlow, Neubukow 53 ), Neukalen,
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Ribnitz, Rostock, Stavenhagen, Sülze, Wismar und Wittenburg. In anderen Städten galt das Recht der Stadt Schwerin. Es war in entwickelterer Fassung der Stadt Güstrow verliehen und dann auf fast alle Städte der Herrschaft Werle=Güstrow übertragen worden, nämlich an Bützow, Krakow 54 ), Malchin, Malchow, Penzlin, Röbel, Teterow, Waren 55 ) und wahrscheinlich auch Schwaan 56 ). Die dritte Stadtrechtsgruppe bilden die Städte des Parchimer Rechts. Außer Parchim selber gehören ihr Goldberg und Sternberg an 57 ); mit dem gleichen Recht war Plau bewidmet worden 58 ). In einer Gruppe von 9 Städten galt anscheinend kein bestimmtes Stadtrecht 59 ); es sind dies fast sämtlich Mediatstädte, bei denen sich darin ihre mangelnde Herauslösung aus dem landrechtlichen Verband zeigt.
Bei der Zugrundelegung des Stadtrechtes für die Betrachtung der städtischen Verfassung - nicht nur jener in der ältesten Zeit - muß ein Unterschied zwischen den Städten gemacht werden, je nachdem ob wir von ihnen wirklich eine Stadtrechtsurkunde besitzen, oder nur die Geltung eines Stadtrechtes erschließen. Es wäre verfehlt, wenn man in letzteren ohne weite=
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res die aus den Stadtrechtsurkunden rechtsverwandter Städte ablesbaren Verfassungsverhältnisse voraussetzen würde, da es nicht ausgeschlossen ist, daß das betr. Stadtrecht jenen Städten nicht im vollen Umfange zuteil wurde oder dort eine Wandlung durchgemacht hat, Abweichungen, die sich bei einigen Städten nachweisen lassen.
Die Bewidmungsurkunden von Malchin, Malchow, Penzlin und Röbel enthalten mit unerheblichen Abweichungen das Schweriner Recht in der gleichen Form und Vollständigkeit, wie es 1228 der Stadt Güstrow bestätigt wurde 60 ). Bei den anderen Städten dieses Rechtsgebietes fehlen Stadtrechtsurkunden. Nach Urkunden des 14. und 15. Jahrhunderts stimmten Krakow und Bützow nicht völlig mit dem Verfassungstyp des Schwerin=Güstrower Rechts überein. Von Teterow wissen wir, daß den Ratsherren 1272 analog jenem Recht der Friedeschilling zugewiesen wurde 61 ).
Eine vollständige Fassung des Parchimer Rechts ist von Goldberg erhalten 62 ). Eine solche ist offenbar auch für Sternberg ausgestellt worden, wenn wir von dieser Stadt auch nur eine Bestätigung jenes Rechts vom Jahre 1309 63 ) haben, die als Ersatz der durch Brand vernichteten älteren Urkunden ausgefertigt ist; daß die Verfassung der Parchims entsprach, ergibt sich sowohl aus der gleichen Verteilung der Gerichtsgefälle, wie sie uns schon in dieser Urkunde berichtet wird, als auch aus der wörtlichen Übernahme einer Zunftordnung durch den Sternberger Rat 64 ).
Ein methodisches Problem besonderer Art stellen die Städte des lübischen Rechtskreises. Keine mecklenburgische Landstadt hat einen Rechtskodex empfangen, wie ihn Lübeck an entferntere Städte seines Rechts hinausgehen ließ. Das Gadebuscher Privileg von 1225 gibt nur das ältere lübische Recht wieder 65 ). Die Geltung des entwickelteren Rechts ist lediglich aus kurzen Bestätigungen 66 ) oder gar nur aus beiläufigen Bemerkungen 67 ) bekannt. Ich halte es für wahrscheinlich, daß
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die Übertragung des lübischen Rechtes in erster Linie die Gerichtsorganisation und das Zivil= und Strafrecht betraf 68 ). Hierin mit der großen Handelsstadt auf gleichem Fuße zu leben war für die Ansiedler erstes Bedürfnis und zweifellos ein wichtiges Stück städtischer Freiheit. Eine gleiche politische Unabhängigkeit, wie sie jene reichsfreie Stadt besaß, hat aber der Landesherr natürlich nicht verleihen wollen. Mit Recht vertritt A. Semrau 69 ) die Auffassung, daß das städtische Willkürrecht nicht durch die Ausstattung mit lübischem Recht, sondern durch die Größe des Gemeinwesens bedingt war. Ebenso darf man auf der Seite der Landstädte zwar eine Tendenz vermuten, sich den inneren Verfassungsverhältnissen Lübecks anzunähern, doch die Befugnisse des Rats brauchten nicht denen gleich gewesen zu sein, die sich etwa in den lübischen Rechtsmitteilungen finden 70 ).
Aber auch die vollständige Schwerin=Güstrower und Parchimer Stadtrechtsurkunde ist keine ausreichende Quelle für die Erforschung der ursprünglichen städtischen Selbstverwaltungsrechte. Die Organisation der Gerichtsverfassung hat in ihr keine Regelung gefunden. Ergänzend treten hier die Aussagen anderer Urkunden und die überlieferten Zeugenreihen hinzu. Die Begrenzung der städtischen Selbstverwaltung ergibt sich in der Hauptsache erst aus einer Berücksichtigung des Aufbaues und Wirkungskreises der landesherrlichen Verwaltung. Zur Erklärung mancher Erscheinung der mecklenburgischen Stadtverfassung verdient ferner der durch die Kolonisation gegebene Zusammenhang, dem wir uns jetzt zuwenden wollen, Beachtung.
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§ 2:
Die mit der Kolonisation gegebenen Rechtszusammenhänge
Die Kolonisation war, wie wir sahen, eine Eindeutschung des Landes. Wir dürfen daher vermuten, daß gerade im Recht sich Eigenarten aus der Heimat der Kolonisten wiederfinden. Bei einer derartigen Untersuchung der Rechtsverwandtschaft der mecklenburgischen Städte mit dem Mutterlande werden wir auch das Landrecht heranziehen müssen; hat doch z. B. W. Reincke bei Lübeck und Hamburg betont, daß sie in allen wesentlichen Rechtssätzen: der Gerichtsverfassung, des Gerichtsverfahrens und des Strafrechts auf dem gemeinsamen Mutterboden des sie umgebenden Holstenlandrechts ruhen 71 ).
Es hat seinen Grund in der Kolonisation, wenn in Meckl.=Strelitz, das zur Zeit der Besiedlung der Mark Brandenburg angehörte, Bauernhaus und Kirche eine andere Bauweise als in Meckl.=Schwerin zeigen. In Meckl.=Schwerin herrscht das niedersächsische Bauernhaus vor, in Brandenburg und Stargard der märkische Bautyp, der selbst ein Sonderfall des mitteldeutschen oder fränkischen Gehöftes ist 72 ). Ebenso überwiegt in Mecklenburg=Schwerin der westfälische Kirchenbau, in Stargard und der Mark dagegen der ostfälisch=märkische 73 ). Die Kolonisation von Stargard erfolgte wesentlich von der Mark aus. Dagegen steht für Mecklenburg=Schwerin nach den Ergebnissen der modernen Dialektgeographie "die Tatsache einer mächtigen Einwandererwelle aus dem holsteinischen Westen fest" 74 ). Von Wichtigkeit für die Bestimmung der Herkunft der mecklenburgischen Kolonisten ist ferner die Erforschung der Flurnamen, die bisher allerdings nur für den Nordwesten Mecklenburgs durch W. Neu=
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mann unternommen ist 75 ). Nordniedersachsen waren es nach Neumann, "die im 12. und 13. Jahrhundert in einem breiteren Streifen an der Küste entlang in das ehemals slawische Gebiet deutsche Kultur und deutschen Siedlerfleiß brachten" 76 ). In andern Gebieten Mecklenburg=Schwerins mag freilich eine umfangreiche Einwanderung aus anderen Gebieten Niedersachsens oder aus Westfalen stattgefunden haben 77 ). Nach Folkers haben wir als Begründer und Bewohner unserer Hagendörfer "in der Hauptsache niedersächsische, insbesondere westfälische Einwanderer anzusprechen" 78 ). Doch faßt Folkers hier westfälisch im Sinne des Mittelalters und rechnet demnach auch den Regierungsbezirk Osnabrück und das Herzogtum Lauenburg zu Westfalen.
Diese z. T. noch nicht abgeschlossenen 79 ) Untersuchungen werden durch eine vergleichende Betrachtung der mecklenburgischen Gerichtsverfassung bestätigt und ergänzt.
In der Kolonisationszeit bestand bezeichnenderweise ein Gerichtszusammenhang mit den westlich gelegenen Gebieten. Die ältesten dem Deutschtum gewonnenen Gebiete waren die von Heinrich dem Löwen geschaffenen Grafschaften Ratzeburg und Schwerin. Die deutschen Siedler lebten dort nach Ratzeburger 80 ) bzw. Schweriner 81 ) Recht. Während jedoch das Ratzeburger Recht bald nach der Zerschlagung der Ratzeburger Grafschaft unterging, breitete sich das Schweriner Recht bei der weiteren Besiedlung Mecklenburgs über das ganze Land aus und wurde
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in allen ländlichen Verhältnissen herrschend 82 ), ja es drang außerdem weit in Pommern vor. Von Wichtigkeit ist nun der noch im 16. Jahrhundert bekannte charakteristische Rechtszug des Schweriner Rechts: bei Zweifeln sollte man in Pommern, wie die Stadt Stralsund berichtete, "erstlich an das Kerspel zur Putte, von dannen an uns, von uns an das borglehn zu Loytze, von dem vor den stapel oder das buch zu Schwerin und endlich von Schwerin an die Sieben Eichen . . ." appellieren 83 ). Die Gebiete Schweriner Rechts hatten also ihren Oberhof in Sieben Eichen, dem lauenburgischen Kirchdorf zwischen Büchen und Mölln 84 ). Einst hatte Heinrich der Löwe das Sadelband mit Siebeneichen selbst in der Hand behalten. Die genannte höchste Gerichtsinstanz ist deshalb wahrscheinlich mit dem herzoglichen sächsischen marcding, von dem wir im 12. Jahrhundert mehrfach hören 85 ) und das noch im 13. Jahrhundert eine gerichtliche Überordnung über Mecklenburg besessen haben muß, identisch 86 ). Das mecklenburgische landrechtliche Gerichtswesen stand also in Beziehung zum Gebiet des welfischen Herzogtums und später zu Sachsen=Lauenburg.
Es ist zwar sicher, daß das Schweriner Recht nur eine unbedeutende Veränderung des sächsischen Landrechts darstellt 87 ); aber die norddeutsche Gerichtsverfassung bot ja im Mittelalter keineswegs ein einheitliches Bild. Es gilt heute als erwiesen, daß Eike von Repkow im Sachsenspiegel nur die ländliche Gerichtsverfassung Ostsachsens 88 ) beschrieb 89 ) und daß sich diese in wich=
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tigen Punkten von der Gerichtsverfassung Ost= und Westfalen und Holsteins unterschied. Die Unterschiede betreffen vor allem die volksrechtlichen Bestandteile in Gerichtspersonal und Gerichtsverfahren und die sachliche Kompetenz der Gerichte 90 ). Hier zeigt Mecklenburg deutliche Abweichungen von Ostsachsen und der damit verwandten Mark Brandenburg.
In der Mark Brandenburg wurde auf dem Landding das Urteil von Schöffen gewiesen 91 ). Anders in Holstein und Ostfalen, sowie in Teilen Westfalens und Engerns. Die Stellung und Funktion der Gerichtspersonen im holsteinischen Kirchspielgericht 92 ) ist allerdings nicht ganz einheitlich. Nach dem Holstenlandrecht sind nur Dingvogt und Affinder (auch Findsmann oder Dingesmann genannt) Amtspersonen, der Vörsprake ist nur Vertreter der Gerichtspartei. In den zwei späteren Dingformularen ist auch der Vörsprake Amtsperson geworden und hegt im Wechselgespräch mit dem Dingvogt das Gericht 93 ). Nur in den Marschen fanden alle Kirchspielleute das Urteil; im allgemeinen waren sie in die besonders bestimmten Urteilsfinder und den Umstand geschieden 94 ). Das westfälische Goding 95 ) wich in Bezug auf Verfahren und Gerichtspersonen nur wenig von Holstein ab. Im Stift Münster war wie in Holstein jedermann grundsätzlich zum Urteilsfinden berechtigt, während in anderen Gebieten eine besondere Klasse von Dingpflichtigen das Urteil
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zu finden hatte 96 ). Ständige oder gar beamtete Fürsprecher gab es in Westfalen nicht; der vom Gografen bestimmte "Vorsprech" war nur Prozeßvertreter einer Partei 97 ). Bei der Urteilssprechung bediente sich die Gerichtsgemeinde eines Urteilsweisers, der aber vom Gografen ernannt wurde. An ihn richtete der Gograf die Urteilsfrage, er beriet daraufhin mit dem Umstand und brachte dann das Urteil ein 98 ). Auf verwandte Verhältnisse treffen wir im Gogericht Engerns 99 ) und im Landgericht Ostfalens 100 ).
Aus den Zeugnissen über das mecklenburgische Gerichtsverfahren 101 ) geht nun dessen Ähnlichkeit mit den eben behandelten Gebieten deutlich hervor, besonders auffallend mit Holstein und Ostfalen, da der Fürsprech hier wie dort eine amtliche Stellung einnahm und ein Schöffenstand fehlte. In einem amtlichen Bericht von 1651 102 ) ist uns eine Beschreibung der Förmlichkeiten des Ratzeburger Landgerichtes erhalten. Der Vorsprak leitete das Gericht, er begann mit einer feierlichen Hegung im Wechselgespräch mit dem Dingsmann. Dann wurden aus jedem Dorf 1 bis 2, insgesamt etwa 20 oder 24 Personen zu Findesleuten erwählt, die über die nun vorgebrachten Klagen zu urteilen hatten. Das Urteil wurde vom Dingsmann eingebracht. Zum Schluß sprachen Vorsprach und Dingsmann das gehegte Recht wieder auf. Die fürstlichen Beamten setzten zwar das Gericht
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an und sorgten für die Vollstreckung der Urteile, sie waren aber nicht Richter, sondern brachten nur "wieder die Untertanen Ihre auffgesetzte Mangel" vor. Die Verhältnisse im übrigen Mecklenburg weichen hiervon etwas ab. Die völlige Ausschaltung des landesherrlichen Beamten aus der Leitung des Gerichts, die deutlich eine Verwandtschaft des Ratzeburger Landgerichts etwa mit Hannover 103 ) und auch mit Holstein 104 ) erkennen läßt, finden sich sonst nicht wieder. Auch wird nach Berichten von 1551-53 im Fürstentum Schwerin z. T. noch die gesamte "Burschop in die Vindinge gewiset" 105 ). Überall sind jedoch der Findesmann, der anstelle des Ratzeburger Dingsmanns das Urteil einbrachte, und der Vorsprach notwendige Gerichtspersonen 106 ).
Nicht anders ist im wesentlichen Gerichtsverfahren und Gerichtspersonal in den mecklenburgischen Städten beschaffen. Der Vorsprach war auch in ihnen früher dem Richter nicht untergeordnet, sondern stand ihm zur Seite bei der feierlichen Hegung und Schließung des Dings 107 ).
Im Gegensatz zu den Städten der Mark, Ostsachsens, der Lausitz usw. 108 ) kannten die mecklenburgischen Städte keinen Schöffenstand 109 ). Die zwei Gerichtsassessoren aus dem Rat kontrollierten nur die Verhandlungsführung des Richters 110 ). Das Urteil wurde aber von dem Umstand der Bürger gefun=
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den 111 ). So heißt es in einer Urkunde von 1466 über eine beim Grabower Stadtgericht angebrachte Klage: "dat heft vor gherychte weset unde is vor de borghere ghewyset, de vunden, id muchte sunder broke nycht wesen" 112 ). Daher erschien ursprünglich auch die gesamte Bürgerschaft zu den Verhandlungen des Stapelgerichts 113 ), erst im Laufe des 16. Jahrhunderts, mit der Verdrängung des altdeutschen Gerichtsverfahrens, wurde die Öffentlichkeit aufgehoben. Dem ländlichen Findesmann entsprachen ein oder zwei Deputierte der Gerichtsgemeinde, der Deelsmann, Findelsmann oder die Ordelsleute, die das von dem Umstand gefundene Urteil einbrachten; sie wurden "under die Burgher geschickt, dat se ein Ordel schulden finden" 114 ).
Auch im Aufbau der städtischen Gerichtsverfassung Mecklenburgs bemerken wir die gleichen Zusammenhänge 115 ). Ähnlich wie in dem Fehlen eines Schöffenstandes und in der weitgehenden Erhaltung von Elementen der Volksrechte weicht Mecklenburg auch auf diesem Gebiet u. a. von der Mark Brandenburg in entscheidender Weise ab. Im allgemeinen kannten die Städte in Deutschland im 12. und 13. Jahrh. eine Teilung der Gerichtsbarkeit zwischen einem Vogt als Hochrichter
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und einem Schultheißen als Niederrichter 116 ). Siegfried Rietschel hat darauf aufmerksam gemacht, daß in zwei Gebieten die Kompetenzgrenze des Vogtes nach unten nicht in gleicher Weise bestimmt war 117 ). In den Bischofsstädten Schwabens befand sich nur die Zivilgerichtsbarkeit in der Hand des Schultheißen. Und in einem bestimmten Gebiet Niedersachsens war "der advocatus sowohl in Zivil= wie in Strafsachen der einzige Stadtrichter . . ., neben dem kein Schultheiß vorkommt" 118 ). Dieses niedersächsische Gebiet umfaßt Ostfalen, das östliche Engern und Nordalbingien; ihm gehören also Braunschweig, Lüneburg, Hamburg, Lübeck und die schleswig=holsteinischen Städte an, während die östlich und westlich davon gelegenen Städte wieder den Schultheiß als Unterrichter aufweisen 119 ). Es entspricht unseren bisherigen Beobachtungen über die mecklenburgische Gerichtsverfassung, wenn sich auch die mecklenburgischen Städte dem schultheißlosen Gebiet anreihen. Für die Städte lübischen Rechtes war die Gerichtsverfassung Lübecks maßgebend; in Lübeck war das Vogtgericht zuständig für alle Rechtsstreitigkeiten und alle Rechtsverletzungen. Der Vogt hielt die gebotenen wie die ungebotenen Dinge 120 ). Aber auch in den Städten Parchimer und Schweriner Rechts berichtet keine Urkunde von der etwaigen Existenz eines Schulzen als Ortsobrigkeit und als städtischen Niederrichters 121 ). In den Städten Stendaler und Brandenburger Rechts, also auch in Stargard, erscheint dagegen ein Schulze als Niederrichter, auch steht er in fast allen städtischen Urkunden an der Spitze der Konsuln 122 ).
Auf dem Gebiet des Gerichtswesens zeigten also Stadt= und Landrecht gemeinsame Beziehungen zur Heimat der Kolonisten. Einer gesonderten Untersuchung bedarf jedoch die Herkunft jener im Stadtrecht verankerten Regelungen, die die Städte als einen eigenen Rechtskreis vom Lande trennten. Städtisches Besitzrecht, eheliches Güterrecht und die Befugnis zu selbständiger Recht=
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setzung sind meist aus anderen Quellen als das Landrecht der städtischen Umgebung geschöpft; sie sind vielfach den Rechten anderer Städte entlehnt. In die hier bestehenden Zusammenhänge vermag vor allem das eheliche Güterrecht Einblick zu gewähren; gerade auf dem familienrechtlichen Gebiet werden die Stadtbewohner am wenigsten von den aus der Heimat gewohnten Normen abgewichen sein 123 ).
Auf dem Gebiet der beerbten Ehe hatte sich in westfälischen Städten, namentlich in Soest und Münster, die allgemeine Gütergemeinschaft mit Halbteilung entwickelt, die sich dann über ganz Norddeutschland verbreitete und das Sachsenspiegel= und Magdeburger Recht, das an der alten volksrechtlichen Verwaltungsgemeinschaft festhielt, in ihrem Geltungsraum stark beschränkte 124 ). Es ist daher fast selbstverständlich, daß dem westfälischen System auch die mecklenburgischen Städte zufielen. Sowohl für das Schweriner wie das Parchimer Stadtrecht wird diese Tatsache durch stadtrechtliche Bestimmungen erwiesen 125 ); Lübeck, dem sich natürlich die mecklbg. Tochterstädte anschlossen, folgte unmittelbar der Stadt Soest 126 ). Allerdings fehlten geringe Unterschiede nicht. So hat es Bedeutung, daß eine Sooster Bestimmung, die bei der Teilung des Erbes zwischen dem überlebenden Ehegatten und den Kindern den Mann bevorzugte, in Lübeck, Braunschweig und Schwerin keine Aufnahme gefunden hatte 127 ).
Auch die Rechtsverhältnisse bei Auflösung einer unbeerbten Ehe waren in Norddeutschland verschieden geregelt. Lübeck huldigte dem Soester System, das bei kinderloser Ehe nur Verwaltungsgemeinschaft mit statutarischer Erbportion und keine Errungenschaftsgemeinschaft kannte 128 ). Dem folgten auch die lübischen Tochterstädte in Mecklenburg 129 ). In Parchim herrschte dagegen auch bei unbeerbter Ehe die allgemeine Gütergemein=
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schaft 130 ), die Parchimer Städte gehörten damit zum System der Gütergemeinschaft, der sog. Dortmunder Gruppe 131 ). In der Schweriner Stadtrechtsurkunde ist die Intestaterbfolge bei unbeerbter Ehe nicht geregelt. Das Schwerin=Güstrower Recht stimmt in seinen erbrechtlichen Grundsätzen übrigens insofern auffallend mit dem Braunschweiger Recht überein 132 ), als nach beiden Stadtrechten Heerwede und Frauengerade bei der Erbteilung als Voraus gegeben wurden 133 ) und beide Stadtrechte nur die Witwe bei Wiederverheiratung zur Erbteilung mit den Kindern verpflichteten 134 ).
Das Vorbild von z. T. außermecklenburgischen Städte macht auch die Regelung des städtischen Besitzrechtes in Mecklenburg
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verständlich. Im allgemeinen geschah die Anlage einer Stadt in der Weise, "daß ein Grundeigentümer ein genügendes Stück Land unter einer Anzahl von Ansiedlern aufteilt und es ihnen gegen einen festen, nicht zu erhöhenden Zins von den einzelnen Hofstätten erblich überläßt" 135 ). Heinrichs des Löwen Gründungen nehmen in den Bedingungen der Ansiedlung jedoch eine Sonderstellung ein; in Braunschweig 136 ), in Lübeck 137 ) und ebenso in Schwerin wurde ein Gründerleihezins nicht erhoben 138 ). Es ist sehr wahrscheinlich, daß Schwerin und Lübeck als Vorbild gedient haben, wenn ebenso den in der Folgezeit angelegten mecklenbg. Städten eine Verpflichtung zur Zahlung eines solchen Leihezinses anscheinend nicht auferlegt wurde 139 ). Die Städte Mecklenburg=Schwerins traten damit in Gegensatz zu den märkischen wie zu den stargardischen Städten, die von der Leistung des "Wortzinses" nicht befreit waren 140 ).
Auf eine Verwandtschaft mit Soest und Lübeck scheint es zu deuten, wenn das Schwerin=Güstrower Recht wie jene Städte ein autonomes Strafrecht und die Zusatzstrafe von 3 mr. kannte 141 ). Ebenso stellt die im Parchimer Recht und 1263 für die Städte Güstrower Rechts getroffene Bestimmung, daß ein Bürger seinen
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auswärtigen Schuldner in der Stadt anhalten darf 142 ), nicht einen bewußten Ausdruck der Städtepolitik der mecklbg. Landesherren dar, wie es Hoffmann auffaßt 143 ), sondern nur die Übernahme eines üblichen Schuldrechtsatzes; wir finden diese Festsetzung im ottonischen Stadtrecht von Braunschweig wieder 144 ). Und auch die Institution des "magister civium" hat in Städten Ost= und Westfalens und in Köln ihre Parallele. Diese und ähnliche Zusammenhänge sind nicht unerheblich für die richtige Würdigung der Anfänge der städtischen Selbstverwaltung, denen wir uns im folgenden Abschnitt zuwenden wollen.
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A. Die Grundzüge der landstädtischen Verfassung in der ältesten Zeit
§ 1:
Die ursprünglichen Bestandteile der Selbstverwaltung in den Städten
Aufgabe dieses Abschnittes soll es sein, die Verfassung der mecklenburgischen Landstädte bis ca. 1275, dem Abschluß der eigentlichen Gründungsperiode, zu schildern.
Die Quellen lassen die Anfänge der städtischen Selbstverwaltung in der ältesten mecklbg. Stadt im Dunkeln. Das Schweriner Recht ist uns nicht in der Gestalt, wie es Heinrich der Löwe 1160 Schwerin verliehen hatte 1 ), erhalten. Seit Reincke=Blochs Untersuchung 2 ) steht fest, daß die "Jura zuerinensis civitatis", welche den Städten Güstrow, Malchin, Malchow, Penzlin und Röbel in fast gleichlautenden Stadtrechtsurkunden verliehen wurden, bereits entwickeltere Verhältnisse widerspiegeln, als sie ursprünglich in Schwerin bestanden haben können 3 ).
Das Güstrower Privileg von 1228 4 ), das den Gründungsurkunden der übrigen Städte Schweriner Rechts zugrunde liegt, nennt als Organe der Stadt den magister civium und die consules.
Man darf annehmen, daß der magister civium schon bei der Gründung Schwerins vorhanden war. Die magistri civium, Bauermeister und "burrichtere" im altdeutschen Mutterland der Siedler, in den Städten Engerns, Ost= und Westfalens und in
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Köln, stellen verwandte Erscheinungen dar. Es erinnert an die Verhältnisse von Schwerin, wenn in (dem zwischen 1185-1206 gegründeten) Hameln der Bauermeister den städtischen Interessenten die Hirten für ihre Herden zu bestellen und andere Verrichtungen zum Nutzen des Gemeindegutes auszuführen hatte; doch stand die Aufsicht über die Ämter dort dem Schultheißen zu 5 ).
Frensdorff hat einst den advocatus im Braunschweiger Hagenrecht, den mag. civium in Hannover und Schwerin und den Hildesheimer magister civilis in Parallele zueinander und mit dem Bauermeister im Sachsenspiegel gestellt 6 ) und wahrscheinlich gemacht, daß in deren Gericht die Anfänge der städtischen Selbstgerichtsbarkeit wahrgenommen wurden 7 ).
Ratsherren hat es dagegen in der Mitte des 12. Jhs. noch nicht gegeben. Die in der neueren Forschung 8 ) betonte Bedeutung der Gottesfriedensbewegung für die Entwicklung der Stadtverfassung ist jedoch zu berücksichtigen, will man ein Bild von deren Anfangsstadium gewinnen. Denn "von Heinrich dem Löwen . . . wissen wir bestimmt, daß er in allen seinen Städten den Gottesfrieden hat beschwören lassen" 9 ). Darum treffen wir in Schwerin ebenso wie im Braunschweiger Hagen und in Lübeck als Grundlage der Bürgerfreiheit den Satz: "Stadtluft macht frei" 10 ). Darum begegnet in Schwerin ferner der Haupt= und Handverlust, die typischen peinlichen Strafen des Gottesfriedens 11 ). Indem die Bürger als Genossen gleichen Rechtes den
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Frieden geloben, sind sie aktiv berufen, den Friedensbrecher zu verfolgen. Diese Teilnahme an der Wahrung des Gottesfriedens ist aber von Anfang an in die Hand eines Bürgerausschusses gelegt, aus dem dann vermutlich der Rat hervorgegangen ist 12 ).
Allein über das ursprüngliche nebeneinander von Stadtleitung, magister civium und Bürgern in Schwerin kann man nur Vermutungen anstellen 13 ). Auf gesicherter Quellengrundlage stehen wir erst bei Gadebusch. Die Gründungsurkunde von 1225 14 ), die der Stadt "eandem libertatem" verlieh, "quam Fridericus quondam Romanorum imperator Lubicensis indulsit", zählt auch die damit verbundenen städtischen Selbstverwaltungsrechte auf. Die Polizeiaufsicht über die wichtigen Nahrungsgewerbe der Bäcker, Schlachter und Krüger ist wahrscheinlich in die Hände der Bürgerschaft gelegt; von den dabei erkannten Strafen erhielt die Stadt zwei Drittel und der landesherrliche Richter ein Drittel. Der Friedensschilling, der beim Abschluß von Grundstücksgeschäften gegeben wurde, kam der Stadt und dem Richter zu gleichen Teilen zu. Der erblose Nachlaß fiel, wenn sich binnen Jahresfrist niemand dazu meldete, zur Hälfte an die Stadt, zur Hälfte an die Richter.
Die Gründung von Gadebusch kann jedoch nicht als Stadium auf dem Wege der Entwicklung der städtischen Selbstverwaltung gelten 15 ). Lübecks Verfassungszustand hatte um 1225 die durch das Barbarossaprivileg von 1188 bezeichneten Zustände bereits weit hinter sich gelassen 16 ). Wenn Gadebusch nicht einmal alle Rechte erlangte, die Friedrich Barbarossa 1188 Lübeck gewährte oder bestätigte 17 ), so möchte man darin eine Äußerung landesherrlicher Politik oder Mangel an bürgerlicher Initiative erblicken; auch später wurden einzelnen Städten ähnlich geminderte Selbstverwaltungsbefugnisse, wie diesem aus einem Dorf auf=
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gestiegenen Landstädtchen verliehen. Das auch lübischrechtl. Rostock kannte 1218 bereits die Ratsverfassung 18 ). Der Rat übte dort wahrscheinlich von Anbeginn ein allgemeines Verordnungsrecht in Marktangelegenheiten 19 ). Ferner: in den um die gleiche Zeit gegründeten Städten Güstrow und Parchim war die Selbstverwaltung bereits zu vollendeterer Ausbildung gelangt.
In beiden Städten begegnet das städtische Willkürrecht. In Parchim überließ die Gründungsurkunde von 1225/26 mit der Zuweisung der Einkunft, "qui vulgo sonat inninghe", an die cultores 20 ) einen wesentlichen Zweig städtischen Lebens autonomer Regelung. Wenn auch dem Wort "inninghe" die Bedeutung Einung, Willkür 21 ) fehlt 22 ), und demnach in dem Recht der "inninghe" nicht ein allgemeines Willkürrecht, sondern eigentlich nur die Befugnis enthalten war, über die Zulassung zum Markte zu bestimmen 23 ), so befähigte die Gesamtverleihung des Innungsrechtes an die Stadt die städtischen Behörden doch, den einzelnen Gewerben das Recht des Verkaufs auf dem städtischen Markt für ihre Produkte zu gewähren und in der Folge Innungen (in dem nun daneben gültigen Wortsinn) sei es zu
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organisieren, sei es wenigstens mit Statuten zu versehen. Erteilte doch bereits zwischen 1230 und 1240 der Parchimer Rat der Fischerzunft eine Amtsrolle 24 ).
Im Schweriner=Güstrower Recht von 1228 hatte die städtische Autonomie einen umfassenden Ausdruck gefunden. Die Ratsherren hatten das Recht, ad communem usum Anordnungen zu treffen 25 ). Außerdem ist von den statuta civitatis die Rede, auf deren Übertretung eine Strafe in Höhe von 3 mr stand 26 ). Davon sollten 2/3 der Stadt zufallen; mit der Selbstgesetzgebung war demnach wahrscheinlich eine kommunale Willkürgerichtsbarkeit verbunden.
Es wurde schon darauf hingewiesen, daß in Parchim das Zunftwesen der städtischen Obrigkeit untergeordnet war. Nicht nur hatte der Rat das entscheidende Privilegium des Zunftzwanges zu vergeben 27 ), er übte auch die Aufsicht über die Zünfte. Schon die Plauer Schlachterrolle von 1306 - ähnlich die Fischerrolle von 1307 28 ) - enthält die Bestimmung: Gehorcht ein Zunftmitglied den Anordnungen der Älterleute nicht, so soll es vor den Rat geführt und für sein Vergehen "secundum arbitrium et deliberationem consulum" gestraft werden 29 ).
Im Schwerin=Güstrower Recht führte der magister civium die Aufsicht über die Zünfte. Doch hatte anscheinend auch der landesherrliche Vogt Anteil an der Marktverwaltung 30 ).
Ein altes städtisches Recht war auch die Verwaltung der Allmende. Nach dem Güstrower Privileg hatte der magister civium die Aufsicht über den Stadthirten zu führen 31 ).
Beide Rechte sprachen ferner den Städten Gebiete der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu. Da der Friedeschilling, der für die Friedewirkung bei einer Grundstücksübertragung zu geben war, ganz dem Rat gehören sollte 32 ), erfolgte die Auflassung der Grundstücke offenbar von Anfang an vor dem Rat. Ihre Eintragung in ein Stadtbuch wird uns aus so früher Zeit noch nicht berichtet. Wahrscheinlich stellte man zunächst nur auf Antrag
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der Parteien besondere Handfesten aus 33 ). Für sie waren vermutlich von Anbeginn die Ratsherren die zuständige Behörde. Wenigstens läßt sich wohl der Rat, nicht aber das landesherrliche Gericht bei der Beurkundung von Rechtsgeschäften nachweisen 34 ). Auch bei Rentenbestellungen, die z. B. in Bremen nach Paul Rehmes Vermutung 35 ) in der ältesten Zeit vor dem Gericht vorgenommen wurden, wandte man sich in den Landstädten schon früh an den Rat; 1303 beurkundete der Güstrower einen vor ihm erfolgten Rentenkauf 36 ).
Nach Schweriner=Güstrower Recht bewahrte der Rat außerdem den erbenlosen Nachlaß für ein Jahr. Meldete sich dann kein Erbe, so fiel der Nachlaß an den Landesherrn 37 ).
Im Gadebuscher Privileg von 1225 ist nur von Befugnissen der cives die Rede, bei der Behandlung der Güstrower Selbstverwaltungsbefugnisse mußten wir dagegen schon mehrfach der consules gedenken. Ihr Vorkommen in der Güstrower Stadtrechtsurkunde von 1228 ist zwar im Vergleich zu mancher Stadt Altdeutschlands verhältnismäßig früh 38 ), aber es überrascht andererseits nicht; tritt uns der Rat in Braunschweig doch ebenfalls um diese Zeit 39 ), in Rostock schon 1218 und in Lübeck gar 1201 40 ) entgegen. Auch bei Parchim bestand die Ratsverfassung bald nach, wenn nicht schon zur Zeit der Stadtgründung. Freilich nennt die Stiftungsurkunde von 1225/26 den Rat noch nicht, aber das hier erwähnte Gemeindeorgan, die cultores 41 ), befand sich schon im Besitz der dem Rat zukommenden Rechte, und in der Fischerzunftrolle, die nach Ansicht der Herausgeber "eher um
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das Jahr 1230 als um 1240" verfaßt ist, begegnen dann auch die consules 42 ).
Ob die Besetzung der Ratskollegien vielleicht zunächst unter Mitwirkung landesherrlicher Beamter vor sich gegangen ist, läßt sich nicht entscheiden 43 ).
Diese Selbstverwaltungsbefugnisse Parchims und Güstrows fanden mit den Stadtrechten dann im wesentlichen auch in den bald darauf gegründeten Städten gleichen Rechts Eingang.
Über die Städte lübischen Rechts wissen wir weniger. In ihnen erscheint ebenfalls um diese Zeit der Rat an der Spitze der städtischen Verwaltung: 1241 in Boizenburg 44 ) und Wismar 45 ), 1252 in Ribnitz 46 ), 1262 in Sülze 47 ), 1271 in Gadebusch 48 ), 1280 in Kröpelin 49 ) und 1283 in Neubukow 50 ) usw., d. h. überall bald nach und z. T. gleichzeitig mit dem ältesten Zeugnis über die Existenz der Stadt. Das Recht, Willküren (statuta oder statuta arbitraria) zu errichten, wurde 1266 an Wismar 51 ), 1271 an Gadebusch 52 ) verliehen. Am Ausgang der hier behandelten Epoche hat dieses Recht nachweislich auch Rostock besessen 53 ); ob die Stadt sich dabei auf eine besondere Verleihung berufen konnte, muß bei der Unzulänglichkeit der Quellen dahin gestellt bleiben.
Der Friedeschilling stand nach lübischem Recht zwar zur Hälfte dem Vogt zu, aber die Auflassung geschah in Lübeck schon Anfang des 13. Jahrhunderts nicht auf dem echten Ding, sondern vor dem Rat 54 ). Auch in den beiden mecklenburgischen
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Seestädten verwaltete der Rat diesen Zweig der freiwilligen Gerichtsbarkeit und zwar mindestens, seitdem uns die Stadtbücher vor Augen treten, d. h. in Wismar seit etwa 1250 55 ) in Rostock seit 1257 56 ). Über das Auflassungswesen der Landstädte lübischen Rechtes läßt sich mangels Quellen für diese Zeit noch nichts Gewisses aussagen; wie in den Städten der beiden übrigen Rechtsgebiete wurden auch hier schon früh Rechtsgeschäfte vor dem (Rat verhandelt und von ihm beurkundet 57 )
Bei den Städten wurde nach Gierkes Ausspruch 58 ) "zum ersten Mal die in einer Gesamtheit lebende unsichtbare Einheit als Gewaltherrin gedacht". Stadtgebiet und Bürgerschaft wuchsen zur Stadt als Rechtseinheit zusammen 59 ). Sie findet ihren Ausdruck in Stadtsiegel und Rathaus, die zugleich die Wahrzeichen der städtischen Selbstverwaltung darstellen.
Das Siegel der Stadt Schwerin kommt zum ersten Mal 1255 vor 60 ). Das Gadebuscher Siegel ist nach Ansicht der Herausgeber mindestens so alt wie die Urkunde von 1225 61 ). Das erste Grevesmühlener Siegel befindet sich an einer Urkunde von 1276 62 ). Bald danach treten auch die Siegel der übrigen Landstädte auf 63 ). Gegenstand der Besieglung sind zum großen Teil Urkunden, in denen der Rat vor ihm oder in seiner Gegenwart von Bürgern und Auswärtigen abgeschlossene Rechtsgeschäfte bezeugt 64 ). Bei zwei Urkunden handelt es sich um von der Stadt eingegangene Verpflichtungen 65 ). Weitere zwei
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Urkunden stellen nach Lübeck gerichtete Schreiben dar 66 ). In drei Fällen hängt das Stadtsiegel an Urkunden, in denen der Rat neben anderen Personen als Zeuge von Vertragsabschlüssen wirkt 67 ).
Das Rathaus, die Stätte der städtischen Selbstverwaltung, tritt uns ebenfalls schon um diese Zeit entgegen. In Parchim hatte bis zur Vereinigung von Alt= und Neustadt im Jahre 1282 jeder Stadtteil ein Rathaus. Laut der Vereinigungsurkunde des Jahres stand auf dem Markt der Altstadt bereits "a primevo" das theatrum, et ad quod consules conveniunt" 68 ). Am Ende des hier behandelten Zeitraums begegnet das Rathaus ferner in Sternberg, Plau und Güstrow 69 ).
Zum Abschluß dieses mit dem ursprünglichen Schweriner Recht eingeleiteten Abschnitt soll noch die Frage aufgeworfen werden, ob das Güstrow erteilte Privileg von 1228 wenigstens die derzeitigen Verfassungszustände von Schwerin wiedergibt. Hoffmann vertritt die Ansicht, daß bei der Übertragung des Schweriner Rechts auf Güstrow eine allgemeine "Neugestaltung des Schweriner Rechts auf Güstrow eine allgemeine "Neugestaltung und Umgruppierung der Kräfte" stattgefunden habe, "daß die Schwerin=Güstrower Ratsverfassung in der Form, wie sie uns überliefert ist, unter dem Einfluß von Lokatoren, denen die Anlage der Stadt übertragen war, entstanden ist" 70 ).
Prüfen wir hier nur die Quellen und lassen die Frage nach dem Gründungsvorgang beiseite 71 ). Zunächst: es ist wahrscheinlich, daß auch Schwerin 1228 schon die Rechtsverfassung kannte. Zwar begegnen uns die Schweriner consules erst 1271 72 ). Daraus läßt sich aber kein Schluß ziehen, da in älterer Zeit die consules oft einfach als cives bezeichnet werden. In Zeugenreihen treten Güstrower consules auch erst 1264 auf 73 ). Zeugenreihen von cives besitzen wir nun bei Schwerin aus den Jahren 1244 und 1255 74 ). Da beide aus 6 Zeugen bestehen, von
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denen 3 in beiden Urkunden vorkommen, und der Rat auch später zunächst aus 6 Personen bestand 75 ) wird man die Existenz des Rats für diese Zeit voraussetzen können. Eine solche Zeugenreihe von cives liegt aber auch aus dem Jahre 1178 vor 76 ). Das Auftreten dieser 5 als Vertretung der Bürger (de civibus) erscheinenden Zeugen bestärkt die obige Vermutung 77 ) über das Vorhandensein eines älteren Gemeindeausschusses. Man darf in ihnen sicher noch nicht den Rat erblicken, aber sie weisen doch bereits auf die späteren 6 Ratsherren hin.
Wie steht es nun mit den obrigkeitlichen Rechten des Rats? Läßt es sich wahrscheinlich machen, daß sie bei der Gründung Güstrows gegenüber denen von Schwerin vermehrt wurden?
Der entscheidende Punkt ist die Stellung des magister civium. Hat wirklich, wie Hoffmann behauptet, der Güstrower Rat seine Stellung erst durch Zurückdrängung des magister civium erworben? Die Bestimmung des Güstrower Privilegs lautet: "Si decreverint consules, super officia civitatis magistrum civilem ordinare, et excedant subditi, due partes consulibus, tercia potestati, nil magistro civium deputetur. Civium est eligere magistrum talem". Die Worte "si excedant subditi" sind sicher nicht dahin aufzufassen: Der Rat glaubte mit der Möglichkeit rechnen zu müssen, daß die Bürger sich gegen dies Recht der Einsetzung des magisters civium empören 78 ). Es ist damit nur bestimmt, an wen die im Zunftgericht auferlegten Strafen fließen sollen 79 ).
Ebensowenig Beweismaterial vermag der Vergleich mit den Parallelzuständen in Braunschweig zu liefern. Wenn im Art. 4 des Braunschweiger Hagenrechts der Bürgerschaft das Recht verliehen wird, sich einen Vogt zu wählen 80 ), so wird damit ein Gegensatz zu dem bisher stadtherrlichen Recht, der Stadt neben dem Vogt oder Richter einen 2. Vogt zu setzen, zum Ausdruck
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gebracht 81 ); die Bürgerschaft wird aber nicht im Gegensatz zum Rat gestellt. Denn dieser bestand noch gar nicht. Hoffmann übersieht die Entstehungsweise des Hagenrechts. Art. 4 ist alt. Er stammt aus der Zeit, da die Ratsverfassung noch unbekannt war. Art. 14 dagegen, der die consules nennt, ist ein Zusatz des 13. Jhs. 82 )
Wie im Hagenrecht war der mag. civium noch durch die Bürger zu wählen. Dem Rat kam - die selbstverständliche Funktion der Obrigkeit, als die der Rat um diese Zeit doch auch anderwärts auftritt - das ordinare zu. Wenn hier die Bestellung eines magister civium von der Entscheidung des Rates abhängig gemacht wird, so kann man darin einen Hinweis erblicken, daß diese Einrichtung Altdeutschlands auf Kolonialboden noch schneller an Bedeutung eingebüßt hat. Sie mag zum alten Schweriner Recht gehört, aber bereits aufgegeben worden sein. In dem Krakower Privileg, das sich ausdrücklich auf die Rechte der Stadt Güstrow bezieht 83 ), wird der magister civium nicht mehr erwähnt.
Wenn schließlich der Güstrower Rat den Friedeschilling ganz erhält, während er nach dem Barbarossaprivileg in Lübeck noch zur Hälfte dem Vogt zukam, so kann auch aus letzterem auf den damaligen Zustand von Schwerin kein Schluß gezogen werden, da in den Jahren 1225/26 der Lübecker Rat im übrigen bereits "in vollem Besitz der ganzen obrigkeitlichen Gewalt" war 84 ).
Es besteht also, um zusammenzufassen, kein Grund für die Annahme, daß Güstrow nicht die Verfassungsbestimmungen übernommen hätte, die in Schwerin zur Zeit der Gründung jener Stadt in Geltung waren 85 ).
§ 2:
Die Rechte des Landesherrn in der Stadt
Von Rehna abgesehen, das unter der Herrschaft des dortigen Nonnenklosters zu einer Stadt - jedoch ohne geschriebene Rechte - erwuchs, stellen sämtliche Städte landesherrliche Grün=
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dungen dar 86 ). Nur vier Städte gerieten während des Mittelalters in Hintersässigkeit 87 ). Mit wenigen Ausnahmen waren die mecklenburgischen Städte demnach von Anfang an, wie auch während des gesamten Mittelalters in ihrer Selbstverwaltung ausschließlich durch die Rechte des Landesherrn begrenzt. Zur Wahrnehmung dieser Rechte fehlte im mittelalterlichen Mecklenburg eine ausgebildete Zentralbehörde, der Schwerpunkt der landesherrlichen Machtausübung lag vielmehr bei den lokalen Verwaltungsbezirken. Das Verhältnis der Städte zu der landesherrlichen Lokalverwaltung verdient daher besondere Beachtung.
1. Der Zusammenhang von Stadt und Vogtei.
"Das Territorium bestand aus einer Anzahl Ämter, die vollkommen selbständig, unabhängig und ohne Berührung miteinander, nur durch die Person des Herrschers zusammengehalten wurden" 88 ). An der Spitze des als Vogtei und später als Amt bezeichneten Bezirks steht als Vertreter des Landesherrn der Vogt oder Amtmann. Sein Wirkungskreis hat den bei der Vogteiverfassung der deutschen Territorien 89 ) üblichen großen Umfang: polizeiliche, finanzielle, militärische und richterliche Funktionen waren in seiner Hand vereinigt. Als Inhaber der Sicherheitspolizei übte er das Geleitsrecht. Er bot die Untertanen zur Landwehr 90 ) und zu allen Dienstleistungen auf und überwachte deren Ausführung. Seine finanzielle Tätigkeit bestand vor allem in der Erhebung der Bede; bei Nichtzahlung konnte er zur Zwangseintreibung oder Pfändung schreiten. Namentlich aber lag dem Vogt die Verwaltung der gesamten Gerichtsbarkeit ob 91 ). Er berief zum gebotenen Ding, leitete
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die Verhandlungen, verkündete das Urteil und sorgte für dessen Vollstreckung. Da im Mittelalter die richterliche Funktion auch eine umfangreiche Verwaltungstätigkeit einschloß, waren die richterlichen Befugnisse von zentraler Bedeutung für die Machtstellung des Vogtes.
Die Terminologie der Urkunden, welche die Stadt und das sie umgebende Land gemeinsam als Vogtei bezeichnet 92 ), spricht dafür, daß auch die Städte nicht vollkommen außerhalb der Vogteiverwaltung gestanden haben. Unsere Aufgabe wird deshalb darin bestehen, zu untersuchen, welcher Art und von welcher Bedeutung für die städtische Selbstverwaltung die Zusammenhänge waren, die zwischen Stadt und Vogtei bestanden.
Im Mittelpunkt der Untersuchung wird dabei die Frage nach einem etwaigen instanziellen oder personellen Zusammenhang von Stadt und Vogtei auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung stehen müssen.
Es ist sicher, daß die mecklbg. Städte einen besonderen Gerichtsbezirk bildeten 93 ). Bei der Gründung im Jahre 1225 wurde der Stadt Gadebusch die Vergünstigung erteilt: "Quinunque ipsorum (sc. civium) super aliquo crimine seu causa quacunque conveniatur, coram illiu iudice purgabit absque aliqua captione" 94 ). Bei der Verleihung des lübischen Rechtes an Boizenburg im Jahre 1267 behielt sich der Landesherr vor, "dat neen unser Amptlude, he sy Münter, Töllner edde Jöde, wohnende in unser Stadt Boyssenborg derff antwerden vorr dem Richter des sülven Lübeschen Rechtes" 95 ). Der Stadt Grabow, in der ebenfalls lübisches Recht galt, bestätigte 1317 Markgraf Waldemar von Brandenburg ihr Privilegium: "dicti quoque cives nostri . . . extra civitatem de cetero in provinciale iudicium tahi non debent, nec super aliqua causa ad huiusmodi iudicium conveniri" 96 ). Bei den Städten Schwerin=Güstrower Rechts finden wir die Exemtion vom Landgericht nicht besonders ausgesprochen; doch folgt sie schon aus der Tatsache des besonderen Stadtrechts 97 ). Sie erstreckte sich auch auf das Gebiet der
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Kriminalgerichtsbarkeit, da nach einem eigenen städtischen Strafrecht gerichtet wurde. In dem Parchimer Recht kommt die Bildung eines besonderen Strafgerichtsbezirkes darin zum Ausdruck, daß der Stadt der dritte Teil der Brüche auch der magnarum causarum verliehen wurde 98 ). Da die Städte auf dem Gebiet der hohen Gerichtsbarkeit eine vom platten Land gesonderte Stellung einnahmen, waren sie auch im Besitz eines eigenen Galgens. Dies wissen wir z. B. von Bützow 99 ).
Ist damit das Fehlen eines sachlichen Zusammenhanges mit dem Landgericht festgestellt, so bleibt doch die Möglichkeit bestehen, daß der Verwalter der Gerichtsbarkeit nach Landrecht, der Landvogt, zugleich die Gerichtsbarkeit in der Stadt teilweise oder in vollem Umfange ausübte.
In der Mark Brandenburg war während der ältesten Zeit der Vogt des flachen Landes auch Richter im Stadtgericht; später wurde dann ein besonderer Stadtvogt eingesetzt, oder der Schulze erlangte auch die hohe Gerichtsbarkeit 100 ). Für die Gerichtsverfassung der mecklbg. Städte sind besonders aufschlußreich einige Urkunden vom Ende des 13. und Anfang des 14. Jahrhunderts, in denen zwischen einem "advocatus minor" oder "subadvocatus" und einem "advocatus maior" im Stadtgericht unterschieden wurde. Bei der Verleihung von einem Drittel der Gerichtsgefälle an die Stadt Güstrow i. J. 1293 wird davon ausgenommen: "advocato tamen minore semper suos quator solidos capiente, qui ad capiente, qui ad eum pertinere videntur" 101 ); da die sich daran anschließende Bestimmung von der richterlichen Tätigkeit des "advocatus" schlechthin redet 102 ), ist dieser wahrscheinlich als advocatus maior anzusprechen. Dem Rat der Stadt Malchin wurde 1302 das Recht verliehen, "ut in absencia nostrii advocati maioris aut minoris unus con-
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sulum excessus et causas iudicii iudicet" 103 ). Um 1325 schreibt die Stadt Gadebusch wegen der "sententiae duorum advocatorum" an den lübischen Oberhof 104 ); vielleicht sind auch hierunter Ober= und Untervogt zu verstehen. In Zeugenreihen begegnen beide Vögte ferner noch bei mehreren anderen mecklenburgischen Städten 105 ).
Das Nebeneinander eines advocatus maior und minor herrschte auch in pommerschen Städten mit lübischem Recht. Bei der Gründung der Stadt Treptow a. R. zu lübischem Recht i. J. 1287 bestimmten die Gründer: "Et nos minorem advocatum in ipsa civitate non ponemus, nisi de consulum ipsius consilio et consensu" 106 ). Als Stargard a. J. 1292 das Magdeburger mit dem lübischen Recht vertauschte, wurde die Anordnung getroffen: "subadvocatus de consilio maioris advocati una cum consilio praefatae civitatis statuetur." 107 ). In der Bestätigung des lübischen Rechtes für die Stadt Barth i. J. 1325 findet sich die Bestimmung :"volumus eciam nos et nostri heredes et debemus dictum civitati subadvocatus congruum subrogare, cum eis fuerit oportunum" 108 ). Das gleiche Recht wurde 1325 der Stadt Loitz verliehen 109 ).
Wie haben wir uns diese Doppelbesetzung des Gerichts zu erklären?
Die bisherige mecklbg. Literatur ist darauf teils nicht aufmerksam geworden, teils hat sie unrichtige Erklärungen gegeben 110 ). Es ist aber - um das Ergebnis vorwegzunehmen -
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m. E. unzweifelhaft, daß es sich hier um ein Nebeneinander von Stadt= und Landvogt im Stadtgericht handelt. Der Richter des platten Landes, der "advocatus maior" hat in dieser Zeit noch gerichtliche Tätigkeit in der Stadt geübt. Später ist dann in der Regel der Landvogt aus dem Stadtgericht ausgeschieden, der "advocatus minor" wurde zum alleinigen Stadtrichter.
Der Beweis für diese unsere Auffassung wird freilich dadurch erschwert, daß fast immer den Vögten das Beiwort "maior" oder minor" fehlt 111 ). Doch ergibt sich die richterliche Tätigkeit des advocatus minor schon aus der angezogenen Malchiner Urkunde. Seine Identität mit dem eigentlichen Stadtrichter ist aus folgenden Gründen wahrscheinlich. Um 1297/98 treffen wir im Rostocker Stadtbuch einen "Deithart subadvocatum" 112 ); 1283 wird aber eine Verfestung durch das Rostocker Gericht vorgenommen "sedente pro tribunai Dethardo advocato" 113 ). Die 4=Schillingseinkunft des advocatus minor in der Güstrower Urkunde von 1293 entspricht der Wette, die dem städtischen Richter nach lübischem Recht zukam 114 ).
Da in einer Güstrower Urkunde von 1229 115 ) vor dem minor advocatus" ein Baroldus "advocatus" auftritt und 1273 116 ) ein "Henricus advocatus in Robele" vor einem "Hermannus minor advocatus in Robele" steht, dürfen wir jene als advocati maiores ansehen. Sowohl Baroldus wie Henricus aber lassen sich als Landvögte nachweisen 117 ), sodaß
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demnach auch die Gleichsetzung von advocatus maior und Landvogt berechtigt ist 118 ).
Damit ist zugleich erwiesen, daß um 1300 in einigen Städten Mecklenburgs Land= und Stadtvogt nebeneinander das Gericht verwalten 119 ). Es muß aber noch die Frage beantwortet werden: Dürfen wir annehmen, daß der Landvogt einmal alleiniger Richter im Stadtgericht war 120 )?
Ich stelle zu dem Zweck diejenigen Daten zusammen, an denen ich zum ersten Mal in einer Stadt den Stadtrichter erwähnt finde; das bezeugte oder mutmaßliche 121 ) Gründungsjahr der Stadt ist zum Vergleich in Klammern beigefügt. In den Urkunden werden genannt: im Jahre 1229 Johannes minor advocatus" in Güstrow 122 ) (1226), 1273 "Betramnus de Malechowe minor advocatus, Hermannus minor advocatus in Robele, Henricus minor advocatus in Wesenberge" 123 ) (1235, 1261, um 1263?), 1305 ein "Hinricus quondam subadvocatus" in Goldberg 124 ) (1248), 1300 "Hinricus Drosenowe advocatus" in Plau 125 ) (1226) und 1333 "Heghel advocatus" in Neubukow 126 ) (1260). Wenn in einigen Städten der Untervogt
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auch erst längere Zeit nach deren Gründung bezeugt ist, so wird man doch auf Grund seiner frühen Erwähnung in Güstrow, Röbel und Wesenberg zu dem Schluß kommen, daß die Stadtrichter wahrscheinlich bereits bei der Gründung der Städte eingesetzt wurden. Dafür spricht außerdem die angeführte Gründungsurkunde Treptows von 1287, in der ein besonderer Stadtrichter als Selbstverständlichkeit erscheint.
Wie schon der Name sagt, war der subadvocatus dem Landvogt untergeordnet 127 ). Über die Abgrenzung ihrer Zuständigkeit fehlte es jedoch an jeglichen urkundlichen Nachrichten. P. v. Nießen, der sich mit dieser Frage bereits in Bezug auf Pommern befaßt hat, kommt für die pommerschen Städte mit Einschluß derer, in denen lübisches Recht galt, zu der Auffassung, daß noch bis 1325 "die Großvögte . . . auch in den Städten das Gericht an Hals und Hand innegehabt haben" 128 ). Doch vermag von Nießen für diese Zuständigkeit einen sicheren Beweis nicht zu liefern. Auch steht einer solchen Teilung die lübische Gerichtsverfassung entgegen, die ja anders als die Magdeburgs keine Verteilung der gerichtlichen Zuständigkeit kennt. Ich möchte daher annehmen, daß dem Landvogt auf Grund seiner mächtigen Stellung, die vielleicht an die slawische Kastellanatsverfassung anknüpft 129 ), die Befugnis zukam, sämtliche Gerichtssitzungen zu leiten, und daß er in der ältesten Zeit den Vorsitz in den echten Dingen geführt hat. Daß der advocatus minor aber schon früh der eigentliche Stadtrichter war, folgt meines Erachtens aus der ihm nach der bereits herangezogenen Güstrower Urkunde von 1293 allein zustehenden Wette von 4 ß. Wurde diese doch nach dem verwandten lübischen Recht in der Hauptsache als Strafe für Verstöße gegen die Gerichtsordnung auferlegt 130 ).
Auch in der Erhebung der landesherrlichen Steuer bestand ein Zusammenhang zwischen Stadt und Vogtei.
Sehr wahrscheinlich war die sog. alte oder ordentliche Bede als jährliche Steuer bereits bei der Kolonisation in Stadt und Land eingeführt 131 ). Auf dem Lande wurde der einzelne Bauer
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unmittelbar vom Landesherrn besteuert 132 ). Nicht anders denkt sich die herrschende Auffassung auch die Steuererhebung in den Städten; als Beweismittel dient ihr eine Güstrower Urkunde vom Jahre 1264 133 ). Die Urkunde besagt jedoch nur, daß der Landesherr der Stadt Güstrow im Jahre 1264 das Recht verlieh, die Bede als ein Jahresfixum von 100 mr. zu leisten, und sich selber verpflichtete, diesen Betrag nicht zu erhöhen 134 ). Welchen Charakter die petitio vorher hatte, ob durch diese Verleihung die Einzelbesteuerung der Bürger oder die Unbestimmtheit einer jährlich neu von Stadt= und Landesherrn zu vereinbarenden Gesamtsteuer beseitigt wurde, läßt sich aus der Urkunde nicht erkennen. Keineswegs folgt aus ihr, daß die Bede bis 1264 in Güstrow durch den Landesherrn oder dessen Vogt von den einzelnen Bürgern eingezogen wurde. Der Wortlaut steht dieser Ansicht sogar entgegen, da ja nicht ausdrücklich dem Rat, sondern den "civibus in Guzstrowe commorantibus" ein Recht verliehen wird.
Für unsere Anschauung, daß wahrscheinlich, wie in Güstrow, so in allen Städten, von jeher oder doch sehr früh, der Rat befugt war, die Steuerbeträge einzuziehen, spricht sowohl die Tatsache, daß die spätere außerordentliche Bede nach den ältesten Registern ebenfalls fast überall vom Rat eingesammelt wurde, wie die Nachrichten des 13. Jahrhunderts über einzelne Städte. In der weniger bedeutenden Stadt Grevesmühlen, die uns erst 1262 als oppidum entgegentritt 135 ), war diese Art der
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Steuererhebung bereits 1267 üblich 136 ). Und in Rostock wurde die Bede schon vor der Fixierung im Jahre 1262 vom Rat erhoben 137 ). Ob die alte Bede etwa hier und da anfangs durch Einzelbesteuerungen der Bürger aufgebracht wurde, oder stets Gesamtbesteuerung der Stadt erfolgte, muß angesichts der Quellenlage dahin gestellt bleiben 138 ). Im 14. Jahrhundert wenigstens erscheint bei allen Städten diese Steuer in einen festen Betrag, die sog. Orboer, umgewandelt und ihre Leistung als eine Obliegenheit des Rats 139 ). Weiter erstreckt sich jedoch im allgemeinen die Lösung der Stadt von der Vogtei nicht. Es blieb Regel, daß die Orboer an den Vogt gezahlt werden mußte 140 ); bei der Verpfändung der Vogtei stand diese Einnahme daher dem Pfandinhaber zu 141 ).
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Ob der Landvogt anfänglich alle Städte zu den öffentlich=rechtlichen Leistungen, wie Ablager 142 ) und Landwehr herangezogen hat, darüber sagen, so viel ich sehe, die Quellen nichts Bestimmtes aus. P. von Nießen hält es für ausgemacht, daß ursprünglich den Großvögten die Städte ihrer Bezirke in der defensio terrae unterstanden und daß "somit der Großvogt zunächst Führer der städtischen Aufgebote" gewesen ist. Erst allmählich, anfangend 1264, habe seine Stellung "mit der immer allgemeiner werdenden Erbauung von Mauern durch die Städte selbst" an Bedeutung verloren 143 ). Einen schlüssigen Beweis ist Nießen aber schuldig geblieben. In Mecklenburg stellten die Städte, seitdem sie von der Mitte des 14. Jahrhunderts an zum Abschluß von Landfrieden hinzugezogen wurden, gesonderte Aufgebote 144 ). Zum Burg= und Brückendienst sind die Städte wahrscheinlich von früh an nicht verpflichtet gewesen. Den Bürgern lag dafür die Anlage und Erhaltung der Stadtbefestigung ob 145 ).
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Vermutlich wurden wichtigere Verwaltungsgeschäfte von einigen Städten in der ersten Zeit nur unter Beteiligung der Landvögte vorgenommen. Wir besitzen von vier Städten Urkunden, die ein Zusammenwirken von Vogt und Stadt berichten. 1274 erneuern "advocatus, consulatus, ceterique concives in Ribenitz" einen mit dem Kloster Bersenbrück in Westfalen geschlossenen Vertrag 146 ). 1285 bezeugen "advocatus, consules civitatis in Raceburch" die Auszahlung der Entschädigung an vom Domkapitel zu Ratzeburg gelegte Bauern 147 ). In einer 1336 von den Pfarrern zu Recknitz und Pölchow, sowie dem Laager Rat ausgestellten Urkunde über den Verkauf des halben Dorfes Vippernitz an das Kloster Dargun wird überliefert, daß drei Personen, die neben dem Verkäufer Renten aus jenen Dorfgrundstücken bezogen, diese aufgelassen haben (dimiserunt) "ac . . ore et manu fide data promiserunt videlicet Alberto advocatu, Johanni Plonies . . (folgen 5 weitere Namen) consulibus in Lawe necnon . . . (2 Namen), civibus ibidem", sich aller ihrer Rechte zu begeben 148 ). In Schwerin schließlich begegnet der Vogt 1298, 1328 und 1340 neben dem Rat bei der Erledigung von Stadtangelegenheiten 149 ). Daß es sich in allen eben genannten Urkunden wirklich um den Landvogt, und nicht um den Stadtvogt handelt, kann bei der Dürftigkeit der Nachrichten freilich nur vermutet werden 150 ).
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Die Städte nahmen demnach in mancher Hinsicht früh eine Sonderstellung innerhalb der Vogteien ein. Aber noch hatte der Vogt eine politisch überragende Stellung inne. Man bedenke, daß auch die bedeutenderen Städte damals den Mauerring gegenüber den in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft befindlichen Burgen der Vögte noch nicht geschlossen hatten, also militärisch nicht auf eigenen Füßen standen. Man erinnere sich, daß der Landvogt den Städten im Gerichtswesen übergeordnet war und in dieser Stellung ihnen gegenüber die stadtherrliche Gewalt vertrat.
2. Sonstige landesherrliche Rechte in den Städten.
In dem Verhältnis von Stadt und Vogtei erschöpften sich die landesherrlichen Rechte in den Landstädten nicht. Mit der Wahrnehmung einer Reihe von Befugnissen hatte der Landesherr nicht eigentlich zur Vogtei gehörige Beamte betraut.
Zunächst sei das Stadtgericht nochmals erörtert, da es ebenfalls in der Vogteiverwaltung nicht völlig aufging und eine Betrachtung unabhängig von der Frage erfordert, welche Befugnisse zunächst noch dem Landvogt und welche schon dem Stadtvogt zustanden.
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Als eigener Gerichtsbezirk hatte die Stadt auch ihre eigene Gerichtsstätte; in der Regel war dies der Markt 151 ).
Da die Stadt nur einen Ausschnitt aus dem Landgericht darstellt, stimmte sie mit ihm in der Organisation überein 152 ). Gebotenes und ungebotenes Ding bestanden nebeneinander. Unsere Nachrichten über das alte echte Ding gehören allerdings erst der Neuzeit an und sind auf wenige Städte beschränkt. Aber das Vorkommen des echten Dings in norddeutschen Städten mit ähnlicher Verfassung 153 ) rechtfertigt es, jenen spärlichen Zeugnissen eine allgemeinere Bedeutung für das Mittelalter beizumessen; wie vielfach das Gerichtsverfahren, so hat sich in diesem Punkt offenbar auch die Gerichtsverfassung in einigen Städten mit Zähigkeit bis tief in die Neuzeit erhalten.
Nach einem Bericht des Stadtvogts zu Malchin an Herzog Adolf Friedrich vom 29.2.1612 wurden dort "auf uhralten hergebrachten gebrauch und gewohnheitt jehrlich zwei unterscheidliche Tage, welche von alters der Etting genannt, . . . gehalten" 154 ). In Plau hegte der Stadtvogt nach Zeugnissen aus den Jahren 1616/17 vier Mal jährlich am Tage nach dem Vierzeiten=Feste im Namen des Landesherrn das Etting oder Quartalsgericht 155 ). In Parchim ward noch bis zur Aufhebung des Stadtgerichts im Jahre 1848 um Michaelis unter dem
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Vorsitz des Stadtrichters "öffentlich unter dem Läuten der großen Glocke ein sog. Bürgerrecht gehegt" 156 ).
Das echte Ding hatte einen bestimmten Kompetenzbereich. Alles übrige wurde auf den sonstigen Gerichtssitzungen erledigt; der Richter konnte zu dem Zweck einen Gerichtstermin ansetzen, auch die Parteien waren vermutlich berechtigt, eine Verhandlung zu beantragen. In Parchim waren nach einer Urkunde vom Jahre 1282 der Dienstag und Freitag für Gerichtssitzungen bestimmt 157 ). Das erste erhaltene Teterower Gerichtsprotokollbuch von 1590-1603 überliefert uns z. B. dies Nebeneinander des 3 mal im Jahr gehaltenen "Ettings" und den übrigen, Zwischen diesen Terminen liegenden Gerichtssitzungen 158 ).
Es kann kein Zweifel sein, daß das Stadtgericht ursprünglich für alle Rechtsfälle zuständig war, also sowohl die Kriminal= wie die Zivilgerichtsbarkeit vor dieses Forum gehörte. Daß sowohl die niedere wie die hohe Strafgerichtsbarkeit landesherrlich war, darf für die Städte lübischen Rechtes aus der Gerichtsverfassung Lübecks geschlossen werden 159 ). Bei den Städten Schweriner Rechts läßt sich das Gleiche aus der in der Stadtrechtsurkunde enthaltenen Bruchtabelle erkennen 160 ). Bei den Städten Parchimer Rechts geht die landesherrliche Ausübung auch der niederen Gerichtsbarkeit daraus hervor, daß die Stadt nach der
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Stadtrechtsurkunde bei allen Strafsachen bis zu 4 ß ein Drittel der Brüche erhalten soll 161 ).
Nur innerhalb der Handwerksämter war die niedere Strafgerichtsbarkeit dem Stadtgericht entzogen und dem Amt, sowie dem ihm übergeordneten Rat vorbehalten 162 ). Verstießen dagegen Personen, die nicht dem Amt angehörten, gegen die Amtsordnung, so konnte die Klage auch beim Stadtvogt anhängig gemacht werden. Wer die Amtsartikel der Malchiner "Haken" (v. 1500) verletzte, den durften die Zunftmitglieder "vor de Richtere 163 ) eschen und . . . denne laten to broke efte wette deylen, dat de Richtere eren broke dar van up nemen"; ein "butenman" konnte das Amt nur "dorch vorloff der richtere besaten" 164 ).
Eine weitere Einschränkung der Gerichtsbarkeit des Stadtvogts ergab sich aus dem Recht des Rats, über die von der Gemeinde beschlossenen Willküren zu richten.
Andererseits griff aber auch das Stadtgericht in den Bereich des Gemeindelebens über. Im Rahmen der Rechtsprechung wurden ja im Mittelalter zahlreiche Verwaltungsaufgaben erledigt. Das zeigt sich zunächst in der Kompetenz des echten Dings. Auf dem Lübecker echten Ding wurde Recht gesprochen "de tribus articulis, scilicet de hereditatibus, de cespitalitatum proprietatibus et de reipublicae necessitati-
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bus" 165 ). Unter dem Vorsitz des Vogtes wurde also auch über das geurteilt, was zum Wohl der Stadt etwa notwendig war 166 ). Eine durchaus ähnliche Gerichtsbarkeit besaß das echte Ding in mecklenburgischen Städten. In Parchim konnte auf dem jährlichen Bürgerrecht "nach vorgängiger einfacher Meldung und Nennung des Beklagten jeder Bürger . . . seine Klagen anbringen" 167 ); doch war die Beratung von Gemeindeangelegenheiten zur Zeit dieser Nachricht dem echten Ding in Parchim schon lange genommen. Auf dem Plauer Quartalsgericht konnte "wegen Acker, Garten, Wischen und allerhand Veltgewalt" geklagt werden. Auch waren vor ihm die Ratsherren "Recht zu geben und zu nehmen schuldig". Ferner wurde dort "wegen dessen, was in Embtern verfallen muchte", verhandelt 168 ). In Malchin wurden nach dem bereits genannten Bericht auf dem Etting "der Statt mangel von den vier Gewerken und Freyheiten angebrachtt" 169 ).
Wir bemerken also ein teilweises Zusammenfallen von Stadtgericht und städtischer Verwaltung. Die Marktpolizei bietet im Schwerin=Güstrower Recht ein verwandtes Bild. Auf Betrügerei durch Führung doppelter Maße stand die Todesstrafe 170 ), d. h. es wurde über den Schuldigen im Stadtgericht erkannt. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, daß die Marktpolizei, die dauernde Nachprüfung des Maßwesens, Sache des Gerichts war, aber wenigstens ist es wahrscheinlich, daß der Stadtrichter an der Überwachung des Handels teil hatte. Auch geht dieses Zusammenwirken von Rat und Stadtvogt in der Aufsicht über das Maßwesen aus der Stadtrechtsurkunde von Röbel eindeutig hervor. Die Verteilung der gerichtlichen Gefälle wurde hier danach bemessen, wer von ihnen - der Rat oder der Stadtrichter - den Gebrauch unrechten Maßes entdeckte 171 ).
Über die Bestellung des Stadtvogtes geben die Urkunden keine klare Auskunft. Der Landesherr hat dies Recht wahr=
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scheinlich teils selber geübt, teils dem Landvogt überlassen 172 ). Bei Verpfändungen der Vogtei ging es zum Teil mit der Einkunft aus den Gerichtsgefällen auf den Pfandinhaber über 173 ). Schon früh war es anscheinend vielfach üblich oder gar rechtens, das Amt des Stadtrichters mit Bürgern der betreffenden Stadt zu besetzen oder es sogar einem Mitglied des Rates zu übertragen 174 ). Dadurch verschob sich natürlich der Charakter des Stadtgerichtes zugunsten der städtischen Selbstverwaltung. Eigenartig sind die Verhältnisse in Sülze. Die Rostocker Patrizierfamilie Coppmann läßt sich fast ein Jahrhundert im erblichen Besitz der Sülzer Stadtvogtei nachweisen.
Die Sülzer Ratsherren werden 1277 175 ) zum ersten Mal namentlich aufgeführt. Unter ihnen steht auch ein "Hermannus Coppman". Dieser Name kommt dann nicht wieder im Rat vor, wohl aber tritt 1289 176 ) als Zeuge unter den "cives sed tunc consules de Sulta" ein "Hermannus antiquus
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advocatus" und 1298 177 ) unter den Ratsherren ein "Hermannus Advocatus" auf. Es besteht danach zweifellos die Möglichkeit, daß diese drei Namen sich auf dieselbe Person beziehen, d. h., daß Hermann Coppmann Stadtvogt war. Bestärkt wird diese Vermutung durch folgende urkundliche Nachrichten. Die Erbauseinandersetzung über den Nachlaß des Rostocker Bürgermeisters Arnold Coppman vom 15. April 1336 178 ) enthält in Bezug auf dessen Neffen Bernhard die Bestimmung: "optinebit omnes redditus in molendino et in advocacia et in censibus de areis perpetuis, quos invicem in oppido Sulta habuerunt, pro usibus suis disponendos". Arnold, als Ratsherr 1291 zum ersten Mal genannt 179 ), hatte schon mit dem Vater dieses Bernhard, der ebenfalls Bernhard hieß, Güter in Sülze besessen; 1308 fand er seine Kinder erster Ehe ab mit dem vierten Teil "bonorum omnium que frater suus Bernardus et ipse habent communiter in Sultha" 180 ). Da auch diese Güter von 1308 gemeinsam innegehabt wurden, sind sie wahrscheinlich mit den 1336 aufgeführten Besitzungen identisch. Erst im Jahre 1373 ging dieser Coppmannsche Besitz in fremde Hände über, Berndt Coppman 181 ) verkaufte damals für 210 mr alles, "was er in der Stadt zur Sulten gehabt als richte und broke uff 4 schillinge und darunter, auch funff Wörde, die iedes jares geben 8 sundische schillinge" nebst Kornhebungen aus der Sülzer Mühle 182 ). Wie diese Besitzungen eventuell von Hermann Coppman in Sülze auf den Rostocker Zweig der Familie übergegangen sind, läßt sich allerdings nicht feststellen. Auch bleibt es nur Vermutung, daß die Rechte der Coppmans in Sülze auf Locatortätigkeit zurückzuführen seien 183 ).
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Außer der Gerichtsbarkeit war der Landesherr in den Anfängen des mecklbg. Städtewesen noch im vollen Besitz wichtiger Regalien 184 ). Das Zollwesen war noch landesherrlich. Landesherrliche Zollstätten bestanden u. a. in den Städten Dömitz 185 ) und Boizenburg 186 ).
Dem Landesherrn stand ferner ausschließlich das Münzprägungsrecht zu. In der ältesten Zeit besaßen die Landesherren zahlreiche Münzstätten. Als 1325 bei der Verleihung der Münzgerechtigkeit an Rostock sämtliche Münzstätten der Herrschaft Rostock geschlossen wurden, traf dies Schicksal u. a. die dort gelegenen Städte Ribnitz, Sülze, Tessin, Marlow und Kröpelin 187 ). Eine landesherrliche Münze bestand auch in Gadebusch 188 ), in Dömitz 189 ) und in Boizenburg 190 ).
Anscheinend in allen Städten hatten sich die Landesherren den Mühlenbann, das ausschließliche Recht zur Anlage von Mühlen, vorbehalten 191 ). Im Laufe der Zeit erfolgte dann vielfach eine Veräußerung der Mühlen an Klöster oder an Grundherren aus der Umgegend der Städte. 1295 verkaufte Fürst Nikolaus von Werle dem Kloster Neuenkamp das Eigentum an der Mühle in Plau 192 ). Im gleichen Jahre schenkte Nikolaus von Werle dem Kloster die Mühle in Goldberg 193 ). Landesherrlich war dagegen noch 1331 die Mühle bei Krakow 194 ) und bis 1299 die Mühle in Gnoien 195 ). Bei den
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Städten Güstrower Rechts ergibt sich der landesherrliche Mühlenbann aus dem § 9 des Stadtrechtes. Der Mühlenbann war mit einem Zwangsrecht verbunden und machte sich daher auch in der Richtung geltend, daß bestimmte Mühlen ein jede Konkurrenz ausschließendes Mahlrecht erhielten. So wissen wir aus dem Jahre 1304 196 ), daß die Bewohner von Neubukow dem Mahlzwang unterliegen, aber ihr in drei Tagen nicht abgemahlenes Korn auf andere Mühlen bringen durften. Ebenso erfahren wir 1302 von dem Bestehen des Mahlzwanges in Gadebusch 197 ). Den Moltkes gewährte der Landesherr 1315 für ihre Mühle zu Detershagen den Mahlzwang über die Stadt Kröpelin 198 ), 1290/91 verkaufte Nikolaus von Werle den Rittern Johann und Gerhard von Bardenfleth die große Mühle vor Penzlin mit dem Mühlenbann auf eine halbe Meile 199 ). Marlow wird dagegen 1459 mit den übrigen Privilegien das Recht bestätigt: "Ock mogen se mahlen tho welcken möhlen de en negesten ist, sonder Broecke" 200 ).
In der Gesamtbeurteilung der ältesten städtischen Selbstverwaltung darf auch die Tatsache nicht übersehen werden, daß bei der Stadtgründung territorialpolitische Gesichtspunkte in einem stärkeren Maße zur Verwirklichung kommen konnten, als in einem späteren Stadium des Städtewesens. Es leuchtet ein, daß die Anlage einer Stadt dem Landesherrn bedeutende Vorteile in Aussicht stellte. Zunächst in finanzieller Hinsicht. In der städtischen Bede, in den Münzstätten und Gerichtsgefällen der Städte taten sich neue Einnahmequellen auf; die Zolleinkünfte mußten mit dem Einzug von Handel und Verkehr eine erwünschte Vermehrung erfahren, ja dadurch wurde das Land überhaupt erst erschlossen; die völlige Ausnutzung des Grund und Bodens war an den Bestand eines über das gesamte Territoriums verbreiteten Städtewesens gebunden. Nicht anders in militärischer Hinsicht. Die größere Einwohnerzahl der bald mit Wehranlagen umgebenen Städte bot Gelegenheit, die Verteidigungsfähigkeit des Landes beträchtlich zu heben: das Städtewesen mußte im ganzen genommen als Steigerung der landesherrlichen Macht erscheinen.
Die Anlage der Städte wird sich daher der Gunst der Landesherren erfreut haben 201 ). Sie wurde nachweislich sogar von
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ihnen betrieben. 1244 bezeichnet der Landesherr sich als Gründer der Stadt Neukalen 202 ) und erwarb auch deren Grund und Boden vom Kloster Dargun 203 ). In der Parchimer Stadtrechtsurkunde spricht der Landesherr davon, daß er selber Ansiedler von fern und nah herbeigerufen habe 204 ). Für den Beginn des Städtewesens müssen wir eine weitergehende innere Abhängigkeit der Bürgerschaft vom Landesherrn annehmen, als sie jemals später während des Mittelalters bestand. Gerade im Anfang bedurfte man seiner. Er gab den Grund und Boden und die Rechte an Feld, Wald und Wasser. Bei ihm hatte man vor allem um Gewährung des freien Stadtrechts anzusuchen; in diesem Punkt werden denn auch die Anzeichen einer landesherrlichen Städtepolitik vor allem sichtbar. Abgesehen vom Westen Mecklenburgs, wo sich der überragende Einfluß Lübecks bemerkbar macht, schritten die Landesherren zur Durchführung einer stadtrechtlichen Einheit. In der Herrschaft Rostock wurden die Städte mit lübischem Stadtrecht, in der Herrschaft Werle mit Schweriner, in der Herrschaft Parchim=Richenberg mit Parchimer Stadtrecht bewidmet. Auch die später uns entgegentretende Erscheinung, daß Rostock, Güstrow und Parchim als Oberhöfe der Städte dieser Gebiete erscheinen, mag ihren Ursprung in einer landesherrlichen Anordnung aus der Zeit der Stadtgründung haben.
Suchen wir jetzt das Bild der ältesten städtischen Verfassung uns noch einmal vor Augen zu stellen. Die städtische Selbstverwaltung stand erst in ihren Anfängen, die Stadt war auf einen engen Kreis von gemeindlichen Aufgaben beschränkt. Landesherrliche Beamte verwalteten jene Gebiete, wie Gericht, Münze, Zoll, Mühle, von denen das städtische Leben in Abhängigkeit stand. Bei der überragenden Stellung des Landvogtes waren die Städte vor allem von jeder politischen Unabhängigkeit weit entfernt.
Die folgende Zeit sollte jedoch wichtige Veränderungen bringen. Sie ist gekennzeichnet durch das zum großen Teil erfolgreiche Ringen der Städte nach Erweiterung ihrer Selbstverwaltung und nach Selbstbestimmung auf wirtschaftlichem
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und politischen Gebiet und dementsprechend durch ein fortwährendes Abbröckeln der Stellung des Landesherren in der Stadt.
B. Die Verselbständigung der Städte und die Vermehrung ihrer Rechte im Verlaufe des Mittelalters
§ 1:
Die Veränderungen in der städtischen Gerichtsverfassung
Eine genaue Feststellung der Wandlung der städtischen Gerichtsverfassung stößt auf Schwierigkeiten. Es läßt sich vielfach nicht mit Sicherheit angeben, in welche Zeit das Aufkommen dieser oder jener Erscheinung der Gerichtsverfassung zu datieren ist.
Doch läßt sich soviel erkennen: die städtische Gerichtsverfassung der mecklbg. Landstädte veränderte sich im Laufe der Zeit in wichtigen Punkten. Das Stadtgericht wurde mehr und mehr in das städtische Eigenleben einbezogen. Die Stadtverwaltung ordnete es sich allmählich unter.
Die Ausscheidung des Landvogtes aus dem Stadtgericht kann zeitlich nicht genau festgelegt werden. Doch haben die später sog. amtsfreien Städte - die Mediatsstädte brachten es dagegen ihrem Wesen nach niemals zur Unabhängigkeit vom Landvogt - meist wahrscheinlich noch vor Mitte des 14. Jahrhunderts die Vogtei auf dem Gebiete der Gerichtsbarkeit, d. h. an der entscheidenden Stelle gesprengt 205 ). Eine Urkunde scheint aller=
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dings dagegen zu sprechen. 1385 erscheint ein Vicke Velehoven als "advocatus dicti opidi Gnewesmolen et iusticiarius fori secularis ibidem" 206 ), er hatte die Stellung als Landvogt inne, wie sich aus anderen Urkunden 207 ) ergibt. Doch braucht aus dieser Urkunde noch nicht auf gerichtliche Tätigkeit des Landvogts im Stadtgericht geschlossen zu werden 208 ). Einem solchen Schlusse steht außerdem eine Urkunde vom Jahre 1356 entgegen, in welcher der Grevesmühlener Rat sich geradezu selber als Träger der Gerichtsbarkeit bezeichnet 209 ).
Noch bevor das Stadtgericht gänzlich aus dem Verbande der Vogtei ausschied, hat es seinen rein stadtherrlichen Charakter aufgegeben. Die Städte erwarben früh sowohl einen Anteil an dort einkommenden Bruchgeldern, wie das Recht, zwei Ratsherren als Beisitzer abzuordnen. Schon in die Parchimer und Plauer Stadtrechtsurkunde ist die Bestimmung aufgenommen, daß ein Drittel der Bruchgefälle der Stadt zukommen solle 210 ). In Lübeck ordnete wahrscheinlich bereits das Privileg Kaiser Friedrichs von 1188 211 ) die Halbierung der Gerichtsgefälle zwischen Vogt und Bürgern an. Schon während des 13. Jahrhunderts zählte sie zu den Eigentümlichkeiten des lübischen Rechts 212 ). Bei den mecklenburgischen Städten begegnet diese Verteilungsweise zuerst in Gadebusch im Jahre 1225 213 ) und
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darauf in Wismar in der Bestätigung des lübischen Rechtes vom Jahre 1266 214 ). Als Bestandteil des lübischen Rechtes wird sie in allen mecklbg. Städten dieses Rechtskreises während des 13. Jahrhundert Eingang gefunden haben 215 ). Die Städte Schwerin=Güstrower Rechts erlangten anscheinend dagegen erst seit Ausgang des 13. Jahrhunderts einen Anteil an den Gerichtsgefällen. 1293 erhielt Güstrow ein Drittel des gesamten Gerichts 216 ), nachdem bereits 1270 der gleiche Anteil für gewisse Vergehen auf die Stadt übergegangen war 217 ). 1299 verpfändete Nikolaus von Werle der Stadt Malchow für 400 Mk den dritten Teil aller Gerichtsbarkeit in der Stadt und auf der Feldmark 218 ). Das gleiche Anrecht erwarb Malchin im Jahre 1302 219 ). Später ist dieser Verteilungsmodus für fast sämtliche Städte Schwerin=Güstrower Rechts charakteristisch 220 ), ohne daß wir aber sonst von einer besonderen Verleihung hören. Der Anspruch auf den dritten Teil der im Gericht erkannten Brüche gehörte auch zu den im Jahre 1345 der Stadt Crivitz bestätigten Privilegien 221 ).
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Die Einrichtung der Beisitzer aus dem Rat erscheint im lübischen Recht zuerst in dem Codex von 1263 222 ). Als ihre Aufgabe wird die Aufsicht über die Unparteilichkeit der Rechtspflege bezeichnet. H. Reincke erblickt allerdings in diesem Gerichtsbeisitz zweier Ratsherren eine ursprüngliche Befugnis der Städte mit lübischem Recht; jener Brauch sei zufolge der Übernahme der Gerichtsverfassung des holsteinischen Landrechts im lübischen Recht von vornherein enthalten gewesen 223 ). Doch ist auch nicht ausgeschlossen, daß das Ratsassesorat mit dem Anteil an den Gerichtsgefällen in Verbindung stand 224 ). Den Städten Parchimer Rechts, in denen jener Anteil ähnlich früh bezeugt ist, scheint die Anteilnahme des Rats am Stadtgericht ebenfalls nicht erst besonders verliehen zu sein. Die Städte Schwerin=Güstrower Rechts erwarben die Befugnis, zwei Ratsherren zum Stadtgericht zu deputieren, gemeinsam mit ihrem Anteil an den Gerichtsbrüchen 225 ). Auch nach der Bestätigungsurkunde der Crivitzer Privilegien von 1345 sollte der Vogt nicht ohne die Teilnahme des Rats richten 226 ). Aus bloßen Beisitzern sind die "Richteherren" des Rats vermutlich noch im 14. Jahrhundert zur Gleichberechtigung mit dem Vogt bei der Leitung des Gerichtes aufgestiegen; in Rostock werden sie sogar seit 1341 in Urkunden und Akten vor diesem aufgeführt 227 ) und in Wismar hat sich die gleiche Rangänderung zwischen 1338 und 1343 vollzogen 228 ).
Nach mittelalterlichem Rechtsgang kam dem Rat bald ein weiteres Recht zu. Das im Gericht gefundene Urteil konnte im Mittelalter durch Urteilsschelte angefochten werden. Im Gegensatz zu der fränkischen Zeit, wo die Scheltung eines Urteils durch Zweikampf zwischen dem Finder und dem Schelter des Urteils ausgetragen wurde, fiel im hohen Mittelalter in solchem Fall die Entscheidung dem nächsten höheren Gericht zu 229 ). Hier wirkte sich nun ebenfalls das rechtliche Sonderleben der Städte aus. Vom Stadtgericht wurde an den Rat um Rechtweisung
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appelliert 230 ). Und meinte eine Partei, auch das vom Rat gewiesene Urteil sei nach dem Stadtrecht zuwider, so konnte sie es entweder erneut aufs Haus, d. h. an den Rat schelten oder, falls die Gemeinde, wie meist, einer Stadtrechtsfamilie angehörte, durch den Rat um Entscheidung bei der Mutterstadt anfragen lassen 231 ). Neben solcher Appellation an den städtischen Oberhof findet man, daß der Rat sich von dort Rechtsbelehrung in schwierigen Fällen holte 232 ); bei der fast lediglich mündlichen Rechtsüberlieferung mußte dies Bedürfnis beim Rat häufig auftreten.
Bereits um die Mitte des 13. Jahrhunderts bestimmte das lübische Recht 233 ): "Wert in den steden oder in den wicbelden dar unse recht is gevunden, jemende en ordel togedelt, dat wist men vor den rat ofte he dat bescheldet; wert it eme den so ghevunden van deme rade, dat it eme nicht recht ne dunket, so mach het beschelden vort vor unsen rat (d. h. nach Lübeck)". Neben Lübeck nahmen in Mecklenburg=Schwerin noch Güstrow, Parchim, Rostock und Schwerin die Stellung von städtischen Oberhöfen ein. Lübeck bildete naturgemäß den Oberhof für die mit lübischem Recht bewidmeten Städte, urkundlich oder aktenmäßig z. B. bezeugt für Rostock 234 ), Wismar 235 ), Grevesmühlen 236 ),
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Ribnitz 237 ), Wittenburg 238 ), Grabow 239 ), Dömitz 240 ), Boizenburg 241 ) und Gadebusch 242 ). Doch wandten sich Kröpelin 243 ) und Neukalen 244 ) - Städte der Herrschaft Rostock - in Zweifelhaften Rechtsfällen zunächst nach Rostock. An den Güstrower Rat fand die Berufung statt von Waren, Malchin, Krakow, Malchow, Teterow 245 ). Der Rechtszug nach Parchim ist uns von Goldberg überliefert 246 ). Nach Schwerin appellierte Schwaan 247 ).
Der Rechtszug an die Mutterstadt war von erheblicher Bedeutung für die städtische Selbständigkeit. Er erhielt den Städten ihr rechtliches Eigenleben. Mit der Appellation traten die Städte
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aus den territorialen Grenzen heraus 248 ). Ein einigendes Band schlang sich um die Städte gleichen Rechtes.
Das Ratsobergericht ist in den Landstädten später bezeugt als der Rechtszug an den Oberhof. Man könnte danach vermuten, daß jene oben genannte Bestimmung des lübischen Rechts damals noch keine allgemeine Geltung besaß und daß der Rat erst mit der Zeit die Autorität erwarb, um als Zwischeninstanz zwischen Stadtgericht und Oberhof zu fungieren. In einigen Städten scheint in der Tat der Rechtszug noch während des 14. Jahrhunderts unmittelbar vom Stapel ausgegangen zu sein 249 ). Nach Techen hatte der Wismarer Rat, wenn das Urteil des Vogtgerichts gescholten war, "sicher seit dem Erwerb der Gerichtsbarkeit (1373), vielleicht aber auch schon früher" darüber zu erkennen 250 ). Der Rostocker Rat nahm jedoch zweifellos bereits vor Ankauf der städtischen Gerichtsbarkeit (1358) eine obergerichtliche Stellung ein 251 ). Von den aus dem 14. Jahrhundert
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erhaltenen Anfragen der Landstädte beim Oberhof läßt nur die Neukalener Urkunde von 1360 den Rat als dem Stadtgericht übergeordnete Instanz erkennen 252 ). In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ist der Rechtszug vom "richte" an den Rat auf Grund der gleichen Quelle für Grabow 253 ) und Boizenburg 254 ) gesichert. Bei Boizenburg läßt sich diese Einrichtung aber wahrscheinlich ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen 255 ). Wenn der Rat in der Malchiner Bürgersprache um 1400 anordnete: "Eyn islick schal sich hir nogen laten an rechte" 256 ), so darf man annehmen, daß schon damals eine Berufung vom Stapel an den Rat stattfand 257 ). Bei den übrigen Landstädten liegen die Zeugnisse meist aus noch jüngerer Zeit vor. Der Parchimer Stadtrezeß von 1481 bestimmte über die richterliche Amtsführung der Ratsherren: "Item alle ordelle schale se vorkundigen unde affgeven bynnen ver weken" 258 ). "Der Stadt Parchimb sonderbare Statuta und Recht", aufgezeichnet um 1520 259 ) enthalten eine Reihe von Bestimmungen über die Urteilsschelte vor dem Rat. Der Rat als Obergericht tritt uns in Güstrow erstmalig 1503 entgegen 260 ). Nach Eintragung
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im Kämmereiregister von 1521/22 gab er viermal im Jahre seine Urteile bekannt 261 ). In Bützow begegnet der Rat als Instanz über dem Stapel zuerst in der Bützowschen Polizeiordnung vom 11. Dez. 1508 262 ).
Ferner läßt sich die Appellation an den Rat nachweisen 263 ): in Röbel (1537) 264 ), Krakow (1537), Malchow (1540) 265 ), Teterow (1544) 266 ), Waren (1553) 267 ), Neustadt (1574) 268 ), Wittenburg (1589) 269 ), Gadebusch 270 ), Schwerin (1593) 271 ) und Sternberg (1603) 272 ). Mag nun der Rechtszug an den Rat im allgemeinen noch nicht im 13. Jahrhundert z. Zt. der angeführten Bestimmung des lübischen Rechts in Geltung gewesen sein, so wäre es andererseits unberechtigt zu glauben, daß es sich bei den Städten, bei denen erst derartig späte Nachrichten vorliegen, nicht um ein schon im Mittelalter vorliegendes Gewohnheitsrecht handele. Denn man muß berücksichtigen, daß unsere Hauptquelle Gerichtsakten, insbesondere Protokolle des Ratsobergerichts darstellen und daß das Aktenwesen zumal in Gerichtssachen sich erst im 16. Jahrhundert durchsetzte.
Die Institution des Ratsobergerichtes gab dem Rat die Stellung eines entscheidenden Interpreten des städtischen Rechtes.
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Denn das Ratsobergericht unterschied sich von dem Stapel und dem Niedergericht des Rats dadurch, daß in ihm nicht durch die Bürger, sondern durch den sitzenden Rat selber Recht gesprochen wurde 273 ). Wie der Bützower Stadtrichter um 1600 angab: "ym nyderrychte vor dem Stapel wird nycht hoher und wyder procedertt als summarischer Wyse . . . So es wychtyge und twyuellhaffte Sachen seyn, so moge eyner dar van appeleren . . . ann den Ratt" 274 ). Das Ziel war eben, die Anwendung des Stadtgerechtes in möglichster Reinheit zu gewinnen. Das vom Rat verkündete Urteil konnte daher, wie bereits erwähnt, wieder an den Rat, "auf das Haus", gescholten werden; doch suchte der Rat dem durch Erhöhung der für die Appellation zu erlegenden Gebühr entgegen zu wirken 275 ). Übrigens nahm auch der Stadtrichter keinen Anstand, ein vom Gerichtsumstand gefundenes Urteil, wenn es ihm Unrecht dünkte, an den Rat zu bringen 276 ). Es beweist dies die Autorität, die man dem Rat in der städtischen Rechtspflege einräumte 277 ).
Ward das landesherrliche Stadtgericht auf solche Weise mit der Zeit völlig eingespannt in die städtische Verwaltung, so erlangte der Rat auch hier und da unmittelbar Einfluß auf dessen Besetzung 278 ). Dagegen scheint nur in wenigen Städten der Versuch gemacht zu sein, die städtische Gerichtsbarkeit selber kauf= oder pfandweise in die Hand der Stadt zu bringen. Während den beiden Seestädten Rostock und Wismar dieser Erwerb auf die Dauer gelang, ist es bei den Landstädten dazu nicht gekommen. Klaus Kerdorp, Bürger zu Sternberg, erlangte nach einer Urkunde von 1345 die Vogtei über den Stadt= und Landbezirk Sternberg; es ist aber fraglich, ob die Urkunde
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vollzogen wurde 279 ). Nur Parchim hat, zum ersten Male im Jahre 1375 und noch wiederholt im 15. Jahrhundert, die dortige Vogtei "mit allem broke und richte in der stad thu Parchim und in dem lande" pfandweise besessen 280 ), bis es Anfang des 16. Jahrhunderts von dem Landesherrn endgültig aus diesem Besitz verdrängt wurde. Außer bei Parchim und Sternberg hören wir bei keiner Landstadt davon, daß der Landesherr seine Gerichtsgewalt der Stadt oder einem ihrer Bürger ausgeliefert hat. Wohl aber haben zahlreiche Städte eine weitgehende Verengerung der Zuständigkeit des Stadtgerichts und eine Erweiterung der eigenen gerichtlichen Befugnisse herbeigeführt.
Seit der Gründung haben die Stadtgemeinden wahrscheinlich die Befugnis gehabt, die Allmende, die ihnen zu freiem Eigentum verliehen war, selbständig zu verwalten. Ihnen lag daher ob: der Brücken=, Wege= und Straßenbau, die Erhaltung der öffentlichen Gebäude inner= und außerhalb der Stadt und die Verwaltung der städtischen Feldmark 281 ). In der ältesten Zeit scheint aber eine allgemeine Gerichtsgewalt der Stadt in Bezug auf die Allmende zunächst noch gefehlt zu haben. Bestimmte doch ein der Stadt Güstrow von Nikolaus von Werle im Jahre 1270 ausgestelltes Privileg u. a.: "siquis plancas civitatis seu municionem pecorum furtive detulerit vel auferret et deprehensurus daret aliquid pro emenda, tercia pars civitati dabitur, particule due nobis" 282 ).Doch erhält schon 1282 der "nuntius" der Schweriner Ratsherrn das Recht, in dem Buchholz, an dem der Stadt ein Nutzungsrecht verliehen wird, ebenso wie der landesherrliche Vogt Personen wegen Holzverwüstung (pro devastatione lignorum) festzunehmen 283 ). Überhaupt hören wir in Bezug auf die äußere Allmende am frühsten von einer gerichtlichen Zuständigkeit der Stadt. Nach der Bestätigungsurkunde des Stadtrechts, wahrscheinlich aus den Jahren 1365-75 284 ) war der Krakower Rat berechtigt,
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Grenzverrückungen, unbefugtes Abhauen von Holz und andere Beschädigungen der städtischen und privaten Grundstücke ohne den Vogt zu richten, die Brüche fielen ihm allein zu 285 ). In das Jurisdiktionsprivileg des Bischofs Nikolaus von Schwerin für die Stadt Bützow vom Jahre 1449 ist die Bestimmung aufgenommen: "over allen Holtvroke unde scaden, de in des Rades Holteren, Wischen, Watern unde weiden schege, des gunnen wy, dat de Rad dat wonliken achten und mogeleke Vorbote na der Menheit wilkore van den Handdadigen upboren moge unde entfangen, Sunder id were, dat id an dat Hogeste als an Hand unde an Hals rorede edder dar jenegerleye andere auervaringe, de unseme Richte to queme, vallende worde" 286 ). In Parchim war es nach einem Bericht des Rats von 1589 Aufgabe der Wetteherren, das Abhüten von Korn, das Abhauen von Eichen= und Buchenholz und die Überschreitung der jährlich vom Rat festgesetzten Korn=, Holz= und Bierpreise zu bestrafen 287 ).
Durch die kommunale Willkürgerichtsbarkeit ist mithin in diesen Städten 288 ) der landesherrlichen Gerichtsgewalt die niedere Gerichtsbarkeit in einem bestimmten Bezirk völlig entzogen. Die Malchiner Bürgersprache von 1400 verbot jegliche Schädigung der gemeinen Mark 289 ). Die Gemeinde hat hier wahrscheinlich ebenfalls das Markengericht geübt.
Möglicherweise hängt es mit dieser städtischen Befugnis zusammen, wenn nach Quellen des 16. Jahrhunderts bei einigen Städten auch die Zivilgerichtsbarkeit über bürgerlichen Grundbesitz - nach altem lübischen Recht, wie wir sahen, ein Gegenstand des einst unter dem Vorsitz des Vogts gehegten echten Dings - in der Hand des Rates liegt. Denn sowohl für diesen Zweck, wie zur Verwaltung der niederen Strafgerichtsbarkeit in der Stadtmark war in jenen Städten ein besonderes Bürger= oder Kämmereigericht geschaffen. In Ribnitz bestand ein Bürger= oder Kämmereigericht 290 ), das über Kauf und Verkauf von
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städtischem Grundbesitz, über Mietsstreitigkeiten, Schadenleistungen und Felddiebstahl urteilte. Ebenso gab es in Schwerin nach dem Bericht von Hövisch aus dem Jahre 1593 291 ) ein besonderes Bürgergericht, das in Gegenwart einer Anzahl Bürger unter dem Vorsitz der beiden Kämmerer gehalten wurde und vor das alle Streitigkeiten wegen Kauf, Verkauf und Verpfändung von Gärten und Äckern gehörte, sowie Feldfrevel, Korndiebstahl und Schlägereien in den Scheunen und zwischen den Schlagbäumen. Auch Güstrow kannte nach Besser 292 ) als ein Gericht mit ähnlicher Zuständigkeit das Bürgergericht oder den "Teilsman". In Plau gehörten nach Zeugenaussagen v. J. 1616 293 ) Klagen "was die Stattguetter an Ecker, wischen, garten usw. belangt", vor die Bürgermeister; konnten aber diese die Sache nicht entscheiden, so verwiesen sie die Parteien an das Bürgerrecht; vor dem Richter allein durften solche Klagen nicht angebracht werden.
Aus der verwaltenden Tätigkeit des Rats entsprang wahrscheinlich auch die ausgedehnte hohe und niedere Gerichtsbarkeit, in deren Besitz sich der Rat seit dem 16. Jahrhundert über die städtischen Gebäude, Befestigungsanlagen, Armenhäuser und überhaupt auf der Stadtfreiheit nachweisen läßt 294 ). In weitgehender Übereinstimmung läßt sich diese Sondergerichtsbarkeit des Rats u. a. beobachten in Schwerin 295 ), Güstrow 296 ),
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Plau 297 ), Crivitz 298 ), Ribnitz 299 ). Damals, im 16. und 17.Jahrhundert, stellte dieser Zustand durchaus herrschendes Gewohnheitsrecht dar. Es ist daher zu vermuten, daß der Rat sich dieses Vorrecht schon während des Mittelalters zu erwerben gewußt hat. Freilich, 1449 ist dieses Stadium in Bützow noch nicht erreicht. Für die städtischen Gebäude bestand noch keine Immunität vom Stadtgericht, dem Rat kamen lediglich bei dort begangenen Vergehen statt des sonstigen einen Drittels 2/3 der Bruchgefälle zu 300 ).
Ebenso entzog sich der Rat selber der Rechtsprechung des Stadtgerichts. In Bützow durfte der Rat nach dem Privileg von 1449 Streitigkeiten unter sich und den Ratsknechten richten, soweit sie nicht an Hals und Hand gingen. Das Forum der Bürgermeister war in Güstrow im 17. Jahrhundert die Kanzlei oder das Land= und Hofgericht, während Vergehen der Ratsherren vom gesamten Rat abgeurteilt wurden 301 ).
Ferner schmälerte es die Kompetenz des Vogtes, wenn das 'iudicare de rei publicae "necessitatibus", soweit es eine Aufsicht über die Gemeindeangelegenheiten enthielt, vielfach dem echten Ding mit der Zeit entzogen wurde und auf den Rat 302 ) und eine ohne Mitwirkung des Vogts tagende Bürgerversammlung überging. So bestimmte man in Parchim für die Beratung der Stadtangelegenheiten einen besonderen Termin; während das unter dem Vorsitz des Stadtrichters gehegte Bürgerrecht Michaelis stattfand, wurden die Gravamina der Bürger vom Senat am Peterstage (22. Febr.) gehört; diese Trennung ist vermutlich schon im Mittelalter vorgenommen 303 ).
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Von erheblicher Bedeutung war es dann weiter, daß der Rat sowohl vor Eingehung eines Prozesses im Stadtgericht, wie bei dessen Vollstreckung gerichtliche Befugnisse erhielt. Vielfach bürgerte es sich nämlich ein, daß die Parteien, bevor sie sich ans Stadtgericht wandten, den Rat zwecks Herbeiführung einer gütlichen Einigung aufsuchten, oder sogar vereinbarten, die gesamte Streitsache vor dem Rat abzumachen 304 ). So erfahren wir, daß der Ribnitzer Rat 1340 eine Sühne zwischen dem Mörder und den Verwandten eines Erschlagenen aufrichtet 305 ), daß er sich Mitte des 14. Jahrhunderts zwecks gütlicher Auseinandersetzung bei Lübeck Rechtsbelehrung holt 306 ). Laut dem Stadtbuch hat der Parchimer Rat verschiedentlich Schlichtungen in Privatstreitigkeiten vorgenommen 307 ).
Die Mitwirkung bei der Vollstreckung der im Stadtgericht ergangenen Urteile zeigte sich in verschiedener Weise. Pfändungen durfte der Richter nur im Beisein von Ratsherren durchführen 308 ). Die Einweisung in ein Grundstück nach Richterspruch erfolgte durch "Richt und Rat". Die Verfestung war vermutlich im allgemeinen Sache des Gerichts, doch ist 1356 eine Verfestung allein durch den Parchimer Rat ausgesprochen 309 ). Nach Hövisch' Aufzeichnung von 1593 wurde in Schwerin das peinliche Halsgericht, das der Hinrichtung vorherging, in Gegenwart des gesamten Rats unter Vorsitz des worthaltenden Bürgermeisters gehegt 310 ). Den Scharfrichter sollte der Stadtvogt in Güstrow nur im Beisein der vom Rat verordneten Richteherren annehmen 311 ).
Der Rat fühlte sich als der eigentliche Wahrer der städtischen Rechtsordnung. Der Parchimer Rat hatte nach dem Rezeß von 1481 das Recht, Diebe, Mordbrenner und Totschläger von sich aus ergreifen und aburteilen zu lassen, nur die übrigen Kriminalfälle mußte er vor dem Stapel verfolgen 312 ). Allerdings
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nahm der Parchimer Rat ja infolge pfandweisen Besitzes der Vogtei eine Sonderstellung ein. Aber daß der Rat geradezu sich als Richter bezeichnet, finden wir z. B. auch in Grevesmühlen 313 ). Vornehme Bürger ließen sich in Güstrow nach dem Bericht des Rats "zu solchem officio (scil. des Stadtrichters). . . . nicht gebrauchen" 314 ).
Diese ganze Entwicklung war nur möglich, weil es an einer klaren und eindeutigen Abgrenzung der Kompetenz des Rats und des Stadtrichters mangelte. Auch unterschieden sich daher die Verhältnisse der einzelnen Städte nicht wenig. In Bützow war das Gericht auf dem Markt, das sich in Güstrow der Rat zuschrieb, in der Hand des Landesherrn verblieben 315 ).
Übrigens war der Stadtvogt wohl überall weiterhin in der Zivil= und in der hohen und niederen Kriminalgerichtsbarkeit in den ihm durch den Rat gezogenen räumlichen Grenzen zuständig. Ferner hat der Stadtvogt gerade an der Regelung des Gewerbewesens, von der man meist annimmt, daß sie völlig dem Rat zustand, in einigen Städten am Ausgang des Mittelalters einen Anteil besessen. Man darf dies aus der Verteilung des Innungsgeldes, wie sie der landesherrliche Sekretär Monnick 1514 berichtet, schließen. In Wittenburg erhielten bei den Schuhmachern Stadtvogt und Rat ie 6 ß innigsgelt 316 ), bei den Schrödern teilten sie sich diese 12 ß mit den Älterleuten des Amtes 317 ). Die gleiche Verteilung findet sich bei den Schuhmachern und Schrödern in Neustadt 318 ). Bedingung für die Aufnahme eines Handwerkers in das Malchiner Schneideramt war, "dat hie hebbe die borgerschop vann rade ader inninge vam vagede" 319 ). Die Ämter in Laage entrichteten mit Ausnahme
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der Schlachter, die an den Rat zahlten, die Gebühr für die Gewerbekonzession an den Stadtvogt 320 ). Ebenso sollte nach dem Krakower Stadtprivileg von 1365-75 der Vogt von 8 ß der "inninghe" 4 behalten 321 ).
Eine ausschließliche Gerichtsherrschaft des Rates bestand dagegen in den Kämmereidörfern, bei deren Ankauf er meist die niedere und später auch die hohe Gerichtsbarkeit gleichzeitig mit erwarb 322 ). Als Parchim 1240 das Dorf Bichern kaufte, behielt der Landesherr seinem Gericht nur manus et capitis amputatio vor 323 ). Im 14. und 15. Jahrhundert erwarben die Städte dagegen auch meist die hohe Gerichtsbarkeit 324 ). Die Parchimer Ratsordnung vom 30.3.1620 bestimmte: "Es soll alle Jahr auf einen gewissen Tag in den Stadtdörfern ein Gerichtstermin von dem worthaltenden Bürgermeister, zwei Herren des Rates und dem Sekretär gehalten werden" 325 ).
§ 2:
Die Geltendmachung des eigenen Besteuerungsrechts
Im Laufe des Mittelalters gelang es den Städten, den Kreis der städtischen Verwaltung nach allen Richtungen zu erweitern und den Landesherrn und seine Vertreter mehr und mehr aus der Stadtverwaltung herauszudrängen.
Die Selbständigkeit der Städte in der Gestaltung ihres Haushaltswesens wird dadurch deutlich bekundet, daß sie auf finanziellem Gebiet ein eigenes Besteuerungsrecht über die Bürger in Anspruch nehmen.
Möglicherweise ist die städtische Steuer erst erhoben, nachdem die ordentliche Rede der Städte aus einer jährlichen Einzelbesteuerung in einen fixen Pauschalabtrag umgewandelt war. 1264 war es in Güstrow zur Fixierung der Bede gekommen 326 ). Seit 1292 tritt uns dort die städtische Steuer
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entgegen 327 ). Auch erscheint die Orboer in Güstrow stets als ein Teil der Bürgersteuer, des Schosses 328 ). Als unzweifelhaft kann das Hervorgehen des Schosses aus der alten Beede jedoch nicht gelten 329 ). So begegnen städtische Steuern bereits 1274 in Sülze 330 ) und 1298 in Schwerin 331 ), bevor wir dort Nachrichten über eine etwaige Umwandlung der Bede in einen Pauschalbetrag besitzen.
Eine städtische Steuer läßt sich ferner 1327 in Boizenburg 332 ), seit 1351 in Parchim 333 ), 1356 in Grevesmühlen 334 ), 1368 in Malchin 335 ) nachweisen. 1461 beurkundete der Ribnitzer Rat im Stadtbuch, daß der Stadtvogt "exaccionem suam" entrichtete "de anno presente de et pro omnibus bonis suis" 336 ). 1481 begegnet der Schoß auch in dem kleinen Neubukow 337 ). In anderen geringen Städten scheint sich dagegen kein Selbstbesteuerungsrecht entwickelt zu haben 338 ).
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Wohl in den meisten bedeutenden norddeutschen Städten, u. a. auch in Lübeck 339 ), Wismar 340 ) und Rostock 341 ) setzte sich die städtische Steuer aus zwei Bestandteilen, dem Vorschoß und dem Hauptschoß zusammen. Der Vorschoß stellt eine Personalsteuer 342 ), der Hauptschoß dagegen eine reine Vermögenssteuer dar, die sowohl vom beweglichen, wie vom unbeweglichen Vermögen erhoben wurde.
In den größeren Landstädten bestand der Schoß ebenfalls nicht nur aus einer primitiven Grundsteuer, sondern aus den gleichen Elementen, wie in jenen Städten. Das Steuerwesen, wie es in Güstrow während des Mittelalters herrschte, kennen wir aus dem Stadtrezeß von 1384 343 ). Danach sollte zunächst "en yeslik syn vorschot gheven, alse he dus langhe dan heft, alse dat en sede unde pleghe ys". Daneben gab es "dat andere schot, dat scal en yeslik van der mark dre penninghe gheven by synen eden." Später muß das Besteuerungssystem jedoch einer Änderung unterworfen sein; in dem Güstrower Schoßbruch von 1503-59 344 ) geschah die Veranlagung nach anderen Gesichtspunkten 345 ). Die älteste Quelle für die städtische Steuer in Parchim stellen die 1351 einsetzenden Stadtbucheintragungen dar. Die Eintragungen über Verpfändungen lauten dort meist folgendermaßen: "N. N. obligavit domum suam quam inhabitat Y. Y. pro x marcis Lubic., ad quam satisfacere promisit." Die Schlußformel hat wahrscheinlich den Sinn, daß der betr. Verpfänder, z. T. gemeinsam mit einer dritten Person 346 ), für den Schoß aufzukommen verspricht 347 ). Legen
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wir diese Auffassung zugrunde, so werden demnach in Parchim von der städtischen Steuer erfaßt: Häuser 348 ), Buden 349 ), Badstuben 350 ), Äcker 351 ), Hopfenhöfe 352 ), Getreidespeicher 353 ), Fischwehren 354 ) und wahrscheinlich auch das bewegliche Vermögen 355 ). Ende des M. A. besteuerte man in Parchim zweifellos das gesamte Vermögen. In dem Stadtrezeß von 1481 wurde gefordert, daß der Rat über "dat Schot dat de borgere bringen unde geven nach werde erer gudere" Register führen solle 356 ). Vielleicht bestand bereits damals neben dieser Vermögenssteuer noch der Vorschoß. Wenigstens hatten die Bürger nach der ältesten Parchimer Bürgersprache, deren Niederschrift dem 16. Jahrhundert angehört, an Steuer von jedem Gulden 4 Pfg und 5 Pfg Vorschoß zu geben 357 ).
Bei den übrigen Städten ist das im Mittelalter angewandte Steuersystem nicht völlig aufzuklären 358 ). Von der Erhebung einer indirekten Steuer hören wir während des Mittelalters aus keiner mecklbg. Landstadt 359 ).
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Der staatsfreie Raum, das Gebiet der städtischen Autonomie, in dem es keine Unterordnung unter den Staat gab, wurde ferner dadurch verbreitert, daß die einst dem Landesherrn vorbehaltenen Regalien in den Städten allmählich zum großen Teil an die aufstrebenden Gemeinwesen übergingen.
§ 3:
Die Erlangung der landesherrlichen Regalien
Betrachten wir zunächst das Zollwesen. Wenn auch die Landesherren bei der Errichtung neuer Zollstätten an die Einwilligung des Königs gebunden waren, so hatten sie doch das Recht der Nutznießung und freien Verfügung darüber 360 ) Besonders früh haben die mecklb. Landesherren anscheinend die Brücken= oder Wegezölle den Städten überlassen. Diese Abgabe wurde als Kostenbeitrag zur Anlage und Besserung von Brücken und Wegen erhoben. Für den Inhaber war mit ihr eine Verpflichtung zur Unterhaltung der Wegestrecken usw. verknüpft. Die Stadt Malchin treffen wir bereits i. J. 1283 im Besitz des dortigen Brückenzolls; die Stadt befreit in diesem Jahre das Kloster Dargun gegen eine Geldentschädigung und für geleistete Spanndienste "a solucione theolonei, quod quidem census pontis, vulgo vero bruckepenninke dicitur" 361 ). 1292 362 ) verlieh Nikolaus von Werle der Stadt Malchow die lange Brücke bei der Stadt. Damit oder bald darauf scheint der dortige Brückenzoll in die Verwaltung der Stadt übergegangen zu sein; denn 1309 363 ) befreit sie die Johanniterritter zu Mirow "ab omni theoloneo nostrorum pontium, semitarum et transitu civitatis Malchow" 364 ). 1286 bestätigte Fürst Wizlav II. von Rügen den Verkauf der "Hohen Brücke" über die Recknitz durch die von Dechow an die Stadt Ribnitz 365 ). Doch stand der hier erhobene Zoll noch 1329 dem Landesherrn zu; Heinrich der Löwe vermachte ihn damals dem Ribnitzer Kloster 366 ). 1334
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setzte sich die Stadt dann in den Besitz einer jährlichen Einkunft von 7 mr aus ihm 367 )), und 1455 erstreckte sich die Bestätigung der städtischen Privilegien auch auf den "tollen van der hoghe brughen", als eine anscheinend alte Einkunft der Stadt 368 ). Als dann 1471 auf dem Reichstage zu Regensburg Heinrich IV. von Mecklenburg von Kaiser Friedrich neue Zölle zu Grevesmühlen und Ribnitz verliehen wurden 369 ), kam es zur Aufhebung des alten Zolles in Ribnitz; die Stadt wurde dafür 1474 mit dem neuen vom Kaiser erlangten Zoll durch den Landesherrn bewidmet 370 ).
Ferner erwarben einige Städte den in ihnen erhobenen Durchgangszoll. Die Erhebungsstätten dieses Zolls lagen an den Hauptverkehrsstraßen und meist in den Städten. Ursprünglich trug er gebührenartigen Charakter, wurde aber mit der Zeit lediglich zu einer Besteuerung des Handelsverkehrs aus Finanzrücksichten 371 ). Die Stadt Grevesmühlen hatte bereits 1267 den dortigen Durchgangszoll erworben 372 ). Daß die Stadt Parchim den Durchgangszoll am Orte zu erlangen verstanden hatte, bezeugt eine städtische Zollrolle aus der Zeit "vor 1359" 373 ). Der Stadt Güstrow wurde im Jahre 1359 mit der Befreiung vom Durchgangszoll wahrscheinlich auch die Zollerhebung zugestanden 374 ).
Eine dritte Art Zoll war das Geleit oder Geleitsgeld, ein Entgelt für das Geleitsrecht des Landesherrn, bzw. für seine Pflicht, für die Sicherheit der Straße durch Stellung bewaffneter Begleitung oder eines berittenen Geleitsmannes zu sorgen. Die Städte von einiger Bedeutung haben im Umkreis der Stadt das Geleitsrecht selber besessen. So bestimmt die Malchiner Bürgersprache um 1400 375 ): "Eyn islick schal sick waren, dat he des rades leyde nicht breke". Ebenso enthielt die Bestätigungsurkunde der Ribnitzer Stadtprivilegien aus dem Jahre 1455 die
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Bestimmung: Vortmehr so schälen de Borgermeister und Rath der vorbenomten Stadt vollenkamen mechtig wesen, vollenkamenes leydes to leydende, welich af und an, so ferne alse der vorbenomeden stadt ere scheide und vryheit kehret 376 ). Parchim gewann mit der Erwerbung des herzoglichen Anteils an dem Gericht in Stadt und Land auch das Geleitsrecht in diesem Gebiet 377 ).
Auf den städtischen Märkten wurden außerdem Marktzölle gefordert. Der Stadt Friedland wurde der Marktzoll 1282 verliehen 378 ). Eine Verleihungsurkunde an eine Stadt Meckl.= Schwerins besitzen wir nicht. Die Städte sind hier jedoch großenteils in den Besitz des "Stättegeldes" gelangt, das in ihnen als eine Art Marktzoll von den auf dem Markt ausstehenden Händlern erhoben wurde. Laut dem Hebungsverzeichnis der Stadt Parchim steht der Stadt jene Markteinkunft schon in der zweiten Hälfte des 14. Jahrh. zu 379 ). Güstrow läßt sich am Anfang 380 ), Malchin am Ende 381 ) des 16. Jahrhunderts im
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Besitz des Stättegeldes nachweisen. Vermutlich ging nur wenigen Städten diese Gerechtigkeit ab 382 ).
Besonders stark wurde das einst dem Landesherrn ausschließlich zustehende Münzprägungsrecht von den Städten durchlöchert. In Rostock stand die fürstliche Münze schon seit den fünfziger Jahren des 13. Jahrh. unter der Verwaltung der Stadt, 1325 ging sie dann mitsamt dem alleinigen Münzprägungsrecht in der Herrschaft Rostock in den Besitz der Stadt über 383 ). 1359 verpfändete Herzog Albrecht seine Münze in der Stadt Wismar; eine spätere Einlösung erfolgte nicht 384 ). Ebenso haben einige der Landstädte seit der 1. Hälfte des 14. Jahrh. das Münzrecht geübt. Schon in den Jahren 1332/33 finden sich "denarii Gustrowenses" urkundlich erwähnt 385 ). Als weiteres urkundliches Zeugnis dessen ist uns der Auftrag erhalten, den die Stadt Parchim 1384 ihrem Münzer gab: "luttike witte penninghe tho slande, der veere enen witten penningh scolen ghelden" 386 ). Bei anderen Städten legen erhaltene Münzen Zeugnis ab von der einstigen städtischen Unabhängigkeit. Danach haben im 14. Jahrh. außer Parchim und Güstrow auch die Städte Malchin und Teterow Wittenpfennige geschlagen 387 ).
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Auch besitzen wir städtische Hohlpfennige aus dem Ende des 14. Jahrh. von der Stadt Grevesmühlen 388 ). Doch haben wir von den Landstädten keine Urkunde über eine Verleihung des Münzrechtes. Möglicherweise haben sie dies Recht auch nicht erlangt und, ähnlich wie die Stadt Rostock vor der Erwerbung der Münzgerechtigkeit im Jahre 1325 389 ), Münzen geprägt, ohne sich dafür auf ein Privileg stützen zu können 390 ).
Seit dem 14. Jahrh. war das Judenschutzrecht durchweg in die Hände der Landesherren gekommen 391 ). Auch auf diesem Gebiet trat im Laufe des 14. Jahrh. eine Veränderung zugunsten der Städte ein. Parchim befand sich um 1370 im Besitz des Judenschutzrechtes 392 ). 1378 verpfändete Johann von Werle dieses Recht für 150 mr. der Stadt Malchin 393 ).
Im Laufe des 14. und 15. Jahrh. durchbrachen die größeren Städte auch den Mühlenbann. Allerdings waren die Stadtmühlen schon vielfach in den Besitz von Klöstern oder Rittern gelangt. Aber ein Ankauf durch die Städte ist uns erst aus jüngerer Zeit bekannt, während vermögende Bürger schon im 13. Jahrhundert Anteile an den Stadtmühlen besaßen 394 ). Für 60 lüb. mr. verkaufte Herzog Johann von Mecklbg. im Jahre 1367 dem Sternberger Rat die Mittelmühle zu Sternberg 395 ). Der Parchimer
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Rat kam 1377 in den Besitz der Burgmühle 396 ). Der Stadt Malchin wurde 1294 vom Landesherrn die Mühle vor der Stadt an der Peene, die sog. Zachowmühle, verliehen 397 ). Um 1434 erwarb die Stadt außerdem die Krebsmühle, deren Mahlgang der Außenmühle zugelegt wurde, und 1451 kaufte sie für 1000rhein. fl. und 600 mr. sundischer Münze vom Kloster Doberan auch dessen in der Stadt belegene Mühle mit allem Zubehör 398 ). Der Stadt Güstrow gehörten am Ausgang des Mittelalters drei Wassermühlen. Die benachbarte Gleviner Mühle ging bereits im Jahre 1323 zusammen mit dem gleichnamigen Dorf in den Besitz der Stadt über, und im Jahre 1452 veräußerte der Doberaner Konvent der Stadt Güstrow die Mühle vor dem Mühlentor und die Mauermühle 399 ). Die Bestätigungsurkunde der Ribnitzer Privilegien enthielt die Bestimmung, Rat und Bürger dürften "uppe bequemelcken steden buwen, holden und hebben to dem minsten twe Wyndmöllen, der to brökende to der Stadt und Meinheit beste, like andere Möhlen der Ebdissen und des Closters" 400 ). Anderen vergleichsweise nicht unbedeutenden Städten wie Schwerin 401 ), Plau 402 ) und Bützow 403 ) ist die Erwerbung der Mühlengerechtigkeit jedoch nicht gelungen.
§ 4:
Das Übergreifen der Landstädte auf das Kirchen- und Schulwesen
Den pommerschen Städten Barth und Loitz ist bereit 1325 das Recht, Schullehrer= und Küsterstellen zu besetzen, verliehen worden 404 ). Selbst die bedeutenden mecklenbg. Städte blieben dahinter zeitlich zurück. Als erste mecklbg. Stadt erwarb Wismar 1331 das Patronat an der dortigen Marien= und Nikolaikirche 405 ). 1337 gewährte Fürst Albrecht II. dem Rostocker Rat
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das gleiche Recht für die Pfarrschule an St. Marien 406 ). Die mecklenbg. Landstädte besaßen dagegen nur ausnahmsweise während des Mittelalters ein Schulpatronat. Nur in Crivitz und Güstrow lassen sich Stadtschulen nachweisen. Am 27. Februar 1493 verlehnten Bürgermeister und Ratsmannen zu Crivitz "unse schole tho Crivize mit eren tobehöringe deme vorsichtigen Nicolao Stopman" 407 ). In Güstrow erscheint 1537 die Schule an der dortigen Markt= oder Pfarrkirche 408 ) als "Ratsschule" 409 ), die allerdings sicher an Bedeutung hinter der Stiftsschule zurückstand 410 ). Auffällig ist, daß der Parchimer Rat 1305 einen magister als "nostrorum scholarium rector" bezeichnet 411 ), obgleich das Patronat an den Schulen in Alt= und Neustadt 1249 dem Priester der Marienkirche verliehen war 412 ).
Keine mecklbg. Landstadt hat, so weit ich sehe, im Mittelalter das Pfarrwahlrecht erworben 413 ). Wohl aber erhielt vielfach der Rat das Patronat an einzelnen geistlichen Stellen, die teils er selber, teils bemittelte Bürger an Haupt= oder Nebenaltären der Kirchen und an Kapellen der Stadt gestiftet hatten 414 ). Der Rat übte dies Recht z. T. in Konkurrenz mit einem Geistlichen. Das Recht, die Zernowsche Vikarei in Röbel zu verleihen, steht dem Archidiakon und dem Rat zu 415 ). Der Parchimer Rat wechselte in der "conatio" der Bartholomäuskapelle mit dem
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St. Georgenpfarrer ab 416 ). Häufiger war jedoch die ausschließliche Präsentationsberechtigung des Rats. So besaß der Parchimer Rat nach einem Verzeichnis seiner Kirchenlehen aus dem Ende des 14. Jahrh. das Patronat über 9 Vikareien teils an der St. Georgs=, teils an der St. Marienkirche 417 ). Zahlreich sind auch die Vikareien, an denen der Güstrower Rat das Präsentionsrecht hatte; namentlich im 15. Jahrh. trugen die Stifter von Altarpfründen mit Vorliebe ihm das Patronat auf 418 ). Ähnliche Rechte erwarben viele Städte. Der Rat von Gadebusch erhielt 1330 an der Heiligen=Geist=Haus=Vikarei das Recht der Präsentation des Pfründenkaplans 419 ). Ebenso hatten der zu Sülze 420 ) und der Rat zu Boizenburg 421 ) Patronatsrechte an Vikareien. Nach einer Aufzeichnung von 1472 übte der Ribnitzer Rat das ius patronatus über die dortige Kapelle des Heiligen=Geist=Hauses aus 422 ).
Auch außerhalb der Stadt erlangte der Rat Patronatsrechte. Der Johanniterorden zu Mirow und Nemerow verkaufte 1356 das Patronat über eine Vikarei an der kleinen Kirche zu Mirow an den Rat der Stadt Röbel 423 ). Der Parchimer Rat hat "nach 1360" das Patronat über die Dorfkirche in Güschow 424 ). Der Güstrower Rat erhielt 1449 "de Leenwahre" einer Vikarei in der Kirche zu Recknitz 425 ).
Wenn auch die Urkunden meist nur von dem Patronat des Rats sprechen, so konnte in diesem Recht, wie A. Schultze betont hat 426 ), häufig auch eine Treuhänderschaft über die Pfründstiftung zum Ausdruck kommen, mit der über das echte Patronat
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hinausgehende Befugnisse verbunden waren. Während das echte Patronat nach kanonischem Recht nur die Befugnis enthielt, einen geeigneten Geistlichen dem Bischof oder dem sonst zur Investitur Berechtigten zu präsentieren, scheint das auf privatrechtlicher Verfügung beruhende Patronat in einigen Fällen den Rat berechtigt zu haben, die Besetzung der vakanten Stellen ohne geistliche Beteiligung vorzunehmen 427 ). Die gottesdienstliche Tätigkeit und die sonstige Stellung des Pfründners einer gestifteten Vikarei wurde z. T. gemeinsam mit dem Rat geregelt 428 ). Auch konnte nach dem Willen des Stifters dem Rat die Aufsicht über die Erfüllung seiner geistlichen Obliegenheiten eingeräumt sein 429 ). Mehrfach wird das Recht des Rates genannt, für eine zweck= und bestimmungsmäßige Verwaltung der der Vikarei zugelegten Einkünfte zu sorgen 430 ).
Als Treuhänder von Stiftungen griff der Rat noch in ein anderes ursprünglich von der Kirche beherrschtes Gebiet über: in die Fürsorge für Arme und Kranke 431 ). Von größerer Bedeutung war hier freilich noch die Übernahme der Leitung des Spitalwesens durch die städtische Behörde 432 ).
Neben diesen auf privatem Schenkungswillen beruhenden Recht bemächtigte sich die Stadtgemeinde auch als Genossenschaft
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der kirchlichen Dinge; außerordentlich früh hören wir von der Betätigung der Stadtgemeinde bei der Verwaltung des kirchlichen Vermögens, der pfarrkirchlichen Fabrik (Bau und Baufonds) 433 ). Es wird dafür das Laienamt der Kirchgeschworenen, Juraten oder Provisoren, geschaffen. Ihre Aufgaben und Befugnisse werden aus folgenden Urkunden ersichtlich. Um 1290 ersuchten die Gadebuscher Ratsherren den Rat von Lübeck die Ausfuhr der Ziegel und des Kalkes, wie sie von den Juraten der Jakobi=Kirche zu Gadebusch in Lübeck gekauft seien, zu gestatten 434 ). In Rostock verkauften 1302 die Juraten des Petrikirchspiels "de consensu parochianorum S. Petri" für 100 mr. wiederkäuflich 10 mr. Rente in Kirchenbuden 435 ). Im Jahre 1368 wurde angeordnet, die Kirchenvorsteher zu Plau sollten hinfort keinen Küster mehr ohne Wissen und Willen des Pfarrers und Kaplans annehmen 436 ). Die Provisoren der Marien= und Georgenkirche in Parchim verkaufen 1351 Leibrenten 437 ). Ihnen werden in großer Zahl Wohnhäuser und Grundstücke verpfändet 438 ).
Die "Vorstender der gotshuse", die "kerckswaren" und "gotshusluden" der Berichte Monnicks vom Jahre 1514 439 ) sind zweilos identisch mit den eben behandelten Juraten, vielleicht sind jedoch die Provisoren der Hospitäler in die "gotshuslude" einbegriffen 440 ). Wir erfahren aus der Aufzeichnung Monnicks noch
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näherem über dies Amt. Es wurde von Bürgern der betr. Stadt bekleidet; hier und da war ihnen für die laufenden Geschäfte ein Mitglied aus dem Rat beigeordnet 441 ). Ihre Bestellung erfolgt in den meisten Städten durch den Rat ohne Mitwirkung des Pfarrers 442 ). Über ihre Verwaltung mußten sie vor dem gesamten Rat 443 ), in einigen Städten auch vor dem Pfarrer allein 444 ) oder unter seiner Beteiligung 445 ) Rechnung ablegen 446 ).
Die Zahl der Kirchenvorsteher betrug wahrscheinlich im M. A. meist zwei 447 ). Zu Provisoren scheinen stets angesehene Bürger gewählt worden zu sein. Einer der beiden Provisoren der Marienkirche in Parchim von 1351 begegnet als Ratsherr 448 ), unter den drei Koniuraten der St. Georgenkirche von 1561 befindet sich der Stadtvogt und ein Mitglied des Rats 449 ).
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Die auf allen den genannten Gebieten den Städten gelungene Verbreiterung ihrer Selbstverwaltung legt zugleich Zeugnis ab von der Hand in Hand mit ihr gehenden wirtschaftlichen Erstarkung und politischen Machtsteigerung der Landstädte.
§ 5:
Die Erringung politischer Selbstständigkeit
Das Erstarken der Städte kommt deutlich in der Vergrößerung ihres Landbesitzes zum Ausdruck. Die den Städten bei der Gründung zugewiesene städtische Feldmark genügte nicht mehr, nachdem die Zahl der Ansiedler gewachsen und oft eine Neustadt neben der alten Gründung entstanden war. Die Städte kauften daher umliegende Dörfer und erwarben vom Landesherrn die Erlaubnis, sie zur Feldmark legen zu dürfen, Parchim und Plau trieben eine großartige Ankaufspolitik. Die Parchimer Feldmark wurde im Laufe der Zeit durch zehn Dörfer vergrößert 450 ). In der Plauer Feldmark gingen 6 Dörfer unter 451 ). Bei Sternberg lassen die Flurnamen "Zarnekow", "Demelow", "Lukower Feld" mit seiner "Dorfstätte" noch heute erkennen, daß die Stadtfeldmark erst allmählich aus den Fluren verschiedener Dörfer zusammengewachsen ist 452 ). Fast jede mecklbg. Stadt hat mindestens ein Dorf erworben und der städtischen Feldmark zugelegt 453 ). Die größeren Städte gelangten außerdem in den
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Besitz mehrerer Kämmereidörfer 454 )).
Die ersten Befestigungswerke der Städte scheinen z. T. auf Anordnung der Landesherren oder unter deren Zustimmung errichtet zu sein. Für Plau, Sülze und Schwerin machen dies Urkunden aus dem Ende des 13. und der 1. Hälfte des 14.Jahrhunderts wahrscheinlich 455 ). Wenn auch die Erhaltung der städtischen Wehrkraft und die militärische Sicherung der Stadt überall einen Zweig der bürgerlichen Selbstverwaltung darstellte 456 ), so blieb die Mehrzahl der Landstädte doch in militärischer Hinsicht noch weiterhin im Schatten der landesherrlichen Burgen. Die größern unter ihnen zeichneten sich jedoch durch erfolgreiches Selbständigkeitsstreben, durch Erringung weitgehender militäri= Unabhängigkeit aus. Sie lösten die städtische Befestigung aus dem störenden Zusammenhang mit der Burg und schlossen auf diese Weise die städtischen Wehranlagen nach allen Seiten ab; schließlich nötigten sie den Landesherrn sogar zur Aufgabe seiner
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Burg. 1310 erlangte die Stadt Parchim die Berechtigung, den Übergang zwischen der Stadt und dem fürstlichen Schloß durch eine steinerne Mauer zu verbauen 457 ). Die Burglehen wurden systematisch von der Stadt aufgekauft 458 ). 1377 erwarb sie dann den Burgwall des damals schon verfallenen fürstlichen Hauses mit den restlichen Burglehen 459 ). Ribnitz erhielt im Jahre 1311 das Recht, "domum pristinam sitam in nostra curia et constructam super murum oppidi" zu zerstören und so wieder aufzubauen, daß zwischen Haus und Mauer ein Weg freibliebe 460 ). Die Bürger von Malchin machten kurzen Prozeß und rissen zwischen 1365 und 1372 461 ) das Schloß der Werleschen Fürsten nieder; Fürst Johann verkaufte ihnen dann den Wall und die Stätte des niedergebrochenen Hauses zu Stadtrecht unnd versprach, fernerhin niemals wieder in der Stadt eine Burg zu bauen. Mit diesen Erfolgen, die ihre Ergänzung in der geschilderten Erweiterung des Stadtgebietes fanden, hatten die Städte den Schritt zu einer selbständigen militärischen Macht getan. Die größeren Städte wußten anscheinend ein eigenes Befestigungsrecht durchzusetzen. Bei dem späteren Ausbau der Befestigungswerke, etwa der Anlage von Landwehren, durch Parchim und Güstrow findet sich nichts über eine Einholung landesherrlicher Zustimmung.
Am Ende des 14. Jahrh. nahmen die Landstädte an Kriegen des Landesherren anscheinend nicht aus dem Grunde, weil sie sich zur Heeresfolge verpflichtet fühlten, sondern als selbständige Bündnispartner teil. So verbindet sich am 18. Mai 1391 die Stadt Grevesmühlen und die Mannschaft der Vogtei mit den Herzögen von Mecklbg. zur Befreiung von König Albrecht aus der Gefangenschaft 462 ). Ebenso vereinigten sich am 24. Mai des Jahres die Mannschaft der Vogtei und die Stadt Schwerin mit den Herzögen von Mecklbg. und den Städten Wismar, Rostock, Bützow und Sternberg gegen die Königin Margarete von Norwegen 463 ). eine gleiche militärische Unabhängigkeit wie Rostock oder Wismar, eine Aufrichtung der Militärhoheit in ihrem ge=
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samten Umfange vermochten die Landstädte jedoch kaum oder höchstens vorübergehend zu erreichen.
Wir berührten hiermit bereits das seit der Mitte des 14.Jahrhunderts zu beobachtende politische Hervortreten der Landstädte. Bis dahin waren die Landfrieden ein Werk der Fürsten. Die Landstädte wurden nicht zu deren Aufrichtung herangezogen 464 ). Das Landfriedensbündnis vom 20. Februar 1353 vereinbaren dagegen die Herzöge Albrecht und Johannes von Mecklenburg und Otto Graf von Schwerin gemeinsam mit Lübeck, Rostock und Wismar, sowie den Landstädten Grevesmühlen, Gadebusch, Sternberg, Ribnitz, Gnoien, Schwerin, Wittenburg und Neustadt 465 ). Als am 11. Juli 1363 Fürst Johann von Werle mit Herzog Albrecht von Meckl. auf 5 Jahre einen Landfrieden auf der Grundlage des Kyritzer Landfriedens abschloß, gelobten neben den Vögten und Manen auch die Werleschen Städte Parchim, Malchin und Teterow und die mecklenburgischen Schwerin, Ribnitz und Gnoien 466 ), an den Landfriedensvertrag vom 31. Oktober 1388 zwischen dem Fürsten von Werle und Herzog Albrecht von Mecklbg. nahmen die Ratmannen von 15 Landstädten teil 467 ). Ja, die Städte schritten jetzt sogar zu selbständigen Bündnissen untereinander; als mit dem Ableben Johanns IV. von Werle=Goldberg dessen Linie erlosch, einigten sich 1374 die Städte Parchim, Malchin, Teterow und Laage dahin 468 ), dem Nachfolger jede Untertanenpflicht zu verweigern, bevor er nicht ihre wohlerworbenen Privilegien bestätige; keine der Städte wollte eine Landbede vor gemeinsamer Vereinbarung zahlen. Wir dürfen in diesen Vorgängen die Anfänge der städtischen Teilnahme an den landstädtischen Versammlungen erblicken, deren Geschichte in den mecklenbg. Teilherrschaften bereits in den siebziger und achtziger Jahren des 13. Jahrh. beginnt 469 ).
Die Städte fühlten sich am Ausgang des 14. Jahrhunderts kräftig genug, gegen die raublustigen Feinde ihres Handels zu gewalttätiger Selbsthilfe zu schreiten. Als sich die Seestädte 1385 mit König Albrecht vereinigten, um die gefährlichsten Ritterburgen zu brechen, erschlugen die Malchiner Bürger den Maltzahn auf Schorßow, seit 1375 Pfandherr des Landes Malchin 470 ),
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den die Lübecker Chronik zu den "Hovedluden der rovere" zählt 471 ). Die Güstrower schlugen 1366 dem fehdelustigen Hans Preen auf Davermoor den Kopf ab. Sein Vater und sein Sohn mußten der Stadt und dem Fürsten Lorenz von Werle Urfehde schwören. Ebenso 1373 Bernd Gamm, dessen Burg Bülow bei Güstrow die Güstrower Bürger im gleichen Jahre "zerhauen und zerbrochen" hatten 472 ). Die Stadt Parchim führte in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts eine Reihe von erfolgreichen Fehden 473 ). Auch in den anarchischen Zeiten des 15. Jahrhunderts verbanden die gemeinsamen Interessen die Städte miteinander 474 ).
Die politische Verselbständigung der Städte fand schließlich ihren Ausdruck in einer Änderung des Verhältnisses von Stadt und Vogtei. Die früher das Land netzartig überspannenden Vogteien waren immer mehr von privaten Besitzrechten durchlöchert, infolgedessen räumlich zusammengeschmolzen und in ihrer Bedeutung gesunken. Auch waren sie vorübergehend zum großen Teil an Private verpfändet 475 ) und gingen so des Rückhaltes am Landesherrn verloren. Die Städte dagegen wuchsen an Bedeutung. Außerdem lockerte sich weiter ihr Zusammenhang mit den Vogteien 476 ). Die städtische Gerichtsbarkeit war unabhängig von ihnen geworden. Während die alte oder ordentliche Bede meist noch späterhin an den Landvogt gezahlt wurde, floß die eigentliche Landessteuer, die außerordentliche Bede,
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in der Regel in eine Zentralkasse 477 ). Als dann die landesherrliche Lokalverwaltung auf der Grundlage der Ämterverfassung neu organisiert wurde 478 ), standen nicht nur die grundherrlichen Gerichtsbezirke 479 ), sondern auch die Städte neben den fürstlichen Ämtern 480 ).
C. Das Ergebnis der Entwicklung: Die in der Hand des Landesherrn gegenüber den Städten verbliebenen Rechte
Schon bei der Gründung waren den Städten die Allmendeverwaltung, Zweige der freiwilligen Gerichtsbarkeit und die Aufsicht über das Gewerbewesen zugewiesen. Ein großer Teil von ihnen hatte außerdem das Recht, Statuten zum Wohl der Stadt zu erlassen, und die Willkürgerichtsbarkeit erhalten. Zu diesen meist von Anfang an besessenen Befugnissen erwarben die Städte im Laufe der Zeit nicht allein bedeutende Rechte hinzu, es gelang ihnen auch, aus dem so erweiterten Umkreis der in ihre Verwaltung übergegangenen Rechte den landesherrlichen Einfluß immer mehr zu verdrängen. Schon um die Mitte des 14. Jahrhunderts befinden sie sich im Besitz weitgehender politischer Selbständigkeit, der Anteil des Landvogtes an der städtischen Verfassung wird fast völlig geschwunden sein. Gewiß trug die Stadt noch Verpflichtungen gegenüber dem
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Landesherrn, sie war zur Leistung der ordentlichen Steuer, zur Erbhuldigung und Heeresfolge verpflichtet, ein landesherrlicher Beamter verwaltete das Stadtgericht. Wie umfassend erscheint jedoch dagegen das Gebiet, auf dem die mittelalterliche Stadt sich betätigte 481 )! Die den Städten zustehenden Rechte schrieben sich zwar vom Landesherrn her, aber sie wurden auch von ihm anerkannt; wie die Stadt bei jedem Regierungswechsel die Erbhuldigung zu leisten hatte, so verpflichtete sich der neue Landesherr zur Achtung und zum Schutz der städtischen Privilegien. Insofern den Städten damit immer von neuem die Befugnis zugesichert wurde, ihre Verwaltung zu eigener Verantwortung zu führen, läßt sich das mittelalterliche Städtewesen als eine Zeit mit durchaus herrschender Selbstverwaltung kennzeichnen.
Bezeichnend für das Städtewesen des Mittelalters ist aber zugleich, daß es ungenau bleibt, wenn wir diesen Begriff bei der Behandlung der mittelalterlichen Städtefreiheit einführen. Heute spielt sich die Selbstverwaltung nur im Rahmen der Staatsgesetze ab 482 ); die mittelalterliche Stadt fühlte sich "wenigstens nicht vornehmlich als Organ des umfassenderen Verbandes" 483 ) und verwaltete Gebiete, denen der Stadt seine Aufmerksamkeit auf die Dauer noch nicht zugewandt hatte 484 ). Wir verbinden heutzutage mit dem Begriff Selbstverwaltung notwendig sein Korrelat, die Staatsaufsicht 485 ); im Mittelalter unterlag anscheinend weder die Finanzverwaltung noch irgendein anderer Zweig der Tätigkeit des Stadtrats einer geregelten Aufsicht durch das übergeordnete Staatswesen 486 ).
Doch ging die Verbindung der mecklenburgischen Landesherren mit dem Städtewesen ihres Territoriums während des Mittelalters niemals ganz verloren. So scheinen die Landesherren hier und da die städtische Wehrorganisation, der sie ja im eigenen Interesse hohe Bedeutung beimessen mußten, gefördert zu
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haben 487 ). Vor allem nahmen sie als oberste Richter die Beilegung innerstädtischer Konflikte vor. Die Vereinigung der Alt= und Neustadt Parchim im Jahre 1282 erfolgte unter Beteiligung des Landesherrn und erfuhr seine Bestätigung 488 ). In einem Zwist zwischen dem Güstrower Domkapitel und dem Rat waren der Landesherr und der Kamminer Bischof Schiedsrichter 489 ). Lorenz von Werle verglich 1384 die Streitigkeiten zwischen dem Rat und der Bürgerschaft in Güstrow 490 ).
Auch an der Aufrechterhaltung dieser Übereinkommen blieb der Landesherr beteiligt. 1384 behielt er sich in Güstrow erneutes richterliches Eingreifen vor, falls sich jemand von den Bürgern oder der Meinheit gegen die getroffene Entscheidung auflehnen würde 491 ). 1313 drohte er, über Rat und Übertreter Gericht zu üben, falls sich der Rat in der Bestrafung von der Vereinbarung zuwiderhandelnden Bürgern nachlässig erweisen würde 492 ). Wer als Verletzer des Parchimer Vertrages von 1282 durch den Rat oder andere cives probi er honesti überführt wurde, sollte an den Landesherrn und die Stadt 30 mr. geben 493 ).
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A. Der Rat
§ 1:
Die Befugnisse des Rates
Die Vermehrung der städtischen Rechte und die Entfaltung des städtischen Lebens kam verfassungsrechtlich vor allem der leitenden städtischen Behörde zugute. Zur Zeit der ausgebildeten städtischen Selbstverwaltung lag in der Hand des Rates eine große Zahl von Befugnissen.
1. Die Vertretung der Stadt nach außen
Als Vertreter der Gemeinde nach außen : in ihrem Verhältnis zum Landesherrn, zu anderen Gemeinden und zu Privatpersonen entwickelte der Rat eine vielseitige Tätigkeit. Im Namen der Stadt oder an der Spitze der Bürger huldigte er dem neuen Landesherrn. Er entrichtete jährlich die Orboer. Bei Landfrieden war der Rat Mitgelober. Politische Bündnisse, an denen die Stadt teilnahm, wurden durch ihn abgeschlossen. Bei Streitigkeiten der Fürsten persönlicher oder politischer Natur wirkte er als Schiedsrichter 1 ), bei Waffenstillständen als Bürge 2 ). Verpflichtungen, welche die Stadt gegen Auswärtige übernahm, wurden vielfach selbständig von den Konsuln eingegangen 3 ).
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endlich war der Rat dazu berufen, die Interessen eines jeglichen Bürgers auch über das städtische Weichbild hinaus wahrzunehmen; eine umfangreiche Gruppe von Ratsurkunden bilden die uns vor allem im Lübecker Archiv erhaltenen Fürschreiben. Wenn die Bürger auswärts Rechte in Anspruch zu nehmen hatten, stellte der Rat Beglaubigungsschreiben für sie aus 4 ). Er verwandte sich für gefangene Bürger 5 ). Auf das Zeugnis der Werkmeister hin erließ er Fürschreiben für wandernde Handwerksgesellen 6 ) und für Handwerker, die sich in anderen Städten niederzulassen beabsichtigten 7 ).
2. Die Rechtspflege.
Von wesentlicher Bedeutung unter den Befugnissen des Rates war sein Anteil an der Verwaltung des Rechtswesens. Da die Stellung des Rats auf dem Gebiet der streitigen Gerichtsbarkeit schon an anderer Stelle behandelt ist 8 ), sei hier lediglich auf die freiwillige Gerichtsbarkeit eingegangen.
Daß die Auflassung nach Schweriner und nach Parchimer Recht schon von Anbeginn dem Rat zukam, haben wir bereits gesehen 9 ). In den Städten lübischen Rechts herrschte in dieser Hinsicht kein einheitlicher Rechtszustand. Bei den größeren Landstädten dieses Rechtsgebietes war der Rat zuständig 10 ), in den unbedeutenderen scheint aber die Auflassung vor Gericht stattgefunden zu haben 11 ).
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An die Auflassung der Grundstücke schloß sich deren Eintragung ins Stadtbuch an. In den meisten, wenn nicht in allen Landstädten wurde im M. A. ein Stadtbuch gehalten. Der "liber civitatis Sulte" wird schon 1287 erwähnt 12 ). Vom Malchiner Stadtbuch ist ein Bruchstück der Jahre 1331/32 erhalten 13 ). Die Eintragungen des Parchimer Stadtbuchs beginnen mit dem Jahre 1351 14 ). Die Urkunden nennen ferner die Stadtbücher von Neukalen (1341) 15 ), Malchow (1366) 16 ), Grevesmühlen (1393) 17 ) und Sternberg (1399) 18 ). Das Ribnitzer Stadtbuch beruft sich in den Jahren 1476/86 auf eine Eintragung des "liber civitatis in Marlowe" 19 ). Auf das Güstrower Stadtbuch wird in den Urkunden häufig verwiesen, so 1374, 1385, 1418, 1457, 1471 20 ); doch ist erst das 1506 einsetzende Stadtbuch auf uns gekommen. Im 15. Jahrhundert sind die uns erhaltenen Stadtbucher von Schwerin, Neubukow und Ribnitz angelegt 21 ).
Stadtbuchbehörde war im Mittelalter zweifellos der Rat 22 ). Daß die Parteien von vornherein gezwungen waren, die Auflassung eines Grundstücks beurkunden zu lassen, ist unwahrscheinlich. Vermutlich fiel der Beurkundungszwang mit der Errichtung der Stadtbücher zusammen 23 ) - freilich wissen wir bei keiner Landstadt, wann dort zum ersten Mal zur Anlage eines Stadtbuchs geschritten ist. In der Malchiner Bürgersprache
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war die Anordnung getroffen worden: "Wol dar wil kopen edder vorpanden, he sy geistlick edder wertlick, stande erue, acker, garden, edder wiske, de schal dat laten schriuen uppe der stadt boek; anders schal idt vorbraken gudt wesen" 24 ). Ein solcher Stadtbuchzwang wird eine allgemeine Erscheinung gewesen sein, da die Verpflichtung zur Beurkundung durch den Rat nach der Polizeiordnung von 1516 sogar in Bezug auf hypothekarische Belastungen gelten sollte 25 ) und sie außerdem 1589 in den Berichten der Städte als herrschendes Gewohnheitsrecht erscheint 26 ).
Bei Gelegenheit der Auflassung oder auch bei der Eintragung nahm der Rat zweifellos eine Prüfung der Rechtsbeständigkeit des Geschäfts vor. Er betrachtete es insbesondere als seine Aufgabe, über die Beobachtung des bei Grundstücksgeschäften geltenden Gewohnheitsrechts wie z. B. des Vorkaufsrechts der Blutsfreunde, des Näher= und Marktlosungsrechts 27 ) sowie über die Einleitung anderer Rechte Dritter 28 ) zu machen.
Während das Stadtbuchwesen in Rostock, Lübeck und Wismar schon früh eine reiche Entfaltung zeigt 29 ), ist das der Landstädte nicht so vielseitig, da, soviel wir wissen, in ihnen überall lediglich ein Stadtbuch geführt wurde. Aber auch hier erfolgte nicht nur der Abschluß von Grundstücksgeschäften vor dem Rat. Das Parchimer Stadtbuch enthält zwar hauptsächlich Verpfändungen, doch sind daneben in ihm auch Verschreibungen von Leibrenten, Stiftungen und Vermächtnisse eingetragen. Die Stadtbücher von Neubukow, Neukalen, Ribnitz und Schwerin verzeichnen in großer Zahl Erbaussprüche, Schuldverschreibungen, Leibzuchtbestellungen und ähnliche Abreden, bei denen man meist Haus= oder Grundbesitz zum Pfand setzte 30 ). In Ribnitz sollte nach der Bürgersprache von 1588 niemand Erbschichtung
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halten "ane Willen des Rades" 31 ). Während des 16. Jahrhunderts wurde es den Bürgern sogar häufig zur Pflicht gemacht, Testamente in Gegenwart von Ratsmitgliedern zu errichten. Dieser Zwang bestand wahrscheinlich im Mittelalter aber noch nicht. Im Gegensatz zu der Veräußerung und Verpfändung von Grundstücken wurden sonstige Rechtsgeschäfte wohl nur auf Antrag der Parteien ins Stadtbuch eingetragen. Bedurfte es doch einer besonderen Ratsanordnung, daß letztwillige Zuwendungen an die Geistlichkeit nur im Beisein des Rats erfolgen sollten 32 ). Im übrigen wurden solche Rechtsgeschäfte aber häufig durch Urkunden verbrieft. Mehrfach läßt sich in den Landstädten eine beurkundende Tätigkeit des Rats bei der Errichtung von Testamenten feststellen 33 ).
Außerdem wurden der Rat oder einzelne seiner Mitglieder sehr häufig als Zeugen bei Rechtsgeschäften herangezogen, da ihr Zeugnis mit besonderer Glaubwürdigkeit ausgestattet war 34 ).
Mit dieser freiwilligen Gerichtsbarkeit hängt die übrige Tätigkeit des Rates auf den genannten Gebieten eng zusammen. Nach dem Schwerin=Güstrower Recht verwaltete der Rat das erblose Gut auf ein Jahr 35 ). Bei beerbter Ehe sah er auf die Befolgung der erb= und familienrechtlichen Bestimmungen des Stadtrechts 36 ). Für die Innehaltung der in dieser Hinsicht ins Stadtbuch aufgenommenen Verpflichtungen wird er sich eingesetzt haben. Auch das Vormundschaftswesen, die Bestellung von Vormündern, falls hierüber keine testamentarische Verfügung getroffen war, und die Beaufsichtigung der vormundschaftlichen Verwaltung hat dem Rat schon im Mittelalter obgelegen. 1441 wird in Neubukow einem Kinde eine an dessen Vormünder zu zahlende Rente verschrieben; stirbt einer der Vormünder, so soll der Rat "vormunderen unde vorstan" 37 ). 1449 bestimmte der Neubukower Stadtvogt den Rat zum Vormund für seine Frau und seine Kinder 38 ). Der Wittenburger Rat schützte nach seiner
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Erklärung die Kinder bei den Erbverträgen der Eltern, wenn sie dem Gebrauch nach ins Stadtbuch geschrieben waren 39 ). Die Errichtung besonderer Kinderbücher, in denen die Abfindungen und Ausstattungen von Kindern verzeichnet wurden, geschah erst seit dem 16. Jahrhundert 40 ). Auch eine regelmäßige Rechnungslegung der Vermünder scheint der Rat im Mittelalter noch nicht durchgeführt zu haben 41 ).
3. Die innere Verwaltung.
a) Allgemeines.
Der Rat war ferner Organ der Gemeinde auf dem Gebiet der inneren städtischen Angelegenheiten. Dieser ausgebreitete Kompetenzbereich stand dem Rat aber nicht nur als Vertreter der Bürgergemeinde zu. Indem er zur Leitung der städtischen Verwaltung berechtigt war, nahm er vielmehr zugleich gegenüber der Bürgerschaft eine obrigkeitliche Stellung auf allen jenen ihm zustehenden Gebieten ein 42 ). Als Obrigkeit dehnte er seine fürsorgliche Tätigkeit fast auf das gesamte bürgerliche Leben aus.
In drei Formen prägte sich diese obrigkeitliche Gewalt des Rates aus. Er errichtete Statuten unter Androhung von Strafen bei deren Übertretung, er nahm ein allgemeines Aufsichtsrecht über das gemeindliche Leben in Anspruch, und schließlich richtete er über die Vergehen gegen die städtischen Willküren.
Einer näheren Darlegung bedarf nur die Gesetzgebung. Schon das Schwerin=Güstrower Recht bestimmte im § 24, die Bürgerschaft solle befolgen, was die Ratsherren zu der Stadtgemeinde Bestem anordneten. Die wichtigste Form dieser Ratsverordnungen stellen die sog. Bürgersprachen dar, eine Sammlung von Stadtgesetzen, die der Bürgerschaft jährlich ein= oder zweimal 43 ) kund=
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getan wurden. Während aus Wismar schon seit 1345 Bürgersprachen erhalten sind 44 ), rührt bei den Landstädten nur die Bürgersprache von Malchin aus der Zeit ungebrochener landstädtischer Autonomie her, sie ist von den Herausgebern auf die Zeit um 1400 datiert 45 ). Die uns aus anderen Landstädten erhaltenen Texte stammen dagegen erst aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert.
Das Güstrower Ratsarchiv bewahrt an Güstrower Bürgersprachen außer hochdeutschen vermutlich sämtlich nicht vor dem 17. Jahrhundert entstandenen Texten zwei niederdeutsche Fassungen, die wahrscheinlich um die Mitte des 16. Jahrhunderts niedergeschrieben sind 46 ). Die Einrichtung selber weist in Güstrow
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jedoch ein höheres Alter auf. Das ergibt sich nicht nur aus dem Titel der ältesten Bursprake 47 ), ich finde auch die "gemeine Baursprach" der Stadt schon 1536 erwähnt 48 ).
Die Parchimer Statuten - das Wort "Baursprache" behielt hier seine alte Bedeutung als Bürgervollversammlung - liegen aus dem 16. und 17. Jahrhundert in drei verschiedenen Fassungen vor 49 ). Ein niederdeutscher Text trägt keine Zeitangabe, er muß jedoch nach seinem Inhalt, der bedeutend altertümlicher ist als jener der Statuten vom 3. März 1603, dem 16. Jahrhundert angehören. Auch sind die Statuten von 1603 ebenso wie eine spätere Fassung des 17. Jahrhunderts in hochdeutscher Sprache geschrieben 50 ).
Die Schweriner "Affspröecke" von 1586 51 ) geht nach den Eingangsworten 52 ) auf einen alten, nicht mehr erhaltenen Text von 1531 zurück. Auf der Bürgersprache von 1586 beruht dann wieder die von 1649 53 ).
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An ferneren Bürgersprachen sind bisher bekannt geworden: die von Neukalen (um 1703) 54 ), Grevesmühlen (1608) 55 ), Waren (1713), Boizenburg und Ribnitz (1588) 56 ). Außerdem wird 1608 die Bürger= oder Baursprache in Grabow erwähnt 57 ).
Es ist kaum zu bezweifeln - beginnen auch die auf uns gekommenen Formeln erst mit dem 16. Jahrhundert -, daß die Institution der Bürgersprache in den meisten soeben genannten Städten dem Mittelalter angehört 58 ). Die Texte wandelten sich oft. Es ist daher eine allgemeine Erscheinung, daß frühere veraltete Fassungen der Bürgersprachen selten aufbewahrt wurden 59 ). Manche Bestimmungen in den vorhandenen Bürgersprachen sind jungen Datums und erst unter dem Einfluß der landesherrlichen Ordnungen entstanden, andere dürften aber noch dem Mittelalter angehören und der selbständigen Verordnungsgewalt des Rats entsprungen sein 60 ).
neben die Bürgersprachen als allgemeine Gebote treten die Einzelverordnungen des Rates. Der Parchimer Rat erließ z. B. "vor 1359" eine Willkür wegen Kündigung von Mietswohnungen 61 ). Wie weitgehend die Handlungsfreiheit der Bürger durch Ratsverordnungen eingeschränkt wurde, veranschaulicht die Ribnitzer Klosterchronik. In seinem Streit mit dem Kloster traf der Rat eine Reihe von Verboten: er untersagte z. B. den Arbeitern, für das Kloster Dienste zu verrichten, den Fischern, ihm
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Fische zu verkaufen und den Bürgern allgemein, das Kloster aufzusuchen und sich dort eine Grabstätte zu wählen 62 ).
Diese Gesetzgebungsmacht des Rates findet ferner ihren Ausdruck in den Statuten, die er den Zünften der Stadt erteilte 63 ). Im Vergleich zu den bezeugten und besonders Ende des Mittelalters bestehenden 64 ) Zünften ist die Zahl der erhaltenen oder Quellenzeugnissen zufolge ausgestellten Zunftrollen allerdings nur gering 65 ). Wir erwähnten bereits, daß zwischen 1230-40 die Meister und Brüder der Fischerzunft in Parchim mit Bewilligung und nach Anordnung des Rates die älteste uns bekannte Zunftordnung aufrichteten 66 ). Sie wurde im Wortlaut von der Stadt Sternberg in der Brüderschaftsordnung der Schuster und Bäcker vom Januar 1306 67 ) und in der Amtsordnung der Schmiede von 1365 68 ) übernommen. 1306 September 8 erteilte der Rat zu Plau den dortigen Schlachtern 69 ) und 1307 Mai 6 den Fischern 70 ) eine Zunftordnung. Der Rat von Waren gab 1334 Mai 27 den Leinewebern 71 ) und 1472 den Fischern
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eine Amtsrolle 72 ). 1463 stellte der Röbeler Rat den Wollwebern eine Zunftrolle aus 73 ). Der Malchiner Rat verlieh im Jahre 1500 dem Hakenamt Statuten 74 ).
Auf dem Gebiet der inneren städtischen Verwaltung übte schon im Mittelalter der Rat jene umfangreiche fürsorgliche Tätigkeit 75 ), deren Äußerungen am Ausgang des Mittelalters von der Landesherrschaft übernommen wurden und nun in den Polizeiverordnungen einen neuen Ausdruck erhielten.
b) Die Ordnung des städtischen Wirtschaftslebens.
Unter den zahlreichen Aufgaben, die dem Rat auf dem Gebiet der inneren Verwaltung oblagen, stellt die Ordnung des städtischen Wirtschaftslebens eine der wichtigsten dar. Die Bürgersprachen enthalten manche Anordnungen dieser Art. Vor allem in den Zunftordnungen traf der Rat eingehende wirtschaftliche Bestimmungen, die natürlich auch für das gesamte Wirtschaftsleben der Stadt von Belang waren.
Die wirtschaftliche Tätigkeit des Rates war in erster Linie Versorgungspolitik. Der Rat suchte zu diesem Zweck zunächst die ausreichende Belieferung mit Lebensmitteln und anderen unentbehrlichen Gütern sicherzustellen.
Die Städte gelangten schon früh in den Besitz von Fischereigerechtsamen, die sie dann später noch zu erweitern verstanden 76 ). Der Fischereibetrieb lag in den Händen der Fischerzünfte 77 ) oder eines einzelnen Pächters. Anderen Personen war das Fischen auf städtischen Gewässern dann meist verboten 78 ). Der Rat hatte es demnach in der Hand, durch die
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Fischer oder den Pächter eine ausreichende Fischversorgung der Stadt zu erreichen. Nach der Plauer Fischerrolle von 1307 79 ) sollte jeder von den Fischern, der "van gunst wegen des eddeln herrn Niclawsen von Werlen und des rades der stadt Plawe" auf dem See fischen durfte, "alles, dat he fanget, die grothen mit den cleynen und die cleinen mit den grothen . . . thom marckede tho Plawe bringen und syne vische tho kope bieden . . . thor gnugsamkeit der inwaner und gesten". Wenn der Landesherr 1375 bei der Verleihung der Gewässer der Müritz an die Gebrüder Regendanz diese verpflichtet, "van desseme watere . . alle weken to twen tiden, alzo middeweken unde vridage, viske . . . to kope uppe deme markede to Rabel" zu bringen 80 ), so mag dahinter eine Abmachung mit der Stadt, die deren Fischversorgung zum Ziele hatte, stehen. Der Güstrower Rat machte es dem Pächter des Gutower Sees zur Bedingung, sämtliche von ihm gefangenen Fische auf den städtischen Markt zu bringen 81 ).
Die Deckung des städtischen Fleischbedarfs war gewerbemäßig Aufgabe der Schlachter, doch spielte die Selbstversorgung daneben eine große Rolle. Besonders in den kleinen Städten wird fast jeder Bürger sich selbst Vieh gehalten haben. Ihm stand dafür die städtische Weide und für die Schweinemast der Stadtwald zur Verfügung. Die Gemeinde hielt dann den Hirten 82 ); um eine Beschädigung der Felder auszuschließen, geboten die Schweriner und Güstrower Bürgersprache, daß jeder sein Vieh von dem Stadthirten treiben lassen sollte 83 ). In größeren Städten reichte jedoch das selbst aufgezogene Vieh nicht zur Bedarfsdeckung aus. Es trat hier die Einfuhr vom Lande hinzu. Der Rat suchte anscheinend dabei die Selbstversorgung zu fördern und den Zwischenhandel mit Fleisch durch die Schlachter zu hemmen 84 ).
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Ebenso wird die Versorgung der Stadtbewohner mit Brot der Aufsicht des Rats unterworfen gewesen sein. Als Beleg dessen vermag ich jedoch nur die Statuten des Bäckeramts in Woldegk, einer Stargardischen Landstadt, anzuführen 85 ).
Die Güstrower Bürgersprache untersagte ferner das Aufkaufen von Obst in der Stadt durch die "Appelhaken" 86 ), wahrscheinlich um hieran keinen Mangel entstehen zu lassen. Dem Malchiner Hakenamt gewährte der Rat in der Rolle von 1500 kein Handelsmonopol; "mitborgheren efte buten luden" war es vielmehr erlaubt, "in der kerckmisse unte to sunte Johans markede . . . dre vulle daghe lank solt effte zoltene ware uppe deme markede" zu verkaufen, auch durften die Bürger "durch dat gantze jar des Sonavendes allerley ghesolten ware veyle hebben van vro morghen an beth dat de zeiger twelve sleit uppe myddach", ferner durften Bürger und Gäste "des Sonavendes by punden botteren vorsellen up deme markede" 87 ). In Güstrow und Parchim übernahm der Rat durch Errichtung einer Salzbude 88 ), aus der dann von einem städtischen Beamten oder dem Pächter 89 ) an die Kleinhändler oder sonstigen Käufer die nötigen Mengen abgegeben wurden, die Sorge für das stete Vorhandensein eines dem Gemeindebedarf entsprechenden Salzvorrats 90 ).
Die ausreichende Belieferung war jedoch nur ein Teil der Versorgungspolitik. Daneben mußte das Bestreben treten, dem Kunden eine reelle Bedienung zu gewährleisten, die Sorge für die Güte der gelieferten Ware und für richtiges Maß und Gewicht. Wenn der Stadt Plau im Stadtrecht ein eigenes Scheffelmaß verliehen 91 ), wenn in Waren das Linnen "secundum consulum et civitatis mensuram" gewebt wurde 92 ), so kann man annehmen, daß dem Rat die Herstellung übereinstimmender Maße und Gewichte oblag. Außerdem geboten vieler=
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orts die Bürgersprachen, daß jedermann "echte Mathe, Schepel, Ellen, Gewichte und Lode" haben sollte 93 ).
Ebenso richtete der Rat sein Augenmerk auf die Güte der Erzeugnisse. Die Malchiner Bürgersprache schärfte ein: "Eyn islick schal geven vulle mathe, de bruwer scholen bruwen gudt ber unde de becken backen gudt broth" 94 ). Solche Forderungen, Qualitätsware in den Handel zu bringen, finden sich nicht nur in den meisten Bürgersprachen 95 ), sondern auch in den Zunftrollen 96 ).
Die Forderung der Güte und richtigen Gewichts mußte durch eine soziale Preispolitik ergänzt werden, die Versorgung der Stadt mußte zu vertretbaren Preisen geschehen. Das Krakower Stadtprivileg von 1365/75 enthielt die Anordnung, der Wademeister solle an bestimmten Tagen einen Korb Fische an diejenigen Personen, die der Rat bezeichnen würde, billiger verkaufen, "uppe dat de borger yn vißke thokopende nycht lyden mogen noth" 97 ). Nach einem Bericht der Stadt Parchim von 1589 setzte der Rat dort "jährlich den Kornkauf, Holzkauf und Bierkauf 98 ). Die Güstrower Bürgersprache verpflichtete die Bäcker, das Brot und die Brauer, das Bier "na Inkoop des Korns" zu berechnen 99 ), auch errichtete der Rat von sich aus Brot= und Fleischtaxen 100 ). Gehören diese Zeugnisse auch nicht mehr dem Mittelalter an, so erweisen andere, daß die städtische Behörde auch schon damals Preispolitik getrieben hat. In der Zunftordnung der Warener Leineweber von 1334 legte der Rat die Preise für die verschiedenen Arten und Breiten Leinewand fest 101 ). Der Malchiner Rat bestimmte in der Bürgersprache
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(um 1400) Maß und Preis des zum Dachdecken ja viel begehrten Rohrs 102 ).
Im allgemeinen Interesse war es schließlich verboten, jemand Waren durch Überbieten abspenstig zu machen: "Niemandt schall kopen, dar Ein ander hofft uppgedinget, by Brocke thein schilling" 103 ). Jeder sollte unmittelbar vom Händler kaufen können. Der "Vorkauf" war deshalb unter Strafe gestellt 104 ).
Die wirtschaftspolitische Tätigkeit des Rats sah ihr Ziel aber nicht allein in der Versorgung des städtischen Verbraucherkreises, als Gegengabe für die mancherlei Beschränkungen suchte er dem Handwerker und dem Händler sein festes Einkommen zu sichern. Die zuletzt angeführten Bestimmungen kamen auch dem einzelnen Handwerker zugute, wenn er sich mit Rohstoffen eindecken wollte. Wie der Rat über die Erteilung des Bürgerrechts entschied 105 ), so wird er auch die Aufnahmen in die Zunft kontrolliert und eventuell einer Überfüllung des Amtes vorgebeugt haben 106 ). Die Bürgersprachen verbieten im Interesse der städtischen Händler den Gästen, untereinander Handel zu treiben, und den Bürgern, mit den Fremden Kompagniegeschäfte einzugehen 107 ). Der Rat besaß ferner selber gewisse wirtschaftliche Vorrechte, die er in dem Wirtschaftsleben der Stadt zur Geltung brachte. Der Güstrower Rat hatte 1486 von den Landesherren das Monopol des Ausschankes von Wein und anderen ausländischen Getränken erhalten 108 ); er untersagte daher jedermann, diese Getränke feilzubieten 109 ).
In dem Erlaß von Verordnungen durfte sich jedoch diese Wirtschaftspolitik nicht erschöpfen. Es mußte auch für deren Durchführung und Einhaltung Sorge getragen werden.
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Der Rat hatte das Recht, selbst oder gemeinsam mit dem Stadtrichter auf die Befolgung der wirtschaftspolitischen Anordnungen zu sehen 110 ). Eine wirksame Aufsicht war nur möglich, wenn der Handel sich vor der Öffentlichkeit abspielte. Der Vorkauf war deshalb verboten. Nach der Plauer Fischeramtsrolle von 1307 wurde Vorkauf mit 1 ß gebüßt 111 ), die Ribnitzer Bürgersprache von 1588 setzte auf ihn eine Strafe von 5 mr. 112 ). Alle Waren mußten auf den Markt gebracht und dort in den festgesetzten Marktzeiten feilgeboten werden. Die Zunftrolle des Malchiner Hakenamtes von 1500 bestimmte daher: "wyl wol van unsen mitborgheren soll efte ghesolten ware des Sonavendss veyle hebben, dat schall he to markede voren myt eneme waghene" 113 ). Ebenso geboten die Bürgersprachen, alles auf den öffentlichen Markt kommen zu lassen und nicht vor den Toren zu kaufen 114 ). Auf dem Markt hatte jedes Gewerbe seinen bestimmten Verkaufsplatz 115 ) und war daher leicht zu
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kontrollieren. Für rechtes Gewicht sorgte der Rat durch Aufstellung einer Stadtwage, auf der wahrscheinlich für größere Warenmengen Wägezwang bestand 116 ). Salz= und Honighandel waren in Parchim an die Benutzung des städtischen Salz= und Honigmaßes gebunden 117 ). Die städtische Wirtschaft beruhte zum wesentlichen Teil auf den Genossenschaften städtischer Gewerbetreibender. Auch die Art der Aufsicht des Rats über das Wirtschaftsleben hing daher in vieler Hinsicht von seinem Verhältnis zu den gewerblichen Genossenschaften ab.
c) Die Aufsicht über die gewerblichen Genossenschaften.
Im Mittelalter war den Zünften in mancher Hinsicht Selbständigkeit eingeräumt. So scheinen sie in ihren eigenen Angelegenheiten ein mehr oder weniger beschränktes Recht der Gesetzgebung besessen zu haben. In einer Willkür von 1372 118 ) einigten sich z. B. die Schweriner Wollweber über die Art der Besiegelung ihrer Tücher, sie stellten Bedingungen auf, an deren Erfüllung sie die Zulassung zu ihrem Amte knüpften; ferner bestimmten sie, daß wer dem anderen Vorkauf mit der Wolle täte, oder sonst einen seiner Mitbrüder übervorteilte, "in den broke na rade, lere und wisze unses amtes to Swerin" stehen sollte. Der Inhalt der Zunftrollen geht wohl z. T. auf die Beliebung der Zunft zurück 119 ). Auch war in ihnen meist nur, was im Augenblick notwendig erschien, geregelt und das übrige der Rechtsbildung in der Zunft und späterer Entscheidung vorbehalten.
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Außerdem hatten die Ämter eine - allerdings ebenfalls verschieden weitgehende - Befugnis der Selbstverwaltung. Sie waren vermögensfähig, bezogen Einkünfte und Renten 120 ), aus Gerichtsgefällen 121 ), aus den Aufnahmegeldern der Lehrlinge und Meister und aus Handelsgeschäften 122 ), und bestritten damit ihre Ausgaben für kirchliche Zwecke 123 ), für gemeinsame Betriebsmittel (z. B. Walkmühlen) 124 ), für Kriegsausrüstung 125 ) und die nicht unerheblichen Kosten der Gildefeste. Die Vermögensverwaltung war Sache der Zunftvorstände, die darüber in der Regel den Ämtern jährlich Rechenschaft abzulegen hatten 126 ). Auch scheinen diese sich im allgemeinen ihre Vorsteher, die Älterleute, Werk= und Gildemeister 127 ), frei gewählt zu haben 128 ). Deren Befugnisse stellten demnach zugleich Selbst=
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verwaltungsrechte der Genossenschaft dar. Die Aufnahmebedingungen in ein Amt bestanden in der Hauptsache aus Verpflichtungen gegenüber dem Amt selber, wie: mehrmaliges Eschen des Amts, Vorlegung des Gesellenzeugnisses 129 ) und des Echtebriefs 130 ), Anfertigung eines Meisterstücks 131 ), Leistung der Werkkost und der Aufnahmegebühr. Das Amt hatte darüber zu entscheiden, ob sie als erfüllt anzusehen waren. So hatten bei den Malchiner Schuhmachern die "olderlude" Macht, jemandem, der ein schlechtes Meisterstück anfertigte, "thouorwyßennde, bet dat hie solcks lehret" 132 ). Wie sie hier auf die Güte des Werkstücks sahen, so scheinen die Amtsvorsteher auch über die Markterzeugnisse der Zunftgenossen die Warenschau geübt zu haben. Die Werkmeister des Röbeler Wollweberamts durften Anordnungen "de pannis eligendis et reiciendis" treffen 133 ). Die Zunftrolle der Plauer Schlachter von 1306 enthält den Satz: "Preterea si aliquis carnificum carnes suas vendiderit contra prohibitionem magistrum, 2 solidos vadiabit", die Amtsmeister hatten also das Recht, etwa wenn ein Überangebot herrschte oder falls Grund zur Beanstandung der Güte des Fleisches vorlag, den Fleischverkauf zu verbieten. Die Ämtersachen wurden in den jährlich ein bis viermal stattfindenden Morgensprachen oder in außerordentlichen Zusammenkünften verhandelt, die Leitung hatten hier die Amtsvorsteher 134 ). Die weiteren Rechte, welche die Zunft in Bezug auf die Regelung
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der eigenen Angelegenheiten besaß, ergeben sich aus der ihr zustehenden Gerichtsbarkeit.
Der Warener Rat sprach 1334 den Vorstehern der Leineweber das Recht zu, bei Verstößen gegen die Ordnung in der Zunft Strafen bis zu 1ß zu verhängen 135 ). Auch in der Plauer Schlachterrolle von 1306 ist von dem iudicium der magistri carnificum, in der Fischerrolle von 1307 von dem "gerichte der meister" die Rede, denen die Zunftmitglieder zu gehorchen hatten. Zwar enthalten beide Privilegien keine Angabe, auf welche Fälle und wie weit sich die richterliche Kompetenz der Amtsvorsteher erstreckte, doch kann man nach dem Inhalt dieser Zunftrollen wie der Statuten der Fischerbrüderschaft zu Parchim vermuten, daß die Amtsmeister in Plau und die Fischer in Parchim nicht nur eine gewerbegerichtliche Zuständigkeit besaßen, sondern auch über sonstiges ordnungswidriges Verhalten 136 ): Unmäßigkeit im Trinken, Beleidigungen, Diebstahl unter Zunftmitgliedern, ferner Mißhandlungen, anscheinend sogar über Verletzungen bis zu blut und blau 137 ) zu urteilen hatten.
Über allen diesen Rechten der Zünfte erhob sich jedoch die übergeordnete Gewalt des Rates. Diese Überordnung hat auch in den städtischen Privilegien Ausdruck gefunden. Man denke an das Gericht der "cives" über die Vergehen der Bäcker, Schlachter und Krüger im Gadebuscher Recht von 1225, an die Überordnung des vom Rat in Konkurrenz mit der Bürgerschaft ernannten magister civium im Schwerin=Güstrower Recht. Laut der Bestätigungsurkunde der Krakower Stadtprivilegien von 1365-75 sollte der Krakower Rat "alle ampte" haben "na stedeliker wyse und wylkor".
Die Verfassung der Ämter war wie die Vergabung des Zunftzwanges 138 ) vom obrigkeitlichen Willen abhängig. Die Ämter legten dem Rat ihre Beliebungen zur Bestätigung vor und
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erblickten in ihr die Voraussetzung für deren Gesetzeskraft 139 ). An den Rat wandten sie sich mit der Bitte um Erteilung von Statuten und Privilegien 140 ). Zwar beriet der Rat die Artikel der Rolle mit dem Amt und berücksichtigte auch evtl. schon bestehendes Gewohnheitsrecht, doch konnte er hierbei seine eigenen wirtschaftlichen Interessen und die der Stadt zur Geltung bringen.
Da ein neues Zunftmitglied an den Rat das Innungsgeld zu entrichten hatte, darf man annehmen, daß der Rat bei dessen Aufnahme ins Amt mitzuwirken hatte 141 ).
Wie die Selbstgerichtsbarkeit der Zünfte mit der Erteilung der Zunftrollen vom Rat verliehen war, so lehnte sie sich auch an ihn als die übergeordnete und entscheidende Instanz an. Wenn in Plau die Handwerker den Anordnungen der Ältermänner nicht gehorchten, griff der Rat richtend ein 142 ). Ebenso lieh er in Malchin den Haken seine obrigkeitliche Gewalt, wenn jemand zum Nachteil des Amts den Bestimmungen der Rolle zuwider handelte und "de haken wolde wrevelik entzitten" 143 ).
Überhaupt unterlag das Zunftwesen der Oberaufsicht des Rats. Wenn auch die Warenprüfung in der Regel Sache der Zunft war, so suchte der Rat doch deren gewissenhafte Durchführung häufig dadurch zu sichern, daß er die mit der Prüfung beauftragten Amtsvorsteher in Eid nahm 144 ). Durch diese
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Vereidigung verwandelten sie sich gewissermaßen aus Organen der Zunft zu Unterbeamten der Ratsobrigkeit im Gewerbewesen.
Die Teilnahme von Ratsmitgliedern an den Morgensprachen, in denen am besten eine Kontrolle der Zunftautonomie möglich war, ist jedoch nur hier und da bezeugt. Das lübische Recht verlieh dem Rat zwar die Befugnis, zwei seiner Mitglieder in die Morgensprache der Zunft zur Überwachung der Versammlung und ihrer Beschlüsse zu senden 145 ). In den mecklenburgischen Städten mit lübischem Recht läßt sich die gleiche Praxis aber lediglich für Wismar 146 ) und Rostock 147 ) belegen, es bleibt also zweifelhaft, ob der Rat auch in den übrigen Städten die Morgensprache überwachte 148 ). Ebenso fehlt für Parchim und seine Tochterstädte in dieser Hinsicht ein Quellenzeugnis. Was die Städte Schwerin=Güstrower Rechts betrifft, so begegnet in Schwerin bei den Schuhmachern ein Ratsgeschworener 149 ) und waren den Ämtern in Güstrow Hauptleute aus dem Rat zugeordnet 150 ), während in Güstrower Tochterstädten von einer Teilnahme des Rats an den von den Älterleuten abgehaltenen Morgensprachen nichts erwähnt wird. Unter den Städten, die kein besonderes Stadtrecht hatten oder deren Stadtrecht unbekannt ist, wissen wir nur von Laage, daß bei den Knochenhauern einer "uth dem rade . . . inn dat ampt plecht tho gaenn thor morgenspraecke" 151 ). Man muß demnach
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vermuten, daß die Morgensprachen der Handwerker nicht in allen Städten einer strengen Aufsicht durch den Rat unterworfen waren 152 ).
d) Die Wohlfahrtspflege im engeren Sinn.
Mit der Wohlfahrtspflege betreten wir ein Gebiet, in dem sich die Tätigkeit der Kirche und der Stadt begegnet und kreuzt.
Die Schulen waren im Mittelalter in der Regel kirchliche Anstalten, doch sahen wir bereits, daß einige Landstädte ein Schulpatronat in Anspruch nahmen 153 ).
Über die Ordnung des Gesundheitswesens in den mecklenburgischen Landstädten wissen wir nur wenig.
Badestuben begegnen in mehreren Landstädten. Das Eigentum daran hatte teils die Stadt, teils eine Privatperson. Die 1337 in Schwerin genannte Badstube war städtisches Eigentum 154 ), ebenso gehörten die in Güstrow erwähnten zwei Badstuben, der "Steinstaven" 155 ) und der "Mollenstauen" 156 ), Anfang des 16. Jahrhunderts der Stadt 157 ). Auch Malchin hatte ein städtisches Bad, das an den "balneator" verpachtet wurde. 1481 ließ der Rat die "stuba" neu herrichten 158 ). In Parchim gab es anscheinend dagegen, den Verhältnissen in Rostock antsprechend 159 ), keine städtischen Bäder, da die Besitzer der im 14. Jahrhundert im Stadtbuch aufgeführten Badstuben selbständig über sie verfügen 160 ). Die 1327 in Boizenburg vorkommende Badstube stand im Privatbesitz eines Ratsherrn und
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nach dessen Tode seiner Tochter 161 ). Bei einer Badstube in Goldberg ist der Eigentümer zweifelhaft 162 ).
Die Wasserversorgung erfolgte in den Landstädten während des Mittelalters wohl nicht selten noch in der primitiven Form, daß die Bürger sich ihren Bedarf aus den der Stadt benachbarten fließenden Gewässern schöpften 163 ). Der Rat wird es in diesem Fall nicht völlig an Vorkehrung zur Erhaltung ihrer Sauberkeit haben fehlen lassen 164 ).
Die Zahl der Brunnen ist bei dem Stande der mittelalterlichen Technik wohl nur gering gewesen. Eine erhebliche Bedeutung hatten die öffentlichen Brunnen, die eine größere Zahl von Haushaltungen, meist die einer ganzen Straße, mit Wasser versorgten. Wir erfahren von ihnen vor allem dadurch, daß man sie bei Stadtbucheintragungen zur Lagebezeichnung verwandte. So setzt jemand 1432 in Neubukow sein Wohnhaus, "dat hornehus (Eckhaus) teghen deme zode", zum Pfande 165 ). Ähnlich läßt eine Aufzeichnung im Parchimer Stadtbuch darauf schließen, daß in Parchim öffentliche Brunnen bestanden 166 ); doch erwähnt hier das Stadtbuch daneben vier Brunnen im Privateigentum 167 ). Eine Wasserleitung hat im Mittelalter keine Landstadt besessen 168 ).
Die öffentlichen Brunnen wurden wahrscheinlich nicht aus städtischen Mitteln, sondern von den Interessenten unterhalten. In Güstrow gab es 1536 in jedem Tor einen von dem betreffen=
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den Stadtviertel in baulichem Stand zu haltenden Sod 169 ). Bei Parchim ist zu vermuten, daß die Verpflichtung der Kaveln 170 ) zur Erhaltung der Brunnen, wie sie Cordes im Jahre 1670 in seiner Chronik erwähnt 171 ) und wie sie bis in die jüngste Vergangenheit in Parchim anzutreffen war 172 ), auch schon während des Mittelalters bestand 173 ). Diese selbstverwaltende Tätigkeit der Bürgerschaft stand aber zweifellos unter der Aufsicht des Rats. Auch über die in der Stadt befindlichen Privatbrunnen hat der Rat wegen ihrer Bedeutung für die Allgemeinheit Aufsicht geführt. So schärfte die Ribnitzer Bürgersprache von 1588 jedem die Reinhaltung seines Sods ein 174 ).
Bei der Kleinheit der meisten mecklenburgischen Städte ist es verständlich, wenn uns in ihnen im Mittelalter kein städtischer Arzt begegnet. Z. T. werden die Geistlichen ärztliche Tätigkeit ausgeübt haben, nur aus Parchim hören wir 1441 von einem "mester Hinrich de arste" 175 ). In Schwerin, Bützow und Güstrow hielten sich der Bischof bzw. der Herzog Ärzte 176 ).
Die Fürsorge für Arme und Kranke konzentrierte sich während des Mittelalters im wesentlichen in den Hospitälern. Fast in jeder mecklenburgischen Landstadt lassen sich ein oder mehrere Hospitäler nachweisen 177 ). In der Regel beherbergten die bedeutenderen der Landstädte ein Haus zum Heiligen Geist und
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ein St. Georgshospital 178 ). Doch waren die Verhältnisse z. T. auch andere. In Parchim bestand neben dem Heiligen Geisthaus eine Nikolai=Kapelle 179 ). Grevesmühlen 180 ) und Gnoien 181 ) kannten kein Heiligen=Geisthaus, sondern nur ein St. Georg= und ein St. Nikolaus=Hospital.
An Gründungsurkunden von Hospitälern kenne ich nur eine, über die Errichtung des Heiligen Geisthauses zu Grabow im Jahre 1339 182 ). In der Regel setzen die Urkunden, durch die wir von ihnen hören, ihr Bestehen voraus. Solche Zeugnisse sind bereits seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts vorhanden. Das Heiligen Geisthaus kommt in Parchim zum ersten Male 1265 vor 183 ), in Schwerin 1283 184 ), in Ribnitz 1295 185 ), in Röbel 1298 186 ), in Güstrow 1308 187 ). "Um 1283" werden St. Georgen= und St. Nikolaus=Hospital in Grevesmühlen 188 ), 1286 das St. Georgs=Hospital zu Bützow 189 ), 1288 das zu Sternberg 190 ), zwischen 1288 und 1291 das zu Schwerin 191 ), 1298 die Nikolai=Kapelle bei Parchim 192 ) und das St. Georgshospital bei Plau 193 ), 1313 das Hospital in Güstrow 194 ) genannt 195 ).
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Das Heiligen Geisthaus war allgemein Armen und Kranken zu helfen bestimmt 196 ), während der St. Jürgen als Unterkunft für die Aussätzigen diente, wegen der Ansteckungsgefahr des Aussatzes lag dies Hospital deshalb im Gegensatz zum Heiligen Geisthaus außerhalb der Stadt 197 ). neben diesen Hospitälern werden in Malchin 198 ) und Parchim 199 ) noch eine Reihe kleinerer Armenhäuser genannt.
Das Spitalwesen erlebte im Laufe des Mittelalters in allen Städten eine weitgehende Verbürgerlichung. Zwar erhielt sich "die kirchliche Struktur des Spitals . . . das ganze Mittelalter unbestritten und unangezweifelt" 200 ), aber mit der Entwicklung der Städte zu politischen Körperschaften trat fast überall in den "Leitungskräften und der Ausgestaltung des inneren Betriebes" eine völlige Kommunalisierung ein 201 ).
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Beides, die Bewahrung des kirchlichen Charakters 202 ), wie, was für uns wichtiger ist, die Übernahme der Anstaltsleitung durch die Stadt und ihre Organe läßt sich auch bei unseren Städten beobachten. Allerdings wissen wir bei dem Fehlen von Stiftungsurkunden nicht, auf wessen Initiative hier die Errichtung der Spitäler zurückgeht. Vermutlich ist jedoch schon daran das Bürgertum hervorragend beteiligt gewesen. Ging doch die Gründung des Heiligen Geisthauses in Grabow von einem Grabower Bürger aus 203 ). Sicher leiteten sich die Einkünfte der Spitäler zum großen Teil aus bürgerlichen Zuwendungen her. Der Güstrower Ratsherr Jakob Wörpel ließ vor 1342 das Heiligen Geisthaus zu Güstrow aus Steinen aufbauen und stattete es mit reichen Mitteln aus 204 ). Der Malchiner Ratmann Gerlach Dempzin schenkte 1338 den Armen im Heiligen Geist eine Badestube zu Seelbädern und das nötige Holz zur Feuerung 205 ). Die Zahl einfacher Rentenstiftungen durch Bürger ist beträchtlich 206 ). Solche Aufwendung eigener Mittel zur Errichtung und Erhaltung der Spitäler und die allgemeine Richtung der Zeit mögen der Bürgerschaft den Rechtsgrund ihres Eindringens in das vorher von der Kirche beherrschte Spitalwesen geliefert haben. Von einer geistlich=weltlichen Mischverwaltung hören wir nur aus Röbel. Dort wurde 1298 das Heiligen Geisthaus unter die gemeinsame Verwaltung des Archidiakons und des Rates gestellt 207 ). in allen übrigen Fällen zeigte sich eine unbeschränkte Spitalherrschaft der Stadtgemeinde. Betreffend 5 den Armen in St. Jürgen zu Plau geschenkten Hufen bestimmte 1298 der Schweriner Bischof, daß "der Rat zu Plau den Armen zum Besten solchen Hufen zu ewigen Zeiten vorstehen" sollte 208 ). Herzog Albrecht von Mecklenburg vereignet 1360 Landbesitz, der zum Unterhalt der Armen im Heiligen Geisthof zu Gadebusch bestimmt war, dem dortigen Rat 209 ). 14 Hufen zu Pastin, deren Einkünfte der Sternberger Nikolaus Wamekow dem Heiligen Geisthaus in Sternberg zuwenden will, verleiht Herzog Johann von Meck=
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lenburg 1359 "viris prudentibus nostre civitatis Sternebergh consulibus . . ad utilitatem et ad manus sancti Spiritus ibidem . . iugiter possidendos", der Rat soll auch befugt sein, diese Ländereien nach Belieben zu verkaufen und zu verpfänden 210 ).
Nach S. Reicke 211 ) bestand in der mittelalterlichen Spitalverwaltung eine Dreiteilung der Leitungsbefugnis: die obere Leitung hatte der Rat, in die eigentliche Verwaltung teilten sich eine besondere Ratsdeputation, die Pfleger, und der ihnen im Regelfall untergeordnete Spitalmeister, der häufig zu den Spitalinsassen gehörte. Die Verwaltung der Spitäler stimmt jedoch, soweit sie aus den Urkunden erkennbar ist, nicht in allen mecklenburgischen Landstädten mit diesem auch anderwärts lokalen Abweichungen unterliegenden Bilde überein.
Der Spital= oder Hofmeister, der nach Reike das Amt eines Hauswarts bekleidete und außerdem die Ackerwirtschaft des Spitalhofes zu besorgen hatte, läßt sich in Mecklenburg nur selten nachweisen. Ich finde ihn 1353 am Heiligen Geisthaus in dem Flecken Dargun 212 ) und 1496 in Parchim 213 ) erwähnt, ferner wird uns mehrfach der Hofmeister am St. Georgshospital in Güstrow genannt 214 ). In Anbetracht dieser wenigen Zeugnisse ist es nicht ausgeschlossen, daß bei den Landstädten das Spitalmeisteramt oft fehlte 215 ).
Häufig treten uns dagegen die Pfleger, in den Urkunden als Vorsteher provisores, tutores, procuratores bezeichnet, entgegen 216 ). "Den Vorstenderen des Hilligen Geistes" in Grabow
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übereignet 1365 Herzog Albrecht von Mecklenburg Landbesitz 217 ). "Domui sancti Spiritus in Gnevesmolen et eius tutoribus" werden Güter, den "provisoribus sancti Nicolai" in Parchim Häuser 218 ) verpfändet. Die Vorsteher des St. Georgshospitals in Güstrow sind befugt, ihnen zustehende Einkünfte von den Pflichtigen "cultores" zu pfänden 219 ). in diesen Urkunden kommt vor allem die Vertretung nach außen und die Verwaltung des Spitalvermögens zum Ausdruck. Die Provisoren hatten aber auch für die bestimmungsmäßige Verwendung der Einkünfte zu sorgen. Von einer "den armen luden, begheuenen prouenern to sunte Jurien" in Neubukow zustehenden Rente ist angeordnet: "de vorstenderen scholenen de pennighe in de hende delen unde gheuen" 220 ). Nach dem Willen Henneke Bichermanns zu Parchim sollen die Vorsteher des von ihm gestifteten Armenspeichers "dessen spiker van desseme inghelde beteren, wanne unde wo vake des behoff unde nod is, unde de armen lude mede spisen unde laven unde vurynghe thughen unde schikken, alse se best könen" 221 ). Dem "servitori pauperum ac debilum" am Heiligen Geist zu Malchin soll von dessen Provisoren eine Präbende gereicht werden 222 ). Bei ihnen kauft sich ein Malchiner Bürger in das Heiligen Geisthaus ein, nach seinem Tode sollen die Provisoren die Pfründe den Armen geben 223 ). Die Pfleger hatten das Recht, über die Aufnahme von Armen und Kranken zu bestimmen. Die Vorsteher des genannten Parchimer Armenspeichers erhielten vom Stifter die Befugnis, "in dessen spiker arme lude in unde uth tho settende, wanne unde wo en dat nutte dunket" 224 ). Die Aufsicht über die Anstaltsseelsorge hatte freilich in erster Linie der Patron des betr. Pfarramts. Nur an einer Vikarei an der Kapelle des St. Georgspitals zu Güstrow erhielten die Provisoren 1471 mit dem Hofmeister das Präsentationsrecht 225 ).
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Stand und Zahl der Provisoren waren nicht überall gleich. Die Zahl wechselt in den Urkunden von 2 bis 5. Als Pfleger erscheinen Bürgermeister, Ratsherren und angesehene Bürger, einmal (in Parchim) neben anderen auch ein Geistlicher 226 ). Am Armenspeicher von Hans Muchow in Parchim wirkten 1449, 1450 und 1459 der Bürgermeister Brand Smid und Albert Muchow als Provisoren 227 ). Von den beiden "borgeren to Parchem unde vorstenderen des hilghen ghestes darsulues", die 1410 dessen Mühlengut an einer Parchimer Mühle verpachten, ist der an erster Stelle genannte Heyne Dambeke als Ratsherr nachzuweisen 228 ). Daß die Provisoren am Heiligen Geisthaus in Sternberg Mitte des 14. Jahrhunderts dem Rat angehörten, geht aus einer Urkunde von 1357 hervor, in der Herzog Johann von Mecklenburg das Eigentum von 2 1/2 Hufen auf der Feldmark Pastin verlieh, "sancto Spiritui atque consulibus in Sterneberch seu provisoribus, qui pro tempore fuerint pro eodem" 229 ). Zu Provisoren am Heiligen Geisthaus versprach der Güstrower Rat 1342 nach dem Tode von dessen Stiftern zwei seiner Mitglieder zu ernennen 230 ).
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1353 wird ein Ratsherr als Provisor am dortigen St. Georgsspital bezeichnet 231 ).
Die Aufsicht über die Spitalverwaltung hatte zweifellos der Rat. Veränderungen in der Vermögenssubstanz, im Grundbesitz des Spitals, bedurften seiner Genehmigung 232 ). Vor ihm hatten die Pfleger in Güstrow jährlich Rechnung zu legen 233 ). Er übte im allgemeinen die Oberaufsicht auch dann, wenn die Pflegschaftsverwaltung zunächst den Stiftern oder deren Verwandten zustand 234 ).
e) Die Verwaltung des Polizeiwesens.
Auf dem weiten Gebiet der Sittenpolizei kennen wir aus den mecklenburgischen Landstädten nur Verordnungen der städtischen Obrigkeit, durch die sie dem Luxus zu steuern suchte. Die Malchiner Bürgersprache wies jeden an, "dat gesette van den kosten" zu halten 235 ). In Parchim bestand 1514 für Hochzeiten "eyn gesette, dat menn nicht hoger alls tho 20 vathenn bidden mag uthgenamhen die junckfrowen 236 ). Der Güstrower Rat hatte vor 1313 ein statutum erlassen "de numero feminarum tempere purgacionis mulierum invitandarum" 237 ).
Die größeren deutschen Städte brachten schon im Mittelalter der Beschaffenheit der Straßen, Wege und Plätze regeres Interesse entgegen. Bereits im 13. Jahrhundert begann man hier mit der Pflasterung wenigstens der Hauptstraßen 238 ). Die Instandhaltung der Straßen innerhalb der Stadt gehörte in der Regel zum Pflichtenkreis des einzelnen Bürgers; jeder hatte den Damm vor seinem Hause in Ordnung zu halten. Jedoch mußte überall dort, wo private Anlieger fehlten, die Stadt für die
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Anlegung und Erhaltung aufkommen 239 ). Sie übernahm daher die Pflasterung des Marktes, des Platzes am Rathaus, der Torwege und der Zufahrtsstraßen. Verbreitet ist das Steinpflaster in den Landstädten während des Mittelalters sicher nicht gewesen, doch bezeugen Eintragungen im Malchiner Haushaltsbuch vom Ende des 15. Jahrhunderts 240 ), im Kämmereiregister Güstrows von 1522 241 ) und Parchims von 1539 242 ), daß der Rat dort Mittel für die Pflasterung aufwandte. Man kann danach wohl vermuten, daß dort wenigstens die Hauptstraßen am Ausgang des Mittelalters ein Steinpflaster aufwiesen.
Auch bei einigen Landstädten können wir erschließen, daß sie im Mittelalter der Sauberkeit der Straßen und Märkte ihre Aufmerksamkeit zuwandten. Zwar enthält die Malchiner Bürgersprache keine Bestimmungen in dieser Richtung, aber aus Bruchstücken, des Malchiner Stadtbuchs von 1331/32 wissen wir, daß z. B. für die Reinigung des Fischmarktes gesorgt wurde 243 ). In Güstrow war Anfang des 16. Jahrhunderts der Büttel vom Rat mit der Reinigung des Marktes beauftragt 244 ). Die Schweriner Bürgersprache von 1586 befahl: Ein Jglicher schall sin aeß uth der Stadt Bringen lathenn 245 ). Desgleichen verbot die erneuerte Ribnitzer Bürgersprache von 1588, "den Meß aver den Ronstein" und "das Aas . . . up de Strat" zu werfen, jeder sollte sein Aas aus der Stadt schaffen lassen und seine Schweine und anderes Vieh von den Kirchhöfen fern halten 246 ).
Eine städtische Baupolizei hat es in Ansätzen ebenfalls schon im Mittelalter gegeben. Das lassen Eintragungen des Parchimer Stadtbuchs erkennen, denen zufolge der Parchimer Rat den Bürgern gehörende Speicherplätze gegen städtische Gebäude und
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anlagen abgrenzte 247 ) und Verträge und Entscheidungen über den Tropfenfall 248 ) und Wasserlauf 249 ) in einer besonderen Rubrik "stillicidia et semita" aufzeichnete. Auch aus dem Schweriner Stadtbuch kann man Beispiele dafür anführen 250 ).
Vermöge seiner Oberaufsicht über die städtischen Grundstücke sah der Rat es als seine Aufgabe an, zu verhüten, daß bürgerliches Grundeigentum dem Stadtrecht entzogen wurde. In zahlreichen deutschen Städten war es verboten, "Immobilien an Gotteshäuser zu übertragen" 251 ). Nicht anders in mecklenburgischen Landstädten. Schon kurze Zeit nach der Gründung des Nonnenklosters in Ribnitz stellte der dortige Rat die Forderung, daß ein Testament zugunsten des Klosters nur mit seiner und der berechtigten Erben Einwilligung Gültigkeit haben sollte 252 ). Der Güstrower Rat erkannte 1345 ein Vermächtnis zu geistlichen Zwecken nicht an, "quod, quia talis domus in eorum esset sita proprietate, dictus Johannes Gutiar non posset eam ad usus ecclesiasticos legare vel donare, nisi de ipsorum licencia speciali" 253 ). Der Malchiner Rat erwirkte 1460 eine landesherrliche Anordnung, daß bei Verlust des Vermögens und bei Strafe der Verweisung der Dawiderhandelnden aus der Stadt die Einwohner keine liegenden Gründe weiter an Geistliche vermachen sollten, außer wenn solche Überlassung mit Rat und Willen der städtischen Obrigkeit geschehe, da dann die Erben das überlassene Grundstück wieder einlösen konnten 254 ). Die Brüche bei Verletzung dieser Anordnung verliehen die Herzöge in einer weiteren Urkunde ebenfalls dem Rat 255 ).
Wo der Rat in den Übergang städtischer Grundstücke in geistliche Hand willigte, blieben dieselben weiter dem Stadtrecht unterworfen. In Anerkennung dessen und als Gegenleistung für die Befreiung von den bürgerlichen Abgaben und Diensten hatten die Geistlichen dann dem Rat einen festen Geldsatz zu entrichten 256 ).
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Die Malchiner Bürgersprache bezeugt, daß die Obrigkeiten der mecklenburgischen Landstädte den Ausbruch von Feuersbrünsten durch Ermahnung zur Vorsicht zu verhüten suchten und auch Maßnahmen zur Feuerbekämpfung trafen 257 ). Im Parchimer Kämmereiregister von 1511 sind zweimal Ausgaben für Feuerhaken gebucht 258 ). Die zahlreichen Feuersbrünste, welche die mecklenburgischen Städte immer wieder in Asche legten 259 ), lassen die Feuerpolizei aber als nicht fortgeschritten erscheinen. Reimar Kock kann sich eine Landstadt des 16. Jahrhunderts nicht anders vorstellen "als mit lehmeden Husen und Strohdaken" 260 ). Erst Ausgang des Mittelalters zeigen sich Bestrebungen der Magistrate, durch baupolizeiliche Bestimmungen einzugreifen. Und so wünschte der Malchiner Rat bei der Beratung der Polizeiordnung im Jahre 1512, man solle die Strohdächer niederreißen lassen 261 ). Und der Güstrower Rat, unter dem Eindruck der großen Brände in der eigenen Stadt Anfang des 16. Jahrhunderts 262 ), schlug damals vor, Strohdächer und Scheunen in den Städten zu verbieten 263 ), wie er auch eingehende Bestimmungen zur Feuerverhütung und Bekämpfung in der Bürgersprache von 1561 264 ) traf.
Der inneren Sicherheit diente z. B. die Kontrolle der Wirte; Nichtbürger sollten nur mit Vorwissen des Rats zur Miete angenommen werden 265 ). Fast alle Bürgersprachen machten die Bürger für die von ihnen beherbergten Gäste verantwortlich. Für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit wirkt der Rat ferner dadurch, daß er den städtischen Wachen einen besonderen Schutz angedeihen ließ 267 ).
266) Vgl. § 4 der Malchiner u. Ribnitzer, § 29 der Grevesmühlener, § 9 der Neukalener Bürgersprache. Die Ribnitzer Bürgersprache gebot in § 24: Nemant schal lopen mit vordecktem Antlathe.
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4. Die Sorge für die militärische Sicherung der Stadt.
Während der mit Fehden und Kriegen angefüllten Zeiten des Mittelalters, in denen die Stadt außerdem weitgehend auf sich selbst gestellt war, bildete die militärische Sicherung der Stadt, die Sorge für die städtischen Wehrmachtverhältnisse, einen besonderen und bedeutenden Zweig der Ratstätigkeit.
Schon früh umgaben sich die Städte mit einer Befestigung. Anfangs erfüllte diesen Zweck ein Plankenzaun, wahrscheinlich durch Wall und Graben verstärkt 268 ). 1252 wird uns der "locus Kalant cum valle ac stagno adiacentibus" genannt 269 ). Die Güstrower Altstadt war bereits 1248 durch "munitiones" geschützt 270 ), doch bestand die Befestigung noch 1270 aus Planken 271 ). Von der Wehranlage der Stadt Schwerin finden in einer Urkunde des Jahres 1284 ein Stadttor, der Stadtgraben und die Umfriedung Erwähnung 272 ). Doch wurde noch 1313 ein Vertrag zwischen dem Bischof, den Grafen von Schwerin und der Stadt über den Weg längs der Planken der Stadt vereinbart 273 ), und Boizenburg war noch 1327 von Planken umgeben 274 ). Das primitive Plankenwerk wurde jedoch bald durch widerstandsfähigeres Material ersetzt. Zunächst wurden die Tore aus festem Steinmaterial aufgeführt, dann schützte man auch die gesamte Stadt durch steinerne Mauern. Rostock ging um 1265 dazu über und war "um 1300 . . . bereits rings mit einer festen Stadtmauer umgeben" 275 ). Ähnlich früh tat Wismar diesen Schritt 276 ). Die Landstädte standen zum Teil den großen Seestädten nicht nach. Laut einer Urkunde von 1288 hatte die Stadt Plau schon Stadtmauern (murs) und einen
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Stadtgraben (fossatum, quod muros civitatis circuit) 277 ). Die Stadtmauern von Güstrow (moenia) werden 1293 zum erstenmal genannt 278 ). Ribnitz besaß 1311 ebenfalls eine Stadtmauer 279 ). 1331 nennt eine Schweriner Urkunde die Brüder des Klosters Reinfeld "rectores molendinorum sitorum apud muros civitatis" 280 ). Doch war die Ummauerung damals anscheinend bei Schwerin noch nicht abgeschlossen 281 ). Im Jahre 1340 schenkte nämlich Graf Heinrich von Schwerin dem Rat, "die gedachte Stadt mit Mawr und andern Festungen zu befesten", ein (wahrscheinlich westlich) 282 ) an die Stadt grenzendes Terrain, die Bollbrücke 283 ). 1344 wird die Stadtmauer erneut erwähnt 284 ). Zahlreiche Quellenbelege und ebenso die Stadtsiegel 285 ) geben uns Kunde von der Ummauerung der meisten mecklenburgischen Landstädte 286 ).
Die verschiedensten Maßregeln wurden daneben zur Sicherung der Stadt und zur Sturmabwehr getroffen. Die Stadtmauern setzte man in Parchim 287 ) wie in Güstrow und Malchin 288 ) durch Anlage von Wiekhäusern in besseren Verteidigungszustand. Mutmaßlich Mitte des 14. Jahrhunderts erbaute Parchim eine Landwehr um seine Feldmark und errichtete dort, wo sie von den Landstraßen durchschnitten wurde, zwei Warttürme, Kiekindemark und die Steinburg, die, seit dem 18. Jahrhundert als Fangelturm bezeichnet, noch heute vorhanden ist 289 ). 1481 werden "muren, torne, horchvrede, landweren, welle" als
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Parchimer Befestigung genannt 290 ). Auch Güstrow 291 ) und Sternberg 292 ) legten zum Schutz gegen Überfälle und Raubzüge 293 ) eine Landwehr mit festen Vorwerken an.
Die Landesherrschaft hat die Befestigung der Städte mehrfach gefördert. In dem Aussöhnungsvertrag von 1288 zwischen den Fürsten und der Stadt Plau erließen jene der Bürgerschaft von den auferlegten 800 mr Buße 200 mr, welche sie aber zur stärkeren Befestigung der Stadt verwenden sollte 294 ) Den Bürgern in Sülze wurde 1298 vom Landesherrn das Dorf Symen zu Stadtrecht übertragen, "ut civitatem circumfodiant, firment et muniant" 295 ). In dem Schutzbrief, den die Grafen von Schwerin 1307 für den Dom, den Kirchhof und die Höfe der Domherren und Vikare zu Schwerin ausstellten, bestimmten sie, daß von den Strafgeldern für dort begangene Vergehen die Ratsherren von Schwerin ein Drittel "pro civitate . . munienda" erhalten sollten 296 ), und ähnlich verlieh bzw. bestätigte der Bischof von Schwerin 1449 der Stadt Bützow ihre Privilegien "to vermeringe unser stad Bützow an Doren unde muren" 297 ).
Doch die Errichtung und Erhaltung der Befestigungsanlagen war Aufgabe der Städte selber 298 ). Dem Rat standen dafür nicht nur die städtischen Finanzquellen zur Verfügung 299 ), er hatte auch das Recht, von den Bürgern Hand= und Spanndienste zur Errichtung und Erhaltung der Stadtbefestigung zu verlangen 300 ). "Wagenvore, graven, dammen, perdedenest" gehörte zu den
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Bürgerpflichten in Grevesmühlen 301 ). Das Kloster Rheinfeld war in Schwerin für seine zu Stadtrecht liegenden Mühlen nicht "ad murorum vel pontium structuras" verpflichtet, die zu den "iura et debita civitatis" zählten 302 ). Zu den Pflichten der Teterower Bürger gehörten auch die "exactiones manuales" 303 ).
Um einer Schädigung der Wehranlagen vorzubeugen, verbot der Rat vielfach, der Stadt Graben oder Mauern zu besteigen oder dort Vieh zu treiben 304 ). Zur Sicherung der Befestigungswerke mußte der Wasserstand in den Gräben ständig reguliert werden. Für den Wasserstau hatten nach Anordnung des Rates in Parchim und in Malchin die Müller aufzukommen 305 ).
Die Stadt mußte jederzeit den Angriff auswärtiger Feinde abzuwehren in der Lage sein. Die Wehrkraft der Stadt beruhte auf der allgemeinen Wehr= und Dienstpflicht der Bürger. Aufgabe der Bürger war es, die Stadt zu bewachen und beim Anzuge von Feinden zu verteidigen. An den Anfang der Malchiner Bürgersprache hatte der Rat den Satz gestellt: "Eyn islick schal waren sine wake by der muren unde vor den doren" 306 ). Ebenso kehrt in allen Verzeichnissen der Bürgerpflichten die Wachtpflicht der Bürger wieder 307 ). Nur der Geistlichkeit wurde Befreiung wie von allen weltlichen Lasten so auch vom Wachtdienst gewährt 308 ). Die städtischen Wachen genossen den unbedingten Schutz der Stadt. Es war in Güstrow nach einer Urkunde von 1270 mit besonderer Strafe bedroht, "si quis vi-
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giles civitatis nocturno tempore vel diurno percusserit et male tractaverit sive vulneraverit" 309 ).
Die Bewachung der Stadt erstreckte sich auf das Stadtinnere, die Stadtmauern und die Tore. Zum Teil ist nur der Nachtwachtdienst erwähnt, in anderen Städten wird jedoch auch die Tagwache unter den Bürgerpflichten genannt 310 ). Nach den Ratsstatuten von 1625 führten in Parchim die Wetteherren die Aufsicht über die ordnungsgemäße Durchführung der Tor= und Mauerwacht 311 ).
Um die Verteidigung der Stadt, aber auch kriegerische Unternehmungen in ihrem Namen oder auf Befehl des Landesherrn erfolgreich führen zu können, mußte ein Hauptziel der Militärverwaltung des Rates die Schaffung einer wehrfähigen städtischen Mannschaft sein. Die Malchiner Bürgersprache gebot daher jedem erbgesessenen Bürger, "wapen, schilt unde hoth" zu besitzen 312 ). Auch die Handwerker hatten sich in einigen Städten voll auszurüsten 313 ) Dagegen waren anderwärts die Handwerker, wahrscheinlich auf Ratsanordnung hin, nur verpflichtet, bei der Aufnahme in das Amt eine bestimmte Summe als Harnischgeld zu erlegen 314 ). Davon mußte dann das Amt eine
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gewisse Anzahl Waffenstücke halten, z. T. wurde das Harnischgeld aber auch zur Finanzierung von Kriegszügen verwandt 315 ).
Für Kriegszüge, insbesondere für die Verteidigung der Stadt, bedurfte es einer Organisation des städtischen Aufgebots. Bei zahlreichen deutschen Städten zeigt sich schon früh eine feste militärische Gliederung. Nach dem bei der Einteilung angewandten Prinzip lassen sich drei Gruppen von Städten unterscheiden. In Norddeutschland war die Einteilung der Bürgermiliz nach lokalen Bezirken, die Gliederung in Kirchspiele, Viertel usw. 316 ) besonders verbreitet. Dagegen erfolgte im Süden Deutschlands die Heereseinteilung häufig nach Personalverbänden 317 ). In einigen Städten bildeten sowohl Personal= wie Bezirksverbände militärische Körper 318 ).
Ob die mecklenburgischen Landstädte mit ihrer geringeren wehrfähigen Mannschaft von jeher eine feste Gliederung des Aufgebots kannten, entzieht sich der Feststellung. Auch wissen wir nicht, ob etwa die Kirchspiele, deren die größeren Städte ja mehrere besaßen, einmal eine militärische Rolle gespielt haben 319 ). Vermutlich war im 15. Jahrhundert schon in der Mehrzahl unserer Städte die im Kolonisationsgebiet verbreitete Einteilung in Viertel vorhanden 320 ). Sie hat zweifellos auch für die Stadtverteidigung und die Einteilung der Bürgermiliz Verwendung gefunden, wenn dieser militärische Gesichtspunkt
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nicht gar bei deren Einrichtung leitend gewesen ist 321 ). Die Stadtviertel entsprachen meist an Zahl den Toren, die den Mauerring in ungefähr gleiche Abschnitte zerlegten. Das Güstrower Verlaßbuch von 1506 ff. ist bezeichnenderweise "iuxta situm valvarum et quartalium" eingeteilt 322 ). Vermutlich waren hier und anderwärts die Tore und zugehörigen Mauerabschnitte den anwohnenden Stadtvierteln zur Verteidigung und Überwachung überwiesen. Nach Verzeichnissen aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges 323 ) war die Bürgermiliz in Güstrow in vier den Stadtvierteln entsprechende Abteilungen gegliedert, von denen jede aus vier Korporalschaften bestand und von einem Kapitän geführt wurde. Die im 16. Jahrhundert erwähnten Viertelsherren aus der Bürgerschaft 324 ) hatten einen Anteil an der Militärverwaltung. Sie standen dem Rat bei der Musterung zur Seite 325 ) und wirkten mit bei der seit 1597 nachzuweisenden Erhebung des Wachtgeldes 326 ). In Röbel war es Mitte des 17. Jahrhunderts Sache der Viertelsmänner, die Bürger zum Wachtdienst aufzufordern 327 ).
Die Stadt Parchim besaß eine hiervon abweichende Bezirkseinteilung. Sie zerfiel in drei Heerdschaften und 24 Kaveln 328 ). Die Gliederung nach Herdschaften bestand schon 1496; sie wurde in jenem Jahre bei der Erhebung der Kaiserbede zugrunde gelegt 329 ). Die Heerdschaften stellten wahrscheinlich im Mittelalter militärische Formationen der Bürgerschaft dar. Nicht nur sind die Stadtteile nach den drei Toren der Stadt benannt 330 ),
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auch in der Bezeichnung als solcher kommt das zum Ausdruck. Die im 19. Jahrhundert herrschenden Benennungen als Heerde= 331 ), Heerd= 332 ), Herrschaften 333 ) können nicht als ursprünglich gelten. Denn 1496 lautet die Bezeichnung noch "herschup" 334 ). Das Wort deutet somit ähnlich wie der Name "Wehr" für den neben den Gilden bestehenden Teil der Osnabrücker Bevölkerung 335 ) unmittelbar auf die einstige Bedeutung jener Stadtteile als militärische Verbände 336 ).
Im Gegensatz zu diesen Landstädten erfolgte in Malchin wahrscheinlich die Gliederung des städtischen Aufgebotes nicht lediglich nach topographischen Gesichtspunkten. 1612 beantwortete der Malchiner Rat nämlich die Klage der Viergewerke und gemeinen Bürger über den Verfall der Stadtbefestigung damit, "es bezeuge der Augenschein, daß der Schuster und anderer Ampter Wapen, wiewoll etzliche von dem Winde abgeworffen, auf den Wiekheusern gewesen sein, woraus zu ersehen, das gleich wie zu Neubrandenburg, Demmin und andern Städten die Empter angeregte Wiekheuser und Mauren im wesentlichen esse zu erhalten schuldig" 337 ). Die Bürger anerkannten diese Ver=
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pflichtung zwar nicht; bei der Stellung, welche die Gewerke in Malchin innehatten 338 ), dürfen wir jedoch auf Grund des Ratszeugnisses vermuten, daß die Ämter während des Mittelalters selbständige militärische Körper bildeten 339 ).
Der Kriegsbereitschaft der Bürger suchte der Rat sich durch häufig abgehaltene Truppenschau und Waffenmusterung zu vergewissern. So führt das Güstrower Kämmereiregister von 1518/19 Ausgaben für die Heerschau des Rates auf 340 ). Aus den Jahren 1579, 1585, 1588 u. a. sind in Güstrow Musterregister des Rates erhalten 341 ).
Da vor allem die Schützengesellschaften die Kriegstüchtigkeit ihrer Mitglieder pflegten, konnten sie bei kriegerischen Zwischenfällen den Kern der städtischen Wehrmacht abgeben 342 ). Als älteste bekannte Schützenzunft der Landstädte wurde 1410 die Parchimer Schützengilde mit Bewilligung des Rats errichtet 343 ). Von "Burgermeistere, Rathmanne und gemeinheit der Stadt Gustrow" wurde 1441 "umb Besserung willen unter Stadt" die Schützenbrüderschaft "wieder angerichtet" und gestiftet 344 ). Jeder von den 60 Brüdern sollte haben "ein ferdig Schutzen Zeugk mit allem, daß darzu gehoret". Falls jemand krankheitshalber nicht mit ins Feld ziehen konnte, sollten der Rat und der "Vogt" seine Ausrüstung einem andern überantworten, "der dar fertig inn schießen kan". Vogt war der "Koningk" des jährlichen Vogelschießens. Dem Gut der Zunft standen zwei jährlich erwählte Prokuratoren vor. Vogt und Prokuratoren sollten alle Monat in eines jeden Bruders Haus gehen und besehen, "daß Schutzengerede, und das ietzlicher sol haben ein guth zwelffter pile".
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1481 hören wir von dem Bestehen der Malchiner Schützengilde 345 ). 1514 erwähnt Monnick Schützengilden in 15 Landstädten 346 ).
Aus Monnicks Aufzeichnung läßt sich trotz ihrer Knappheit wenigstens bei einigen Städten entnehmen, daß die Ratskollegien in ihnen wie in Güstrow in enger Verbindung mit der Schützengilde standen und für ihre Tätigkeit ein Interesse bekundeten 347 ), das wenigstens zum Teil wahrscheinlich in ihrer militärischen Bedeutung begründet lag 348 ).
Für den eigentlichen Sicherheitsdienst hat der Rat schon früh neben den Bürgern ständige Wächter angenommen; vermutlich stehen die 1270 erwähnten "vigiles civitatis" in Güstrow und die 1288 in Plau genannten "vigiles", denen es oblag, die Stadt auf dem Wege des Stadtgrabens zu umfahren und zu bewachen 349 ), als ständige Wächter im Solde der Stadt. Ebenso erwähnt das Parchimer Stadtbuch 1446 und 1449 einen "Wachteknecht" der Stadt 350 ); ein "Dorward" zur Überwachung der Tore kommt 1387 im Parchimer Stadtbuch vor 351 ). In Güstrow begegnen - mit Auftreten der Bahnhofsregister - 1518 der Turmwächter 352 ), 1521 der Wachtknecht 353 ); auch der "Bodenknecht" wurde als Wächter verwandt 354 ). Außerdem scheint der Rat auch hier und da das Bürgeraufgebot durch Indienstnahme von Söldnern ergänzt zu haben. So hielt Güstrow nach Zeugnissen von 1518 und 1536 Stadtreisige 355 ).
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Um dauernd für Reisen, Fuhren und Kriegszwecke über eine Anzahl von Reit= und Zugpferden verfügen zu können, legte der Rat in den größeren Städten einen Marstall an. In Parchim wird uns 1403 ein solcher Ratsstall, "stabulum consulum" genannt 356 ), in Gustrow seit 1518 357 ).
Über das Geschützwesen der Landstädte erfahren wir sehr wenig. Nur in Parchim begegnen Ende des 14. Jahrhunderts städtische Blidenmeister 358 ), die Stadt hat demnach wahrscheinlich Schleudermaschinen in der Art der im Mittelalter sehr beliebten Bliden besessen. Anfang des 16. Jahrhunderts waren an deren Stelle Pulverwaffen getreten. Das Vorhandensein von "Bussen" und Feldgeschütz geht aus dem Parchimer Kämmereiregister von 1511 hervor 359 ). Güstrow besaß, wie Notizen in den ältesten Kämmereiregistern der Stadt ergeben, eine Reihe von Feuergeschützen 360 ). Der Malchimer Rat besoldete einen "bussenschutten" 361 ).
Wie in Rostock 362 ) wird auch in den Landstädten im Mittelalter die oberste Führung der städtischen Wehrmacht in den Händen von Ratsherren und Bürgermeistern gelegen haben. Die Boizenburger Bürgersprache befahl, alle Bürger sollten, wenn an einem Tor Feinde erschienen, sich ungesäumt dorthin begeben und sich vom Rat oder ihren verordneten Hauptleuten ordnen, schicken und weisen lassen 363 ). In Schwerin wählte der Rat im 17. Jahrhundert und wohl schon früher 364 ) den Stadthaupt=
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mann aus seiner Mitte. Ihm unterstanden damals an "Unteroffizieren" ein oder zwei "Stadt Leutenants", 2 Fähnriche, 4 Sergeanten und 4 Korporale. Diese Stellen wurden vom Rat aus der Bürgerschaft besetzt 365 ).
Doch leitete der Rat wenigstens im 16. Jahrhundert anscheinend in einigen Landstädten das Bürgeraufgebot nicht mehr selber 366 ), sondern nahm dafür Stadthauptleute in Sold. Der Güstrower Rat besoldete seit dem 16. Jahrhundert einen Stadtwachtmeister oder Stadtkommandanten, der die Bürger im Kriege zu führen hatte. Der Rat übertrug ihm gleichzeitig noch weitere Aufgaben: er hatte die Wacht in allen Toren, auf den Türmen, Wällen und Wiekhäusem zu bestellen, auch sollte er den ordnungsgemäßen Wachtdienst kontrollieren und die Erhaltung des wehrhaften Zustandes der Stadt durch Anlegung von Erdhäusern und Brustwehren auf den Wällen fördern helfen 367 ).
Bei Belagerungen hatte der Rat das Recht, Gestellung von Wagen und Hergabe von Lebensmitteln zwecks Verteilung unter die Belagerten zu fordern 368 ). Die Malchiner Bürgersprache verbot, "sundergen vrede mit der stadt vigenden" zu haben 369 ), im Rat verkörperte sich demnach während des Krieges die militärische Einheit der Stadt.
5. Die Verwaltung des Gemeindehaushalts.
Die Verwaltung des städtischen Vermögens und Finanzwesens, Mittelpunkt und Rückgrat der gesamten Stadtverwaltung, bildete das Schlußstück im Kompetenzbereich des Gemeindevorstandes.
Die Ausgabenseite des städtischen Haushalts haben wir im wesentlichen schon mit der Behandlung des städtischen Wirkungsbereiches und der auf diesem Gebiete getroffenen Veranstaltungen kennen gelernt. Es seien hier nur angeführt 370 ): die Ausgaben für die innere Verwaltung, für die Rechtspflege, für die bewaffnete Macht und die städtische Befestigung; außerdem brachte die Zentralverwaltung persönliche und sachliche Ausgaben für Ge=
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hälter und Remunerationen, für Schreibbedarf, für die Instandhaltung des Rathauses, die Bewirtung von Gästen und schließlich für Gesandtschaften und Reisen der Ratsherren in Stadtangelegenheiten. Hinzu traten noch die an den Landesherrn zu zahlende Orboer 371 ) und die Kosten der städtischen Betriebe und Grundeigentumsverwaltung. Naturgemäß waren in den kleineren Städten die Ausgaben geringer, wie ihnen auch weniger Einnahmequellen zur Verfügung standen.
"Nach 1370" ist im Parchimer Stadtbuch ein Hebungsverzeichnis der Stadt eingetragen 372 ), das einen gewissen Einblick in die verschiedenen städtischen Einkünfte gewährt. An den Anfang sind die Einnahmen gestellt, die der Stadt aus ihrem Grundbesitz zuflossen. Dann folgen die Leistungen der Juden 373 ). Am Schluß stehen die Einnahmen aus dem Handel= und Gewerbeleben der Stadt 374 ). Das Parchimer Hebungsverzeichnis bietet jedoch keine erschöpfende Übersicht über die städtischen Einnahmequellen, auch nicht in Bezug auf Parchim. Die Städte empfingen ferner das Bürgergeld für die Aufnahme in den Bürgerstand 375 ), zogen Gerichtsgefälle und Strafgelder ein und vereinnahmten den Zoll, soweit sie diese Gerechtsame erlangt hatten. Auch unterhielten die größeren Städte eine Reihe von Wirtschaftsbetrieben, den Weinkeller 376 ), eine Ziegelei 377 ),
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Töpferei 378 ) und eine oder mehrere Mühlen 379 ). Diese Unternehmungen, die der Rat teils selbst verwaltete, teils in Pacht ausgab 380 ), warfen sicher in der Regel ebenfalls Einnahmen ab. Ein bedeutender Teil der regelmäßigen städtischen Einkünfte entfiel schließlich auf die Bürgersteuer.
Unsere aus dem Mittelalter stammenden Nachrichten über das landstädtische Haushaltswesen sind spärlich. Die obere Leitung lag auf diesem Gebiet zweifellos beim gesamten Rat; alle uns überlieferten Rechtsgeschäfte: die Erwerbung von Grundbesitz 381 ), der Ankauf einer Lehmgrube für die Ziegelei 382 ), die Aufnahme von Anleihen 383 ) wurden durch das gesamte Ratskollegium vorgenommen. Über die laufende Vermögensverwaltung schweigen die Urkunden leider, und nur bei wenigen Städten hören wir etwas von der Gelderverwaltung. Den Charakter der Unausgebildetheit tragen nach einer Urkunde von 1362 die Verhältnisse der kleinen Stadt Marlow. Die Ratsherren der Stadt ver=
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kauften damals unter landesherrlicher Zustimmung 384 ) für (eine Anleihe von) 300 mr 20 mr Rente und gaben dem Käufer, einem Rostocker Bürger, das Recht, bei Nichtzahlung der Rente sowohl den Rat wie die einzelnen Bürger zu pfänden 385 ). In Sternberg und Parchim wurden dagegen schon im 14. Jahrhundert die Rentenverpflichtungen von der Stadtkasse (user stad busse) und deren Einkünften getragen 386 ). Ebenso hatte im 15. Jahrhundert in Parchim die "Stad Kamere" solche Zahlungen - durch die Kämmerer, wie es 1459 heißt - zu bestreiten 387 ).
Erst der Bericht Monnicks von 1514 gewährt einen allgemeinen Einblick in die Finanzverwaltung der Landstädte. Nach Monnick scheinen zwei Gruppen von Städten zu bestehen: Städte mit einer Zentralisierung des Kassenwesens in der Hand einer besonderen Ratsdeputation und solche, in denen Einnahme und Ausgabe vom gesamten Rat bzw. von einer Ratshälfte besorgt wurde.
Bei zahlreichen Städten war es jener Aufzeichnung zufolge Sache der aus der Mitte des Rats bestellten Kämmerer, "der stadt gemeyne gudt intonemen unnd uthtogeuen" 388 ). In einigen Städten verwalteten die Kämmerer zusammen mit einem Bürgermeister die städtischen Finanzen 389 ), in anderen lag die
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Finanzverwaltung ausschließlich in den Händen der Bürgermeister 390 ). Das Ratskollegium hatte sich jedoch in allen diesen Städten die Oberaufsicht gewahrt; die Finanzverwalter hatten einmal im Jahr dem gesamten Rat Rechenschaft zu geben 391 ).
Von diesem Bilde weichen bei Monnick vier Städte ab. In Güstrow erfolgte danach Ausgabe und Einnahme der Stadtgelder durch den gesamten Rat 392 ). Bei Krakow heißt es: "Der stadt innemhen nympt die ganntze raedt inn" 393 ). In Schwerin und Neustadt hatte die eine Hälfte des Rats die Gelderverwaltung, während die andere darüber Rechenschaft abnahm 394 ).
Aus den Berichten der vier genannten Städte läßt sich nicht erkennen, ob der ganze (bzw. halbe) Rat als Gesamtheit die städtischen Finanzen verwaltete oder ob diese Aufgabe etwa auf einzelne den Rat ausmachende Abteilungen verteilt war, wenn auch bei Güstrow der Satz Monnicks: "gemeine uthgeuen unnd innemen, dat geschut durch den rat semptlich" den Eindruck einer ungeteilten kollegialischen Finanzverwaltung hervorrufen muß. Doch vermag glücklicherweise wenigstens für diese Stadt das seit Anfang des 16. Jahrhunderts vorhandene Aktenmaterial die notwendige Ergänzung und gleichzeitig Gelegenheit zur Nachprüfung der allzu kurzen Bemerkungen Monnicks zu liefern.
Im Mittelpunkt des Haushaltswesens stand in Güstrow die Ratskasse. Von diesem Zentrum der städtischen Finanzverwaltung aus sind die "Register von Inname und Außgabe des Rhatthauses zu Gustrow" angelegt, die mit dem Jahre 1592 beginnen 395 ) und außer dem Schoß, über den ein besonderes Buch geführt und dessen jährliche Erträgnis auch nicht in das Hauptbuch übertragen wurde, den gesamten Haushalt der Stadt umfassen 396 ). In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts war das Aktenwesen der Ratskasse etwas anders beschaffen. Ein so umfassendes Register gab es nicht. Dem Schoßbuch kam eine allgemeinere Bedeutung zu. Daneben hielt die Ratskasse nur ein Einkommenregister.
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Das Schoßbuch aus den Jahren 1503/1559 397 ) stellt das älteste Aktenstück der Güstrower Finanzverwaltung dar 398 ). Daß es nicht einer Ratsdeputation, etwa den in anderen Städten häufig genannten Schoßherren, sondern unmittelbar der Stadtkasse diente, geht aus dem Gesamtcharakter des Buches hervor; hinter der nach Vierteln geordneten und bald nach Straßen weiter untergeteilten Liste der Schoßpflichtigen mit ihren Leistungen sind in ihm nämlich Jahr für Jahr ein Teil der regelmäßig wiederkehrenden Ausgaben und Einnahmen der Stadtkasse 399 ) und außerdem das Ergebnis der jährlichen Abrechnung verschiedener Ratsämter 400 ) verzeichnet. Solche Abrechnungen haben zweifellos schon im Mittelalter stattgefunden. Hatten doch auch die Vorsteher der dem Rat nahestehenden 401 ) Kaufmannsgilde ebenfalls bereits im 15. Jahrhundert jährlich über ihre Einkünfte und Ausgaben vor den Gildebrüdern abzurechnen 402 ). lm zweiten Schoßbuch von 1560-90 sind diese Notizen jedoch fortgefallen, die Abrechnungen erscheinen seitdem im Ratseinkommenregister.
Die Ratseinkommenregister sind seit dem Jahre 1535 erhalten 403 ). Die Eintragungen beginnen mit den von der Stadt gekauften Renten, die eine beträchtliche Einnahmequelle der
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Stadt bildeten 404 ). Die rechtzeitige Leistung dieser zahlreichen Renten suchte der Rat in der Weise zu sichern, daß er besondere "Manezettel" unter die Ratsherren verteilte; jeder Ratsherr hatte für die Aufkunft der auf seiner Liste stehenden Renten zu sorgen; auch im Einkommenregister erscheinen sie in dieser Reihenfolge. Es folgen im Register dann die an die Stadt zu entrichtenden Pächte: aus den Kämmereidörfern, aus städtischem Grundbesitz im Stadtgebiet und aus den Mühlen. Ein erheblicher Teil dieser Einkünfte der Stadt wurde wahrscheinlich gar nicht an die Ratskasse geleistet. Die Ratskasse, die unter der Leitung des gesamten Rats stand 405 ), hatte nämlich die meisten Gebiete der Finanz= und Vermögensverwaltung an besondere Deputationen übertragen.
Das wichtigste Ratsamt bekleideten in der städtischen Geldverwaltunng die "bovelhebber der uthgaue", wie sie 1522 genannt werden 406 ), die "Kemerer", "Bawhern", "lonherren", wie sie in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts heißen 407 ). Register ihrer Amtsführung sind erstlich aus den Jahren 1518/19 und ziemlich lückenlos seit Mitte des Jahrhunderts erhalten 408 ). Als Verwalter begegnen ein Bürgermeister und ein Ratsherr, häufig auch beide Bürgermeister, 1522 wird daneben der Stadtschreiber genannt, der aber wohl in allen Jahren die Registerführung besorgte 409 ). Heute sind die Mehrzahl jener Register im Güstrower Ratsarchiv als Bauhofsregister zusammengefaßt. Diese Bezeichnung kommt jedoch, soweit ich sehe, erst in dem Rathausregister von 1578 vor 410 ). Die Register sind vorher häufig als "Register der Innhame unnd Uthgaue belangent denn Rath
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zu Gustrow" überschrieben 411 ), ein Titel, der deutlich den umfassenden Charakter dieses Ratsamts zeigt.
Die "bovelhebber der uthgaue" hatten, abgesehen vom Schuldenwesen, das von der Ratskasse verwaltet wurde, und einer geringen selbständigen Ausgabetätigkeit der einzelnen Sonderhaushalte 412 ), sämtliche städtische Ausgaben zu leisten; auch die im Schoßbuch verzeichneten Verpflichtungen der Stadtkasse wurden von ihnen getragen 413 ). Sie bestritten zunächst die Unkosten der Zentralverwaltung, es finden sich daher hier die Gehälter 414 ), die Ausgaben für Schreibbedarf, für Reisen der Ratsherren in städtischen Geschäften und für Speisen und Getränke, die bei festlichen Anlässen 415 ) oder bei bzw. nach Zusammenkünften des Rats in Stadtsachen 416 ) verzehrt wurden. Sie kamen ferner für die Instandhaltung der Befestigungsanlagen auf. Auch ließen sie die nötigen Arbeiten an den städtischen Mühlen und Badstuben, an der Töpferei und Ziegelei ausführen. Die Ziegelei und Marstallverwaltung war weitgehend von ihnen abhängig 417 ). Sämtliche städtischen Arbeiter und Handwerker: Zimmerleute, Maurermeister, Schmiede, Futterschneider, Säger wurden von ihnen entlohnt.
Ihre Hauptaufgabe lag in der Verwaltung der Ausgaben. Von den Einnahmen - sie sind in den Registern vor den Ausgaben unter dem Datum ihres Empfanges eingetragen - stammt sicher ein Teil aus der Ratskasse 418 ). Einiges erhielten sie vom
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Rat ausdrücklich für diesen oder jenen bestimmten Zweck 419 ). So haben die Verwalter einen Teil ihrer Gelder ohne Zwischenschaltung der Ratskasse in Empfang genommen; u. a. wurden die von den Tuchmachern zu entrichtende Gebühr und die Pacht von den Badstuben und z. T. auch von den Mühlen unmittelbar an sie richtet 420 ). Auch die Sonderhaushalte leisteten Beiträge 421 ). Da die Verwalter demnach eigene Einnahmen hatten, waren sie auch imstande, hin und wieder auf Anordnung des Rats Gelder auszuleihen 422 ).
Über ihre Einnahmen und Ausgaben hatten sie in der Regel jährlich Rechnung zu legen. Zu dem Zweck waren die Register jedes Jahr, anfangs um Michaelis (29. Sept.), abzuschließen und dem Rat zur Abrechnung 423 ) vorzulegen. Durch die Forderung der Rechnungslegung wahrte sich der Rat die Aufsicht über dieses wichtige Ratsamt.
Neben der Ratskasse und der Ausgabeverwaltung, wenn auch ihnen untergeordnet, waren noch die Sonderhaushalte vorhanden. Während des Mittelalters war es zumindestens in den größeren Städten üblich, die Verwaltung der einzelnen dem Rat obliegenden Aufgaben besonderen, meist aus je zwei Ratsmit=
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gliedern bestehenden Deputationen zu übertragen 424 ). Die gleiche Erscheinung läßt sich in Güstrow aus den schon erwähnten Abrechnungen des Schoßbuches erkennen: Mit der Verwaltung der Wedde 425 ), des Ziegelhofes, des Weinkellers, mit dem Beisitz im Stadtgericht (nebst Entgegennahme des dem Rat zustehenden Drittels der Gerichtsgefälle) waren je zwei Amtsherren aus dem Rat beauftragt; in das Einsammeln des auf dem Markt aufkommenden Stättegeldes teilten sich sogar mehrere Ratsherrenpaare 426 ). Ferner war der Marstall einem Ratsherrn anvertraut und hat es für die Mühlen ein eigenes Ratsamt gegeben, das allerdings erst seit Mitte des 16. Jahrhunderts nachzuweisen ist.
Die Einnehmer des Stättegeldes hatten die von ihnen gesammelte Gebühr unmittelbar der Ratskasse einzureichen. Sie waren nur deren Gehilfen, besaßen also keine eigene Kasse. Von Sonderhaushalten kann man jedoch nur dann sprechen, wenn das betr. Ratsamt selbständig irgendwelchen Geldverkehr übt 427 ).
Auch bei der Marstallverwaltung ist man im Zweifel, ob sie den Namen eines Sonderhaushalts verdient. In dem Bauhofsregister begegnen häufig Ausgaben für den Ratsstall 428 ). Auch erhielt der Ratsherr, der dem Marstall vorstand, mehrfach von dessen Verwaltern Summen "to nottorfft des Stalles" 429 ). Außer
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dem berechnen sie nicht selten den Erlös von verkauften Pferden unter ihren Einnahmen 430 ).
Wohl aber besaßen die Verwalter des Stadtgerichts eine eigene Kasse. In den Jahren 1547-1552 verbrauchten Stadtvogt und Richtherren z. B. die eingenommenen Brüche auf Anordnung des Rats und mit Erlaubnis des Herzogs zur Besserung des Galgens und der Büttelei 431 ). Ebenso bestand wenigstens um die Mitte des 16. Jahrhunderts bei zweien der städtischen Mühlen eine besondere Registerführung 432 ).
Den städtischen Weinkeller verwalteten in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein Bürgermeister und ein Ratsherr. Da der Weinkeller damals noch nicht an einen Pächter vergeben, sondern durch die Ratsmitglieder und ihren Weinschenken verwaltet wurde 433 ), oblag den Weinherren nicht nur die Führung der Kasse, sondern auch die Beschaffung und Prüfung des Weins 434 ). lm Schoßbuch ist bei der Rechnungslegung fast stets nur der Jahresgewinn und der in bar umgerechnete Kellervorrat angegeben 435 ), selten auch einmal eine noch ausstehende Forderung 436 ). Die Überschüsse wurden den Weinherren häufig für das folgende Jahr überlassen. Der Gewinn des Weinkellers
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scheint nicht wie in Wismar 437 ) unter die Ratsherren verteilt, sondern der Stadtkasse zugute gekommen zu sein 438 ).
In der städtischen Ziegelei wurde in der Regel mit mehreren Öfen gearbeitet, in deren Verwaltung sich dann die Ziegelherren teilten. Auch bei der Ziegelhofverwaltung ist im Schoßbuch meist nur der jährliche Reingewinn eingetragen 439 ). Welche Ausgaben von den Ziegelherren geleistet wurden, ist daher nicht immer zu ersehen. Soviel erscheint jedoch als sicher, daß der Rat ihre Selbständigkeit in dieser Hinsicht sehr eingeschränkt hatte, doch besaßen sie eine selbständigere Stellung als die Ratsabteilungen der Gegenwart. Während heute die Stadthauptkasse auf Anweisung sämtliche Zahlungen direkt leistet, erhielten die Ziegelherren nach dem Bauhofsregister von 1521/22 in diesen Jahren häufig eine Pauschalsumme von 5-6 fl. "to nottorff des Tegelhaues 440 ). Auch wurde ihnen wohl gleich bei der Abrechnung ein Teil zurückgegeben, damit die nötigen Ausgaben zu bestreiten 441 ). Ein großer Teil der Unkosten des Ziegelhofes wurde aber auch zu jener Zeit durch unmittelbare Zahlungen der Stadtkasse gedeckt; die Verwalter jener Register bestritten u. a. Ausgaben für Holz= und Lehmfuhren, für Arbeiten auf dem Ziegelhof und entlohnten anscheinend auch den Ziegelmeister 442 ). Sonderregister der Ziegelei sind erst von 1581/82, 1595 und 1601/14 erhalten 443 ). Nach diesen "Ziegelofen=
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registern" hatten die Ziegelherren einen eigenen Ausgabebereich 444 ). Die Ausgaben wurden aber von den Einnahmen übertroffen, die sich aus dem Verkauf der Ziegelsteine ergaben. Der Überschuß wurde nicht insgesamt dem Rat übergeben, sondern diente unmittelbar als Beitrag zu einzelnen der Stadt obliegenden Ausgaben 445 ).
Die Abrechnungen der Ratsämter sind im Schoßbuch stets hinter der Angabe, wann der Rat in dem betreffenden Jahr "Peterstag gehalten", eingetragen. Höchst wahrscheinlich fielen sie in den ersten Jahren des Schoßbuches mit jenem Fest zusammen 446 ), d. h. das Rechnungsjahr dieser Ämter umfaßte die Zeit von einer Ratsumsetzung zur anderen 447 ). Doch ist später die Rechnungslegung auch etwas nach jenem Termin erfolgt 448 ).
Zum Schluß sei noch auf die Schoßverwaltung Güstrows eingegangen. Der Erhebung des Schosses vorher ging eine Bestandsaufnahme der Schoßpflichtigen; das Schoßregister wurde in der Stadt ausgeschrieben und das Ergebnis der angestellten Ermittlung dann ins Schoßbuch übertragen 449 ). Die Schoßzeit erstreckte sich anscheinend ungefähr von Mitte November bis Anfang bzw. Mitte Dezember 450 ). Wer mit der Erhebung des
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Schosses beauftragt war, ist nicht sicher zu erkennen, vermutlich besonders dazu ernannte Ratsherren 451 ). Diese führten wahrscheinlich besondere Register, in denen die Steuerzahler mit ihren gezahlten Beträgen in der zeitlichen Reihe der Steuerablieferung standen 452 ) und aus denen sie dann in die nach Stadtvierteln geordnete Liste des Schoßbuches übertragen wurden.
Das an Schoß Aufgebrachte wurde zum erheblichen Teil dem Bauhof zur Verfügung gestellt, da ihm ja auch die städtischen Ausgaben übertragen waren. Doch wurde schon vorher davon einiges von der Ratskasse verausgabt, wahrscheinlich vor allem für den Rentenkauf.
Monnicks Bericht über Güstrow muß demnach als irreführend bezeichnet werden 453 ). Mit dem Empfang eines großen Teils der städtischen Einnahmen und der Bestreitung der städtischen Ausgaben war eine besondere Kommission beauftragt. Richtig ist jedoch an Monnicks Aufzeichnung, daß der gesamte Rat sich
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hier die obere Leitung straff zu wahren suchte 454 ). Tatsache besonderer Deputationen und Nebenkassen auf keinen Fall durch jene Notiz des herzoglichen Sekretärs ausgeschlossen wird, ergibt sich für Krakow aus dessen eigenem Bericht. Denn obgleich hier doch der ganze Rat die städtischen Gelder einnehmen soll, schreibt Monnick selber: 2 richteherrnn doenn nevhenn deme stadtvagede reckenschop 455 ).
Ähnlich dürfen bei Schwerin Monnicks Worte nicht dahin verstanden werden, daß die Hälfte des Rats die städtischen Gelder auf ein Jahr gemeinsam, ohne besondere Ausschüsse zu bilden, verwaltete; denn durch Monnick selber ist das Vorhandensein von Kämmerern bezeugt 456 ), die doch wahrscheinlich neben ihren sonstigen Befugnissen ein selbständiges Ratsamt in Bezug auf die Einnahme oder nur die Ausgabe städtischer Gelder darstellten. Die Rechnungslegung fand in Schwerin zu Mittfasten statt 457 ), d. h. an dem gleichen Tage, an dem die Bürgersprache und die regierenden Herren des Rats der Bürgerschaft bekanntgegeben wurden 458 ).
Bei Monnick stehen, wie schon erwähnt, dieser Städtegruppe jene große Zahl von Städten gegenüber, in denen Ausgabe und Einnahme der städtischen Gelder einer Deputation von zwei oder drei Ratsmitgliedern oblag. Auch hier ist es, bei 2 Landstädten, bei Parchim und Malchin, möglich, diese kurze Formel Monnicks nachzuprüfen.
Von Malchin als einziger Landstadt ist ein Haushaltsbuch aus dem Mittelalter überliefert. Von einigen Lücken abgesehen umfaßt es die Jahre 1468-91 459 ). Als Verwalter der hier gebuchten Gelder erscheinen ein Bürgermeister und zwei Kämmerer. Jährlich wechselten die beiden Bürgermeister in diesem Amt ab, und jährlich wurden auch zwei neue Kämmerer aus der Zahl der Ratsherren bestimmt 460 ).
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Anfangs nicht ganz übersichtlich geordnet zerfallen die Jahreseintragungen in Einnahmen und Ausgaben. Unter den Einnahmen steht der Schoß voran. Dann folgen die Renteneinkünfte, die Standgebühren der Kleinhändler, die Leistungen der Juden 461 ) und die Einnahmen vom Zoll, vom Gericht, von den Mühlen und der Stadtwage. Die Ausgaben sind zwar nicht weiter datiert, sie scheinen aber ein laufend geführtes Register widerzuspiegeln. Hier erscheint das Gehalt für die Stadt= und Ratsdiener, für den Wagenknecht, der Lohn für Arbeiten an städtischen Anlagen und für Erntearbeiter auf dem städtischen Bauhof. Auch Ausgaben für die Ziegelei und den "thegeler" treten auf.
In Malchin nahm demnach jene Deputation wirklich eine beherrschende Stellung in der städtischen Finanzverwaltung ein. Freilich fehlen in dem Register auch einige sicher vorhandene Einnahmen: das Speichergeld 462 ), das Bürgergeld, der Abschoß, der Ertrag des Weinkellers 463 ) u. a. Daß diese Gelder einer andern Deputation zuflossen, möchte ich nicht glauben. Ihr Fehlen könnte darauf zurückzuführen sein, daß sie im Rat verteilt wurden.
Über die Parchimer Finanzverwaltung enthält schon der im Jahre 1481 unter Herzog Albrechts Leitung abgeschlossene Vergleich zwischen Rat und Bürgerschaft 464 ) eine Reihe von bedeutungsvollen Bestimmungen, bei denen sich allerdings nicht immer sagen läßt, inwieweit sie zur Durchführung kamen und ob sie wirklich Neuerungen bedeuten oder nur Mißbräuche beseitigen wollen.
Als erstes wird angeordnet: Jährlich sollte der Rat zu dem alten einen neuen Kämmerer bestellen, die gemeinsam "dat gemene beste . . . to schickende" vollmächtig sein sollen. Das Nebeneinander des alten und neuen Kämmerers, das sich dann auch in den Akten beobachten läßt, ergibt sich aus dem um ein Jahr differierenden Amtsantritt; jährlich wurde ein neuer Kämmerer bestimmt und rückte der bisher "neue" Kämmerer in die Stellung des aus seinem Amte scheidenden "alten" ein. In
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dem Kämmereiregister von 1535 wird berichtet, daß "sick de kemere ume settedhen jeghen Nicolai (6. Dez.), wo wanlick" 465 ).
"Item schal", so fährt der Stadtrezeß von 1481 fort, "eyn Borgermestere mit den saluesten twen kemeren unde vor anderen Ratmannen Schot, Pachte, unde allerleyge upkommige baren uppe dem Rathuse unde nergen anderswore" und dem ganzen Rat davon "des Jares ene nohafftige rekenschop van don ere se sick umme setten" 466 ). Ebenso sollten alle städtischen Ausgaben und Entlohnungen auf dem Rathaus geschehen "und nicht in der borgermester, kemeren effte ratmanne huse". Danach scheinen die gleichen Personen auch dem Ausgabewesen der Stadt vorgestanden zu haben. Die von den Bürgern geleistete Vermögenssteuer sollte der Rat "in scrifft nemen". Ob dies befolgt ist, bleibt unsicher. Ehalten sind Schoßregister erst von 1653 ab, doch wird schon 1578 auf ein "Schottregister" Bezug genommen 467 ).
Schließlich ordnete der Stadtrezeß von 1481 noch über die schon aus älteren Nachrichten bekannte 468 ) Stadtkasse an: "Schot, allerleyge pacht, brake unde menliken allen nutliken anval van der Stadt wegen schalen se in vaster bewaringe hebben an dem rathuse under dre sloten, des de Borgermestere schal enen slotel hebben, eyn der kemeren den anderen unde eyn van den ver ratmannen den drudden."
Demnach waren 7 Mitglieder des Rats an der Finanzverwaltung beteiligt. Monnicks Bericht erweist sich jedoch insofern als zutreffend, als noch im 17. Jahrhundert die städtische Hauptkasse von einem Bürgermeister und den beiden Kämmerern verwaltet wurde 469 ). Seit Anfang des 16. Jahrhunderts sind mit häufigen Lücken Kämmereiregister erhalten 470 ). Aus ihnen geht hervor, daß wichtige Ausgaben, besonders die für Fuhrleistungen und Bauarbeiten von den beiden Kämmerern getrennt - im 16. Jahrhundert in der Hauptsache vom alten Kämmerer - geleistet wurden 471 ). Ausgaben wie Zinsendienst,
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Gehälter und Orbör fehlen in diesen Registern. Für ihre Zahlungen standen den Kämmerern wechselnd hohe Einnahmen aus der städtischen Feldwirtschaft zur Verfügung oder auch Überschüsse aus der Ziegelei und Mühlenverwaltung, falls sie gleichzeitig die Register dieser Betriebe 472 ) führten. Gerade daran sind anscheinend aber auch die andern 4 Ratsherren beteiligt gewesen. Bei der jährlichen Abrechnung, die der Stadtschreiber am Schluß des Registers vornahm, wobei er zugleich auch die Richtigkeit bescheinigte, wurden auch die Überschüsse oder Auslagen 473 ) der Kämmerer beglichen.
Diese Rechnungslegung vor dem Rat fand am Anfang des Kalenderjahres statt, also in der Schoßzeit 474 ), und zwar vor oder um Petri Stuhlfeier, den Tag der Bürgersprache und Ämterumsetzung 475 ).
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß trotz Monnicks Bericht auch für die mecklenburg. Landstädte der Satz gilt, der die städtische Finanzverwaltung des Mittelalters kennzeichnete "Es fehlte das Prinzip der fiskalischen Kasseneinheit, wonach alle Einnahmen und Ausgaben wenigstens rechnungsmäßig durch eine Hauptkasse hindurchlaufen mußten" 476 ). Denn der Bericht des herzoglichen Sekretärs sagt nur etwas über die Hauptkasse aus und auch hier, wie die Beispiele Güstrow und Schwerin zeigten, nichts Näheres. Freilich wird es in den kleinen Städten nur eine sehr beschränkte Zahl von Sonderhaushalten gegeben haben, und auch bei den größeren wie Parchim und Güstrow nahm die Hauptkasse nicht nur eine beherrschende Stellung ein, sie wurde auch durch regelmäßige Rechnungsablage zusammengehalten 477 ).
Ob die Ratskollegien der mecklenburgischen Landstädte im Mittelalter eine saubere und gesunde Finanzpolitik trieben, läßt sich aus dem vorliegenden Material nicht beurteilen. Die Auflehnung der Bürgerschaft gegen den Rat im Jahre 1481 deckte in Parchim eine erhebliche Verbesserungsfähigkeit der Finanzver=
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waltung auf. Die Unruhen der Bürgerschaft in Güstrow von 1384 waren u. a. auch gegen die steuerliche Belastung gerichtet 478 ). Doch erfahren wir bei keiner anderen Stadt von einer Unzufriedenheit über die Finanzgebarung, und bei Güstrow müssen allgemeine politische Gesichtspunkte in Rechnung gestellt werden. Ferner mangelt es uns für das Mittelalter an der Kenntnis des durchschnittlichen Verhältnisses von Einnahmen und Ausgaben im städtischen Haushalt. Die Nachrichten des 16. Jahrhunderts sind wegen der veränderten Wirtschaftslage nicht verwertbar. Die zahlreichen Neuerwerbungen der Städte und ihre oft prächtigen Torbauten 479 ) deuten auf eine verhältnismäßig günstige Finanzlage. Doch haben auch im Mittelalter Landstädte zur Deckung ihrer Finanzbedürfnisse Anleihen aufgenommen 480 ).
Überblicken wir jetzt den Aufgabenkreis und die Befugnisse des Rats. Zumindest für die bedeutenderen Landstädte bestätigt unsere Untersuchung die Bemerkung von H. Spangenberg, im Mittelalter erfülle die Stadt "in engem Raume . . . den ganzen Kreis der staatlichen Pflichten" 481 ). Fehlte es auch an einem großartigen freien politischen Wirken nach außen, so wurden doch die Ordnung des städtischen Wirtschaftslebens, die städtische Wohlfahrtspflege, Polizei= und Vermögensverwaltung und die militärische Sicherung der Stadt selbständig von der städtischen Obrigkeit durchgeführt, dazu hatte sie entscheidenden Anteil an der Rechtspflege.
§ 2:
Die Verfassung des Rats.
1. Bestellung, Amtsdauer und Zahl der Ratsherren.
Die Bestellung des Rats erfolgte in den Landstädten wahrscheinlich im Mittelalter im Wege der Selbstergänzung. Zwar
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bieten unsere ersten direkten Nachrichten, die Akten des 16. bis 18. Jahrhunderts, ein anderes Bild. In einer großen Zahl von Städten litten damals der Landesherr und seine Beamten Einfluß auf die Besetzung des Ratsstuhls; in einigen Orten behauptete die Bürgerschaft ein Vorschlagsrecht bei der Wahl der Bürgermeister oder suchte die Gültigkeit der Ratswahlen von ihrer Zustimmung abhängig zu machen. Doch besitzen diese Zeugnisse bei den Veränderungen, die in der Ratsbestellung seit Ausgang des Mittelalters bei einzelnen Städten nachzuweisen sind 482 ), keinen einwandfreien Quellenwert. Dagegen ist es m. E. berechtigt, die mittelalterliche Ratsverfassung rechtsverwandter Städte als Analogie heranzuziehen. Und in Lübeck 483 ), Rostock 484 ) und Wismar 485 ) geschah im Gegensatz zu zahlreichen deutschen Städten 486 ) die Bestellung des Rats durch Kooptation 487 ).
Auch bei der Behandlung der Amtsdauer des Rates gehen wir am besten von den durch einen günstigen Quellenzustand erhellten Verhältnissen Lübecks und Wismars aus. In Lübeck 488 ) und Wismar 489 ) fand ein Wechsel nach Ratsdritteln statt. Alljährlich trat ein Drittel des Rats nach zweijähriger Amtszeit von der regelmäßigen Geschäftsverwaltung zurück, während das im vorigen Jahr in den Rat gekorene Drittel seine Tätigkeit noch ein Jahr fortsetzte und ein weiteres Drittel neu in den Rat gewählt wurde. Die Ratsherren schieden nach zweijähriger Amtszeit, wie gesagt, nur aus der regelmäßigen Geschäfts=
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verwaltung aus, doch wurden sie - als "alter Rat" - noch für ein Jahr von dem geschäftsführenden, dem "neuen Rat", zu den wichtigeren Verhandlungen hinzugezogen. Ja, es wurde in beiden Städten schon früh üblich 490 ), das ruhende Ratsdrittel am Ende des Jahres wieder in den Rat zu wählen; die jährliche Wahl eines Ratsdrittels sank zur bloßen Form herab. Und schließlich fiel dieser Ratswechsel überhaupt fort, an seine Stelle trat die Ämterumsetzung 491 ).
Wie steht es nun mit der Dauer des Ratsamts in den Landstädten. Stellen wir das leicht aus den Quellen Ablesbare voran: man nimmt zunächst die gleichen Bezeichnungen, die in jenen zwei Städten vor Einführung der bloßen Ämterumsetzung zur Unterscheidung eines geschäftsführenden und eines im Ruhejahr befindlichen Rats dienten, auch in unseren Landstädten wahr. Zuerst zwei Beispiele aus dem lübischen Rechtsgebiet: 1319 begegnen die "consules iuniores et seniores" in Ribnitz 492 ), 1327 die "mene ratmanne olt und nyge" von Wittenburg 493 ). Dasselbe gilt für die Städte Schwerin=Güstrower Rechts: 1326 urkunden die "ratmanne van Zwerin, olde unde nige" 494 ), 1334 die "communitas tam antiquorum quam novorum consulum nostre civitatis Robele" 495 ), 1357 werden die Bürgermeister und Ratmannen "nyghe unde olt von Malchin" 496 ) genannt, 1359 die "consules, novi et antiqui, oppidi Guzstrowe" 497 ). Diese Unterscheidung läßt sich schließlich bei den Städten Parchimer Rechts beobachten: in Parchim
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werden z. B. 1367 die Ratmannen als "nyge unde olde" bezeichnet 498 ).
Den Verhältnissen in Lübeck und Wismar 499 ) entspricht ferner die Zuziehung des alten Rates bei Dispositionen über städtisches Gut, bei Erteilung von Privilegien und bei Erlaß städtischer Willküren: die Abfassung der Zunftordnungen geschah in Parchim und Sternberg "abuniversitate consulum" 500 ), Befreiung vom Dammzoll wurde in Malchow 501 ), Abgabefreiheit in Güstrow 502 ), Erlaß von Bürgerpflichten in Malchin 503 ) von den alten und neuen Ratsherren gemeinsam gewährt; ebenso verkaufte 1367 die Gesamtheit des Parchimer Rats eine Rente 504 ) und kaufte 1334 der ganze Rat in Röbel zwei Hufen gegen eine an den bisherigen Eigentümer zu zahlenden Jahresrente von 5 mr 505 ).
Abweichend von jenen beiden Hansestädten haben dagegen sicher nicht alle Landstädte die mathematische Regelung: 2 Jahre im neuen, 1 Jahr im alten Rat gekannt 506 ). Ich möchte an=
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nehmen, daß jährlich eine Wahl in den neuen Rat erfolgte, die dann einige Ratsherren häufiger zu den Geschäften rief, andere längere Zeit ausschloß, bis sich mit der Zeit die Lebenslänglichkeit des Ratsamtes durchsetzte 507 ). Für das 14. Jahrhundert ist sie jedoch noch nicht zu erweisen 508 ). Nur beim Bürgermeisteramt muß schon seit seinem Auftreten - in der erster Hälfte des 14. Jahrhunderts 509 ) - Lebenslänglichkeit angenommen werden; die überall anzutreffende Wiederkehr der gleichen Namen 510 )
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kann unmöglich auf bloßem Zufall beruhen. Seit dem 15. Jahrhundert wurde sicher auch das einfache Ratsamt lebenslänglich bekleidet; denn die Unterscheidung der consules novi et antiqui ist fortgefallen 511 ) und vom Ausgang des 15. Jahrhunderts besitzen wir Belege, daß statt der jährlichen Wahl in den regierenden Rat nur eine Ämterumsetzung vorgenommen wurde 512 ). Neuwahlen fanden nur noch zur Besetzung vakanter Stellen statt.
Umsetzung und Ergänzung des Rats wurden Anfang des 16. Jahrhunderts in Güstrow und Parchim am Tage Petri Stuhlbesteigung (22. Febr.) 513 ) und in Schwerin im 16. Jahrhundert auf Lätare 514 ) durchgeführt. Vermutlich hat man in diesen Tagen auch einst den neuen Rat gewählt 515 ).
Die Zahl der Ratsherren zeigt nicht nur gemäß der verschiedenen Bedeutung der Städte beträchtliche Unterschiede, sie blieb auch bei keiner Stadt während des Mittelalters konstant; im allgemeinen stieg sie bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts und nahm dann zum Ende des Mittelalters wieder ab 516 ).
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2. Die Ratsämter und die Unterbeamten der Stadt und des Rats.
Beginnen wir unsere Betrachtung der Geschäftsverteilung im Rat mit dem wichtigsten Amt, dem der Bürgermeister. Wenn eine Einrichtung zur Leitung der Ratsgeschäfte auch immer bestanden haben muß, so sind die proconsules doch nicht von Anfang an nachweisbar, sie treten in den Landstädten später als in Rostock 517 ) oder gar in Wismar 518 ) entgegen. Unter den Landstädten läßt sich diese Institution am frühesten in Parchim feststellen. Dort begegnen schon seit Ende des 13. Jahrhunderts bestimmte Personen so häufig am Anfang von Zeugenreihen des Rats 519 ), daß bereits für jene Zeit eine verfassungsrechtliche Vorrangstellung für ein Ratsmitglied 520 ) angenommen werden muß. 1307 ist dann erstlich die Wendung "borgermeister und radtmanne" zur Bezeichnung des Parchimer und des Plauer Rats gewählt 521 ). Einzelne Bürgermeister werden in den Landstädten zum erstenmal 1327 und 1339 in Ribnitz 522 ), dann 1344 und 1346 in Malchin 523 ), 1350 in Waren 524 ), 1353 in Güstrow 525 ) erwähnt. Die in der Folgezeit übliche Zahl von zwei Bürgermeistern finde ich zum erstenmal 1345 in Parchim 526 ), dann Februar 1346 in Laage 527 ). in Laage sind sie auch schon in der Zeugenreihe des Rats durch ihre Bezeichnung hervorgehoben, ein Brauch, der sich seit Ende der 50er Jahre, seitdem überall
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Bürgermeister an der Spitze des Rates stehen, allgemein feststellen läßt 528 ).
Die Bürgermeister leiteten zunächst wohl nur die Ratssitzungen, während alle wichtigen Stadtsachen durch Kollegialbeschlüsse geregelt wurden 529 ). Doch nahmen sie anscheinend bald eine selbständige Stellung ein und vereinigten wichtige Regierungsrechte in ihrer Hand 530 ). Wo, wie meist, 2 Bürgermeister vorhanden waren, wechselte der Vorsitz, die Führung des Worts, entweder jährlich unter ihnen oder stand dem ältesten Bürgermeister zu.
Mit dem steigenden Umfang der Geschäfte und dem dadurch hervorgerufenen Bedürfnis nach Entlastung des Ratskollegiums wurde es üblich, die ursprünglich wohl vom gesamten Rat erledigten Aufgaben auf einzelne Deputationen von meist je zwei
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Ratsherren zu verteilen, aus denen sich dann die festen Ratsämter entwickelten 531 ).
In allen Landstädten gab es im Mittelalter zwei Ratsmitglieder als Beisitzer im Stadtgericht, die sog. Richteherren 532 ). In Parchim hatte schon 1312 jeder Ratmann in der Ratsversammlung seinen angewiesenen Platz; eine Stiftung an das Heilige Geisthaus sollten "thwe ratmanne, dhe neghest den kemeren an der banc zisten thu der luchteren hant" von den Vorstehern des Heiligen Geisthauses aufheben 533 ).
Die hier erwähnten Kämmerer erscheinen im 15. Jh. noch in drei weiteren Städten, Monnick nennt sie 1514 auch in den meisten übrigen Städten 534 ). Sie stellen die nächst dem Bürgermeister wichtigsten Mitglieder des Rates dar. Wie wir schon sahen, lag ihnen, z. T. gemeinsam mit den Bürgermeistern, die laufende Verwaltung der Stadtkasse ob. Hier und da hatten sie noch darüber hinausgehende Befugnisse 536 ).
Die Namen anderer Ratsämter begegnen zwar im Mittelalter noch nicht, während in Wismar und Rostock schon seit dem 14. Jahrhundert die verschiedenstem Ämter wie Wette=, Wein=, Münz=, Bau=, Ziegel=, Steinherren u. a. vorkommen 537 ). Der Grund liegt aber auch hier z. T. in den schon an anderer Stelle erwähnten Verlusten älterer Akten und Urkunden, von denen
535) Schon 1441 tritt dies Amt in dem kleinen Neubukow entgegen; eine Erbeinsetzung wurde in jenem Jahre vorgenommen "in Selzinghes hus, unses kemerers" (Neubukower Stadtb. v. 1416 ff. fol. 26 b, A. Schw.). Eine Eintragung des Ribnitzer Stadtbuchs von 1459 bestimmt, daß die Jungfrauen des dortigen St. Klaren Klosters ihre beim Rat gekaufte jährliche Leibrente von den "kemmereren der stad ribbenitze alle iar up wynachten" erheben sollten. Über die Malchiner Kämmerer s. u. S. 166 f.
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gerade die Landstädte betroffen worden sind. In Güstrow lassen sich, wie wir bereits sahen, seit 1505 seitdem im Schoßbuch die jährlichen Abrechnungen der Ratsämter eingetragen sind, die provisores cellarii oder Weinherren, die Ziegelherren und Wetteherren nachweisen 538 ). 1518 traten uns außerdem die Verwalter des Bauhofregisters und Mitte des 16. Jahrhunderts die Mühlenherren entgegen. Daneben bestanden sicher noch andere Deputationen 539 ). Auch Parchim weist eine Reihe von festen Ratsämtern auf. 1578 werden die "Mollenherren" und die "Borchherren" genannt 540 ). Der Bericht des Parchimer Rats von 1589 über die Statuten und Gebräuche der Stadt erwähnt dann die Wetteherren 541 ). Der Stadtrezeß vom 30.3. 1623 führt außer den Kämmer=, Burg=, Mühlenherren noch die Waisen= und Ziegelherren an 542 ). in Schwerin sind uns erst seit Lätare 1645 die Namen der regierenden Herren des Rats bekannt 543 ). Der Rat bestand damals und in den meisten folgenden Jahren aus zwei Kämmer=, zwei Waisen= 544 ) und zwei Gerichtsherren, seit 1656 begegnet zuweilen auch ein Bauherr.
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Auch in einigen kleineren Städten ist eine gewisse Geschäftsverteilung zu beobachten. So regierten in Neukalen jährlich drei Ratsherren das Holz 545 ). In manchen Städten mag jedoch, wie wir es bereits bei der Finanzverwaltung sahen, eine Vereinigung der wichtigsten administrativen Aufgaben in der Hand der Bürgermeister stattgefunden haben 546 ).
Unter den Beamten des Rats und der Stadt stehen an erster Stelle die Stadtschreiber. 1326 wird in Ribnitz "des rades scriver unde notarius" genannt 547 ). Stadtschreiber begegnen ferner vom 14. Jahrhundert ab in Güstrow 548 ), Bützow 549 ), Schwerin 550 ), Parchim 550 ), Neubukow 551 ), Gnoien 552 ) und Grevesmühlen 553 ). Fehlt es auch bei den übrigen Städten an Nachrichten, so lehrt doch das Beispiel Neubukows, daß sich wenigstens im 15. Jahrhundert auch kleine Städte mit einem ständigen Stadtschreiber versahen.
Das Amt des Stadtschreibers bekleideten im Mittelalter Geistliche 554 ): in der Regel ein Vikar oder auch der Pfarrer 555 ). Häufig sind auch Lehrer und Rektoren der Schulen gleichzeitig damit beauftragt. 1298 wird in Malchin als Schreiber einer Urkunde "Hinricus, tunc rector scolarium" genannt, und 1306 fertigt ein "Magister Arnoldus, scholemester the Warne" eine Urkunde für die Stadt aus 556 ). Im Parchim scheint am
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Beginn des 14. Jahrhunderts jedoch ein Scholar diese Stellung innegehabt zu haben 557 ).
Zweifellos bestanden auch in diesem Amt Unterschiede zwischen den Landstädten. In den Kanzleien der bedeutenderen Städte waren oft mehrere Schreiber beschäftigt, an deren Spitze dann ein Protonotar stand. So erscheint 1398 in Güstrow der "discretus vir dominus Nicolaus Wamekowe", Vikar an der dortigen Pfarrkirche, als "prothonotarius iuratus consulatus et opidi" 558 ). Daneben nennt eine Güstrower Urkunde von 1393 "hern Hinric, des rades scriver" 559 ). Die Person des weltlichen und rechtsgelehrten Syndikus gehört in den Landstädten erst dem 16. Jahrhundert an 560 ).
Dem Stadtschreiber oblag die städtische Verwaltung nach ihrer schriftlichen Seite, also die Ausfertigung von Urkunden und die Führung der Stadtbücher. Das Schweriner Stadtbuch von 1424 ff. ist durch den Stadtschreiber angelegt 561 ). Im Parchimer Stadtbuch rühren die Eintragungen in den Jahren 1436-45 und 1453-55 nachweislich von dem Stadtschreiber Jann Kriwitz her 562 ). Der Güstrower Notarius Heinrich Beckemann richtete nach den Stadtbränden von 1503 bzw. 1505 das Schoßbuch und das Grundbuch wieder auf und verwaltete beide auch weiterhin; ebenso wurden die Bauhofsregister durch den Stadtschreiber geführt 563 ). Infolge ihrer Geschäftskenntnis wurden den Stadtschreibern wohl auch diplomatische Sendungen aufgetragen 564 ).
Wieweit das schriftliche Verfahren während des Mittelalters in der landstädtischen Verwaltung bereits zur Herrschaft ge=
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bracht war, läßt sich schwer abschätzen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, haben die mecklenburgischen Landstädte fast alle ihre alten Schriften durch Brand, Krieg und Vernachlässigung verloren. Es wurde bereits erwähnt, daß die alten Güstrower Schoß= und Stadtbücher in den Bränden von 1503 und 1506 vernichtet sind; Akten, die sich offenbar nicht auf dem Rathaus befanden, reichen dagegen in Güstrow bis ins 15. Jahrhundert zurück: das Buch der Güstrower Kaufmannsgilde ist 1436, das Rentenregister der Katharinenbrüderschaft vor 1455 angelegt 565 ). Wohl sämtliche Städte haben ein Stadtbuch, das als Grund=, Pfand= und Schuldbuch diente, gekannt 566 ), aber erhalten sind Stadtbücher nur bei wenigen Städten 567 ): so vor allem zwei Parchimer Stadtbücher, das erste von 1351-1457, das andere 1471/72 beginnend 568 ), ferner ein Neubukower Stadtbuch von 1416-1540 569 ), ein Schweriner von 1424-1597 570 ) und ein Ribnitzer ab 1456 571 ). Wenn Monnicks Aufzeichnung 1514 bei zahlreichen Landstädten von einer jährlichen Rechnungslegung berichtet, so hat man wohl eine Registerführung über die städtischen Finanzen anzunehmen. Ob dies aber schon längere Zeit während des Mittelalters üblich war, läßt sich nicht nachweisen 572 ). Es fällt gewiß auf, daß dort, wo etwa Stadtbücher aus dem Mittelalter auf uns gekommen sind, nur diese und keine eigentlichen Verwaltungsbücher auftreten.
Freilich ist zu berücksichtigen, daß im Gegensatz zu den Stadtbucheintragungen das Interesse an der Aufbewahrung von Aufzeichnungen über den Haushalt damals gering war 573 ). Soweit der Rat für die Zukunft Wichtiges verzeichnen wollte, bediente er sich des Stadtbuches, das ja durchaus nicht nur Grundbuch war 574 ). Dies gilt vor allem für die Schuldforde=
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rungen des Rats und seine eigenen Schulden. Im Schweriner Stadtbuch von 1424 ff. ist von fol. 154 b-157 a eine besondere Abteilung für Rentenforderungen des Rats angelegt 575 ). lm Ribnitzer Stadtbuch von 1456 ff. sind neben Leibrentenkäufen Privater auch solche des Rats eingetragen. Dennoch haben wir anzunehmen, daß wie in andern Verwaltungszweigen auch im städtischen Finanzwesen die Schriftlichkeit nicht vor Ausgang des Mittelalters allgemein geworden ist. So führt das vorliegende Malchiner Haushaltsbuch im ersten Jahr (1468) nur die Schuldner des Rats, die pactuarii consulatus, auf und erst später weitere Einnahmen und die Ausgaben des städt. Haushalts. Ein anderes wichtiges Zeugnis ist schon erwähnt worden: Erst 1481 wurde in Parchim angeordnet, daß der Rat den Schoß "in scrifft nemen" sollte 576 ). Seine volle Ausbildung hat das Aktenwesen offenbar erst seit dem 16. Jahrhundert erhalten 577 ).
Dem Rat waren außerdem noch zahlreiche Personen untergeben, die in den Urkunden ohne Zweifel nicht sämtlich aufgeführt sind. Aus dem Schwerin=Güstrower Recht kennen wir schon den Stadthirten 578 ). 1282 tritt uns in Schwerin der Nuntius der Ratsherren entgegen 579 ). 1384 begegnet in Parchim ein städtischer Münzer 580 ), und seit dem 14. Jahrhundert kommen dort reitende und Hausdiener des Rats sowie Stadtknechte vor 581 ). in Güstrow fanden wir den Büttel, der dort auch für die Reinigung des Marktes zu sorgen hat 582 ); die Stadt beschäftigte außerdem noch eine Reihe von weiteren Unterbeamten: reitende Boten und Läufer, einen Wagenknecht, Turmwächter, Budenknecht u. a. 583 ). Auch die übrigen Städte besoldeten Rats=
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diener und Stadtknechte 584 ). Die Anstellung aller dieser Personen war wohl ausschließlich Sache des Rats 585 ).
3. Die Einkünfte (Amtsentschädigungen) des Rats.
Die Verwaltung der Stadt durch den Rat erfolgte im Mittelalter ehrenamtlich, d. h. nebenberuflich. Als Basis der ehrenamtlichen Existenz diente den Ratsherren ihre sonstige bürgerliche und soziale Stellung. Bei dem ehrenamtlichen Charakter des Ratsamts ist jedoch zu bedenken, daß der Rat eine größere Mitgliederzahl als in der Neuzeit aufwies, die zu erledigenden Amtsgeschäfte aber einen geringeren Umfang besaßen; allerdings hatten die Ratsherren wohl nicht selten Reisen im Auftrag des Rats zu unternehmen 586 ), die laufenden Geschäfte erforderten indessen noch wenig Zeit 587 ). Doch versteht sich nicht nur im Mittelalter von selber, daß die Ratherren auf Festessen und Festwein bei bestimmten Anlässen, bei denen sie die Ehre der Stadt vertraten, oder als Entschädigung für besondere Mühewaltung Anspruch hatten 588 ), sie waren auch mit Aufwandsentschädigungen
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verschiedener Art ausgestattet. So sind in Güstrow und Parchim Nutzungsrechte des Rats an städtischen Wiesen und Hölzungen nachweisbar 589 ). In einzelnen der Stadt gehörigen Gewässern beanspruchte wohl schon im Mittelalter der Rat ein ausschließliches Fischereirecht 590 ). lm übrigen sind die zufälligen Hebungen des Rats schwer gegen die der Stadt abzugrenzen. Während bei der Gründung Parchims Friedeschilling und Innungsgeld dem Rat nur "ad structuram et emendationem civitatis" zugestanden wurden 591 ), enthielt die Bewilligung von Friedeschilling und zwei Dritteln der Bußgelder aus der Gewerbeaufsicht an den Rat im Schwerin=Güstrower Recht keine solche Bedingung 592 ), und die Teterower Ratsherren erhielten sogar 1282 den Friedeschilling "suis usibus" 593 ). Die Einnahmen aus den gesprochenen Erkenntnissen gehörten in Güstrow schon 1503 dem Rat 594 ). Wenn es 1514 bei den Ribnitzer Ortsgebräuchen heißt: "Fur die burgerschop gifft einer dem rode 1 fl und des rades dienern 4 ß Sund." 595 ), so kann es als sicher gelten, daß dieser Anteil des Rats am Bürgergeld nicht in die Stadtkasse geflossen ist. Die zahlreichen Akzidenzien, die der Rat im 16. und 17. Jh. besaß, hat er anscheinend im Mittelalter noch nicht in vollem Umfang beansprucht 596 ).
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B. Die Gemeinde
§ 1:
Der Erwerb des Bürgerrechts
Die Bevölkerung einer mittelalterlichen Stadt zerfiel rechtlich gesehen in Bürger, Einwohner und Gäste 597 ).
Zu den Gästen zählten alle die Personen, die außerhalb der Stadt angesessen waren und sich nur vorübergehend in ihr aufhielten. Bloßer Einwohner, Mitwohner oder Beisasse war, wer zwar gleich dem Bürger seinen dauernden Wohnsitz im Stadtbezirk hatte, aber des Bürgerrechts ermangelte 598 ).
Die Bürgerqualität beruhte auf dem Besitz des Bürgerrechts. Nach herrschender Auffassung gab es in älterer Zeit "eine stillschweigende Aufnahme in den Bürgerverband", im 13. und 14. Jahrhundert habe sich dann "eine ausdrückliche, von der Gemeinde oder bestimmten Organen derselben vorzunehmende, meist entgeltliche Aufnahme" durchgesetzt 599 ).
Die Zeugnisse über eine förmliche Erwerbung des Bürgerrechts stammen bei den Landstädten erst aus verhältnismäßig später Zeit. Die Bürgerbücher beginnen nirgends vor der Mitte des 16. Jahrhunderts 600 ). Doch teilt Monnick schon 1514 bei 9 Städten die für die Gewinnung des Bürgerrechts zu ent=
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richtende Gebühr mit 601 ). Es ist wahrscheinlich, daß auch in den meisten übrigen Landstädten damals das Bürgerrecht durch Aufnahme begründet wurde 602 ). Ja, die Quellen führen uns noch weiter zurück. Bei Neubukow läßt sich die Verpflichtung, die Zugehörigkeit zur Bürgerschaft durch Aufnahme zu erwerben, schon für das Jahr 1456 nachweisen 603 ), und bei Laage bestand das gleiche Erfordernis bereits im Jahre 1393 604 ). Hinter diesen beiden Kleinstädten haben die größeren Städte sicher nicht zurückgestanden. War es aber vielleicht erst damals rechtens geworden, das Bürgerrecht an eine förmliche Aufnahme zu knüpfen?
M. E. .sind wir berechtigt, in dieser Frage von den Verhältnissen der rechtsgleichen und rechtsverwandten Städte auf untere Landstädte zu schließen. Nun ist für Lübeck 605 ), Rostock 606 ) und Wismar 607 ) durch Bürgerverzeichnisse erwiesen, daß zumindest seit Mitte des 13. Jahrhunderts das Bürgerrecht gegen eine
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gewisse Gebühr vor dem Rat (den Kämmerern) erworben werden mußte; dieser Brauch wurde auch im lübischen Recht verankert 608 ). Wir dürfen daher annehmen, daß auch die mecklenburgischen Landstädte bereits in der zweiten Hälfte des 13.Jahrhunderts den primitiveren Zustand einer stillschweigenden Aufnahme in den Bürgerverband überwunden hatten.
Das Fehlen von mittelalterlichen Bürgerbüchern der Landstädte mag - abgesehen von der Möglichkeit, daß hier und da im Laufe der Zeit Material vernichtet ist - seinen Grund darin haben, daß die Zahl der Neubürger zu gering war, um die Anlage von Bürgermatrikeln nötig zu machen. Wohl in fast allen deutschen Städten brauchten während des MA.s Bürgersöhne das Bürgerrecht nicht besonders zu erwerben, sondern traten in den Eid des Vaters 609 ). Sie wurden demzufolge auch nicht in die Bürgerliste aufgenommen 610 ). Von jener Bestimmung sind wahrscheinlich aber auch die mecklenburgischen Städte nicht abgewichen. Wenn die Polizeiordnung von 1572 befahl, daß Bürgerkinder, die "noch nicht Bürgerliche pflicht gethan, . . . von dem Rat darzu, nach publicirung dieser Ordnung, zu dem fürderlichsten angehalten werden" sollten 611 ), und wenn ähnlich nach der wahrscheinlich 1561 verfaßten Güstrower Bürgersprache auch Bürgersöhne "die Borgerschap annehmen" und "dem Rade und der Stadt ehre Eide gelieck sowohl alse Burgemeister, Rathlüde unde andere Borgern tho donde schuldig seyn" sollten, "wente ehre Väder hebben allene vor sick unde nicht vor ehre Kinder geschworen" 612 ), so stellen diese Anordnungen - wie schon ihre Formulierungen nahelegen - Neuerungen dar, die vermutlich unter dem Einfluß eines um die Mitte des 16. Jahrhunderts (vor 1559) zu datierenden Hansebeschlusses, der auch von Bürgerkindern die Ableistung des Bürgereides verlangte 613 ), eingeführt sind 614 ).
Man darf wohl annehmen, daß die Neubürger unter Eid die Erfüllung der Bürgerpflichten versprechen mußten 615 ). Erhalten sind Eidesformeln erst vom Ausgang des 16. Jahrhunderts.
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Hinsichtlich der Bedingungen des Bürgerrechts und des Personenkreises des Bürgerverbandes haben wir uns mit den Ausführungen Böhlaus auseinanderzusetzen 616 ). Böhlau vertritt die Auffassung, daß die mecklenburgischen Landstädte sich in Bezug auf das Bürgerrecht grundsätzlich von den Seestädten unterschieden. "In den von vornherein auf der Bedeutung des Handels basierenden Seestädten" war der Besitz eines Erbes 617 ) "für das Bürgerrecht nicht, sondern nur für die Ratsfähigkeit der Erbgesessenen von Bedeutung" 618 ). Anders in den Landstädten. Hier "bildeten die Erbenbesitzer die Stadtgemeinde". "Die Erben
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waren die Grundlage der städtischen Rechte und Pflichten ohne Ausnahme" 619 ). "Die Stadtgemeinden würden demgemäß für die ältere Zeit als Realgemeinden 620 ) zu denken sein" 621 ). Dieser Zustand dauerte nach Böhlau das gesamte Mittelalter hindurch an. "Seit dem 30jährigen Kriege etwa beginnt mit dem Abkommen der Erben der völlige Niedergang der landstädtischen Realgemeindeverfassung" 622 ).
Böhlaus Ansicht ist noch neuerdings von M. Lichenheim 623 ) u. E. Kätlitz 624 ) ohne Einschränkung übernommen. Die Quellen bestätigen jedoch die fast rein konstruktiven Charakter tragende Darstellung Böhlaus nicht.
Neben den Erben hat es in den Landstädten schon während des Mittelalters Buden gegeben 625 ). In Güstrow verkauft 1305 Johann v. Demen seine Einkünfte "de areis quinque bodarum
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sitarum iuxta forum" 626 ). 1385 überläßt ein anderer Bürger einem Vikar an der Güstrower Domkirche "von seinem erbe und hofe eine bude von zwen vaken" 627 ). Im Parchimer Stadtbuch begegnen im 14. Jahrhundert zahlreiche Verpfändungen von Buden 628 ). Auch das Schweriner Stadtbuch erwähnt im 15. Jahrhundert Buden 629 ). Der Röbeler Magistrat unterscheidet 1547 zwischen den "hussetenden borgern" und solchen Personen, "de in boden und in frigheyden wanen" 630 ). - Über die Anzahl der Buden und Erben in den Landstädten liegen uns Nachrichten erst aus dem 16. und der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts vor; es ist kaum anzunehmen, daß sich bis dahin das Zahlenverhältnis seit dem Mittelalter etwa zuungunsten der Erben verschoben hat 631 ). Dem Landbederegister von 1536 zufolge bestand Güstrow aus 261 Erben und 129 Buden 632 ). In der Schweriner Schelfvorstadt gab es 1631 22 ganze und 14 halbe Häuser, 60 ganze und 7 halbe Buden 633 ). In Gadebusch wurden 1611 112 Wohnhäuser und 98 Buden gezählt 634 ). Bützow hatte 1632 125 Häuser und 163 Buden 635 ). Wenn nach Böhlau in Sülze erst im Anfang des 18. Jahrhunderts Buden entstanden 636 ), so ist dies Beispiel demnach höchstwahrscheinlich auf keine andere Landstadt zu übertragen, ja die bedeutenderen Landstädte haben zweifellos bereits im Mittelalter, also weit vor dem 17. Jahrhundert, in dem nach Böhlau der Kampf zwischen den Erben und der Personalgemeinde entbrannte, Buden neben den Erben gekannt.
Die Buden haben in den Landstädten wie in Lübeck 637 ) und den beiden mecklenburgischen Seestädten 638 ) im Mittelalter an=
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scheinend Pertinenzien der Erben oder Häuser gebildet 639 ). Sie wurden dann entweder nur zur Miete bewohnt oder von den Bewohnern selber auf dem Grundstück eines Erbes errichtet. Neben den Buden mietete man sich übrigens auch in Häuser 640 ), Speicher und Keller 641 ) ein.
Wie in Wismar und Lübeck die Mehrzahl der Handwerker kein Erbe besaß, so gehörte dort auch der Handwerkerstand insgesamt nicht zu den Erbsassen 642 ). Die gleiche Unterscheidung zwischen Vollbürgern und Handwerkern läßt sich auch in einigen Landstädten nachweisen 643 ). Man darf daraus wohl schließen, daß in den Landstädten ebenfalls nicht sämtliche Handwerker Erbenbesitzer waren, wenn auch freilich das Verhältnis hier meist umgekehrt gelegen haben mag, da der geringere Verkehr landwirtschaftlichen Nebenbetrieb erforderte 644 ). Außerdem werden in den Buden und Kellern Tagelöhner und Arbeitsleute gewohnt haben.
Böhlau sucht seine Aufgabe, die ehedem allgemeine Existenz der Realgemeinden für die mecklenburg=schwerinschen Landstädte "auf dem vorausgesetzten Grunde der für fast alle Teile Deutschlands bereits erbrachten Beweise festzustellen oder doch zur Wahrscheinlichkeit zu erheben" 645 ), fast ausschließlich 646 ) dadurch
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zu lösen, daß er die Landstädte als Markgenossenschaften und die Erbbesitzer als deren alleinige Mitglieder nachzuweisen unternimmt. Es scheint anfangs in der Tat der Fall gewesen zu sein, daß nur die Erben Nutzungsanteil an der Allmende hatten. Wenigstens wurde, wenn bei der Legung städtischer Dörfer deren Feldmark zur Aufteilung kam und nicht der andere Weg, sie der Allmende einzuverleiben, gewählt wurde, das Land auffallenderweise nur unter die Erben der Stadt verteilt 647 ). Böhlau selber wies auf eine andere Erscheinung hin, das Bestehen sogenannter Realgemeindereste in Sülze und Grabow 648 ). Aber gerade diese Bauleutezünfte zeigen, daß Böhlaus Ansicht, die Realgemeinden seien in den Landstädten erst seit dem 30 jährigen Krieg zerfallen, selbst in Bezug auf die Allmendnutzung abzulehnen ist. Die der Stadt Wesenberg 1302 geschenkte Feldmark Pomel befand sich schon im Jahre 1601 im Besitz des Rates und der Bauleute 649 ). Wir können daraus schließen, daß hier die Erbgesessenen schon auf einen Teil der städtischen Feldmark beschränkt waren - zwecks Nutzung solcher beschränkten Gebiete pflegten ja die Bauleutezünfte zu entstehen 650 ) -, während an dem Rest der Allmende bereits die ganze Gemeinde ein Anrecht erworben hatte. Wann aber dies erfolgte, ist uns unbekannt 651 ). Durch Böhlaus Hinweis ist also nicht bewiesen, daß die Erben bis zum Ausgang des Mittelalters allein allmendberechtigt waren 652 ). Doch hängt die Beantwortung der Frage, wer in den Landstädten das Bürgerrecht besaß, nicht an diesem Punkt.
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Zwar ist auch Gierke der Anschauung, daß das Bürgerrecht "anfangs gleich dem Dorfgenossenrecht an den Besitz einer städtischen Hufe . . . geknüpft" war, er betont jedoch, daß bald eine andere Betrachtungsweise überwog 653 ). Der Hauptnachdruck fiel schon früh "durchaus auf die persönliche Zugehörigkeit zum Bürgerverband" 654 ). "Die Befugnisse, die das alte Bürgerrecht enthielt, zerlegten sich in die aus der Stellung im Gemeinwesen fließenden politischen Rechte und die auf besonderem Titel beruhenden Individualrechte. Nur die ersteren bildeten jetzt noch die Wesensbestandteile des Bürgerrechts" 655 ).
Hervorgerufen war die Emanzipation der Persönlichkeit vom Grundbesitz durch die Entwicklung der Stadt zu einer eigenen Rechtspersönlichkeit, durch die Ausbildung einer politischen Gemeinheitslehre 656 ). Diese Voraussetzung war aber auch in den mecklenburgischen Landstädten gegeben. Daß hier bereits im Mittelalter die Notwendigkeit einer förmlichen Aufnahme in den Bürgerverband durch den Rat bestand, ist ein deutliches Anzeichen dafür, daß "der Name Bürger nicht mehr bloß eine rechtliche Zugehörigkeit zur Stadtmark, sondern die aktive Mitgliedschaft in einer bürgerlichen Gemeinde" ausdrückte 657 ), daß die Stadtverfassung nicht mehr auf Erben "basierte" 658 ); es kann daher nur gefragt werden, ob Erbenbesitz etwa als persönliche Vorbedingung für den Erwerb jenes politischen Rechtes gefordert wurde.
Einen wie beträchtlichen Teil die nichterbgesessene Bevölkerung ausgemacht haben wird, wurde bereits erwähnt 659 ). Rechtliche Bedenken stehen der Annahme einer Ausdehnung des Bürgerrechts auf sie nicht entgegen 660 ). Die Rechtstellung dieser
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Leute entsprach sicherlich der von L. v. Winterfeld für den Budenbewohner in Lübeck geschilderten 661 ): "Er genoß mindere Rechte als der Besitzer eines vollen Erbes, entwickelte sich jedoch nicht zum Hintersassen oder Muntmannen des dominus aree, da er kraft des freiheitlichen Weichbildrechtes ein freier Bürger blieb."
Würde sich der Kreis der Erbgesessenen mit dem Bürgerverbande decken, so wäre die Verteilung der Rechte und Pflichten in den Landstädten kaum verständlich. Freilich erscheinen die Bürgerpflichten z. B. als Pflichten der Erben 662 ). Aber die Erbgesessenen wurden keineswegs ausschließlich dazu herangezogen. Als die zwei Hauptpflichten des Bürgers haben Schossen und Wachen zu gelten. Die städtische Steuer erfaßte dort, wo wir etwas Näheres über sie wissen, wie bereits ausgeführt 663 ), nicht nur den Grundbesitz sondern auch das gesamte Vermögen. Ebenso erstreckte sich die Landbede auf Erben, Buden und Keller 664 ). Auch die Wachtpflicht ruhte nicht nur auf Häusern. In Parchim war von Speichern ebenfalls Wachtdienst zu leisten 665 ). Zu dem zwecks Entlohnung der Tor= und Nachtwache erhobenen Wachtgeld hatten in Güstrow nach den von 1597 an erhaltenen Registern neben den Häusern die Buden beizutragen 666 ). Ferner waren die Ämter, da sie für Kriegsausrüstung zu sorgen hatten, offenbar ebenfalls wachtpflichtig 667 ). Schließlich läßt sich in manchen Städten wahrscheinlich machen, daß politische Rechte nicht nur den Erbgesessenen zustanden 668 ).
Georg v. Below vertrat die Anschauung, es sei "um 1300 Grundbesitz noch regelmäßig als Bedingung des Bürgerrechtes
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angesehen" 669 ) worden. Die Einzeluntersuchungen sind jedoch häufig zu einem abweichenden Ergebnis gekommen 670 ). Insbesondere ordnete das lübische Recht schon im 13. Jahrhundert ganz allgemein an, "daß, wer mit Weib und Kind in die Stadt kommt, nach Ablauf von 3 Monaten ,unse burschap winnen' muß" 671 ),. nirgends findet sich ein Anhalt, daß dort etwa Grundbesitz als Vorbedingung für die Erlangung der Bürgerqualität gegolten habe 672 ).
Höchst wahrscheinlich wurde nach dieser Bestimmung des lübischen Rechts auch in den mecklenburgischen Landstädten verfahren, vielleicht mit Ausnahme der einen oder anderen Stadt mit mehr dörflichen Rechtsverhältnissen. Nachrichten des 16.Jahrhunderts zufolge war damals z. B. in Schwerin 673 ) und Güstrow 674 ) jeder, der sich dort niederzulassen beabsichtigte, verpflichtet, sich vor dem Rat zu melden, der dann darüber entschied, ob der Bewerber des Bürgerrechts würdig war. In der Privilegienbestätigung der Stadt Crivitz von 1345 Juni 23 wird unter den städtischen Rechten genannt: "Vorbat, nen man to wanende binnen der statt, he en do stades recht" 675 ); in der Privilegienerneuerung von 1568 Febr. 24 wird dies mit den Worten wiedergegeben: "Sie sollen auch niemand bei Ihnen zu
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wohnen zu lassen schuldig sein, er habe denn zuvor das Stadt= oder Bürgerrecht wie gebürlich und üblich gewonnen" 676 ).
Außer der Vorbedingung eines gewissen Alters 677 ) bestand das einzige Rechtserfordernis allem Anschein nach in der Erlegung des Bürgergewinngeldes; wie gleichartig die Verhältnisse der mecklenburgischen Landstädte und der großen Seestädte lübischen Rechts waren, geht daraus hervor, daß das Bürgergeld von 10 ß 4 Pf., welches in Wismar während des 16. Jahrhunderts zu entrichten war 678 ), nach Monnicks Bericht von 1514 auch in dem nahe gelegenen Neubukow erhoben wurde 679 ).
Allerdings hat sich der Rat vermutlich daneben bei der Erteilung des Bürgerrechtes auch im Mittelalter einen gewissen Ermessensspielraum vorbehalten 680 ). Indem er von diesem Recht Gebrauch machte, hat er das Bürgerrecht aber sicher nicht nur den Erbgesessenen gewährt. Seit 1595, seitdem der Beruf der Neubürger angegeben ist, begegnen in der Schweriner Bürgerliste häufig auch Zusätze wie "ein arbeidtsman", "Tageloner", "Schmiedeknecht" u. a. 681 ); in der 1600 beginnenden Güstrower Bürgermatrikel 682 ) treten schon auf den ersten Seiten die Bezeichnungen "arbeitßman", "bawknecht" u. a. entgegen: alles Berufe, die kaum von Erbgesessenen ergriffen wurden.
Vielfach ist Grundbesitz in keiner Form, also auch kein Budenbesitz, verlangt worden. Die Vorschläge der Stadt Röbel von 1512 zur Polizeiordnung enthalten den Satz: "Item de prester myt uns hebben eyn meyne clacien upgelecht, dar denne alle maningheyt, buwknecht, smedeknecht und allgemeyne borger, dat nergen husen edder hauen kan, (Teil nehmen)" 683 ). Nach einem Bericht des Regierungsrats Rudloff vom 15. Juli 1821 ist "in der Hälfte der 38 Landstädte die Frage bejahend zu beantworten, daß verheiratete Handwerksgesellen ohne Rücksicht auf Grundeigentum von der Berechtigung und respektiven Verpflichtung zur Bürgerschaftsgewinnung und respektiven Verpflichtung zur Bürgerschaftsgewinnung nicht ausgeschlossen sind" 684 ).
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Angesichts des Röbeler Zeugnisses besteht kein Grund, hierin eine Erweiterung des Bürgerkreises seit dem Mittelalter zu erblicken 685 ).
Im allgemeinen wird man sagen können, daß auch schon im Mittelalter neben dem Hausbesitz der Betrieb bürgerlicher Nahrung zum Erwerb des Bürgerrechts verpflichtete 686 ).
Aus den Bedingungen des Bürgerrechts ergibt sich gleichzeitig der Personenkreis der bloßen Beisassen. Ausgeschlossen vom Bürgerrecht blieben wohl überall jene Handwerksgesellen, die keinen selbständigen Haushalt begründet hatten, ferner die Lehrlinge und in einigen Städten vielleicht auch die Arbeiter 687 ). Außerdem zählte das Gesinde zu den bloßen Mitbewohnern; eine Schweriner Urkunde von 1307 spricht von den "in dicta civitate commorantes, sive burgenses fuerint sive servientes eisdem" 688 ). Die Einwohner besaßen auch die städtische Verbandsangehörigkeit. Insbesondere genossen sie den Vorzug des städtischen Gerichtsstandes; doch hatten sie hier anscheinend wie die Nichtbürger Bürgen zu stellen 689 ). Politische und wirtschaftliche Rechte innerhalb der Gemeinde gingen ihnen offenbar ab. Wieweit sie zu den städtischen Lasten herangezogen wurden, ist nicht ersichtlich.
Zu den Beisassen zählten auch, "obwohl sie mit den Bürgern weder die städtischen Lasten noch den allgemeinen Gerichtsstand
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vor dem Stadtgericht teilen, die in der Stadt eingesessenen Geistlichen 690 ). Dagegen erwarb der in der Stadt ansässige Adel während dieser Zeit noch die Gemeindemitgliedschaft 691 ).
§ 2.:
Pflichten und Rechte der Bürger.
1. Gerichtliche, militärische, wirtschaftliche Pflichten und Befugnisse.
Die Zugehörigkeit zur Bürgergemeinde legte Pflichten auf und begründete Rechte.
Mit Leib und Gut hatten alle Bürger für das Wohl ihrer Stadt einzutreten 692 ): sie bewachten und befestigten die Stadt und bildeten ihr militärisches Aufgebot; sie zahlten sämtlich die städtische Steuer; zufolge der allgemeinen Rechtshilfepflicht hatten sie im Gericht zu erscheinen, das Urteil zu finden und bei Ergreifung von Missetätern mitzuwirken 693 ); im Winter waren sie zum Aufhauen des Eises im Stadtgraben verpflichtet 694 ).
Unter den an das Bürgerrecht geknüpften Befugnissen ist vor allem das Recht auf Betreibung bürgerlicher Nahrung zu nennen. So verfügte die Güstrower Bürgersprache: "Niemand
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schall Wullen edder Wergk kopen sunder he sey ein Borger" 695 ). Zur Ausübung eines Handwerks trat dann noch die Notwendigkeit hinzu, in einem Amte die Mitgliedschaft zu erwerben. In gerichtlicher Hinsicht nahmen die Bürger dadurch eine bevorzugte Stellung ein, daß sie nur vor dem Stapel ihrer Stadt zur Verantwortung gezogen werden konnten 696 ).
Ein anderes wichtiges Bürgerrecht wirtschaftlicher Natur bestand in der Nutzung der städtischen Allmende, welche die Städte bei der Gründung empfingen und im Laufe der Zeit meist noch vergrößerten. So wird 1293 dem Pfarrer zu Plau als Entschädigung für die Einbuße, die die Pfarre durch Legung zweier Dörfer seitens der Stadt erlitt, von ihr gewährt: eine Wurt, ein Garten "et participationem in pratis ac pascuis et in sua portione legittima, cum ligna vel pascua fuerint dividenda" 697 ). Bei Güstrow finden sich in den Kämmereiregistern von 1522/23 Eintragungen über das "deyllholth" 698 ). Auch eine von der Gemeinde genutzte Wiese, die sog. Freiheit, hat es in Güstrow gegeben 699 ). In ihrer Werbung wechselten die Stadtviertel ab 700 ). In einzelnen Städten scheint die Bürgerschaft auch ein Fischereirecht auf den städtischen Gewässern geübt zu haben 701 ). Ihren Bedarf an Torf bezogen die Bürger aus dem städtischen Torfmoor 702 ). Schließlich befanden sich bei allen Städten mehrere Viehweiden: eine Pferde= und Ochsenweide, eine Schweine= und eine Kuh=
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hude 703 ). Ebenso wie die Holzbelieferung aus dem Stadtforst ist die Benutzung der Stadtweide z. T. bis in die Gegenwart von Bestand geblieben.
Ein Teil dieser Nutzungsrechte war lange unentgeltlich oder sogar uneingeschränkt 704 ); bei der Holzlieferung, Schweinemast, Heuwerbung wurden jedoch, soweit die Nachrichten zurückgehen, nur bestimmte Anteile gewährt 705 ), auch erhob man z. T. eine gewisse Gebühr 706 ).
Die Idee einer durch Rechte und Pflichten vereinten Bürgergemeinde schloß aber gewisse Bevorrechtungen einzelner Gruppen nicht aus, doch wahrte man auch hier im wesentlichen den Grundsatz der Einheit von Pflicht und Recht. 1513 bittet der Malchiner Rat den Landesherrn, er möge das Brauwerk in der alten Form bestätigen, daß "de ienne, (welcher) in erer gnaden stadt eyn bruwer wolde sin, eren gnaden ock tom besten eyn reysich perth dagelikes, wo oltlikes wonlich gewesen, helde unde stande hadde" 707 ). Die Erbgesessenen waren bei der Allmendnutzung bevorzugt 708 ); daß sie aber noch bis zum Ausgang des MA.s allein berechtigt waren, ist nicht als Regel anzunehmen 709 ).
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Dieser Abschnitt lehrt demnach einen weit unmittelbareren Anteil der Bürger an der Stadt, als er heute besteht und bestehen kann. Er vermag insofern gleichzeitig die Untersuchung der Beteiligung der Bürger an Gemeindegesetzgebung und =verwaltung einzuleiten.
2. Der Anteil der Bürgerschaft und ihrer Gliederungen an der Stadtregierung.
Die Behandlung der politischen Stellung der Bürger hat es nicht nur zu tun mit den Beziehungen zwischen Rat und Gemeinde als dem Vertrauens= oder Spannungsverhältnis von Stadtorgan und Bürgergesamtheit, d. h. sie geht nicht allein von der Frage aus: Welchen Anteil besaß die Gemeinde neben dem Rat an der städtischen Selbstverwaltung? Man muß sich vielmehr im MA. außerdem fragen: Zerfällt etwa die Bürgerschaft selber in Regierende und Regierte, haben sämtliche Schichten der Bürgerschaft Anteil am Rat, oder ist in ihm lediglich eine städtische Oberschicht mit Ausschluß der übrigen Bürger vertreten? Ergibt sich doch für die bürgerliche Selbstverwaltung in letzterem Fall ein völlig abweichendes Bild, als wenn etwa, zumal solange das Ratsamt noch nicht lebenslänglich war, fast sämtliche Bürger mit der Zeit in den Rat eintreten konnten. Auch hat der in dieser Hinsicht bestehende Zustand wieder bedeutende Rückwirkungen auf das Verhältnis von Rat und Bürgerschaft geübt. Und schließlich gewährt das hier erzielte Ergebnis gleichzeitig Einblick in die politische Organisation der Bürgerschaft.
Daher verlangt auch diese zweite Frage nach den Voraussetzungen der Ratsfähigkeit, nach der ständischen Gliederung der Bürgerschaft zunächst eine Antwort.
a) Die soziale Zusammensetzung des Rats.
Wir werden bei der politischen Bedeutung der Zünfte noch darauf zurückkommen 710 ), daß man sich auf keinen Fall sämtliche Landstädte im 14. und 15. Jahrhundert als reine Ackerbürgerstädte, als Dörfer mit städtischer Verfassung vorstellen darf. Hier wollen wir uns jedoch darauf beschränken, den Nachweis zu führen, daß eine Reihe von mecklenburgischen Landstädten Handel trieb und eine kaufmännische Oberschicht besaß.
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Schon die Zollfreiheiten, wie sie vielen von ihnen erteilt wurden 711 ), beweisen, daß auch die Landstädte auf Handel ausgingen 712 ). Seewärtige Verbindungen der Stadt Waren z. B. lassen sich aus der Tatsache entnehmen, daß die Seestädte 1368 die Stadt, um von ihr in einer Angelegenheit Genugtuung zu erlangen, mit einer Handelssperre bedrohten 713 ). Zweifellos bestanden in der Bedeutung des Handels wesentliche Unterschiede. Aber selbst in einer Kleinstadt wie Neubukow wird 1437 das "Kophus", die städtische Verkaufshalle, genannt 714 ).
Unter den Exportgütern der Landstädte steht an wichtiger Stelle das Bier. In den Urkunden wird das Gadebuscher 715 ) und Parchimer 716 ) Bier als Handelsgegenstand erwähnt. Das Hauptabsatzgebiet stellte wahrscheinlich die städtische Umgebung der Stadt dar. So erklärt die Stadt Güstrow 1513, daß "de kroger, vor Gusztrow umme her bolegen, weren gewanth, alle ber, zo de plegen uth toschenken, uth Gusztrow to halen" 717 ). Daneben trat vermutlich schon im Mittelalter der Export über See 718 ). Nach einer Notiz im Parchimer Stadtbuch aus dem
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Jahre 1476 fuhren die Parchimer den wohl meist selbst gebauten 719 ) Hopfen nach Lübeck, Stralsund und anderen Städten 720 ). Ferner diente die Stadt als Getreideausfuhrplatz 721 ).
Parchim muß auch für den Zwischenhandel eine bedeutsame Rolle gespielt haben. Bürger und Gäste, darunter besonders Perleberger, brachten den Hering über Parchim nach der Mark 722 ). Den Heringshandel ins Inland haben noch andere Städte betrieben. So verkehrten im 14. Jahrhundert Bürger von Grevesmühlen und Ribnitz auf Schonen 723 ), offenbar nicht als Fischer, sondern als Händler 724 ).
Der Einfuhrhandel hatte seinen Mittelpunkt im städtischen Markt. Butter, Speck und Salz wurden auf dem Malchiner Markt von den Haken verkauft 725 ). Die in dem Einkommenregister der Stadt Parchim (nach 1370) aufgeführten Marktabgaben deuten auf ein nicht geringes Marktleben. Bei Güstrow läßt sich ebenfalls aus den Städtegeldeinkünften ein verhältnismäßig reicher Marktverkehr erschließen. Man muß bedenken, daß der Markt nicht nur die Einwohnerschaft der betr. Stadt versorgte, sondern der Händler dort auch Zusammenhang mit der ländlichen Umgebung erhielt. Aus der Parchimer Zollrolle erfahren wir z. B. vom Pferdehandel auf dem dortigen Markt 726 ). In der Bestätigungsurkunde über die Rechte und Forderungen von Stadt und Land Malchin vom 10.2.1357 findet sich der aufschlußreiche Satz: "Vortmer wylle wy, dat me
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yn al unsen landen yn den dorpen nyn want scal snyden by elen, noch stal oder yseren vorkopen, noch nynerleyge gud, dat me by der wycht plecht tu vorkopende" 727 ). Der Handel mit diesen Gutem blieb offenbar den Bürgern vorbehalten und auf den städtischen Markt beschränkt.
Schmoller erblickt einen besonders wichtigen Umstand der volkswirtschaftlichen Veränderung, die das deutsche Volk im 13. und 14. Jahrhundert erlebte, darin, daß "an die Stelle der früher vor allem geschätztenn Leinwand, wenigstens bei den höheren Ständen, durchaus die Wollstoffe als Hauptbekleidungsstoff traten" 728 ). Auch in den mecklenburgischen Landstädten muß im MA. der Tuchhandel geblüht haben. Zahlreiche Städte beherbergten Wollweberämter 729 ), deren Mitgliederzahl meist die aller übrigen Zünfte übertraf 730 ). Die Tuche dieses bodenständigen Gewerbes fanden ihren Absatz wohl vor allem im Lande selber 731 ). Die feineren Tuche wurde jedoch nicht in den Landstädten hergestellt, sondern von den Kaufleuten eingeführt. Anfang des 16. Jahrhunderts trug man dort u. a. Tuche aus Hardewik unnd aus dem Haag 732 ). In Ratskreisen erfreute sich damals "Leydesch gewandt" besonderer Beliebtheit 733 ).
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Zwar war keine mecklenburgische Landstadt in ihrem Handel oder in politischer Hinsicht bedeutend und selbständig genug, um Aufnahme in den Hansischen Bund zu finden 734 ), eine Reihe von ihnen besaß jedoch eine kaufmännische Oberschicht. Den Beweis liefern die in zahlreichen Städten bestehenden Kaufleute= oder Gewandschneidergilden. Die älteste Nachricht stellt die Erwähnung der Güstrower Kaufleutegilde in einer Urkunde vom 1. 2. 1338 dar 735 ). In Parchim werden Gewandschneider in dem Hebungsverzeichnis der Stadt (nach 1370) genannt 736 ). Die Malchiner Kaufleutegilde tritt uns 1463 in einem Privileg des Rats entgegen, mit Hilfe dessen er die alten Gerechtigkeiten und Gewohnheiten der Kaufleute wiederaufzurichten suchte 737 ). Von den Gilden anderer Städte hören wir während des MA.s nichts. Erst an dessen Ausgang steht als wertvolle Quelle der Bericht Monnicks. Damals, im Jahre 1514, bestand in 15 der 33 durch diese Aufzeichnung erfaßten Landstädte eine "Koeplude=" oder eine "Wantsnidergilde": eine Kaufleutegilde in Laage, Neukalen, Malchin, Waren, Röbel, Krakow, Sternberg, Crivitz 738 ), eine Wandschneidergilde in Schwerin, Gnoien, Teterow, Neubrandenburg, Friedland, Wesenberg, Güstrow 739 ).
Die Genossenschaft der Handwerker hieß in unseren Städten in der Regel opus, officium oder Amt 740 ). Daneben kommt die Bezeichnung werk 741 ), selten auch inninge 742 ) und kumpenschop 743 ) vor. Nur ausnahmsweise wird ein Handwerk als Gilde bezeichnet 744 ). Die Kaufleute und Gewandschneider unterscheiden
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sich demnach schon in der Benennung ihrer ,,zamelinghe" 745 ) von den Handwerkern. Sie wurden nicht zu den Ämtern gerechnet. Daher stehen sie auch in Monnicks Berichten nicht unter diesen, daher zählen die Parchimer Wandschneider in der Notiz v. "nach 1370" nicht zu den am Ort vorhandenen officia 746 ).
Als Gilden bezeichnete man im allgemeinen alle Zusammenschlüsse, denen nicht der Charakter eines Amtes zukam. Man sprach deshalb von Schützengilden 747 ) und von Gilden auch bei den zahlreichen Vereinigungen mit religiösen und geselligen Zwecken 748 ). Auch die Handwerker bildeten häufig eigene Gilden oder Brüderschaften, die meist einmal im Jahr ein großes Gildefest veranstalteten 749 ); ihre Gilden fielen aber keineswegs immer mit dem Handwerksamt zusammen 750 ), die Bezeichnung wurde also sicher nicht für die Zunft ,als Gewerbsgenossenschaft gebraucht.
Von diesen Gilden wichen die der Kaufleute und Wandschneider ab. Gewiß pflegten sie wie jene die Geselligkeit - die Statuten der Malchiner Kaufleute enthalten z. B. ins einzelne gehende Bestimmungen über die Veranstaltung von Trinkgelagen 751 ) -, auch hatten sie ebenfalls religiöse Zwecke - besaß doch u. a. die Malchiner Kaufleutegilde ihren eigenen Altar, an dem zweimal wöchentlich Messe gehalten wurde 752 ) - aber das Wesen der Kaufleutegilden machte zweifellos ihre Bedeutung als Interessentengenossenschaften aus 753 ).
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Welche soziale Stellung nahmen nun diese Verbände ein? Umfaßten sie den gesamten Händlerstand? Man unterschied im Mittelalter zunächst Groß= und Kleinhandel. Am Einzelhandel wiederum waren drei verschiedene Händlergruppen beteiligt, die Kaufleute, die Krämer und die Haken 754 ). Die Krämer und Haken standen während des gesamten MA.s an gesellschaftlicher Achtung durchaus hinter den eigentlichen Kaufleuten zurück. Im Gegensatz zu ihnen wurden jene unter die Ämter gerechnet 755 ).
Georg v. Below hat darauf hingewiesen, daß die Vereinigung der Gewandschneider oft als Kaufmannsgilde schlechthin bezeichnet wird 756 ). Ebenso stand auch bei einigen Kaufleutegilden der mecklenburgischen Städte der Gewandschnitt nachweisbar im Mittelpunkt. Die Statuten der Malchiner kopludeghilde von 1463 enthalten an auf den Handel bezüglichen Bestimmungen nur eine genaue Regelung des Tuchausschnitts. Eine Aufzeichnung des Güstrower Kaufleutegildebuchs von 1463 berichtet, "dat de Brodere des Koplude ghildes endrachtyghen ghezettet . . . hebben, dat eynes jewelykes Broders husfrowe schal unnd mach na des Mannes dode Bruken des wantsnedes Jar unnd dach" 757 ). Und von Monnick wird die Gilde als Wantsnidergilde angeführt 758 ). Doch anzunehmen, daß die Mitglieder der Kaufleutegilden nichts als den Tuchhandel betrieben, wäre unberechtigt. In Malchin hatten sie die Stellung von Groß= oder wenigstens Zwischenhändlern inne, da sie die Haken als Kleinhändler belieferten 759 ). Auch verschmähten sie dort nicht, auf den Jahr= und Wochenmärkten am Einzelverkauf von Lebensmitteln teilzunehmen 760 ).
Daß die Kaufleute= und Gewandschneidergilden in den Landstädten eine gehobene Stellung unter den städtischen Händlern ein=
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nahmen, geht aus Monnicks Bericht ebenfalls hervor. Allerdings waren die Verhältnisse nicht überall gleichgeartet. Man macht die Beobachtung, daß gerade in den kleinen Städten die Gilden eine besonders große Mitgliederzahl aufweisen 761 ) und daß hier die Eintrittsgebühren unverhältnismäßig geringer sind 762 ). Wahrscheinlich hatte in den kleinen Städten die wirtschaftliche Entwicklung dahin geführt, daß auch die Krämer und Haken an der Gilde teilnahmen 763 ). In den größten Städten waren dagegen diese Kleinhändler in eigenen Verbänden organisiert 764 ), so daß wir bei einer Anzahl von Städten von dem Bestehen einer händlerischen Oberschicht zu reden das Recht haben.
Wahrscheinlich hat nun in den meisten dieser Städte die kaufmännische Oberschicht in den engsten Beziehungen zum Rat gestanden. Der Rat hat sich dort wesentlich aus Kaufleuten zusammengesetzt.
Am besten läßt sich dies bei Güstrow verfolgen. Schon die Urkunde vom 1. Februar 1338, in der uns die Güstrower Kaufmannsgilde zum erstenmal entgegentritt 765 ), nötigt uns, einen engen Zusammenhang zwischen Gilde und Rat anzunehmen. Die vier mit Namen aufgeführten Vorsteher der Gilde sind sämtlich als Mitglieder des Güstrower Rats nachweisbar 766 ). Bemerkenswert ist auch der Inhalt der Urkunde. Der Rat dotiert auf Wunsch des Ratmanns Dietrich Distelow und der Kaufleutegilde zwei von ihnen früher gestiftete Vikareien mit der ansehnlichen
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hebung von 40 mr. Dem Rat soll für immer das Patronatsrecht über die beiden Vikareien zustehen. Im 15. Jahrhundert finden wir dann die uns aus dieser Zeit bekannten Ratsherren unter den Mitgliedern der Kaufleutegilde wieder 767 ). Und 1514 hat Monnick über Güstrow aufgezeichnete "Wantsnider gilde . . . den heldet die rat" 768 ). Zwar konnten auch - nachweisbar seit dem Ende des 15. Jahrhunderts 769 ) - Personen, die nicht der Gilde angehörten, in den Rat gewählt werden, doch waren sie als Ratsherren verpflichtet, deren Mitgliedschaft zu erlangen 770 ).
Ebenso gehörte in Malchin nach dem Privileg der Kaufleutegilde von 1463 771 ) der gesamte Rat ihr an. Der Rat nennt darin die Gilde "unse Erlike zammelinghe unde ghilde der koplude", er hat die Statuten "na Rade unser wijsesten und mit endracht unde willen der Brodere alle amme vorscreuen ghilde der koplude" gemacht und will sie gehalten haben "van unses Ghildes Broderen unde Zusteren unde von allen unsen nakomelinghen". Eine Rente von 5 mr für wöchentlich zwei Messen sollte "to ewygen tiiden by unses ghildes Altare Jn unseme Radstole" bleiben. Von den drei Gildemeistern sollte immer "En
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ut unseme rade" sein. Den an anderer Stelle angeführten 772 ) Bestimmungen des Privilegs von 1357 für Stadt und Land Malchin kann man bereits für jene Zeit eine enge Verbindung von Rat und Kaufmannschaft entnehmen. Desgleichen sind gewisse Anordnungen des Rats in der Rolle des Hakenamts von 1500 vielleicht z. T. aus einem solchen Zusammenhang zu erklären 773 ).
Bei anderen Städten stehen uns nur die Berichte Monnicks zur Verfügung. Doch läßt sich auch aus ihnen in einzelnen Fällen eine enge Beziehung zwischen Rat und Gilde erkennen. So heißt es dort über die Schweriner Gewandschneider: "Wenn eyner dusse gilde gewynt, so gifft he . . . 2 mark, die kamen tho denn lichten, die vor deme radstole staen" 774 ). in Crivitz gehörte einer der beiden Vorsteher der Kaufleutegilde dem Rat an, auch legten sie vor ihm Rechenschaft ab 775 ). In Waren hielten Kaufleute und Rat wahrscheinlich noch eng zusammen. Man kann dies vor allem daraus schließen, daß sich jene Gilde nicht unter den neuen Ämtern befindet, die dem Rat im Stadtregiment beigeordnet waren 776 );. ferner mußten die Vorsteher der Gilde "deme rade reckenschop doenn" 777 ).
Diese Stellung der Wandschneider als mächtige mit dem Rat verbundene Oberschicht war in ihrem wirtschaftlichen Fundament allerdings durch die aufblühenden Weberzünfte und daneben auch durch auswärtige Konkurrenz stark gefährdet 778 ). In Neubrandenburg wurde schon 1333 fremden Händlern in der Stadt und auf der Feldmark der Wantschnitt verboten 779 ). In Malchin waren zwar nach dem Privileg von 1463 noch fremde Wandschneider auf dem Jahrmarkt (der Kirchmesse) zugelassen, doch wünschte der Malchiner Rat 1513 eine landesherrliche Anordnung, daß die Wollweber ihre Laken "nynen buten kopluden sunder den bynnen borgeren" verkaufen sollten 780 ).
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Der Hauptgegensatz scheint jedoch der innere gewesen zu sein. Um den Tuchhandel trotz der heimischen Tuchproduktion nicht zu verlieren, suchten die Wandschneider auch für die Produkte der ortssässigen Wollweber das Ausschnittmonopol zu erlangen. Z. T. ist ihnen dies gelungen. Die Gewandschneider Neubrandenburgs erhielten 1333 vom Rat ein Privileg, "das ihren völligen Sieg über die Tuchmacher bedeutete", da ihnen allein der Tuchausschnitt vorbehalten war 781 ). Eine ähnliche Beschränkung mußten sich die Wollweber in Malchin gefallen lassen 782 ). Den Malchiner Verhältnissen entsprachen die von Gnoien; Monnicks Aufzeichnung von 1514 enthält über die dortigen Wollweber den Satz: "Vorkopen ehre gewannt an 1/2 ader helenn laken" 783 ). Freier war jedoch zu jener Zeit schon die Stellung der Tuchmacher in Friedland 784 ).
Diese Regelungen sind sicher nicht ohne innere Konflikte erfolgt. Bei Malchin können wir auf einen solchen Gegensatz aus den einleitenden Worten des Privilegs von 1463 schließen 785 ).
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Rörig hat für das 13. und 14. Jahrhundert darauf hingewiesen 786 ), "wie wenig scharf damals die Grenzen zwischen bürgerlicher Oberschicht und ritterlichem Adel" besonders im kolonialen Osten waren; "Ehen zwischen Rittern und Töchtern der bürgerlichen Oberschicht, Eintritt von Gliedern der angesehenen Bürgerfamilien in den Deutschen Orden, der starke Anteil bürgerlicher Familien an der Besetzung von Bischofsstühlen und Domkapitelstellen 787 ) . . ., häufiger Personenwechsel zwischen beiden, Landadel und Patriziat, Lehnsfähigkeit und Eintritt in Hofämter - das alles sind deutliche Anzeichen" dafür.
Ansätze einer solcher Stellung der bürgerlichen Oberschicht lassen sich auch bei einzelnen meckl. Landstädten belegen.
So haben Mitglieder der landstädtischen Ratskollegien die passive Lehnsfähigkeit besessen 788 ). Im Jahre 1288 verkauft Fürst Nikolaus von Werle dem Parchimer Bürger und Ratsherrn Wolder Grote für 50 mr das Eigentum und die Vasallengerichtsbarkeit von 4 Hufen zu Schalentin 789 ). 1337 lassen die von Mallin dem "sincero viro Parvo Rudolfo, cive in Parchem" vor dem Fürsten Johann von Werle alles auf, "quod de bonis pheodalibus et redditibus habuimus in villa Boken" 790 ). Im gleichen Jahr verlieh Albrecht Fürst von Mecklenburg dem Sternberger Bürger Nikolaus Wamekow seine Güter in Pastin "iusto titulo phoedali," 791 ), und 1338 belehnte er einen anderen Bürger der Stadt mit zwei von Nikolaus Wamekow
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verkauften Hufen 792 ). 1290 Dez. 5 übertrug Heinrich von Werle dem Güstrower Bürger Heinrich v. Stolp die Hälfte des Dorfes Dalkendorp "sibis et suis heredibus possidendam ad omne ius, ad quod vasalli nostri tenent a nobis bona sua" 793 ). Die Schwierigkeiten, die bei den Bürgern einer Abgeltung der mit dem Lehen verbundenen Dienste entgegenstanden, wurden dadurch behoben, daß sie in Geld oder Naturalien abgelöst werden konnten 794 ). Gegen Zahlung von 35 mr befreite der Landesherr Heinrich v. Stolp für sein Lehngut Dalkendorp vom Roßdienst und bestimmte, "quod de dictis bonis non erit nobis in servicio aliquo obligatus" 795 ). Ebenso war Barthold Swartepape in Plau für alle seine Güter vom Roßdienst und von allen anderen Diensten befreit 796 ). Daneben kommt es vor, daß Bürger den Lehnsbesitz von Rittern erwarben, diese sich aber verpflichteten, auf Anfordern des Landesherrn auch fernerhin den Roßdienst zu leisten 797 ).
Weiter treffen wir Vertreter der landstädtischen Ratsfamilien unter den höheren fürstlichen Beamten, wenn jene Ämter auch in der Hauptsache von Mitgliedern des landsässigen Adels bekleidet wurden. Der Güstrower Ratsherr Walter v. Tarnow wird uns als Landvogt genannt 798 ), ein anderer Güstrower Ratsherr, Hermann Distelow, hatte die Stellung eines Beamten und Vogts der Herren von Werle 799 ), Berthold Swartepape
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d. Ä. war 1332-1335 fürstlicher Vogt zu Plau 800 ), Nikolaus Wamekow in Sternberg begegnet als Hofgerichtsbeisitzer 801 ).
Schließlich ist noch auf die unmittelbaren Zusammenhänge zwischen Rat und Adel einzugehen. H. Ernst entwickelte seinerzeit die Anschauung 802 ), daß während des 13. und 14. Jahrhunderts der Verkehr zwischen den ritterlichen und den vornehmen städtischen Familien in Mecklenburg "in jeder Beziehung ungehindert" gewesen sei. Zutreffend ist jedenfalls, daß Verbindungen zwischen ihnen bestanden.
Verschwägerungen zwischen landsässigem Adel und Ratsfamilien kommen auch in unseren Landstädten vor. 1364 bezeichnen die Knappen Heinrich v. Grabow und sein Sohn Nikolaus den Parchimer Bürger Johann Snydewind als "unsen leuen suagere" 803 ). Ebenso nennen Johann und Nikolaus Pritzebur 1392 den Warener Ratmann Hinrik Repest ihren Schwager 804 ). Hermann Rike, Ratsherr in Grevesmühlen, heißt Oheim des Bernhard v. Plessen 805 ). Der Plauer Ratsherr Heinrich Brockmann und Berthold Swartepape d. Ä. ehelichten Frauen aus rittermäßigen Geschlechtern 806 ). Beweiskräftiger für die Ebenbürtigkeit von Ratsfamilien ist die Heirat von Rittern mit Patriziertöchtern. Der Knappe Iwan Samekow ging die Ehe ein mit der Tochter von Berthold Swartepape d. J. 807 ). Die Tochter des Sternberger Ratmanns Nikolaus Speth, als dessen Oheim übrigens Heinrich v. Bülow auf Kritzow genannt wird, war vermählt mit Kurt v. Bützow 808 ).
Dazu lebte eine Anzahl von Familien "nach beiden Rechten" 809 ), d. h. einesteils stellten sie in den Landstädten Bürger und Ratsherren, andererseits standen Familienangehörige als Ritter und Knappen im Vasallenverhältnis zum Landesherrn. Es seien hier nur die Familien Distelow, v. Demen, v. Haselow, Schütz in Güstrow, die Familie v. Schönberg in Parchim, v. Hagen und v. Kardorff in Schwerin angeführt 810 ). Dort wo eine ge=
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hobene Bürgerschicht die Stadt regierte, hat der Adel noch im 15. und 16. Jahrhundert häufig Ratssitze eingenommenen 811 ).
Es ist eine verbreitete Erscheinung in den meckl. Landstädten, daß einige der Ratsherren die Namen der Patriziergeschlechter der großen benachbarten Städte, insbesondere Lübecks und Rostocks, tragen. So begegnen im Gadebuscher Rat die Klingenberg 812 ), im Grabower Rat die Volke und v. Wickede 813 ), so saßen im Plauer Rat Joh. Witte, Joh. vom Berge, Joh. Rike und Heinrich von der Mölen 814 ). Diese Personen besetzten in erster Linie das Bürgermeisteramt.
Nur bei wenigen meckl. Städten reden die Quellen von Geschlechtern, die den Rat besetzten. So findet sich Anfang des
15. Jahrhunderts in Rostock die Bezeichnung "beslechtete" 815 ); auch in den Verordnungen des Rostocker Magistrats Ende des 16. Jahrhunderts treten uns die "Geschlechter" entgegen 816 ). Der Neubrandenburger traf in einer Willkür vom 14. Januar 1681 die Bestimmung, daß, wenn Stellen im Rat zu besetzen seien, die Bürgermeister die doppelte "Zahl der ermangelnden und zwar, wenn drei zu erwählen, vier personen ex primo oder bisher genannten patriciorum ordine und zwei aus den Altermännern" ernennen sollten 817 ).
Einen solchen Hinweis auf ein Patriziat habe ich unter den Landstädten M.=Schwerins nur in Güstrow angetroffen. In der im Jahre 1600 angelegten Bürgermatrikel sind mehrfach Personen durch den Titel "patritius" vor den "cives" hervor=
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gehoben 818 ). Die "discreti" in Teterow und die "wisesten" in Parchim und Malchin brauchen dagegen nicht als Patriziat gedeutet zu werden 819 ). Wenn Lisch auf das Bestehen eines Patriziats (während des 14. Jahrhunderts) in Malchow 820 ) und Sternberg 821 ) hinwies, so stützte er sich auf das Vorkommen sozial hervorragender Personen im Rat. Die beste Quelle für die Feststellung einer patrizischen Oberschicht ist jedoch die Berufszugehörigkeit der Ratsherren, die ja auch deren wirtschaftliche Grundlage abgibt.
Die nachgewiesene Verbindung zwischen dem Rat und der Kaufmannschaft, insbesondere den Wandschneidern, widerstreitet nicht dem Bestehen eines Patriziats. Im Gegenteil, die Stellung der Gewandschneider war "eine einzigartige. In vielen Städten, namentlich in Norddeutschland, spielen sie überhaupt die erste Rolle und bilden eine Gruppe für sich gegenüber den anderen Gliederungen der Bürgerschaft" 822 ). Der Gewandschnitt galt durchaus als ein dem Patrizier angemessener Beruf. Die großen Handelsplätze Frankfurt, Köln und Lübeck entwickelten allerdings einen patrizischen Großhändler= und schließlich Rentnerstand, der die Gewandschneider aus dem Rat verdrängte 823 ). Dagegen haben diese in weniger bedeutenden norddeutschen Städten, in denen der Gewandschnitt die hauptsächliche Quelle des Reichtums war, eine überragende Stellung im Rat eingenommen; das Patriziat setzte sich hier fast ausschließlich aus ihnen zusammen. Otto Hintze bemerkt über die märkischen Städte: "Die städtischen Ämter sind zunächst im ausschließlichen Besitz der oberen Klassen der Bürgerschaft, eines Patriziats, das aus der Verschmelzung von Ministerialen und grundbesitzenden Kaufleuten sich gebildet hatte und das man wohl als Geschlech=
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ter zu bezeichnen pflegte. Die vornehmste wirtschaftlich=soziale Korporation, die eben diese Bevölkerungskreise umschließt, war in vielen märkischen Städten die Gewandschneidergilde, die Korporation der Tuchhändler" 824 ). Erinnern wir uns nun unserer Beobachtungen über das Auftreten von Adligen im Rat und seinen Zusammenhang mit der Kaufleute= bzw. Wantschneidergilde in manchen mecklenburgischen Städten, so erkennen wir die Ähnlichkeit der Verhältnisse.
Es ist klar, daß der Kreis der ratssässigen Familien sich veränderte, da die Zugehörigkeit zu ihm von der Behauptung der geschäftlichen Position abhängig war. Aber darum haben die Ratsherren trotzdem die Tendenz zur Abschließung nicht aufgegeben. So zeigte sich zunächst ein Gegensatz zu den Handwerkern. Die Güstrower Kaufleutegilde faßte 1436 den Beschluß: "Weret dat der brodere welk in een ander ammet ghinge unde annamede wan de wantsnede, de scal de broderscop vorbraken hebben" 825 ). Man nahm wahrscheinlich mit wenigen Ausnahmen lediglich Mitglieder der Kaufleutegilde in den Rat. Die Gilden aber beanspruchten z. T. sogar ein Handelsmonopol oder erschwerten wenigstens die Aufnahme 826 ). Überhaupt läßt sich die Besetzung des Rats in Güstrow seit dem 13. Jahrhundert durch solche sozial und ständisch hervorragende Oberschicht nachweisen 827 ). Übrigens mag der Handel auch für die Patrizier in Malchow und Sternberg eine wichtige Rolle gespielt haben. In Sternberg ist 1514 eine Kaufmannsgilde nachweisbar. Für 2 Mitglieder der Patrizierfamilie Düsterwolt in Malchow haben wir aus dem Jahre 1320 ein Zeugnis, daß sie Tuchhandel betrieben 828 ). In diesen beiden
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wie in anderen Städten mit einer Herrschaft der Kaufleutegilde im Rat haben die Ratsfamilien jedoch infolge ungünstigerer wirtschaftlicher Bedingungen eine geringere Beständigkeit besessen 829 ).
Ein eindeutiges Indizium dafür, daß ein Patriziat den Städten sonst fehlt, ist das Vorkommen von Handwerkernamen in Ratslisten. Wenn im Bützower Rat 1362 ein Nic. Smyt und Joh. Snyder saßen 830 ), wenn sich unter elf Wittenburger Ratsherren des Jahres 1358 die Namen Willeke Gropenghetere, Gerd Scroder, Ludwig Vischer, Claus Bekker und Ludeke Werkmester finden 831 ), wenn von den sechs Grabower Konsuln der Urkunde von 1339 drei Handwerkernamen tragen 832 ), ohne daß diese Personen den anderen Ratsherren im Rang nachgestellt sind, so läßt sich, selbst falls die Mehrzahl dieser Namen bereits zu Familiennamen erstarrt sein sollte und nicht mehr den Beruf des Trägers kennzeichnet 833 ), auf diesen Tatbestand doch der Satz stützen, daß in den betreffenden Städten von der Herrschaft eines wirklichen Patriziats um jene Zeit nicht die Rede sein kann. Mitte des 15. Jahrhunderts scheint der Grabower Rat sich in der Hauptsache aus Handwerkern zusammengesetzt zu haben. Er bezeichnet nämlich 1459 und 1466 von ihm zeugnishalber herangezogene Bürger als "borghere myt uns in werke unde ghylde beseten" 834 ). Den Städten mit einem Patriziat stehen also solche Orte gegenüber, die eine für die Ratsbesetzung entscheidende ständische Gliederung nicht kannten 835 ). Zwar sind hier ebenfalls einige Namen mehrfach im Rat vertreten, aber dies war nur eine natürliche Folge des Selbstergänzungsrechtes;
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grundsätzlich war in ihnen der hausgesessene Handwerker offenbar ebenso berechtigt wie jeder andere Hauseigentümer in der Bürgerschaft 836 ). Daß die Teilnahme der Handwerker am Rat in diesen Städten erst das Resultat einer Periode von Zunftkämpfen gewesen sei, möchte ich nicht als Regel annehmen. Oft ist von vornherein die wirtschaftliche Basis für ein Patriziat zu schmal gewesen, so daß "Bauleute" und Handwerker unter die Ratsherren aufgenommen wurden 837 ).
Hierbei taucht die Frage auf, ob nicht die Herrschaft einer städtischen Oberschicht sich bis auf die Gründungsvorgänge zurückführen läßt. Wenn wir uns jetzt ihr zuwenden, so soll jedoch nicht mehr als eine in diesem Zusammenhang angebrachte kleine Ergänzung der siedlungsgeschichtlichen Arbeit von Hoffmann geboten werden.
Anzuknüpfen ist an die Forschungen von Fritz Rörig und Karl Frölich. "Eine gildemäßig zusammengeschlossene oder sich zusammenschließende Fernhändlerschicht", so faßte Rörig jüngst seine umfassenden Untersuchungen über Lübeck zusammen 838 ), "bildete die erste bürgerliche Oberschicht der neu zu gründenden Stadt; ihr Vorstand aber übernimmt das Risiko der eigentlichen Stadtgründung; er fungiert als Konsortium der Gründungsunternehmer". Aus dem Unternehmerpatriziat setzte sich also das Kommunalorgan zusammen, mit ihm standen die Kreise, die später den Rat besetzten, in geschichtlicher Verbindung 839 ). Und nach Frölich liegen die Wurzeln des Patriziats häufig in Abmachungen, die bei der Marktgründung getroffen werden. Ins=
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besondere rechnet er mit der Möglichkeit, daß die Vorrechte der Kaufleute in späterer Zeit sich als Entschädigung für ihre Mitwirkung bei der Anlage des neuen Gemeinwesens darstellen 840 ).
Eine Reihe der aus frischer Wurzel gegründeten meckl. Städte scheint unter Zuhilfenahme einzelner Lokatoren vor sich gegangen zu sein. Das Beweismaterial reicht freilich nicht immer aus. So ist Hoffmanns Vermutung, Kröpelin sei durch Rostocker Lokatoren angelegt 841 ), nicht aufrecht zu erhalten 842 ).
Anders hat in Parchim offenbar eine Gruppe von Unternehmern den Anbau der Stadt übernommen. Es ist nämlich auffällig, daß im Parchimer Stiftungsbrief von 1225/26 jenen Personen, denen Friedeschilling und die Einkunft aus dem Innungsrecht "ad emendacionem et structuram civitatis" verliehen werden, als cultores bezeichnet werden 843 ). Die Ratsvorgänger des Rats waren also an der Stadtgründung aktiv beteiligt. Freilich kann ich Hoffmann nicht ganz zustimmen, wenn er in den cultores "die eigentlichen Unternehmer der Stadtgründung" sieht, Denn der Landesherr sagt von sich: "Colonos . . tam de longinouis quam de vicinis partibus invitantes . . civitatem construximus."
Hoffmanns Ansicht nach ist ferner Güstrow durch ein Unternehmerkonsortium ins Leben gerufen, das sich dann mit der Stadtobrigkeit identifizierte 844 ). Daß die Mitglieder des Rats wirklich "Lokatoren" 845 ) waren, schließt Hoffmann daraus, daß
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ihnen insgesamt die gleiche "Lokatorenentschädigung" zugesprochen sei wie den "cultores" in Parchim, den Vorläufern des dortigen Rats. Solche Entschädigung erblickt Hoffmann in bes. weitgehenden Rechten des Rats 846 ).
Diese Begründung scheint mir jedoch nicht ausreichend zu sein. Bürgerlichen Unternehmern lag sicher an finanziellen Rechten. Ratsherren übten aber damals ihr Amt noch ehrenamtlich. Man könnte jedoch vielleicht in ihren Befugnissen einen Hinweis auf die nach Rörig 847 ) "halb autonome Stellung" des Unternehmerkonsortiums erblicken. Aber wir sahen, daß die von Hoffmann angenommene Wandlung des Schweriner Rechts bei der Anlage Güstrows weder im Verhältnis zur Landesherrschaft noch gegenüber der Bürgerschaft wahrscheinlich zu machen ist 848 ).
Doch scheint mir das an Hoffmanns Ausführungen richtig, daß an der Gründung Güstrows bürgerliche Kräfte beteiligt waren. Geht man nämlich von der Frage aus: Können Lokatoren im üblichen Sinn die Anlage der Stadt bewerkstelligt haben, so wird sich nichts finden, was dafür spräche. Die Gerichtsgefälle stehen zunächst allein dem Landesherrn zu, in seiner Hand liegt der Mühlenbann. Über die Marktbuden wissen wir aus so früher Zeit nichts, und seitdem uns durch die ersten erhaltenen Rechnungsbücher der Stadt darüber etwas bekannt ist 849 ), sind sie sämtlich städtisches Eigentum 850 ). Aber schon die wertvolle zentrale Verkehrslage der Stadt, die Güstrow heute zu einer beliebten Kongreßstadt macht, zeigt, daß bei der Gründung kaufmännisches Denken beteiligt war. Dann das Stadtrecht. Ebenso gut hätte Heinrich von Rostock der Stadt das lübische Recht verleihen können, wie es auch Rostock besaß. Aber so wie die Stadt an einer von Schwerin aus in den Nordosten des Landes führenden Straße angelegt worden ist, offenbart sich in der Rechtsverleihung jener Zug nach dem Osten, der dann auch darin zum Ausdruck kommt, daß sämtliche Städte Schwerin=Güstrower Rechts östlich von Güstrow liegen. Auffällig ist ferner die verfassungsrechtliche Vorrangstellung der Kaufleute. Man gewinnt den Eindruck, daß es sich dabei um
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eine mit dem Schweriner=Güstrower Recht verknüpfte Erscheinung handelt.
Bis in die erste Hälfte des 14. Jhs. ließ sich in Güstrow trotz der wenigen Quellen der Zusammenhang von Rat und Kaufleutegilde zurückverfolgen 851 ). Hier ist nun noch auf die Bestätigung der Krakower Privilegien von 1366/75 hinzuweisen 852 ), die in einer jüngeren Urkunde ausdrücklich als Recht der Stadt Güstrow bezeichnet werden 853 ). Sie enthält die Bestimmung: "Lanifices seu alii pannos incidere non debebunt, nisi de ipsorum consulum voluntate fuerit." Allerdings besaßen in 2 Städten dieses Rechtskreises die Wollweber alte Tuchausschneiderechte 854 ). Aber das Ausschnittrecht war anscheinend auf die selbstgearbeiteten Tücher beschränkt und stand also nicht im Widerspruch mit etwaigen Rechten der Kaufleute für das feinere, eingeführte Tuch. Außerdem scheint mir gerade diese Einholung landesherrlicher Privilegien darauf zu deuten, daß dort die Stadtobrigkeit aus Kaufleuten bestand 855 ).
b) Der Anteil der Bürgerschaft an der Gemeindegewalt neben dem Rat.
Der Anteil der Bürger am Stadtregiment soll zunächst einmal an Hand der dabei zu Tage tretenden Struktur der Bürgerschaft
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und ihrer (neben der Obrigkeit bestehenden) Organe beschrieben werden, bevor wir ihn systematisch zu erfassen suchen.
Während des 13. Jahrhunderts und bei vielen, besonders den vorwiegend agrarischen Städten auch noch weiterhin, lassen die Urkunden keine innere Gliederung der Bürgerschaft erkennen. Die Legung von zwei der Stadt Plau gehörenden Dörfern geschah 1293 auf Beschluß der "communitas civitatis" 856 ). Rat und "commune civitatis" von Neukalen schlossen 1358 einen Verkaufskontrakt ab 857 ). "Na rade unde hete unser borghere menleken" überließ der Malchower Rat 1392 dem Kloster Dobbertin gegen dessen Speicher die Stätten, auf denen die Burg stand 858 ). Der Mangel einer Sonderung in diesen Städten ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, daß der Besitz eines Erbes so sehr die Grundlage für die politischen Rechte bildete, daß eine Differenzierung, vor allem eine Organisation der Nichterbgesessenen sich nicht entwickeln konnte 859 ).
Seit dem 14. Jh. tritt dagegen in den Urkunden bei vielen Städten eine Gliederung der Bürgerschaft hervor. In Wismar unterschied man "die Gesamtheit der Bürger . . in erbgesessene Bürger oder Bürger schlechthin und in Ämter und Gemeinheit" 860 ). In manchen Landstädten bilden gleichfalls Ämter und Gemeinheit eigene politische Gruppen. Doch zeigt sich bei ihnen keine Dreiteilung; es werden immer nur zwei Gruppen unterschieden: die borgere und werke 861 ), borgere und menheyt 862 ), menheyt und werke 863 ). Das Wort "Meinheit" stellt in diesen Fällen vermutlich einen Sammelbegriff dar für die Gesamtheit des, sei es neben den Erbgesessenen, sei es neben
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den Ämtern vorhandenen Teils der politisch berechtigten Bürgerschaft. Auch die Gilden konnten für das öffentliche Leben von Bedeutung werden; in einigen Städten erscheint die Bürgerschaft vorwiegend aus Werken und Gilden zusammengesetzt 864 ).
Die Bürger hatten ihren Anteil an der Lenkung der Stadt anfangs noch nicht auf besondere Ausschüsse übertragen, sondern übten ihre politischen Rechte noch persönlich auf der Gemeindeversammlung aus 865 ). Man hat ordentliche und außerordentliche Bürgervollversammlungen zu unterscheiden.
Im 16. und 17. Jahrhundert fanden zwecks Bekanntgabe der Bürgersprache oder der regierenden Ratsherren Jahresversammlungen der Bürgerschaft statt, die nachweislich in manchen Städten mit der Beratung von Stadtangelegenheiten verbunden waren. In Gadebusch verlangten die Bürger 1623 eine jährliche Zusammenkunft auf Petritag, um "nebenst E. E. Rahte von remedir= und abschaffung gemeiner beschwerung undt beforderung gemeinen wesens" zu handeln 866 ). In Parchim wurde nach dem Stadtrezeß vom 30. März 1623 auf Petritag über die Gemeindeangelegenheiten verhandelt 867 ). Die Güstrower Bürgerschaft bat 1576, die Bürgersprache, die in letzter Zeit ausgefallen, möge "um der Bürger Zusammenkunft willen" ferner nicht verschoben werden 868 ).
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Daß diese Einrichtung bis ins Mittelalter zurückgeht, kann man daraus entnehmen, daß die zweimal im Jahr üblichen Tagungen der Gemeinde in Malchin noch Anfang des 17. Jahrhunderts als "echtes Ding" bezeichnet werden 869 ). Vermutlich haben alle Städte im Mittelalter eine Jahresversammlung von Rat und Bürgerschaft gekannt.
Bei wichtigen Anlässen - ließen sich doch keineswegs alle Stadtangelegenheiten, die mit der Bürgerschaft zu besprechen waren, auf die Jahresversammlung verschieben - pflegte der Rat ferner, noch über das 16. Jahrhundert hinaus, außerordentliche Bürgerversammlungen, "burspraken", wie sie in Parchim hießen 870 ), zu berufen.
Es ist sogar in keiner Landstadt während des Mittelalters zur Bildung fester Ausschüsse, die im Namen der Bürgergesamtheit beschlußberechtigt gewesen wären, gekommen. Noch im Jahre 1536 wurde der Vorschlag des Güstrower Rats, besonders bevollmächtigte Älterleute einzuführen und die Vollversammlungen auf "hochwichtige Sachen" zu beschränken, von der Bürgerschaft abgelehnt 871 ).
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Wohl aber haben die Bürger schon während des Mittelalters oder wenigstens an dessen Ausgang ein besonderes Organ ihres Anteils an der Selbstverwaltung neben dem Rat besessen: die Viertelsherren.
Die älteste Nachricht über die Viertelseinteilung bietet das Malchiner Haushaltsbuch; seit 1481 ist die Schoßliste nach Stadtvierteln angelegt 872 ). Den gemeinen Pfennig, die sog. Kaiserbede scheint man - soweit die Register erhalten sind - nur in Gnoien nach Vierteln eingesammelt zu haben. Das Fehlen solcher Nachricht bei den andern Städten läßt jedoch nicht den Schluß zu, daß in ihnen diese Bezirksbildung noch nicht erfolgt war. Denn jene Einteilung fehlt z. B. auch in dem Kaiserbederegister von Malchin, während doch das angeführte ältere Zeugnis deren Existenz beweist 873 ). Vor 1500 ist dann auch das ebenfalls nach Vierteln geordnete undatierte Ribnitzer Erbensteuerregister geschrieben 874 ).
Eine weitere frühe Nachricht über die Viertelseinteilung besitzen wir in dem Güstrower Schoßbuch von 1503 ff., da hier seit 1505 die Schoßpflichtigen nach Vierteln aufgeführt sind 875 ). Ebenso verzeichnet das 1534 einsetzende Schoßregister Röbels die Steuerzahler nach Stadtvierteln 876 ).
Die Vorsteher dieser Bezirke hießen Viertelsherren. Sie begegnen bereits früh und bilden häufig sogar das erste Zeugnis der Vierteleinteilung. 1483 erscheint im Malchiner Haushaltsbuch die Notiz: "8 ß den verdedel hern". 1508 treten uns die "Veerendels Herren" in Bützow entgegen 877 ). Monnick er=
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wähnt 1514 die "Verndelslude" in Wesenberg 878 ), freilich einer stargardischen Landstadt. In Güstrow finde ich die "verndeilszhern" 1522 zum erstenmal genannt 879 ). Ende des 16. Jahrhunderts lassen sie sich auch in anderen Städten nachweisen 880 ), auch haben wir in einem Bericht des Güstrower Rats von 1536 ein Zeugnis, daß sie bereits in der ersten Hälfte in vielen Städten vorhanden gewesen sind 881 ).
Wenngleich die Viertelseinteilung im MA. demnach nur bei 3 Landstädten nachzuweisen ist, darf doch vermutet werden, daß sie in den meisten Städten schon während des Mittelalters oder doch an dessen Ausgang bestand. Denn es ist zu berücksichtigen, daß es während des Mittelalters gerade an solchen Quellen fehlt, aus denen wir später von den Vierteln hören, daß diese Einteilung Bedeutung für gerade damals wichtige Zweige des Gemeindelebens besaß und sie anderwärts bereits früh belegt ist 882 ). Im 16. Jahrhundert fließen die Quellen doch schon reichlicher. Wir hören aber nirgends, daß diese Einrichtung etwa damals erst eingeführt sei.
Jedes Viertel stellte aus seiner Mitte ein oder zwei Viertelsherren. Ihre Zahl betrug also in der Regel 4 oder 8; bei Städten, in denen es 3 oder 5 Viertel gab, veränderte sie sich natürlich dementsprechend 883 ).
Die Viertelsvorsteher übten in erster Linie verwaltende Tätigkeit. Zu ihrem Aufgabenbereich gehört zunächst die Teilnahme
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an der Allmendeverwaltung. In Bützow übernahmen sie die Leitung bei der Ausgabe der Bürgeranteile an Heu und Holz 884 ). In Röbel wurden die Schafhirten von den Viertelsvorstehern nach dem Wunsch der gemeinen Bürger angenommen 885 ). In Güstrow hatten sie an der Forstverwaltung teil 886 ), beim Verkauf der Kavelwiesen sammelten zwei Ratspersonen "nebenst den vorordenten viertheils hern und burgeren" das Geld ein 887 ).
Ferner boten die Viertelsherren in Güstrow die Mitglieder ihres Viertels zu den Stadtarbeiten auf 888 ) und beaufsichtigten sie neben dem Rat 889 ). Eine andere von uns bereits geschilderte 890 ) Aufgabe bestand in der Mitwirkung bei der Militärverwaltung, wie sie sich aus der Vierteleinteilung ergab. Schließlich begegnen die Viertelsherren in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Malchin noch als Einnehmer der Landbede 891 ).
Es wurde schon an anderer Stelle erwähnt 892 ), daß Parchim eine abweichende topographische Einteilung nach 3 Heerdschaften und 24 Kaveln kannte. Während die Heerdschaften nur Wehrbezirke gewesen zu sein scheinen, hatten die Kaveln eine vielseitigere Bedeutung. Jeder Kavel standen zur Verwaltung ihrer Aufgabe 2 Vorsteher aus den Eingesessenen des Bezirks vor:
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die Kavelmeister. Ich habe sie 1540 erstmalig angefroren 893 ), die Einteilung ist aber vermutlich schon mittelalterlich 894 ). Tätigkeitsbereich läßt sich aus den Aufgaben ablesen, die von den Kaveln zu erledigen waren. Die Kavelmeister werden also vor allem die Aufsicht über den Kavelbrunnen und die von der Kavel zu erhaltenden Löschgeräte ihres Bezirks geführt haben 895 ). Jeder Kavel gehörten bestimmte Wiesen auf Stadtgrund; deren Werbung und Austeilung hatten die Kavelmeister ebenfalls zu beaufsichtigen 896 ). Nach dem Rezeß über die städtische Steuer vom 15. Nov. 1620 sollten sie ferner alle Jahr um Martini - der Schoß war damals "die nehesten vier Wochen für Wienachten" zu entrichten - die Namen der Einlieger verzeichnen und dem Rat einsenden 897 ).
Die Kavelvorsteher waren offenbar nur Organe der Kaveln 898 ); diese werden sogar selber als handelnd bezeichnet 899 ).
Den Kavelmeistern und Viertelsherren ist gemeinsam, daß ihre Hauptbedeutung in der Erledigung von Verwaltungsaufgaben liegt. Doch wirkten die Viertelsleute, insbesondere solange es
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es noch keine "Stadtsprecher" gab, meist wohl auch als Wortführer der Bürger gegenüber dem Rat 900 ), - die Kavelmeister traten in dieser Hinsicht hinter den Gewerken zurück 901 ). Aber sie waren weder ein Kontrollorgan der Bürgerschaft gegenüber dem Rat 902 ) noch - schon wegen der Lebenslänglichkeit des Amtes - eine allgemein bevollmächtigte Vertretungskörperschaft der Bürgergesamtheit 903 ). Daher konnten im 16. und 17.Jahrhundert die Bürgerausschüsse neben den Viertelsherren entstehen. Und daher bestanden z. B. in Malchin und Parchim Viertelsherren bzw. Kavelmeister, obgleich in erster Linie die Gewerke die Bürgerschaft gegenüber dem Rat vertraten.
Dennoch hat der Rat schon im Mittelalter nicht immer, wenn er sich der Bürgerschaft versichern wollte, das Urteil der Gesamtheit erfragt. Bei vielen Angelegenheiten mag man sich mit der Berufung der Vollbürger begnügt haben. So verkauften die Ribnitzer Ratsherren 1353 eine Rente "universorum civium nostrorum seu burgensium ad hoc specialiter requisitorum ac omnium, quorum interest, pleno consilio et consensu" 904 ). In einigen Städten begegnet zuweilen ein noch engerer Personenkreis.
"Cum communi et racionabili consilio discretorum nostre civitatis" verkauften 1312 die Ratsherren von Teterow dem Dominikanerkloster zu Rostock den Wortzins von dessen in Teterow belegenem Haus 905 ). Die Ratsherren zu Parchim verglichen sich 1375 "na rade unser frundt" mit Hans Plate wegen seines von den Parchimern erschlagenen Bruders 906 ); in drei Urkunden vom 25. April 1385 907 ) und in einer vom 25. Juli 1390 908 ) verkauft der Parchimer Rat Pachthebungen aus den
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umliegenden Dörfern "mid gantzer endracht unde wlbort unde na rade unser wysesten". Ebenso hat der Malchiner Rat 1463 das Kaufleuteprivileg "na Rade unser Wijsesten" erlassen 909 ).
Freilich herrscht bei anderen Städten - die wittigsten und discreti kommen in mehreren Orten Norddeutschlands vor - im Schrifttum keine Einigkeit, wer ihnen dort zuzurechnen ist 910 ). Vermutlich hat man in unseren Fällen darin besonders angesehene und dem Rat wohl nicht fernstehende Gemeindemitglieder zu erblicken 911 ). Daß sie eine Körperschaft gebildet haben, ist kaum anzunehmen, da sie, wie jene Urkunden zeigen, nur ganz vereinzelt genannt werden.
Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts haben sich dann in nicht wenigen Landstädten die Zünfte zu politischer Bedeutung erhoben und damit den alten, nur nach dem Erbenbesitz gegliederten Bürgerverband durchbrochen. In einigen Städten gelang es
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ihnen sogar die entsendende Stellung innerhalb der Bürgerschaft zu erringen.
Im Gegensatz zu Böhlau 912 ) muß betont werden, daß schon im Mittelalter zahlreiche Handwerksämter vorhanden waren. In anderem Zusammenhang 913 ) wurden bereits erwähnt die Schlachter und Fischer in Plau 914 ), die Fischer und Leineweber in Waren, die Wollweber in Röbel, die Schuster, Bäcker und Schmiede in Sternberg. 1377 begegnen ferner ein Schuhmacheramt und 1382 ein Wollweberamt in Grevesmühlen 915 ), 1385 eine Schneiderzunft in Boizenburg 916 ), 1393 ein Schuhmacheramt in Laage 917 ). Im Neubukower Stadtbuch werden 1465 die Schlachter 918 ), 1488 die Schuhmachergilde 919 ) genannt, im Schweriner Stadtbuch 1432 das "ammet des knokwerkes" 920 ), 1443 die Haken 921 ), 1491 die Fischergilde 922 ). In Parchim läßt das schon häufig genannte Hebungsverzeichnis der Stadt (nach 1370) ein reiches Gewerbeleben erkennen 923 ). Nach Monnicks Aufzeichnung von 1514, die ja auch die Ämter und ihre Gewohnheiten erfaßt, zählte jede Stadt im Durchschnitt ungefähr 6 Ämter 924 ).
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Diese Ausbildung des Zunftlebens, besonders in den wirtschaftlich entwickelteren Städten, macht es verständlich, daß man die Zünfte bei den Stadtangelegenheiten zu Rate zog.
So versprachen 1363 die "ratmanne der stadt to Grabow . . . mid alle den werken und genzliken mid der ganten menheyt", sich an die von Lützow halten zu wollen, solange ihnen Grabow verpfändet bliebe 925 ). "Mit wolbort der menheyt und der werke" schloß der Rat von Malchin 1357 mit dem Kloster Dargun einen Vertrag über die Befreiung von Bürgerpflichten ab 926 ). Ja, 1375 hingen die Werke dort ihr Siegel neben das des Rats an eine von der Stadt ausgestellte Urkunde 927 ), sie müssen also schon damals eine politische Organisation gebildet und als solche eine angesehene Stellung in der Stadtverfassung innegehabt haben: Es ist dies die älteste Nachricht von einem Gewerkesiegel in den mecklenburgischen Städten 928 ).
Die Werke begegnen ferner in Parchim (1481) 929 ) und in Güstrow (1384) 930 ). In Güstrow kam ihnen, wahrscheinlich infolge der Machtstellung des dortigen Patriziats keine erhebliche Bedeutung zu. In Parchim spielten sie dagegen eine größere Rolle. Im Jahre 1563, bei den anläßlich der Kirchenvisitation zwischen den Visitatoren und dem Rat geführten Verhandlungen wurden auch die "Alterleute auß den gewerken", auch "Alterleute auß den Ämptern" genannt, zugezogen 931 ). An eine städtische Schuldurkunde über 1200 Taler vom 27. März 1581, die der Rat unter Zustimmung der Gewerke und der Kavelmeister ausstellen ließ, hatten die Ratsherren "zu vehster haltnus unsere großes Ingesiegel und wir Gewercke unsere Siegel fur uns unnd die kauelmeistere vor diesenn unsernn Brieff anhangenn lassen" 932 ).
Die Ämter wurden bei der Beratung von Stadtangelegenheiten durch ihre Älterleute vertreten, die aber wohl in steter Verbindung mit der Gesamtheit der Zunftmitglieder blieben. "Mit
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willen unn endrachte der olderlude, ammete und der gantzen menheyt" verpflichtete sich im Jahre 1420 der Hagenower Rat, jährlich 160 mr Orbör an Agnes, die Mutter Herzog Albrechts, zu zahlen 933 ). Bei Waren heißt es 1514 in Monnicks Bericht 934 ): "inn disser stadt sint negenn ampte, unnd vann ichlikem ampte sint 2, die stets nheuen deme rade allerleye handelinge, die die stadt belangenn, beschluitenn unnd sunderlick olderlude inn denn ampten, unnd dat sulue vorandert sick unnd geit umb nha der ordeninge" 935 ).
Es waren sicher nur bestimmte Ämter, die bei den Stadtgeschäften zugezogen wurden. Von Waren wissen wir schon, daß 9 Ämter politisch berechtigt waren. In Parchim gab es im 17. Jahrhundert 28 Gewerkenbürger, an denen bis zum Stadtrezeß vom 30. August 1677 7 Gewerke mit je 4 Vertretern beteiligt waren 936 ). An mehreren anderen Orten haben dagegen ähnlich wie in einer großen Zahl märkischer Städte 937 ) 4 Gewerke bestanden. Nach Lisch treten in Sternberg "noch im 16. Jahrhundert . . . die vier Gewerke der Schuster, Schmiede, Bäcker, Schneider amtlich als städtische Korporation" auf 938 ). Außerdem werden sie, freilich nur einmal, in Grabow 939 ),
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Röbel 940 ) und Güstrow 941 ) genannt. Eine größere Bedeutung entfalteten sie nur in Malchin. Zum erstenmal finde ich sie hier 1589 erwähnt 942 ); als 1687 die Zahl der Gewerke erhöht werden soll, bitten die Viergewerke, da ein jedes Amt von alters her 4 Älteste gehabt, es dabei verbleibenn zu lassen 943 ).
Neben Werken und gemeinen Bürgern erwähnen die Urkunden hier und da auch die Mitwirkung der Gilden bei städtischen Beschlüssen 944 ). So bezeugt der Plauer Rat 1388 Nov. 22, daß er "meth vulborth und rade gilden, werken und der gemeinen borghere unser stadt" das Dorf Gaarz vom Dompropst zu Havelberg zu Lehen empfangen hat 945 ). In den Stargardischenn Städten wirkten sie häufig bei städtischen Beschlüssen mit 946 ).
Sucht man dieses Verhältnis von Rat und Bürgerschaft von den Normen der Selbstverwaltung aus zu kennzeichnen, so ist zunächst wichtig, daß beim Rat die Regierung der Stadt stand. Er lenkte und verwaltete die städtischen Angelegenheiten. Nicht nur hatte der einzelne Bürger ihm zu gehorchen und war seiner
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anordnenden und richtenden Gewalt unterworfen 947 ), die Verfassung gab dem Rat auch eine selbständige und von dem augenblicklichen Mehrheitswillen unabhängige Stellung 948 ). Aber der Rat war doch weit entfernt, absoluter Herr in der Stadt zu sein. Erstens gebrach es ihm schon an Machtmitteln, um seinen Willen einer allgemeinen Unzufriedenheit gegenüber mit Zwang durchzusetzen 949 ). Es widersprach dies zweitens auch dem Wesen der Stadt, in der der Rat nur das "verfassungsmäßige Organ für die Selbstregierung der Bürgerschaft" darstellte 950 ). Die Einheit der Stadt war in der Formel "Rat und Bürgerschaft" verkörpert. Und dies war nicht lediglich eine Formel, ihr entsprach eine tatsächliche Einflußnahme auf die Stadtregierung 951 ). Freilich ist das Mittelalter dadurch gekennzeichnet, daß der Rat wohl in keiner Stadt an bestimmte Vorschriften gebunden war, welche Angelegenheit den Bürgern vorzulegen, wann ihre Zustimmung einzuholen war 952 ). Ferner trat die Bürgerschaft mitverwaltend
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auf. Indem sie auf den Jahresversammlungen Wünsche und Gravamina zur Sprache brachte, übte sie schließlich ein Initiativrecht 953 ).
Doch unterstanden ihrem Einfluß nicht alle Gebiete in gleicher Stärke. Über die Allmende haben die Bürger wahrscheinlich nirgends dem Rat eine ausschließliche Verfügungsberechtigung eingeräumt. Ihre mitverwaltende Tätigkeit lag vor allem auf diesem Gebiet und in Sachen, die jeden unmittelbar betrafen 954 ).
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Andere Gebiete waren dagegen der bürgerlichen Teilnahme im Mittelalter verschlossen. Die Besetzung vakanter Ratsstellen erfolgte wahrscheinlich überall auf dem Wege der Selbstergänzung 955 ). Im Gegensatz zum Bürgergemeindevermögen war die Verwaltung des Kämmereivermögens eine ausschließliche Angelegenheit des Rats; es fehlte im Mittelalter zweifellos an einer öffentlichen Finanzkontrolle 956 ). Auch nahm der Rat das Recht in Anspruch, den Schoß auszuschreiben. Eine Befragung der Bürger bei der Aufnahme von Anleihen ist bei keiner Stadt sicher nachzuweisen.
Eine solche weitgehende Selbständigkeit des Rats war im MA. leichter erträglich als in den folgenden Zeiten. Die Zentralverwaltung verursachte noch wenig Kosten; die Ratsgeschäfte wurden noch ehrenamtlich, von Angehörigen der Bürgerschaft des Ortes verwaltet. Den Leistungen der Bürger stand ihr noch fast uneingeschränktes Recht der Allmendenutzung gegenüber. Erst am Ausgang des Mittelalters zeigt sich daher eine nähere Umschreibung der bürgerlichen Rechte und ein Übergreifen auf die Finanzverwaltung 957 ).
Man darf vielleicht sagen, daß im allgemeinen ein Vertrauensverhältnis zwischen Rat und Bürgern bestanden hat 958 ).
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Dennoch hat es an inneren Konflikten in den Landstädten nicht gefehlt 959 ). Schon die Abweichung der Städte in der Art der bürgerlichen Teilnahme an der Stadtregierung, namentlich das in einzelnen Städten zu beobachtende politische Hervortreten der Zünfte, legt diesen Gedanken nahe. Von einer Auflehnung der Gemeinde gegen den Rat erfahren wir jedoch nur aus zweien unserer Landstädte, aus Güstrow (1384) und Parchim (1481). Der Widerstand kam in beiden Fällen u. a. dadurch zum Ausdruck, daß die Bürger die weitere Zahlung des Schosses verweigerten.
Die steuerliche Belastung und gewisse Vorrechte des Rates in der Nutzung der Allmende 960 ) bildeten in Güstrow 961 ) die Beschwerdepunkte der Bürger. Offenbar forderte die Bürgerschaft 962 ) aber nicht nur Abstellung dieser Zustände, sondern richtete, vermutlich unter dem Eindruck der politischen Erschütterungen jener Zeit in zahlreichen norddeutschen Städten 963 ), ihr Bestreben auch auf Minderung der Machtbefugnisse des Rates 964 ). Die Entscheidung des Streits durch den Landesherrn am 24. März 1384, in der er "alle twedracht, de tuschen en gheschen unde weset is", als beigelegt erklärte, fiel durchaus zugunsten der bestehenden Ratsherrschaft aus. Für diesmal wurde zwar "dat andere schot" von 4 auf 3 Pfg. von der Mark ermäßigt, in Zukunft sollte aber der Rat weiter über die Steuer=
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höhe zu entscheiden haben 965 ). Die Vorrechte des Rats in der Holz= und Wiesennutzung blieben bestehen 966 ). Vor allem wurde ihm das Recht auf Regierung der Stadt bestätigt 967 ).
In Parchim 968 ) wandte sich die Unzufriedenheit der Bürger vor allem gegen die Finanzverwaltung und richterliche Amtsführung des Rats. Der Rat sollte zunächst sein Versprechen einlösen und den Bürgern durch eine Rechnungsablage Einblick in den Stand des städtischen Vermögens gewähren. Darüber hinaus verlangten sie stete Beteiligung an der Vermögensverwaltung 969 ). lm Gerichtswesen wünschte man in erster Linie rechtzeitige Bekanntgabe der Ratsurteile und Verbot des gewaltsamen Vorgehens gegen einen Bürger, "de erve unde eghen hefft". Der Streit war von der Bürgerschaft an den Landesherrn gebracht, der darauf zur Schlichtung eine Kommission einsetzte, die dann sowohl Bestimmungen betreffs der Rechtsverwaltung des Rats traf, wie Reformen im Finanzwesen anordnete 970 ), die politischen Wünsche der Bürger aber in einem wesentlichen Punkt unerfüllt ließ: eine Rechnungslegung des Rates sollte vorerst, solange er die militärische Sicherung der Stadt sorgfältig betrieb, nicht erfolgen und später, "wen auer den gemenen Borgeren misdunket, deme also nicht enschut", auch nur auf Befehl des Landesherrn. Doch sollte der Rat "nenen sten vorkopen van dem tegelauene sunder Borghere unde inwaneren". Auch verpflichteten sich die Ratsherren, in Zukunft "nen gelt uppe rente" zu nehmen, "sunder der werke unnd meynheit medewetent unnd vulbort" 971 ).
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Diese Urkunde von 1481 führt uns aber, mit der genauen Festlegung bürgerlicher Rechte und mit dem landesherrlichen Anspruch auf Rechnungslegung, hinüber zu jener Entwicklung, welche die städtische Selbstverwaltung in der Neuzeit nehmen sollte.
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1. Gedruckte Quellen.
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Diplomatarium Gustrowense (50 Urkunden betr. Güstrow von 1320 bis 1626), Universitätsbibl. Rostock. = Dipl. Gustr.
Gesetzessammlung für die Meckl. Schwerinschen Lande (sog. Parchimer Gesetzessamml.), Bd. 1-5, 1861 ff. = P. G. S.
Monnicks Bericht von 1514 u. die Polizeiordnung von 1516 bei P. Groth, Die Entstehung der Meckl. Polizeiordnung vom Jahre 1516, Jb. 57, 1892, S. 171 ff.
Sammlung alter und neuer herzoglich meckl. Landesgesetze, Ordnungen und Konstitutionen (sog. Bärensprungsche Ges. Sammlung), 4. Teil, 1779.
Das alte lübische Recht, ed. J. F. Hach, 1839.
Urkundenbuch der Stadt Lübeck. Bd. 1-11 u. Reg. Bd. 1843 ff. = L.U.B. Mecklenburgisches Urkundenbuch. Bd. 1-25, 1863 ff. = M.U.B.
Pommersches Urkundenbuch. Bd. 1-6, 1868
ff. = P.U.B.
2. Archivalien.
Geheimes und Hauptarchiv zu Schwerin = A. Schw.
Städt. Urkunden.
Specialia civitatum.
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Neubukower Stadtbuch von 1416-1540 (Auszüge u. Abschriften von Dr. Crull).
Cleemann, Urkunden und Akten der Vorderstadt Parchim (koll. Archivrat Beyer).
Ministerium des Innern, Kommunalabt. = Min. Inn.
Insbes. Akten betr. die Marktabgaben, betr. die Kavelmeister in Parchim, betr. das Bürger= und Einwohnerrecht.
Ratsarchiv Güstrow = R. A. Gü.
Insbes. Bauhofsregister von 1518 ff., Stadtprotokollbücher von 1536 ff., Schoßbücher von 1503 ff., Grundbücher von 1506 ff., Register der Kaufmannsgilde von 1436 ff., der St. Georgsbrüderschaft von 1503 mit Urkunden seit Mitte des 14. Jh., und der Katharinengilde (vor 1455).
Ratsarchiv Malchin = R. A. Ma.
Haushaltsbuch von 1468-91.
Ratsarchiv Parchim = R. A. Ra.
Urkunden: Urk.=schrank.
Akten, insbes. Kammereiregister von ca. 1500 ff. und Stadtbücher, Bd. 1, 1351-1457, Bd. 2, 1471/72 ff.
Ratsarchiv Ribnitz = R. A. Ri.
Insbes. Stadtbücher von 1456 ff.
Universitätsbibliothek Rostock = U. B. R.
Collektaneen aus dem alten Güstrower Protokollbuch, 1536 ff. (Meckl. Mscr. O 12, 1 ff.).
Urteilbuch des Rats zu Schwerin, 1539-93 (Kl. 49).
Parchimer Statuten, ca. 1515-20 (Kl. 108, 43).
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Frensdorff, F., Die Stadt= und Gerichtsverfassung Lübecks im 12. und 13. Jh. 1861.
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Hamm, E., Die Städtegründungen der Herzöge von Zähringen. 1932.
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Schranil, R., Stadtverfassung nach Magdeburger Recht. Gierkes Untersuchungen, H. 125, 1915.
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Schultze, A., Stadtgemeinde und Kirche im Ma., in: Festschrift für A. Sohm. 1914.
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Hoffmann, K., Die Stadtgründungen Mecklenburg=Schwerins in der Kolonisationszeit v. 12.-14. Jh. Jb. 94, 1930, S. 1 ff.
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Kamptz, C. A. H. von, Zivilrecht der Herzogtümer Mecklenburg=Schwerin. Bd. 1, 1805. Bd. 2, 1824.
Krüger, K., Die Verfassungsgeschichte der Stadt Güstrow bis zum Anfang des 16. Jh. Jb. 97, 1934, S. 1 ff.
Kühl, P., Geschichte der Stadt und des Klosters Ribnitz. 1933.
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Maybaum, H., Die Entstehung der Gutsherrschaft im Nordosten Mecklenburgs. 1926.
Meyer, P., Die Rostocker Stadtverfassung bis zur Ausbildung der bürgerl. Selbstverwaltung (um 1325). Jb. 93, 1929, S. 37 ff.
Oertzen, O., Die mecklenburgischen Münzen. Teil 1 u. 2, 1900 u. 1902.
Rieck, Städtisches Leben in Mecklenburg in den Zeiten des MA.s. Programm des Neustrelitzer Gymnasiums. Teil 1 u. 2, 1899 u. 1900.
Das alte Röbel, Gedenkbuch zur 700 Jahrfeier. 1926.
Schlie, Fr., Mecklenburgische Kunst= und Geschichtsdenkmäler. 5 Bde., 1898/1902.
Schmaltz, K., Kirchengeschichte Mecklenburgs. Bd. 1, 1933.
Spangenberg, H., Die Bedeutung der Stadtgründung für die Germanisierung der ehemals slavischen Gebiete des deutschen Reiches (mit bes. Berücksichtigung Meckl.). Jb. 99, 1935, S. 109 ff.
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Teuchert, H., Der mecklenburgische Sprachraum. 1929.
Witte, H., Mecklenburgische Geschichte. Bd. 1, 1909.
ders., Jegorovs Kolonisation Mecklenburgs im 13. Jh. Bd. 3. Ein kritisches Nachwort. 1932.
Weiteres in Einzelfällen herangezogenes Schrifttum ist nur in den Anmerkungen verzeichnet.
(vgl. auch Quellenverzeichnis)
B. G. R. = Beiträge zur Geschichte der
Stadt Rostock.
Hans. GBll. = Hansische
Geschichtsblätter.
Jb. =
Jahrbücher des Vereins für mecklenburgische
Geschichte und Altertumskunde.
Lüb.
Z. = Zeitschrift des Lübeckischen
Vereins für Geschichte und Altertumskunde.
Z. f. R. = Zeitschrift für
Rechtsgeschichte.
Z. S. S. =
Zeitschrift der Savignystiftung für Rechtsgeschichte.
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Seite 247 |
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a
dvocatus minor = Stadtvogt 49 ff.
Allmende 77 f., 200 f., 238, 240.
Appellation vom Stadtgericht an den Rat 70 f.,
73 ff.
Auflassung 38 f., 107 f.
B
adstuben 128 f.
Baupolizei 138
f.
Bede 52 f., 83 ff.
Befestigung,
städtische 99, 141 ff.
Besitzrecht, in den
meckl. Landstädten 32 f.
Bierhandel
203.
Boizenburg 47, 64, 74, 114, 128
f.
Brüel 20, 46.
Burg, Lösung des
Zusammenhanges mit ihr 99 f.
Bürgerbücher
186 f., 188.
Bürgermeister, Auftreten
176;
Stellung 177.
Bürgersprachen
111 ff.
Bützow 48, 75 f., 78, 80, 177, 227.
C rivitz 72, 93, 196 f.
D
ing, echtes und gebotenes 58 f., 60, 80,
224.
Dömitz 64.
E
rbenverfassung 189 f., 201.
- kein Zusammenfallen mit dem
Bürgerverband 196 ff.
Exemtion der Städte
vom Landgericht 47.
F
eldmark der Städte, ihre Vergrößerung 98
f.
Feuerpolizei 140.
Fischversorgung
116 f., 119.
Friedensschilling 37 f., 41.
G
adebusch 37, 47, 64, 72, 191, 203,
225.
Geleitsrecht 88 f.
Gerichtsbarkeit, freiwillige 107 ff., 110
f.
Gerichtsgefälle, städtischer Anteil
daran: 68 f.
Gerichtsverfassung 28 ff., 58
ff.
Geschützwesen 151.
Gewandschneidergilden 207, 208.
Gnoien 205,
212.
Goldberg 72, 129.
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Gotteshausleute (Kirchenvorsteher) 95 ff.
Grabow 19 f., 47, 74, 114.
Grevesmühlen 53
f., 108, 114.
Gründungszeit der meckl.
Städte 12.
Güstrow 38 f., 48, 51, 53, 74
f., 83 f., 112 f., 128, 137, 140, 149, 197, 216,
240;
Finanzverwaltung 156 - 166;
Gründung 221 ff.;
Kämmerer: 158,
165;
Kaufleutegilde 209 ff.;
Schoßerhebung 164 f.
Güterrecht,
eheliches 31 f.
H
agenow 20, 234 f.
Hospitalwesen 130 ff.
I
nnungsrecht der Obrigkeit 38, 82.
Judenregal 91.
K
ämmereigericht 78 f.
Kämmerer 155
ff., 166, 167, 179.
Kaufleutegilde 206, 209
ff., 217 f.
Krakow 77 f., 156, 166, 223,
239;
Stadtrecht 20.
Kröpelin 221.
L
aage 20, 56, 84, 177, 187, 231.
Landfrieden 101.
Landvogt, seine Stellung
in den Landstädten 48 ff., 56, 67.
Landwehr, Verpflichtung dazu 55;
als
Teil der Stadtbefestigung 142.
Lehnsfähigkeit, passive der Ratsmitglieder 213
f.
Lübz 20.
m
agister civium 35 ff., 44 f.
Malchin 48 f., 58. 60, 74, 87, 91, 100, 112,
128; 150, 227;
Gewerke 234, 236;
Haushaltswesen 166 f.;
Kaufleutegilde 211 f.
Malchow 51,
87.
Marktorganisation, slavische 16 f.
- ihr Verhältnis zu den Stadtgründungen
der Kolonisationszeit 17 f.
Marktzoll s.
Stättegeld.
Marlow 46, 107, 108, 154,
171.
Mediatstädte 8 f., 46.
Morgensprachen der Handwerker 127 f.
Mühlenbann 62 f., 91 f.
Münzrecht 64, 90 f.
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N
eubukow 20, 51, 84, 182, 187, 197.
Neukalen 108, 114, 185.
Neustadt 20, 156.
O
berhof s. Rechtszug.
Orboer 54.
P
archim 37, 61, 74, 84 f., 91, 100, 113,
137; 149; 203 f., 241.
- Finanzverwaltung 167 ff.
- Gewerke 234.
- Kaveleinteilung 130, 147 f., 229
ff.
Patronat 92 ff.
Penzlin 46,
225.
Pfleger (Spitalvorsteher) 134 ff.
Plau 51, 58, 61, 124 f., 203, 236.
- Recht der Kaufmannssiedlung 13.
R
athaus 43.
Ratsdeputationen 177
ff.
Ratsherren, erstes Auftreten 40,
41.
Rechtszug nach Lübeck 71 f.;
nach Parchim 72;
nach Schwerin
72.
Rehna 20, 46.
Ribnitz 56, 84, 87
f., 100, 177, 183, 185.
Richteherren 70,
178.
Röbel 187, 191, 197, 227, 235 f.
Rostock 71 f.
S
chöffen, ihr Fehlen in den Städten des
ehem. Meckl.=Schwerin 28 f.
Schoß 83
ff.
Schützengilden 149 f.
Schwaan 72,
205, 239.
Schwerin 56, 77, 84, 113, 197,
237,
älteste Verfassung 35 f., 43
ff.,
Befestigung 141 f., 143.
Selbstverwaltung, Verhältnis der Landstädte zum
Landesherrn, bes. 103 ff.,
Verhältnis
von Rat und Bürgerschaft, bes. 236 ff.
Siegel, erstes Auftreten der Stadtsiegel in
Meckl. 42.
Sonderhaushalte 160 f.,
169.
Stadtbücher 108 f., 182.
Stadtgericht, Aufbau 58 f., Erwerbung durch die
Stadt 76 f.,
Stellung zum Rat 68
ff.,
Zuständigkeit 59 ff.
Stadtrecht, lübisches 19 f.,
Parchimer
20,
Schwerin=Güstrower 20,
Städte ohne besonderes Stadtrecht 20.
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Stadtschreiber 180 ff.
Stadtvogt 49 ff., 60
ff.
Stättegeld 89 f., 161.
Stavenhagen
20, 203.
Steinpflaster 138.
Sternberg
21, 108, 155, 198, 219.
Steuer s. Bede und
Schoß.
Sülze 46, 62 f., 84, 108, 143, 239.
T
essin 20, 84.
Teterow 101, 185,
231.
Tuchhandel 205 f.
Typen der
Stadtwerdung 12 ff.
U nternehmerkonsortium 221 f.
V
iergewerke 235 f.
Vierteleinteilung
146 f., 227.
Viertelsherren 227 ff.
Vorkauf 120, 121.
W
achtpflicht der Bürger 144.
Wägezwang 122.
Waren, Stadtrecht 20,
235.
Warin 20, 171.
Wasserversorgung
129 f.
Weinkeller, des Rats 120, 153 f.,
162.
Willkürrecht 38 f., 111, 114 f.
Wismar 112.
Wittenburg 175, 219.
Z
iegeleien 154, 163.
Zollfreiheiten
203.
Zollregal 62, 87 ff.
Zünfte,
Aufsicht des Rats über sie 38, 125 ff.,
Bedeutung 232 ff.,
Selbstverwaltungsrechte 122 ff.,
Statuten 115 f.,
Zahl 233.