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VIII.

Namensentstellung durch
Verschiebung der Wortgrenze
in einer Urkunde von 1328

von

Wilfrid Kuhn.

 

Vignette
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Rudloff 1 ) las in einer Urkunde von 1328 unter den Zeugen: Nicolaus de Muritz. Lisch 2 ) bemerkte hierzu, daß ein Ritter dieses Namens nicht vorkomme, und ließ feststellen, daß zu lesen sei: Nicolaus de Nůryz. Er folgerte daraus, daß Nikolaus von Oertzen (Stargardische Linie) gemeint und dessen Namensform Uritz ein dialektisches N vorgesetzt sei.

Die vorliegende sprachliche Erscheinung, Verschiebung der Wortgrenze, ist gemeindeutsch; enge Verbindung von Satzworten kann bei Satzauflösung unrichtige Worttrennung herbeiführen, es kann "Konsonantenantritt oder -verlust am Wortanlaut oder Wortauslaut entstehen" 3 ). Solche lautlichen Falschbildungen bringen besonders Änderungen in der Form ursprünglich vokalisch anlautender 4 ) Ortsnamen hervor. Behaghel 5 ) gibt z.B.: [im Elzdorf] Melzdorf. In einer Urkunde kommt vor: Joachim von Plesse "to můpal", entstanden aus t[omt dach]m Upal, von Lisch richtig bemerkt 6 ).

"Vorschub eines N" 7 ) liegt auch in der Urkunde von 1328 vor. Den anscheinend nicht sehr kundigen Schreiber verwirrte


1) Urkundenlieferung Nr. 128 (nach der Sammlung von Hoinckhusen): 1328 Dez. 28, Neubrandenburg. Heinrich, Herr von Mecklenburg, bestätigt dem Kloster Ribnitz die Schenkung der Dörfer Dierhagen und Stuthof. Gedruckt auch M.U.B. VII, Nr. 5007. Im Orig. (seit einigen Jahren im Geh. und Hauptarchiv Schwerin, Kloster Ribnitz Nr. 11) steht deutlich: Nicolaus de Nůriz. Jahreszahl: M°CCC°XXVIII°, nicht wie in der Anm. des M.U.B, vermerkt wird.: XXVIIII° doch ist anzunehmen, daß ein Schreibfehler vorliegt, da alles auf Ende 1328 hinweist.
2) Urkundl. Geschichte des Geschlechts von Oertzen, Teil 1 B, Schwerin 1847, S. 94, Urk. Nr. 63.
3) Behaghel, Gesch. der deutschen Sprache, 5. Aufl., Bln.-Lpz. 1928, S. 380, § 357.
4) Von Behaghel nicht eigens erwähnt, doch nicht ohne Bedeutung.
5) a.a.O., S. 381.
6) a.a.O., Teil 2 b, Urkunden, Schwerin 1860, S. 61, Nr. 163, von 1427 Febr. 10.
7) Behaghel, a.a.O., S. 381.
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die Präposition "von" 8 ) - der Name wurde ihm zweifellos deutsch diktiert -; er hörte: van Uriz, gebunden gesprochen: vanuriz, trennte falsch, übersetzte und schrieb "de Nůryz".

Es stimmt damit überein, daß andere vokalisch anlautende Personennamen ebenso behandelt sind. Lisch selbst weist darauf hin, daß der Name Axecow in älterer Zeit häufig Naxecow geschrieben wird" 9 ).

Die Erklärung des n-Vorschubs als Verschiebung der Wortgrenze erscheint richtiger als Lischs Ansicht, die auf der u. E. nicht einwandfrei erwiesenen Theorie von der wendischen Herkunft des Geschlechts und Namens aufgebaut ist 10 ), und wonach das "N" der Form "Nůryz" eine wendische Dialekterscheinung wäre 11 ). Aus der Annahme der Wortgrenzen-Verschiebung würde sich ergeben, daß der Name Oertzen nicht nur noch 1313 12 ), sondern auch noch 1328 in der alten Form von 1192: Uriz 13 ) vorkommt, lediglich in der Stammsilbe durch i-Einfluß verändert.

Weiterer Untersuchung muß die Prüfung der Herkunftsfrage der Familie von Oertzen vorbehalten bleiben; es sei vorläufig nur die Frage gestellt, ob nicht zwei Familien (Uriz und Oertzen) zu unterscheiden sind.

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8) Auf diese Wirkung der Präpositionen weist John Meier, Deutsche Volkskunde, Bln.-Lpz. 1926, hin (Abschn. Namen, Teil 3: z. B.: im engen Bach - Mengenbach).
9) a.a.O., Teil 1 A, S. 7; 1 B, S. 94.
10) a.a.O., Teil 1 A, S. 7.
11) Dialektische Eigenheiten des lausitzischen Wendisch auch dem "alten Wendisch in den Ostseeländern" zuzuschreiben, wie es Lisch, a.a.O., Teil 1 A, S. 6, tut, erscheint unzulässig.
12) Lisch, a. a. O., 2 B, S. 8 f., Nr. 123: Dedevicus de Uriz. M.U.B. VI, Nr. 3587.
13) Lisch, a.a.O., Teil 1 B, S. 5 ff. - Die Echtheit der Urkunde von 1192, die Richtigkeit ihrer Angaben und die zweifelsfreie Lesung "Uriz" vorausgesetzt.