zurück zur Metadatenansicht auf dem Dokumentenserver
zurück
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen   zur nächsten Seite zur letzen Seite
Dokument dauerhaft verlinken Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

Jahrbücher

des

Vereins für meklenburgische Geschichte
und Alterthumskunde,

 

gegründet von Friedrich Lisch,

fortgesetzt von Friedrich Wigger und Hermann Grotefend.

 


 

Sechsundachtzigster Jahrgang.

herausgegeben von

Archivrath Dr. F. Stuhr,

als 1. Sekretär des Vereins.

 


Mit angehängtem Jahresbericht.
Auf Kosten des Vereins.

 

 

Schwerin, 1922.

Druck und Vertrieb der Bärensprungschen Hofbuchdruckerei.
Vertreter: K. F. Koehler, Leipzig.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen   zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen   zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Inhalt des Jahrbuchs.


Seite
I. Das alte Schloß in Kleinow. Von Dr. phil. Gerd Dettmann, Schwerin 1
II. Studien zur Geschichte des Herzogs Christian (Louis) (1658-1692): Der Feldzug des Herzogs Christian Louis und das Regiment Halberstadt für Ludwig XIV. (1672 bis 1674). Von Studienrat Professor Dr. Richard Wagner, Schwerin 19
III. Mecklenburgs deutsche Politik 1850-1866. Von Dr. phil. Alfred Rütz, Rostock 43
IV. Finanz-, Verwaltungs-, Wirtschafts-, und Regierungspolitik der mecklenburgischen Herzöge im Übergange vom Mittelalter zur Neuzeit. Von Archivar Paul Steinmann, Schwerin 91
Jahresbericht (mit Anlage) 1-11

 

Vignette
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen   zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen [ Seite 1 ] zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen
zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

I.

Das alte Schloß in Kleinow

von

Dr. phil. Gerd Dettmann.

 

Vignette
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen [ Seite 2 ] zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen [ Seite 3 ] zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Die Entstehung des alten Ludwigsluster, zuerst Kleinower Schlosses fällt in die Periode des 18. Jahrhunderts, die für Mecklenburg die unruhigste war, in die Zeit des Kampfes zwischen dem Herzog Karl Leopold und den Ständen, in dem der Herzog schließlich immer mehr zurückgedrängt wurde, während sein jüngerer Bruder Christian II. Ludwig als kaiserlicher Administrator die Landesregierung in offenem Gegensatz zu ihm führte. Christian Ludwig hatte 1708 von seinem ältesten Bruder Friedrich Wilhelm das Amt Grabow als Apanage erhalten. Nach dem 1713 erfolgten Tode Friedrich Wilhelms versuchte sein Nachfolger Karl Leopold sofort, den Vertrag wieder umzustoßen. Da er aber nach wenigen Jahren gezwungen war, in Danzig Zuflucht zu suchen, konnte er nur durch einige ihm ergebene Beamte seinen Einfluß geltend machen, auch als er später nach Dömitz zurückkehrte. Ihm gegenüber fand Christian Ludwig an dem Kaiser und den umliegenden Mächten Preußen und Hannover eine starke Hülfe.

Große Teile des Amtes Grabow bestanden in Jagdgebieten, die der Prinz, ein großer Jagdfreund, eifrig besuchte. Nun liegt aber Grabow, in dessen Schlosse der Prinz anfangs, bis zum Brande von 1725, residierte, abseits der eigentlichen Forsten. Auch das Schloß Neustadt, das Christian Ludwig nach Vernichtung des Grabower Schlosses bewohnte, lag außerhalb der Jagdgebiete, so daß dem Prinzen in seiner Jagdleidenschaft große Zügel angelegt waren. Deshalb beschloß er im Jahre 1724, sich "ein neues Jagddemeure" zu bauen, um die Nächte im Jagdrevier zubringen zu können. Wen er beauftragte, für diesen Bau die Risse zu machen, ist nicht sicher, möglich ist, daß er schon damals mit dem Baumeister Künnecke in Verbindung trat, der später den Bau leitete.

Als Platz wählte der Prinz den in herzoglichem Besitz befindlichen, auf der Stelle des heutigen Ludwigsluft gelegenen Hof Kleinow südwestlich von Neustadt, über den K. Goß in seiner Ge-

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 4 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

schichte von Ludwigslust (Parchim 1852) ausführlich berichtet hat. Das Verwalterhaus lag auf dem platz des heutigen Fremdenhauses östlich vom Schloß, und sein Garten erstreckte sich bis zum Schloßgrundstück. Im Schlosse zu Ludwigslust befindet sich ein sonst anscheinend unbekannter Stich von Busch, die drei Häuser des Herzogs Christian Ludwig in Kleinow. Hier sieht man als erstes Gebäude einen kleinen achteckigen Fachwerkpavillon, der wohl als Gartenhäuschen für den Verwaltergarten gedient hatte und abgerissen wurde, damit auf seinem Platz das neue "Demeure" errichtet werden konnte. Es findet sich auch in den Akten schon 1717, 7 Jahre vor dem Baubeginn, der Gedanke erwähnt, "das kleine Rondell im Kleinower Garten eventuell auszubauen und als Eßsaal zu optieren", doch wird dieser Plan bald als allzu dürftig aufgegeben und mit neuen Entwürfen begonnen sein. Im Archiv und im Landesmuseum werden eine Reihe von Entwürfen für größere Lusthäuser aufbewahrt. Wenn auch nicht genau gesagt werden kann, welche für diesen speziellen Bau bestimmt waren, und welcher den endgültig ausgeführten Plan darstellte, da es sich bei allen um mehr oder weniger verschiedene, kleine einfache Fachwerkbauten, meist mit hofbildenden Flügeln, handelt, so sieht man doch an den mehrfachen Abänderungen einzelner Pläne das rege Interesse, das der Bauherr an ihnen genommen hat. Aus späteren Umänderungen und gelegentlicher Maßangabe kann man sich den vorerst begonnenen Bau rekonstruieren. Entsprechend der Hofhaltung eines apanagierten Prinzen und dessen Mitteln war das Jagdhaus natürlich von ganz einfachen Verhältnissen. Es bestand aus einem einstöckigen Fachwerkhaus von 142 Fuß Länge und 11 Fensterachsen, in der Mitte mit einem zweistöckigen Risalit zu 3 Fenstern und einem einfachen Walmdach. Den Eingang bildete eine Mitteltür, dahinter lag ein Vorplatz und nach der Gartenseite ein Speisezimmer, das zuerst einen achteckigen Grundriß, mit 3 Seiten über die Gartenfront hinausspringend, haben sollte. Links und rechts waren die Wohn- und Schlafzimmer angeordnet. Nach Süden sollte ein Hof durch zwei Flügel begrenzt, von zwanzig Fuß Front und dreißig Fuß Seitenlänge, sich anschließen.

Der Bau wurde 1724 begonnen, die Leitung, d. h. wohl mehr die Aufsicht bei der Herbeischaffung des Baumaterials hatte ein in Dömitz wohnender Walkmüller. Das Holz zu diesem Bau kaufte der Prinz teils aus dem brandenburgischen Gebiet, teils bekam er es von seinem Schwager, dem Herzog von Strelitz, geschenkt; auch wurde Material benutzt, das offiziell zur Reparatur des

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 5 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Grabower Schlosses und des alten Kleinower Hauses, d. h. wohl des Verwalterhauses, wo der Prinz gelegentlich wird übernachtet haben, dienen sollte, da er nicht befugt war, vor Entscheidung der zwischen ihm und seinem Bruder schwebenden Streitfragen aus den umliegenden Wäldern selbst Holz zu schlagen. Doch obwohl der Bau zunächst rüstig fortschritt, zögerte sich die Vollendung vorerst noch lange hinaus. Denn sobald der Herzog Karl Leopold in Danzig von dem neuen Schloßbau gehört hatte, versuchte er ihn, über die Eigenmächtigkeit seines Bruders erbost, auf alle Weise zu hintertreiben. Am 13. Januar 1725 schon schrieb er an den Amtmann Grantzow in Grabow, befahl ihm, den angefangenen Bau in Kleinow bei schwersten Strafen zu hindern, als "ein Unserer landesfürstlichen Hoheit äußerst nachteiliges Bauwerk" und drohte, ihn wieder abreißen zu lassen. Grantzow antwortete, daß er die Arbeiter "zurückgedroht habe, fürchte aber, daß der Prinz fremde Arbeiter kommen lassen werde. Doch die Drohung scheint ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben, denn im Frühling 1725 wurde der Bau schon wieder eingestellt. Der Prinz scheint jetzt außerdem in der Platzfrage unschlüssig geworden zu sein, denn er plante einen neuen Bau zu Kummer, einem Dorfe bei Ludwigslust. Im Juli 1725 schrieb Karl Leopold wieder an Grantzow, er fürchte, Christian Ludwig würde in Kummer bauen, und er solle dort wieder Handwerkern und Lieferanten die Arbeit verbieten. Grantzow fuhr hin und fand dort zwar einen Neubau, der aber angeblich für den Küchenmeister Mattfeldt aus Grabow aufgeführt wurde, also jedenfalls kein größeres Herrenhaus gewesen sein kann und wohl überhaupt nicht für Christian Ludwig bestimmt war. Goß berichtet, daß Christian Ludwig in Kummer das Haus des verstorbenen Jägers Tiedemann habe ausbauen und ein neues Gebäude von 70-80 Fuß Länge und 30 Fuß Breite habe aufführen lassen wollen, der Bau sei aber wiederum gehemmt. Es kam zum dritten Bauversuch. Im Herbst 1725 wurde auf der Multzau zwischen Göhlen und Kummer, nicht weit von Kleinow entfernt, ein neues Fundament errichtet, der vorhin beschriebene in Kleinow begonnene Bau wieder abgebrochen und nach der Multzau gefahren. Im Februar 1726 fuhr Grantzow wiederum nach diesem neuen Bau, fand, daß er außer der Grundmauer noch nicht begonnen sei, und hörte, daß bisher weder "eine accurate Größe, noch eine Idee einer Figur des zu errichtenden Gebäudes" vorhanden sei. Der Bauplatz sei zwischen zwei Bächen gelegen und vor dem Schloß, d. h. den bis dahin nur ausgeführten Grundmauern sei eine Gebüschallee, davor eine

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 6 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Wiese mit viereckigem Platz, an der Rückfront solle eine Allee durch den Wald gehauen werden. Der Prinz scheint also schon vor dem eigentlichen Bau mit der Gartenanlage begonnen zu haben, und die Nähe der zwei Bäche deutet sicher darauf hin, daß sie irgendwie in der Anlage verwertet werden sollten, da ja zu einer richtigen Parkanlage dieser Zeit Wasserkünste unentbehrlich waren. Das Vorhandensein dieser Bäche wird auch vielleicht den Prinzen zum Wechsel des Bauplatzes bestimmt haben, da der Kleinower Bauplatz fast nur ebene Sand- und Wiesenflächen ohne die später ausgeführten Kanalanlagen zeigte. Doch auch dieser Bau wurde nicht weitergeführt. Der Prinz scheint, der dauernden Störungen überdrüssig, erst die Entscheidung in der Grabower Amtssache haben abwarten wollen.

Doch während die allgemeine Stellung des Prinzen sich allmählich festigte, wurde die endgültige Entscheidung immer wieder hinausgezögert, und so entschloß er sich nach 5 Jahren, 1731, weiterzubauen, und zwar wieder in Kleinow. Es tritt jetzt zum ersten Mal auch der Baumeister in Erscheinung. Am 9. Juni 1731 schrieb der Baumeister Joh. Friedrich Künnecke aus Arpshagen, daß er Handwerker für den neuen Bau werben würde. Er war beschäftigt bei den Bauten des Grafen Bothmer in Klütz, und es ist wohl zu vermuten, daß er aus der Lübecker oder Hamburger Gegend dorthin gekommen ist. Dies würde auch einen Grund geben, weshalb der Prinz gerade ihn berief und nicht einen der Baumeister aus der Kleinower Gegend, aus Grabow oder Schwerin. Der ewigen Störungen durch die mecklenburgischen, teilweise noch an Karl Leopold hängenden Beamten müde, wird er diesen auswärtigen Baumeister, der bei einem der Landedelleute, seiner Anhänger, gearbeitet und sich dort bewährt hatte, einem Einheimischen vorgezogen haben, weil er von ihm weniger ein Nachgeben gegenüber den Drohungen seines Bruders zu befürchten hatte, und auch weil er von ihm wohl mehr erwartete als von den bisher an größeren Bauten noch nicht erprobten mecklenburgischen Baumeistern.

Zuerst sandte Künnecke nur Entwürfe, da er offenbar seine Bothmerschen Bauten noch nicht vollendet hatte. Im Juli 1731 sollte der Bau beginnen. Künnecke schrieb, er werde kommen, sobald der Bau gerichtet würde, vorher solle es am Fundament nicht mangeln. Gleichzeitig bestellte er Kamine und Treppen aus Hamburg und Schweden (wohl aus schwedischem Marmor, der auch beim späteren Schloßbau für Kamine verwandt wurde) Im Winter 1731/32 ruhte der Bau. Aber schon rührte sich Karl

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 7 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Leopold wieder. Am 31. Januar erhielt er einen Brief mit Nachricht über den neuen Kleinower Bau, und daß auch das Holz von der Multzau wieder nach Kleinow gebracht würde, ferner ruiniere Christian Ludwig den Kleinower Garten und lasse eine Schneise nach Kummer durch den Wald hauen. Sofort befahl er wieder Hintertreibung des Baues. Doch schon im Januar 1732 waren von einem Ingenieur neue Gebäude abgesteckt, wohl für das Korps de Logis. Künnecke hatte neue Risse gesandt. Der Bau wurde größer. Der Mittelbau wurde an den Seiten um je zwei Achsen verlängert. An die Südseite kamen zwei größere Küchen- und Koppelflügel. Während der Fundamentierungsarbeiten wurde das Fachwerk in Neustadt hergerichtet und fertig nach Kleinow gefahren. Wegen des zu feuchten Grundes hatte Künnecke den Fußboden des Korps de Logis hohl arbeiten lassen. Im Frühling 1732 scheint die Arbeit kräftig aufgenommen zu sein. Im April waren beide Flügel aufgeführt, im Juli war der ganze Bau unter Dach, aber noch ohne Fenster und Innenausstattung. Während dieser Zeit hatte Karl Leopold zum letzten Male versucht, den Bau zu stören, der infolgedessen im April 1732 ein Wachtkommando von einem Wachtmeister, einem Korporal und sechs Lüneburger Dragonern erhielt. Von da an blieb der Bau ohne Störung. Im Herbst 1732 scheint auch die Innenausstattung des Korps de Logis schon begonnen zu sein. Im Juni 1733 wurde mit Joh. Krekow ein Kontrakt geschlossen, das Jagdhaus in Kleinow mit gelber und grauer Farbe zu streichen. Der weitere Ausbau wurde fortgesetzt, die Flügel bekamen zweistöckige Eckpavillons und kleine Mittelgiebel, ferner wurden in Verbindung mit der Hofumzäunung vier Gardehäuschen und Baracken errichtet. Erst 1735 war der Bau ganz vollendet. Das Holz zu diesem vergrößerten Bau ließ der Herzog heimlich durch fremde Hand in Plau kaufen. Die Arbeiter waren zum Teil auswärtige, darunter der Maurer Barc, der Großvater des späteren Hofbaumeisters, den Künnecke aus Bothmer mitgebracht hatte. Das Geld zum Bau liehen dem Herzog die mecklenburgischen Edelleute, die auch die Fuhren stellten.

Nun zum Bau selbst. Die Mitte des ganzen Baukomplexes bildete das Korps de Logis, 165 Fuß lang und 40 Fuß breit, ein Stockwerk hoch. In der Mitte ein 25 Fuß breites, 2 Stock hohes Risalit, 33achsig, mit flachem Giebel geschlossen, Vorder- und Rückwand zu je 15 Achsen, an der Gartenfront ebenfalls ein Risalit, um ungefähr 12 Fuß über die Frontmauer vorspringend. Über den seitlichen Türen kleine Giebel, das Dach, ein einfaches

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 8 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Walmdach, mit kleinen Fensterluken. In der Mitte jeder Haupt- und Seitenfront lag, um einige Stufen erhöht, eine Tür. Trat man durch die Tür der Hofseite ein, so kam man zunächst in einen Vorraum mit zwei Fenstern nach dem Hofe zu. Ihm achsial entsprechend auf der Gartenseite der Salon oder Speisesaal, der Hauptraum des Schlosse wenn auch dem Ganzen entsprechend nur von bescheidener Größe, 25 : 35 Fuß. Er wurde zu Festlichkeiten benutzt, an Sonntagen wurde er ausgeräumt, ein Altar aufgebaut, und der Hofstaat und die Dorfbewohner sammelten sich hier zum Gottesdienst, dem der Herzog und die Herzogin in den Nebenzimmern bei geöffneten Türen beiwohnten, eine Anordnung, die beim Kirchensaale im neuen Schloß wiederholt wurde. - Im Ostflügel lagen die Räume des Herzogs zuerst ein Audienzzimmer, dann zwei Kabinette, nach der Hofseite das Schlafzimmer, und an den Vorraum grenzend die Garderobe. Die äußersten Zimmer im Osten waren zu Gast- und Nebenräumen bestimmt. Die Zimmer der Herzogin lagen entsprechend an der Westseite, ein Audienz-Zimmer, ein Schlafzimmer, ein Zimmer für die Prinzessinnen und die Eckzimmer für die Jungfern. Die Treppenanlage lag beim Eintritt zur Linken des Vorsaales und führte in das Dachgeschoß, das im Mittelrisalit wiederum einen Vorsaal und über dem unteren Saal einen sog. Sommersaal barg, der im Sommer als Speisesaal diente.

Neben den Seitenfronten, aber ca. 20 Fuß vorgezogen und durch eine ausgerundete Umzäunung mit dem Mittelbau verbunden, lagen die Flügel, einstöckig, zuerst 42 Fuß parallel dem Corps de Logis beginnend, dann rechtwinklig vorgezogen 70 Fuß lang den Hof bildend und wieder rechtwinklig gebrochen nach außen umbiegend, an beiden Seiten von je einem zweistöckigen 30 Fuß breiten Pavillon begrenzt. Der Hof wurde durch eine Umzäunung geschlossen, an der zwei sog. Baracken lagen, und die in der Mitte in rundem Bogen um 35 Fuß vorsprang. Den Eingang flankierten zwei Wachthäuschen. Hinter den Flügeln, von denen der rechte die Küche, der linke die Ställe (später auch zu Wohnungen eingerichtet) enthielt, lagen noch kleinere Wirtschaftsgebäude. Die Pavillons dienten dem Hofstaat als Wohnung. Die ganze Anlage bildete ein einheitlich geschlossenes Ganzes. In der Mitte zurückliegend das breit gelagerte Corps de Logis mit dem die Achse betonenden Mittelrisalit, daran anschließend die vorgezogenen, den Hofraum bildenden Flügel, nach außen umbiegend und zusammengehalten von den Pavillons, die, zweistöckig, der Bewegung der Flügel Halt geboten und nebst dem gleich hohen

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 9 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Mittelrisalit Mitte und Enden der Anlage betonten. Die ausladende Umzäunung endlich fing die vom Mittelportal ausgehenden und über den Hofraum ausladenden Raumkurven wieder ein zwischen den festen Punkten der Wachthäuser, von dort frei in die Landschaft auslaufend. Daß Künnecke diesen Raum nicht zufällig, sondern bewußt geschaffen hat, beweisen die verschiedenen Abänderungen in den einzelnen Plänen, wonach er die Verbindung zwischen Corps de Logis und den Flügeln zuerst zum Hofraum konvex, dann rechtwinklig und schließlich konkav, der Raumbildung des Hofes am günstigsten, gestaltete. Auch die Notwendigkeit der geschlossenen Baumasse, durch die Eckpavillons erreicht, scheint er erst während des Planens erkannt zu haben. Ebenfalls genau berechnet war die Einheit des Hofraumes. Dies zeigen einige Grundrisse des Schlosses, auf denen Künnecke die Anlage nach bestimmten Linien berechnet. So läuft eine Verbindungslinie von den Mitteltüren der Seitenflügel über die Ecken der Gitterausbuchtung nach dem Mittelportal der Umzäunung, das nur soweit vortreten sollte, daß es von der Tür aus noch gesehen, also mit dem Hof noch eine Raumeinheit bilden konnte, mithin eine bewußte, nach eingehenden Überlegungen entstandene Raumbildung. Den gleichen Zweck verfolgt eine Linie von der Mitteltür des Corps de Logis über die Ecken der Flügel nach den kleinen, sonst architektonisch nicht betonten Seitentüren der Umzäunung.

Wie stehen nun Künnecke und sein Bau zur allgemeinen Stilgeschichte. Über die Persönlichkeit Johann Friedrich Künneckes ist nichts bekannt, außer daß er aus dem Dienst des Grafen Bothmer in Klütz kam. Wie schon vorhin erwähnt wurde, stammt er wahrscheinlich aus dem lübischen oder hamburgischen Gebiet, wohin auch die wirtschaftlichen Verhältnisse jener Gegend weisen. Nun ist es ja an sich eine bedenkliche Sache, einen einfachen Fachwerkbau, im äußeren ohne jeden Schmuck, auf Grund stilistischer Untersuchungen dieser oder jener Architekturrichtung zuzuweisen, zumal da von dem Bau und seiner Innenausstattung nichts erhalten ist. Es haben sich aber glücklicherweise, wie schon oben gesagt, eine große Anzahl von Entwürfen, besonders Grundrissen von Lusthäusern und anderen kleinen Gebäuden Künneckes erhalten, die interessante Aufschlüsse geben über die Kunstrichtung des Baumeisters. Wenn auch über die Herkunft Künneckes nichts bekannt ist, so gleichen doch diese Zeichnungen das Fehlen von Nachrichten gewissermaßen aus, denn, um es vorwegzunehmen, es sind die Bautheoretiker der Zeit, aus denen Künnecke die An-

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 10 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

regungen zu seinen Plänen geschöpft hat, und damit verliert die Frage der Herkunft des Baumeisters stark an Bedeutung, da die Richtung seiner Kunst nunmehr zu erkennen ist.

Die Entwicklung des Schloßbaues seit dem Mittelalter nimmt ihren Ausgang von den mittelalterlichen Burgen. Der erste Schritt von der historisch gewordenen, unregelmäßigen Baumasse der Burg zum einheitlichen, nach einem Plan gestalteten Bau tut die Renaissance. Von der mittelalterlichen Burg übernimmt das Renaissanceschloß den allseitig geschlossenen Komplex mit dem Hof in der Mitte, aber er bekommt jetzt quadratischen Grundriß mit Türmen an der Ecke, meist noch mit Graben und Wall umgeben. Beispiele dieser Art bieten in Mecklenburg Güstrow in seiner ursprünglichen Anlage und Dargun. Den nächsten Schritt tut die Barockzeit. Ihr Hauptmerkmal ist die Bewegungs- und Richtungstendenz, in der Grundrißbildung die Betonung einer Hauptachse, und so wird das Quadrat zum Rechteck. Die beiden Langseiten treten allmählich vor dem nunmehrigen Mittelbau zurück und behalten nur noch in den Pavillons an den Ecken, wohl Erinnerungen an die alten Ecktürme, die gleiche Höhe mit dem Mittelbau; die Eingangsschmalseite schmilzt zum niedrigen Portalvorbau zusammen, und die Macht der ganzen Achsenbewegung richtet sich gegen die Front des rückliegenden Mittelbaues. Diese Art tritt besonders bei den unter niederländischem Einfluß entstandenen Schlössern des 17. Jahrhunderts hervor, während die auf südliche, d. h. italienische Anregung weisenden Bauten die Langseiten gleichmäßig hoch ohne Pavillons geben oder auch noch die einfache Triklinienanlage mit drei gleich hohen Flügeln. Alle genannten Typen, auch der des Renaissancehofes halten sich als Residenzschlösser in den Städten sehr lange, da sich hier auch im 18. Jahrhundert die Anforderungen gegenüber dem 17. Jahrhundert wenig geändert hatten, wie die Entwürfe Leonh. Chr. Sturms für Herrenpaläste vom Jahre 1718 zeigen. In der Anlage von Sommerschlössern auf dem Lande aber hatte sich schon lange unter Führung Frankreichs ein neuer Stil entwickelt. Das Wesen des Sommerschlosses ist das Verbundensein und das Aufgehen in der freien Natur; nicht Abschließen vor der Umgebung, wie in den Städten, sondern die leichteste Möglichkeit, von den Zimmern in den Park zu kommen und in die Natur zu gelangen, ist sein Zweck. So wird die allseitige Umschließung beseitigt, die den freien Blick nur den an der Außenseite gelegenen Zimmern gestattet, und die Flügel werden kürzer oder biegen nach außen. Die Hauptetage wird entweder durch Freitreppen mit dem Garten

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 11 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

verbunden, oder das Hauptgeschoß wird zum Erdgeschoß und an die Stelle der Fenster treten Türen. So entsteht der mehr die Breitenentwicklung betonende französische Schloßbau, wie ihn sein berühmtestes Beispiel, Schloß Versailles, freilich noch nicht in der vollen Freiheit des 18. Jahrhunderts, zeigt, ohne daß deshalb die in der früheren Literatur weit verbreitete Ansicht, jedes auch noch so kleine Schloß des 18. Jahrhunderts sei eine mehr oder minder gelungene Kopie von Versailles, zu Recht bestünde. Während Versailles noch eine tiefe cour d'honneur zeigt, wird zur Zeit des Rokoko im 18. Jahrhundert der Hof ganz flach. Die früher sich vereinigenden Flügel gehen jetzt auseinander, der enge Hofraum wird zum breiten Schloßplatz. Wohl bleibt teilweise der Zusammenschluß der Baumassen durch Pavillons an den Flügelenden gewahrt, aber sie machen die Seitenbewegung mit und treten an die äußersten Enden der Anlage. Und doch kann der Bau eines Zusammenschlusses auch seiner freien Seite nicht entbehren, denn es würde der Raum des Hofes wirkungslos verfließen, verbände nicht ein, wenn auch nur niedriges Gitter mit einem Mittelportal die Flügel, so dem Hofraum bestimmte Grenzen und damit bestimmte Form gebend. Dieser Typus dringt in Deutschland ungefähr um die Wende des 17. und 18. Jahrhunderts ein, analog dem auf allen Gebieten sich anbahnenden Wechsel von holländischen zu französischen Einflüssen. So vertritt ihn auch Schloß Kleinow und fügt sich in die gleichzeitige Entwicklungsreihe ein.

Während sich Künnecke also in dem Anlagetypus des Schlosses eng an die französische Mode angeschlossen hat, berücksichtigt er, wie im folgenden gezeigt wird, neben anderen französischen Einflüssen auch deutsche Sonderheiten.

Einen zweiten Faktor zur Beurteilung der Stellung Künneckes bildet die Grundrißanlage des Corps de Logis, ihre Zimmerfolge und die der anderen Entwürfe Künneckes zu Lust- und Gartenhäusern. Entsprechend den Gewohnheiten und Sitten der Bewohner und den festen Regeln und Zeremonien, in denen sich das Leben, zumal der Höfe, in jener Zeit bewegte, hatte sich im Schloßbau allmählich eine feste Ordnung einer Zimmerfolge ergeben. Je höher der Rang des Bewohners, desto größer der Umfang der Wohnung. So gibt Sturm für einen regierenden Herrn ein großes und ein kleines Vorgemach an, in königlichen Schlössern dagegen drei Vorgemächer, im ersten hatte der Hofjunker, im zweiten der Kammerjunker, im dritten der Kammerherr aufzuwarten. Im allgemeinen bestand die Zimmerfolge aus vier Räumen, und hier

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 12 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

hatte sich zwischen den französischen und deutschen Baustilen ein Unterschied herausgebildet, der oft ein wertvolles Unterscheidungsmerkmal für die Schulung eines Künstlers bildet. Die französische Sitte ordnet hintereinander antichambre, chambre à coucher, cabinet und garderobe. Also das eigentliche Wohnzimmer, das Kabinett, lag hinter dem Schlafzimmer und war nur durch dieses zu erreichen, falls nicht das Schlafgemach selbst mehr zum Wohnen und täglichen Aufenthalt benutzt wurde. Sturm hingegen sagt: "Ein vollkommen Gemach aber hat zum wenigsten ein Vorgemach, eine Audienz oder Paradegemach, ein Schlafgemach und eine Guarderobbe." Also hier bildet das Schlafgemach unserem heutigen Brauch entsprechend das letzte Zimmer. Denkt man aber an die französische Sitte, auf dem Bett liegend Besuche zu empfangen, die in Deutschland wohl nie in dem Maße gepflegt wurde wie in Frankreich, und erst später, als sie in Frankreich schon zur Form erstarrt war, auch an den kleinen deutschen Höfen als Nachahmung französischer Sitten der Form nach Eingang fand, so erklärt sich dieser Unterschied leicht. Betrachtet man nun den Kleinower Grundriß, so findet man dort zuerst den Vorsaal, dann den Speisesaal, der der Wohnung des Herzogs als das von Sturm geforderte Vorgemach diente ("vor den regierenden Herrn gehöret sich aber ein großes Vorgemach, das zugleich zum Speisesaal dienet"), dann folgt das Audienzzimmer und daran anschließend das Schlafzimmer. Allerdings gehörten außer der Garderobe noch zwei durch das Audienzzimmer zu erreichende Kabinette zur Wohnung des Herzogs, die den ebenfalls von den Theoretikern geforderten Zweck, die Kunstschätze des Herzogs aufzunehmen, also als Kunst- und Wunderkammer zu dienen, erfüllten und durch ihren Zugang sich von den durch das Schlafzimmer zu erreichenden französischen Kabinetten unterschieden. Dasselbe Anordnungsprinzip verfolgte die Wohnung der Herzogin auf der anderen Seite des Schlosses. Hierin also folgt Künnecke seinem mecklenburgischen Amtsvorgänger Sturm und dessen von Frankreich abweichenden Theorien. Ein anderer in allen Architekturwerken erwähnter Punkt ist die auch in Kleinow beachtete Anordnung der Zimmer des Hausherrn an der Ostseite, der Hausfrau auf der Westseite, was hier aber an sich bedeutungslos ist, da die eigentlichen Ost- und Westzimmer nicht zu den erwähnten Wohnräumen gehörten, aber doch die Schulung in diesen architektonischen Grundregeln der damaligen Zeit zeigt.

Einen direkten Beweis für die Benutzung eines deutschen Architekturwerkes liefern einige im Archiv zwischen den Plänen

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 13 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

für Kleinow gefundene Blätter mit Grund- und Aufrissen zu Landhäusern aus dem 1722/29 erschienenen Werk von Rud. Fäsch: "Anderer Versuch seiner Architekturwerke." Fäsch, ein Schüler Pöppelmanns, folgt in seiner Frühzeit der barocken Richtung seines Lehrers, in späterer Zeit, der der zweite Teil des Architekturwerkes angehört mit den hier in Betracht kommenden Entwürfen für ganze Bauten, schließt er sich mehr der französischen, die spätere sächsische Kunst beherrschenden Richtung an. Sieht man das Fäsch'che Werk durch, so findet man überall stärkste Anklänge an die Entwürfe Künneckes. So stammt das Motiv eines Landhauses mit je einem nach beiden Seiten vorspringenden, im Innern in drei Räume aufgeteilten Flügel hierher. Eine andere Entlehnung zeigen die auf Grund eines Quadrats mit abgeschnittenen Ecken und mit an diese Ecken angelehnten ebenfalls quadratischen Kabinetten entworfenen Pavillons, die in mehreren Variationen wohl hauptsächlich für den Kleinower und den Neustädter Schloßgarten gedacht waren und wohl auch teilweise ausgeführt wurden. Auch Fäsch gibt meist das Schlafzimmer als letztes, ferner in Giebelfeldern eine Rocaillenkartusche, die fast genau in Künneckes Entwürfen wiederkehrt. Den Speisesaal, den die Franzosen und die barocke Richtung meist durch zwei Stockwerke gehen lassen, soweit er in der Mitte des Gebäudes liegt, dann meist italienischer Saal genannt, findet man bei Fäsch wie in Kleinow einstöckig. Dagegen weicht Künnecke in der Form des ungebrochenen Daches gegenüber dem Marsardendach bei Fäsch, in der ganzen Anlage des bei Fäsch meist geschlossenen Baukomplexes und Unterschieden in der Behandlung technischer Einzelheiten auch erheblich ab, so daß man wohl von starker Anlehnung, aber keinesfalls von Kopie Fäsch'cher Entwürfe sprechen kann, wozu noch der Umstand kommt, daß Fäsch meist für massive Bauten entwirft, Künnecke dagegen nur in Fachwerk baute. So zeigt sich Künnecke als ein starke Anregung empfangender und suchender, aber alles selbständig verarbeitender Architekt, der in den Bahnen der norddeutschen klassizistischen, das Technische dem Künstlerischen gleichstellenden Stilrichtung arbeitete.

Über die Innenausstattung lassen sich nur gelegentlich aus Rechnungen Schlüsse ziehen. Der Vorplatz war mit öländischen Fliesen gedeckt, die Wände in allen Zimmern mit Lambris versehen, die Dielen mit englischem Fußboden belegt. Die Lambris waren "gelbbräunlich gestrichen und teilweise gebohnt", die Wandpaneelung dunkelgrau gestrichen. Die Wohnzimmer und der Speisesaal waren mit Spiegeln aus Neustadt a. d. D. verziert,

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 14 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

einige davon sind in das neue Schloß übernommen, wo sich noch mehrere ganz in Rokoko dekorierte Spiegel befinden, also nicht mehr zur Bauzeit des neuen Schlosses passen. Die Zimmer des Herzogs und der Herzogin waren mit Seidentapeten bespannt, die übrigen gestrichen und später mit bemalten Papiertapeten beklebt. Der Saal wurde 1757 mit Skulpturen, wohl aus Stuck oder Holz, von Busch geschmückt. Die linke Haupttreppe hatte ein durchbrochenes Geländer. Die Möblierung war wohl zuerst sehr einfach und nicht sehr reich, da noch 1760 größere Möbeltransporte aus anderen Schlössern, wie Güstrow und Dargun, und aus Köpenick, wo die Mutter der Herzogin ihren Wohnsitz hatte, nach Kleinow gingen, das gegenüber den ändern Schlössern immer mehr in den Vordergrund trat. Wie für den ganzen Bau, so waren auch für die der Modeströmung noch viel stärker unterworfene und ihr auch viel leichter folgende Innenausstattung die Musterbücher der Zeit maßgebend, wie sie in der herzoglichen Bibliothek vorhanden waren. Daß das Schloß, in seinen Räumlichkeiten zu einem kleineren Jagdschloß für vorübergehenden Aufenthalt des Hofes bestimmt, allmählich seit der Regierung des Herzogs Friedrich zu einer ständigen Residenz erhoben wurde und somit auch die dazu erforderliche prächtigere Ausstattung erhielt, wird einen Zwiespalt zwischen den sehr kleinen Räumen und ihrer Ausstattung gegeben haben.

Künnecke hatte den Bau zu Ende geführt, und es ist nicht bekannt, wie lange er noch in des Herzogs Diensten geblieben ist, und ob er seinen während des Schloßbaues bezogenen Wohnsitz in Neustadt beibehalten oder neue fremde Aufträge angenommen hat. Erst im Jahre 1747 tritt ein neuer Name auf. Der Landbaumeister A. W. Horst unterzeichnete im Januar 1747 in Schwerin den Kostenanschlag für ein fürstliches Gartenhaus. Ob Horst schon längere Zeit vorher in herzoglichen Diensten stand, ist nicht zu ermitteln. Daß er in Schwerin wohnte, deutet darauf hin, daß er schon vorher Landbaumeister war und jetzt, vielleicht nach Künneckes Tod oder Fortzug, auch mit dessen Arbeiten für die herzoglichen Bauten beauftragt wurde. Er behielt auch seinen Wohnsitz in Schwerin. Denn da 1747 Karl Leopold gestorben und Christian Ludwig endgültig Herzog geworden war, brauchte er seine Beamten nicht mehr in seinem Apanagen-Gebiet wohnen zu lassen. Doch hat sich von Horst nur der Aufriß zu einem kleinen einstöckigen Fachwerkjagdhaus unbekannter Bestimmung erhalten. Überhaupt hat er nur vorübergehend die Hofbauten geleitet. Denn sofort nach seinem Regierungsantritt scheint sich der Herzog nach

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen   zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
das alte Schloß in Kleinow
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen   zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 15 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

einem neuen Baumeister umgesehen zu haben. Unter seinen Landsleuten glaubte er keinem die großen Aufgaben, die er sicher noch zu vergeben gedachte, zutrauen zu dürfen, und so berief er den Franzosen Legay, der später durch seine Mitarbeit an den Bauten Friedrichs d. Gr. in Potsdam bekannt wurde. Die Mitte des 18. Jahrhunderts ist die Zeit, in der unter den ausländischen Architekten in Deutschland die Italiener mindestens in Norddeutschland vollständig von den Franzosen verdrängt wurden und an fast allen größeren Höfen ein Franzose die Oberleitung der Bauten hatte. Dury in Cassel, de la Fosse am Darmstädter Hof, Pigage in der Pfalz, Gupiéres in Stuttgart waren um diese Zeit tätig. Wahrscheinlich ist, daß der Erbprinz Friedrich in Paris die ersten Beziehungen zu Legay angeknüpft hat, da beide bald nach seinem Eintreffen in Mecklenburg in enger Verbindung zusammenarbeiteten. Da der Erbprinz sich besonders für Architektur interessierte, wird er sicher seinem Vater zur Berufung dieses ihm aus Frankreich bekannten Architekten geraten haben. Am 16. Oktober 1748 wurde Legay fest angestellt, doch hatte er schon seit 1747 für den Herzog gearbeitet.

Am Kleinower Schloß hat Legay den Aufbau eines Altans ausgeführt, wie aus einem von ihm unterzeichneten Entwurf hervorgeht, der im Landesmuseum aufbewahrt wird. Es handelte sich darum, dem niedrigen Corps de Logis einen Aufbau zu geben, der es ein wenig mehr über die Gebäude an der Hofseite erhob und auch von der Gartenseite stattlicher erscheinen ließ. Legay erreichte dies, indem er das obere Drittel des Daches abdeckte und auf die nun offen liegenden Balken eine schmale Galerie aufsetzte, die von einem hohen Gitter umschlossen wurde. Auf die Mitte über dem Sommersaal wurde ein Uhrturm aufgesetzt, dessen Uhr später beim Abbruch des Schlosses nach dem damaligen neuen Gasthof, dem heutigen Hotel Weimar, kam. Der Uhrturm war mit Festons in Stuck verziert und der Altan ebenfalls (auf der Skizze noch nicht angegeben), wie aus einer Malerrechnung hervorgeht. Die Zeichnungen zu den einzelnen Dekorationen dieser Galerie zeigen die ganz leichte, aber symmetrische Ornamentik französischer Stilrichtung. Was freilich der Bau durch diesen Aufsatz an Höhe und damit an stattlichem Aussehen gewann, verlor er an Einheitlichkeit, da die Galerie dem Schlosse doch nur als Fremdkörper angeheftet und mit ihm nicht recht organisch verbunden war, andererseits die von Künnecke fein abgewogenen Höhen- und Baumassenverhältnisse des Corps de Logis und der Hofgebäude beeinträchtigte. Auch das für Innenräume gedachte

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 16 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

feine Ornament muß am Außenbau kleinlich gewirkt haben. Dieser Umbau wurde im Jahre 1752/53 ausgeführt und 1755 mit Kupfer gedeckt.

Ein anderer kleiner Anbau war schon im Jahre 1750 ausgeführt, es wurde vor das Vorder- und Hinterrisalit je ein auf vier Säulen ruhender Balkon vorgelegt, zu dem die Zeichnungen von A. W. Horst stammen. Das Gitter der oberen Balkons bildete ein leichtes Holzstabmuster. Der Vorbau war an der Hofseite so breit, daß eine Karosse darunter vor die Eingangstür vorfahren konnte. Die höfische Sitte, die auch beim späteren Bau wieder wirksam wurde, und der Wunsch, vor dem Sommersaal einen Balkon zu haben, veranlaßten den Bau. Zum letzten Male wurde 1757 am Schloß gearbeitet. Christian Ludwig war 1756 gestorben, und sein Nachfolger wählte das Schloß zu seiner dauernden Residenz. Nun wurde es neu gestrichen und repariert und außerdem der linke Flügel, der bisherige Pferdestall, zu einer Wohnung für den Prinzen Ludwig, den Bruder des neuen Herzogs ausgebaut und als Ersatz in der Nähe ein neuer Pferdestall errichtet. Diese Umbauten leitete als seine ersten Bauarbeiten Legays Nachfolger, der spätere Hofbaumeister, bisherige Hofskulpteur Joh. Joach. Busch.

Das Schloß Kleinow, seit 1754 Ludwigslust genannt, war als Jagdschloß erbaut worden. Als der Herzog Friedrich es aber zu seiner Hauptresidenz erhob und bei ihm die gleichnamige neue Residenzstadt Ludwigslust mit Hilfe seines Baumeisters Busch erbaute, wurde der Mangel eines geräumigen Schlosses immer fühlbarer. Dies und die Baulust des Herzogs führten endlich 1772 Zum Bau des neuen Schlosses, das, unmittelbar hinter dem alten errichtet, 1776 vollendet wurde. In dem darauffolgenden Jahre wurde das Corps de Logis des alten Schlosses abgerissen. Die Flügel standen noch bis zum Jahre 1846 bzw. 1848, da der zuerst ebenfalls geplante Bau neuer Flügel aus Mangel an Geldmitteln nicht ausgeführt, wurde.

Gleichzeitig mit dem Schloßbau fand die Anlage des Schloßgartens statt. Das Schloß stand in dem schon oben genannten Verwaltergarten. Am 21. Januar 1732 ward, wie bereits erwähnt ist, Karl Leopold nach Danzig berichtet, Christian Ludwig ruiniere den Garten in Kleinow, lasse Obstbäume fällen und eine Schneise vom neuen Gebäude nach Kummer durchschlagen, die wohl später zur heutigen Kanalanlage ausgebaut wurde. Die Pläne zur ersten Gartenanlage stammten wahrscheinlich auch von Künnecke, denn im Juli 1733 schrieb ihm ein Hofbeamter v. Rhein: "Der Garten solle nicht eingeschränkt werden." Die von ihm ausge-

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 17 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

führten Anlagen werden nur sehr einfach gewesen sein, denn schon 1741 wurde der Garten nach einem Entwurf des Schweriner Schloßgärtners Gallas umgebaut und erweitert, am Anfang der 50er Jahre unter Legays Leitung wurden Springbrunnen angelegt und ebenfalls Veränderungen vorgenommen. Die Umgestaltung durch Gallas war in Anlehnung an die ehemalige Anlage des Belvederegartens in Wien erfolgt, wie ein bei dem Entwurf des Gallas für Kleinow gefundener, wohl ebenfalls von seiner Hand stammender Grundriß des Belvederegartens beweist. Natürlich konnte sich diese Anlehnung nur auf einzelne Züge beschränken, da dort ein abfallendes, reich mit Wasser versehenes Gelände, hier ein ebenes, sandiges Gelände zur Verfügung stand. Der heutige Ludwigsluster Schloßgarten läßt nur noch wenig von der Anlage aus der Zeit des Herzogs Christian Ludwig erkennen, da die lange schon unter Legay sich anbahnende und bis in unsere Tage dauernde Vorliebe für regellose englische Parks die Anlagen früherer Zeit zum größten Teil in ihrem Sinne umgestaltet, zum andern Teil durch Vernachlässigung hat zugrunde gehen lassen. Nur einige der alten Anlagen haben sich bis heute bewahrt. Bei ihrer Betrachtung ist es natürlich nicht immer zu erkennen, welche Anlagen von Künnecke und Gallas, welche von Legay und welche von dem anfangs auch noch in den Bahnen barocker Gartenkunst gehenden Busch stammen, denn fast alle Grundpläne gehören einer späteren Zeit an, und nur einige wenige Zeichnungen aus der ersten Zeit sind erhalten. Die Anlage des Parkes, wenigstens in der Umgebung des Schlosses war natürlich in voller Symmetrie zu diesem gehalten, und seine Grundzüge bestimmen auch noch das heutige Bild. Vor der Gartenfront des Schlosses lag ein großes rechteckiges Parterre, dessen Längsachse senkrecht zur Breitenachse des Schlosses stand, und das, in vier kleine Rechtecke geteilt, in ornamentalen Mustern bepflanzt war. Die Querachse in der Mitte lief rechts in den Küchengarten, der den gleichen Umfang wie das Parterre hatte, und bildete nach links eine Allee, die wiederum von einer Querachse geschnitten wurde, deren Enden in zwei runde Pavillonbesetzte Inselchen auslief.. Die Mitte des Küchengartens bildete ein Wasserbecken mit einer Fontäne. Die Achse des Parterres wurde von einer Allee fortgesetzt bis zum Ende des Gehölzes. Das Parterre wurde umgeben von Bosketts und Heckengängen, die in sich unsymmetrisch angelegt waren, und dahinter von einer Mauer, die von Portalen an den Achsenschnittpunkten unterbrochen war. Die erwähnte Allee zur Linken führte zu einer von flachem Wasser umgebenen Insel, an deren Ende

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 18 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

heute die katholische Kirche steht. Die Richtung dieses Platzes, der einen besonderen Garten bildete, später nach den hier aufgestellten Büsten römischer Koffer aus der Ludwigsluster Kartonfabrik Erster Kaisersaal genannt, weicht von der Achse des Schlosses und des Parterres ab und war wohl durch vorhandene Wasserläufe und Terrainschwierigkeiten bestimmt. Hier standen an der Nordostseite, wie aus alten Plänen zu ersehen ist, ein größeres Lusthaus mit einem Saal, einer Galerie und zwei Kabinetten, in denen Teile der herzoglichen Gemäldesammlung untergebracht waren, ferner symmetrisch zu diesem Lusthaus an der andern Seite des Platzes zwei kleine Pavillons, zwischen denen noch ein zweites Lusthaus geplant war. Der Platz diente der Hofgesellschaft noch bis ins 19. Jahrhundert als Festplatz bei Sommergartenfesten. Der Park war geschmückt mit Statuen, Bassins, Tempelchen, Grotten usw. Erwähnt werden zwei heute nicht mehr vorhandene Statuen der Musik und Malerei. Zu den verschiedenen Lusthäusern sind sehr viele Skizzen und Entwürfe vorhanden, und alle zeigen den Stil Künneckes und seine Anlehnung an das Fäsch-sche Werk. Der Anlagetypus des Gartens war der durch das Wiener Vorbild gegebene Garten des Hochbarock, im Gegensatz zu dem im Schweriner Schloßgarten gegebenen späteren Typus, der an dem Fortfall der in Kleinow noch vorhandenen, das Parterre einfassenden Bosketts und an dem freien Übergang des Mittelparterres in die Baumpflanzungen zu erkennen ist.

 

Vignette
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen [ Seite 19 ] zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

II.

Studien zur Geschichte des

Herzogs Christian (Louis)

(1658-1692)

von

Studienrat Professor Dr. Richard Wagner.

 

Vignette
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen [ Seite 20 ] zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen [ Seite 21 ] zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Der Feldzug des Herzogs Christian Louis und des Regiments Halberstadt für Ludwig XIV.

(1672-74) 1 )

Wie Herzog Christian, der älteste Sohn Adolf Friedrichs I." der nach dem Tode des Vaters (1658) die Regierung der Schwerinschen Hälfte des Mecklenburger Landes übernahm, im Jahre 1663 auf einer Reise nach Frankreich zum Katholizismus übertrat, dem französischen König Ludwig XIV. zu Ehren den Zunamen Louis annahm und, nachdem er sich mit einer französischen Prinzessin, Isabelle Angélique von Montmorency, vermählt, ein Schutzbündnis mit der Krone Frankreich erwirkte, ist in Bd. 74 dieser Jahrbücher berichtet worden. Auf Grund dieses Bündnisses war die französische Regierung bemüht, dem Herzog in seinen mannigfachen Bedrängnissen zu helfen 2 ), erfüllte indessen seine weitgehenden Erwartungen nicht. Da er aber mit der ihm eigenen Folgerichtigkeit an der Vorstellung festhielt, das französische Bündnis habe den Angelpunkt seiner Politik zu bilden, so kam er nach einigen Jahren um die Zeit, als man in Frankreich den Krieg gegen Holland vorbereitete, auf den Gedanken, durch gute Dienste während dieses Krieges eine Erneuerung des Bündnisses in vorteilhafterer Form zu erreichen. Bekanntlich hat ja eine ganze Reihe deutscher Fürsten, an ihrer Spitze der Erzbischof von Köln und der Bischof von Münster, an diesem Kriege auf Seiten Frank-


1) Den Stoff für diese Studie haben ebenso wie für die früheren (Jahrb. 70 und 74) die für die ganze Regierungszeit des Herzogs sehr reichhaltigen Akten des Geheimen und Haupt-Archivs zu Schwerin dargeboten, außerdem ist Band 3 eines im Archiv aufbewahrten dreibändigen Manuskripts des Geh. Archivrats Wigger († 1886) benutzt: die drei Bände haben die Aufschrift: Der Fürstenhof zu Grabow, Band 3 hat den besonderen Titel: Meckl. Geschichten aus den Jahren 1672 bis 74.
2) S. Meckl. Gesch. i. Einzeldarstellungen, Heft IX, Wagner, Herzog Christian Louis I. (fortab zitiert Chr. L.), S. 63 ff.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 22 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

reichs teilgenommen, von deren Absichten der Herzog jedenfalls bereits vorher Kenntnis hatte.

Ehe indessen sein Plan bestimmte Gestalt gewann, geriet er mit seinem Schwager, dem Herzog von Luxemburg, in ein schlimmes Zerwürfnis, das alle seine Berechnungen zu durchkreuzen drohte. Luxemburg war zum Führer des deutschen Hilfsheeres ausersehen und weilte, um im geheimen Vorbereitungen für den Feldzug zu treffen, schon im Jahre 1671 an der holländischen Grenze. Dorthin berief er seinen Schwager, der schon seit Beginn des Jahres 1670 wieder in Paris weilte, zu einer wichtigen Unterredung. Dabei stellte er, angeblich im Auftrage des Königs, an ihn das Ansinnen, für den Dienst des Königs in Mecklenburg Truppen anzuwerben und sie heimlich in Abteilungen von 10 bis 20 Mann nach Frankreich zu schicken. Diese Art Unterstützung - ohne irgendwelche Gewähr einer Gegenleistung .- war nicht im Sinne des Herzogs, er beteuerte also zwar seine lebhafte Freude über die Gelegenheit, dem Könige seine Ergebenheit zu beweisen, bat aber, unter Hinweis auf seine Ungewandtheit in der französischen Sprache, seine endgültige Antwort bis dahin verschieben zu dürfen, daß er näher von des Königs Absichten, von der Rolle, die er selbst dabei spielen solle, und von der Sicherheit, die man dafür ihm selbst und seinem Lande zu gewähren bereit sei, unterrichtet sein werde. Über diese ausweichende Antwort geriet der stolze Franzose derart in Zorn, daß er sich zu beleidigenden Ausfällen gegen den Herzog hinreißen ließ. 3 ) Dieser blieb - nach seiner eigenen Schilderung - aus Achtung für seinen Schwager ruhig und bat nur, man möge ihm eine Unterredung mit Sr. Majestät ermöglichen, erhielt aber die schroffe Antwort, der König habe keine Zeit, ihn zu sehen oder anzuhören. Die beiden Schwäger trennten sich in Unfrieden, und Luxemburg verbreitete nun am Versailler Hofe die Rede, der Herzog habe sich geweigert, in seinem Lande für den König Truppen anwerben zu lassen, wozu er sich doch in dem Bündnis von 1663 verpflichtet habe, er sei überhaupt ein Mensch sans parole, auf den man sich nicht verlassen könne. Um dieses Vorurteil zu zerstreuen, entschloß sich nun der Herzog nach seinem Lande zu gehen, dort auf eigene Hand ein Reiterregiment aufzustellen und es persönlich dem Könige zuzuführen. Auf diese Reise nahm er auch seine Gattin mit, die bei dieser Gelegenheit zum ersten und letzten Male das Heimatland ihres Gatten kennen lernte.


3) On esclata en injures. qu'il n'est pas nécessaire de mettre sur le papier, heißt es in der bald zu erwähnenden Denkschrift des Herzogs. Luxemburgs Auffassung des Vorganges wird vermutlich eine etwas andere gewesen sein.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 23 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

In Mecklenburg stellte er also zum Mißbehagen seiner Räte und seiner Untertanen eifrig Werbungen an, als deren Zweck er den Schutz des niedersächsischen Kreises in der unruhigen Zeit bezeichnete. 4 )

Um seine eigentlichen Absichten besser verschleiern zu können, siedelte er schon wenige Tage, nachdem er seine Gattin in feierlichem Einzuge in das Schloß seiner Väter zu Schwerin geführt hatte 5 ), nach Ratzeburg über, während die Herzogin mit dem Hofstaat in Schwerin blieb. Schon vorher hatte sie sich bemüht, durch Briefe ihren Bruder und den König selbst zu begütigen, indem sie sie von der Absicht ihres Gatten in Kenntnis setzte. Dem Herzog von Luxemburg war das mecklenburgische Regiment willkommen, aber gegen die persönliche Führung des Schwagers hatte er Bedenken und schlug ihm in einem Schreiben vom 24. März aus Köln vor, er möge dem Bischof von Münster 300 Reiter - jeden für 45 Taler - überlassen. Nach der Darstellung des Herzogs kam auch ein Vertrag über die Abtretung dieser 300 Reiter an Münster zustande, wurde aber einen Monat später von Münster wieder aufgehoben. Der König antwortete (den 5. April) seiner Kusine mit freundschaftlicher Höflichkeit, für die Sache selbst aber verwies er sie auf ein gleichzeitiges Schreiben seines Ministers und Staatssekretärs Pomponne. Darin wird der gute Wille des Herzogs belobt, zugleich aber ihm das Bedauern des Königs ausgedrückt, daß dieser die volle Zahl der Truppen, die aufzustellen er sich vorgenommen, schon unter Waffen habe. Daran schließt sich der Rat, der Herzog möge seine Truppen in das Heer der Verbündeten des Königs eintreten lassen und sich darüber mit dem Herzog von Luxemburg ins Einvernehmen setzen.

Nachdem sich die Verhandlungen mit Münster zerschlagen hatten, sandte der Herzog seinen Kammerjunker de Vandeuil an seinen Schwager mit dem Auftrage, ihn darauf aufmerksam zu machen, daß der Herzog ohne Aufforderung des französischen Hofes auf eigene Kosten und auf die Gefahr hin, sich mit allen Nachbarn, besonders Brandenburg und Lüneburg-Celle zu überwerfen, die Truppen geworben. Mit dem Bischof von Münster habe er über Abtretung eines Teiles der Truppen in Verhandlungen gestanden, die aber von Münster abgebrochen seien; deshalb habe er beschlossen, sich mit seiner Mannschaft dem Könige selbst darzu-


4) In einem Erlaß vom 11. Februar (nach dem neuen, Gregorianischen Kalender wie alle Daten in dieser Arbeit) 1672, worin er die Werbung von 14 Kompagnien Reiter zu je 70 Mann anordnet.
5) Der Einzug fand am 10. April 1672 statt.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 24 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

bringen. Dafür aber möge Luxemburg seinen ganzen Einfluß geltend machen, um seinem Schwager einen festen Vertrag, der ihn sicher stelle, zu verschaffen. Luxemburg sagte unter anerkennenden Worten für den Eifer seines Schwagers seine Fürsprache zu, aber mag sie erfolgt sein oder nicht, das wichtigste Ziel des Herzogs, ein neues Bündnis mit Frankreich, ward nicht erreicht. 6 )

Währenddessen vervollständigte der Herzog die Ausrüstung seiner Truppen und traf dann in aller Stille die letzten Vorbereitungen für den Abmarsch. Zu gleicher Zeit warb sein Bruder, Herzog Friedrich von Grabow, der Vater der drei Nachfolger Christian Louis', der Herzöge Friedrich Wilhelm, Karl Leopold und Christian Ludwig II., ein Regiment für Brandenburg. Als ihm Werbungen auf mecklenburgischem Boden durch einen scharfen Erlaß seines regierenden Bruders untersagt wurden, verlegte er seinen Werbeplatz in die benachbarte Priegnitz und brachte dort ein Reiterregiment von 6 Kompanien zu je 70 Mann - also 420 Mann - zusammen, an dessen Spitze er mit dem brandenburgischen Heere für Holland gegen Frankreich ins Feld zog. So haben in diesem holländischen Kriege zwei Brüder aus dem mecklenburgischen Fürstenhause und mit ihnen auf jeder Seite mehrere Hundert Landeskinder gegeneinander in Waffen gestanden, ein drastisches Beispiel des mangelhaften Zusammenhaltes, den damals das Deutsche Reich und seine Glieder zeigten, und eine treffende Beleuchtung für den Wert des Rechtes, das den deutschen Reichsfürsten im Westfälischen Frieden zugesprochen war, mit auswärtigen Mächten auf eigene Hand Verträge zu schließen, ja selbst Kriege zu führen. Es war eine Gunst des Schicksals, daß sich die beiden mecklenburgischen Regimenter während des Feldzuges niemals unmittelbar gegenübergestanden haben.

Trotz dringender Vorstellungen seiner Räte, insbesondere des Kanzlers Wedemann, der ein entschiedener Gegner der französischen Politik seines Herrn war, setzte der Herzog den 15. Juni 1672 acht Kompanien von Ratzeburg aus in Bewegung, vier ließ er vorläufig im Lande mit der Absicht, sie später nachkommen zu lassen, was er aber dann wegen des wenig befriedigenden Verlaufes seines Feldzuges aufgab. Von den acht Kompanien waren sieben Kompanien Gardereiter unter Oberstleutnant Müller und eine Kom-


6) In der Allianz, die den 4. April 1672 zwischen Frankreich und Schweden geschlossen wurde, fand ein Passus Aufnahme, der beiden mecklenburgischen Herzögen die Erhaltung ihrer Länder gewährleistete; hierin liegt, was Christian Louis betrifft, eine Gunstbezeugung Frankreichs; Herzog Gustav Adolf von Güstrow stand mit Schweden in Freundschaft.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 25 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

panie Dragoner unter Oberstleutnant (bald darauf Oberst) v. Bibow. Kommandeur des Ganzen war Oberst v. Halberstadt, bisher Inspekteur der mecklenburgischen Festungen. Die Gesamtstärke der acht Kompanien betrug 600 Mann.

seinen Räten zeigte der Herzog erst den 16. Juni aus Ratzeburg an, er stehe im Begriffe, sich von dort "für eine geringe Zeit an einen andern Ort zu begeben" - freilich war dieser andere Ort ein recht offenes Geheimnis -, am 19. weist er sie von Blankenese aus, unmittelbar vor dem Aufbruch, an seine Gemahlin, der er "Verordnung zurückgelassen, wie es in seiner Abwesenheit gehalten werden solle". 7 )

Marsch und Reise gingen in anerkennenswerter Schnelligkeit über Bremen nach Lingen (an d. Ems), wo der Herzog mit seinen Truppen am 28. Juni ankam. Von hier aus verlangte er eine Geldsendung aus der Heimat, die durch eine außerordentliche Anlage aufgebracht werden soll, und begründete seine Forderung mit den Worten, er habe "seine Reise nicht zu seinem plaisir, sondern zu Conservier- und Aufnehmung seiner Landen und Untertanen angetreten. Es heiße nach der alten Regel: Is, qui sentit commodum, debet etiam sentire incommodum."

Den 9. Juli hatte das Regiment nach Eilmärschen, die Desertionen unter den Mannschaften hervorriefen, die holländische Grenze erreicht. In Doetinchem gab es einige Ruhetage, dann unternahm Halberstadt, ohne sich mit der französischen Truppenleitung vorher ins Einvernehmen zu setzen, eine Rekognoszierung gegen den Feind, was ihm von den Franzosen freilich übel vermerkt wurde. Der Herzog hatte sich von seinem Regiment getrennt, um den König aufzusuchen.

König Ludwig war in siegreichem Zuge durch das brandenburgische Kleve, wo er die damals noch von den Holländern besetzten Festungen nahm, den Rhein abwärts in Holland eingedrungen, hatte auch dort schon im Juni und Anfang Juli eine Anzahl Plätze, wie Doetinchem, Arnheim u. a. genommen und am 5. Juli seinen Einzug in Utrecht gehalten. Gleichzeitig rückte auch der Bischof von Münster weiter im Norden mit seinen, den kölnischen und den übrigen verbündeten deutschen Truppen über Zütphen, Deventer und Zwolle in Holland ein. Es waren die Tage, auf die sich die Wendung "Holland in Not" bezieht.


7) Er setzte sie für die Zeit seiner Abwesenheit als Regentin ein, eine Aufgabe, der sie sich mit Eifer und Hingabe unterzog, nach wenigen Monaten nicht zur Zufriedenheit des gestrengen Gatten s. Chr. L. S. 96 ff.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 26 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Als Ludwig auf dem Marsche von Utrecht nach Herzogenbusch war, erreichte ihn Herzog Christian Louis in Hären, südlich von Herzogenbusch. König Ludwig empfing den Vetter mit gewohnter Höflichkeit. Am 11. schreibt der Herzog darüber an Halberstadt aus Arnheim, und zwar aus dem Quartier des Königs, in das er also mitaufgenommen war. "Der König hat mir Worte gesprochen, nachdem ich ihm meine Intention entdeckt, daß ich sehr content von ihm bin." Auch Turenne, den französischen Feldherrn, und die Minister sprach er, berichtet aber über den Inhalt dieser Gespräche nichts.

sein Regiment hatte sich inzwischen keiner guten Aufnahme zu erfreuen. Die Franzosen sahen auf diese Bundesgenossen, die sich ihnen nun, wo sie den Sieg schon in sicherer Hand zu haben meinten, ungerufen aufdrängten, mit unverhohlener Geringschätzung herab.

Halberstadt mußte seinem Herrn den 15. Juli aus Gendringen (östlich von Emmerich) melden, mit seinen Truppen sehe es traurig aus, es fehle an Geld zum Solde, man gönne ihnen kein Obdach, ja kaum einen Platz im freien Felde. Der Gouverneur von Emmerich und der Kommandant von Zütphen hätten wiederholt schriftlich verlangt, sie sollten "sich packen", und gedroht sie mit Gewalt zu entfernen. Dagegen hätten sich der Gouverneur von Doesburg und der Oberkommissar von Zütphen ihrer mitleidig angenommen und ihnen etwas Brot gereicht.

Auch für sich selbst beklagt sich Halberstadt lebhaft: er habe zu dem Feldzuge keinen Reichstaler bekommen und solle doch als Oberst auftreten. "Und ob ich wohl," so schreibt er, "die armen Bauern, so das Ihrige verlassen und flüchten müssen, zu Zeiten beklage, so befinde, daß ich mit denen bei mir habenden Truppen viel elender als sie, ja ärger denn ein Rohrdommel, dem in der Wüsten noch ein Nest gegönnet wird, leben muß."

Er erklärt dann seine Absicht, das Regiment ganz von der französischen Armee zu trennen und zu den deutschen Verbündeten stoßen zu lassen, im Falle sie da angenehm und willkommen seien.

Der Herzog sandte vorläufig 1000 Taler Sold und antwortete den 17. Juli: ,,Ich erwarte morgen oder übermorgen die letzte Resolution, wozu man uns employieren will."

Diese Resolution war für ihn eine Enttäuschung. Er hatte sich mit der Hoffnung getragen, selbst in der französischen Armee, gleich den französischen Prinzen von Geblüt, wie Condé und Luxemburg, einen seiner hohen Stellung entsprechenden Posten zu bekommen - als Kavalleriegeneral - und so der oberste An-

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 27 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

führer seiner Truppen zu werden. Statt dessen speiste man ihn mit höflichen Worten ab, und von seinen Truppen wollte man vollends nichts wissen. Endlich wurde bestimmt, daß von den acht Kompanien fünf unter Halberstadt in kölnischen Sold treten, drei unter Oberstleutnant v. Oertzen mit der herzoglichen Bagage bei der französischen Hauptarmee bleiben sollten, eine Zersplitterung, die der Leistungsfähigkeit beider Abteilungen nicht eben förderlich sein konnte.

Den 26. Juli verließ der König den Kriegsschauplatz und ging nach Paris zurück, in seinem Gefolge auch Herzog Christian Louis. 8 )

Der Kurfürst von Köln war gerne bereit, die fünf Kompanien zu übernehmen, wünschte aber noch 2 Kompanien mehr, was Halberstadt wiederholt empfahl, damit man ein vollständiges Regiment von sechs Kompanien - ohne die Dragoner - habe. Der Herzoge verstimmt über die Undankbarkeit der Franzosen, lehnte das ab, ebenso wie den andern Vorschlag, die Dragoner-Schwadron absitzen zu lassen und zu einem vollständigen Infanterieregiment zu erweitern.

Halberstadt, der langsam nach Norden marschiert war, wurde endlich angewiesen, das Belagerungsheer vor Groningen zu verstärken. Da erhob sich eine neue Schwierigkeit. Die Mecklenburger waren wohl bereit gewesen, für ihren angestammten Herzog ins Feld zu ziehen, aber an den Kurfürsten von Köln wollten sie sich nicht verkaufen lassen. Es kam zu einer offenen Meuterei. Nur die Dragoner-Kompanie "blieb in etwas beständig". Die anderen vier setzten sich zu Pferde und bemächtigten sich einer Standarte. Halberstadt und Bülow ließen eine Wagenburg schlagen und stellten die Dragoner mit den sämtlichen Offizieren, die sie an sich gezogen, dahinter. Als nun eine der anderen Kompanien, die Behrsche (die des Rittmeisters v. Behr), heransprengte und ihre Standarte verlangte, drohte Halberstadt, Feuer geben zu lassen. Die Meuterer hielten an, darauf redete ihnen Halberstadt scharf ins Gewissen, und sie kehrten zum Gehorsam zurück gegen Gewährung von Verzeihung. Dafür setzte Halberstadt durch, daß seine Leute nicht dem Erzbischof den Eid zu leisten brauchten, sie blieben also Mecklenburger Truppen und galten als Verbündete des Erzbischofs.

Vom 1. bis 27. August standen die Mecklenburger vor Groningen; wegen des heldenhaften Widerstandes der holländischen Besatzung und anhaltenden Regenwetters wurde den 27. die Be-


8) Über seine Erlebnisse dort (er wurde für etwa zwei Monate unter Bewachung gestellt, weil er seine Gattin in Schwerin, als sie abreisen wollte, in Gewahrsam hatte nehmen lassen) s. Chr. L. S. 103 ff.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 28 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

lagerung aufgegeben, eines der Symptome, daß das im ersten Ansturm überraschte und überrannte holländische Volk sich zum Widerstande aufgerafft. Die Mecklenburger hatten bei der Belagerung keine Gelegenheit gefunden, sich hervorzutun.

Den September hindurch stand Halberstadt vor Steenwyk, die Truppen hatten bei fortdauerndem Regenwetter viel zu leiden, da sie weder Zelte noch Mantel hatten.

Im Oktober zogen die geistlichen Herren ihre Truppen nach Westfalen zurück, das von Brandenburgern angegriffen war. Es kam hier nicht zu Kämpfen, aber der Zustand der Truppen ward immer elender. Halberstadt meldete, die Uniformen seiner Reiter seien so zerrissen, daß er sich schäme, mit ihnen aufzuziehen, auch hatten die Kompanien durch Seuchen und Desertionen viele Mannschaften verloren, es waren gegen Ende Oktober nur noch 167 Mann, ohne die Dragoner, deren Stärke gegen 80 Mann betrug.

Trotzdem wußten sich die beiden leitenden Offiziere, Halberstadt und Bibow, bei den Verbündeten in Achtung zu setzen. Halberstadt erhielt das Kommando auch über kölnische Reiter. Bibow lag Anfang 1673 in der kleinen Stadt Wert (zwischen Soest und Unna). Dort griffen ihn am 6. Januar die Brandenburger an. Sie berannten die Stadt und forderten am 7. ihre Übergabe. Bibow hatte seine Dragoner gerade auf eine Streifpartie ausgeschickt und hatte nur 300 Soldaten bei sich. Mauer und Graben waren in schlechtem Zustande. Dennoch weigerte er die Übergäbe. Darauf machten die Brandenburger drei Angriffe, die Bibow mit seinen Leuten und den Bürgern, die willig und tapfer mithalfen, abwies. Dann ward das Städtchen 10 Tage lang stark beschossen. Trotzdem lehnte Bibow eine zweite Aufforderung zur Übergabe wiederum ab. Da gab der Feind trotz seiner großen Überzahl die Belagerung auf. Auch die Dragoner hatten inzwischen auf ihrer Streife Erfolg gehabt, über den indessen nichts Genaueres berichtet wird. Zur Belohnung verlieh der Kurfürst (von Köln) dem Obersten ein Infanterieregiment von sieben Kompanien. Und als später der Marschall Turenne in diese Gegend kam, besuchte er die Stadt, ließ sich den Hergang erzählen und schenkte Bibow ein englisches Pferd.

Am kläglichsten erging es den drei Kompanien, die unter Oberstleutnant v. Oertzen bei der französischen Hauptarmee zurück-gelassen waren, und der bei ihnen verbliebenen Bagage des Herzogs, Oertzen schreibt den 3. August aus der Gegend von Herzogenbusch, er habe stündlich Ordre erwartet, wie er nebst der

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 29 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Equipage sich verhalten solle. Da die Ordre aber bisher ausblieben, so seien sie "ein Spott und Verachtung der Leute, inbetracht Uns ein jeder anfährt und fraget, was wir allhier wollen und warum wir uns allhier so lange aufhalten, da doch aller großen Herrn Equipage schon weg ist." Die drei Kompanien täten zwar täglich Dienst, aber ohne Brot oder Geld zu erhalten. Dazu habe er vertraulich erfahren, daß die Leute des Rittmeisters Heidereiter, dessen Kompanie gerade als die beste, die Leibkompanie, galt, die Absicht hätten, die Bagage, falls sie in die Heimat zurückgesandt werden solle, zu plündern, um in den Besitz von Geld zu kommen. Trotzdem rät Oertzen dringend, die Bagage nach Mecklenburg zurückzusenden, wozu sich aber der Herzog so schnell nicht entschließen konnte.

Den 12. August berichtet Oertzen von einem bösen Auftritt, der den 10. vorgefallen sei. Einige Mecklenburger Reiter waren zur Bagage kommandiert, als nun unterwegs unter den Gepäckwagen ein Durcheinander entstand, gerieten die Mecklenburger mit Franzosen in Streit, so daß beide Parteien die Pistolen und Degen gegeneinander zogen. Der Marschall Turenne kam darüber zu und gebot Friede. Da legte einer der mecklenburgischen Reiter seine Pistole auf ihn an, - der Schuß versagte aber, der Täter wurde sofort ergriffen, vor ein Kriegsgericht gestellt und, obgleich er erklärte, den Marschall nicht gekannt zu haben, gehängt. Besonders hatte sich Oertzen über die Franzosen im Troß des Herzogs zu beklagen, sie betrügen sich unverschämt und wollten nicht wie die Deutschen vorlieb nehmen. So gut es ging, suchte er sich und seine Leute mit geliehenen Geldern durchzuhelfen, bat aber wiederholt dringend um seine Entlassung in die Heimat, er sei jedoch erbötig, falls der Herzog es wünsche, die Bagage dorthin mitzunehmen. Doch wurde es nach einigen Wochen besser, als die Truppen der Brigade des Grafen Königsmark zugewiesen wurden, der ihnen Brot und Sold geben ließ und auch der Bagage sich annahm.

Anfang September wurde auch die Belagerung von Herzogenbusch abgebrochen, Turenne zog auf das rechte Rheinufer gegen die Brandenburger. Vor dem Abmarsch wurden die Mecklenburger den 1. September auf die Dauer des französischen Dienstes für den König von Frankreich in Pflicht genommen, mit der Zusicherung, sie sollten zur Verfügung des Herzogs und nur, so lange dieser es wünsche, bei der französischen Armee bleiben. Trotzdem desertierten auf dem rechten Rheinufer eine ganze Anzahl. Am 18. September betrug die Stärke der drei Kompanien, Offiziere

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 30 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

eingeschlossen, 155 Mann. An diesem Tage übergab Oertzen mit Genehmigung des Marschalls Turenne das Kommando an Rittmeister v. Plessen, einen gewissenhaften und umsichtigen und darum auch bei den Truppen beliebten Mann, er selbst kehrte mit .der ganzen Bagage nach Mecklenburg zurück. Der Herzog hatte allerdings angeordnet, sie solle nach Lüttich geführt werden und dort ihn oder weitere Ordre erwarten. Der Marschall aber erklärte den Marsch nach Lüttich des Feindes wegen für unmöglich, somit nahm Oertzen die Verantwortung für den Rückmarsch auf sich.

Inzwischen hatte sich der Herzog (im August 1676) mit einer Denkschrift, bei deren Abfassung ihm unter anderen auch Herr v. Feuquière, einer der tüchtigsten Diplomaten am französischen Hofe, seine Unterstützung geliehen, an den König gewandt. Er weist darin auf seine unbegrenzte Verehrung für den König und bewiesene Opferwilligkeit hin, auch auf die Gefahren, in die er sich durch sein Interesse für den König gestürzt - man befürchtete damals einen Einfall der Brandenburger in Mecklenburg, und einmal entstand auch eine panische Flucht unter dem Landvolk im Westen des Landes -, somit bittet der Herzog um den bereits mündlich verheißenen Schutz des Königs. Im einzelnen wünscht er Weisungen an die französischen Gesandten in Wien und Regensburg, dem Kaiser und dem Reichstage zu erklären, König Ludwig habe den Herzog von Mecklenburg-Schwerin unter seine Protektion genommen und sich verpflichtet, seine Person und sein Land besonders gegen Brandenburg zu beschützen. 9 )

Eine entsprechende Erklärung wird gewünscht an den Kurfürsten von Brandenburg, ferner eine Aufforderung an Schweden, nötigenfalls Mecklenburg gegen Brandenburg zu beschirmen. Weiter wünscht der Herzog, Frankreich möge in Wien eine Entschädigung Mecklenburgs erwirken für die Truppendurchzüge und Einquartierungen, die es - in den Jahren 1658 bis 1660 während des schwedisch-polnischen Erbfolgekrieges - erfahren. Endlich bittet er, "damit sein Eifer nicht fruchtlos bleibe", um einen seinem Range entsprechenden Posten in der französischen Kavallerie. 10 )


9) Il sera obliqué de le défendre, si l'on entreprend quelque chose contre sa personne ou contre ses états et si ses terres souffrent le moindre dommage des troupes de l'empire ny de celles de Mr. l'électeur de Brandendenbourg. sous quelque cause et prétexte que ce soit.
10) d'un employ digne de na naissance parmi ses troupes de cavallerie; er verspricht, sich dieses Postens anzunehmen mit all dem Eifer und der Treue, die der König erwarten darf d'un prince, qui a témoigné par toutes ses actions, qu'il voulait vivre et mourir fidèle au service du roi.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 31 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Feuquière übernahm die Übermittelung dieser Vorschläge, dafür sicherte ihm der Herzog zu, seinen Sohn zum Führer des "Regimentes Mecklenburg" zu ernennen, falls der König, wie ebenfalls erbeten werden sollte, aus den drei Kompanien ein solches bilde und dem Herzog die Bestellung des Kommandeurs überlasse.

Eine direkte Antwort des Königs an den Herzog scheint nicht erfolgt zu sein, durch Feuquière erfuhr er aber, daß der König angeordnet habe, seine Gesandten in Deutschland und anderswo (also in Schweden) sollten Weisungen den Wünschen des Herzogs gemäß erhalten. Ob sich dies auch auf die Entschädigungsforderung für die Truppendurchzüge erstreckte, die aussichtslos war, dürfte zweifelhaft sein. Das Regiment Mecklenburg wurde bewilligt und seine Verleihung an den jungen Feuquière genehmigt. Aber des Herzogs Wunsch, eine Stelle in der französischen Armee zu erhalten, wurde abgelehnt, mit der höflichen Wendung, daß alle Posten, die seiner würdig wären, besetzt seien. 11 )

Mit diesem Erfolg war er zufrieden und beantwortete alle Zuschriften seiner Räte, die ihn immer aufs neue bestürmten, sich von den Franzosen loszulösen, ablehnend. Ein Anschluß an seine Nachbarn (z. B. Brandenburg) sei nur durch Geld oder "Abtretung einiger Landespertinenzien oder durch gänzliche Submission" zu erhalten. "Derohalben Uns gar nicht zu verdenken stehet, wenn Wir eine solche Partei, deren Schutz und Hilfe Wir Uns zu versehen, erwählen." "An Unsern Nachbarn werden Wir schwerlich jemals gute Freunde kriegen."

Im September (1672) erschien nun die brandenburgische Hauptarmee, darin Herzog Friedrich mit seinem Regiment 12 ) und zugleich eine kaiserliche Armee unter Montecuccoli im Felde. Die Besorgnis der Räte steigerte sich, und sie warnten aufs neue. In diesem Falle aber war der Herzog besser unterrichtet, als seine Räte in der Heimat, er schrieb in einem eigenhändigen Post-Skriptum am 14. Oktober: "Ihr werdet Euch nicht mehr bekümmern, denn Ich versichert bin, daß alles wohl sein wird, der Kaiser und König verstehen sich ganz wohl". - Das sind dunkle Briefe zu lesen." Die Worte beziehen sich augenscheinlich auf das geheime Einverständnis, in dem damals der Wiener Hof mit dem


11) l'embarras ne se trouve que dans la grande qualité de V. Alt., n'y ayant point de poste digne d'Elle, qui ne soit remplie.
12) Von Herzog Friedrichs Regiment wurden bei einem Gefechte in der Nähe von Andernach drei Reiter gefangen, Leutn. Hoffmann vom Regim. Meckl., der grade Ordonnanzoffizier bei Turenne war, sprach sie selbst, wie er den 15. November dem Herzog berichtete.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 32 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Versailler stand und das die geheime Instruktion von Montecuccoli veranlaßt hatte, es nicht zu einer Schlacht gegen die Franzosen kommen zu lassen, "das wilde Roß von Brandenburg zu zähmen", wie der Wiener Minister Fürst Lobkowitz sagte. Christian Louis wird in Paris von diesem geheimen Spiel gehört haben, während seine Räte nichts davon wußten.

Das Regiment Mecklenburg schmolz inzwischen mehr und mehr zusammen, der Abzug Oertzens mit der Bagage hatte auf die zurückgebliebenen Kompanien einen demoralisierenden Einfluß geübt, es waren alles verheiratete Leute, die Haus und Hof, Weib und Kind in der Heimat hatten. Nach Oertzens Abzug glaubten sie nicht mehr, daß sie je Ihren Herzog oder Ihre Heimat wiedersehen würden. Als man nun gar wieder in weitere Ferne zog, von Westfalen nach dem Rhein, gingen die Reiter in ganzen Trupps davon und desertierten - in die Heimat.

Anfang Oktober überschritt man wieder den Rhein, von Offen nach Westen, die mecklenburgischen Reiter setzten mit ihren Pferden durch den breiten Strom, ohne einen Mann bei dieser Bravourleistung zu verlieren, aber am 12. Oktober waren die drei Kompanien des Regiments Mecklenburg, die damals bei Köln standen, außer den Offizieren nur noch 66 Mann stark.

Plessen, ihr interimistischer Führer, verbuchte den Abgang durch neue Werbungen zu ersetzen, aber mit geringem Erfolg. 13 ) Man vereinigte also gegen Ende November die drei Kompanien zu einer unter Plessens Befehl. Zwei Standarten wurden aufgerollt und verwahrt, die Stangen verbrannt.

Noch kritischer wurde die Lage, als der französische Kommandeur, Herr de Feuquière, beim Regiment eintraf. Er mag über dieses Regiment von damals 57 Mann nicht wenig erstaunt gewesen sein. Übrigens trat er anmaßend auf und geriet gleich in schwere Kompetenzkonflikte mit dem Rittmeister v. Plessen und dem "aide-maior" (Adjutanten) Hoffmann. Beide waren auf die Nachricht von der Ernennung des französischen Kommandeurs schnell nach Paris gereist und hatten, obgleich der Herzog ungnädig sich weigerte sie zu sehen und ihnen ihre Reise als überflüssig und ungehörig verwies, doch auf schriftliche Eingaben Antworten bekommen, die Ihnen beiden besondere Befugnisse, Plessen als ältestem Rittmeister, Hoffmann für die weitere Besorgung der Sold- und Gehaltszahlungen verliehen oder bestätigten, außer-


13) Er erwirkte endlich, nach wiederholtem Anhalten, einen Generalpardon für die in die Heimat Zurückgekehrten, falls sie sich wieder zum Eintritt meldeten; mit welchem Erfolg, ist nicht ersichtlich.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 33 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

dem wurde Hoffmann, bisher Cornett, zum Leutnant ernannt. Als beide diese Aktenstücke dem neuen Kommandanten vorlegten, weigerte er sich, sie entgegenzunehmen und Hoffmanns, eines früheren Kammerdieners Ernennung zum Leutnant, die ohne sein Wissen und gegen seinen Willen erfolgt sei, anzuerkennen. Er setzte Hoffmann in Arrest und bedrohte auch Plessen damit. Diese Drohung führte er allerdings nicht aus, wie er selber schreibt, weil Plessen der einzige anwesende Rittmeister im Regimente sei. 14 ) Daneben wird auch die Rücksicht auf die Stimmung der Leute eine Rolle gespielt haben. Allem Anscheine nach hätten sich diese eine solche Behandlung ihres verehrten Rittmeisters nicht gefallen lassen, ja Plessen durfte es sogar wagen, Hoffmann wieder außer Arrest zu setzen. Da zog es der Franzose vor, eine Reise nach Utrecht zu machen, von da richtete er eine geharnischte Beschwerde über das unbotmäßige Verhalten von Plessen und Hoffmann an den Herzog, mit der Forderung, beide zum Gehorsam anzuweisen. Gleichzeitig beschwerten sich Plessen und Hoffmann nicht weniger lebhaft über das anmaßende Auftreten des Franzosen und seine Eingriffe in ihre Befugnisse. Noch einen Tag früher (v. 5. Januar 1673) ist eine Eingabe der sämtlichen Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften von Plessens Kompanie datiert. Sie hätten gehört, daß Ihr Rittmeister, "mit dem sie wohl und friedlich seien", seine Entlassung nehmen wolle - diese Absicht hatte Plessen allerdings, für den Fall daß ihm nicht sein Recht werde -, und daß sie dann unter einen ganz fremden Offizier kommen sollten; sie würden aber ungerne ihren Oberoffizier missen, "den Hochfürstl. Durchl. uns selbst auf der Residenz und Festung Schwerin bei unsrem Abmarsch vorgestellt mit dem Fürst-gnädigen Verheißen, wo unser Rittmeister bleibe, wir auch bleiben sollen". Sie bitten also, der Herzog möge dafür sorgen, daß ihr Rittmeister ihnen erhalten bleibe, andernfalls bitten sie sämtlich um ihre Entlassung. Denn "da wo unsere Offiziere bleiben, wollen auch gerne wir bleiben nach Ihrer Hochf. Durchl. gnädigem Versprechen, denn wir ungern unter einem Franzosen sein wollen".

Der Streit fand dadurch seinen Abschluß, daß Feuquière nicht wiederkam 15 ), Plessen behielt also das Kommando.

Mitte Februar (1673), wo man wieder in Westfalen stand,


14) Heidereiter war dienstunfähig, auch wenig tüchtig und pflichttreu, v. Lützow, der dritte, war abkommandiert.
15) Plessen nennt ihn in einem Schreiben an den Sekretär des Herzogs in Paris, Taddel, vom 25. April 1673 seinen vierundzwanzigstündigen maitre de camp.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 34 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

hatte das Regiment nur 24 dienstfähige Reiter. Der Marschall Turenne befahl nun, es mit einem anderen, das gar nur 20 hatte, zu vereinigen. Mit größter Energie aber setzte sich Plessen dafür ein, um seinem Herzog die Leute zu erhalten, daß diese Maßregel vorläufig aufgeschoben wurde.

Der Herzog war über alles dies in höchstem Maße verstimmt. Er klagte schon in einem Schreiben an seine Räte vom 2. Dezember 1672, daß er "bei jetzigem üblen Betragen seiner Miliz den Succeß seiner Intention bei Hofe schwerlich zu erwarten haben werde", und dachte daran, in die Heimat zurückzukehren. Als er den Einverleibungsplan erfuhr, sandte er Plessen die Weisung, mit seinen drei Kompanien zum Obersten von Halberstadt zu ziehen und sich wieder unter dessen Befehl zu stellen. Turenne legte dem nichts in den Weg und ließ auch vor dem Abmarsch Offizieren wie Reitern ihren vollen Sold auszahlen.

Halberstadt, der nur 10 Meilen entfernt (bei Meschede) stand, holte selbst seine Landsleute ab (den 22. März 1673). Damals waren die drei Kompanien 6 Offiziere und 57 Unteroffiziere und Mannschaften stark.

Halberstadt hatte vorher mit 500 Reitern ein ungünstiges Nachhutgefecht unweit Arnsberg gegen 2000 Feinde ausfechten miissen und dabei etwa 50 Leute verloren. Die Leute aber hatten es meistens verstanden, wieder zu entkommen, und so hatte er den Verlust bald ersetzt und seine vier Kompanien wieder auf 261 Mann gebracht. Unter den neu Eingetretenen befanden sich nach seinem Bericht auch über 30 Mann von Herzog Friedrichs Regiment, sie hatten, nachdem der Herzog in die Heimat abgereist war, ihr Regiment verlassen und waren zu ihren Landsleuten hinübergekommen.

Der Herzog wies Halberstadt außer den Resten der drei Plessenschen Kompanien auch die Dragonerkompanie des Obersten von Bibow wieder zu, der selbst an die Spitze eines kurkölnischen Regimentes trat. So waren die Mecklenburger März 1673 wieder vereinigt. Halberstadts Kommando wurde noch ein zweites Reiterregiment unterstellt, er wurde also Brigadekommandeur in der deutschen Hilfsarmee der Franzosen.

Anfang April erhielt er den Befehl, mit seiner Brigade und einigen Regimentern Infanterie ins Hildesheimsche zu marschieren, um dieses Stift für den Kurfürsten von Köln, der zugleich Bischof von Hildesheim war, zu decken. Anfang Mai war er dort damit beschäftigt, sein Regiment für den Sommerfeldzug wieder in stand zu setzen. Jeder Reiter erhielt einen Koller und

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 35 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

einen Mantel, auch eine Schabracke, je vier zusammen ein Zelt. Am 4. Juni wurde das Regiment von dem Marquis de Rennel, dem neuen Oberbefehlshaber der kurkölnischen Armee, besichtigt. Er zeigte sich als einen wackeren, gütigen Mann, nur ward die Verständigung mit Halberstadt dadurch erschwert, daß Rennel kein Deutsch und Halberstadt kein Französisch verstand. Darauf unternahm Halberstadt eine Reise nach Mecklenburg, um dort die Festungen zu inspizieren; Plessen, der mittlerweile Oberstleutnant geworden war, vertrat ihn inzwischen. Beide klagen in ihren Berichten, daß sie so lange nichts von ihrem Herrn gehört: es war die Zeit, in der der Herzog in Paris unter Bewachung gestellt war, weil er seine Gemahlin in Schwerin, um ihre Abreise zu verhindern, hatte gefangen setzten lassen. 16 )

Den 27. Juni brach das Regiment Halberstadt, etwa 340 Mann stark, mit den andern kölnischen Truppen nach dem Rhein auf, Halberstadt mit ihnen als Brigadeführer. Den 29. Juli wurde er von seinem Herzog zum Generalmajor ernannt. Der Marsch ging nach Wesel und von dort nach Hessen in die Gegend von Marburg, wo sich das kölnische Korps der französischen Armee unter Turenne anschließen sollte. Man erwartete einen Vorstoß der Kaiserlichen aus Böhmen durch Franken, und ein Zusammentreffen der Mecklenburger mit den Kaiserlichen war um so bedenklicher, als Österreich jetzt eine entschiedenere Haltung annahm und der Reichskrieg gegen Frankreich immer näher rückte.

War dieser erklärt, was allerdings offiziell erst den 24. Mai 1674 geschah, so ward ein Kampf für den Reichsfeind zum Reichsverrat. Um die Mecklenburger rechtzeitig von den Franzosen zu lösen, kam es zunächst darauf an, den Herzog zur Abreise aus Frankreich zu bewegen. Dies war nicht nur die Meinung der Schweriner Räte, sondern auch die Halberstadts. So gab dieser den 9. August von Marburg aus dem Herzog den dringenden Rat, in die Heimat zurückzukehren, wo seine Anwesenheit aus mannigfachen Gründen lebhaft ersehnt werde.

Die Gefahr ward größer, als der Kaiser den 20. August ein allgemeines Avokatorium erließ, in dem er nach Aufzählung aller Feindseligkeiten, die die Franzosen von Beginn des holländischen Krieges an gegen deutsches Reichsgebiet begangen, Befehlshaber und Soldaten an ihre Pflicht gegen Kaiser und Reich erinnerte und sie aufforderte, sich aller wider den Kaiser und den Frieden ge-


16) Genaueres s. Chr. L. S. 98 ff. Die Haft des Herzogs dauerte vom 30. April bis zum 2. Juli.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 36 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

richteten Bestallungen alsbald zu begeben, ihren Dienst und ihre Tapferkeit vielmehr zu Schutz und Rettung, nicht zur Vergewaltigung des Reiches anzuwenden, bei Vermeidung schwerer Ungnade und der gesetzlichen Strafe.

Auf die Kunde von diesen Avokatorium nahmen viele Offiziere der kölnischen Armee sofort ihren Abschied. Halberstadt hielt seine Leute zusammen, erklärte aber, als zu dem beabsichtigten Sturm auf die von Kaiserlichen besetzte Burg der Stadt Friedberg den 30. August auch Mecklenburger bestimmt wurden, dem kölnischen Kommissar, er sei nicht beauftragt und gewillt, gegen den Kaiser zu kämpfen, seine Truppen seien an Kurköln nur zu einem Kriege gegen die Holländer überlassen. 17 )

Turenne überschritt nun den Main - nach Süden; am 5. September stand Halberstadt in Aschaffenburg. Ein kaiserliches Heer stand hier den Franzosen gegenüber, die Kölner wurden aber, gewiß zu Halberstadts und der Mecklenburger Freude, in das letzte Treffen der Armee auf den linken Flügel gestellt. Dennoch wurden einmal einige Leute des Regiments Halberstadt von den Österreichern gefangen genommen, dadurch aber wurde die österreichische Heeresleitung, an deren Spitze damals wieder Montecuccoli stand, darauf aufmerksam, daß ihnen auch Mecklenburger gegenüberstanden. Nach Plessens Bericht vom 28. September fragte Montecuccoli einen gefangenen Rittmeister einer anderen Brigade, ob ein mecklenburgisches Regiment bei den Kölnern stehe, und als dieser es bejahte, sprachen die österreichischen Offiziere "mit sonderlicher Miene" italienisch miteinander.

Inzwischen war das kaiserliche Avokatorium auch an Herzog Christian Louis gesandt zur Bekanntmachung und Befolgung in seinem Lande, und zwar nach Schwerin. Hier führten seit der Entzweiung des Herzogs mit seiner Gattin und deren Abreise (Mai 1673) die herzoglichen Räte allein, an ihrer Spitze der Kanzler Wedemann, die Regierung im Namen ihres Herrn. Sie öffneten also das Schreiben. Gleichzeitig langte ein Schreiben des Herzogs aus Paris an ( vom 22. September), er sei durch die Nachricht vom Ausbruch des Krieges zwischen dem Kaiser und Frankreich über-


17) Plessen schreibt d. 29. an den Sekretär Taddel, es sei "gleich diese Stunde" dem meckl. Regiment anbefohlen, daß jeder Reiter morgen zwei Faschinen liefern solle. Ob dieser Befehl wieder zurückgenommen ist oder die Mecklenburger doch durch die Lieferung der Faschinen bei dem Sturm beteiligt gewesen sind, erfährt man nicht.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 37 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

rascht und habe seinem Gesandten in Regensburg bereits aufgegeben, ihn beim Kaiser wegen seines Verbleibens in Paris zu entschuldigen, da ihn nur seine Privatverhältnisse, nicht aber totale Gesinnung dort zurückhielten. Er sei indessen nicht schuldig, seine Truppen aus dem kölnischen Dienst abzuberufen, da sie dem Erzbischof nur zum Kriege gegen Holland überlassen seien, und könne sie jetzt auch nicht zurückrufen, sonst gerate er zwischen zwei Stühle, vom Kaiser habe er sich keines Schutzes zu versehen, von Frankreich und Schweden müsse er dagegen alles Unheils gewärtig sein.

Kanzler Wedemann antwortete dem Herzog, es sei jetzt dringend geboten, "ohne Valediktion" die Reise von Paris nach Mecklenburg zu beschleunigen. "Nichts ist an Seiten Ew. Durchl. übrig, denn Frankreich mit dem Rücken anzusehen, Caesari dare, quae sunt Caesaris, und die Truppen eiligst zurückzurufen."

Er sandte dann auf eigene Verantwortung eine Abschrift des Avokatoriums (den 4. Oktober) an Halberstadt mit der Weisung - ad mandatum Serenissimi Celsissimi proprium -, er solle die Truppen hinfort nicht mehr für mecklenburgische ausgeben. Der Überbringer dieses Schreibens, der Trompeter Wolf Rummer, hatte noch den Auftrag, falls Halberstadt die sofortige Kassierung und Abdankung der Mecklenburger weigere, ihm zu sagen, sobald er, der Trompeter, darüber in der Heimat berichte, würden die Güter Halberstadts und seiner sämtlichen Offiziere eingezogen, ihre Frauen und Kinder des Landes verwiesen werden. Von diesen Schritten wurde dem kaiserlichen Hofe Mitteilung gemacht, man hatte sich damit diesem gegenüber gedeckt.

Im geheimen erhielt der Trompeter noch einen milder gefaßten Brief der Räte mit an ihren "werten, lieben Freund" Halberstadt, in dem die Räte "die unglückliche Stunde" beklagen, in der der Herzog "zur unzeitigen Werbung und Einmischung in ein fremd Spiel zwischen Monarchen, Potentaten und anderen Gewalten" gebracht sei. Auch hier aber bitten sie ihn dringend, die Truppen im Namen des Herzogs aufzulösen.

Diese Maßregel, die, im Namen des Herzoge angeordnet, doch dessen Willensmeinung schnurstracks zuwiderlief, rechtfertigten die Räte oder, wir dürfen sicher annehmen, für sie der Kanzler Wedemann in einem ausführlichen Schreiben an den Herzog vom 8. Oktober ebenso eindringlich wie freimütig. Es heißt darin u. a.: "Glauben und trauen Ew. Durchl. sicherlich, daß es mit Dero und Ihren Landen nicht gefährlicher jemalen als jetzo gestanden."

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 38 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Durch einen kaiserlichen Herold mit einer Erklärung, die im Lande angeheftet werde, könnten Landsassen und Untertanen von allem ferneren Gehorsam entbunden werden. Um nicht ihren Herrn "gar verderben zu lassen", hätten sie sich gedrungen gefühlt, jenen Befehl an Halberstadt zu schicken. "Was ist doch in der Welt gefährlicher, als daß Fürsten des Reichs sich in Frankreich aufhalten", dort Ratschläge annehmen von Leuten, "die im Flüstern gehen und vom Römischen Reich nichts wissen." "Alle unglücklichen consilia sind gleich einem Stein, der ins Wasser geworfen, dadurch die eine Welle nach der anderen verursachet, die letztere an das Land geschlagen wird. Dieweil denn die letzten Werbungen aus einem unglücklichen principio erwachsen, dürfte besorglich dieselbe (d. i. die Gefahr) nicht ehender aufhören, bis das größere Unglück zu seiner Maturität geraten, welcher letzter Umstand aber künftig nimmer zu remedieren sein möchte, die Sache ist auf die Spitze geraten, daß Ew. F. Durchl. Ihro Gemüt von Frankreich absetzen, sonsten die Gefahr wegen ihrer Landen stehen müssen. Unmöglich kann man zweien widerwärtigen Herren dienen. Allhie haben Ew. Durchl. Dero Herzogtum und Landen, hier hat die Pflicht ihren Sitz, dorten gewinnen Ew. Durchl. nichts und werden mit vergeblichen Vertröstungen aufgehalten. Uns betrifft die Sache nicht weniger; geben wir den kaiserlichen advocatoriis keine Folge, kommen wir unfehlbar in die Acht." Durch die Gehorsamserklärung und die Absendung von Abschriften der Depesche an Halberstadt sowohl nach Wien als nach Regensburg ist "Ew. Durchl. vor dies Mal von der Gruben, davor Sie ad praecipitium usque gestanden, mit herzhaftem Mute abgewandt. - Mit der Hülfe des Allmächtigen sollen Ew. F. Durchl. für das Mal oben bleiben, Ihre Landen behalten, der Sie sonst, so wahr der Höchste lebet, verlustig geworden. Darum lassen Ew. F. Durchl. die Prinzipien in Frankreich fahren. Es ist kein Stern in Frankreich, der Ew. F. Durchl. jemalen glücklich ausscheinen wird." Die Räte warnen dann, der Herzog möge ja ihr Cassatorium an Halberstadt nicht umstoßen; wenn die Kassation in Frankreich bekannt werde, möge er die Schuld nur auf seine Minister schieben und sich ihre künftige Ahndung vorbehalten. Sie schließen mit dem abermaligen Rat, der Herzog möge "Frankreich mit dem allerehesten quittieren, an andere unverdächtige Örter sich begeben, sich als einen Fürsten des Reiches allein ästimieren lassen, und die übrige Zeit seines Lebens in Ruhe, in Vergnüglichkeit und Conservation seiner Landen, eines von Gott ererbten, so herrlichen Schatzes leben und zubringen."

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 39 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Der Herzog ließ sich diese Mahnrede seiner getreuen Räte gefallen und nahm auch ihre Maßregeln, die ihn ja dem Kaiser und Reiche gegenüber sicher stellten, als einmal geschehen hin, aber ihren Rat, Frankreich schleunigst zu verlassen, ließ er unbefolgt. 18 )

Der Trompeter Rummer aber hatte große Mühe, Halberstadt und sein Regiment zu erreichen. Die französische Armee war Ende Oktober bei Philippsburg über den Rhein gegangen, Rummer holte also den General erst den 3. November in der Nähe von Worms ein.

Halberstadt beantwortete das Schreiben gleich am nächsten Tage von Worms aus. Ohne sich durch die Drohung mit der Konfiskation seiner Güter einschüchtern zu lassen, erklärte er, dem Avokatorium und dem Kassationsbefehl zur Zeit nicht Folge leisten zu können und riet der Regierung, ihn und sein Regiment durch ein Schreiben an den Kurfürsten von Köln abzuberufen, zugleich meldete er alles dies dem Herzog, dem er bald darauf noch einmal vorschlug, ihn durch ein Schreiben an die kölnische Kriegsbehörde, wie es diese verlangt hatte, abzuberufen. Vom Herzog mehrere Wochen ohne Antwort gelassen, sandte er den Oberstleutnant v. Plessen nach Schwerin und bat noch einmal um regelrechte Abberufung. Plessen sollte auch unterwegs versuchen, das Regiment, das Anfang November auf einer Musterung bei Kreuznach 289 Köpfe zählte bei einem andern Fürsten unterzubringen, da die heimische Regierung überhaupt nichts davon wissen wollte.

Vor Plessens Ankunft hatte man in Schwerin auf Halberstadts von dem Trompeter überbrachte Weigerung hin ein neues Reskript erlassen, in dem besonders betont wird, daß die Rückführung des Regimentes nach Mecklenburg "gefährlich und darum verschlossen sei. "Ein einziger Weg bleibt noch übrig: Wer laufen will, der tue es bei Zeiten!" Das Regiment wird für kassiert erklärt und das Reskript als die letzte Vermahnung an Halberstadt bezeichnet. Leiste er nicht in drei, höchstens vier Wochen Gehorsam, so bleibe nichts übrig, als seine Güter 19 ) einzuziehen und ihm Weib und Kind nachzuschicken. Dies wurde den 10. Dezember dem Kaiser gemeldet mit dem Zusatz, daß inzwischen mit der Aufzeichnung der beweglichen und unbeweglichen Güter Halberstadts schon der Anfang gemacht sei.


18) Er ist trotz des Reichskrieges erst im Mai 1676 nach England hinübergereist.
19) Leetzen, Langenbrütz und Gottesgabe, alle drei unweit Schwerin.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 40 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Man hatte also wieder dem Kaiser Gehorsam geleistet. Mit der Übermittlung des Schreibens hatte man es nicht eben eilig, es wurde nicht durch einen Depeschenreiter, sondern mit der Post einem Agenten in Speyer zur weiteren Besorgung gesandt und scheint überhaupt nicht in Halberstadts Hände gelangt zu sein.

Plessen erhielt ein neues strenges Abberufungsschreiben an Halberstadt (vom 25. Dezember) mit auf den Rückweg, aber kein Schreiben an die kölnische Kriegsbehörde. Dem General wurde aufgegeben, bei Strafe der Konfiskation seiner Güter sich sogleich von der kölnischen Armee zu trennen, doch wird ihm freigestellt, das Regiment in den Dienst eines andern Reichsfürsten zu bringen, der am Kriege unbeteiligt sei. Plessen versuchte dies in Celle und Kassel, an beiden Stellen vergebens, und suchte nun wieder Halberstadt zu erreichen.

Das Regiment hatte sich nach Plessens Abreise weiter vom Rhein entfernt, den 12. Dezember stand es einige Meilen von Metz. An diesem Tage erhielt Halberstadt endlich wieder ein Schreiben des Herzogs, datiert vom l. November, das also volle vier Wochen unterwegs gewesen; es war noch nicht die Antwort auf seine Meldung vom Eingang des Kassatoriums der Regierung. In dem Schreiben hieß es, er solle jede Gelegenheit vermeiden, "wider die kaiserliche Armee das Geringste zu tentieren, er solle sich zurückziehen und sich an einen unverdächtigen Ort begeben, bis er Gelegenheit finde, sich anderweit unterzubringen und die Leute zu konservieren". Halberstadt erklärte in seiner Antwort (noch vom selben Tage) abermals die Trennung von der kölnischen Armee ohne ein förmliches Abberufungschreiben an die Generalität für unmöglich.

An eben diesem 12. Dezember erhielt er Befehl, wieder in die Gegend von Kreuznach zu rücken, um dort Winterquartiere zu beziehen. Kurz darauf aber ward die kölnische Armee auf einem weiten Umwege über Metz, Verdun und Sedan nach Jülich und von da nach Neuß und Umgegend geführt. Der Grund des Marsches war der Wunsch, die Armee in das von Oranien und Montecuccoli bedrängte kurfürstlich-kölnische Gebiet zu dessen Schutz zurückzuführen, was in der augenblicklichen militärischen Lage nur auf diesem weiten Umwege möglich war.

Den 6. Februar 1674 berichtet Halberstadt von Kaiserswerth aus von diesem aufreibenden Marsch, der fast ununterbrochen Tag und Nacht fortgesetzt worden war und viele Mannschaften und

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 41 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Pferde gekostet hatte, er selbst hatte unterwegs seine ganze Bagage - 3 Wagen - verloren.

Noch immer hatte er seine Entlassung aus dem kölnischen Dienst nicht, vielmehr erhielt er eben den 6. Februar den Befehl, mit 3 Regimentern, darunter dem mecklenburgischen, wieder über den Rhein zu gehen und zum zweiten Mal ins Stift Hildesheim zu ziehen. Dies bot den großen Vorteil, daß man der Heimat weit näher war.

Plessen hatte ihn noch nicht wieder erreicht. Der war den 14. November, drei Tage nach Halberstadts Aufbruch von Metz nach Verdun, in Metz angekommen. Da er dort über Halberstadts Aufenthalt nichts erfahren konnte - der Marsch der Kölner wurde geheim gehalten -, so war er nach Paris gereist zum Herzog und hatte diesem die für Halberstadt bestimmten Depeschen übergeben und zugleich um seine eigene Entlassung aus dem Regiment gebeten.

Dieser Wunsch ward ihm erfüllt, er erhielt eine in Mecklenburg verbliebene Kompanie und reiste den 10. Februar wieder mit dem Auftrage ab, unterwegs Halberstadt aufzusuchen und ihm Schreiben zu überbringen.

Es gelang ihm, sich durch die kaiserliche Armee, die zum Teil westlich des Rheins stand, bis Mainz hindurchzuschleichen und hier durch einen guten Freund des Herzogs einen Paß nach Köln zu erhalten. Da er aber auf dem Wege dorthin die kaiserliche Armee zu passieren und dabei eine Durchsuchung zu gewärtigen hatte, so verbrannte er vorher des Herzogs Briefe an Halberstadt. Er reiste dann dem General nach, den Rhein abwärts bis Wesel und von da nach Hildesheim, wo er ihn endlich den 4. April erreichte.

Halberstadt war nach einem schwierigen Marsche an feindlichen Stellungen vorüber den 1. März in Hildesheim angelangt, sein Regiment zählte noch 135 Köpfe. Von hier aus verhandelte er über Abtretung des Regimentes an den Kreisobersten, Herzog Georg Wilhelm von Celle, die aber nicht zustande kam. Endlich erhielt er, den 9. April, seine Entlassung aus dem kölnischen Dienst. Eine Schwierigkeit machte noch die Soldzahlung. Der General selbst hatte noch für 12 Monate Sold zu fordern, die Offiziere hatten seit sechs, die Leute seil vier Monaten keinen Sold mehr erhalten. Aber die kölnischen Kassen waren erschöpft, die Mecklenburger wurden also mit einem einmonatlichen Sold abgefundene darauf wurden sie von Halberstadt den 13. April 1674 ihres Eides entlassen.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 42 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Am 14. kam ein Schreiben des Herzogs an mit dem Befehl, das Regiment nach Mecklenburg zurückzuführen. Es war zu spät, das Regiment Halberstadt bestand nicht mehr, und mit ihm hatte der Versuch des Herzogs Christian Louis, sich mit seinem Regiment als mitwirkendes Rädchen in das Getriebe der großen europäischen Kriegspolitik dieser Jahre einzuschieben, um für sich, sein Haus und sein Land Vorteile zu gewinnen, ein wenig rühmliches Ende gefunden.

 

Vignette
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen [ Seite 43 ] zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

III.

Mecklenburgs deutsche Politik

1850-1866

von

Dr. phil. Alfred Rütz, Rostock.

 

Vignette
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen [ Seite 44 ] zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen [ Seite 45 ] zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Mecklenburgs deutsche Politik 1850/66 1 ).

1850 machte der Freienwalder Schiedsspruch der Revolution in Mecklenburg ein Ende. Die altständische Verfassung trat aufs neue in Wirksamkeit, der ständische Landtag nahm seine Tätigkeit wieder auf. Damit war dem ganzen inneren Leben Mecklenburgs eine Signatur aufgeprägt, die es scharf von den andern Staaten des deutschen Bundes unterschied. Die liberalen und nationalen Kreise der Bevölkerung waren in ihrer großen Mehrzahl von jedem Einfluß auf die Politik ihres Landes ausgeschlossen, sie hatten nicht einmal ein verfassungsmäßiges Organ, um ihren Wünschen Ausdruck zu verleihen. Der ständische Landtag auf der andern Seite, die Vertretung von Landschaft und Ritterschaft, blieb mit seinen Verhandlungen völlig in dem Interessenkreise, der ihm seit Jahrhunderten als Ständetag vorgezeichnet war: es waren Geld- und Steuerfragen aus dem Gebiet der inneren Politik. Die großen gesamtdeutschen politischen Probleme der Zeit hatten als solche, so lange nicht ständische Angelegenheiten in irgendeiner Weise berührt wurden, nichts vor seinem Forum zu suchen. So hat keins der nationalen Ereignisse der Reichsgründungszeit bis 1866 hin einen Niederschlag in den Verhandlungen des mecklenburgischen Landtags gefunden.


1) Der vorliegende Aufsatz ist eine verkürze Umarbeitung meiner unter Prof. Andreas angefertigten Dissertation "Mecklenburg und die deutsche Frage 1850/66", Rostock 1922. Die Zeitverhältnisse machten einen Abdruck der ganzen Dissertation unmöglich. Vom Herausgeber des Jahrbuches konnten mir nur zwei Druckbogen zur Verfügung gestellt werden; durch die Güte des Herrn Fabrikbesitzers Dr. Witte, Rostock, der mich mit einer beträchtlichen Geldsumme unterstützte, wurde aber der Druck eines weiteren Bogens ermöglicht. Dafür sage ich auch an dieser Stelle meinen herzlichen Dank. Aus Raummangel mußte ich mit Anmerkungen sehr sparsam sein; ich verweise für alle Einzelheiten daher auf meine Dissertation.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 46 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

In ihrer Haltung den verschiedenen Bestrebungen zur Einigung Deutschlands gegenüber konnten die mecklenburgischen Regierungen daher sehr selbständig sein: sie wurden durch kein Parlament irgendwie getrieben oder gehemmt. Die ganze deutsche Politik Mecklenburgs von der Neubegründung bis zum Zerfall des alten Bundes war also in ausgeprägtem Maße Herrscher- und Kabinettspolitik. Es waren wenige Männer - die Großherzöge und die leitenden Staatsmänner -, die, nur ihrer Überzeugung folgend, die Stellung Mecklenburgs zur deutschen Frage bestimmten. Somit ist es eine der wichtigsten Aufgaben einer Darstellung der mecklenburgischen Bundespolitik dieser Jahre, die geistige Eigenart der politischen Führer Mecklenburgs möglichst klar herauszuarbeiten.

Führend und richtungweisend 2 ) steht da am Eingang der Epoche die Gestalt Jaspers von Oertzen, der von 1851/58 Bundestagsgesandter, von 1858-1868 Ministerpräsident in Mecklenburg-Schwerin war. Mit seiner ganzen Lebens- und Weltanschauung wurzelte er in der Vergangenheit, er verkörperte in seiner Person die Ideen des doktrinären Legitimismus. Eigenpersönliche ererbte Anlage ward in ihm durch mannigfache Umwelts- und Bildungseinflüsse gefördert, gekräftigt und befestigt. So ward aus dem 1801 geborenen Sproß der alten mecklenburgischen Familie von Oertzen, die Treitschke als ein obotritisches Geheimratsgeschlecht bezeichnet 3 ), der knorrige mecklenburgische Ritter altständischer Art und Lebensführung. Seine politischen Auffassungen wurden während seiner Universitätsjahre vor allem von dem Gedankenkreis der Romantik her beeinflußt. Es waren die Ideen Eichhorns und Savignys, die seinen ererbten Sinn für Recht und Gesetz, seine Verehrung für das geschichtlich Gewordene stärkten und festigten. Maßgebender noch war die Einwirkung, die von Karl Ludwig von Hallers "Restauration der Staatswissenschaften" auf Oertzen ausging. Sie lief ja auch mit den aus dem Elternhaus mitgebrachten Gedanken parallel und stärkte sie daher ganz wesentlich. Und sicher liegt es an dem großen Eindruck, den Hallers System auf den Jüngling machte, daß sich kaum eine Beeinflussung durch die nationalen Ideen der Romantik bei ihm aufweisen läßt. Der in den engen Verhältnissen des Berner Patrizierstaates wurzelnde Haller konnte sich nicht von dem Blick auf die ständische Schichtung der Gesellschaft losmachen. Da er den Staat in eine Reihe einander übergeordneter Machtsphären


2) Vitense, "Gesch. v. Mecklbg." S. 477, spricht von einer "Ära Oertzen".
3) Dtsch. Gesch. II S. 571.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 47 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

auflöste, so blieb für die Erkenntnis der Notwendigkeit einer einheitlichen nationalen Politik bei ihm kein Raum. "Er haßte das Wort allgemein und sprach mit Verachtung von den 'sogenannten Staatszwecken' ", so sagt Friedrich Meinecke 4 ). In Einzelheiten hat sich Oertzen später gegen Haller gestellt 5 ), die grundsätzliche Beeinflussung durch die Gedanken des Theoretikers der Restauration war aber sicher auch noch in dem späteren Staatsmann wirksam.

In den zwanziger Jahren des Jahrhunderts hat sich seine politische Weltanschauung geformt. Sie verband sich aufs engste mit seiner religiösen. Er war zum einfachen, schlichtgläubigen Luthertum zurückgekehrt und hatte darin die starken Wurzeln eines tiefen Pflichtbewußtseins und sittlicher Kraft gefunden. Sein religiöser Glaube ließ ihn das geschichtlich Gewordene als heilig und unverletzlich ansehen, weil Gott es so hatte werden lassen. Das Festhalten am Bestehenden war ihm also nicht nur eine politische Notwendigkeit, sondern eine religiös-sittliche Pflicht, die Forderungen der deutschen Revolution aber nicht nur eine Torheit, sondern eine Sünde.

Nach einer mehrjährigen Tätigkeit als Justizrat in Güstrow und Rostock übernahm Oertzen 1839 das Gut Leppin in Mecklenburg-Strelitz. Jetzt hatte er Gelegenheit, als Mitglied der Ritterschaft eine Rolle auf den Landtagen zu spielen. Als entschiedener Vorkämpfer der Rechte "des eingeborenen und rezipierten Adels" zeigte er sich in den ständischen Kämpfen der vierziger Jahre 6 ),


4) "Weltbürgertum und Nationalstaat" S. 231.
5) Siehe Hellmuth von Oertzen, "Das Leben und Wirken des Staatsministers Jasper von Oertzen", Schwerin 1905, S. 62. Diese Lebensbeschreibung, die der Sohn dem Vater gewidmet hat, ist die Grundlage für diesen Teil meines Aufsatzes. Sie ist mit warmer Liebe und tiefem Verständnis geschrieben und hat viel neues Material erschlossen. Nur wird der Historiker manchmal die geistesgeschichtliche Einordnung vermissen, abgesehen von der altständisch-konservativen Tendenz, mit der das Werk geschrieben ist.
6) Vgl. Adolf Werner, "Die politischen Bewegungen in Mecklenburg und der außerordentliche Landtag im Frühjahr 1848" (Abb. z. mittl. u. neueren Gesch. Heft 2), und L. von Hirschfeld, "Friedrich Franz II., Großherzog von Mecklenburg-Schwerin, und seine Vorgänger", 2 Bde., Leipzig 1891, Bd. I S. 199 ff. Dieses in vielem sehr verdienstvolle und auch heute unentbehrliche Werk hat stellenweise große Mängel, die auf einer ungleichmäßigen und ungenauen Quellenbenutzung (verschuldet durch Hirschfelds Augenleiden!) beruhen. Wie weit die Anschauungen des Verfassers zutrifft, Großherzog Friedrich Franz sei fortdauernd für die Begründung des kleindeutschen preußisch geführten Bundesstaates eingetreten, ohne wesentliche Schwankungen durchzumachen, darüber später.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 48 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

natürliches Klassenbewußtsein mit ideellen Gedankengängen verbindend. Er war jetzt eine in sich geschlossene, klare, einheitliche Persönlichkeit. Schlichte Frömmigkeit, Ernst, Strenge gegen sich selbst, hohes Pflichtgefühl und Rechtsbewußtsein zeichneten diesen im tiefsten Grunde konservativen Mann aus. Das waren Vorzüge, neben denen natürlich auch nicht die Schattenseiten einer solchen Natur fehlten: Mangel an Beweglichkeit und Weite des Blicks, Starrsinn und instinktive Scheu vor dem Neuen. Die gärenden Probleme der Zeit rührten nicht an seine Seele: er hatte den festen Pol seiner Anschauungen gefunden, Über den engen Kreis des Bestehenden, in den seine Ideale eingeschlossen waren, gab es kein Hinausschreiten für ihn. Die neuen umstürzlerischen Ideen der Zeit waren ihm Frevel und Verbrechen. Mit rückgewandtem Antlitz schaute Oertzen, in allem ein starrer Doktrinär, auf die Vergangenheit zurück und suchte ihre Güter der vorwärtsstürmenden Gegenwart zu erhalten.

Das Jahr 1848 brach herein. Es beraubte ihn aller der politischen Rechte, die er bisher besessen hatte. Doch bald raffte er sich, wie alle Konservativen damals, wieder auf und trat mit unerschütterlicher Zähigkeit für die Zurückführung der alten Zustände ein. In dieser Zeit knüpften sich seine engen Beziehungen zum Strelitzer Fürstenhause. Großherzog Georg, der alte patriarchalische Herr seines Landes, gleichfalls ganz im Banne legitimistischer Anschauungen stehend, erschien bald als der Führer der Reaktion in Mecklenburg. Sein Vertrauen berief Oertzen zum Bevollmächtigten von Strelitz im Verwaltungsrat der Union 1849. In dieser Stellung hat er sich bemüht, das Fortbestehen der Union planmäßig zu sabotieren, soweit ihm das als dem Vertreter eines so kleinen Landes möglich war. Er war eben, wie es scheint, auch von den nationalen Ideen der Revolutionsjahre in keiner positiven Weise beeinflußt - sie waren ja auch mit dem Umsturz verbunden. In engster Verbindung stand er dagegen mit den Kreisen der Gerlachs, der Männer der Kamarilla 7 ). Auch zu Bismarck trat er damals in Beziehungen.

Seine sehnlichsten Wünsche gingen schließlich in Erfüllung. Alle Versuche, Neues auf nationalem und liberalem Gebiet zu schaffen, scheiterten, zuletzt noch die Dresdener Konferenzen 1850/51, an denen Oertzen als Vertreter von Strelitz teilnahm, nachdem er schon im Herbst 1850 am "Rumpfbundestag" in Frankfurt gewirkt hatte. Jetzt 1851 wurde der Bundestag allseitig wieder anerkannt und von allen Staaten beschickt, auch von Schwerin, das bis dahin an der preußischen Union festge-


7) Vgl. H. v. Oertzen S. 80 ff.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 49 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

halten hatte. Jasper von Oertzen wurde zum Bundestagsgesandten beider Mecklenburg ernannt. Die Anschauungen, in denen er aufging, die ihm zum innersten Lebensgut geworden waren, waren jetzt wieder die herrschenden in Deutschland. So konnte er mit innerer Freudigkeit seine Kenntnisse und Fähigkeiten in den Dienst der deutschen Politik Mecklenburgs stellen. Sie lenkte er mit ständig wachsendem Einfluß, bis der österreichisch-preußische Konflikt in den sechziger Jahren sein Land zu neuen schweren Entscheidungen zwang. Hier konnte der altgewordene Minister aus seinem engen Gesichtskreis und von seiner gebundenen Weltanschauung aus nicht mehr folgen. Der Führer in den neuen deutschen Staat hinüber ward Großherzog Friedrich Franz II. Die Wurzeln von Oertzens Kraft, sie lagen in der alten Zeit; und der Aufrechterhaltung des Alten, der christlich-konservativen Ideen hat er die Arbeitskraft seiner Mannesjahre, seiner tiefsittlichen, pflichtbewußten Persönlichkeit gewidmet. Ein Staatsmann großen Formates aber, der auch das Neue zu meistern wußte, war er nicht, da lagen seine Schranken.

In seinen konkreten politischen Anschauungen neigte er zu Beginn seiner Tätigkeit am Bundestag sehr stark zu Österreich hin 8 ). Der Grund lag nicht so sehr in einer Vorliebe für Österreich als solches, sondern darin, daß der Kaiserstaat 1850 die am meisten konservative und legitimistische Politik eingeschlagen hatte. Nur bei Durchführung der österreichischen Anschauungen über Wesen und Art des Bundes schien die Aufrechterhaltung der vollen Selbständigkeit der Mittel- und Kleinstaaten möglich zu sein. Preußen dagegen hatte in seinen Unionsbestrebungen verdächtig mit gewissen nationalen Ideen der Revolution geliebäugelt und seine Machtstellung den norddeutschen Nachbarn gar zu eindringlich zum Bewußtsein gebracht. Ein Bündnis der Staaten Deutschlands gegen die Revolution, mochte sie nun national oder liberal auftreten, war nach Oertzens Ansicht der Zweck des Bundes. Nur defensive Wirksamkeit gegen die revolutionären Ideen, nicht so sehr positiv weiterführende Tätigkeit erwünschte er von ihm. Dieser eine Gesichtspunkt des doktrinären Legitimismus hat seine ganze Politik bis zuletzt beherrscht. Es war die Staatskunst der Heiligen Allianz, die er vertrat. Einsicht in entgegenstehende reale Machtverhältnisse konnte ihn wohl zum Nachgeben für den Augenblick, niemals zum Abweichen von seinen Grundanschauungen bringen.

Aus seinem Ziele heraus, das Bestehende zu erhalten, wünschte Oertzen Festigung der Macht und des Ansehens des Bundestags.


8) Bericht vom 13. 8. 1850. Vgl. H. v. Oertzen a. a. O. S. 106/116.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 50 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Dazu mußte auf jeden Fall der österreichisch-preußische Dualismus von Bestand bleiben. Am besten war es, wenn beide Großmächte gütlich miteinander auskamen und sich friedlich über alle strittigen Punkte einigten. Denn errang eine von ihnen die Vormachtstellung in Deutschland, so brach automatisch der Bundestag zusammen, die ganze bunte Vielgestaltigkeit deutschen Staatslebens - nach konservativer Auffassung eine der schönsten Blüten deutscher Nation - ging zu Ende. Die Selbständigkeit des eignen Kleinstaates war dann aufs höchste gefährdet, Oertzen wünschte sogar, eine österreichisch-preußische Dyarchie rechtlich festzulegen und ihr in einer Gleichstellung Österreichs mit Preußen im Bundesvorsitz 9 ) verfassungsrechtlichen Ausdruck zu geben. Nur so schien es möglich zu sein, die Gedanken der Heiligen Allianz verwirklichen, den Umsturz durchgreifend bekämpfen zu können.

Fast acht Jahre lang hat Oertzen in diesem Sinne am Bundestage gewirkt. Die Regierungen in Schwerin und Neustrelitz, im wesentlichen einig mit ihm in ihrer ganzen politischen Auffassung, sind seinen Vorschlägen und Anregungen gefolgt, politische Fragen großen Stils standen in dieser Zeit in Frankfurt meist nicht zur Erörterung. In umständlichem Geschäftsgang wurden die Fragen der Tagespolitik mit großer, oft ermüdender Gründlichkeit erörtert. Nur einer allgemein deutschen Frage lag der Bund mit Eifer ob: es war die Ausmerzung der Ideen von 1848 aus den Verfassungen der deutschen Einzelstaaten. Hier war das Einvernehmen Österreichs und Preußens damals ungestört, so daß sich Oertzen ihnen völlig anschließen konnte. Besonders tätig war er in dem zur Beratung der kurhessischen Verfassungsfrage eingesetzten Ausschuß, dessen Referent er war. Verschiedene in streng legitimistischem Geiste abgefaßte Gutachten sind in dieser Angelegenheit aus seiner Feder hervorgegangen 10 ).

Eins der wichtigsten Ereignisse der fünfziger Jahre war der Krimkrieg. Er ging Mecklenburg insofern offiziell etwas an, als es sich um die Frage handelte, ob der Bund dem österreichisch-preußischen Bündnis vom 20. April 1854, das sich gegen Rußland richtete, beitreten sollte 11 ). Oertzen stand in seiner persönlichen Ansicht ganz auf Seiten Rußlands. Er beklagte es, daß Österreich den Führer der "Revolution", Kaiser Napoleon III., in seinem Kampfe gegen den Hort des Legitimismus, Zar Nikolaus I., unterstützte. So wollte er auch den Bund von jeder Beteiligung an dem nach seiner Ansicht verderblichen Krieg fernhalten. Doch


9) H. v. Oertzen a. a. O. S. 137 und sonst oft.
10) Vgl. meine Dissertation S. 53-56.
11) Vgl. H. v. Oertzen a. a. O. S. 180 ff.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 51 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

stand er mit seiner Auffassung in der Bundesversammlung lange allein. Erst 1855, als in Berlin ein Umschwung eintrat, bildete sich am Bundestag eine von Preußen geführte Mehrheit in Oertzens Sinn, die dagegen auftrat, daß der Bund völlig im Schlepptau der österreichischen Politik segele. In seinem fachlichen Ziel war der mecklenburgische Gesandte jetzt mit seinem preußischen Kollegen, Herrn von Bismarck, einig; wie verschieden waren aber die Beweggründe des Realpolitikers und die des doktrinären Legitimisten 12 )!

Als tüchtige Arbeitskraft und wegen seiner versöhnlichen, vermittelnden Gesinnung erfreute sich Oertzen großer Beliebtheit am Bundestage. Auch Bismarck schätzte ihn, wie mehrere Äußerungen von ihm zeigen 13 ). 1858 ward der mecklenburgische Gesandte von Großherzog Friedrich Franz II. beauftragt, einen Versuch zur Herbeiführung besserer österreichisch-preußischer Beziehungen zu machen. Er veranlaßte denn auch einen Meinungsaustausch zwischen den Gesandten der beiden Staaten, der weitere Kreise nach Wien und Berlin schlug, aber schließlich ergebnislos blieb 14 ). Im Juni desselben Jahres ward Oertzen dann auf den Posten eines Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Schwerin berufen. Auch aus dieser Zeit sind uns zwei Äußerungen Bismarcks über ihn erhalten 15 ). Der Preuße charakterisierte ihn als einen "achtbaren, ruhigen Charakter, etwas pedantisch und juristisch, aber ehrlich und zuverlässig und preußisch, soweit das ein Mecklenburger von der ritterschaftlichen Partei sein könne". In seiner deutschen Politik werde er sich überall soweit es das mecklenburgische Interesse nicht verbiete, an Preußen anschließen. Von seiner 1850 bewiesenen Hinneigung zu Österreich sei er durch siebenjährige Tätigkeit am Bundestage vollständig geheilt.

Diese sehr vorsichtig formulierten Äußerungen Bismarcks sind in der Charakteristik ausgezeichnet, im übrigen aber doch wohl etwas sehr mit preußischen Augen gesehen. Allerdings besaß Oertzen keine Vorliebe für Österreich mehr; eine Hinneigung zu Preußen, die Bismarck zu vermuten scheint, hatte er aber ebensowenig gewonnen. Nie ist er aus Zuneigung Preußen gefolgt, sondern nur unter dem Druck der harten Notwendigkeit der politischen und geographischen Lage Mecklenburgs. Sein


12) Vgl. den Unterschied in der Haltung Bismarcks und Leopold von Gerlachs bei R. Augst, "Bismarck und Leopold von Gerlach", 1913, S. 69-78.
13) Vgl. H. v. Oertzen a. a. O. S. 160/61 und Poschinger, "Preußen am Bundestag", III. Bd. S. 244, 262; IV. Bd. S. 16.
14) Oertzen a. a. O. S. 219 ff., Poschinger a. a. O. III. S. 338.
15) Vgl. Poschinger a. a. O. III. S. 302; IV. S. 297.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 52 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Grundziel war und blieb: Aufrechterhaltung der Macht des Bundes und unbedingtes Einschreiten gegen die nationale und liberale Revolution 16 ).

*          *
*

In seinem neuen Berufskreis als Ministerpräsident von Mecklenburg-Schwerin hat Oertzen weiter in dem dargelegten Sinne gewirkt. Seine beiden Amtsgenossen, die Minister von Schroeter und von Levetzow, in ihrer politischen Auffassung völlig mit ihm einig, überließen ihm die alleinige Leitung der Außenpolitik des Landes, sich ihren Fachkreisen widmend. Von größerer Bedeutung für die Führung der mecklenburgischen Politik waren die in Frankfurt, Wien und Berlin tätigen Gesandten und Geschäftsträger. Zugleich mit dem Ministerwechsel in Schwerin war in der Besetzung dieser diplomatischen Posten ein Wechsel eingetreten. Oertzens Nachfolger in Frankfurt am Main wurde der Freiherr Bernhard von Bülow, ein jüngerer, erst 38jähriger Mann. Ein Universitäts- und Studienfreund Großherzog Friedrich Franz' II., hatte er eine glänzende Laufbahn hinter sich. In Paris, Berlin und Wien hatte er Gelegenheit gehabt, das diplomatische Leben kennen zu lernen. So kam er mit klaren politischen Einsichten auf den Frankfurter Posten. Er ist wohl einer der begabtesten Staatsmänner gewesen, die Mecklenburg hervorgebracht hat. Durchdringender Verstand und leidenschaftlicher politischer Ehrgeiz zeichneten ihn aus. "Fein, kalt und etwas hochmütig" nennt ihn Robert von Mohl in seinen Lebenserinnerungen. In seinem leidenschaftlicheren Temperament unterschied er sich von Oertzen, in seinen fachlichen politischen Anschauungen dagegen glich er ihm völlige Auch er war streng konservativ, auch sein Ziel war Erhaltung des Bestehenden, Festigung der Bundeseinrichtungen. In all dem aber war er schroffer und einseitiger als der ältere, mehr der Vermittlung zugeneigte Minister. Stets zeigte er sich indessen als scharfsinniger, kluger und, soweit nicht sein Doktrinarismus im Weg stand, hinter die Fassade der offiziellen Politik blickender Diplomat von zweifellos großer Staatsmännischer Begabung. Seine Stellung zum österreichisch-preußischen Problem war schärfer akzentuiert als die Oertzens. Gegen die preußische Politik war er sehr mißtrauisch, von ihr erwartete er nichts Gutes. Für das legitimistisch-konservative Österreich da-


16) Ich stelle mich also gegen die von Hirschfeld (II. S. 85) ausgesprochenen Meinung, Oertzen hatte später in seiner Tätigkeit Bismarcks Erwartungen entsprochen, und schließe mich der von H. v. Oertzen S. 230 und Vitense a. a. O. S. 477 vertretenen Auffassung an.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 53 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

gegen zeigte er größere Zuneigung, während sein Mißtrauen gegen Preußen sich im Laufe seiner Amtstätigkeit allmählich zum Haß steigerte 17 ).

Neben diesem sich klar abhebenden, eigenwilligen, aber gewiß nicht unbedeutenden Staatsmann bleibt das Bild des Gesandten in Wien, eines Herrn von Gamm, verschwommener. Nach seinen Berichten macht er den Eindruck eines pflichttreuen, gewissenhaften, nicht untüchtigen Beamten, der die politischen Vorgänge in ihrem mehr äußerlichen Bild richtig erfaßte und klar darstellte, aber im allgemeinen nicht den Ehrgeiz hatte, selbständige Politik zu treiben. Die Wiener Luft verfehlte ihre Wirkung auf diesen doch recht unselbständigen Mann nicht: das Bild, das er von der österreichischen Politik zeichnete, war sehr stark mit österreichischen Augen gesehen.

Der Geschäftsträger in Berlin endlich, ein General von Hopffgarten, scheint als Politiker ganz unzulänglich gewesen zu sein. Als alter, 61jähriger Herr war er aus der militärischen in die diplomatische Laufbahn hinübergetreten. Seine Berichte blieben gemeinhin rein höfisch, über fürstliche Familienangelegenheiten und vor allem über die Feste der Saison, deren Programm beizulegen er so gut wie nie vergaß, verbreitete dieser merkwürdige Staatsmann sich sehr ausführlich. Die politischen Ereignisse dagegen machte er trocken, knapp, aktenmäßig und oberflächlich ab, soweit er sie überhaupt berührte.

So standen an leitender Stelle in Mecklenburg-Schwerin überall neue Männer, als sich die Periode der Reaktion ihrem Ende näherte. Im Oktober 1858 übernahm Prinz Wilhelm von Preußen an Stelle seines erkrankten Bruders endgültig die Regierung. Nach der Entlassung des Ministeriums Manteuffel begann die Zeit der Neuen Ära. Dieser Umschwung in Preußen war für die deutsche Frage von der allergrößten Wichtigkeit, hatte sich doch jetzt der norddeutsche Großstaat ein für allemal von der Politik der Heiligen Allianz losgesagt und Beziehungen zu den neuen aufstrebenden Kräften des deutschen Volkes angeknüpft. Neues politisches Leben begann jetzt in Deutschland zu blühen. Ebenso wie in unserm Vaterlande rangen damals auch in Italien die nationalen Kräfte um eine Einigung des Landes, und ebenso wie dort war auch hier Österreich der Gegner einer solchen Einigung. Zum Führer der nationalitalienischen Bestrebungen machte


17) Das hier gegebene Bild vom Wesen und Charakter Bülows ist nach seinen Gesandtenberichten und privaten Briefen entworfen. (Geh. und Haupt-Archiv und Großh. Hausarchiv, Schwerin; Hauptarchiv Neustrelitz.)
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 54 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

sich das Königreich Sardinien, und Napoleon III. lieh ihm die Unterstützung Frankreichs. Mit einem Schlage erkannten die deutschen Regierungen und Dynasten den engen Zusammenhang der italienischen und deutschen Frage: Was dort den Kleinstaaten beschieden sein konnte, wenn Österreich unterlag, das drohte auch ihnen, falls sie nicht unbedingt den alten Bund aufrechterhielten. Von ganzem Herzen wünschten sie daher in dem im April ausbrechenden Kriege den Sieg Österreichs. Auch die Hülfe des deutschen Bundes sollte, soweit irgend möglich, für die Donaumonarchie, die Verteidigerin des Legitimitätsprinzips, bereitgestellt werden. Auf Preußen aber sah man von vornherein mit einem gewissen inneren Mißtrauen: konnte es nicht gegebenenfalls in die Versuchung kommen, die Rolle Sardiniens in Deutschland zu spielen?

Eine energische Unterstützung Österreichs durch den Bund war aber nur möglich, wenn Preußen entschlossen dafür eintrat. Diese sehnlichst erwartete preußische Entscheidung blieb jedoch aus. Gegen einzelne Zugeständnisse war Prinzregent Wilhelm durchaus zum Eingreifen an Österreichs Seite bereit, dieses aber zögerte aus Mißtrauen, sie zu gewähren. Sich indessen etwa vom Bunde zum einfachen Bundeskrieg zwingen zu lassen, das lehnte Preußen als europäische Großmacht ab. Langwierige und lange ergebnislose Verhandlungen zwischen den beiden deutschen Großmächten füllten den Mai und einen Teil des Juni aus 18 ).

Inzwischen hatte der Bundestag versucht, sich über seine Haltung klar zu werden und Schritte zu unternehmen. Auf preußischen Antrag, den Österreich unterstützte, da nicht mehr zu erreichen war, wurde die "Marschbereitschaft" der Bundeskontingente am 23. April beschlossen. Von seinen Regierungen war der mecklenburgische Gesandte, Herr von Bülow, angewiesen worden, übereinstimmenden Anträgen der Großmächte zuzustimmen. In diesem Sinne sprach er sich auch bei der Abstimmung am 23. April aus. Was seine persönliche Ansicht anlangte, so verdammte er den französisch-italienisch-österreichischen Krieg als einen frivolen Bruch des Legitimitätsgrundsatzes. Daher ging ihm der preußische Antrag auf Marschbereitschaft lange nicht weit genug. Er wünschte ein aktives Eingreifen des Bundes an Österreichs Seite. In diesem Sinne sprach er sich in all seinen meist sehr eingehenden Berichten über die Lage aus. Sein Mißtrauen und seine Abneigung gegen Preußen arteten zu Zeiten, wenn die Wogen der Erregung am Bundestag besonders hoch gingen, in heftige Zornesausbrüche aus. Nur ab und an beurteilte er die preußische


18) Vgl. E. Brandenburg, "Die Reichsgründung", I. S. 402 ff.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 55 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Politik objektiver und suchte ihren Beweggründen gerecht zu werden 19 ).

Seine Regierungen ließen ihm sehr viel freie Hand, nachdem ihm auf seine Darlegungen hin am 1. Mai eine Instruktion dahin erteilt war, für eine bewaffnete Teilnahme des Bundes am Kriege einzutreten. Sie waren wohl mit seinen Ansichten im wesentlichen einverstanden und hatten daher keinen Grund, ihrerseits auf die von ihm vertretene Politik einzuwirken. Durch die geographische Lage waren sie ja auch gezwungen, sich vor allzu scharfem, verletzendem Auftreten gegen Preußen zu hüten 20 ).

Die Ereignisse gingen ihren Gang, Österreich zog sich die Niederlagen bei Magenta und Solferino zu. Da trat im letzten Augenblick Prinzregent Wilhelm als bewaffneter Vermittler auf, er verfügte die Mobilmachung des preußischen Heeres. Am Bundestag waren die Erregung und das Mißtrauen gegen Preußen ständig gewachsen. Man fürchtete jetzt sogar, daß seine Rüstungen zum Angriff auf Österreich bestimmt sein möchten. Trotzdem folgte man, wenn auch zögernd und widerwillig, den preußischen Vorschlägen, die die Mobilmachung von zwei Bundeskorps verlangten. Auch Mecklenburg stimmte zu, doch zeigt ein Brief des Großherzogs Friedrich Franz vom 28. Juni 1859, daß er die zögernde Politik Preußens ganz und gar nicht billigte 21 ). Besonderes Entsetzen erregte es dann am Bundestag, als Preußen Anfang Juli verlangte, die Bundestruppen sollten unter seinen Oberbefehl gestellt werden ohne die einschränkenden Bestimmungen der Bundeskriegsverfassung. Da schloß Österreich aus Mißtrauen gegen den norddeutschen Rivalen den schnellen Frieden von Villafranca mit seinen Gegnern.

Fast alle mittel- und kleinstaatlichen Politiker gaben die Schuld an diesem ganz unerwünschten Ausgang des Krieges Preußen, darin bestärkt durch eine Zirkulardepesche des kaiserlichen Ministers Grafen Rechberg vom 16. Juli. Auch Herr von Bülow, der mecklenburgische Gesandte, war außer sich vor Zorn gegen Preußen. In langen, haßerfüllten Darlegungen vom 15. Juli suchte er Ziele und Tendenzen der preußischen Politik zu entwickeln. Mit "zynischer Folgerichtigkeit", so meinte er,


19) Näheres und Belege in meiner Dissertation, Kap. 2.
20) Wenn Hirschfeld a. a. O. II. S 93 schreibt, Großherzog Friedrich Franz sei ebenso wie Oertzen fest entschlossen gewesen, sich in den Wirren jener Tage eng an Preußen anzuschließen, so weiß ich nicht, womit er diese Ansicht begründen, wie er sie mit dem Inhalt der Instruktion vereinigen will.
21) Großh. Hausarchiv. Vgl. meine Dissertation S. 41. Hirschfeld erwähnt diesen Brief nicht.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 56 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

habe es seine Ziele zur Schwächung Österreichs, zur Begründung eigner harmonischer Stellung verfolgt. Damit hatte er mit vom Haß geschärftem Blick die Tendenzen herausgefühlt, denen die Politik Preußens notwendig einmal zustreben mußte, wenn seine Staatsmänner diese Zwangsläufigkeit erkannt hatten. Die Politik des Jahres 1859 hatte er damit allerdings ganz falsch beurteilt. Sie war wirklich nicht "zynisch" folgerichtig, sondern unklar und schwächlich. So war eine Darstellung für die Gegenwart verzerrt ausgefallen, scharfsinnig ahnte sie die Zukunft voraus.

Bessern wollte er die schlimmen Zustände in Deutschland dadurch, daß Preußen unter die Autorität des Bundes zurückgeführt würde. Der Bund sollte der große Oberbau sein, von dem sich auch die Großmächte völlig umschließen lassen, in dem sie unter Hintansetzung ihrer Eigeninteressen aufgehen sollten. Es war ein ehrlicher deutscher Patriotismus, von dem diese Gedanken ausgingen, nur wurde er den harten Tatsächlichkeiten nicht gerecht.

Um den Konservativismus zu stärken, schlug Bülow etwas später in einem Bericht vor, Preußen wegen seiner im italienischen Kriege bewiesenen Undeutschen Gesinnung bei der liberalen Partei zu diskreditieren, ihr damit den Halt und das feste Ziel zu nehmen und durch diese großzügige Propagandatätigkeit konservativen Gedanken überall in Deutschland zum Durchbruch zu verhelfen. Dem österreichischen Gesandten gegenüber erklärte er, unter dem Eindruck der Rechbergschen Depesche vom 16. Juli stehend, Österreich habe durch den Frieden von Villafranca (der die preußischen Hegemoniepläne vernichtet habe), zugleich Deutschland einen Dienst erwiesen.

Wie man sich in Schwerin und Neustrelitz zu diesen letzten Plänen, Taten und Folgerungen Bülows gestellt hat, ist nicht ersichtlich. Schwerlich wird man ein so scharf antipreußisches Vorgehen, wie es in der Erklärung an den österreichischen Gesandten lag, aus taktischen Gründen ganz gebilligt haben. Mit den sachlichen Leitgedanken Bülows dürfte Herr von Oertzen aber jedenfalls einverstanden gewesen sein, ebenso wie die Strelitzer Regierung 22 ).


22) Dissertation S. 48 Anm. 1. Die historisch-politischen Ausführungen, die H. v. Oertzen a. a. O. S. 243/44 an seine Darstellung anschließt, sind ganz von altkonservativem Geiste erfüllt. Sie zeugen von einem völligen Verkennen des inneren historischen Sinnes der deutschen Frage und des österreichisch-preußischen Problems im besonderen (vgl. Dissertation S. 48 Anm. 2).
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 57 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Durch den italienischen Krieg und die Beschäftigung mit den ihn berührenden Problemen hatte das politische Leben in Gesamtdeutschland starke Antriebe bekommen. Kräftig begannen jetzt die alten Kleindeutschen von 1848 sich zu regen. Eine große Versammlung zu Eisenach rief dann am 14. August den deutschen Nationalverein ins Leben, der einige Wochen später endgültig begründet wurde 23 ). Sein Ziel war, für den einigen, freiheitlich eingerichteten, von Preußen geführten kleindeutschen Bundesstaat einzutreten. So wurden jetzt die Gedanken der Paulskirche, denen vor einem Jahrzehnt das ganze Deutschland zugejubelt hatte, wieder ins Volk getragen und entfalteten sich mit der Macht der siegenden Idee. Sehr groß war der Einfluß, den der Nationalverein bald in Deutschland gewann. Die Regierungen, vor allem Österreich und der Bundestag, sahen aber den Verein mit sehr mißtrauischen Augen an und hätten seine Tätigkeit am liebsten so schnell als möglich völlig unterbunden. Indessen einer großzügigen Verfolgung der Mitglieder des Nationalvereins von Bundes wegen widersetzte sich Preußen, wenn auch der Prinzregent keineswegs mit allen ihren Bestrebungen übereinstimmte. Ihre Bekämpfung blieb also den Einzelstaaten überlassen. Die mecklenburgischen Regierungsmänner mußten, getreu ihren legitimistisch-konservativen Anschauungen, aufs schärfste den Tendenzen entgegentreten, die letzten Endes auf eine Sprengung des Deutschen Bundes, Beschränkung der Hoheitsrechte der Einzelstaaten und der fürstlichen Macht überhaupt hinausliefen, also offenkundig "revolutionär" waren. So wurde der Beitritt zum Nationalverein in beiden Mecklenburg streng verboten. Wer es trotzdem wagte, Mitglied zu werden, setzte sich harter gerichtlicher Verfolgung aus 24 ). Einmal dieses Verbot, dann aber auch andere Grunde haben es verursacht, daß der Nationalverein in Mecklenburg nur eine sehr geringe Wirksamkeit entfaltet hat. Das politische Leben des Landes war überhaupt nicht sehr intensiv, und alles, was seine Kräfte in den Dienst der Tagespolitik und Publizistik stellte, richtete sein Augenmerk auf das nächstliegende und den mecklenburgischen Liberalen am wichtigsten erscheinende Ziel: die Schaffung einer konstitutionellen mecklenburgischen Verfassung. So blieb für die großen deutschen Probleme nicht soviel übrig wie in andern Bundesstaaten. Es nimmt also nicht weiter Wunder, daß der Einfluß des Nationalvereins in Mecklenburg


23) Vgl. Brandenburg a. a. O. I. S. 405 ff.; Rud. Schwab, "Der Nationalverein", Berner Diss. 1902, und H. Oncken, "Bennigsen".
24) Vgl. Brandenburg I. S. 407, Vitense S. 478, v. Hirschfeld II. S. 108, v. Oertzen S. 248.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 58 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

sehr gering blieb. Eine Petition einer Anzahl Rostocker Bürger im Februar 1861 um Aufhebung des Beitrittsverbots wurde natürlich abschlägig beschieden. Der Nationalverein seinerseits beschäftigte sich auf seiner dritten Generalversammlung 1862 mit der mecklenburgischen Verfassungsfrage. Vor allem Moritz Wiggers trat dafür ein, daß sie als gesamtnationale Angelegenheit behandelt werde. Ein Antrag auf Wiederherstellung der Verfassung von 1849 wurde einstimmig angenommen. Daß dies Vorgehen nicht gerade dazu beitrug, den Verein den mecklenburgischen Regierungen sympathischer zu machen, versteht sich von selbst 25 ).

Besonders groß war in den Kreisen der mecklenburgischen Staatsmänner die Abneigung gegen den liberalen Herzog Ernst von Sachsen-Koburg-Gotha, der das Programm des Nationalvereins billigte und ihm in Gotha ein Heim gewährt hatte. Man empfand die Gefahr, die darin lag, daß selbst ein Fürst offenkundig "revolutionären" Tendenzen anhing. Auch der Großherzog Friedrich Franz muß diese Meinung geteilt haben, sonst hatte der Gesandte von Hopffgarten in einem persönlich an ihn gesandten Bericht nicht einen so gereizten Ton gegen den Koburger angeschlagen und ihm ganz unehrerbietig einfach als "der Herr" bezeichnen können 26 ). Am Strelitzer Hofe, wo der blinde Friedrich Wilhelm 1860 seinem Vater Georg, dem er in seinen legitimistisch-konservativen Anschauungen völlig glich, gefolgt war, war Herzog Ernst ganz besonders persona ingrata. Eine ergötzliche Episode aus der Zeit des Frankfurter Fürstentages berichtet der hessische Minister von Dalwigk in seinem Tagebuch 27 ). Der blinde Großherzog fragte bei einer Gesellschaft seinen einen Tischnachbarn, den Prinzen Alexander von Hessen, wer denn auf der andern Seite neben ihm säße. Auf die Antwort: "Der Herzog von Sachsen-Koburg-Gotha", sagte er ganz laut: "Da bin ich ja in ganz schlechte Gesellschaft geraten."

Die Staatsmänner der Mittel- und Kleinstaaten erkannten eben ganz deutlich die ungeheure Gefahr, die ihrer eigenen inner-politischen Stellung und der Selbständigkeit ihrer Länder bei der Verwirklichung der nationalen und liberalen Ideen drohte. Sehr richtig charakterisierte der preußische Gesandte in Hamburg und Schwerin, ein Herr von Richthofen, die innere Einstellung der kleinstaatlichen Politiker in einer Denkschrift an den Minister


25) Vgl. im einzelnen: Oncken, "Bennigsen" I. S. 467, Hirschfeld II. S. 108 Anm., Schwab S. 69 und 80/81, Oncken I. S. 586/87.
26) Ber. v. 4. 4. 1860. Geh. u. Haupt-Archiv Schwerin.
27) W. Schüßler, "Die Tagebücher des Freiherrn Reinhard von Dalwigk zu Lichtenfels" S. 108, Eintrag v. 17. 8. 1863.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 59 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

von Schleinitz über die Stimmungen und Strömungen im deutschen Norden 28 ). Ihr angeerbter Ideengang, aus dem heraus sie die deutsche Frage beurteilten, müsse notwendig dem Zuge der Zeit nach einheitlicher nationaler Kraft widerstreben. Sie fühlten es ganz richtig heraus, daß die Bewegung gegen ihre Existenz gerichtet sei, denn das liberale Element sei der Tod ihrer Souveränität. Das sind treffende Worte, denen kaum etwas hinzuzufügen ist.

"In dem Vereinswesen," so schrieb Richthofen ein andermal, "sehe der Minister von Oertzen eine Folge der Lockerung und Lösung der Bundesgewalt. Für das Entstehen der Vereine in dieser Richtung und die Gefahr, die sich hierdurch für die Regierungen ergebe, mache er insbesondere die Periode der Neuen Ära in Preußen verantwortlich. Nach seiner Meinung könne das Übel nur da beseitigt werden, wo es seine Wurzel habe, auf diese müsse man zurückgehen. Preußen müsse die von ihm gelockerte Kraft des Bundes wieder zu stärken suchen; nur in dem gänzlichen Verlassen der bisherigen Bahn und in der vollständigen Rückkehr Preußens unter die Bundesautorität und ihre Plenarbeschlüsse sei gegen jene Tendenzen wieder eine feste Basis zu gewinnen. Die Maßnahmen einzelner Regierungen nützten wenig. In Mecklenburg habe man alle derartigen Vereine mit Erfolg verboten, der böse Stoff komme aber von außen her doch herein. Nur im Bunde allein liege die Macht zu Gesamtmaßregeln und nur diese könnten helfen."

Das ist wieder der alte Oertzen mit seinen alten politischen Zielen, deren Hauptprogrammpunkt die Aufrechterhaltung und Stärkung der Bundesmacht war. Freilich hatte er recht, wenn er die Bedeutung der Auflösung der Bundesgewalt für die Ausbreitung des politischen Vereinswesens betonte, aber er blickte nicht tiefer. Er sah nicht oder wollte nicht sehen, daß diese Auflösung und innere Zersetzung nur ein Symptom war. Er erkannte nicht, daß der Bund innerlich hohl und nicht lebensfähig war, weil er auf einer inneren Unwahrhaftigkeit, der Vorgabe von dem Vorhandensein einer unparteiischen, wirklich über den beiden Großmächten stehenden Bundesgewalt beruhte. Freilich war es denkbar, daß Preußen wenigstens für kürzere Zeit das eigene Großmachtstreben aufgab, wie Oertzen es ersehnte. Möglich war es, daß es ihm gelang, in Gemeinschaft mit Österreich, einlenkend in die Bahnen der Heiligen Allianz, der Metternichschen Staatskunst, noch einmal die nationalen und liberalen Bestrebun-


28) Geh. Staatsarchiv Berlin AA IA. Ah 26 u. AA I A. Ab 61, vol. VI.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 60 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

gen der deutschen Nation zu knebeln. Aber das hätte nur eine Galgenfrist sein können, denn der Verfall des Morschen und Zusammenbrechenden läßt sich wohl aufhalten, aber nicht gänzlich hemmen. Oertzen war eben der Konservative im extremsten Sinn des Wortes. Selbst Stürzendes wollte er noch erhalten und lieber die Trümmer des baufälligen Hauses über sich zusammenbrechen lassen, als die ihm lieb gewordenen, aber nicht mehr tragfähigen Grundpfeiler durch neue ersetzen.

Zu dem Einschreiten gegen den Nationalverein von Bundes wegen hatte sich schon im Januar 1861 eine Gelegenheit geboten, die aber unbenutzt vorübergelassen war. Das Großherzogtum Hessen stellte einen Antrag auf Interpretation des § 1 des Bundesbeschlusses vom 13. Juli 1854 über die Maßregeln zur Aufrechterhaltung der gesetzlichen Ordnung und Ruhe im deutschen Bunde, insbesondere das Vereinswesen. Der Antrag zielte darauf hin, ein Verbot des Nationalvereins von Bundes wegen zu erreichen. Die mecklenburgischen Regierungen billigten diese Tendenz selbstverständlich durchaus 29 ), an dem preußischen Widerstande scheiterten aber auch jetzt alle Verfolgungsabsichten.

Im Gegensatz zu den Kleindeutschen regten sich im Zusammenhang mit den mittelstaatlichen und österreichischen Reformplänen seit 1862 auch die Großdeutschen. Aber getreu ihrem einmal politischen Vereinen gegenüber eingenommenen Standpunkt unterstützte Mecklenburg auch diese Bestrebungen nicht, wenn man natürlich auch nicht mit so scharfen Mitteln wie gegen den Nationalverein gegen sie einschritt 30 ).

*          *
*

Während sich im Nationalverein die Wünsche der liberalen Bevölkerungskreise kundtaten, waren auch die Regierungen nicht untätig geblieben. Von verschiedenen Seiten traten Bundesreformvorschläge an die Öffentlichkeit. Die Mobilmachung 1859 hatte die Mängel der Bundeskriegsverfassung in ein besonders


29) Hirschfeld II. S. 109 behauptet, Großherzog Friedrich Franz habe den Frankfurter Gesandten angewiesen, gegen den hessischen Antrag zu stimmen. Woher er diese Nachricht hat, weiß ich nicht. Wahrscheinlich hat er eine Instruktion (v. 29. 1. 61) nur ungenau gelesen und falsch interpretiert.
30) Vitense spricht S. 478 über Oertzens stets vermittelnde Taktik, die ihn bestimmt habe, sowohl die kleindeutschen Bestrebungen (Nationalverein) als auch die großdeutschen unberücksichtigt zu lassen. Das trifft nicht den Kern der Sache. Der für Oertzen maßgebende Grund war nicht seine Ausgleichsstellung zwischen Österreich und Preußen, sondern seine Ablehnung des politischen Vereinswesens überhaupt.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 61 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

grelles Licht gerückt. Der Hauptschaden war das Fehlen einer einheitlichen, zielbewußten Leitung und das Hineinreden zu vieler Instanzen in die militärischen Fragen. Daher richtete sich das Augenmerk des Prinzregenten Wilhelm, der eingesehen hatte, daß eine allgemeine politische Bundesreform an dem Widerspruch Österreichs und der Mittelstaaten scheitern müsse, auf dies Gebiet, auf dem er, der alte Soldat, ja wirklich Fachmann war 31 ). Sein Plan war eine Zweiteilung im militärischen Oberbefehls die Bundeskontingente nördlich des Mains sollten unter preußische, die süddeutschen unter österreichische Oberleitung gestellt werden. Es ist klar, daß dieser preußische Plan nicht nur rein militärische sondern zugleich hochpolitische Wirkungen gehabt hätte, wäre er zur Durchführung gekommen. Willigte Osterreich ein, so hätte es die volle Gleichberechtigung Preußens in Deutschland zugestanden, zugleich wären aber die einzelstaatlichen Hoheitsrechte beschränkt worden. Damit waren weder Österreich noch die mittelstaatlichen Politiker einverstanden. Aus dem Lager dieser kam denn auch eine besonders kräftige Gegenbewegung: dem Gedanken des österreichisch-preußischen Dualismus stellten sie die alte Triasidee gegenüber, wie sie in der ersten Zeit nach 1815 der württembergische Freiherr von Wangenheim vertreten hatte 32 ). Manche Fäden leiten von diesem Gedanken zurück zu dem alten "Reichspatriotismus" der Stände des 17. und 18. Jahrhunderts. Neben Österreich und Preußen sollte der übrige Bund als gleichberechtigter dritter Faktor treten. Dies "dritte Deutschland", das in seiner Hauptsache die altdeutschen Gebietsteile umfaßte, sollte seine politische Macht dem auf ostdeutschem Kolonialboden erwachsenen Preußen und dem östlich und südlich orientierten Österreich gegenüber in die Wagschale werfen. Solche ideellen Gedankengänge fanden ihre Stütze an der Tatsache, daß so die Hoheitsrechte der Einzelstaaten am besten zu schützen waren.

Als Wortführer in dem jetzt entbrennenden Kampf traten vor allem der sächsische Minister von Beust, die Bayern von der Pfordten und von Schrenck und der Hesse von Dalwigk auf 33 ).


31) Vgl. E. Brandenburg a. a. O. I S. 408 ff., Sybel II. S. 338, E. Marcks "Kaiser Wilhelm I.", P. Bailleu, "Prinzregent Wilhelm und die Reform der deutschen Kriegsverfassung", H. Z. 78.
32) Über Wangenheim neben Treitsches Aufsatz setzt K. Albrecht in den Darstellg. z. württ. Gesch. Bd. 14, 1914.
33) Vgl. Beusts Erinnerungen "Aus drei Vierteljahrhunderten" und das freilich veraltete Werk über ihn von Ebeling (1871), über Pfordten den Aufsatz von K. Stählin (Internat. Wochenschrift 1911) und M. Doeberl, "Bayern und Deutschland im 19. Jahrhundert", über Dalwigk die Einleitung von W. Schüßler, dem Herausgeber seiner Tagebücher.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 62 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Sie sahen ein, daß es täglich unmöglicher wurde, dem immer dringender geäußerten Verlangen der deutschen Nation nach einer Bundesreform mit rein negativen Mitteln entgegenzutreten, daß sie selber eigene positive Vorschläge machen mußten. Um die mittel- und kleinstaatlichen Politiker zu gemeinsamem Handeln zu veranlassen, erließ Herr von Schrenck, der damals bayrischer Minister war, eine Einladung zu einer Konferenz nach Würzburg für Ende November 1859, die auch an Mecklenburg erging. In den Vordergrund wurde auch hier eine Abstellung der Mängel der Bundeskriegsverfassung geschoben. Es sollte aber unbedingt an der alten Bundesverfassung als Grundlage festgehalten werden, da ihre Bestimmungen, richtig angewandt, vollkommen ausreichend seien. Es konnte sich also nur um Reformen auf ihrem Boden handeln 34 ). Daß diese konservative Ansicht den mecklenburgischen Politikern, namentlich Herrn von Oertzen, sehr sympathisch war, läßt sich denken. Auch der Großherzog Friedrich Franz, beunruhigt über die Ereignisse des Jahres 1859, war damit einverstanden, daß Mecklenburg die Einladung annahm. Als Vertreter sowohl des Schweriner als auch des Strelitzer Landes ging Oertzen nach Würzburg. Die Verhandlungen fanden vom 24. bis 27. November statt. Vertreten waren außer den beiden Mecklenburg die vier Königreiche, beide Hessen, Nassau und Sachsen-Meiningen. Der Grundgedanke, der die ganze Ministerkonferenz beherrschte, war der eines Ausbaus der Bundeskompetenz, einer Stärkung der Bundesmacht. Es sind die mittelstaatlichen Reformpläne, deren Seele Herr von Beust war und blieb. Diese Männer wollten größtenteils dem Streben der deutschen Nation nach größerer Einigung durchaus entgegenkommen und dies auf der Basis des alten Bundes verwirklichen. Sie haben später den Preußenfreunden gegenüber, die ihnen alle Schuld an der Uneinigkeit und Machtlosigkeit Deutschlands beimaßen, mit Recht betont, daß auch sie deutsch empfunden und für Stärkung der deutschen Macht hätten sorgen wollen, daß vielmehr ihre Ziele durch Preußen-Österreich vereitelt worden seien. Ihre gute Absicht ist anzuerkennen, zugleich muß aber gesagt werden, daß ihre Pläne schon im Augenblick, wo sie ausgesprochen wurden, zum Scheitern verdammt waren. Einmal konnten sie unmöglich dem Wunsch des deutschen Volkes, aus einer Kulturnation eine wirklich geschlossene Staatsnation zu werden, Erfüllung bringen, dann aber unterschätzten sie die Bedeutung des österreichisch-preußischen Dualismus. So blieb alles, was die "Würzburger" taten, schließlich erfolglos, ebenso


34) Vgl. Hirschfeld II. S. 106/07, v. Oertzen S. 246/47.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 63 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

wie das sie einende Band, die alte Triasidee, im geistigen Kampfe unterlag.

Verschiedene praktisch-politische Anträge wurden in der Novemberkonferenz besprochen und später von den vereinigten Regierungen in der Bundesversammlung eingebracht. Über einen, der gerade den wichtigsten Punkt, die Reform der Bundeskriegsverfassung, betraf, kam es später zu Meinungsverschiedenheiten unter den Antragstellern selbst, so daß er fallen gelassen wurde.

Zweifellos stand Herr von Oertzen mit seinen Sympathien ganz auf der Seite der Würzburger, zu deren konservativstem Flügel er seiner Anlage und politischen Anschauung nach gehörte. Anderseits verkannte er aber auch nicht, wie sehr Mecklenburg in der preußischen Machtsphäre lag und darauf angewiesen war, sich gut mit ihm zu stellen. Er ließ daher, um das gerade damals sehr rege preußische Mißtrauen zu beschwichtigen, in Berlin von dem offiziellen Ergebnis der Verhandlungen Mitteilung machen 35 ).

Das preußische Reformprojekt wurde dem Militärausschuß des Bundestages zur Begutachtung überwiesen. Der Ausschuß sprach sich im Mai 1860 mit allen gegen die eine preußische Stimme für seine Verwerfung aus. Damit war der preußische Versuch, auf dem Wege einer Reform der Kriegsverfassung auch zu politischen Ergebnissen zu kommen, gescheitert.

Die Würzburger Vereinigung hielt auch in den folgenden Jahren noch zusammen. Mecklenburg zog sich aber von allen offiziellen Zusammenkünften und Schritten aus Rücksicht auf Preußen sehr zurück. Schon auf der zweiten Konferenz 1860 war es nicht mehr vertreten. Inoffiziell und persönlich scheint sich aber die Verbindung zwischen Herrn von Oertzen und den Würzburgern zunächst noch nicht gelöst zu haben. Der preußische Gesandte von Richthofen wußte wenigstens öfter von "Würzburger Beziehungen und Neigungen" des Ministers zu erzählen 36 ). Erst 1861 hat sich eine weitere Abkehr der mecklenburgischen Regierungen von der mittelstaatlichen Politik vollzogen. Sie ist, neben der täglich klarer werdenden Einsicht in die aus der geographisch-militärischen Lage hervorgehende Abhängigkeit von Preußen durch unmittelbare preußische Beeinflussung verursacht worden. Da diese Einwirkung größtenteils auf mündlichem Wege stattgefunden zu haben scheint, so sind das einzige Zeugnis dafür zwei Berichte Richthofens aus den Jahren 1861 und 1862 37 ). Sie er-


35) Vgl. Hirschfeld II. S. 107.
36) Geh. Staatsarchiv Berlin AA I A. Ab 70, vol. I.
37) Geh. Staatsarchiv Berlin AA I A. Ab 61, vol. IV.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 64 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

zählen von dem geglückten Versuche des Gesandten, Mecklenburg von der Würzburger Koalition zu trennen, und geben zugleich ein fesselndes Bild von den einander widerstreitenden Kräften am Schweriner Hofe. Großherzog Friedrich Franz war preußischen Einflüsterungen am leichtesten zugänglich - er neigte überhaupt zu Preußen 38 ). Der schroffste Vertreter einer antipreußischen, mittelstaatlich orientierten mecklenburgischen Politik dagegen war der Frankfurter Gesandte von Bülow. Sehr hübsch kennzeichnete Richthofen sein heftiges politisches Temperament, wenn er schrieb, Bülow "schäume" über den Abfall seines Herrn von den Würzburgern und möchte ihn auf den früheren Weg zurückleiten. Herr von Oertzen scheint mehr eine Ausgleichsstellung eingenommen zu haben. Er suchte wohl eine selbständige Bundespolitik Mecklenburgs mit gutem Einvernehmen mit Preußen zu vereinigen. Daß er mit dem Herzen nicht auf Preußens Seite stand, ist ganz sicher.

Die neue Stellung, die Mecklenburg seit dem Jahre 1862 in der Bundespolitik einnahm, die Abkehr von den Würzburgern, kam zum ersten Male gelegentlich der sogenannten "identischen Noten" im Februar 1862 klar zum Ausdruck. Der stets rührige Herr von Beust war Ende 1861 mit einem von ihm ausgearbeiteten Reformprojekt hervorgetreten, das die Grundgedanken der alten Triasidee enthielt. Die Exekutive sollte in der Hand des Kaisers von Österreich, des Königs von Preußen und eines dritten, von den übrigen Regierungen zu wählenden Bundesfürsten liegen. Die Bundesversammlung sollte nur noch zweimal im Jahr für je vier Wochen tagen, einmal in Regensburg unter österreichischem, das andere Mal in Hamburg unter preußischem Vorsitz. So oft es nötig sei, sollte dazu eine Delegiertenversammlung der einzelnen deutschen Landtage zusammentreten. Weiter wurde die Begründung eines Bundesgerichtes zur Entscheidung von Streitigkeiten zwischen den Einzelstaaten gefordert. Das war ein in der Praxis ganz undurchführbarer Plan, und Beust erntete mit ihm fast nirgends Anerkennung. Von mecklenburgischen Staatsmännern bezeichnete Bülow das Projekt mehrfach als ganz unpraktisch 39 ). Eine besonders entschiedene Ablehnung aus allgemeinem Gesichtspunkten kam natürlich aus Berlin. Dort leitete seit Mitte 1861 Graf Bernstorff die preußische Politik, ein Mann, der bereite 1849 warm für die norddeutsche Union gewirkt hatte und auch jetzt ein entschieden kleindeutsches Programm vertrat. In seiner Antwort an Beust vom 20. Dezember 1861 benutzte er die Gelegen-


38) Siehe unten.
39) Brief vom 30. 12. 1861 an Großhz. Friedrich Wilhelm (Hauptarchiv Neustrelitz).
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 65 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

heit, seine Reformpläne darzulegen. Es war das alte Unionsprojekt des durch freie Vereinbarung zu schaffenden kleindeutschen Bundesstaats im großdeutschen Staatenbund. Diese Bernstorffsche Note rief einen Sturm der Entrüstung hervor. Österreich vereinigte sich mit den Würzburgern zu einer gemeinsamen Protestaktion. Sie ließen am 2. Februar 1862 gleichlautende "identische Noten" in Berlin überreichen, in denen sie in scharfer Form gegen die Bernstorffschen Pläne auftraten.

Es war nun die Frage, wie sich Mecklenburg stellen werde. Wenn die öffentlichen Blätter meinten, beide Mecklenburg würden sich den identischen Noten anschließen, schrieb Herr von Richthofen am 8. Februar 40 ), so glaube er selber nicht an einen solchen Beitritt. Einmal, so meinte er, habe sich Mecklenburg überhaupt seit dem Vorjahr von den Würzburgern getrennt, dann aber sei der am Schluß der identischen Noten gemachte Vorschlag einer Delegiertenversammlung am Bunde den mecklenburgischen Regierungen sehr unsympathisch, namentlich dem "hierin maßgebenden Herrn von Oertzen". Man sehe in Mecklenburg die jetzige Verfassung des Bundes als durchaus zweckmäßig und keiner Reform bedürftig an. Vor allem aber werde der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin bei seinen persönlichen Gefühlen für seinen Oheim, den preußischen König, nicht so weit gehen wollen, wie es die gemeinsam protestierenden Staaten getan hätten. Der Strelitzer Großherzog endlich werde, ohne Gemeinschaft mit Schwerin, keinen so wichtigen Schritt tun. An und für sich werde man aber, so bemerkte Richthofen zum Schluß, durchaus von dem Schritt der andern befriedigt sein, wenn man ihm auch nicht folgen wolle.

Es sollte sich zeigen, daß der preußische Gesandte die mecklenburgische Haltung ganz richtig beurteilt hatte. Gleich am 2. Februar hatte der österreichische Minister Graf Rechberg den Gesandten von Gamm in einer besonderen Audienz 41 ) empfangen. Er teilte ihm den Wortlaut der identischen Noten mit und sprach dann den Wunsch aus, auch Mecklenburg möge sich diese Note aneignen. Gamm erwiderte sehr vorsichtig, die Absichten seiner Regierungen seien ihm nicht bekannt. Die Lage Mecklenburgs bedinge manche Rücksichten gegen Preußen. Man vermeide gern, was einen Schein von Demonstration annehme, jedoch zweifle er nicht, daß die Grundzüge des Schriftstücks den Ansichten der Großherzoglichen Regierung entsprächen. Oertzen sandte hierauf am 8. Februar eine Depesche an Gamm mit dem Auftrag, sie dem Grafen


40) Geh. Staatsarchiv Berlin AA IA. Ab. 61, vol. IV.
41) Gamm berichtete über die Audienz am 3. 2. 1862. Geh. und Haupt-Archiv Schwerin.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 66 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Rechberg zu überreichen. Um sich aber bei Preußen nicht verdächtig zu machen, ließ er ihren Inhalt vertraulich am gleichen Tage Herrn von Richthofen mitteilen.

Sehr scharf wurde in der Note die Einrichtung eines Bundesstaates im (völkerrechtlich gefaßten) Staatenbund verworfen, da ein solcher Plan nicht nur den Bundesgrundgesetzen zuwiderlaufe, sondern für Gesamtdeutschland zur Lockerung der nationalen Bande führe. Jede Bundesreform, so fuhr die Denkschrift fort, müsse auf dem Prinzip der organischen Entwicklung der bestehenden, das ganze Deutschland umschließenden Bundesverfassung beruhen. - Waren diese Sätze gegen die Bernstorffsche Note vom 20. Dezember gerichtet, so wurde nunmehr auch der Reformplan Beusts abgelehnt, weil er den Verhältnissen derjenigen Staaten nicht gerecht werde, die auch außerdeutsche Gebietsteile besaßen. Aber, und hier schritt die Denkschrift zu einer allgemeineren Formulierung fort, dieselben Bedenken, die schon dem Beustschen Projekt entgegenstanden, täten dasselbe natürlich in erhöhtem Maße auch bei jedem Plan einer bundesstaatlichen Einigung eines Teiles von Deutschland, wenn außerdeutsche Gebietsteile aufgenommen werden sollten. In dieser Sachlage liege der Grund, weshalb man zwar viele Mängel der Bundesverfassung erkannt habe, aber keinen wirklich praktischen Weg zu einer befriedigenden Reform finden könne. Die einzige Möglichkeit zur Auffindung dieses richtigen Weges sei wohl die Einigung der beiden zur Führung berufenen deutschen Großmächte über einen positiven Reformvorschlag. Alle bisherigen Projekte könne man nur als vorläufige Erörterungen ansehen. Mit diesem Gedanken hatte die Mecklenburg-Schwerinsche Regierung das Mittel gefunden, einen Anschluß an die identischen Noten abzulehnen. Denn, so fuhr sie fort, auch der Bernstorffsche Plan erscheine nicht als ein endgültiger preußischer Vorschlag - sie hoffe, daß er auch niemals in dieser Gestalt ans Licht treten werde - und daher sehe sie keinen Grund, sich dem Proteste anzuschließen.

An diesen soeben analysierten Gedankengängen ist zweierlei besonders wichtig, einmal die Kritik an den gemachten Reformvorschlägen, sodann der zur Abstellung der Mängel empfohlene Weg. Die Kritik benutzte zwei Argumente aus dem konservativen Ideenkreis - das Prinzip der organischen Entwicklung und den Gedanken der großdeutschen Kulturnation, deren nationale Bedeutung ebenso wie der politische Zusammenhalt durch die Begründung einer kleindeutschen Staatsnation schließlich nur geschädigt würde. Es war dieselbe Auffassung, wie sie einst in den Plänen der Großdeutschen 1848 lebendig gewesen war. Mitbe-

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 67 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

stimmend war damals die Überzeugung gewesen, daß Deutschland mit Österreich deutsche Kulturaufgaben im slawischen Osten zu erfüllen hatte, was nur bei engstem Zusammenschluß aller Glieder des Bundes möglich wäre 42 ). Weiter zog die Kritik ein Argument der praktischen Erfahrung der Jahre 1848/50 heran, das Problem der Stellung der außerdeutschen Gebietsteile der Großmächte im gesamtdeutschen Bundesstaat. Der praktische Vorschlag schließlich zeigte den alten mecklenburgischen Gedankengang der Einigung der Großmächte als der Vorbedingung wie zu jeder gedeihlichen Wirksamkeit des Bundes, so auch zu einer Bundesreform. Daß eine solche Einigung zu einer wirklich durchgreifenden Reform niemals erzielt werden würde, wußte Herr von Oertzen wohl nur zu gut!

Graf Rechberg zeigte sich außerordentlich befriedigt über den Inhalt der mecklenburgischen Denkschrift. Aber auch in Berlin war man darüber erfreut, daß Mecklenburg eine selbständige Stellung im Gegensatz zu den Österreichfreunden eingenommen hatte. Dem gab eine Note Ausdruck, die Herr von Richthofen zugleich mit der identischen Antwort auf die identischen Noten am 14. Februar überreichte 43 ).

Auf Strelitzer Seite hatte man wesentlich länger gezögert, eine bestimmte Stellung zu den identischen Noten einzunehmen. Die Depesche, die man endlich am 15. Februar an Herrn von Gamm absandte, enthielt sachlich ähnliche Gesichtspunkte wie die Schweriner vom 8. Februar, trat in der Form aber etwas schärfer und entschiedener gegen Preußen auf. Im höchsten Zorn über diese Note, ihren Inhalt und ihre Form schrieb Herr von Richthofen nach Berlin: "Es ist immerhin bemerkenswert, daß selbst eine Duodezregierung, deren Territorium unmittelbar vor den Toren Berlins liegt, es wagt, sich in dieser Sprache gegen uns zu äußern; es ergibt sich hieraus, wie gering die Furcht und die Besorgnis ist, uns zu verletzen, und wie wenig Neigung seitens der Regierungen vorhanden ist, sich an dem von uns beabsichtigten engeren Bund zu beteiligen."

Damit hatte er zweifellos recht: gutwillig und ohne preußischen Zwang war auf einen Anschluß Mecklenburgs an den preußischen Bundesstaat nicht zu rechnen, so lange die leitenden


42) Vgl. Meinecke a. a. O., ferner über den großdeutschen Gedanken Ad. Rapp, "Das österreichische Problem in den Plänen der Kaiserpartei von 1849", 1919, weiter Paul Wentzcke, "Zur Geschichte Heinrichs von Gagern", 1910, schließlich W. Schüßler, "Die nationale Politik der österreichischen Abgeordneten im Frankfurter Parlament", 1914.
43) Geh. und Haupt-Archiv Schwerin, Geh. Staatsarchiv Berlin.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 68 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Männer am Ruder blieben. Man vermied es gewiß gern, sich an antipreußischen Schritten geradeheraus zu beteiligen, aber nicht aus Zuneigung zu Preußen oder seinen Plänen, sondern aus kluger, der militärisch-geographischen Lage angepaßter Vorsicht.

Aber alles Nachgeben der mecklenburgischen Regierungen hatte seine Grenze da, wo die konservativ-legitimistische Doktrin selbst angegriffen schien. Das zeigte sich ganz deutlich bei den Verwicklungen, die in diesen Jahren aus dem kurhessischen Verfassungskonflikt am Bundestage erwuchsen. Eine Einigung zwischen dem Kurfürsten und seinem Volke über die Verfassung war nicht erzielt worden. Seit 1852 beschäftigten daher dauernd Reklamationen und Beschwerden den Bundestag. 1859 mit dem Beginn der Neuen Ära trat Preußen für die kurhessischen Stände ein. Es wirkte energisch für die Wiedereinführung der vom Bundestag 1852 aufgehobenen kurhessischen Verfassung von 1831/49 und verweigerte der vom Kurfürsten geplanten neuen Verfassung die Bundesgarantie. Am Bundestag kam es wiederholt zu scharfen Zwistigkeiten, Mecklenburg stand bei all diesen Verwicklungen unbedingt gegen Preußen, handelte es sich doch um die Vertretung der legitimistischen Interessen! Alle Versuche des Herrn von Richthofen, die mecklenburgische Abstimmung im preußischen Sinne zu beeinflussen, waren zum Scheitern verdammt. Um die Mitte des Jahres 1861 nahm sich dann Baden, wo mit dem Ministerium Roggenbach eine ausgesprochen liberale Regierung ans Ruder gekommen war, der kurhessischen Sache an. Doch wurde ein badischer Antrag auf Wiedereinführung der Verfassung von 1831 für ein halbes Jahr unter den Aktenstößen des Bundestagsausschusses begraben. Erst im Januar 1862 erinnerte eine badische Note mit ausführlicher Denkschrift die deutschen Regierungen an diesen ihren Antrag. Die mecklenburgische Antwort auf die Denkschrift - die Strelitzer war nur sehr kurz, die Schweriner wesentlich länger - legte aufs deutlichste die legitimistischen Grundsätze dar, wie sie für die Politik des Landes bestimmend waren. Da war es nicht verwunderlich, daß dieser Inhalt der Note, den Herr von Gamm offiziell in Wien mitteilte, die ungeteilte Befriedigung des Grafen Rechberg wie seines Referenten, des sehr einflußreichen Ministerialrats Biegeleben, erregte.

Bald darauf aber gelang es Preußen, Österreich davon zu überzeugen, daß eine wirkliche Beruhigung des kurhessischen Landes doch nur durch die Rückkehr zu der Verfassung von 1831 zu erzielen sei. Österreich gab daher seine frühere Ansicht auf

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 69 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

und trat auf Preußens Seite. Damit war die ganze Angelegenheit so gut wie entschieden, wenn auch der Kurfürst von Hessen im März und April 1862 noch verzweifelte Anstrengungen machte, das ihm drohende Verhängnis zu beschwören. Mecklenburg wich auch in diesen letzten Phasen der kurhessischen Krise keinen Fingerbreit von dem seit zehn Jahren eingenommenen Standpunkt ab, es blieb prinzipientreu bis zuletzt. Der Gesandte von Bülow gab seinem heftigen Zorn über den Umfall Österreichs wiederholten Ausdruck in seinen Berichten. Im Einverständnis mit seinen Regierungen reiste er Ende März nach Cassel und bot dort dem Minister von Goeddaeus die unbedingte Hilfeleistung Mecklenburgs an, soweit noch etwas zu retten sei. Da Goeddaeus damals noch auf anderm Wege zum Ziele zu kommen hoffte, so machte er allerdings von dem mecklenburgischen Anerbieten keinen Gebrauch. Mitte Mai 1862 fand dann die kurhessische Krise nach dramatischer Zuspitzung ihre endliche Erledigung durch Annahme des österreichisch-preußischen Antrages auf Wiederherstellung der Verfassung von 1831. Natürlich hatte Mecklenburg auch jetzt gegen den Antrag gestimmt. Wohl hatte es die Niederlage des Legitimismus erleben müssen, doch war der Haß der regierenden Männer gegen die liberalen Ideen durch dies Unterliegen nur verschärft worden 44 ).

Bei der Abkehr Mecklenburgs von der mittelstaatlichen Politik der Würzburger Koalition wurde der Person des Großherzogs Friedrich Franz II. Erwähnung getan und auf seine von den Anschauungen seiner Ratgeber etwas abweichenden bundespolitischen Ansichten hingedeutet. Im Anfang der Sechziger Jahre ist nun überhaupt ein stärkeres Eingreifen des Fürsten in die Außenpolitik seines Landes zu verspüren. Sicher beweisende Belege dafür gibt es allerdings nicht, aber manche Anzeichen - der in vielem geringer werdende Einfluß des Frankfurter Gesandten von Bülow, die stärkere Rücksichtnahme auf Preußen - lassen darauf schließen. Gelegenheit zu eigner persönlicher Betätigung hat dem Großherzog dann der Frankfurter Fürstentag gegeben, und folgerichtig geht aus seinem dort betätigten Eintreten für Preußen der Bruch mit dem Alten hervor, wie er sich im Anschluß an den norddeutschen Nachbarstaat 1866 zeigte. Das war ein


44) Die kurhessische Frage habe ich mit diesen Ausführungen nur andeutend behandeln können. Meine Darstellung beruht ganz auf eigenen Forschungen. Für alle Einzelheiten und alle Belege muß ich auf das 3. Kapitel meiner Dissertation verweisen.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 70 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Schritt, der nicht mehr in der legitimistisch-konservativen Bahn lag, auf der Oertzen die mecklenburgische Politik festhalten wollte. Im Anfang der sechziger Jahre liegt nun der Beginn dieser allmählichen Abbiegung in der Stellung Mecklenburgs zur deutschen Frage, die schon neue Möglichkeiten in der Ferne erscheinen läßt. Es sind erst keimhafte Ansätze - von einer wirklichen Wendung läßt sich noch jahrelang nicht sprechen -, diese Ansätze sind aber in der Person des Herrschers begründet. So kann man wohl die Zeit bis etwa 1861/62 hin als die des überwiegenden Einflusses des Ministerpräsidenten von Oertzen bezeichnen, die Folgezeit als die der größeren Selbständigkeit Friedrich Franz II. in der Bundespolitik. Dieser Umstand gibt das Recht, die Darstellung der Persönlichkeit und der politischen Anschauungen des Großherzogs, der doch schon seit zwanzig Jahren an der Spitze Mecklenburgs stand, erst an dieser Stelle einzufügen.

Mit neunzehn Jahren 1842 zur Regierung gekommen, hatte der junge Fürst 1848 die deutsche Revolution erlebt. Wenn auch seine Charakterentwicklung damals im wesentlichen schon abgeschlossen war, so besaß er doch noch soviel jugendliche Frische und Eindrucksfähigkeit, daß manche der neuen Ideen gestaltende Kraft auf seine Seele ausüben konnten. Einfach, nüchtern, praktisch und verständig seiner ganzen Anlage nach, ähnelte er in vielem, namentlich in der Klarheit seines Blicks und in seiner ganzen militärisch-entschiedenen Art seinem Oheim, dem späteren König Wilhelm von Preußen. Nichts hat er von dem sprühenden Geist eines Friedrich Wilhelm IV., dafür aber auch nichts von dessen romantischen Phantastereien, seiner inneren Zerbrochenheit und Willensschwäche. Sein Geist trug ihn nicht soweit hinaus, war nicht so schillernd und lebhaft wie der dieses andern Oheims. Wohl aber besaß er in reichem Maße die einfacheren, stilleren Regententugenden: treffende Beobachtungsgabe und Menschenkenntnis, zähen Fleiß und hohes Pflichtbewußtsein. So war er keine großangelegte Natur, dafür aber ein Geist, der in nüchterner Tatwirklichkeit wurzelte und aus ihr seine Kräfte zog zu einfach-schlichtem Tun, zu schaffender Arbeit für sein Volk und Land.

In seinen politischen Anschauungen war Friedrich Franz ein grundsätzlich konservativer Mann. Ihm, dem als Fürstensohn Geborenen, erschien die altständisch-monarchische Verfassung als das Gegebene, von Gott Eingesetzte. Von seiner hohen Stellung aus hatte er reichlich Gelegenheit, die guten Seiten dieser altererbten mecklenburgischen Verfassung zu sehen, während ihre Schattenseiten ihm naturgemäß mehr entgingen. Dem neuen, stürmisch geforderten konstitutionellen System stand er mit innerem Mißtrauen

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 71 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

gegenüber. Doch fehlte seiner konservativen Einstellung der romantisch-schwärmerische Zug, wie er Friedrich Wilhelm IV. beseelte, oder der starre Doktrinarismus der Kamarillamänner und der meisten altständischen mecklenburgischen Politiker. Seine nüchterne, auf die praktische Tat des Augenblicks gerichtete Natur war wohl überhaupt der Einspannung aller seiner Gedanken in ein festes unabänderliches System abgeneigt. Dies Fehlen des Doktrinarismus hauptsächlich unterschied ihn von Männern wie Oertzen oder dem Bundestagsgesandten von Bülow. Da er so frei war von einem geistigen Systemzwang, wurde es ihm möglich, der auch in Mecklenburg ausgebrochenen Revolution nachzugeben. Leicht ist ihm das sicherlich nicht geworden 45 ), denn nach wie vor hielt er den Konstitutionalismus für verderblich. Durch die Macht der Ereignisse aber sah er sich zum Einlenken gezwungen. Mitbestimmend war für ihn auch wohl, daß sich sein von ihm hochgeschätzter Minister von Lützow, der bereits seinem Vater gedient hatte, den Märzforderungen anschloß. Nach dem Verfassungsversprechen vom 23. März 1848 hat er dann unerschütterlich an seinem einmal gegebenen Wort festgehalten, wenn er auch davon überzeugt war, daß der eingeschlagene Weg falsch sei 46 ). Dies treufeste Beharren ist bezeichnend für seinen Charakter. Erst der Freienwalder Schiedsspruch erlöste ihn dann von der Last des gegebenen Versprechens und gab ihm die Möglichkeit, dem Konstitutionalismus für immer Lebewohl zu sagen. Auch später stand er den liberalen Forderungen durchaus ablehnend gegenüber. Er glaubte nun, die Fehlerhaftigkeit ihrer Voraussetzungen praktisch bei seinen eignen Verfassungsversuchen erprobt zu haben. Bei der Beurteilung der deutschen Wünsche verwarf er gleichfalls vor allem das Liberale, Revolutionäre, daher seine schroffe Ablehnung des Nationalvereins.

Anders seine Stellung zum eigentlich Nationalen, zu dem Ziele größerer deutscher Macht und Geltung! Innige Liebe zum gesamtdeutschen Vaterland hat ihn immer ausgezeichnet. Bewußt hat er sich wohl stets nicht nur als mecklenburgischer Großherzog, sondern als deutscher Fürst gefühlt. Der warme patriotische Ton der 48er Bewegung scheint den jungen, begeisterungsfähigen Mann innerlich ergriffen zu haben. Er hat damals eine wirkliche, verfassungsmäßige, bundesstaatliche Einigung Deutschlands gewünscht. Das hebt ihn über die Mehrzahl seiner Fürstengenossen hinaus, deren deutschem Bewußtsein mit einem rein defensiven Schutz des Vaterlandes vor Angriffen, vor allem von Westen her, durchaus


45) Vgl. Hirschfeld I. S. 238.
46) Vgl. Hirschfeld a. a. O. I. S. 280, 290 und vor allem S. 416.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 72 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Genüge getan war. Den Gedanken einer eigenen deutschen Staatsindividualität hat Friedrich Franz kaum bewußt durchdacht - das war überhaupt nicht seine Art. Aber die aus diesem Gedanken heraus geborenen Forderungen nach größerer, kräftigerer Machtentfaltung Deutschlands nach außen hin fanden Anklang in verwandten Stimmungen seiner Seele. Vor allem für die militärische Macht und Schlagfertigkeit des Gesamtvaterlandes schlug sein Herz, wie er überhaupt für Militärfragen, ähnlich seinem Oheim, König Wilhelm, großes Verständnis zeigte. Geistesgeschichtlich steht er auf der Mitte zwischen jenem altkonservativen deutschen Gefühl dem der Gedanke der gegen äußere Angriffe geschützten deutschen Kulturnation vollauf genügte, und den Vertretern des Neuen, der nach innen wie außen sich auswirkenden deutschen Staatspersönlichkeit. Er nahm das, was seinem Wesen gemäß war, die außenpolitische Seite der neuen Staatsauffassung, bereitwillig, aber mehr instinktiv auf, während er die Wichtigkeit des innerstaatlichen politischen Lebens noch nicht erkannt hatte. So war er auch in seiner ideellen Auffassung der gegebene Hinüberleiter zu einer jungen Generation bewußter, allseitig tätiger deutscher Staatsgesinnung.

In seiner Stellung zu den konkreten Fragen der deutschen Einigung, die für Ihn, den praktisch tätigen Politiker, die wichtigsten sein mußten, erschien er in den Revolutionsjahren als Anhänger des kleindeutschen, von Preußen geführten Bundesstaates, dem er sich freiwillig anschließen wollte 47 ). Nach dem Zusammenbruch aller nationalen Hoffnungen 1850 ist er aber auch an der Durchführbarkeit seiner deutschen Ideale irre geworden. Lieber wollte er jetzt der alten Bundesverfassung treu bleiben als neuen, schließlich doch zu nichts führenden Plänen folgen Daß dabei der Geist der Reaktionsperiode, der wieder die guten Seiten des Alten, Bestehenden ins helle Licht zu rücken sich bemühte, auch auf sein konservativ gestimmtes Gemüt seinen Einfluß nicht verfehlte, daß schließlich auch sein dynastisches Gefühl sich gegen eine zu weitgehende Beschränkung seiner Rechte in einem Bundesstaate auflehnte, alles das erklärt seine streng am Bundesrecht festhaltende Stellung bis 1866. Dabei ist auch der Einfluß seiner Ratgeber, vor allem Oertzens und Bülows, nicht zu gering einzuschätzen.

Erst ganz allmählich trat nach 1861/62 seine alte preußenfreundliche Stimmung wieder mehr hervor, genährt durch die starke Anhänglichkeit an seinen Oheim, den König Wilhelm. Sie machte es ihm möglich, den Weg zu dem Auftreten gegen Österreich


47) Vgl. seine Briefe an Friedrich Wilhelm IV. vom 10. und 17. Januar 1849, abgedruckt bei Hirschfeld I. S. 290 und 292.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 73 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

auf dem Fürstentage und zum Anschluß an Preußen 1866 zu finden. Daß die Stimmung der Reaktionsjahre so überaus lange bei dem Großherzog anhielt, dazu trug übrigens auch der ungünstige Eindruck bei, den die liberale Richtung der Neuen Ära und der darauf folgende Militärkonflikt auf ihn machte. Es ist klar, daß ihm der Anschluß an ein Preußen, in dem anscheinend die liberale Partei von Sieg zu Sieg schritt und die Grundlagen des Königtums immer mehr untergraben zu werden drohten, bei seiner Abneigung gegen den Liberalismus als unmöglich erscheinen mußte. Besonders heftiges Mißtrauen erweckte ihm die preußische Haltung anläßlich des österreichisch-italienischen Krieges und der Versuch einer Reform der Bundeskriegsverfassung, eine Stimmung, die ihn sogar ganz ins mittelstaatliche Lager hinübertrieb, aber nicht lange angehalten zu haben scheint. Über den Fortgang der Ereignisse in Preußen ließ er sich durch eingehende Berichte seines dortigen Geschäftsträgers aufklären. Herr von Hopffgarten starb im Januar 1862; nach interimistischer Vertretung sandte Friedrich Franz im September den General von Sell, der einst sein militärischer Erzieher gewesen war, nach Berlin. Sells Berichte geben ein sehr eingehendes Bild davon, wie der Konflikt, wie das Auftreten Bismarcks sich in den Augen eines Mannes der äußersten Rechten spiegelte. Die durch die Lage in Berlin hervorgerufenen Besorgnisse Friedrich Franz' vor der Revolution, vor dem "inneren Feind", wurden durch Unheilsrufe Bülows aus Frankfurt nur noch verstärkt 48 ). Indessen bewahrte er den allzu einseitigen und grau in grau gezeichneten Bildern seines Gesandten gegenüber seinen gesunden kritischen Sinn. Doch stellte sich ihm Ende 1862 die Lage so dar, daß er in einer über die Grenzen der Einzelstaaten hinausschreitenden und ihren Bestand bedrohenden, überall sich rüstenden und eben in Kurhessen zu einer Art von Sieg gelangten revolutionären Bewegung den zu bekämpfenden Hauptfeind erblickte. Von Preußen als solchem erwartete er keine Gefahr; schon 1860 hatte er geschrieben, der "Prinzregent sei kein Viktor Emanuel". In der deutschen Frage waren alle Reformvorschläge gescheitert, ein Ausweg aus der verworrenen Lage schien unauffindbar zu sein. In diesem Sinne schrieb der Großherzog Ende 1862 an den Bundestagsgesandten, Deutschland könne in einen Einheitsstaat wohl nur durch eine Revolution oder einen großen Krieg umgeschaffen werden. Das würde aber nur die richtige Konsequenz eines so falschen Zieles sein. - Diese Revolution, die er also für notwendig zur Begründung des geeinten deutschen


48) Vgl. Dissertation S.118 ff., dort auch Belege
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 74 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Staates hielt, wenn er sie auch nicht wünschte, kam in der Tat, freilich von oben her. Der Mann, der sie vorbereitete, stand seit dem 22. September 1862 an der Spitze des preußischen Staats. In der Geschichte der deutschen Einigung war ein Wendepunkt eingetreten!

*         *
*

Mit der Berufung Bismarcks hatte sich König Wilhelm entschlossen, seinem Parlament bis zum Äußersten Widerstand zu leisten.. Alle konservativen Kreise begrüßten dies Ereignis mit Jubel, nur an der Person des neuen preußischen Ministerpräsidenten vermochten Sie keine reine Freude zu haben. Man kannte Bismarcks Österreichfeindlichkeit und fürchtete von ihm eine energische preußische Machtpolitik. Auch Friedrich Franz teilte manche dieser Bedanken, wenn er sich auch nicht so scharf äußerte wie Bülow, der meinte, Bismarck habe sich nur einen konservativen Mantel umgehängt, den er nach Belieben abwerfen werde. Falsch ist jedenfalls die von L. v. Hirschfeld vertretene Ansicht 49 ), der Großherzog habe mit Vertrauen auf den neuen Minister geblickt.

Seit dem Amtsantritt Bismarcks zeigte sich übrigens die Machtlosigkeit des Bundestages immer deutlicher. Noch einmal versuchte Österreich, mit Hilfe seiner Würzburger Gefolgschaft Schritte zu einer Art Bundesreform zu unternehmen. Im Juli 1862 hatte Graf Rechberg eine Konferenz der Mittelstaaten in Wien zusammengebracht. Auch an Mecklenburg war eine Einladung ergangen, doch hatte Herr v. Oertzen sie mit der Begründung abgelehnt, der Großherzog sei auf einer Reise in England, der Gesandte v. Gamm auf Urlaub, so daß es unmöglich sei, einen Bevollmächtigten rechtzeitig zu entsenden 50 ). Mit diesen bequemen und unanfechtbaren Gründen war es ihm gelungen, die Beteiligung an einer antipreußischen Konferenz abzulehnen, ohne anderweitig Anstoß zu erregen. Das Ergebnis der Wiener Beratungen war ein gemeinsamer Bundesantrag von acht Staaten, eine Delegiertenversammlung der Einzellandtage zusammenzurufen zur Beratung von Gesetzen über eine einheitliche Regelung des Zivilprozesses und des Obligationenrechtes. Es war ein Versuch, durch die Einrichtung der Delegiertenversammlungen den liberalen deutschen Neigungen in vorsichtiger Weise entgegenzukommen und Preußen Wind aus den Segeln zu nehmen. Um so selbstverständlicher war der scharfe preußische Widerstand gegen diesen Plan.


49) v. Hirschfeld II. S. 115. Dagegen H. v. Oertzen S. 251/52. Vgl. Dissertation S. 123 Anm.3.
50) L. v. Hirschfeld II. S.112 ff.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 75 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

In Mecklenburg lehnte man das Projekt ab; man fürchtete, sich damit auf die schiefe Bahn zu begeben, auf der man bald zu einem gesamtdeutschen Parlament kommen würde. Verschiedene österreichische Versuche, Mecklenburg doch noch zur Zustimmung zu bewegen, scheiterten. So war es gar nicht nötig, daß der preußische Gesandte v. Richthofen kurz vor der Abstimmung am Bundestag in Schwerin erschien, um gegen den Delegiertenplan zu wirken. Am 23. Januar 1863 wurde er in Frankfurt mit 9 : 7 Stimmen abgelehnt. Ein Konflikt mit Preußen, das für den Fall der Annahme mit Sprengung des Bundes gedroht hatte, war noch einmal vermieden.

Dort spitzte sich inzwischen die innere Lage im Laufe des Jahres 1863 immer mehr zu, so daß von Preußen keine neuen Schritte in der Bundesreformfrage unternommen wurden. Aber gerade diese innerpreußischen Verwicklungen gaben wohl Kaiser Franz Joseph die Veranlassung, jetzt seinerseits mit einem Reformplan hervorzutreten. Das geschah mit seiner Einladung zum Fürstentag 51 ) die allgemein überraschend kam. König Wilhelm hatte sich bereits bei einer Unterredung mit dem Kaiser in Gaffeln am 2. August gegen den geplanten Kongreß ausgesprochen. Von Bismarck aufs stärkste beeinflußt, blieb er auch weiterhin bei seiner Weigerung, an den Beratungen teilzunehmen. Die beiden mecklenburgischen Großherzöge nahmen indessen die Einladung an. Aber nur Friedrich Franz hat eine selbständige Rolle auf dem Fürstentag gespielt. Der blinde Friedrich Wilhelm schloß sich in allem der österreichisch gesinnten Mehrheit an, wie es sich bei seinen legitimistisch-doktrinären Anschauungen und seiner entsprechenden Preußenfeindlichkeit fast von selbst verstand. In seiner ganzen Geistesrichtung läßt sich keine Spur einer Beeinflussung durch die neuen nationalen Ideen aufweisen. Sonst pflegte Mecklenburg-Strelitz im allgemeinen, entsprechend der Kleinheit seines Territoriums, bei fast allen bundespolitischen Handlungen sehr hinter Schwerin zurückzutreten. Man schloß sich fast immer, soweit es irgend möglich war, der Schweriner Stellungnahme an. Jetzt auf dem Fürstentag aber, wo es sich um die persönlichen Ansichten der Monarchen handelte, trennten sich die Wege beider Fürsten.

Der Reformplan Kaiser Franz Josephs lief im wesentlichen darauf hinaus, daß in Zukunft ein fünfköpfiges Direktorium an


51) Vgl. Sybel II. S.520 ff., E. Brandenburg II. S. 75 ff., Friedjung, "Der Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland", I., ferner P. Bailleu, "Kaiser Wilhelm I. und der Frankfurter Fürstentag" (in der Festschrift der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft 1921).
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 76 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

der Spitze des Bundes stehen solle und neben ihm ein aus Delegierten der Einzellandtage zusammengesetztes Parlament mit begrenzter Kompetenz. Weiter waren periodisch wiederkehrende Fürstenkongresse zur Beratung aller wichtigeren Fragen und die Errichtung eines Bundesschiedsgerichts vorgesehen. Bevor man aber in die Verhandlungen über diesen Entwurf eintrat, beschäftigte man sich mit dem Verhältnis zum preußischen Könige. Friedrich Franz beantragte, ihn nochmals schriftlich zur Teilnahme an den Beratungen aufzufordern 52 ); als Bote des Fürstentages ging Johann von Sachten nach Baden-Baden, wo König Wilhelm weilte. Als dieser aufs neue und endgültig ablehnte, nach Frankfurt zu kommen, stellte sich der Großherzog auf den Standpunkt, daß jetzt die ganzen Verhandlungen nur den Wert von Meinungsäußerungen haben könnten, wenn nicht eine nachträgliche Einigung mit Preußen folge. Um einen möglichst freien Standpunkt zu gewinnen, beantragte er, daß eine vorläufige Zustimmung zu einzelnen Punkten des Entwurfes, dessen Durchberatung am 22. August begann, nicht unbedingt verbindlich sein dürfe. Erst die endgültige Annahme oder Ablehnung des ganzen Projektes könne entscheidend sein. Im übrigen arbeitete er fleißig bei der Erörterung mit. In der dritten Sitzung brachte er fünf Abänderungsanträge zu einzelnen Punkten ein, über die er sich vorher mit Herrn von Oertzen, der ihn begleitete, geeinigt hatte. Durch die befriedigende Erledigung dieser Anträge, so sprach er sich unzweideutig aus, sei seine schließliche Zustimmung bedingt.

Die geplante Bundesexekutive wollte Friedrich Franz nach außen hin möglichst stark machen, er beantragte daher statt der fünfköpfigen eine dreiköpfige Zusammensetzung des Direktoriums, ein Gedanke, mit dem er sich der alten Triasidee näherte, wenn ihm dieser Zusammenhang auch kaum gegenwärtig gewesen ist. Die Befugnisse der ausführenden wie auch der gesetzgebenden Gewalt den Einzelstaaten gegenüber wollte er dagegen möglichst beschränkt wissen. Sonst lag ja die Gefahr vor, daß Mecklenburg von Bundes wegen zu einer Änderung seiner Verfassung gezwungen werden konnte. Ebenso wollte der Großherzog als Gegner des Liberalismus die Rechte der Bundesdelegiertenversammlung so weit möglich einengen, vor allem ihre Mitwirkung in Steuerfragen, bei der Festsetzung der Matrikularverträge verhindern. In der Frage des Bundesvorsitzes endlich gab er, als die


52) Vgl. Sybel II. S. 531 ff. und L. v. Hirschfeld, der eine sehr ins einzelne gehende Darstellung gibt; dazu das Protokoll bei Aegidi und Klauhold "Das Staatsarchiv" Bd. 8, ferner die Erinnerungen Ernsts II. und die Duckwitz', des Bremer Bürgermeisters.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 77 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Gelegenheit sich bot, seinem Wunsche nach einem Wechsel zwischen Osterreich und Preußen Ausdruck.

Daß er mit diesen Ansichten der Mehrheit des Fürstentages als übler Störenfried erschien, versteht sich von selbst. Nur ein Teil seiner Anträge wurde berücksichtigt. Im übrigen rechnete man ihn mit Friedrich von Baden zu den Führern der kleinen "preußischen" Minderheit auf dem Kongresse. Auch bei der Formulierung der Schlußfragen, die der Versammlung vorgelegt werden sollten, hatte Friedrich Franz noch seine Hand im Spiele. Als dann die Abstimmung stattfand, sprach er sich mit fünf andern Fürsten gegen die Annahme des ganzen durchberatenen Entwurfes aus, während Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz zu den vierundzwanzig zustimmenden Monarchen gehörte.

Preußen war von dem Ergebnis der Verhandlungen Mitteilung gemacht worden. In seiner Antwort verlangte es Wechsel des Vorsitzes zwischen Österreich und Preußen, Vetorecht der Großmächte gegen jeden Bundeskrieg und die Berufung eines unmittelbar vom Volke gewählten deutschen Parlamentes. Die dritte dieser Forderungen, vom Ministerium Bismarck aus gestellt!, erregte allgemeines Entsetzen. Man wollte sie, wie Herr von Sell schrieb, kaum für ernstgemeint halten. Diese preußische Erklärung, weiter eine österreichische Anfrage über die Gründe der ablehnenden Haltung auf dem Fürstentage veranlaßten die Schweriner Regierung, ihre Stellung zu dem ganzen Fragenkomplex in zwei großherzoglichen Handschreiben klarzulegen, die vom 13. Oktober datiert und an Kaiser Franz Joseph und König Wilhelm gerichtet waren. Jedem von ihnen war die Abschrift des andern beigelegt.

Während sich das Schriftstück an Kaiser Franz. Joseph auf kurze formelle Mitteilungen beschränkte, enthielt das an den König ausführliche Darlegungen zu den drei preußischen Forderungen. Es setzte sich aus langen, von Oertzen stilisierten Schachtelsätzen zusammen, aus denen nicht immer deutlich hervorging, was die Schweriner Regierung denn nun eigentlich wollte. Rückhaltlos wurde die preußische Forderung des Vetorechtes gegen jeden Bundeskrieg gebilligt, ebenso rückhaltlos auf der ändern Seite der Gedanke eines vom Volke unmittelbar gewählten deutschen Parlamentes verworfen. Unklar dagegen blieb das Handschreiben in der Frage des Bundesvorsitzes. Eine lange Reihe von Darlegungen versuchte die österreichischen und preußischen Ansichten auszugleichen und gab gute Ratschläge über die Notwendigkeit der Einigung der Großmächte. Alles in allem kamen diese Ausführungen einer verblümten Ablehnung der preußischen Forde-

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 78 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

rung gleich, überall begegneten hier Jasper von Oertzens Gedankengänge. Schließlich wurde aber doch gesagt, der Großherzog sei der Ansicht, daß beiden Großmächten gleiche Präsidialbefugnisse gebührten. So ist der Gesamteindruck der eines nicht zum Ausgleich gekommenen Gemisches von Ansichten des Fürsten und seines Ministerpräsidenten. Der Schluß der Denkschrift endlich erging sich in langen Darlegungen über die Notwendigkeit einer gemeinsamen konservativ-legitimistischen Front gegen den nationalen und liberalen Umsturz 53 ).

Nach dem Scheitern eines Ausgleichs mit Preußen über seine Reformvorschläge versuchte Österreich, Spezialverträge mit den Staaten seiner Gefolgschaft abzuschließen, also eine Art österreichischer Union zu begründen. Als es dabei Schiffbruch erlitt, vollzog es eine Schwenkung in seiner politischen Einstellung: es suchte ein Einvernehmen mit Preußen. Die Frucht dieser Verständigung, einer Episode in der fortlaufenden Geschichte des österreichisch-preußischen Dualismus, war die Rückgewinnung Schleswig-Holsteins aus den dänischen Händen.

*          *
*

Schon seit mehr als einem Jahrzehnt hatte die Stellung der Erbherzogtümer zu Dänemark einerseits, zum deutschen Bunde anderseits den Bund und die deutschen Mächte beschäftigt. König Friedrich VII. hatte sich 1852 verpflichtet, die alten ständischen Rechte Holstein-Lauenburgs, das zum deutschen Bund gehörte, zu achten. Schleswig aber war durch uralte Privilegien für immer mit Holstein verbunden, so daß der Versuch, den Dänemark mit jedem Tage unverhohlener machte, es in den Gesamtstaat einzuverleiben, ein Rechtsbruch war. Es kam zu immer schärferen Zusammenstößen zwischen dem deutschen Bund und dem dänischen König. Am Bundestag herrschte in dieser Frage nahezu völliges Einvernehmen; Mecklenburg konnte sich rückhaltlos der übergroßen, von Osterreich und Preußen geführten Mehrheit anschließen. 1863 führte Dänemark eine neue Sonderverfassung für Holstein-Lauenburg ein und machte aufs frische Miene, Schleswig einzuverleiben. Der Bund drohte mit, Exekution, die am 1. Oktober fast einstimmig zum Beschluß erhoben wurde. Sachsen und Hannover wurden mit der Vollstreckung beauftragt. Während noch Verhandlungen im Gange waren, starb der dänische König Friedrich VII. am 15. November 1863. Damit wurde die ganze


53) Eine ausführlichere Analyse der Denkschrift habe ich in meiner Dissertation S. 135/38 zu geben versucht, ferner beide Handschreiben als Anlagen im Wortlaut gegeben (S. 211/18).
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 79 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Frage, die bisher rechtlich eine rein deutsche Bundesangelegenheit gewesen war, zu einer verwickelten europäischen. Friedrich VII. war der letzte Sproß der Glückstädter Linie des oldenburgischen Hauses, des dänischen Königsgeschlechts, gewesen. In Dänemark galt nun seit den Tagen des Absolutismus die weibliche Thronfolgeordnung, in den Elbherzogtümern war sie ausgeschlossen. Daher hatte schon seit Jahren beim Aussterben der Königslinie eine Loslösung Schleswig-Holsteins von Dänemark gedroht. Man hatte sich daher bemüht, eine Thronfolgeordnung für den dänischen Gesamtstaat zu schaffen. 1852 war es Dänemark gelungen, von dem Chef des augustenburgischen Hauses, dem Herzog Christian, der in den Elbherzogtümern erbberechtigt war, die Erklärung zu erlangen, er wolle der beabsichtigten Regelung der Thronfolge keine Hindernisse in den Weg legen. Darauf wurde der nächste aus weiblicher Verwandtschaft sein Erbrecht herleitende Agnat, Herzog Christian von Glücksburg, zum Thronfolger proklamiert und im Londoner Protokoll von den Mächten, aber nicht vom deutschen Bunde, dessen Zustimmung man nicht einholte, als solcher anerkannt.

Als nun Friedrich VII. starb, erklärte Prinz Friedrich von Augustenburg, der Sohn Herzog Christians, an dessen Verzicht von 1852 nicht beteiligt zu sein, und trat die Thronfolge in Schleswig-Holstein an. Die öffentliche Meinung in ganz Deutschland fragte nun nicht nach der Begründetheit seiner Ansprüche, sondern jauchzte ihm zu, da sich die Möglichkeit bot, ein freies Schleswig-Holstein zu gewinnen. Zudem zeigte der Prinz liberale Neigungen und umgab sich mit fortschrittlich gesinnten Ratgebern. Auch die Mittel- und die meisten Kleinstaaten traten für ihn ein; ihnen mußte ja die Begründung eines neuen selbständigen Mittelstaates sehr sympathisch sein. Anders war die Lage für die Großmächte: sie waren an das Londoner Protokoll gebunden und durch die offen zur Schau getragene liberale Gesinnung des Erbprinzen verstimmt. Sie wollten daher, wenigstens zunächst, am Londoner Protokoll festhalten und die schon beschlossene Exekution durchführen, da der eben auf den Thron gekommene dänische König Christian IX. eine neue Verfassung unterzeichnet hatte, durch die Schleswig einverleibt wurde. Was schließlich weiter aus dem Streitfall herauszuholen sein würde, mußte die Zukunft lehren. Die Mittelstaaten wollten sich diesmal aber nicht den Großmächten anschließen, sondern im Gegensatz zu ihnen mit dem Bunde eigene europäische Politik treiben.

Für Mecklenburg kam es darauf an, eine klare Stellung zu gewinnen. Nach kurzem Schwanken im Anfang entschieden sich beide Regierungen dafür, auf die Seite der Großmächte zu treten.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 80 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Übereinstimmendem Vorgehen Österreichs und Preußens hatten Sie sich von jeher gerne angeschlossen. Jetzt schienen sie auch durch konservative Gesichtspunkte dazu gezwungen zu sein, denn die Mittelstaaten unterstützten den liberalen Augustenburger und suchten mit der öffentlichen Meinung in Einklang zu kommen, so daß man im Zweifel sein konnte, wer von dem andern mehr abhängig war. Durch alle Verwicklungen der schleswig-holsteinischen Krise hindurch hat Mecklenburg an dem einmal eingenommenen Standpunkt festgehalten und das Vorgehen der Großmächte auch da unterstützt, als sie im Januar in offenen Konflikt mit der Mehrheit des Bundestages gerieten und von sich aus die Besetzung Schleswigs und den Krieg mit Dänemark durchführen mußten. Der Bundestagsgesandte von Bülow, der immer eine mittelstaatlich orientierte Politik vertreten hatte und auch jetzt nicht unbedingt mit den Großmächten gehen wollte, erkrankte im Dezember 1863 so schwer, daß er einen längeren Urlaub nehmen mußte. In Mentone, wo er vergeblich Heilung suchte, starb er im März 1864. Sein Nachfolger war im Januar, zunächst vertretungsweise, der Legationsrat Otto von Wickede geworden. Er war ein lebhafter, leicht zu beeinflussender Mann, der Typ eines Sanguinikers. Auch neuen, modernen Einflüssen stand er nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber. Nicht seiner Anlage nach wie Oertzen und Bülow, deren konservative Anschauungen als natürlicher Ausfluß ihres Wesens erscheinen, sondern nur durch Erziehung und Beeinflussung war er konservativ. Solche konservative Gesinnung war ja selbstverständlich für einen höheren Beamten der damaligen Zeit. Seinem Charakter ging die starre Geschlossenheit ab, die seinen Vorgänger am Bundestag auszeichnete und doch, trotz aller Einseitigkeit, oder gerade in ihrer Einseitigkeit, eine gewisse Größe einschloß. Statt dessen aber befaß er größere Beweglichkeit, Lebhaftigkeit und Aufnahmefähigkeit für das Neue. Er hat Mecklenburg bis zum Zerfall des alten Bundes 1866 vertreten, aber keine so selbständige Rolle gespielt wie Bernhard von Bülow.

An dem Kriege, der im Januar 1864 zwischen Dänemark und den Großmächten ausgebrochen war, war Mecklenburg an sich nicht beteiligt, da der deutsche Bund als solcher neutral geblieben war. Aus militärischer Neigung brachte Großherzog Friedrich Franz einige Wochen im preußischen Hauptquartier zu und nahm an den ersten entscheidenden Operationen teil. Ein ihm von König Wilhelm angebotenes selbständiges Kommando mußte er wegen der Neutralität Mecklenburgs ausschlagen. Die Waffenbrüderschaft, in der er sich jetzt mit den preußischen Offizieren fühlte, hat aber sicher seine Hinneigung zu Preußen verstärkt, die bis-

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 81 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

her mehr eine rein persönliche zu König Wilhelm gewesen war. Insofern hat sie die Entscheidung des Jahres 1866 vorbereitet.

Nach gewiegtem und gewagtem Diplomatenspiel, nach dem Scheitern des Londoner Kongresses gelang es Bismarck, die Elbherzogtümer den dänischen Händen zu entreißen. Im Frieden zu Wien mußte Dänemark sie an Österreich und Preußen gemeinsam abtreten. Bis zuletzt hat Mecklenburg die Politik der Großmächte unterstützt, nach wie vor davon überzeugt, so am besten wahrhaft konservative Politik zu treiben. Aber das österreichisch-preußische Einvernehmen, dem es sich so gerne angeschlossen hatte, war schließlich doch nur eine Episode: an der endgültigen Entscheidung über Schleswig-Holstein sollte ihre Freundschaft zerbrechen. Die Erledigung der holsteinischen Frage ging in das allgemeindeutsche Reformproblem über. Mit dem in aller Schärfe wieder hervortretenden österreichisch-preußischen Dualismus beginnt die letzte Phase in der Geschichte der deutschen Einigung. Auch Mecklenburg mußte eine neue, die endgültige Entscheidung treffen 54 ).

*          *
*

Seit dem Juni 1864 waren preußische Annektionsabsichten gegen Schleswig-Holstein offener hervorgetreten, auch der österreichische Verbündete begann allmählich mißtrauisch zu werden. Als Bismarck einsah, daß es ihm niemals gelingen werde, Österreich zur Anerkennung einer offenen oder verschleierten Angliederung der Elbherzogtümer an Preußen zu bringen, arbeitete er zielbewußt auf die unvermeidliche, geschichtlich tief begründete bewaffnete Auseinandersetzung mit Österreich hin. Der Kaiserstaat seinerseits ahnte die Gefahr, die ihm drohte. Die Rechbergsche Politik des Zusammengehens mit Preußen, einst aus der Enttäuschung über das Scheitern der Reformpläne des Fürstentages geboren, brach zusammen. Der Minister selbst stürzte, und allmählich lenkte jetzt Österreich in seine alte Politik des Anschlusses an die Mittelstaaten zurück.

Die Machtlosigkeit des Bundestages trat in dieser Zeit immer greller ins Licht. Alles Interesse, auch in Mecklenburg, richtete sich daher auf Berlin. Mit Angst und Spannung beobachtete man jeden Schritt Bismarcks, wußte man doch, daß von ihm einmal die Entscheidung ausgehen mußte. Man suchte dabei so weit als


54) Leider konnte ich die außerordentlich interessanten Verwicklungen der schleswig-holsteinischen Frage an dieser Stelle nicht im einzelnen verfolgen, ich verweise auf das 6. Kapitel meiner Dissertation S. 140/72.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 82 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

möglich allen preußischen Wünschen entgegenzukommen, so daß das Verhältnis der mecklenburgischen Regierungen wie auch des Gesandten von Sell zu Bismarck ein fortdauernd gutes war. Auch diesem lag daran, Mecklenburg in möglichst engem Anschluß an Preußen zu erhalten. In verschiedenen vertraulichen Gesprächen mit Sell äußerte er seine tiefe Verstimmung gegen Osterreich 55 ). Er wollte wohl den Gesandten davon überzeugen, daß Preußen ein Recht habe, zornig auf die Donaumonarchie zu sein. Diese wiederum bemühte sich eifrig, die Mittel- und Kleinstaaten insgesamt für sich zu gewinnen. Offiziell und vertraulich wurde ihnen mitgeteilt, daß der Kaiserstaat ihre Interessen schützen wolle. Besonders auch auf die norddeutschen Staaten suchte Österreich einzuwirken.

Mecklenburg indessen lehnte sich, soweit es möglich war, bei den Abstimmungen am Bundestag im Jahre 1865 an Preußen an. Bismarck konnte mit der Haltung des kleinen norddeutschen Nachbarstaates durchaus zufrieden sein. Alle Besorgnisse vor Preußen, die dort etwa bestehen könnten, suchte er in einer vertraulichen Unterredung mit Sell am 10. April zu beseitigen. Die Äußerungen, die er hier machte, muß man, wenn man seine wahren Absichten kennt, als geradezu ungeheuerlich bezeichnen. Sie waren wohl nur dazu bestimmt, mecklenburgisches Mißtrauen einzuschläfern. Bismarck behauptete beispielsweise, der König sei viel mehr für Annektion, als er, der Minister, es je gewesen sei. Er würde nur den Kieler Hafen, den Kanalbau, Aushebungen für die preußische Flotte und den Großherzog von Oldenburg als Landesherrn verlangen. Auf alle weitergehenden Forderungen könne Preußen unbedenklich verzichten. Die Beziehungen zu Österreich seien ganz unverändert; man werde alles tun, um nicht mit ihm zum Bruche zu kommen.

Wirklich scheint der alte ehrliche Soldat soll diese Darlegungen, wenigstens zuerst, für bare Münze genommen zu haben. Er bezeichnete Sie jedenfalls "als in großer Offenheit gemacht". Auch über sein Verhalten hatte Bismarck allen Grund befriedigt zu sein. So bekam denn Mecklenburg in einem vertraulichen Erlaß, den er an den Botschafter in Petersburg über die Zustände in Deutschland richtete und der zur Mitteilung an den russischen Minister Gortschakoff bestimmt war, eine besonders gute Note 56 ). Es bilde eine rühmliche Ausnahme unter den Mittelstaaten, so schrieb er. Der partikulare Ehrgeiz sei dort, in richtiger Würdi-


55) Geh. u. Haupt-Archiv Schwerin, Ber. des Berl. Ges.
56) Geh. Staatsarchiv Berlin AA I A. Ab 70, vol. III.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 83 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

gung der preußischen, dem gesamten Deutschland heilsamen Ziele in anerkennenswerter Weise zurückgetreten. -

In der Konvention von Gastein vom August 1865 wurde die bewaffnete Austragung des österreichisch-preußischen Konfliktes noch einmal vertagt. Das "Kondominium" über Schleswig-Holstein wurde aufgegeben, Schleswig in preußische, Holstein in österreichische Verwaltung genommen. Aber in allen politischen Kreisen Deutschlands fühlte man, daß dies Auskunftsmittel den Krieg nicht beseitige, sondern nur hinausschiebe, so daß eine unerträglich schwüle und drückende Atmosphäre auf den Gemütern lastete.

Schon in den ersten Monaten des neuen Jahres verschärfte sich der Konflikt über die Elbherzogtümer. Auf beiden Seiten entschloß man sich, auch vor dem Äußersten nicht zurückzuschrecken. Für Preußen brachte der Kronrat vom 28. Februar die Entscheidung 57 ). Bismarck erhielt die Ermächtigung, Vorbereitungen für den Krieg mit Österreich zu treffen, den man "nicht erstreben, aber auch nicht unbedingt vermeiden" wollte. Die allgemeine Stimmung in Berlin ging dahin, daß der Krieg unvermeidlich sei. In diesem Sinne lauteten auch alle Berichte des Herrn von Sell seit Mitte Februar. Über den Kronrat vom 28. Februar konnte er am 7. März ziemlich genaue Mitteilungen nach Schwerin und Neustrelitz machen. So mußte man dort zu der Erkenntnis kommen, daß alles auf die Entscheidung hindränge. Bisher hatte man in den mecklenburgischen Regierungskreisen eine abwartende Haltung eingenommen, jedenfalls das Richtigste, was man tun konnte. Jetzt war es aber klar, daß man nicht mehr lange um eine endgültige Stellungnahme herumkommen werde. Daher reiste Großherzog Friedrich Franz Mitte März nach Berlin, um sich dort an Ort und Stelle über die politische Lage zu unterrichten. Die Tage, die er jetzt in der preußischen Hauptstadt zubrachte, sind bereits für seine Haltung bei Kriegsausbruch entscheidend geworden. Bisher hatte die Politik des Großherzogs und seiner Ratgeber darauf abgezielt, zwischen Österreich und Preußen zu vermitteln, das bestehende Bundesrecht zu erhalten und eine Bundesreform nur zuzugeben, wenn sie auf legalem Wege vor sich ging und konservativen Grundsätzen Rechnung trug. Daß es ihm nicht gelingen werde, beim Ausbruch eines österreichisch-preußischen Krieges diesen korrekten Standpunkt zu bewahren, das hatte Friedrich Franz bei seinem klaren Blick sicher längst eingesehen. Es mußte eine Entscheidung getroffen werden zwischen Öster-


57) Vgl. Brandenburg II. S. 126/27.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 84 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

reich oder Preußen, ein Drittes gab es nicht! Daß sich der Großherzog diese Alternative klar vor Augen stellte und frühzeitig nach ihr handelte, im Gegensatz zu seinen Ratgebern, ist sein großes geschichtliches Verdienst. Herr von Oertzen und verschiedene andere mecklenburgische Diplomaten wollten bis zuletzt eine Stellung zwischen den kämpfenden Rivalen einnehmen und bedachten nicht, daß sie dabei unbedingt unter die Räder kommen mußten. Mußte aber zwischen den beiden Großmächten eine Entscheidung getroffen werden, so gab es für Mecklenburg nach seiner ganzen geographischen Lage nur eine Möglichkeit: den Anschluß an Preußen. Erleichtert wurde Friedrich Franz dieser sicherlich auch für seine konservative Natur schwere Entschluß durch seine engen verwandtschaftlichen Beziehungen zum preußischen Königshause und sein deutsches Ideal eines starken Machtstaates, das schließlich doch nur durch Preußen der Verwirklichung entgegengeführt werden konnte.

Über die Verhandlungen, die der Großherzog in diesen Märztagen in Berlin führte, läßt sich aus den leider nur sehr knappen Notizen seines Tagebuches 58 ), das er seit dem Tode seiner zweiten Gattin im April 1865 wieder regelmäßig schrieb, ungefähr ein Bild gewinnen. Nachdem er bereits am 21. März eine politische Besprechung mit dem König gehabt hatte, erschien am Morgen des 23. Bismarck bei ihm und entwickelte ihm die ganze politische Lage. Dabei scheint er ihm ziemlich reinen Wein eingeschenkt zu haben. Einmal stellte er ihm wohl die Unvermeidbarkeit des Krieges, dann aber die günstigen Aussichten für Preußen vor Augen. Am nächsten Tage verließ Friedrich Franz Berlin; in sein Tagebuch schrieb er: "Abschied vom König, herzlich; bestimmte Position genommen." Das kann nach allem, was folgte nur so gedeutet werden, daß der mecklenburgische Großherzog bereits an diesem Tage König Wilhelm gegenüber erklärte, daß er bei einem österreichisch-preußischen Kriege auf preußischer Seite stehen, mindestens nichts Feindseliges gegen Preußen unternehmen werde.

Diese Abmachung war jedoch zunächst nur eine persönliche Verpflichtung zwischen den beiden Monarchen für einen etwa in Zukunft eintretenden Fall. Einstweilen ging die offizielle mecklenburgische Politik in den bisherigen Bahnen des vorsichtigen Abwartens weiter. Am 26. März traf Herr von Richthofen mit dem preußischen Rundschreiben vom 24. in Schwerin ein, das sich über die österreichischen Rüstungen wie über die Unzulänglichkeit der Bundesverfassung ausließ. Es betonte die Notwendigkeit einer


58) Hausarchiv.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 85 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

großzügigen Bundesreform und stellte zum Schluß die Frage, wie weit Preußen bei einem möglichen Konflikt und bei der geplanten Reform auf Unterstützung rechnen könne 59 ). Herr von Oertzen erklärte, nachdem Richthofen ihm diese Depesche vorgelesen hatte, er werde dem Großherzog baldmöglichst Vortrag darüber halten, fürs erste wolle er amtlich folgendes mitteilen: "Mecklenburg sei bekanntlich von der Notwendigkeit einer Bundesreform durchdrungen und habe dieser Überzeugung bei jeder Gelegenheit Ausdruck gegeben. Preußen könne daher sicher sein, bei seinen Schritten zur Erlangung dieser Reform Mecklenburg auf seiner Seite zu haben. Alle Schritte, welche darauf hinausliefen, diese Reform in einer haltbaren und allgemein anerkannten Weise zustande zu bringen, werde Mecklenburg unterstützen. Bis dahin, daß dies Ergebnis erzielt sei, werde es freilich an dem bisherigen Bunde festhalten."

Viel zurückhaltender war Oertzens Antwort auf die zweite ihm gestellte Frage, ob Mecklenburg Preußen in einem Konflikt mit Österreich unterstützen werde. Er wies nur nachdrücklich auf die Anhänglichkeit des Großherzogs an die Person König Wilhelms hin; weitere Bindungen erlaube das gegenwärtige Stadium der Sache nicht. Ganz richtig faßte der preußische Gesandte in seinem Bericht das Ergebnis seiner Unterredung mit Oertzen dahin zusammen, daß man sich "in Schwerin so lange wie nur möglich die bisherige Passivität und die Freiheit des Entschlusses bewahren möchte". Die Art, wie Oertzen sich geäußert habe, könne man aber mehr in zustimmendem Sinne auffassen. Was die Haltung des Großherzogs anbeträfe, so sei er persönlich überzeugt, daß Friedrich Franz "aufrichtig und fest zu Preußen halten werde".

Von seiner Abmachung mit König Wilhelm hat der Großherzog anscheinend seinem Minister zunächst noch keine Mitteilung gemacht. Er wollte wohl, wie es seine Art war, erst in sich selber ganz klar und zielsicher werden. Am 3. April scheint er dann Oertzen seine Absichten bei Gelegenheit der Besprechung eines vertraulichen Richthofenschen Schreibens mitgeteilt zu haben 60 ). Am nächsten Tage betonte er nochmals seinen Standpunkt, worauf der Minister erklärte, dann werde er gegebenenfalls seinen Rücktritt nehmen. So war es in dieser Frage zu einem Zwiespalt beider Männer gekommen; Oertzen mußte von der starren Enge seiner Weltanschauung aus eine Politik verdammen, die sich an das Bismarckische Preußen auch dann anschließen wollte, wenn es die


59) Archiv des Auswärt. Amtes Berlin AA I A. Al. 41, Bericht vom 28. 3. 1866.
60) Tagebuch (Hausarchiv).
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 86 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

alte geheiligte Ordnung in Deutschland zertrümmerte und einen verderblichen Bruderkrieg mit Österreich begann. Er hat sicherlich geglaubt, daß letzten Endes nur Unheil und Verwirrung aus dieser Stellungnahme hervorgehen könne, wenn sie auch für den Augenblick als die ungefährlichere erscheinen mochte. Unbedingtes Festhalten am Bundesrechte hat er wohl als die einzige Möglichkeit mecklenburgischer Politik auch jetzt angesehen.

So wie Oertzen dachten die meisten mecklenburgischen Staatsmänner. Auch das Strelitzer Fürstenhaus wollte auf keinen Fall mit Preußen gegen Osterreich gehen. Richthofen hatte dem Strelitzer Minister Bülow am 27. März auf einer Konferenz in Neubrandenburg dieselben Eröffnungen gemacht wie am Tage vorher Herrn von Oertzen gegenüber. Bülow lehnte jede irgendwie bindende Antwort für den Augenblick ab. Jedenfalls werde der Großherzog einen Bruch zwischen den Großmächten, auf deren Einvernehmen bisher die Selbständigkeit der Kleinstaaten beruht habe, aufs tiefste beklagen. Nur in der Frage einer Reform der Militär-Verfassung des Bundes glaubte der Minister die unbedingte Unterstützung Strelitz' in Aussicht stellen zu können.

Anfang April weilte Herzog Georg, der Bruder des Großherzogs Friedrich Wilhelm, in Berlin. Er hatte eine Unterredung mit König Wilhelm, über deren Ergebnisse er Herrn von Sell ebenso wie über seine eignen Ansichten unterrichtete 61 ). Der König hatte sich bemüht, ihn zu beruhigen: wenn Österreich seine Rüstungen nicht ausdehne, werde es Preußen ebensowenig tun. Der Herzog hatte den Eindruck gewonnen, daß Preußen noch den Frieden erhalten würde gegen die Annektion der Herzogtümer; hätte es aber erst zu den Waffen gegriffen, so gehe Bismarcks Absicht auf Umgestaltung der Bundesverfassung, die Preußen an die Spitze bringen solle. Sein persönlicher Wunsch wie der seines Bruders, des Großherzogs, so schloß Georg seine Mitteilungen an Sell, sei der, "daß Mecklenburg fest auf dem Boden des Bundesrechts beharren und nur der Gewalt weichen möge". - Friedrich Franz hatte also einen Entschluß gefaßt, der ihn nicht nur von den Ansichten seines Ministers, sondern auch von denen des befreundeten Strelitzer Fürstenhauses weit entfernt hatte.

Bismarck wollte jetzt die holsteinische Frage, an der der Zwist mit Österreich sich entzündet hatte, mit der allgemeinen Bundesreformfrage verknüpfen. Am 9. April ließ er der Bundesversammlung durch den Gesandten von Savigny ein Reformprojekt vorlegen, das ein deutsches, aus allgemeinen, gleichen und direkten


61) Bericht Sells v. 6. 4. 1866. Geh. u. Haupt-Archiv Schwerin.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 87 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Wahlen hervorgehendes Parlament forderte 62 ). Dieser neuen preußischen Forderung gegenüber war ein Einlenken Österreichs nicht zu erwarten. So konnte Bismarck hoffen, baldigst zu seinem Ziel, dem Ausbruch des Krieges, zu kommen.

In Frankfurt herrschte allgemeines Entsetzen über diesen "ungeheuerlichen" Antrag, wie Herr von Wickede schrieb. In seinem Bericht fand er die schärfsten Ausdrücke gegen Preußen, den Friedensstörer, gegen das er aufs höchste erbittert war. Zugleich liefen jetzt Mitte April Berichte Gamms aus Wien ein, die sich bemühten, Österreichs Friedensliebe zu beweisen, Sell dagegen hatte Gelegenheit, zu betonen, daß Bismarck zum Kriege treibe. Unter all diesen Eindrücken scheint Friedrich Franz, der ja ganz einsam und allein stand, innerlich geschwankt zu haben, ob der von ihm gewählte Weg auch der richtige sei 63 ). Der entscheidende Augenblick war ja noch nicht gekommen, und so konnte Mecklenburg zunächst noch die Oertzensche Politik des vorsichtigen Abwartens fortsetzen. Erst am 20. April, als bekannt geworden war, daß die meisten Staaten für die Einsetzung eines neungliedrigen Ausschusses zur Beratung des preußischen Antrages eintreten wollten, wurde Wickede instruiert, gleichfalls dafür zu stimmen. Noch zögernder und unklarer war die Strelitzer Regierung in ihrer Haltung. Der Bundestag sprach sich dann einstimmig für die Einsetzung des Ausschusses aus 64 ).

Auf einer Konferenz in Augsburg am 22. April einigten sich die mittel- und süddeutschen Staaten über die Zusammensetzung dieses Ausschusses. Das norddeutsche Mecklenburg hatte man nicht eingeladen, wohl weil man davon überzeugt war, daß es faktisch ganz von Preußen abhängig sei. Nach dem in Augsburg angenommenen Plan wurde der Ausschuß dann auch wirklich zusammengesetzt. Wickede wurde nicht gewählt. Er war, wie es scheint, in seiner temperamentvollen Art zu extrem österreichfreundlich aufgetreten, als daß seine Wahl von der Mehrzahl der deutschen Bundesstaaten, die noch immer möglichst ausgleichen und vermitteln wollten, gewünscht worden wäre. Weil er damals nicht durchschaut habe, daß Preußen unbedingt den Bruch wolle, so schrieb er später durchaus glaubwürdig 65 ), sei er der Ansicht gewesen, daß eine große antipreußische Majorität es zum Einlenken bringen könne, und habe deshalb gegen Preußen gewirkt. Daß


62) Vgl. Brandenburg II. S. 143.
63) Darauf lassen einzelne Tagebucheinträge schließen.
64) Geh. u. Haupt-Archiv Schwerin.
65) In seiner Lebensbeschreibung (1889). Geh. u. Haupt-Archiv Schwerin.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 88 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

im Falle eines Krieges Mecklenburg nur auf der Seite des benachbarten Großstaates stehen könne, sei ihm immer klar gewesen.

Am 30. April weilte Wickede zur Rücksprache über das weitere Verhalten in Frankfurt in Schwerin. Man machte jetzt den Versuch, sich mit einzelnen norddeutschen Höfen über ein gemeinsames Vorgehen zu verständigen. Es geschah auf Oertzens Anregung hin. Wickede wurde nach Hannover und Cassel gesandt, mit Oldenburg trat man brieflich in Verbindung, schließlich verlief die ganze Sache aber doch im Sande 66 ).

Ende April schien es noch einmal, als ob es gelingen wurde, den Frieden zu. erhalten. Doch auch diese Hoffnung zerschlug sich. Der Mai verlief dann mit Intrigen und Gegenintrigen und Vorschlägen zu einer europäischen Konferenz, die über den Streitfall entscheiden Sollte. Der Versuch scheiterte. Anfang Juni stand der Ausbruch des Krieges unmittelbar bevor. In Schleswig-Holstein begann der Zwist, der Vertrag von Gastein wurde für gebrochen erklärt 67 ). Preußen ließ seine Truppen in Holstein einrücken, da jetzt wieder die "Kondomination" aus der Zeit vor Abschluß des Vertrages Platz greife. Da stellte Österreich am 11. Juni den Bundesantrag, das Vorgehen Preußens in Holstein als Bundesbruch zu erklären und alle nichtpreußischen Bundestruppen zu mobilisieren. Preußen ließ erklären, es werde die Annahme dieses Antrages als Kriegserklärung ansehen.

Am 14. Juni fand die entscheidende Abstimmung statt. Ein bayrischer Antrag, der den österreichischen sehr gemildert hatte und der Bundesmobilmachung, die auf die außerösterreichischen Kontingente beschränkt bleiben sollte, den Charakter einer bewaffneten Vermittlung verleihen wollte, wurde mit 9 :6 Stimmen angenommen. Darauf erklärte der preußische Gesandte von Savigny den Bund für gebrochen und lud diejenigen Staaten, die mit Preußen gestimmt hatten, zum Abschluß eines neuen Bundes ein auf der Grundlage von am 10. Juni veröffentlichten preußischen Reformvorschlägen. Der Konflikt war ausgebrochen.

Mecklenburg-Schwerin - von Strelitz war keine rechtzeitige Instruktion eingetroffen - hatte sich gegen den bayrischen Antrag


66) Vgl. Hirschfeld II. S. 192/93. Nicht für alle seine Angaben habe ich in den Akten des Großhz. Hausarchivs, die recht unvollständig sind, die Belege aufgefunden. Nachfragen in den Archiven Hannover und Marburg blieben ergebnislos. Im Oldenburger Landesarchiv befinden sich Briefe des Großherzogs Friedrich Franz aus dem April/Mai 1866. Leider hat der Chef des oldenburgischen Hauses sich nicht bereit gefunden, die Erlaubnis zur Durchsicht dieser Briefe zu erteilen.
67) Vgl. Brandenburg II. S. 152 ff.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 89 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

erklärt mit einer ausführlichen Begründung, die geschickt den bundesrechtlichen Standpunkt wahrte 68 ). Theoretisch standen ihm auch jetzt noch alle Wege offen. Daß es praktisch nicht der Fall war, zeigte die wenige Tage später eintreffende dringende Aufforderung Preußens zur aktiven Beteiligung am Kriege. Friedrich Franz entschied sich sofort dafür, entsprechend seinem Entschluß vom März. Ganz anders Mecklenburg-Strelitz! Da bedurfte es erst harter preußischer Drohungen, den streng legitimistischen Friedrich Wilhelm zum Bündnis zu zwingen 69 ).

Auch Jasper von Oertzen konnte den freilich durch die Not, wie er einsehen mußte, gebotenen Entschluß seines Großherzogs nicht mitmachen. Er bat um seine Entlassung und blieb nur auf die dringende Bitte seines Herrn im Amte. Alle Gefühlsmomente in dem alten, geraden, rechtlichen Mann bäumten sich gegen die Teilnahme an diesem Kriege auf, der die Grundlagen der legitimistisch-konservativen Ordnung in Deutschland vernichten mußte. Seine innere Kraft war gebrochen. Das harte Jahr 1866 hatte dem Greise seine Ideale zerstört, an denen er jahrzehntelang mit der Zielfestigkeit des echten Norddeutschen gehangen hatte.

Friedrich Franz war es, der Mecklenburg zuerst noch mit Sorgen, dann mit innerer Freude in die neuen Bahnen hineinlenkte, die es als Bundesstaat in den Norddeutschen Bund und dann in das Deutsche Reich führten. Schon im Juli stand er an der Spitze eines Reservekorps in Süddeutschland, in dem sich auch seine Mecklenburger befanden. So nahm er als selbständiger Heerführer an den Kämpfen gegen die Bundestruppen teil.

Die Schranken der Vergangenheit waren gefallen, das alte Bundesrecht war zertrümmert. Nach dem Scheitern aller nationalen Einigungsversuche der Jahre 1848/50 als letztes Auskunftsmittel neu begründet, hatte dieser Bund es nicht vermocht, das Einheitssehnen des deutschen Volkes zu befriedigen. Nur langsam hatte sich die Hoffnung auf endliche Erfüllung dieser Sehnsucht aus dem Schutt der Reaktionsjahre erhoben. Die Verwirklichung brachte ihr den Genius eines Bismarck: er verband die hohe Idee von deutscher Einheit und Größe mit der politischen Macht des preußischen Staates. Auch die Vertreter des Alten hatten im System des gottgeheiligten Legitimismus ihre Ideale gehabt, freilich alle jugendliche Frische hatte ihnen gefehlt, mußte ihnen fehlen.


68) Geh. u. Haupt-Archiv Schwerin; vgl. die Darstellungen bei Hirschfeld, H. v. Oertzen und Vitense.
69) Für alle den Kriegsausbruch betreffenden Einzelheiten verweise ich auf die Untersuchungen von K. Pagel, "Mecklenburg und die deutsche Frage 1866/71", Rostocker Dissertation, 1922.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 90 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Mecklenburgs Staatsmänner hatten an die Erhaltung des Bestehenden ihre Kraft gesetzt - sie waren gescheitert. Sie hatten es sich zuletzt selbst nicht mehr verhehlen können, daß das Alte morsch geworden war, doch schien es für sie keinen Übergang über die furchtbare Kluft zur nationalen Revolution zu geben. Bismarck zeigte die Brücke, aber der Weg zu ihr führte über Trümmer und blutige Schlachtfelder. Es war zu verstehen, daß viele sich scheuten, diesen Weg zu gehen. Ein Oertzen konnte es nicht! Großherzog Friedrich Franz, durch seine Weltanschauung weniger gebunden und den Idealen deutscher Machtentfaltung von Herzen zugetan, führte sein Land hinüber in den deutschen Nationalstaat.

 

Vignette
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen [ Seite 91 ] zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

IV.

Finanz=, Verwaltungs=,
Wirtschafts=, und Regierungspolitik der
mecklenburgischen Herzöge im Übergange
vom Mittelalter zur Neuzeit

von

Archivar Dr. Paul Steinmann.

 

Vignette
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen [ Seite 92 ] zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Vorliegende Arbeit geht größtenteils auf ungefähr 9 Jahre zurückliegende, durch neue Untersuchungen und Beobachtungen ergänzte Forschungsergebnisse zurück, die neben meiner noch nicht veröffentlichten Dissertation (Rostocker gekrönte Preisschrift 1914): "Die Geschichte der mecklenburgischen Landessteuern und Landstände bis zu der Neuordnung des Jahres 1555" erwuchsen. Sie stellt in vieler Hinsicht eine notwendige Ergänzung zu meiner Dissertation dar, wie andrerseits die Dissertation manche, hier nur kurz angedeuteten Probleme genauer darlegt und begründet.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen [ Seite 93 ] zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

D en slavischen Fürsten Mecklenburgs gehörte so gut wie das ganze Land als unumschränktes Eigentum. Dies ergeben mit Sicherheit Rückschlüsse aus den zahllosen Stiftungen, Schenkungen, Belehnungen, Konsenserteilungen und Eigentumsverleihungen der späteren Jahrhunderte. Die Gerechtsame der slavischen Edlen können nur geringfügig und geringwertig gewesen sein. Noch in der deutschen Zeit wurde das Land von der fürstlichen Familie als ihr privates Erbgut (patrimonium) betrachtet 1 ). Die volle Herrschaft über das Land, die Landesherrlichkeit (plena iurisdictio), vererbte sich lediglich kraft Erbfolgerechts auf die Nachkommen 2 ). Diese rein privatrechtliche Auffassung vom Staat herrschte in Mecklenburg bis gegen Ausgang des 15. Jahrhunderts.

Das Land war also ursprünglich in der Slavenzeit so gut wie ganz Domanium, ja sozusagen Schatullgut. Doch war der Ertragwert dieses gewaltigen, aber ungenügend angebauten, durch die unaufhörlichen Kriege verödeten und stellenweise entvölkerten Grundbesitzes gering. Die finanziellen Verhältnisse der slavischen Fürsten Mecklenburgs können keineswegs gut gewesen sein.

Niclots Sohn Pribislav, durch den das Christentum als Staatsreligion ins Obotritenland eingeführt wurde, hat noch den Versuch gemacht, mit Hülfe seines eignen Volkes das Land neu zu besiedeln und es dem Christentum und der höheren deutschen Kultur zu gewinnen, um so seine eignen Einkünfte zu erhöhen. Diese national-slavische Politik war gescheitert. Die Wenden waren stellenweise zu gering an Zahl und vor allem aus eigner Kraft nicht fähig und z. T. auch nicht willens, die deutsche Kultur und Gesittung anzunehmen 3 ). Daher riefen Pribislavs Sohn,


1) Mecklbg. Urk.-Buch (M. U.-B.) 254 (1219), 552 (1243).
2) M. U. B. 359 (1228), 911 (1261), 987 (1263). Es kannte übrigens die ältere Zeit bei Verträgen, Veräußerungen usw. nur eine Zustimmung der nächsten Angehörigen der fürstlichen Familie.
3) Witte, Meckl. Gesch. I. 1909 (Witte I.) S. 87/89, 91, 101/102, 123.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 94 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Heinrich Burwy sowie dessen Söhne und Enkel seit den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts deutsche Siedler in großen Mengen herbei und überwiesen den deutschen Mönchen, Geistlichen, Rittern, Bürgern und Bauern umfangreiche Strecken Landes und wichtige Gerechtsame.

Der unmittelbare Grundbesitz der fürstlichen Familie, das Domanium, erfuhr also bereits durch die deutsche Kolonisation eine starke Verminderung. Doch erhielten die mecklenburgischen Fürsten erheblich höhere Einnahmen durch die Einführung des deutschen Unternehmertums, der deutschen Wirtschaftsfarmen (Grundherrschaft und Stadtwirtschaft) und der weit überlegenen deutschen Ackerbautechnik (3-Felderwirtschaft und Anwendung des deutschen Pfluges), da die deutschen Siedler bedeutend höhere Abgaben als die Wenden entrichten konnten 4 ). Es wurde auch sehr wahrscheinlich die erste Steuer, die ordentliche Bede 5 ), die jährlich teils in Geld, teils in Naturalien erhoben wurde, bereits bei der Kolonisation in Mecklenburg eingeführt.

Trotzdem gerieten bald nach der Mitte des 13. Jahrhunderts die Fürsten aller mecklenburgischen Teilherrschaften, auch die aus altdeutschen Gebieten stammenden Schweriner Grafen, in finanzielle Schwierigkeiten, ja z. T. in Schulden. Die Urkunden ergeben nichts Näheres über die Gründe hierfür. Doch dürften sie in folgenden allgemeinen Ursachen ihre Erklärung finden: Es entwickelte sich, wie es zu allen Zeiten bei Kolonialländern typisch gewesen ist - es sei nur an die griechischen Kolonien in Klein-Asien und an Nordamerika erinnert - auch hier in Mecklenburg die materielle Kultur außerordentlich rasch. An dem allgemeinen Aufschwung hatten aber die Fürsten wenig Anteil, da die wichtigsten Abgaben bei der Kolonisation auf eine bestimmte Höhe festgesetzt, also nicht erhöhbar waren, außerdem wird sich der Geldwert, die Kaufkraft des Geldes, verringert haben. Hinzu kam, daß nach Abschluß der Kolonisation die auswärtige Politik mit ihren kostspieligen Kriegen immer mehr in den Vordergrund trat.

Die mecklenburgischen Fürsten Suchten sich nun aus ihren finanzieller Nöten auf verschiedene Art zu helfen. Die Fürsten von Mecklenburg und Rostock scheinen in der Hauptsache zur Veräußerung von Grund und Boden und von wichtigen Gerechtsamen an die damaligen Mächte des Kapitals, an die beiden Seestädte Rostock und Wismar und an ihre Bürger sowie an die Geistlich-


4) Witte I. S. 130.
5) "Olde bede" in den Registern des 15. Jahrhunderts genannt, im Gegensatz zur "nygen bede", der außerordentlichen Bede (Landbede), die durch die sog. Bedeverträge, s. Anm. 6, geschaffen wurde.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 95 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

keif gegriffen zu haben. Dagegen hielten die Fürsten von Werle und die Grafen von Schwerin eine systematische Schuldentilgung großen Stils für geboten, d. h. Sie halfen sich durch ungewöhnliche und neuartige außerordentliche Steuern. Sie ließen sich nämlich von ihren Ständen - den Vasallen und z. T. auch der Geistlichkeit - außerordentliche Landessteuern (Landbeden) in beträchtlicher Höhe oder mehrere Jahre hindurch von den Hufen der Bauern und sogar von den sonst grundsätzlich steuerfreien Hofhufen der Grundherrn bewilligen, wofür sie freilich den Ständen in den sogenannten Bedeverträgen (besser Reversalien, Schadlosbriefe) von 1276, 1279 und 1285 6 ) alte Privilegien bestätigen und neue erteilen mußten. Vor allem aber erhielten die Stände bei dieser Gelegenheit das wichtige Steuerbewilligungsrecht für alle außerordentlichen Landessteuern, das Fundament des ständischen Staates.

Im 14. und 15. Jahrhundert verursachten in der Hauptsache die zahllosen Kriege und Fehden, die für die genannte Zeit so charakteristisch sind, durch die beträchtlichen, an die heimischen Vasallen zu zahlenden Unterhalts-, Löse- und Schadengelder und infolge des in Mecklenburg im 14. Jahrhundert aufkommenden kostspieligen Söldnerwesens aufs neue starke Verschuldungen der mecklenburgischen Fürsten.

Gar manche dieser Fehden sind sicherlich lediglich der Fehdelust entsprungen. Mit derselben Leidenschaft, mit der die Fürsten der Neuzeit der Jagd oblagen, gaben ihre Vorfahren im Mittelalter sich den Fehden hin. "Man versteht ihr Auftreten nicht, wenn man nicht diese Leidenschaft bei ihnen voraussetzt," bemerkt von Below treffend 7 ). Doch muß betont werden, daß manche Kriege notwendig im Interesse der Selbständigkeit, Erstarkung und äußeren Abrundung Mecklenburgs geführt werden mußten und bedingt waren durch die eigenartige geographische Lage des Landes: Ein Stück der weiten norddeutschen Tiefebene, ohne natürliche Grenzen, das Meer weit mehr anlockend als hemmend, ein schmales Küstenland, im Süden das mächtige Brandenburg, das einen starken Drang zur See verspürte, im Norden die Skandinavischen Staaten, die durch die gegenüberliegende deutsche Küste immer wieder angezogen wurden. Wenn das kleine Mecklenburg aus diesem Ringen der norddeutschen Staaten und der nordischen Völker um die Herrschaft an und auf der Ostsee sogar stark vergrößert hervorging, so verdankt es dies in der Hauptsache über-


6) M. U.-B. 1413, 1414, 1504 A, B, 1781.
7) Territorium und Stadt 1900 S. 268.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 96 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

ragenden Herrscherpersönlichkeiten wie Heinrich dem Löwen († 1329) und Albrecht II. († 1379).

Bereits Heinrich der Löwe sah sich in Seiner großen, durch seine vielfachen Kriege und Fehden verursachten Geldverlegenheit genötigt, 1321/22 Pachte, Zinsen und Renten der Geistlichkeit anzugreifen 8 ). Von den Fürsten der wendischen Herrschaften hören wir im 14. Jahrhundert, daß Sie wegen Kriegsschulden Landbeden erhielten 9 ). Ohne Zweifel ist dies auch in den übrigen Herrschaften der Fall gewesen. Da die Landbeden aber nur gelegentlich und nur aushülfsweise gezahlt wurden, indem der Fürst grundsätzlich aus seinem Domanium die Kosten des Landesregiments zu bestreiten hatte, mußten die Fürsten aller mecklenburgischen Teilherrschaften zu zahllosen Veräußerungen und Verpfändungen von ganzen Ämtern, von Dörfern und nutzbaren Herrschaftsrechten greifen. Diese Veräußerungen und Verpfändungen Scheinen in der Hauptherrschaft Mecklenburg nach dem Mißlingen der nordischen Großmachtbestrebungen gegen Ende des 14. Jahrhunderts besonders umfangreich gewesen zu sein 10 ).

Die Herzogin Katharina, welche für ihre minderjährigen Söhne Heinrich IV. und Johann V. von 1424-36 die Vormundschaftsregierung führte, Scheint mitsamt ihren Räten diesen Mißständen durch geordnete Verwaltung einen gewissen Einhalt geboten zu haben 11 ). Aber unter Heinrichs IV., des Dicken, leichtsinniger, verschwenderischer und fehdenreicher Regierung (1436 bis 1477) waren die Verhältnisse Schlimmer denn je. Nicht nur unzählige einzelne Nutzungen und Einkünfte als Zölle, Orbören, Beden, Pächte und ganze Dörfer waren verpfändet oder veräußert, Sondern vor allem die meisten Ämter befanden sich in fremden Händen 12 ). Noch Heinrichs Enkel, Heinrich V., sagt einmal (1521), daß nahezu das ganze Land damals verpfändet gewesen wäre 13 ). Ähnliches berichtet auch der Geschichtsschreiber Nikolaus Marschalk 14 ). Auch von den wenigen, ihm noch verbliebenen Ämtern


8) Kirchberg bei Westphalen Monumenta inedita 1739 IV. S. 817, M. U.-B. 4314, 4426.
9) M. U.-B. 8561 (1359), 11 760, 11 761 (1386).
10) Über die Veräußerungen der ord. Bede im 14. Jahrh. vgl. Ihde, Amt Schwerin, Jahrbuch des Ver. f. mecklbg. Geschichte (Jb.) 77, Beiheft (Ihde) S. 32.
11) Ihre Landesregimentsordnung vom 6. Mai 1424, Geheimes und Haupt_Archiv Schwerin (S. A.) Regesten (Reg.), gedr. bei Sachsse, Mecklbg. Urk. u. Daten 1900 (Sachsse) S. 152/55. Die Urk. des 15./16. Jahrhundert sind nach wenig korrekten älteren Drucken abgedruckt. - Witte I. S. 244/45.
12) S. A., Landesteilungsakten vol. 11, Balck, Finanzverhältnisse in Mecklenburg-Schwerin I. 1877 S. 52-56.
13) S. A., Landesteilungsakten vol. 8.
14) Annales Herulorum et Vandalorum 1521 Buch VII Kap. 7.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 97 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

hatte Heinrich der Dicke wenig Nutzen 15 ). Bei der Abrechnung über die laufenden Einnahmen und Ausgaben blieb er den Amtsvögten erhebliche, sich ständig vergrößernde Summen Schuldig 16 ). Daran konnten auch die zahlreichen, während seiner Regierung wahrscheinlich hauptsächlich wegen Kriegsschulden erhobenen Landbeden wenig ändern. Sie waren oft noch gar nicht ganz eingelaufen, so schickte er schon an die Einwohner Briefe mit der Aufforderung, sie sollten ihm senden, was sie davon hätten. Seine Geldnöte waren aber zeitweise so groß, daß er sich Sogar an die Einnehmer wandte, bevor diese die Landbede überhaupt erhoben hatten, oder wenn von ihr nichts mehr da war. Sie mußten ihm dann selbst das Geld vorschießen oder, wenn sie selber nichts hatten, es für ihn mit größerem oder geringerem Erfolg zusammenborgen: "Do konde ik nicht mer lenen, den 10 mark", "Do nam ik, wor ik dat konde borgen, lenen unde sande eren gnaden 10 mark", "Do konde ik de [10 mark] nicht to hope bringen, so sende ik em de nicht", heißt es da z. B. in den Schloßregistern. Heinrich selbst konnte Darlehen nur mit Mühe und unter erniedrigenden Bedingungen erhalten 17 ). Auch die alten Chronisten schildern mit derben und drastischen Worten seine Schlemmerei und seine Geldnöte und erzählen von ihm bezeichnende Anekdoten. So berichtet der Lübecker Chronist Reimar Kock 18 ), er hätte in Seiner Jugend von Dienern Heinrichs des "Bauchigen" (de buckede) gehört, daß er mit allen umliegenden Fürsten gerne Fehden geführt hätte, solange bis daß er nicht einen silbernen Becher mehr hatte. Da hätte er sich von den Holzdrechslern in Banzkow hölzerne Schalen und Kannen anfertigen, anmalen und mit goldenen Blumen verzieren lassen. Diese Gefäße nannte er seine Banzkower Gläser. Das war sein Silbergeschirr! Der herzogliche Archivar Chemnitz berichtet in seiner Chronik 19 ), daß Heinrich es schließlich So arg getrieben hätte, daß Seine Söhne sich genötigt sahen, öffentliche Mandate anschlagen zu lassen, daß niemand sich hinfort unterstehen sollte, von ihrem Vater Güter an sich zu bringen, bei Verlust der Kauf- und Pfandsumme. Mag dies vielleicht auch etwas übertrieben sein, sicher ist, daß seine Söhne sich in den 60er und 70er Jahren verschiedene Ämter verschreiben ließen 20 ) und daß Hein-


15) Quellen für das Folgende: S. A., Schloßregister und Rechnungen, Rentereiregister, Regesten.
16) Beispiele bei Witte I. S. 272.
17) Witte I. S. 273.
18) Handschrift (alte Abschrift) im S. A. II S. 198/99.
19) Original-Handschrift (2. Hälfte 17. Jahrh.) im S. A. III S. 699/700.
20) Rudloff, Pragmatisches Handbuch der mecklbg. Geschichte 1786 II 2 S. 785/86, 810, 814.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 98 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

richs Treiben auch seinen Familienangehörigen zu toll wurde. Bezeichnend hierfür ist folgendes Schreiben, das Seine Gemahlin, die Herzogin Dorothea, an ihn richtete: ". . . Also uns juwe leve scrift, wo dat is umme dat gelt, zo wete juwe leve, dat gi vinden to Zwerin enen bref, den uns unse suster sande to Gustrouw, unde wi ene Katten deden, de ene juwer leve scholdeg nabringen. Alzo wi horen, so is he mede bleven to Zwerin; in deme breve vinde gi, wor sick juwe leve na richten mach. Vurder, leve here, werdet juwe borghn pantliken von unser suster inghemanet, unde wi de borghen tuvet unde beden hebben, dat se umme unser bede willen nicht inne reden synt. Hir umme, leve here, denket hir up alzo gi alderbest kone, dat gi dat gelt to hope krighen, dat deit juw not unde behof. . ." 21 ). Diese Herzogin Dorothea muß überhaupt, wie aus einigen Anzeichen hervorgeht, eine tüchtige, kluge und energische Frau gewesen sein. Sie war eben nicht umsonst eine Tochter Friedrichs I. von Hohenzollern, des ersten Kurfürsten von Brandenburg.

Der völlige finanzielle Zusammenbruch Mecklenburgs stand vor der Tür. Ihn verhütet und eine vollständige Gesundung der Finanzverhältnisse herbeigeführt zu haben, ist Magnus II. (1477 bis 1503) großes Werk. Denn die andern Brüder starben früh, und Balthasar († 1507) verschwindet völlig neben ihm. Seine Neffen, mecklenburgische Adlige und Hofbediente, sowie Nikolaus Marschalk bezeugen, daß Balthasar sich viel mehr der Jagd und der Klöster Ablager als des Landesregiments angenommen habe. Er war allezeit, wie es einmal heißt, ein "milder verthuenlicher fürst", d. h. er gab gerne Geld aus und machte viele Schulden 22 ). Kurz, er glich mehr Seinem leichtsinnigen und verschwenderischen Vater, während in Magnus Adern weit mehr das Hohenzollernblut Seiner tatkräftigen und energischen Mutter pulsierte.

Gleich bei Beginn seiner Regierung ließ Magnus zusammen mit Seinen Brüdern ein Mandat ergehen, in dem bekannt gemacht wurde, daß alle verpfändeten Ämter, Städte, Dörfer, Pächte und andere Nutzungen wieder eingelöst werden sollten. Alle Pfandinhaber wurden darin aufgefordert, binnen einer bestimmten Frist vor den Herzögen zu erscheinen, um durch Urkunden den rechtmäßigen Besitz der Pfandgüter zu beweisen und um die Pfand-Summe zurückzuerhalten. Ferner ließen die Herzöge ein Verbot


21) S. A., Korresp. Heinrichs IV., ohne Jahr, suster = Schwester, tuvet = tövet = aufgehalten.
22) S. A., Landesteilungsakten vol. 11 u. 13. Marschalk (s. Anm. 14) Buch VII Kap. 9. S. A., Reg. 15. VII. 1479, Rentereiregister 1494. Über Albrecht VI. (1477-1483) Vgl. Witte I. S. 279.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 99 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

ergehen, niemand Pacht oder Zinsen zu geben, der nicht durch Urkunden oder genügenden Beweis seine wohlerworbenen Rechte daran nachgewiesen hätte 23 ). Sicherlich kamen durch diese Maßregeln wieder so manche Güter und Gerechtsame in den fürstlichen Besitz, die während der allgemeinen Unordnung zur Zeit Heinrichs des Dicken von fremder Hand widerrechtlich in Besitz genommen waren.

Seit der Kolonisation hatte sich das Domanium ständig verringert. Es trat nun, wenn auch nicht ohne erhebliche Schwankungen, hierin eine rückläufige Bewegung ein. Dieses wichtige Mandat legte den Grund dazu.

Das Ziel seines Lebens war für Herzog Magnus, wie er einmal zum Abt von Doberan gesagt hatte, seinen Kindern ein [schulden-]freies Fürstentum zu hinterlassen 24 ). Daß er dieses Ziel erreicht hat, dafür zeugen zahlreiche eingelöste Schuldbriefe und Verschreibungen. Bei seinem Tode waren alle Ämter und wohl auch so gut wie alle andern Verpfändungen eingelöst. Ja, man hielt Herzog Magnus nicht ganz mit Unrecht für einen reichen Fürsten 25 ).

Somit ergibt sich mit voller Sicherheit, daß die Verschuldung des mecklenburgischen Fürstenhauses und des Landes, die bis in die jüngste Vergangenheit hinein eigentlich den Angelpunkt der inneren Politik Mecklenburgs bildete 26 ), nicht in ununterbrochener Linie bis ins Mittelalter zurückreicht, Sondern in der Neuzeit nach Magnus II. Tod (1503) wiederum von neuem entstanden ist. Wie das kam und wer daran schuld war, Soll weiter unten noch dargelegt werden.

Es wäre naheliegend, anzunehmen, daß Magnus sein Ziel durch Übernahme der Schulden durch die Stände oder wenigstens durch häufigere Forderung von Landbeden zum Zwecke der allmählichen Schuldentilgung erreicht hätte 27 ). Dies ist aber nicht


23) S. A., Reg. [1477/90], 29. VIII. 1482, 30. XII. 1498.
24) S. A., Landesteilungsakten vol. 13 u. 16.
25) S. A., Landesteilungsakten vol. 11, 13, 16: Zeugenaussagen von 1523. Ein Zeuge weiß noch von ungef. 7 eingelösten Ämtern zu berichten. Insbesondere die recht fragmentarische Erhaltung der Rentereiregister gestattet es nicht, den Einlösungsvorgang genauer zu verfolgen. Vgl. auch Witte I. S. 279.
26) Rudloff (s. Note 20, III 2 S. 153) charakterisiert treffend die innere Geschichte Mecklenburgs der Neuzeit mit folgenden Worten: "Die vor uns liegende Periode, von einer fürstlichen Schuldentilgung zur andern, begreift eigentlich fast nur die Geschichte der einzelnen Thaler, die aus den Händen der Landstände in die der fürstl. Gläubiger, durch Capitulation übergiengen."
27) Vgl. dazu Spangenberg, Vom Lehnsstaat zum Ständestaat 1912 S. 130-35, 140, 153, 163.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 100 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

der Fall. Von den zehn während seiner Regierung erhobenen Landbeden ist nur die Landbede von 1479 - vielleicht sogar nur die Hälfte davon - der fürstlichen Schulden wegen erhoben worden. Natürlich konnten mit dieser Landbede nur die allerdringendsten Schulden bezahlt werden. Wenn Magnus auf weitere Hülfe durch die Stände verzichtete, so geschah dies Sicherlich, weil er dadurch nicht in Abhängigkeit von ihnen geraten wollte. Das vertrug sich nicht mit seinem, wie wir sehen werden, sehr stark entwickelten Herrscherbewußtsein.

Magnus erreichte vielmehr sein Ziel durch eine geradezu geniale Finanz-, Verwaltungs-, Wirtschafts- und Regierungspolitik.

Ein Hauptübel der Regierung Heinrichs des Dicken, die verschwenderische Hofhaltung, beseitigte er bereits im ersten Jahr seiner Regierung, indem er mit seinem Bruder Albrecht 1477 einen Vertrag über die möglichste Vereinfachung des gemeinsam zu führenden Hofhaltes schloß. Der Landesteilungsvertrag von 1480 war glücklicherweise nur eine Episode, da Albrecht schon 1483 starb und die gemeinsame Regierung und die vereinfachte und geordnete Hofhaltung mit Balthasar andauernd weiter bestand 28 ). Dem durch die unaufhörlichen Kriege und Fehden mit den Nachbarstaaten und durch Raubzüge einheimischer und fremder Raubritter Schwer heimgesuchten und zerrütteten Lande suchte er die für den Wiederaufbau Mecklenburgs dringend nötige Ruhe und Sicherheit durch den Wilsnacker Landfrieden vom 29. Juli 1479 29 ) zu verschaffen. Die Fürsten von Mecklenburg, Brandenburg und Pommern vereinten sich hierin, tatkräftig unterstützt von ihren Städten, in gemeinsamer Sorge um die Verfolgung der Straßenräuber und um die Befriedung der Straßen. Freilich blieb es hierbei zunächst mehr bei dem guten Willen der Fürsten 30 ). Eine nachhaltige Besserung konnte auch hier nur die Zeit bringen. Und doch war dieser Landfriede von großer Bedeutung dadurch, daß von jetzt ab die nicht minder verderblichen gegenseitigen Kriege und Fehden der genannten Fürsten aufhörten, entsprechend ihrer bereits am 27. Juli 1479 abgeschlossenen eidlichen Vereinbarung, alle gegenseitigen Streitigkeiten nicht gewaltsam, Sondern rechtlich auszutragen 31 ). Im Interesse der Ruhe und Sicherheit ihres Landes mußten die Fürsten ja auch ihrem Adel erst Selbst mit guten Beispielen vorangehen.


28) S. A. Urk. Hausverträge 1477, 1480 (gedruckt bei Sachsse S. 174/78), 1494.
29) Riedel, Cod. dipl. Brandbg. B. V. S. 305/08, C. II. S. 236/38.
30) Witte I. S. 278, 293/94.
31) Riedel, Cod. dipl. Brandbg. B. V. S. 303/05.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 101 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Bereits um 1478 schritt Magnus zu der besonders wichtigen und noch für die Gegenwart grundlegenden Neuordnung der Verwaltung, insbesondere der Finanzverwaltung.

Unter Herzog Heinrich dem Dicken wie unter seinen Vorgängern herrschte eine vollständige Dezentralisation der Verwaltung des Landes 32 ). Die einzelnen Vogteien waren selbständige Wirtschafts- und Verwaltungsbetriebe, die keiner zentralen Verwaltungsbehörde untergeordnet waren 33 ), Sondern unmittelbar unter der Person des Fürsten Standen. So gibt der Herzog selbst den Befehl zur Einnahme der außerordentlichen Landessteuer, er rechnet in den meisten Fällen selbst ab, Seltener läßt er abrechnen mit den Vögten oder Geldeinnehmern über die Geldeinkünfte. Die Kanzleibeamten, Vögte, Zöllner, Pfarrer, Räte, Adlige usw., die dabei zugezogen werden, sind nur Beauftragte oder technische Hülfskräfte und Zeugen des Vorganges 34 ). Der Herzog selbst


32) Quellen für das Folgende s. Anm. 15.
33) Auch nicht der Kanzlei oder dem Rate der Fürsten wie in der Mark Brandenburg: Spangenberg, Hof- und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg im Mittelalter 1908 S. 409/12, 419/21; Schapper, Die Hofordnung von 1470 und die Verwaltung am Berliner Hofe z. Zt. Kurfürst Albrechts, Veröff. d. V. f. Gesch. d. Mark Brdbg. 1912 (Schapper) S. 94/98. Vgl. noch Anm. 34.
34) Der Herzog rechnet "durch" oder "vermittelst" der Kanzleibeamten oder - was viel Seltener vorkommt - durch andere Personen (Zöllner, Adlige, Pfarrer, Räte), die betr. Personen "wegen" des Herzogs mit den Vögten ab. Als Zeugen treten Räte unter Heinrich IV. seltener auf, meist sind es benachbarte Vögte, Zöllner, Vogteischreiber, Geistliche, Kanzleibeamte, gelegentlich Söhne des Herzogs, Bürgermeister und Stadtschreiber von kleinen Landstädten, doch Sind auch verschiedentlich keine Zeugen genannt. - Unter der Regierung der Herzogin Katharina treten Räte, d. h. einige Mitglieder des Landregiments, als Zeugen mehr hervor, wenn auch fast ebensoviel Abrechnungen vorliegen, bei denen keine Zeugen genannt sind. Über die Verhältnisse im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts läßt Sich bei der Dürftigkeit des Materials nichts Genaueres aussagen. Nach M. U.-B. 8263 und 12 447 könnte es so aussehen, als wenn im 14. Jahrhundert die Räte zusammen mit den Fürsten eine "Art Aufsicht" über die Vogteien ausgeübt haben. S. Rudloff, Das landesfürstliche Beamtentum Mecklenburgs im Mittelalter, Diss. Kiel 1910 (Rudloff), S. 34. Doch kann dies durch die besonderen Umstände Verpfändung der Vogtei Schwerin (Ihde S. 5), Einsetzung einer Statthalterschaft über das Land Stargard, seine Erklärung finden. - Die Abrechnungen erfolgten an dem Ort (Vogtei, Kloster, Stadt), wo der Herzog gerade weilte, nicht an bestimmten Orten oder in der Kanzlei. Dagegen fand in der Mark Brandenburg bereits seit etwa 1340 trotz des wandernden Hofes die Rechnungslegung fast regelmäßige in der Kanzlei des Spandauer Schlosses statt". Spangenberg, Hof- und Zentralverwaltung S. 419/20. - Abrechnungen aus dem 15. Jahrhundert, besonders aus der Zeit Heinrichs IV., sind in den Schloßregistern des S. A. in größerem Umfang erhalten.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 102 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

empfängt das Geld. So befahl Herzog Heinrich IV. auch ausdrücklich den Vögten und Einnehmern, daß sie niemand, der nicht eine mit dem Siegel des Herzogs versehene Anweisung brächte, Geld aushändigen sollten 35 ). Da der Herrscher besonders durch die zahllosen Fehden, Streitigkeiten und Rechtshändel fast dauernd in Anspruch genommen war und keine ständige Residenz hatte, so gab es keine regelmäßige Abrechnung und Kontrolle der Ämter und keine ordentliche Übersicht über Einnahmen und Ausgaben. Es wurde zwischen Herzog und Vögten oder Einnehmern nicht regelmäßig oder jährlich zu bestimmten Terminen, sondern nur nach Amtszeit des Vogtes oder über eine beliebige Reihe von Jahren oder Monaten gelegentlich abgerechnet. Nur einige wenige Gefälle, insbesondere Zölle und einige Einkünfte der Schweriner Vogtei, scheinen für die dringendsten und persönlichen Bedürfnisse der Fürsten reserviert gewesen zu sein 36 ). Sie gingen an die wenig umfangreiche Hofhaushaltskasse 37 ).

Eine Zentralkasse für alle Einnahmen des Landes, also eine Landeshaushaltskasse, eine Rent(er)ei, gab es bislang nicht 38 ). Die Geldeinkünfte der Ämter wurden nicht mit einem Male abgeliefert, sondern teils von den Vögten an Ort und Stelle für verschiedene Bedürfnisse der Vogtei oder des gerade auf kürzere oder längere Zeit dort verweilenden Hofstaates ausgegeben, teils ließ sie der Herzog, wenn er auf anderen Vogteien weilte, allmählich in kleineren Beträgen durch Anweisungen für sich abheben. Auch Kaufleute und Handwerker erhielten für ihre Forderungen Anweisungen auf ein Amt. Ebenso erfolgten Einlösungen von verpfändeten Gütern und Nutzungen durch die Vogteien. Irgendwelche Register, welche die Einnahmen des ganzen Landes jährlich verzeichneten, gab es nicht. Es liegt auf der Hand, daß diese für


35) S. A. Reg. 23. II. 1454. Dies galt auch für die Kanzleibeamten, s. z. B. S. A. Reg. 14. X. 1462.
36) S. A. Urk. Hausverträge von 1477, 1494, Rentereiregister 1478.
37) Sie wurde früher durch den Kämmerer (Kammermeister) verwaltet und berechnet, Rudloff S. 14; freilich Einkünfte der "Hausgüter" (!) und Steuern hat er sicher nicht berechnet! Der letzte dieser alten lehnsrechtlichen Kammermeister war Otto Viereck, der von 1424-49 sehr häufig begegnet. Hernach hat wahrscheinlich die Kanzlei die Hofhaushaltskasse verwaltet.
38) Wittes Ansicht I. S. 271/72, 298, daß unter der Regierung der Herzogin Katharina eine "Art Zentralverwaltung" bestand, halte ich nicht für zutreffend. Die wenigen vor Heinrichs IV. Zeit erhaltenen Schloß-Register und Rechnungen beweisen nur die Dezentralisation der Finanzverwaltung, wie übrigens auch die Regimentsordnung der Herzogin von 1424 (s. Anm. 11). In M. U.-B. 7988 (1354) deutet nichts darauf hin, daß die Tonnen mit Geld aus einer Zentralkasse stammen.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 103 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

die Zeit einer vorherrschenden Naturalwirtschaft charakteristische in der Hauptsache auf Treu und Glauben angelegte, völlig planlose Wirtschaft "von der Hand in den Mund" schon an und für sich nicht von Vorteil für die Einkünfte war. So dürfen wir uns denn nicht wundern, wenn bei den Abrechnungen der Herzog den Vögten noch beträchtliche Summen hinzuzuzahlen hatte.

Um einen Überblick über die Einnahmen des Landes zu haben und vor allem um für die geplante Einlösung der versetzten Ämter, Dörfer und Nutzungen die erforderlichen größeren Geldsummen zur Verfügung zu haben, galt es Vorkehrung zu treffen, daß der größte Teil der Geldeinkünfte von den einzelnen Vogteien mit einem Male an eine Zentralstelle abgeführt wurde. Diese Zentralstelle war zunächst die Vogtei Schwerin. Gegen Ende des Jahres 1478 (vom 21. November ab) liefen dort plötzlich Einkünfte (Pächte, Zölle, Brüche usw.) aus allen Gegenden Mecklenburgs in großen Beträgen ein 39 ). Aber die von dem Schloß- (Vogtei-) schreiber (wahrscheinlich einem Pfarrer) geführte Kasse der Schweriner Vogtei hat nur vorübergehend die Funktion einer Zentralkasse gehabt. Soweit die recht fragmentarisch erhaltenen Rentereiregister und die Register und Rechnungen der Vogteien erkennen lassen, wurde der größte Teil der Geldeinkünfte der Vogteien mit Wahrscheinlichkeit bereits von 1480 ab, mit Sicherheit 1489 an die herzogliche Kanzlei alljährlich zu bestimmten Terminen (gegen Ende des Jahres: Martini - Nicolai) abgeliefert. Die Verwaltung der Zentralkasse und die Führung der entsprechenden Register wird zunächst wohl Kanzleischreibern oder Sekretären obgelegen haben. Bereits von 1480 ab Scheint der aus Waltershausen bei Gotha stammende Kanzleisekretär Johann Tigeler die Register der Zentralkasse geführt zu haben 40 ). Diese Funktion behielt Tigeler bei, als er an Stelle Thomas Rhodes 1486 Kanzler wurde. Er war also noch Kanzler und Rentmeister zugleich oder, wenn wir uns modern ausdrücken, Ministerpräsident und Finanzminister in einer Person. Als Tigeler im Laufe des Jahres 1493 in den Ruhestand trat und seine Stelle der Nürnberger Dr. Anthonius Grunwald einnahm


39) Wenn 1373 (M. U.-B. 10 424) die Schweriner Vogtei aus einigen andern Vogteien größere Summen empfängt, so wird dies wohl nur eine vorübergehende, durch besondere Umstände, insbesondere infolge der Höhe der von der Vogtei Schwerin geleisteten Zahlungen verursachte Erscheinung gewesen Sein, denn in den hernach von 1409 ab in größerem Umfange erhaltenen Schweriner Schloßregistern fand Sich vor 1478 etwas Ähnliches nicht.
40) Der Kanzleischreiber oder Sekretär Laurentius Stoltenborg, Kleriker des Havelberger Stifts, scheint von 1481 ab mit ihm in der Registerführung abgewechselt zu haben.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 104 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

(-1501), wurde ein besonderer Rentmeister in der Person des Klaus Trutmann 41 ) berufen. Wie Tigeler stammte er aus Waltershausen und war sicherlich durch diesen nach Mecklenburg gekommen. Er verwaltete von jetzt ab bis 1512 die Zentralkasse, die Rent(er)ei oder, wie sie in der Regel genannt wurde, die Kammer, und führte die Register, wenn auch verschiedentlich Kanzleischreiber oder Sekretäre ihn hierbei vertraten oder unterstützten.

Ein besonderer, dem Rentmeister unterstellter Rentschreiber (Später auch Kammerschreiber genannt) begegnet uns zuerst 1506. Es war dies Trutmanns Neffe Balthasar Rotermund 42 ). Er stammte aus Waltersleben bei Erfurt und wurde Später Trutmanns Nachfolger (1512-19). Hernach (1523-51) war er Rentmeister Heinrichs V. 1519 wurde als gemeinschaftlicher Kammermeister (identisch mit Rentmeister) der mecklenburgische Adlige Jürgen Fineke bestellt (-1522). Johann Bullenberg aus Wismar war von 1523-35 Kammerschreiber bzw. Rentmeister Albrechts VII. Er war der erste bürgerliche Rentmeister. Um die Mitte des Jahrhunderts begegnet uns noch ein adliger Rentmeister (Sigmund von Esfeld); alle folgenden Scheinen Bürgerliche gewesen zu sein.

Die Art der Besoldung der Rentmeister war dieselbe wie bei den Hofräten. Auch waren die Rentmeister verschiedentlich zugleich Hofräte (sicher Trutmann, Fineke, Esfeld).

Wie vorher schon der Kanzler Tigeler (im Jahre 1492), so hatte jetzt der Rentmeister den Herzögen über alle Geldeinnahmen und Ausgaben Rechenschaft abzulegen. Die Hofordnung von 1504 43 ) bestimmte es ausdrücklich, doch finden sich einige Hinweise, daß es bereits etwa 10 Jahre vorher der Fall war.


41) Mit dem Titel Rentmeister ist er mir am 10. XI. 1495 (S. A. Reg.), als Geldeinnehmer am 23. VII. 1493 (S. A. Steuerakten G. A. I A) zuerst begegnet.
42) Als "Rentschreiber" tritt er zuerst 1510 auf, doch empfängt er bereits 1506 Geld und gibt es aus. Die Ämter des Rentmeisters und des Kammerschreibers wurden in der Mark Brandenburg 1473 eingeführt, der Rentmeister war aber dort dem Kammerschreiber unterstellt. Schapper S. 98/119.
43) Diese wichtigste der mecklenburgischen Hofordnungen hat Kern, Deutsche Hofordnungen des 16. und 17. Jahrhunderts 1905 (Kern), übersehen, da sie unter den Hausverträgen liegt. Die älteste mecklenburgische Hofordnung ist sehr wahrscheinlich 1493 aufgerichtet worden, der "Hausvertrag" vom 1. I. 1494 nimmt ausdrücklich Bezug darauf und stellt eine Ergänzung der eigentlichen Hofordnung dar. Auch der Hausvertrag von 1518 hat vielfach den Charakter einer Hofordnung.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 105 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Die Abrechnung mit den einzelnen Vogteien erfolgte in den 80er Jahren des 15. Jahrhunderts noch in der alten Weise, daß die Vögte den Herzögen unmittelbar Rechnung ablegten. Seit Anfang der 90er Jahre wird vermutlich die Abrechnung durch den Kanzler Tigeler vorgenommen sein. Nach der Einführung des Amtes des Rentmeisters wird diesem die Abnahme der Rechnung von den Vögten obgelegen haben, wie der Hausvertrag von 1518 ausdrücklich festsetzte 44 ). Auch setzt die Rechenschaftsablegung des Rentmeisters vor den Herzögen (1504 und früher) dies voraus. In den 80er Jahren bahnte sich die jährliche Abrechnung der Vögte an, wenn sich auch daneben noch Fälle finden, daß über eine Reihe von Jahren abgerechnet wird. Um die Jahrhundertwende wird die jährliche Abrechnung allgemein durchgeführt sein. Um diese Zeit wurde es auch üblich, über die Naturalhebungen der Vogteien abzurechnen 45 ). Dagegen ließ sich das alte System der Anweisungen auf einzelne Ämter und des Abhebens von kleinen Summen durch die Herzöge nicht so schnell beseitigen. Der "Hausvertrag" von 1494 und die Hofordnung von 1504 untersagten ausdrücklich diesen Mißbrauch. Noch bis ins 17. Jahrhundert hinein erhielten z. T. fürstliche Beamte ihre Besoldung nicht aus der Zentralkasse, sondern aus den Ämtern 46 ).

An Stelle der bis zu Heinrich des Dicken Tod üblichen Dezentralisation der Verwaltung ist die Zentralisation getreten. Diese Neuordnung der Verwaltung ist vor allem eine Neuordnung der Kanzlei. Erst seit Magnus Regierung erhält sie die überragende Stellung und wird zu dem Zentralorgan, durch das die meisten Angelegenheiten des Landes geregelt werden. Statt der alten lehnsrechtlichen Hofbeamten (Truchseß, Marschall, Kammermeister, Küchenmeister), aus denen noch bis gegen Mitte des 15. Jahrhunderts 47 ) der Fürst die führende Persönlichkeit seines Hofes nahm, ist nun der Kanzler der leitende Staatsbeamte, gleichsam der Ministerpräsident, geworden 48 ). Durch die neue


44) Sachsse S. 202.
45) Ihde S.100.
46) Ihde S. 97.
47) Über Matthias Axkow, Otto Viereck, Henning Warburg vgl. S. 110.
48) Im Gegensatz zu den brandenburgischen Verhältnissen unter dem Kanzler Sesselmann (1445-83) (Levinski, Die brdbg. Kanzlei und das Urkundenwesen während der Regierung der beiden ersten Hohenzoll. Markgrafen 1411-70, Straßburger Diss. 1893 S. 54/60; Priebatsch, Die brandenbg. Kanzlei im Mittelalter, Archivalische Zeitschrift N. F. 9. Bd. 1900 S. 13/15) sind die mecklenburgischen Kanzler von Tigeler - Caspar von Schöneich nach wie vor zugleich Leiter der Kanzlei gewesen. Die meisten Konzepte sind von ihnen selbst und nicht von Sekretären entworfen.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 106 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

zentralistische Verwaltungsorganisation, durch die vielen Streitigkeiten mit Mitgliedern der Stände um die Aufrichtung der Landeshoheit, durch die viel lebhafter werdenden Beziehungen zum Reich, durch die Einrichtung des Reichskammergerichts, durch die Rezeption des römischen Rechtes und durch die Gründung des ordentlichen Hof- und Landgerichts wurden Aufgabe und Arbeitslast der Kanzlei jetzt sehr gesteigert. insbesondere trat auch an Stelle der bislang überwiegend mündlich geführten Verhandlungen das schriftliche Verfahren. Die notwendige Folge war eine Vermehrung des Kanzleipersonals und vor allem (1493) die Berufung eines Rechtsgelehrten an die Spitze der Kanzlei, des Dr. der kaiserlichen Rechte Anthonius Grunwald, von dem auch eine bessere Organisation der Kanzlei nach brandenburgischem Muster durch Aufrichtung einer besonderen Kanzleiordnung (1493) geschaffen wurde. Die Anfänge einer allerdings noch nicht streng durchgeführten Geschäftsteilung zeigen sch bereits in den 80er Jahren, bis im Jahre 1493 für das Finanz-, Rechnungs- und Reisterwesen ein besonderer Rentmeister berufen wurde.

So gipfelte die Neuordnung der Finanzverwaltung vor allem im Rentmeisteramt. Die Amtsleute, Vögte und Küchenmeister der Ämter, die Vögte und Zöllner in den Städten sowie die Hofdiener waren nach den Rentmeisterbestallungen (1. erhaltene von 1546) dem Rentmeister unterstellt. Er hatte sie zu kontrollieren und von ihnen Rechenschaft abzunehmen. Zu Seiner Unterstützung wurden von den Herzögen Hofräte (z. B. der Hofmarschall) oder andere Hof- oder Lokalbeamte als "Beisitzer" verordnet, so daß die Abrechnung vor einer Kommission erfolgte, an deren Spitze der Rentmeister stand. Wenn im 16. Jahrhundert die Abrechnung nach den Ordnungen und Bestallungen auch in Gegenwart des Herzogs erfolgen konnte, so Scheint dies in Praxis immer weniger vorgekommen zu sin. Der Rentmeister hatte Mißstände dem Herzog zur Anzeige zu bringen; war der Herzog außer Landes, so hatte der Rentmeister selbständige Verordnungsgewalt und die Strafgewalt über Beamte, die sich Unregelmäßigkeiten hatten zuschulden kommen lassen. Ferner hatte er auf ordentliche Amtshaushaltung, -Verwaltung und -wirtschaft zu achten. Schließlich war der Rentmeister noch für die pünktliche Zinszahlung und Kapitalkündigung, insbesondere bei fürstlichen Schulden, verantwortlich, Soweit dies nicht seit 1555 Sache der Stände war. Ein Voranschlag wurde anscheinend zuerst in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts z. Zt. des Rentmeisters Andreas Meyer gemacht. Etwa um diese Zeit dürfte auch die Renterei von der Kanzlei abgetrennt

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 107 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

sein 49 ). Dagegen stellte sie in der ersten Hälfte des Jahrhunderte noch keine selbständige Behörde dar, sondern gehörte zur Kanzlei 50 ).

Wir haben es hier also mit den Anfängen der Behördenorganisation, den Anfängen des Beamtenstaates, zu tun. Der Rentmeister Klaus Trutmann war einer der ersten mecklenburgischen Beamten in modernem Sinne; er war auch einer der ersten Laien in der Kanzlei, denn die Kanzler, Sekretäre und Schreiber waren bislang Geistliche gewesen 51 ). Erst vom 16. Jahrhundert ab begegnen uns Laien als Kanzler. Der erste war Caspar von Schöneich aus Sorau i. d. Niederlausitz (1507-47). Sein Vorgänger und Oheim Brand von Schöneich (1502-1507) war noch Geistlicher. Die tieferen Gründe für diese Wandlung liegen in der zunehmenden Entklerikalisierung der Weltanschauung 52 ).

Im engen Zusammenhang mit dieser Zentralisation der Landesverwaltung steht auch die Tatsache, daß bereits unter Magnus' Regierung eine gewisse Tendenz zu festen Residenzen sich ausbildete; denn "ein wandernder Hof kann nicht viele Rechnungssachen mit sich Schleppen" 53 ). Noch Heinrich der Dicke "zog unstät von einer seiner Vogteien in die andere" 54 ). Unter Magnus Regierung begegnen uns bereits Kanzleien zu Schwerin (1487) und Güstrow (1496). Die Hofordnung von 1504, die zwar erst nach Magnus' Tod (1503) aufgerichtet ist, aber sicher auch Verhältnisse unter seiner Regierung wiederspiegelt, enthält folgende wichtige Bestimmungen: "Die furstyn und frochen (= Fräulein = Prinzessinnen) Sollen zusampt irn juncfrawen bleiben am fürstlichen hoffe oder an enden, dahyn [sie] von beiden fursten verordent sein und also on beider furstn wissen und verlob auf keyn ampt oder schloß zihen. .... Jtem die fursten wollen an dreyen enden, do sie steten hoff zu halten vor daß best angesehen haben, nemlich zu Swerin, Gustrow und zu Stargard, rauchfueter zu quiten oder hufschlag zu geben nicht verpflicht seyn . . . . . ."


49) S. A., Besoldung und Bestallung der Rentmeister, desgl. der Hof- und Staatsdiener überhaupt, Besoldungsregister 1587.
50) Trutmann war übrigens 1501/02 zugleich Vizekanzler, als nach Grunwalds Tod das Kanzleramt eine Zeitlang unbesetzt war.
51) Über eine Ausnahme im 14. Jahrhundert vgl. Rudloff S. 21. Über Trutmann vgl. noch S. 118/19. Der erste Laie in der Kanzlei Ende des 15. Jahrhunderts war wahrscheinlich der Schreiber Kersten Berskamp (1491); 1495 war er Küchenmeister in Schwerin.
52) In der Mark Brandenburg setzt diese Bewegung beträchtlich früher ein. Priebatsch, Brdbg. Kanzlei S. 7/8, 12/15; Spangenberg, Hof- und Zentralverwaltung S. 124.
53) Schulte, Fürstentum und Einheitsstaat in der deutschen Geschichte 1921 S. 14.
54) Witte I. S. 272.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 108 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Freilich, bis sich die Tendenz endgültig durchsetzte, dauerte es noch geraume Zeit: Wenn auch die Fürsten im 16. Jahrhundert längere Zeit im Jahr in den genannten Schlössern verweilten, so wanderten sie doch für ihre Person und mit dem Hof bis hoch in das Jahrhundert hinauf. Besonders ist dies der Fall bei Ulrich von Güstrow (1555-1603). Doch war es für die allgemeine Landesverwaltung von geringerer Bedeutung, da die zentrale Behörde - Kanzlei einschließlich Renterei - schon früh (Seit Wende des 15. zum 16. Jahrhundert) sich in der Hauptsache an festen Plätzen (Schwerin und Güstrow) befand. Auch das Ende der 90er Jahre des 15. Jahrhunderts gegründete ordentliche Land- und Hofgericht, in dem unter dem Vorsitz der Herzöge von den Land- und Hofräten Rechtshändel und alle möglichen, die Fürsten, das Land und die Leute betreffenden Angelegenheiten in der Regel zweimal jährlich zu bestimmten Terminen (Michaelis und acht Tage nach Trium Regum) behandelt wurden, wanderte nicht mit dem Hofe. In den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts schwankte der Tagungsort dieser ordentlichen "gemeinen offenen Rechtstage" (auch "Umschläge" und inkorrekt "Landtage" genannt) zwischen Güstrow, Wismar, Rostock, Schwerin und Neubrandenburg 55 ). Später fanden sie regelmäßig zu Wismar und Güstrow statt 56 ).

Auch die ersten bescheidenen Ansätze zu einer neuzeitlichen Finanzordnung des Staates, nämlich zur Scheidung des Landesvermögens von dem landesherrlichen Vermögen, begegnen uns unter Magnus' Regierung. Es finden sich jetzt bereits die Anfänge einer fürstlichen Privatschatulle. Der "Hausvertrag" von 1494 bestimmte nämlich, daß jeder der beiden Fürsten von den Schloß- (Vogtei-) Schreiber zu Schwerin vierteljährlich 50 rheinischen Gulden, "ob uns zu offergeld oder sust zu massen wes


55) Rostocker Stadtarchiv (Ro. A.), Korrespondenz mit den Landesherren, Accise, Kämmerei-, Schoßrechnungen. - über das Hofgericht im 14. Jahrhundert S. Rudloff S. 85/88; Lisch, Jb. 11 S. 490/92. Auch im 15. Jahrhundert hören mir von einem sitzenden Gericht oder Hofgericht (z. B. Lisch, Urkundl. Geschichte des Geschlechtes von Oertzen 1847 II 2 S. 50 (1424), verschiedentlich 1491 ff.: S. A. Reg. 28., 29. X" 8. XI. 1491; Lisch, Urk. Sammlung zur Geschichte des Geschlechts von Maltzan 1842 (Lisch, Maltzan) IV. S. 209/10; Ro. A. Urk. Verträge 6. XII. 1492; S. A. Stadtakten Rostock, Landgüter [Differentiae, Vergleiche] 1494 ff.), aber weder in diesen Nachrichten, noch in den Registern des S. A. und Ro. A. fand sich ein Anhalt, daß dieses Hofgericht regelmäßig und an bestimmten Terminen abgehalten wurde. - Das Gerichtswesen des 15./16. Jahrhunderts bedarf im übrigen noch eingebender Untersuchungen.
56) Hegel, Geschichte der mecklenburgischen Landstände bis 1555, 1856, S. 144. Dieses Hof- und Landgericht hat sich bis ins 19. Jahrhundert hinein gehalten. Jb. 14 S. 115.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 109 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

behuf und notorftich weren", also für seine täglichen, privatesten Bedürfnisse (Trinkgelder, Opfergelder, Spielgelder) gleichsam als Taschengeld erhalten sollte. Außerdem wird in den Rentereiregistern von 1480 ab einige Male Herzog Magnus "eigen geld" erwähnt. In der Hofordnung von 1504 wurde die Summe, welche die beiden Fürsten "zu teglicher notdorft und kurtzweyle" empfangen sollten, auf 400 rh. G. jährlich erhöht. Herzog Balthasars Gemahlin erhielt jährlich 200 rh. G.

Auch sonst tritt in dieser Zeit eine strengere Scheidung von Hofhaushalt und Landeshaushalt zutage, indem in Mecklenburg zuerst seit Anfang der 90er Jahre des 15. Jahrhunderts ein Hofmarschall (auch Hofmeister oder Marschall genannt) als reiner Hofbeamter, der nur den Fürsten verpflichtet ist, auftritt. Er übte im Namen des Herzogs die Leitung und Aufsicht über den Hofhaushalt und über das Hofgesinde aus, war Führer der Hofjunker, für die Innehaltung der Hofordnung und für den "Burgfrieden" verantwortlich, hatte auf Zucht, Ordnung und Sparsamkeit zu sehen und wöchentlich über die Ausgaben des Hofhaushaltes abzurechnen. Die Hofmarschälle waren zugleich Hofräte, und zwar naturgemäß stets "tägliche" oder "wesentliche", d. h. dauernd am Hofe befindlich. Sie hatten dieselbe Funktion und Art der Besoldung wie die Hofräte 57 ). Der erste mecklenburgische Hofmarschall war Jörg Biswang, er begegnet uns mit Sicherheit zuerst am 8. Oktober 1493 58 ), seine Heimat war Franken oder Schwaben, und noch 1488 stand er im Dienste Johann Ciceros von Brandenburg 59 ). Der zweite mecklenburgische Hofmarschall war von 1502 ab Aschwin von Schwichel, aus braunschweigischem Geschlecht. Hernach - wahrscheinlich seit 1509 - begegnet er uns als Hofmeister der Herzogin 60 ). Auch diese Hofmeister der fürstlichen Gattinnen waren zugleich Hofräte. Joachim Hahn (1509-13) war der erste einheimische Hofmarschall 61 ). Im


57) S. A. Regesten; Familien-Urkunden; Bestallung der Schwerinschen Hofmarschälle und Untermarschälle, dsgl. der Hofmeister bei den fürstlichen Gemahlinnen; Hofordnung von 1504: Hausvertrag 1518 bei Sachsse S. 202/03; Kern S. 185 ff. fVgl. noch S. 115.
58) S. A. Reg. Doch erscheint bereits vom 10. XI. 1490 ab in den Rentereiregistern einige Male ein Marschall. In Brandenburg wird ein Hofmeister zuerst 1317 erwähnt. Spangenberg Hof- und Zentralverwaltung S. 55.
59) Priebatsch, Politische Korrespondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1893 III. S. 426 Anm.; Jb. 64 S. 198; S. A. Fam.-Urk. Schönfeld. Bereits die Hofordnung von 1504 erwähnt einen Hofmeister der Herzogin "auß anzcal de junckern".
60) S. A. Fam.-Urk. Schwichel, Gutsurk. Beseritz.
61) Lisch, Geschichte und Urkunden des Geschlechtes Hahn 1844 III. S. 138. Sein Vorgänger scheint Rudolf von Bünow gewesen zu sein.
(  ...  )
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 110 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

16. Jahrhundert finden sich fremde und einheimische Hofmarschälle und Hofmeister in bunter Reihe.

Die alten lehnsrechtlichen Marschälle (Erbmarschälle des Landes zu Mecklenburg, Wenden, Stargard), später (Erb-) Landmarschälle genannt, welche ursprünglich neben der militärischen Funktion die beim Hofmarschall genannten Aufgaben des Hofdienstes mit erfüllt hatten 62 ) waren bereits in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts vom Hofe zurückgetreten. Ihre Hoffunktionen sind in dieser Zeit wahrscheinlich durch andere leitende Hofbeamte, z. B. durch den Schweriner Amtmann und Vogt Matthias Axekow, durch den Kammermeister Otto Viereck (am Hofe Katharinas und Heinrichs IV.) und am Stargarder Hof durch den Küchenmeister Henning Warburg mitverwaltet worden. Die alten Erbmarschälle bleiben aber nach wie vor die Führer, Leiter und Bannerträger des Aufgebots der Lehnsmannen, bis dieses im 16. Jahrhundert endgültig zu Grabe getragen wurde. Dagegen erscheinen sie fernerhin noch bei Huldigungen und vor allem als Wortführer der Stände auf den Landtagen. So wurden sie im Laufe der Zeit zu reinen Landmarschällen, also in der Hauptsache zu Organen der Landstände. Ihre wie der Landräte alte persönliche Verpflichtung gegen den Fürsten verblaßte immer mehr. Sie wurde zwar noch im Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich von 1755 hervorgehoben, war aber tatsächlich nur formeller Art 63 ).

Als Gehülfen der Erbmarschälle bzw. der Hofmarschälle begegnen uns im 14. und im 16. Jahrhundert Futter- oder Untermarschälle 64 ).

Zu der Neuordnung der Finanz-, Landes- und Hofverwaltung trat auch unter Magnus' Regierungszeit die grundsätzliche Neuordnung der Regierung des Landes.


(  ...  ) Lisch, Maltzan IV. S. 375 (1507).
62) Vgl. Rudloff S. 16/20. Doch kann ich ihm darin nicht zustimmen, daß die Funktion des "Erbmarschalls" seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts gegenüber der des "Marschalls" ein "neues Amt" darstellt. Dasselbe Amt ist vielmehr erblich geworden. Es hat in Mecklenburg, wie bereits Hegel (Mecklbg. Landstände S. 22) richtig erkannt hat, nie Ministeriale gegeben; Seit der Kolonisation herrschte ununterbrochen das Lehnswesen. Vgl. Anm. 69. Der Erbmarschall bzw. sein Amt ist als hogeste marschalk, overste marschalkampt (vgl. Küster, Jb. 74 S. 122) im Gegensatz zum Unter- oder Futtermarschall bezeichnet worden. Die Repräsentation bei Hofe hat der Marschall als Inhaber eines Hofamtes sicher genau so wie der Erbmarschall gehabt, vgl. nostre curie marschalki (1345) Rudloff S. 16!
63) Sachsse S. 491.
64) M. U.-B. 11 107, 13 673; Note 57. Im 14. Jahrhundert waren sie Lehnsleute, im 16. Jahrhundert bürgerliche Beamte.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 111 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Bislang hatten die mecklenburgischen Fürsten die laufenden Regierungsgeschäfte mehr oder minder unvollkommen und unregelmäßig selbst oder unter Zuziehung ihrer "Räte" erledigt. Es waren dies zum geringeren Teil solche Personen, die in der Regel dauernd am Hofe waren und sich dort eines besonderen Ansehens erfreuten, wie der eine und der andere der lehnsrechtlichen Hofbeamten (Küchenmeister, Kammermeister, Marschall) oder Angehörige der Kanzlei (Kanzler, Protonotare, gelegentlich auch Sekretäre und Schreiber) 65 ). Zum größten Teil aber waren es angesehene und einflußreiche Mitglieder der Stände, die gelegentlich und nach Bedarf auf kürzere oder längere Zeit von ihren Wohnsitzen an den Hof berufen wurden. Neben den Lehnsmannen, die zu allen Zeiten in Mecklenburg den meisten Einfluß hatten, spielten die seit den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts dauernd zu den ständischen Versammlungen hinzugezogenen Prälaten im 15. Jahrhundert eine bedeutende Rolle als Räte. Gelegentlich, und zwar schon früh (seit dem 13. Jahrhundert), begegnen uns auch Ratsherrn von Rostock und Wismar unter den Räten. Freilich waren sie infolge der mehr oder minder stark an Autonomie angrenzenden besonderen Stellung der beiden Seestädte wie den Ständen, so auch den Räten nicht eingeordnet, sondern nur beigeordnet.

Eine feste Organisation dieses Rates nach Art eines geschlossenen Kollegiums oder einer Behörde gab es entgegen Radloffs Behauptung nicht 66 ). Es wurden außer den dauernd am Hofe befindlichen Räten in der Regel nicht alle Räte berufen, Sondern nur eine beliebige Zahl von denen, die in der Nähe des Ortes wohnten, wo der Fürst gerade Hof hielt, oder Solche, die er für besonders geeignet zur Beratung der betreffenden Fälle hielt. Diese von ihren Wohnsitzen herbeigerufenen Räte erhielten kein Gehalt, sondern nur Verpflegung ("Futter und Mahl") für sich und ihre Knechte und Pferde, solange sie am Hofe weilten. Es war ihre lehnsrechtliche, durch einen besonderen Ratseid noch stärker betonte Ehrenpflicht, ihren Lehnsherren Rat zu erteilen. Gleichzeitig waren sie aber auch die maßgebenden Führer und Vertreter der Stände. Von Anfang an bis über die Mitte des 16. Jahrhunderts hinaus nahmen die Räte in Mecklenburg diese Zwitterstellung als "Mitgliedmaßen gemeiner Landschaft und fürstliche Verwandte" (1552) 67 ) ein. Als Anerkennung für langjährige treue Ratsdienste


65) Für das 13./14. Jahrhundert vgl. Rudloff S. 26 und 30.
66) S. 31. Rat ist identisch mit Räte! Im übrigen vgl. Anm. 69.
67) Hegel S. 138. Derselben Ansicht ist für die Mark Brandenburg - wenigstens hinsichtlich der "Landräte" - auch Spangenberg,
(  ...  )
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 112 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

erhielten sie vielfach von den Fürsten weltliche oder geistliche Lehen. Auch die dauernd am Hofe befindlichen Räte empfingen keine Besoldung, sondern freie Verpflegung, Wohnung und Kleidung am Hofe, außerdem bei Antritt ihres Dienstes Lehngüter oder Pfründen oder eine Antwartschaft darauf. Die Kanzleibeamten werden überdies noch gewisse Sporteln erhalten haben. Es hat in Mecklenburg bis gegen Ausgang des Mittelalters entgegen anderweitigen Annahmen und Behauptungen 68 ) nur einen gleichförmigen, in fester Form durch besonderen Ratseid und durch die Ernennung zu consiliariis in den letzten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts begründeten, in seinen Keimen aber weiter zurückreichenden "Rat" gegeben 69 ). Die "Räte" des Mittelalters sind, wie von den Verhältnissen des 15./16. Jahrhunderts aus angestellte Rückschlüsse und Rückblicke ergeben, im wesentlichen - wenn wir von der in der Neuzeit immer Schwächer werdenden persönlichen Verpflichtung gegen den Fürsten absehen 70 ) - identisch mit den Landräten der Neuzeit und ihre unmittelbaren Vorläufer 71 ). Von einem bis ins 13. und 14. Jahrhundert zurückreichenden grund-


(  ...  ) Hof- und Zentralverwaltung S. 69 und Vom Lehnsstaat zum Ständestaat S. 64. Hartungs Einwände dagegen: Deutsche Verfassungsgeschichte vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart 1914 (Hartung) S. 26, halte ich, wenigstens was Mecklenburg betrifft, nicht für zutreffend.
68) Spangenberg, Hof- und Zentralverwaltung S. 88, 112; Radloff S. 32. Wenn die Räte gelegentlich als secretarii und einmal als sworen rad bezeichnet werden, so rührt das daher, daß sie nach dem ältesten erhaltenen Landratseid (1577, S. A., Landratsakten) sich eidlich verpflichteten, die ihnen anvertrauten "Geheimnisse" niemand zu offenbaren. Bei der Urk. von 1369 (M. U.-B. 9875) haben wir es mit der im Mittelalter beliebten Häufung von Ausdrücken für einen Begriff zu tun.
69) In Mecklenburg erfolgte ebensowenig wie in andern ostdeutschen Territorien gegen Ende des 13. Jahrhunderts ein Bruch mit der Vergangenheit durch Einführung des neuen Beamtentums der Ministerialen und durch Einführung eines "neuen", sich aus Ministerialen zusammensetzenden Rates, während dieses in Brandenburg der Fall war, Spangenberg, Hof- und Zentralverwaltung S. 20/32. Ministeriale hat es in Mecklenburg, wie gesagt, nie gegeben. Vgl. Anm. 62. Im übrigen begegnen uns in den Zeugenreihen der Urk. der letzten Jahrzehnte des 13. Jahrhunderte vielfach dieselben Lehnsmannen als consiliarii, die in den vorangehenden Jahrzehnten als vasalli, milites usw. als Zeugen auftreten. - Besser als die leicht irreführende kollektive Bezeichnung "Rat" ist der identische Begriff "Räte".
70) Vgl. Hegel S. 138/39.
71) Beide haben nie ein Kollegium gebildet, nie Besoldung, sondern nur Naturalverpflegung bzw. Diäten für die Zeit ihres Ratsdienstes erhalten, beide sind lebenslänglich bestellt worden.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 113 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

sätzlichen Unterschied zwischen den am Hofe lebenden und den auf dem Lande oder in den Städten ansässigen Räten, wie es Spangenberg für Brandenburg annimmt 72 ), ist in Mecklenburg im Mittelalter nichts zu spüren; selbst bis weit in die Neuzeit hinein sind die Grenzen verschiedentlich noch flüssig gewesen 73 ). Hegels für das 13. Jahrhundert geprägter Satz: "Hofdienst und Lehndienst bildeten noch keinen Gegensatz" 74 ) gilt in Mecklenburg bis in den Anfang der Neuzeit hinein. Die Räte, welche jahrelang am Hofe weilten, traten beim Eintritt in den Ruhestand infolge ihrer Lehen oder Pfründen in die Reihe der übrigen Räte ein.

An der Wende des 15. zum 16. Jahrhundert begegnen uns zum ersten Male wirkliche Hofräte 75 ) in Mecklenburg, d. h. solche Räte, die als Berufsbeamte lediglich dem Fürsten verpflichtet waren. Es waren dies vor allem Gelehrte, Juristen.

In gewisser Hinsicht wenigstens waren schon früher die Kanzleibeamten und die Prälaten infolge ihrer höheren, die der anderen Räte weit überragenden Bildung gelehrte Räte, aber sie waren noch in der Regel Theologen. Wenn einmal ein Rechtsgelehrter (Nikolaus Reventlow, Licentiatus in decretis bzw. in iure canonico, magister) als Kanzler (1417-28) auftritt, so ist dies noch eine Ausnahme. Jedenfalls ist von einer Tendenz der mecklenburgischen Fürsten, Juristen zu Leitern der Kanzlei zu bestellen, bis gegen Ende des 15. Jahrhunderts nichts zu spüren. Der erste, der die Reihe der juristisch gebildeten mecklenburgischen Kanzler eröffnete, war Dr. Anthonius Grunwald. Die Übergangszeit zeigt sich darin, daß er und sein Nachfolger Brand von Schöneich noch von Haus aus Geistliche waren. Beide wurden nämlich noch mit geistlichen Lehen (Pfründen) ausgestattet. Obwohl es Juristen besonders infolge der Gründung der Universität Rostock (1419) im


72) Hof- und Zentralverwaltung S. 88, 112.
73) Der Kanzler Kaspar von Schöneich unterschrieb die Union von 1523! Sachsse S. 216. Hofmarschälle oder Hofräte sind im 16./17. Jahrhundert vorher oder nachher Landräte, z. B. Joachim Hahn, Lisch, Geschichte u. Urk. d. Geschlechtes Hahn III. S. 127 ff., Joachim Bassewitz und Vicke von Bülow, S. A., Bestallung und Besoldung der Hofräte, Bestallung und Besoldung der Hof- und Staatsdiener überhaupt 1603.
74) S. 57.
75) Die Bezeichnung "hausrethe", identisch mit "Hofräten", ist mir zuerst in der Hofordnung von 1504 begegnet. Die Bezeichnung Landräte 1484/85 in der Form consiliarii terrarum et dominorum bzw. consiliarii terre Mekelnborch als gleichzeitige Dorsalregistraturen von Hand des Rost. Stadtschreibers auf Urk. Nr. 4 u. 5 bei Hegel S. 156/57. Bei Nr. 5 ist das Jahr falsch angegeben, es muß 1484 heißen, da Weihnachtsstil.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 114 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Lande gab, wurden sie vor Magnus' Zeit nur sehr selten zu Regierungshandlungen herangezogen 76 ).

Zum ersten Male sind unter Magnus' Regierung Professoren der Universität Rostock neben den Landständen 1481/82 in Magnus' Streit mit der Stadt Rostock um die Zahlung der Bede als Schiedsrichter herangezogen worden 77 ). Hernach begegnen uns verschiedentlich neben den Landräten und Mitgliedern der Stände bei Streitigkeiten der Herzöge mit Rostock, mit Adligen, mit benachbarten Fürsten usw. fremde, insbesondere aber einheimische Rechtsgelehrte. Es waren entweder Professoren der Rostocker Universität oder rechtsgelehrte Prälaten 78 ). Von dieser anfangs wohl nur gelegentlichen und noch ungeregelten Inanspruchnahme der Juristen bis zur persönlichen, regelrechten und dauernden Verpflichtung des einen oder des andern von ihnen durch besondere Bestallung zum Hofrat auf Grund von Dienstvertrag, Eidesleistung und Reversausstellung war nur ein Schritt. Der erste mecklenburgische Hofrat ist wahrscheinlich der aus Lübeck stammende Rostocker Professor Dr. und Lizentiat in beiden Rechten und Magister Liborius Meyer gewesen, der in den 90er Jahren verschiedentlich im Dienste der Herzöge auftritt 79 ). Bei Beginn des 16. Jahrhunderts spielten als Hofräte Kaspar von Schöneich, der spätere Kanzler, und der Rostocker Professor Nikolaus Marschalk eine bedeutende Rolle. Gleichzeitig und in der Folgezeit begegnet noch eine ganze Reihe von meist fremden gelehrten bürgerlichen Hofräten. Daneben treten aber bereits adlige nicht gelehrte Hofräte auf 80 ). Der erste von ihnen scheint Sigismund von Witzleben (1507 ff.) gewesen zu sein; er war wohl wie Marschalk Thüringer. Neben solchen fremden adligen Hofräten kommen aber seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts immer mehr einheimische Adlige als Hofräte vor.


76) Ein Beispiel (1443) in Rostocker wöchentl. Nachr. und Anz. 1756 S. 25/27.
77) Ro. A., Korresp. mit Wismar; Hegel S. 151. Wahrscheinlich stammt auch das lat. Rechtsgutachten von [1482] (S. A., Stadtakten Rostock, Onera) über die Frage, ob Rostock verpflichtet ist, Steuern zu zahlen, von einem Angehörigen der Universität.
78) S. z. B. Lisch, Maltzan IV. S. 218.
79) 1490 wird er als cancellarius (Jb. 61 S. 70), 1493 als secretarius (S. A. Reg. 29. IX. 1493), 1492-97 verschiedentlich als "Rat" bezeichnet, d. h. er versah Hofratsdienste in der Kanzlei. Frühling bis Herbst 1493 war er Rektor der Univ., wie vorher 1478 und 86 und nachher 1497, Hofmeister, Die Matrikel der Universität Rostock 1889 I. S. 204b. 207, 245, 266, 286; Krabbe, Die Universität Rostock im 15. und 16. Jahrhundert, 1854, S. 241/44.
80) S. A., Bestallung und Besoldung der Schwerinschen bzw. Güstrowschen Hofräte, Kanzler, Rentmeister.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 115 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Alle diese Hofräte - gleichgültig ob Gelehrte oder Adlige - zerfielen in zwei Unterabteilungen, in "wesentliche" oder "tägliche" Hofräte, d. h. solche, die dauernd am Hofe waren, und in Hofräte "von Haus aus", die auf Anforderung der Herzöge von ihren innerhalb oder außerhalb Mecklenburgs gelegenen Wohnsitzen vertragsgemäß teils so oft es die Herzöge verlangten, teils nur einige wenige Male im Jahr an den Hof eilten, um ihrer Ratspflicht zu genügen. Teilweise haben auch die Hofräte von Haus aus ihre Gutachten nur schriftlich dem Hof übermittelt.

Die Art der Bestallung und Besoldung war für alle diese und auch für die übrigen Hofräte (Kanzler, Sekretäre, Hofmarschälle, Hofmeister, Rentmeister) in der Hauptsache dieselbe. Sie wurden auf Grund von gegenseitig halbjährlich kündbaren Dienstverträgen unter Reversausstellung und Eidesleistung auf ein oder mehrere Jahre angestellt. Verschiedentlich wurden sie auch bei besonderer Bewährung nach einer Reihe von Dienstjahren zu lebenslänglichen Diensten verpflichtet. Als Besoldung erhielten sie ein festes, meist recht hohes Jahresgehalt, "Sold, "Jahrgeld", "Dienstgeld", "Dienstsold" genannt. Daneben bekamen sie freie Wohnung und Verpflegung für sich, ihre Knechte und Pferde, wenn sie am Hofe waren, sonst wurden ihnen Naturalien geliefert; auf Reisen standen ihnen Zehrungskosten zu. Im 15. und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zeigen sich aber noch Übergangserscheinungen und Anklänge an die Entlohnung der alten "Räte". Es erhielten nämlich alle Arten von Hofräten für ihre geleisteten und noch zu leistenden Dienste häufig weltliche oder geistliche Lehngüter oder die Anwartschaft darauf, einzelne Nutzungen, ja sogar ganze Ämter als "Gnadenlehen" auf Lebenszeit, z. T. sogar erblich. Hatten sie diese Güter in Besitz genommen, so fielen die Soldzahlungen fort. Aber schon früh, seit dem zweiten Jahrzehnt des Jahrhunderts, tritt eine gewisse Tendenz zutage, die Anrechte auf Güter abzulösen durch Vorbehalt des Rückkaufs, durch höhere Soldzahlungen oder durch Gewährung von beträchtlichen Summen von "Gnadengeldern" oder "Verehrungen". In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts hat sich diese Tendenz im allgemeinen bereits durchgesetzt. Die Herzöge wählten solche, wie gesagt, vielfach fremde und bürgerliche Hofräte, weil sie über eine höhere, den veränderten Zeitverhältnissen entsprechende Bildung verfügten, und um Berater zu haben, die von den Ständen unabhängig waren.

Diese gelehrten und landfremden Hofräte verdrängten allmählich die Landräte vom Hofe und von der Behandlung der laufenden Regierungsgeschäfte. Die Landräte wurden immer mehr auf die Beratung der grundlegenden verfassungsmäßigen

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 116 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Handlungen auf den Landtagen beschränkt. Bereits um 1544 versuchten die Herzöge an Stelle des den Herzögen unbequemen Land- und Hofgerichts, in dem Landräte neben gelehrten Räten als Beisitzer tätig waren, ein lediglich aus Juristen bestehendes Kammergericht einzuführen. Aber dies scheiterte an dem Widerstand der Stände 81 ). Doch wurden die Landräte, wie schon früher die Landmarschälle, im Laufe der Zeit zu bloßen Organen der Landstände.

Bereits durch die Hofordnung von 1504 wurde eine straffere Organisation für die Behandlung der laufenden Regierungsgeschäfte durch die Hofräte eingeführt 82 ). Die dauernd am Hofe befindlichen und die von ihren Wohnsitzen herbeigerufenen Hofräte 83 ) sollten danach täglich zu bestimmten Stunden "an eyne bequeme stedt dor zu verordent" tagen, um alle Angelegenheiten der Herzöge, des Hofes des Landes und der Untertanen "zuvorhoren, zuberatschlagen, zuantworten, beizulegen, zuvortragen und zurichten", ohne daß die Herzöge ständig dabei zugegen zu sein brauchten. Der Hausvertrag von 1518 bestimmte bereits genauer, daß die laufenden Regierungsgeschäfte durch den Kanzler, den Hofmarschall und zwei Hofräte erledigt werden sollten 84 ). Nach der Hof- und Regierungskanzleiordnung von 1537 sollten Kanzler, Hofmarschall, Hofmeister und etliche stets wesentlich am Hofe befindliche Gelehrte täglich zu bestimmten Stunden sich in der Ratsstube versammeln, die Briefe und Händel vorlesen, beratschlagen, sich über einen billigen Bescheid vergleichen und diesen durch einen Sekretär schriftlich verfassen lassen. So entwickelte sich nach und nach ein festes Hofratskollegium, das immer weiter ausgebaut wurde 85 ), bis im 17. Jahrhundert aus der Zahl der Hofräte einige wenige herausgehoben und zu einer übergeordneten, zentralen, kollegialen Landesbehörde ("consilium formatum", "collegium"), dem "Geheimen Rat" 86 ), zusammengefaßt wurden, der späterhin durch das moderne Ministerium ersetzt wurde.


81) Ro. A., Landtagsakten vol. I . Instruktion für den Güstrower Landtag 1544. Vgl. Hegel S. 144/45.
82) Über die Verhältnisse in Brandenburg vgl. Spangenberg, Hof- und Zentralverwaltung S. 35; Schapper S. 183.
83) So möchte ich die nicht ganz klare Stelle der Hofordnung: . . "derhalben wollen die fursten, daß ir furstlichen gnaden hausrethe zur zceit ym hoffe und vom lande bewegten zukommen teglich . . . . bey eynander und zusammen finden und vorfugen," auslegen.
84) Sachsse S. 203.
85) In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts begegnen Kriegsräte und Kammerräte, im 17. Jahrhundert Kanzleiräte usw.
86) Hauptarchiv Neustrelitz, undatierte Geheime Ratsordnung des Herzogs Gustav Adolf von Mecklenburg-Güstrow (1654-95). Einzelne Geheime Räte kommen geraume Zeit früher vor.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 117 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Nicht nur ein Reorganisator der Verwaltung und Regierung war Magnus, sondern auch ein großer Wirtschaftspolitiker.

Wir sehen, daß zum ersten Male ein mecklenburgischer Fürst größere Wirtschafts- und Handelsunternehmungen treibt und die natürlichen wirtschaftlichen Kräfte und die Güter und Produkte seines Landes selbst möglichst vorteilhaft zu verwerten sucht, ja geradezu als Unternehmer und Kaufmann auftritt.

Am Anfange von Magnus' neuzeitlicher Wirtschaftspolitik stehen seine allerdings wenig glücklichen Versuche und Bestrebungen zur Durchführung einer territorialen Grenzzollpolitik. Wohl schon auf Antrieb von Magnus, der wahrscheinlich durch das brandenburgische Vorbild angeregt war, hatte sich Heinrich der Dicke vom Kaiser auf dem Reichstage zu Regensburg 1471 neue Landzölle zu Ribnitz und Grevesmühlen verleihen lassen. Neuartig war an diesen Zöllen, daß sie nicht mehr wie die mittelalterlichen bloße Gebühren waren, sondern bereits moderne Finanzzölle, deren Erträge für öffentliche Zwecke, nämlich für die Befriedung der Landstraßen, bestimmt wurden. Ferner sollte das ganze Zollwesen eine neue Grundlage erhalten, indem an Stelle der vielen Binnenzölle einige Grenzzölle treten sollten. Mit Brandenburg wurden auch wichtige Vereinbarungen getroffen (1473, 1477), wobei z. T. Mecklenburg führend war. Dagegen entstanden hinsichtlich der Ribnitzer und Grevesmühlener Zölle Verwicklungen. Lübeck war vom Kaiser von dem Zoll befreit worden, die Landstraßen wurden von den Kaufleuten fast gemieden, Rostock und Wismar führten ihre Güter über See aus. Auf Betreiben von Magnus erlangte daraufhin Heinrich der Dicke vom Kaiser ein neues Privileg zur Errichtung neuer Wasserzölle zwischen Wismar und der Insel Poel und zwischen Rostock und Warnemünde (1475). Da schlossen Rostock und Wismar zur Abwehr dieser Zölle eine Einung (Vertrag) ab, und so wurde der Wasserzoll bereits 1476 gegen Zahlung einer Geldsumme durch Rostock aufgehoben. Der Streit um den Landzoll zog sich noch längere Zeit hin, wurde mit andern Streitpunkten (Landbede, Strandgut, Jagd) verknüpft und fand wie diese erst durch den Vertrag vom 15. August 1482 seine Erledigung. Rostock wurde gegen Zahlung von Abstandsgeld auch von den neuen Landzöllen befreit 87 ). Auch mit seinen Versuchen, die Elbzölle zu Boizenburg und Dömitz (1490 ff.) und die Land-


87) Ro. A., Zoll, Korresp. mit Wismar; S. A., Verträge mit Rostock; S. A. Reg. 1476. Koppmann, Geschichte der Stadt Rostock, 1887, S. 37/38, 40. Witte I. S. 274/75, 281/82. Spangenberg, Hof- und Zentralverwaltung S. 455/57. - Auch Wismar wird durch Zahlung von Geldsummen sich die Befreiung von den Zöllen erworben haben.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 118 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

zölle an den märkischen Grenzen zu erhöhen bzw. neu zu errichten, scheint Magnus wenig Erfolg gehabt zu haben 88 ).

Schon früh erkannte er das Lohnende des eigenen Getreidehandels, der unabhängig war von Zwischenhändlern und von den Seestädten Rostock und Wismar. Als seine Absichten, über See hinweg Korn nach Holland zu verschicken, an dem Widerstand der Seestädte und der benachbarten Fürsten scheiterten (1486-91) 89 ), erreichte er sein Ziel auf dem Wege der Flußschiffahrt, indem er die Elbe sowohl stromauf- als stromabwärts benutzte. 1492 ließ er in Hamburg Roggen durch seinen Grabower Vogt verkaufen. Derselbe sollte auch 1494 Nachrichten über Kornpreise in andern Handelsstädten einziehen. Da wies ihn der Vogt auf Magdeburg 90 ). Offenbar folgte Magnus diesem Hinweis, denn um 1498 sehen wir größere Handelsunternehmungen in der Magdeburger Gegend im Schwange 91 ). Seinen alten Plan, mit Holland eigenen Kornhandel zu treiben, verlor er nicht aus den Augen. Er erreichte sein Ziel gleichfalls unter Benutzung der Elbe. Bis zu seinem Tode ließ er mindestens ein Jahr ums andere Roggen dorthin schicken im Mindestbetrage von 6-700 G. 92 ).

Auch den Holzreichtum seines Landes suchte er unmittelbar auszubeuten, indem er nach Hamburg und Magdeburg in den Jahren 1495-99 teilweise zusammen mit seinem Rentmeister Klaus Trutmann einen Bretterhandel betrieb, worüber beide sich freilich eine Zeitlang entzweiten 93 ).

Aber nicht nur seine eignen Wirtschaftserzeugnisse suchte er selbst möglichst vorteilhaft außerhalb Landes zu verkaufen, er trieb auch Handel mit Produkten, die er selbst erst auskaufen mußte. Als er merkte, daß es beim Heringshandel etwas zu verdienen gab, da trieb er ihn bis weit nach Mitteldeutschland hinein; selbst bis Erfurt versandte er die Tonnen (1498). Auch hier suchte er durch seine Beauftragten möglichst gute Absatzgebiete zu erkunden. Sein Rentmeister Klaus Trutmann, der den


88) Witte I. S. 297/98.
89) Witte I. S. 296/97. Doch hören wir hernach noch von erneuten Versuchen: Ro. A., Korrespondenz m. d. Landesherrn 24. V. 1492, wo Bemühungen Magnus', durch einen Schiffer Korn westwärts zu verschiffen, erwähnt werden. Noch 1503 wollte er von Rostock aus Roggen nach Amsterdam schicken. Hansische Geschichtsblätter 1885 S. 109.
90) S. A. Rentereiregister. Witte I. S. 297.
91) S. weiter unten und S. 119.
92) S. A., Landesteilungsakten vol. 12 und 18, Rentereiregister 1504/05, wo ungefähr 700 G., die aus Dordrecht für verkauften Roggen kommen, gebucht sind.
93) S. A., Rentereiregister 1495 und 1498, Rentmeisterakten. Magnus hatte gegen Trutmann die Anschuldigung erhoben, daß er sich zu Hamburg Bretter angeeignet hätte, die dem Herzog gehörten.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 119 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

wirtschaftlichen Sinn seines Herrn teilte und durch selbständige Handelsunternehmungen es zu Wohlstand brachte 94 ), wies seinen Herrn auf den gewinnbringenden Speckhandel hin. Herzog Magnus könne in Mecklenburg ein Schiffspfund (280-300 Pfund) Speck wohl für 3 Gulden kaufen; da der Zentner zu Magdeburg 2 Gulden 1/2 Ort (1/8 Gulden) gelte, so sei guter Vorteil dabei 95 ). Das erlöste Geld aber verwandte Magnus, um möglichst billig allerhand Waren einzukaufen. So kaufte er von dem Hamburger Brettergeld vor allem Silber in Leipzig für seine Münze, auch Zeug und andere Waren (1495). Von dem Geld, das in Magdeburg einkam, wollte Trutmann an Ort und Stelle Salpeter einkaufen (1498), und von dem Erlös des Roggens, den Magnus 1503 von Rostock aus nach Amsterdam schicken wollte, sollten daselbst Tuchstoffe und andere Bedarfsgegenstände eingekauft werden 96 ). Wenn wir ferner gelegentlich hören, wie er über Lübeck und Rostock Handelssperren verhängte, Kornausfuhrverbote erließ, für den einheimischen Bierhandel sorgte 97 ), den Städten Rostock und Wismar ein Ausfuhrmonopol für Hopfen und Hanf erteilen wollte (1499) 98 ), so wird klar, daß alle diese Bestrebungen doch mehr bedeuteten als bloße "tastende Versuche" 99 ). Es war etwas grundsätzlich Neues, wir stehen am Wendepunkt einer neuen Zeit. Diese war wirtschaftlich orientiert und suchte die inneren Kräfte des Landes zu heben und dem Staate dienstbar zu machen. Dagegen war die alte landhungrige Zeit in der Hauptsache auf die Vergrößerung und Abrundung des Landes bedacht gewesen. "Auf das Geschlecht der kühnen Kriegshelden des 15. Jahrhunderts


94) S. A., Stadturkunden Schwerin, Stadtverlaßbuch 1424-1597 fol. 49: Testament Trutmanns von 1517. In den 90er Jahren nahm ihm die Stadt Rostock Hopfen, mit dem er Handel betrieben hatte, fort. Darauf befehdete er die Stadt regelrecht und plünderte im Bunde mit herzoglichen Amtsvögten und mecklenburgischen Adligen Dörfer der Rostocker! S. A. Reg. 1498-99; Ro. A., Korresp. m. d. Landesherrn 1496-1503, Accisenrechnungen 1503/04. Lisch, Urkunden und Forschungen zur Geschichte des Geschlechts Behr 1861 IV. S. 166/67. Bezeichnenderweise kennzeichnet der kaiserliche Kammerbote Trutmann als "rittersman". S. A. Reg. 6. VII. 1498. Trutmann ist der erste Handel treibende Adlige in Mecklenburg. Bernd Maltzan auf Wolde und Henning Holstein auf Ankershagen, die in der Sage als berüchtigte Raubritter "de böse Bernd" und "Henning Bradenkirl" fortleben, sind dann die ersten einheimischen Adligen, die einen Getreidehandel im Großen nach auswärts mit Hülfe der Flußschiffahrt betreiben. (1510 bis 1532.) Lisch, Maltzan IV. S. 405/6. S. A" Landtagsakten.
95) S. A., Rentmeisterakten.
96) S. A., Rentereiregister 1495, Rentmeisterakten, Hansische Geschichtsblätter 1885 S. 109.
97) Witte I. S. 296, 298.
98) Ro. A., Korrespondenz mit Wismar.
99) Witte I. S. 298.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 120 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

folgten friedliche Fürsten, die von Krieg und Fehden nichts wissen wollten, sich statt dessen dem Innern Ausbau ihrer Territorien widmeten," sagt Hartung treffend in seiner deutschen Verfassungsgeschichte 100 ).

Bislang hatte das Schwergewicht der Wirtschaft Mecklenburgs in den Vogteien und vor allem in den Städten gelegen, die lauter kleine, streng voneinander abgeschlossene selbständige Wirtschaftskreise darstellten. Jetzt trat der Fürst auf den Plan. Er suchte die Isolierung dieser lokalen Wirtschaftsgebilde aufzulösen und die trennenden Linien zu beseitigen. Von dem Fürsten, also von oben her, sollte die Wirtschaft des ganzen Landes nunmehr nach einheitlichen Gesichtspunkten geleitet und gefördert werden. Die erste mecklenburgische Polizeiordnung stammt bereits aus dem Jahre 1516; sie enthält wichtige und einschneidende Bestimmungen über Wirtschaft, Handel, Verkehr, Verwaltung der Städte und des platten Landes 101 ). Die Städte kamen von der bisherigen Höhe herab und verloren an Bedeutung. An Stelle der reinen Vogtei- und Stadtwirtschaft trat in Mecklenburg seit den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts allmählich die Territorialwirtschaft, ja z. T. bereits die Volkswirtschaft, da sich Magnus' handels- und wirtschaftspolitische Unternehmungen teilweise weit über Mecklenburgs Grenzen hinaus erstreckten 102 ). Manche seiner Bestrebungen stellen geradezu den Anfang des Merkantilismus dar, da sein Hauptziel war, die wirtschaftliche Macht des Staates und nicht der einzelnen Stände zu stärken und im Interesse seiner Finanzen möglichst viel fremdes Geld ins Land hereinzuholen.

Von besonderer Wichtigkeit für die Umwandlung Mecklenburgs aus einem mittelalterlichen, locker, dezentralistisch organisierten Territorium zu einem neuzeitlichen, festgefügten, zentralistisch organisierten Staat sind Magnus' Bestrebungen zur Aufrichtung der Landeshoheit 103 ) gewesen.

Die mächtigen Seestädte Rostock und Wismar, die Geistlichkeit und einige mächtige Adelsgeschlechter, wie die Maltzans und Flotows, hatten unter Ausnutzung der finanziellen Nöte der mecklenburgischen Fürsten viele staatliche Hoheitsrechte auf dem Gebiete des Steuer-, Gerichts-, Kirchen-, Lehns- und Jagdwesens durch Privilegien oder durch Usurpation im Laufe der Zeiten an sich gebracht und sich dadurch mehr oder minder der fürstlichen Gewalt entzogen. Sie waren schon nahezu Staaten im Staate geworden,


100) S. 35.
101) Jb. 57 S. 279 ff.
102) Vgl. dazu von Below, Probleme der Wirtschaftsgeschichte 1920 S. 613/19. Doch möchte ich an dem Begriff Territorialwirtschaft festhalten, da in Mecklenburg das Neue entschieden überwog.
103) Eingehendes hierüber in meiner Dissertation.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 121 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

so daß der Staat ganz auseinanderzubrechen und in verschiedene autonome Gewalten, analog den süddeutschen Reichsstädten, Reichsrittern und -prälaten, sich aufzulösen drohte. Da hat Magnus mit starker Hand alle diese zentrifugalen Kräfte zu bannen und einer starken, zwingenden und übergeordneten Staatsgewalt zu unterwerfen versucht. Den echt mittelalterlichen Prinzipien der Vorrechte, der Selbständigkeit und Selbstherrlichkeit und des schrankenlosen Individualismus setzte er das neue Prinzip der Landeshoheit d. h. den Anspruch auf Durchsetzung einer unveräußerlichen, unteilbaren, obersten, zwingenden, allmächtigen Staatsgewalt entgegen. Dieser Obrigkeitsstaat, vertreten durch den Herrscher von Gottes Gnaden, wollte alle Staatsglieder als Untertanen ohne Rücksicht auf Sonderrechte und Sonderinteressen gleichförmig unterwerfen und zu einer organischen Einheit zusammenfassen 104 ). Den äußeren Anlaß hierfür bot auch in Mecklenburg das Bedürfnis, sämtliche Kräfte des Staates möglichst ungehindert für die Ordnung der Finanzen verwenden zu können 105 ). So sind Magnus' Bestrebungen zur Aufrichtung der Landeshoheit im Grunde genommen Bestrebungen zur Aufrichtung der Finanzhoheit gewesen. Bemerkenswert ist es, daß er Unterstützung fand bei den Landräten und bei den Ständen, die er als Schiedsrichter vielfältiger Streitigkeiten mit Rostock, mit den mächtigen Adelsgeschlechtern der Maltzans und Flotows und der Geistlichkeit benutzte. Mochten auch gelegentlich ihre eignen Rechte, wie die ihrer mit Magnus in Streit lebenden Standesgenossen, durch sein Vorgehen bedroht sein, so hatten sie sich doch wohl zu der Überzeugung durchgerungen, daß eine starke Hand notwendig sei, um Mecklenburg vor dem völligen Verfall zu bewahren. Wenn auch der Herzog durchaus nicht immer Erfolg hatte und es ihm vor allem nicht gelang, die Seestädte Rostock und Wismar seiner Landeshoheit zu unterwerfen und sie auf die Stufe der Landstädte hinabzudrücken 106 ), so vermochte er doch die widerspenstigen Gewalten so weit zu bändigen, daß ihrem Selbständigkeitstriebe Einhalt geboten und sie in gebührende Schranken zurückgedrängt wurden. Den wenigen, die etwa die Ansicht hegten, daß Magnus allzu streng gegen Mitglieder der Stände gewesen sei, konnte daher der Hamburger Geschichtsschreiber Albert Krautz, der 1503 die Leichenrede bei Magnus' Begräbnis hielt, mit Recht entgegenhalten, daß es Krankheiten gebe, die nur durch Eisen und Feuer geheilt werden


104) Vgl. Spangenberg, Vom Lehnsstaat zum Ständestaat S. 120/22, 27.
105) Vgl. Hartung S. 35.
106) Dies hat Witte I. S. 290/91 gegenüber Hegel S. 100/01 und der auf ihm beruhenden neusten Literatur (Spangenberg, Vom Lehnsstaat zum Ständestaat S. 161/63, Hartung S. 34) richtig erkannt und hervorgehoben.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 122 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

könnten. Was als Härte angesehen würde, sei eine Medizin gewesen, so daß jedes Glied zur Ordnung zurückgekehrt sei 107 ).

Wie kam nun Magnus zu all diesen neuartigen Bestrebungen? Handelte er aus eignem Antrieb oder war er mehr oder minder das Werkzeug seiner Ratgeber? Wenn auch die Quellen gerade aus seinen ersten Regierungsjahren recht lückenhaft sind, so kann man diese Frage wohl dahin beantworten, daß die meisten dieser Neuerungen wahrscheinlich seiner eignen Initiative entsprungen sind, da sie bereits während der Amtszeit Thomas Rhodes 108 ) einsetzten, der schon unter Heinrich dem Dicken Kanzler war. Vor allem wird dies der Fall sein bei Magnus' Versuchen zur Begründung einer territorialen Grenzzoll-, Wirtschafts- und Handelspolitik, bei seinen Bestrebungen zur Aufrichtung der Steuer-, Lohns-, Kirchen-, Gerichts- und Jagdhoheit und überhaupt der Landeshoheit. Im allgemeinen wird dies auch zutreffen bei der Einführung der Zentralisation der Verwaltung und des Finanzwesens, wenn man auch die Verdienste Tigelers und Trutmanns nicht zu gering einschätzen darf. Dagegen dürfte die Neuordnung der Kanzlei und des Hofhaushaltes in der Hauptsache auf Grunwalds Anregung zurückgehen. überhaupt muß man Tigeler, Grunwald und Trutmann rühmend nachsagen, daß sie es trefflich verstanden, die neuen Bestrebungen und Ideen folgerichtig weiter auszubauen und durchzuführen und um die eine oder andere Anregung zu bereichern.

Allerdings wußte sich Magnus von der größten, einem Herrscher drohenden Gefahr freizumachen, nämlich von einseitiger Beeinflussung durch seine Räte oder gar durch eine Hofclique. Dies bezeugt Reimar Kock, der erzählt, daß Magnus überall in Deutschland der kluge Herzog Magnus genannt wurde und die Angewohnheit gehabt habe, seine Räte, wenn ein jeder seine Meinung geäußert hatte, mit den Worten zu entlassen: "Wie danken juw juwes rades, wie raden nu vordom." In einem andern Punkte dagegen kann man Reimar Kock keineswegs beipflichten, wenn er angibt, daß Magnus an seinem Hof weder adlige noch Unadlige Ausländer hätte haben wollen 109 ). Es muß im Gegenteil betont werden, daß Magnus Gehülfen bei der Wiederaufrichtung und Neuordnung Mecklenburgs in der Hauptsache Nichtmecklenburger waren. Insbesondere waren es Mittel- oder Süddeutsche. Der Grund hierfür war vor allem der Umstand, daß


107) Vandalia 1519 Buch XIV, Kap. 33.
108) Er begegnet von 1461-68 als Schreiber, von 1469-70 als Sekretär, von 1471-86 als Kanzler.
109) II. S. 372/73.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 123 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

die mittel- und oberdeutsche Kultur, Bildung, Verwaltungs- und Regierungstechnik der norddeutschen durchaus überlegen war.

Freilich steht Magnus mit seinen modernisierenden Bestrebungen nicht allein da. In verschiedenen deutschen Territorien finden wir Gleiches oder Ähnliches. So wurde auch Magnus getrieben von den Strömungen der Zeit. Aber daß er ihren Wellenschlag verstand und mit ihm ging, das ist eben das Große an ihm. Manch anderer wäre wohl zurückgewichen vor all diesen revolutionären Bestrebungen, die radikal mit altem Herkommen und Brauch aufräumten.

Da Magnus 1462 zu den Räten Friedrichs II. von Brandenburg gehörte und auch sonst in den 60er und 70er Jahren häufig an dem Hofe der brandenburgischen Kurfürsten in der Mark oder in Franken weilte 110 ), so ist anzunehmen, daß er dort Anregungen empfangen hat. Es wurde ja auch die Verwaltung der Mark Brandenburg in den 70er Jahren des 15. Jahrhunderts von den fränkischen Besitzungen der Hohenzollern aus neu organisiert 111 ).

Wie vielleicht das moderne kollegiale Behördenwesen 112 ), so kann auch die moderne Zentralverwaltung und überhaupt das Prinzip der Zentralisation und Landeshoheit im 14./15. Jahrhundert von Frankreich und Burgund zunächst nach Süddeutschland gekommen sein. Letzten Endes dürfte dies alles in dem ersten modernen Staat, der Sizilianischen Monarchie des deutschen Kaisers Friedrichs II. (1212[15]-1250), sein Vorbild und seinen Ausgangspunkt gehabt haben. Überragende und tatkräftige Herrscherpersönlichkeiten, wie der Normanne Roger II. (1101-1154) und der Hohenstaufe Friedrich II., die eigentümliche staatsbildende Kraft der Normannen, arabische, indische und byzantinische Einflüsse und vor allem die Aufnahme des römischen Rechts ins Staatsrecht schufen dort in Sizilien einen straff zentralistisch organisierten, absoluten Obrigkeitsstaat. Diese, im 12. und 13. Jahrhundert in Sicilien einsetzende Bewegung wird nun gegen Ende des 15. Jahrhunderts - vielleicht getragen vom Humanismus - auch nach Mecklenburg gelangt sein. Es ist sicherlich kein Zufall, wenn das erwähnte Mandat Herzog Magnus aus dem Anfange seiner Regierung, das über die Antretung des urkundlichen Beweises für die Rechtmäßigkeit des Besitzes von fürstlichen Hoheitsrechten handelt in


110) Riedel A. XXIV. S. 184, B. V. S. 67, A. X. S. 307, B. V. S. 131, A. IV. S. 344, Priebatsch, Politische Korrespondenz I. S. 246. S. A., Rentereiregister 1479. 1470/71 unternahm Magnus zusammen mit Ulrich von Stargard eine Pilgerfahrt ins Heilige Land. Jb. 60 S. 144/45.
111) Spangenberg, Hof- und Zentralverwaltung S. 466, 468; Schapper S. 3/5, 44/45, 106/113.
112) Vgl. Hartung S. 44/45.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 124 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

der Constitutio de resignandis privilegiis Rogers II., Heinrichs VI. und Friedrichs II. sein Gegenstück hat 113 ). Römisch-rechtliche Bestimmungen und Vorstellungen sind sicherlich hier wie dort für die Abfassung dieses grundlegenden Gesetzes maßgebend gewesen.

Unter der Regierung des Herzogs Magnus erfolgte nämlich die Rezeption des römischen Rechtes, und zwar ins Staatsrecht. Wie erwähnt, ließ bereits 1482 Magnus ein hoch interessantes römisch-rechtliches Gutachten über die Bedepflicht Rostocks 114 ) anfertigen und in den folgenden Jahren begegnen verschiedentlich römisch-rechtliche Erachten und Prozeßakten über Streitigkeiten des Herzogs wegen Durchsetzung der Landeshoheit gegenüber Mitgliedern der Stände. Bezeichnend ist es, daß Magnus im Verlaufe des Rostocker Domstreites 1487 an die Stadt schrieb, daß sie durch ihre Frevel sich des "crimen lese maiestatis schuldig gemacht habe 115 ). Die Verhältnisse in Mecklenburg bestätigen, entgegen v. Belows Einwänden 116 ), Labands Ansicht 117 ), daß "die Entwicklung des absoluten Staates und die Rezeption des römischen Rechts in Deutschland ein und derselbe historische Vorgang" sei, denn Magnus war der erste mecklenburgische Fürst, der entschieden absolutistische Tendenzen verfolgte. Auch ist während seiner Regierung von einem Widerstand der Gesamtheit der Stände nichts zu spüren.

Während in Brandenburg in der Hauptsache die militärische Macht der Hohenzollern, das Krachen der großen Geschütze, die neue Zeit einleitete und herbeiführte, hat Magnus mehr mit geistigen Waffen, mit Hülfe der neuen Kunst des römischen Rechtes, durch Verhandlungen und durch Benutzung der - in der Hauptsache durch ihn zu diesem Zweck geeinten - mecklenburgischen Gesamtlandstände als Richter über widerspenstige Ständemitglieder sein Ziel zu erreichen gesucht. Es führten daher seine Bestrebungen denn auch vielfach zu Kompromissen. Die große kriegerische Kraft und Tüchtigkeit, die so manchen seiner Vorfahren ausgezeichnet hatte, hat offensichtlich dieser hervor-


113) Casper, Roger II. und die Gründung der normannisch-sicilischen Monarchie 1904 S. 320/21. "Hierbei war ein wesentlicher Gesichtspunkt die Rückforderung unbedacht oder in der Not veräußerten Königsguts." Dasselbe war auch in Mecklenburg der Fall.
114) S. Anm. 77.
115) Ro. A, Domfehde 3. VIII. 1487. S. A., Stadtakten Rostock, Stadtsachen I. A. 5. VIII. 1487.
116) Die Ursachen der Rezeption des römischen Rechts in Deutschland 1905 S. 54/57.
117) Die Bedeutung der Rezeption des römischen Rechts für das deutsche Staatsrecht (Straßburger Univ.-Rede 1880 S. 39, vgl. noch S. 27, 30, 37/39, 50/51.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 125 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

ragend wirtschaftlich veranlagten Persönlichkeit gefehlt. Dies beweisen u. a. seine militärischen Mißerfolge gegen Rostock und die Tatsache, daß er, wie sein Sohn Heinrich aussagte, wenig Geschütz besaß 118 ).

Alle seine Bemühungen gipfeln in dem Bestreben, den Staat von oben her straff zentralistisch zu organisieren und zu regieren. Die tieferen Gründe hierfür gehen aber nicht auf irgendwelche zufällige oder äußerliche Vorgänge zurück, sondern sie wurzeln tief in der Geistesgeschichte. Sie wurzeln in einer neuen Idee, in einer neuen, vor allem im römischen Recht vertretenen Auffassung vom Wesen des Staates und vom Herrscherberuf, nämlich im Gottesgnadentum.

Der zuerst durch Pippin den Kurzen bzw. Karl den Großen wohl unter Einfluß biblischer Vorstellungen ins deutsche Staatsrecht eingeführte Titel "von Gottes Gnaden" ist jetzt nicht mehr ein Zeichen der Demut des Herrschers gegen Gott oder gar eine bloße Formel, sondern er wird als Grundlage der Herrschaft aufgefaßt. Das theologische Gottesgnadentum entwickelt sich zum juristisch-staatsrechtlichen. Die Herrschaft ist nicht mehr "ein privatrechtlicher Besitz" der fürstlichen Familie, sondern ein direkt "von Gott übertragenes Amt", das den Herrscher hoch über die Untertanen emporhebt und zwingende Gewalt über sie verleiht, aber auch zu schwerer und verantwortungsvoller Pflichterfüllung zwingt 119 ). "Die Landesherrn sind von Gott eingesetzt, und zwar nicht, um für sich selbst etwas zu erstreben, sondern um für den gemeinen Nutzen ihres Volkes zu sorgen und um es zu beschützen, denn sie sind verpflichtet, Gott Rechenschaft abzulegen . . ." heißt es in dem erwähnten Rechtsgutachten von [1482] auf Grund des römischen Rechts und seiner Glossatoren.

So beginnt die bislang herrschende rein privatrechtliche Auffassung vom Staat sich in die öffentlich-rechtliche umzuwandeln. "Der Staatsgedanke ist das Neue, das im 15. Jahrhundert allmählich aufkommt" 120 ). Allerdings war dieser Staatsgedanke noch kein reiner, sondern durchaus an die Person des Herrschers gebunden.

Herzog Magnus hat nun nicht etwa lediglich die Technik, das äußere Gerippe, des modernen zentralistischen Obrigkeitsstaates übernommen, sondern ist auch in diese seine geistesgeschichtlichen Grundlagen eingedrungen und hat sie sich zu eigen gemacht. Zwar fand sich bislang noch nicht so ein geradezu klassischer Ausspruch wie der jenes absolutistischen Herzogs Rudolf IV. von Öster-


118) S. A., Landesteilungsakten vol. 6 und 13.
119) Vgl. Hartung S. 36.
120) Hartung S. 36.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 126 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

reich (1356-65), der erklärte, daß die Stellung des [von Gott] erleuchteten Fürsten hoch erhaben sei über den viehischen Unverstand seiner Untertanen 121 ). Aber verschiedene Äußerungen des Herzogs Magnus zeigen doch, daß die Idee des Gottesgnadentums. der Ausgangspunkt für seine Bestrebungen zur Aufrichtung der Landeshoheit war. So beanspruchte er 1482 das Recht auf Zoll und Strandgut, da es ihm von Gott gegeben und angeerbt sei 122 ), und dabei hatte Sein Ahnherr Fürst Heinrich Burwy I. bereits 1220 das Strandrecht als eine unmenschliche und abscheuliche, aus dem Heidentum stammende Sitte aufgehoben 123 )! Als die Rostocker 1483 die Einrichtung des Domstiftes ablehnten, da dies ihren Privilegien zuwider sei, erklärte Magnus, wenn sie ihn mit Gewalt von seinem Vorhaben, den Gottesdienst zu vermehren, abdrängen wollten, so wäre dies seiner fürstlichen Ehre und seinem von Gott gegebenen Stande zu nahe 124 ). 1485 hatte sich Rostock bei den Landräten beschwert, daß Magnus Rostocker Bürger zu Waren gefangen gesetzt hätte. Da Schrieb Magnus an die Landräte, es sei das sein Recht, da er von Gottes Gnaden Herr und Fürst seiner Lande und nicht den Rostockern rechenschaftspflichtig sei 125 ).

Woher stammt nun diese Idee des Gottesgnadentums und wie kam sie nach Mecklenburg? Genauere Darlegungen müssen für später vorbehalten werden, hier kann die Geschichte dieser Idee, die sich durch nahezu 4 Jahrhunderte verfolgen läßt, nur kurz skizziert werden. Soviel ist sicher, daß die Auffassung, die Macht und Herrschergewalt des Fürsten stamme von Gott her, keine germanische Staatsauffassung ist, denn am Anfang der deutschen Geschichte steht nach Tacitus Germania und nach andern Quellen bei den Westgermanen der Freistaat und bei den Ostgermanen der vom Volk erwählte, dem Volke verantwortliche und durch das Volk absetzbare Volkskönig. Auch die deutschen Kaiser und Könige waren im Grunde genommen bis gegen Ende des Mittelalters noch Volkskönige. Die Idee des Gottesgnadentums stammt vielmehr aus dem Orient. Wir finden sie zuerst mit Sicherheit in dem berühmten Gesetz des babylonischen Königs Hammurabi rund um 2000 vor Christi Geburt, ferner bei den Ägyptern 126 ), bei den


121) Spangenberg, Vom Lehnsstaat zum Ständestaat S. 124.
122) Ro. A., Korrespondenz m. d. Landesherrn 24. III. 1482.
123) M. U.-B. 268.
124) S. A., Stadtakten Rostock, Stadtsachen I. A. 11. XI. 1483.
125) Ro. A, Domfehde 31. III. 1485. . . . "szo wy van den gnaden gadeß fursten unde heren unßerer lande sind, weß wy mid den unsen van Warne to donde hebben, den van Rostock dor nicht plichtich sind to to antwordende."
126) Hier findet sich die verwandte Auffassung des Gottkönigtums.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 127 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Juden, auch bei den Chinesen und vielleicht schon bei den vielleicht gleichfalls mongolischen Sumerern. Das Gottesgnadentum dürfte aber wohl nicht rassenhaft, sondern anthropogeographisch zu erklären sein als natürliche Folgeerscheinung der "großen Räume", die eine starke Tendenz zur absoluten Regierung haben. Auch die besonders starken religiösen Impulse des Morgenländers werden zur Schaffung dieser Staatsauffassung erheblich beigetragen haben.

Mag man sich auch zu dem Gottesgnadentum stellen wie man will, so muß doch anerkannt werden, daß im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit die Aufnahme des Gottesgnadentums in seiner neuen staatsrechtlichen Bedeutung ein Akt der Notwendigkeit und für die Zeit etwas Segensreiches war. Jedenfalls bildete das Gottesgnadentum eine notwendige Übergangserscheinung, da es nur so möglich war, durch den nach der Auffassung jener Zeit von Gott übergeordneten Herrscher den Staat vor dem Zerfall zu bewahren und straff zu organisieren. Außerdem trug das Gottesgnadentum sehr wesentlich zur Veredlung des Herrscherberufs bei. Als im Verlaufe des Bedestreites die Stadt Rostock bat, sie bei ihren Privilegien und Gewohnheiten und bei ihrer alten Bedefreiheit zu lassen, erklärten Magnus und Balthasar: Sie wären Fürsten von Gottes Gnaden und wollten keine Privilegien oder Verschreibungen, durch ihre Vorfahren oder durch sie gegeben, brechen 127 ). Wie ein Fürstenwort aus dem Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus mutet uns Magnus Erklärung an, es gezieme sich für ihn als Fürsten des Landes, jeden, der in seinen Angelegenheiten verunrechtet würde, zu beschützen und ihm in seinem Rechte Beistand zu leisten 128 ).

Zusammenfassend können wir sagen, daß Magnus mit vollem Recht den Beinamen "der Große" verdient, den ihm sein Sohn Heinrich 129 ) und der Historiker Nikolaus Marschalk 130 ) beilegen. Zutreffend sagt sein Sohn Albrecht um 1523 von ihm, daß er es verstanden habe, Hofhaushalt und Nutzung des Landes so miteinander in Einklang zu bringen, daß er nicht nur alle Schulden tilgen, sondern noch Reichtum erwerben konnte, dessen Ruhm allgemein bekannt sei 131 ). Reimar Kock preist ihn mit folgenden Worten: "Bey düßes fürsten dage iß ein gülden tidt in sinem


127) Ro. A., Korresp. m. d. Landesherrn 24. III. 1482.
128) Ro. A., Akten, betr. die Streitigkeiten der Herzöge Magnus und Balthasar mit Rostock usw. 6. X. 1491.
129) S. A., Landesteilungsakten vol. 8 1521.
130) Annales Buch VII Kap. 8.
131) S. A, Landesteilungsakten vol. 12 und 13.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 128 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

lande gewesen, sehr gude münte, gath frede, nene schattinge und alle ding wollfeile" 132 ).

Während in der Neuzeit vielfach Fürsten unberechtigt künstlich zu Landesvätern idealisiert wurden, muß man auch darin Nikolaus Marschalk völlig beipflichten, daß Magnus ein wahrer Vater des Vaterlandes gewesen sei.

*           *
*

Zum Schluß sollen noch kurz die Finanz- und Wirtschaftsverhältnisse unter Magnus' Söhnen betrachtet werden.

Als er im Jahre 1503 starb, hinterließ er seinem Bruder und seinen Söhnen ein blühendes Land und geordnete Finanzverhältnisse. Trotzdem kamen seine Nachfolger bereits wenige Jahre später nicht mehr mit den Einnahmen des Landes aus und mußten zu Darlehen greifen, wie uns die Rentereiregister zeigen. So weist die erste erhaltene Jahresabrechnung der mecklenburgischen Landeseinnahmen und -ausgaben von 1506 einen Fehlbetrag von rund 700 G. auf. 1508 belief er sich bereits auf rund 3600 G. In den folgenden Jahren nahm die Verschuldung weiter zu, so daß Heinrich V., der Friedfertige, beträchtliche Summen von der Mitgift seiner Gemahlin zuschießen mußte. 1515 erstreckte sich der Fehlbetrag schon auf rund 11 600 G., einschließlich ungefähr 6500 G., die Heinrich wieder von der Mitgift seiner Gattin zugebüßt hatte. Bezeichnend für die am Hofe herrschende Geldverlegenheit sind die Wahlsprüche, welche einige Rentereiregister dieser Zeit führen: Otto von Sebachs Register a. d. J. 1512 trägt den Kern-Spruch: "Frawen und bar gelt reigert die welt", und ein anderer Rechnungsführer seufzte: "Ich hätte gerne fel geltes van mynem gnedigen herrn und krige weynegh" (1514). Auch die Versetzung von Ämtern hatte wieder begonnen: 1505 waren Marnitz und Wredenhagen, 1508 Dömitz, 1514 Goldberg in fremden Händen 133 ). So kam es, daß sich 1517 die Herzöge eine ganze Landbede zur Tilgung der Schulden von den Ständen bewilligen lassen mußten.

Wie erklären sich nun diese nach dem glänzenden Aufstieg unter Magnus doppelt auffallende Schwierigkeiten? Auskunft darüber geben uns die Landsteilungsakten 134 ) und Rentereiregister. Schon Magnus' Begräbnis, das so prächtig gehalten wurde wie nie zuvor bei einem mecklenburgischen Fürsten, kostete viel. Herzog Balthasar, der mit seinem Neffen Heinrich zusammen bis 1507 regierte, hatte wieder beträchtliche Schulden gemacht.


132) II. S. 373.
133) Balck, Finanzverhältnisse I. S. 53, 54, 56.
134) Vol. 8, 12, 13, 16, 19.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 129 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Herzog Erich verbrauchte viel Geld als Student in Bologna. Die Fehde mit Lübeck 1505 ff. und die an befreundete Fürsten zur Unterstützung gesandten Hülfstruppen waren durch Sold- und Schadengelder recht kostspielig. Ferner wurde viel Geschütz und Pulver angeschafft, und an den Ämtern und Festungen (Neustadt, Plau, Lübz) wurde viel verbaut. Auch der Aufwand der Hofhaltung an Kleidern und kostspieligen Gesandtschaften war sehr gestiegen. Vor allem aber hat Albrecht VII., der Schöne, durch großen Prunk und langjährigen Aufenthalt in fremden Ländern die Schulden verursacht. Erhielt er doch von 1513 ab jährlich 3400 G. Jahrgeld 135 ), wogegen sich Heinrich und Balthasar nach der Hofordnung von 1504 noch mit jährlich 400 G. begnügt hatten. Von 1507 bis 1519 hatte Albrecht im ganzen rund 24 000 G. erhalten, ungefähr soviel, als die Landbede brachte, die 1517 zur Deckung der Schulden gefordert werden mußte.

Was Heinrich anbetrifft, so muß man anerkennen, daß er wenig Aufwand trieb. Nach Reimar Kock 136 ) wurde er allerdings wegen seines unzüchtigen und bösen Lebenswandels damit von Gott gestraft, daß er ohne männliche Erben hinsterben mußte. Doch scheint dies übertrieben zu sein, wenn auch in den 20er und 30er Jahren des 16. Jahrhunderts in den Straßen Schwerins ein Spottlied von dem Gretlein mit dem Fingerhut gesungen wurde, womit Heinrichs Geliebte gemeint war, die Schwägerin des evangelischen Pfarrers in Schwerin Magister Egidius Faber 137 ). Heinrichs Angabe jedenfalls, daß Albrecht von 1510 ab allein mehr Geld verbraucht habe als er mit Weib und Kind zusammen, kann man durchaus Glauben schenken. Er erscheint uns als ein guter und sparsamer Landesvater, der seine Rentereiregister vielfach eigenhändig führte und noch in seinen letzten Lebensjahren mit schon zitternder Hand Eintragungen machte, sich auch nach Ausweis seiner Merkzettel um die Einzelheiten und Kleinigkeiten der Regierung, Verwaltung und Wirtschaft des Landes persönlich bemühte. Dafür fehlte ihm aber der Weitblick für Wirtschaftsunternehmungen, der seinen Vater ausgezeichnet hatte. Der von diesem so verheißungsvoll angefangene Getreidehandel nach Holland


135) Sachsse S. 199.
136) Fahne, Die Herren und Freiherren von Hövel 3. Band: Chronik des Gotthard von Höveln 1856 (Verf. des ersten Teils der Chronik ist Reimar Kock) S. 14.
137) S. A., Kirchenakten Schwerin, Lutherische Prädikanten, Mag. Egidius Faber. Sie heiratete später einen herzoglichen Baumeister Gabriel Wulff. Durch ihre Vermittlung kamen verschiedene evangelische Prediger nach Schwerin.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 130 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

wurde von ihm immer mehr vernachlässigt 138 ), schließlich gab er den Städten den ganzen Zwischenhandel wieder 139 ), ohne jedoch dadurch den wirtschaftlichen Rückgang der Seestädte aufhalten zu können. An Stelle der mecklenburgischen Fürsten traten jetzt mecklenburgische Ritter als Getreidegroßhändler auf 140 ). Als Albrecht den Getreidehandel wieder aufnahm, da erklärte Heinrich, daß man den armen Untertanen die Nahrung nicht schmälern dürfe. Albrechts Holzhandel nach auswärts verwarf er, da das Holz nicht zum feilen Verkauf, sondern nur zur eignen Notdurft da sei 141 ). So wird auch er dadurch, daß er nicht auf den bewährten Bahnen der väterlichen Wirtschaftspolitik weiterschritt, die Einnahmen des Landes etwas verringert haben. Sein ruhiger und bedächtiger Geist, dem allerdings auch eine gewisse Kleinlichkeit und Starrsinnigkeit anhaftete - bezeichnend ist sein Wahlspruch: Ich wart der Zeit - 142 ) überflog auch hierbei nicht die Grenzen seiner Herrschaft. Er wollte sich innerhalb ihres Gebietes auswirken und beschäftigte sich daher mit der Hebung der kleineren Wirtschaftsbetriebe seines Landes, des Salinenbetriebes, des Hütten- und Mühlenwesens und des Weinbaus, doch scheint er hierbei nicht viel Glück gehabt zu haben 143 ).

Albrechts unruhiger und leidenschaftlicher Geist war dagegen auch in der Wirtschaftspolitik auf große Ziele gerichtet. Er nahm bald Magnus' Pläne, zur See Getreide zu verschiffen, wieder auf und suchte sein Ziel hartnäckig mit Hülfe der Klipphäfen zu erreichen 144 ), auch betrieb er wieder einen Holzhandel. Ferner beschäftigte er sich mit dem alten Projekt eines Elbe-Ostseekanals und ließ am später so genannten Wallensteingraben arbeiten 145 ).

Von Bedeutung für die Zukunft kann die erste, bis zum Jahre 1517/18 sich erstreckende Verschuldung der Söhne Herzog Magnus' nicht gewesen sein. Mit der Landbede von 1517/18 wurden wohl


138) Das Rentereiregister 1506/07 bucht 260 G., die zu Dordrecht empfangen wurden und nachständig geblieben waren, für verkauften Roggen; 1513/14 brachte der Schweriner Küchenmeister 126 1/2 G. Roggengeld aus den Niederlanden und 1515/16 100 G. Korngeld aus Holland.
139) 1519 verkaufte er das Korn an einen Wismarer Bürger. S. A., Landesteilungsakten vol. 8.
140) S. Anm. 94.
141) S. A., Landesteilungsakten vol. 12 ff.
142) Lisch, Maltzan IV. S. 320.
143) Schnell, Mecklenburg im Zeitalter der Reformation 1900 S. 128/29.
144) Ro. A., Korresp. mit Wismar 8. X. 1520. Ro. A., Bavenrolle 1521/22. Koppmann, Hansische Geschichtsblätter 1885 S. 110 ff.
145) Stuhr, Jb. 64 S. 199/203.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 131 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

im großen und ganzen die damals vorhandenen Schulden gedeckt. Denn als nach Abschluß des Neubrandenburger Hausvertrages 1520 die Auseinandersetzung der Brüder erfolgte, war nichts verpfändet oder verkauft und das Land ohne irgendwelche bedeutenden Schulden. Heinrich erklärte noch 1523, daß er ein freies, unverpfändetes Land besitze 146 ). Sein Landesteil war 1548 nach Aussage seines Neffen nicht nur von Schulden frei, sondern es war noch ein stattlicher Vorrat vorhanden 147 ). Auch Reimar Kock 148 ) rühmt Heinrichs großen Reichtum und berichtet, daß Johann Albrecht mit Heinrichs Gold den Schmalkaldischen Krieg finanziert habe.

Dagegen war Albrecht bereits von 1524 ab verschuldet, vor allem wohl infolge der Prozeßkosten wegen der von ihm erstrebten Landesteilung. 1524 und 25 versuchte er vergeblich, Landbeden zu erhalten. Da er sie für sich ganz allein beanspruchte, rief er den Widerstand seines Bruders hervor, der jedesmal dagegen einschritt und verhinderte, daß es zu einer Bewilligung kam. Erst von den Landbeden von 1531 und 1534/35 wird er 1/4-1/2 ihres Ertrages zur Bezahlung seiner Schulden erhalten haben.

Wir dürfen annehmen - Rentereiregister sind von 1520 ab nicht oder nur sehr lückenhaft erhalten -, daß Albrecht vor 1535 wohl noch einige Schulden besaß, daß diese aber einen irgendwie bedeutenderen Umfang nicht erreicht haben. Somit wird klar, daß erst Albrechts mißglückter, 300000 G. kostender Versuch, 1535/36 den dänischen Königsthron zu gewinnen, die Grundlage der chronischen Verschuldung des nur in Albrechts Stamm weiter fortlebenden mecklenburgischen Fürstenhauses gewesen ist. Man kann es den Ständen wirklich nicht verdenken, wenn sie sich lange sträubten, die Kosten dieser eigenmächtig und leichtfertig unternommenen Hausmachtspolitik zu bezahlen, die von vorneherein zum Mißerfolg verurteilt war und nur im Interesse Lübecks, nicht aber im Interesse des Landes lag 149 ). Bezeichnend für die Beurteilung des Unternehmens ist die ziemlich grobe, aber durchaus treffende Antwort der Stadt Rostock auf Albrechts Gesuch um Rat und Hilfen Die Lübecker hätten, um gegen Dänemark wegen Nichthaltung ihrer Privilegien vorgehen zu können, eines Potentaten bedurft. Sie hätten deswegen bei Herzog Albrecht angehalten und der hätte sich mit ihnen eingelassen. Der Herzog wäre nun selbst


146) S. A., Landesteilungsakten vol. 19 und vol. 11.
147) S. A., Steuerakten G. A. I C. 13. XII. 1548.
148) S. Anm. 136 S. 10 u. 14.
149) Vgl. auch Techen. Zeitschrift für Lüb. Gesch. Bd. XIX S. 264/65.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 132 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

des fürstlichen hohen Verstandes, er hätte auch eine stattliche Verwandtschaft und Freundschaft, die im Notfalle ihm dabei raten könne, so daß der Rat der Rostocker nicht vonnöten sei 150 )!

Durch Albrechts des Schönen Schuld also entstanden die für die folgenden Jahrhunderte so charakteristischen Finanznöte Mecklenburgs. Auch ist er Schuld an den von jetzt ab ungefähr zwei Jahrhunderte lang die mecklenburgische Geschichte wie ein roter Faden durchziehenden Landesteilungsstreitigkeiten, die durchaus einen Rückfall in die alte privatrechtliche Staatsauffassung darstellen. Dagegen hat Heinrich der Friedfertige die Stände in den Sattel gehoben, indem er bei den Landesteilungsstreitigkeiten sie dauernd zu einer energischen Stellungnahme gegen Albrecht drängte, sie überhaupt erst zur Erkenntnis ihrer Macht brachte und sie sehr wahrscheinlich veranlaßte, die Union von 1523 abzuschließen. Es sollte das Verhängnis Mecklenburgs sein, daß Magnus' große Gaben in seinen Söhnen nur geteilt fortlebten. Heinrich war haushälterisch und sparsam und stand sich durchaus gut mit seinen Ständen. Albrecht dagegen war wirtschaftspolitisch interessiert, lebte vielfach im Zwist mit Adel und Städten, beschatzte sie, wandte ungewöhnliches Gericht gegen sie an und hatte gar manches von einem absoluten Herrscher in sich. Wären diese Gaben in der Person eines Regenten vereint gewesen, so wäre Mecklenburg mindestens ebenso früh wie Brandenburg ein moderner, wohlgeordneter und finanziell unabhängiger Staat geworden oder vielmehr geblieben, denn das war es bereits unter Magnus' Regierung.

So haben aber bereits dessen Söhne das Werk Ihres großen Vaters, das vor allem in der Sanierung der mecklenburgischen Finanzverhältnisse und im Zurückdrängen der mächtigsten Glieder der Stände gipfelte, wieder zunichte gemacht und die bis in die jüngstvergangene Zeit hinein währende politische und finanzielle Abhängigkeit der mecklenburgischen Herzöge und Großherzöge von den Ständen verursacht.

 

Vignette

150) Ro. A., Landtagsakten, Instruktion 18. III. 1535.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen [ Seite 1 ] zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

LXXXVI                                        Schwerin, 1. Juli 1922.

Jahresbericht

des

Vereins für Mecklenburgische Geschichte
und Altertumskunde

über das Vereinsjahr vom 1. Juli 1921 bis dahin 1922.


Inhalt: Geschäftliche Mitteilungen. Anl.: Stifter und Förderer des Vereins. Veränderungen des Mitgliederbestandes im Vereinsjahre 1921/22.


Geschäftliche Mitteilungen.

Die erfreuliche Zunahme der Mitgliederzahl, die wir schon in den letzten Berichten hervorheben konnten, hat auch im verflossenen Vereinsjahre angehalten. Es sind 82 Mitglieder eingetreten, verstorben sind 13, ausgetreten 16 Mitglieder. Unter denen, deren Tod der Verein zu beklagen hat, sind fünf langjährige Mitglieder: der Bürgermeister a. D. Geh. Hofrat Otto Dahse in Güstrow, der 51 Jahre lang dem Verein seine Treue bewahrt hatte, der Bürgermeister a. D. Dr. jur. et phil. h. c. Adolph Becker in Rostock, Mitglied seit 1882, ein begeisterter Freund der heimatlichen Geschichte und langjähriger Vorsitzender des Rostocker Altertumsvereins, der Oberst a. D. Paul Köhler in Schwerin, der seit 1889 unserem Verein angehörte und einer der regelmäßigsten Besucher der Vortragsabende und Versammlungen war, der Rentner Max Bölckow und der Oberstleutnant a. D. Ernst v. Holstein, beide in Schwerin, Mitglieder seit 1895 und 1896. Von den korrespondierenden Mitgliedern ist verstorben der Reichsantiquar a. D. Oscar Montelius in Stockholm, ein Bahnbrecher auf dem Gebiete der prähistorischen Forschung, der seit 1875 zu unserm Verein in Beziehungen stand. Am 30. Juni 1922 zählte der Verein 2 Ehrenmitglieder, 9 korrespondierende und 613 ordentliche Mitglieder. Das ist der höchste Bestand an ordentlichen Mitgliedern, der seit der Vereinsgründung zu verzeichnen ist. Wir dürfen daraus schließen, daß die Freude an der vaterländischen Geschichte nicht nachgelassen hat, und fühlen uns in der Hoffnung gestärkt, den Verein durch die

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 2 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

schweren Zeiten hindurchzuführen, in der die Erfüllung so mancher unserer Aufgaben durch die steigende Geldentwertung erschwert oder unmöglich gemacht wird.

Sehr bedauerlich ist es, daß wir wegen der hohen Druckkosten noch lange außerstande sein werden, den von Archivrat Dr. Stuhr fast fertig gestellten Nachtragsband zum Urkundenbuche herauszubringen. Das Ministerium für Unterricht hat dankenswerter Weise einen Zuschuß von 6000  in den Haushaltsplan für 1922/23 einsetzen lassen und das gleiche für die nächsten Jahre zugesagt; doch wird diese Summe für die Weiterarbeit am Nachtragsbande und an den Regesten des 15. Jahrhunderts verbraucht werden.

Am 7. Registerbande zu den Jahrbüchern hat Archivobersekretär Carow rüstig weitergearbeitet.

Die Mecklenburgischen Volksüberlieferungen des Prof. Wossidlo in Waren, ein Werk, das der Verein bekanntlich unterstützt, sind vom Verfasser nach Kräften gefördert worden. Prof. Wossidlo hat vorgeschlagen, dem Verein Text und Anmerkungen der noch in Arbeit befindlichen Bände 4 und 5 zu überlassen, obwohl wir ihm nur das kleine uns dafür zur Verfügung stehende Kapital von 5500  in Kriegsanleihe zu bieten haben. Wann das Werk vollendet sein wird, steht noch dahin. Der Abdruck wird einer Späteren Zeit vorbehalten bleiben müssen, doch wäre Schon der Schatz des fertigen Manuskriptes für den Verein ein wertvoller Besitz.

Der Tauschverkehr mit fremden Vereinen und Instituten ist, wie Schon im letzten Jahresberichte erwähnt wurde, reger geworden, abgesehen von den Vereinen in den feindlichen Staaten. Die deutschen Vereine, zumal die am Schwersten bedrängten österreichischen, haben mit denselben Schwierigkeiten zu kämpfen wie wir, doch bemühen sie sich restlos, die Fortsetzung ihrer Zeitschriften zu ermöglichen. Gekündigt hat den Tauschverkehr die Zentralstelle für deutsche Personen- und Familien-Geschichte in Leipzig. Aufgenommen ist der Verkehr mit der Elbinger Altertumsgesellschaft, die den 1. Band der Elbinger Jahrbücher übersandt hat, mit dem Verein für Geschichte der Stadt Wien, von dessen Mitteilungen ebenfalls der 1. Band erschienen ist, endlich mit der K. Universitätsbibliothek in Lund, die uns die Lunds Universitets Årsskrift (Acta Universitatis Lundensis) seit 1905 gegen unsere Jahrbücher von Band 74 an zugestellt hat. Die Zahl der Austauschvereine beträgt zurzeit 297, einschließlich der in feindlichen Ländern, mit denen der Verkehr, wie gesagt, noch ruht. - Dem Verein für lübeckische Geschichte und Altertums-

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 3 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

kunde, mit dem wir seit 1845 in Verbindung stehen, haben wir zu seinem hundertjährigen Jubiläum am 4. Dezember 1921 ein Glückwunschtelegramm gesandt.

Unsere Bildersammlung, die sich jetzt im Archiv befindet, ist durch Geschenke des Bilderwarts Reg.-Rat Dr. Wunderlich um einige Bilder mecklenburgischer Fürsten und Beamten sowie durch mehrere hundert Stück Karten mit Ansichten mecklenburgischer Städte und Gegenden vermehrt worden.

An Vorträgen haben wir im verflossenen Winter sechs zu verzeichnen, die Sämtlich im Archivsaal stattfanden und rege besucht waren. Es Sprach am 28. Oktober Generalleutnant von Woyna über Mecklenburgs territoriale Entwicklung an der Hand von ihm entworfener Karten, von denen Sanitätsrat Dr. Nissen Lichtbilder angefertigt hatte. Am 24. November folgte ein Lichtbildervortrag des Lektors an der Landesuniversität Dr. Gehrig über Bauten und Bilderwerke der Renaissance in Mecklenburg, am 19. Dezember ein Vortrag des Gymn.-Prof. Dr. Wagner über den Feldzug des Herzogs Christian Louis und des Regiments Halberstadt für Ludwig XIV. in den Jahren 1672-74, am 20. Januar ein Vortrag des Archivrats Dr. Techen aus Wismar über Straßennamen in den norddeutschen Städten, am 22. Februar ein Lichtbildervortrag des Prof. Beltz über die Bronzezeit in Mecklenburg, endlich am 24. März ein Vortrag des Dr. phil. Rütz über Mecklenburg und die Bestrebungen zur Einigung Deutschlands 1850-66.

Der Sommerausflug vom 5. Juli, der erste seit 1914, führte die etwa 40 Teilnehmer in das Schöne Städtchen Gadebusch zum Besuche der historischen Bauten dort, des altehrwürdigen, leider wegen Baufälligkeit zum Abbruch verurteilten Rathauses, der Kirche, deren romanische Formen aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts stammen, und des im Johann-Albrecht-Stil errichteten Schlosses, von dessen Gartenterrasse man das Feld übersieht, wo im Jahre 1712 die Schlacht bei Wakenstädt geschlagen wurde. Unvergeßlich ist das malerische Stadtbild des Marktplatzes mit dem Rathause und der darüber hinausragenden Kirche. Nach dem Mittagessen im Schützenhause bot der Nachmittag Gelegenheit zu einem Spaziergange nach dem Güstower Werder. Der gastlichen Aufnahme in der Stadt, für die der Bürgermeister, nunmehrige Amtshauptmann Reinhardt, gesorgt hatte, haben wir dankbar zu gedenken. Das Gefallen an dem Ausfluge war bei den Teilnehmern so groß, daß der Wunsch ausgesprochen wurde, öfter im Jahre Solche Fahrten zu unternehmen.

Die 87. Generalversammlung wurde am 29. April 1922 im Archivsaal abgehalten und vom Staatsminister Dr. Langfeld ge-

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 4 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

leitet, der zu Beginn der Tagung der verstorbenen Großherzogin Marie warme Worte des Gedenkens widmete. Den Geschäftsbericht erstattete der 2. Sekretär, ebenso den Kassenbericht für das Vereinsjahr 1920/21 in Vertretung des Rechnungsführers. Die Einnahmen betrugen 10 720,32  einschließlich eines Kassenbestandes von 1029,22  am Schlusse der vorigen Rechnung, die Ausgaben 5973,54  . Der Bestand belief sich am 30. Juni 1921 auf 4746,78  . Hierzu kommt ein von der Renterei belegtes Kapital von 4500  , so daß das Vereinsvermögen 9246,78  betrug 1 ). Die Rechnung war geprüft und lag aus. Entlastung wurde erteilt. Dann erörterte der 1. Sekretär Archivrat Dr. Stuhr die bedrängte Finanzlage des Vereins. Die Druckkosten für das Jahrbuch waren im April auf das Dreißigfache des Friedenspreises gestiegen (sie haben sich seitdem noch sehr erheblich vermehrt). Es sei daher nötig, die Mitgliederbeiträge für das laufende Vereinsjahr zu erhöhen. Außerdem sollten an Banken und Privatpersonen Werbeschreiben verschickt werden mit der Aufforderung, den Verein als Stifter bei einer einmaligen Zahlung von mindestens 3000  oder als Förderer bei einer widerruflichen Beitragszahlung von mindestens 100  jährlich zu unterstützen. Ein Antrag des Geh. Archivrates Dr. Grotefend, den § 7 der Satzung dahin zu verändern, daß die Generalversammlung jedesmal den Beitrag für das folgende Vereinsjahr festsetzen solle, wurde angenommen 2 ). Für 1921/22 wurde der Beitrag auf 25  , für 1922/23 auf 30  festgesetzt. Auch erfuhren die Preise der Vereinsschriften eine Erhöhung; die neuen Preise sind auf der letzten Seite dieses Jahrbuches angegeben. - Auf Archivrat Dr. Stuhrs Vorschlag wurde beschlossen, in diesem Jahre zwei Ausflüge zu unternehmen, am 10. Juni nach Kleinen und Dorf Mecklenburg und am 8. Juli nach Wismar. - Die Vereinsbeamten wurden wiedergewählt. - Den Vortrag auf der Versammlung hatte Archivar Dr. Steinmann übernommen. Er Sprach auf Grund eigener Forschungen über die Finanz-, Wirtschafts- und Verwaltungspolitik der mecklenburgischen Herzöge im 15. und 16. Jahrhundert (siehe Dr. Steinmanns Aufsatz in diesem Jahrbuche). -

Der Erfolg der inzwischen verschickten Schreiben zur Werbung von Stiftern und Förderern bis zum Schlusse des Vereinsjahres


1) Aus Ersparnisrücksichten müssen wir auch diesmal darauf verzichten, den Kassenbericht sowie Berichte über den Zuwachs der Vereinsbibliothek und der Bildersammlung abzudrucken.
2) In § 7 der Satzung sind demnach im ersten Satze die Worte "von Sechs Mark" zu streichen. Hinter dem ersten Satz ist einzuschalten: "Die Höbe des Beitrages wird von der Generalversammlung für das folgende Geschäftsjahr festgesetzt."
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 5 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

ergibt sich aus der Anlage. Vielfach sind Vereinsmitglieder Stifter und Förderer geworden. Neue sind hinzugekommen, die dadurch zugleich die ordentliche Mitgliedschaft erworben haben. Ihnen allen Sei für ihre dem Verein gewährte Hülfe herzlich gedankt.

Mit besonderer Befriedigung können wir die Mitteilung machen, daß das Ministerium für Unterricht auf einen Antrag des Vereins hin beschlossen hat, zu den Druckkosten des Jahrbuches einen jährlichen Staatszuschuß von 10 000  für zunächst fünf Jahre zu befürworten, dessen erste Rate (1922/23) in den Nachtrag des Haushaltsplanes eingestellt werden soll. Es ist uns eine angenehme Pflicht, dem Ministerium für Unterricht auch an dieser Stelle aufrichtigsten Dank hierfür auszusprechen.

An dem Ausfluge nach Kleinen und Mecklenburg am 10. Juni beteiligten sich 50 Mitglieder und Gäste. Man traf mit dem Morgenzuge in Kleinen ein und wanderte zur Schwedenschanze und zum Wallensteingraben, über deren Entstehung und Bedeutung Archivrat Dr. Stuhr an Ort und Stelle Aufschluß gab. Unter der freundlichen Führung des Oberförsters Mörer zu Moidentin und des Pastors Böhmer zu Mecklenburg wurde die Wanderung durch das schöne Gehölz am Loostener See und am Wallensteingraben entlang bis nach Brusenbeck fortgesetzt, wo am rauschenden Bach das Mittagessen eingenommen wurde. Nach einstündigem Marsche erreichte man darauf Mecklenburg, den alten Stammsitz des mecklenburgischen Fürstenhauses. Auf der Höhe des einstigen Burgwalles zeichnete Pastor Böhmer ein eindrucksvolles Bild der Burggeschichte. Unter den alten Bäumen des Pfarrgartens wurde der Kaffee eingenommen, und der freundliche Gastgeber ließ es sich nicht nehmen, zum Schlusse die ehrwürdige Dorfkirche zu zeigen. -

Vereinsausschuß für das Jahr 1922/23:

Präsident: Staatsminister Dr. Langfeld, Exz.
Vizepräsident: Ministerialdirektor v. Prollius.
Erster Sekretair: Archivrat Dr. Stuhr.
Zweiter Secretair: Archivar Dr. Strecker.
Rechnungsführer: Oberfinanzinspektor Wichmann.
Bücherwart: Regierungsrat Dr. Voß.
Bilderwart: Regierungsrat Dr. Wunderlich.
Repräsentanten: Geh. Ministerialrat Krause.
Stadtrat Gütschow,
Geh. Archivrat Dr. Grotefend,
Generalleutnant v. Woyna, Exz.

Der zweite Vereinssekretär:

W. Strecker.           

Schwerin, 1.Juli 1922.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 6 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Anlage.

Stifter und Förderer des Vereins.

Veränderungen des Mitgliederbestandes

im Vereinsjahre 1921-1922.

Stifter des Vereins

(bis 30. Juni 1922).

Es stifteten:

Kammerherr Henning v. Bülow auf Rodewalde    3000  .
Amtshauptmann Ernst Reinhardt, Schwerin          3000  .
Fabrikbesitzer Dr. Friedrich Carl Witte, Rostock 5000  .

Förderer des Vereins * )

(bis 30. Juni 1922).

Es erklärten sich zur Zahlung eines Jahresbeitrages von 100  und mehr bereit:

  1. Landesbischof D. Dr. Heinrich Behm, Schwerin (200  ).
  2. Legationsrat Röttcher v. Biel auf Kalkhorst (500  ).
  3. Rittmeister Hermann Hans Bolten auf Mustin.
  4. Graf Alfred v. Bothmer auf Bothmer, eingetreten am 15. Juni 1922.
  5. Fabrikbesitzer Heinrich Brunnengräber, Schwerin.
  6. Kammerherr Henning v. Bülow auf Rodenwalde (300  ).
  7. Domänenpächter Ernst Burgwedel, Hof Malchow (200  ), eingetreten am 17. Juni 1922.
  8. Kammerherr August v. Flotow auf Kogel.
  9. Rittergutsbesitzer Jürgen v. Flotow auf Stuer.
  10. Geh. Archivrat Dr. Hermann Grotefend, Schwerin.
  11. Der Rat der Stadt Güstrow.
  12. Hofapotheker Dr. Paul Haacke, Schwerin.
  13. Eisenbahn-Oberlandmesser Paul Haacker, Schwerin.
  14. Domänenpächter Hans Hoffmann, Kämmerich, eingetreten am 18. Juni 1922.
  15. Domänenpächter Raul Jacob, Rosenow, eingetreten am 16. Juni 1922.
  16. Landesveterinärrat Julius Jörn, Schwerin.

*) Bei den als Förderer neu eingetretenen Mitgliedern ist der Tag des Eintritts angegeben.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 7 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
  1. Domänenpächter August Kiele, Besendorf, eingetreten am 16. Juni 1922.
  2. Ministerialrat Otto Kolbow, Schwerin.
  3. Staatsminister Dr. Langfeld, Exz., Schwerin.
  4. Mecklenburgische Bank, Schwerin (500  ).
  5. Kaufmann Berthold zur Nedden, Rostock.
  6. Facharzt Dr. Carl Nieny, Schwerin.
  7. Landdrost Hermann von Oertzen, Doberan.
  8. Vizekonsul Clarus Otto, Wismar.
  9. Domänenpächter Ludwig Peitzner, Hof Drieberg, eingetreten am 17. Juni 1922.
  10. Domänenpächter Raul Petersen, Gr. Strömkendorf, eingetreten am 18. Juni 1922.
  11. Rittergutsbesitzer Reimar v. Plessen auf Trechow (120  ).
  12. Ministerialdirektor Jaspar v. Prollius, Schwerin.
  13. Oberhofmarschall Kammerherr Kuno v. Rantzau, Exz., Schwerin.
  14. Fabrikbesitzer Gustav Ritter, Grabow.
  15. Forstmeister Cuno Frh. v. Rodde, Prüzen.
  16. Domänenpächter Franz Schumann, Volkenshagen (125  ), eingetreten am 19. Juni 1922.
  17. Ministerialrat Paul Siegfried, Schwerin.
  18. Landesrabbiner Dr. Siegfried Silberstein, Schwerin.
  19. Domänenpächter Raul Steinhagen, Strohkirchen, eingetreten am 27. Juni 1922.
  20. Archivar Dr. Paul Steinmann, Schwerin.
  21. Weinhändler Friedrich Stephans, Schwerin.
  22. Kammerherr Joachim v. Stralendorff auf Gamehl.
  23. Archivar Dr. Werner Strecker, Schwerin.
  24. Archivrat Dr. Friedrich Stuhr, Schwerin.
  25. Rechtsanwalt Walter Tretow, Wismar.

Korrespondierende Mitglieder.

Reichsantiquar a. D. Oscar Montelius, Stockholm, gestorben am 4. November 1921. Korr. Mitglied seit dem 5. Jan. 1875.

Ordentliche Mitglieder.

a) Eingetreten sind:

  1. Landrichter Theodor Hütten, Schwerin, 2. Juli 1921. Nr. 2356.
  2. Ministerialkontrolleur Richard Glawe, Ostorf, 9. Juli 1921. Nr. 2357.
  3. Schriftleiter Walter Funder, Schwerin, 9. Juli 1921. Nr. 2358.
  4. Rastor Karl Klemann, Ludwigslust, 9. Juli 1921. Nr. 2359.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 8 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
  1. Pastor Wilhelm Leffers, Rostock, 11. Juli 1921. Nr. 2360.
  2. Landrichter Hermann Huther, Schwerin, 12. Juli 1921. Nr. 2361.
  3. Oberregierungsrat Emil Roscher, Schwerin, 12. Juli 1921. Nr. 2362.
  4. Gutsbesitzer Karl August Pentz, Volzrade,. 15. Juli 1921. Nr. 2363.
  5. Schriftleiter Paul Ahrendt, Schwerin, 16. Juli 1921. Nr. 2364.
  6. Dr. med. Rudolf Spiegelberg, Kirchdorf, 19. Juli 1921. Nr. 2365.
  7. Generalarzt a. D. Dr. med. Ludwig Klipstein, Gadebusch, 20. Juli 1921. Nr. 2366.
  8. Lehrer Wilhelm Rickert, Kobande, 21. Juli 1921. Nr. 2367.
  9. Oberlehrer Dr. Wilhelm Mau, Güstrow, 23. Juli 1921. Nr. 2368.
  10. Lehrer Willi Wilcke, Gr. Walmstorf b. Grevesmühlen, 26. Juli 1921. Nr. 2369.
  11. cand. hist. Alfred Rütz, Lübow i. M. 10. Okt. 1921. Nr. 2370.
  12. Prof. Dr. Hans Spangenberg, Rostock, 19. Okt. 1921. Nr. 2371.
  13. Generalleutnant a. D. Hanns v. Busse, Exz., Schwerin, 24. Okt. 1921. Nr. 2372.
  14. Generalleutnant a. D. Kurt v. Ditfurth, Exz., Schwerin, 28. Okt. 1921. Nr. 2373.
  15. Administrator Ernst Albrecht Bock zu Gr. Brütz i. M., 28. Okt. 1921. Nr. 2374.
  16. Sanitätsrat Dr. Carl Nissen, Schwerin, 28. Okt. 1921. Nr. 2375.
  17. Hauptmann in der Schutzpolizei Mahncke, Allenstein (Ostpr.), 31. Okt. 1921. Nr. 2376.
  18. Oberlehrer Dr. Romberg, Güstrow, 4. Nov. 1921. Nr. 2377.
  19. Frau Bürgermeister Bertha Spehr, Schwerin, 9. Nov. 1921. Nr. 2378.
  20. Seminarist Georg Reisener, Neukloster, 9. Nov. 1921. Nr. 2379.
  21. cand. phil. Hans Nieß, Göttingen, 18. Nov. 1921. Nr. 2380.
  22. Zahnarzt Dr. Wilhelm Lehmkuhl, Erfurt, 21. Nov. 1921. Nr. 2381.
  23. Apothekenbesitzer Otto Neckel, Schwerin, 21. Nov. 1921. Nr. 2382.
  24. Hauptschriftleiter Hans Wienandt, Schwerin, 25. Nov. 1921. Nr. 2383.
  25. Seminarist G. Mahnke, Neukloster, 25. Nov. 1921. Nr. 2384.
  26. Ober-Regierungsrat Carl Saß, Schwerin, 25. Nov. 1921. Nr. 2385.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 9 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
  1. Leutnant d. R. a. D. Jobst Heinrich v. Bülow, Stuer i. M., 3. Dez. 1921. Nr. 2386.
  2. Staatsbibliothek in Aarhus (Jütland), 8. Dez. 1921. Nr. 2387.
  3. Frau Pastor Ida Köhn, Schwerin, 16. Dez. 1921. Nr. 2388.
  4. Frl. Beate Plawneck, Schwerin, 17. Dez. 1921. Nr. 2389.
  5. Ministerialrat Dr. Otto Schult, Schwerin, 17. Dez. 1921. Nr. 2390.
  6. Kreisbaumeister a. D. Oskar Albrecht, Wittenberge, 30. Dez. 1921. Nr. 2391.
  7. Architekt Conr. Nax, Schwerin, 20. Jan. 1922. Nr. 2392.
  8. Abteilungspräsident beim Landesfinanzamt Gustav v. Jordan, Schwerin, 20. Jan. 1922. Nr. 2393.
  9. Rechtsanwalt Walter Tretow, Wismar, 6. Febr. 1922. Nr. 2394.
  10. Domprediger Bernhard Goesch, Schwerin, am 22. Februar 1922. Nr. 2395.
  11. Assessor a. D. Ludwig v. Prollius, Schwerin, 23. Febr. 1922. Nr. 2396.
  12. Mecklenburg-Schwerinsches Amt Röbel, 22. Febr. 1922. Nr. 2397.
  13. Hoflieferant Carl Voß, Berlin, 28. Febr. 1922. Nr. 2398.
  14. Steuerinspektor Richard Schröder, Schwerin, 1. März 1922. Nr. 2399.
  15. cand. phil. Walther Eckermann, Rostock, 4. März 1922. Nr. 2400.
  16. Ministerialrat Dr. Erich Schlesinger, Schwerin, 6. März 1922. Nr. 2401.
  17. Zolldirektor Emil Hagen, Schwerin, 13. März 1922. Nr. 2402.
  18. Regierungsrat Dr. iur. Adolf Sprenger, Schwerin, 20. März 1922. Nr. 2403.
  19. Pastor Wolfgang Gaethgens, Parum, 21. März 1922. Nr. 2404.
  20. Büroangestellter Karl Rabe, Schwerin, 21. März 1922. Nr. 2405.
  21. Obersteuersekretär Major a. D. Carl Friedrich von Bassewitz, Schwerin, 22. März 1922. Nr. 2406.
  22. Dr. phil. Gerd Dettmann, Schwerin, 24. März 1922. Nr. 2407.
  23. Landgerichtsdirektor Hermann Heuck, Schwerin, 27. März 1922. Nr. 2408.
  24. Oberstleutnant a. D. Theodor Arnold, Schwerin, 4. April 1922. Nr. 2409.
  25. Regierungsbaurat Adolf Friedrich Lorenz, Lübz, 10. April 1922. Nr. 2410.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 10 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
  1. Versicherungsdirektor Karl Adolf Schwartz, Schwerin, 24. April 1922. Nr. 2411.
  2. Versicherungsamtsinspektor Wilhelm Peters, Schwerin, 25. April 1922. Nr. 2412.
  3. Facharzt Dr. E. Senn, Konstanz, 2. Mai 1922. Nr. 2413.
  4. Seminarist Willi Henning, Neukloster, 5. Mai 1922. Nr. 2414.
  5. Zahnarzt Paul Diehn, Rostock, 5. Mai 1922. Nr. 2415.
  6. Kaufmann Wilhelm Regenstein, Neubukow, 5. Mai 1922. Nr. 2416.
  7. Pastor Manuel v. Ondarza, Wismar, 8. Mai 1922. Nr. 2417.
  8. Regierungsrat v. Lücken, Stettin, 8. Mai 1922. Nr. 2418.
  9. Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Schüßler, Rostock, 8. Mai 1922. Nr. 2419.
  10. Hauptmann a. D. Waldemar Himstedt, Schwerin, 16. Mai 1922. Nr. 2420.
  11. Lehrer Friedrich Lübcke, Dömitz, 7. Juni 1922. Nr. 2421.
  12. Lehrer Paul Schliemann, Börzow b. Grevesmühlen, 7. Juni 1922. Nr. 2422.
  13. Architekt Erich Bentrup, Schwerin, 8. Juni 1922. Nr. 2423.
  14. Studienassessor Friedrich Wesemann, Neustrelitz, 10. Juni 1922. Nr. 2424.
  15. Regierungsrat Dr. Karl Dabelstein, Schwerin, 10. Juni 1922. Nr. 2425.
  16. Ministerialrat Ernst Barten, Schwerin, 11. Juni 1922. Nr. 2426.
  17. Kaufmann Alfred Diercke, Schwerin, 15. Juni 1922. Nr. 2427.
  18. Eisenbahn-Inspektor Hans Schöning, Schwerin, 15. Juni 1922. Nr. 2428.

b) Ihren Austritt haben erklärt:

  1. Rentner Gustav Sellschopp, Schwerin, l. Nov. 1921. Nr. 2243.
  2. Prof. Dr. Manfred Stimming, Breslau, 8. Nov. 1921. Nr. 2324.
  3. Landdrost a. D. Gustav Mau, Rostock, 30. Dez. 1921. Nr. 1336.
  4. Privatgelehrter Ed. de Lorme, Hannover, 16. Jan. 1922. Nr. 2171.
  5. Früherer Buchdruckereibesitzer Arnold Schneider, Brunshaupten, 1. Febr. 1922. Nr. 1715.
  6. Amtsverwalter a. D. H. J. v. Gadow, Westerringen (Schwaben), 13. Febr. 1922. Nr. 2157.
  7. Oberbaudirektor Rudolf Mensch, Schwerin, 4. Mai 1922. Nr. 909.
  8. Schriftleiter Paul Ahrendt, Chemnitz, 22. Juni 1922. Nr. 2364.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 11 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
  1. Gymnasialprofessor Lic. Dr. Heinrich Schnell, Güstrow, 23. Juni 1922. Nr. 1565.
  2. Pastor Leopold Stelzer, Malchow, 24. Juni 1922. Nr. 1662.
  3. Rittmeister a. D. Wilhelm Boldt, Rostock, 24. Juni 1922. Nr. 2100.
  4. Gutsbesitzer Hans v. Flotow auf Walow, 24. Juni 1922. Nr. 884.
  5. Obersekretär Joh. Köster, Berlin-Schöneberg, 28. Juni 1922. Nr. 2328.
  6. Schriftleiter Walter Funder, Rostock, 28. Juni 1922. Nr. 2358.
  7. Obersekretär Otto Uthke, Berlin, 28. Juni 1922. Nr. 2329.
  8. Pastor Karsten, Sternberg, 29. Juni 1922 Nr. 1434.

c) Verstorben sind:

  1. Bürgermeister a. D. Geh. Hofrat Otto Dahse, Güstrow, 13. Juli 1921. Nr. 798.
  2. Regierungsrat Dr. Franz Ludwig Büsing, Schwerin, 5. Aug. 1921. Nr. 2265.
  3. Geh. Justizrat Richard Hennig, Schwerin, 13. Sept. 1921. Nr. 2223.
  4. Reg.- und Baurat Paul Dreyer, Schwerin, 29. Sept. 1921. Nr. 1638.
  5. Rentner Max Bölckow, Schwerin, 8. Dez. 1921. Nr. 1545.
  6. Oberst a. D. Raul Köhler, Schwerin, 14. Dez. 1921. Nr. 1337.
  7. Bürgermeister a. D. Geh. Hofrat Karl Kluge, Güstrow, 11. Jan. 1922. Nr. 2128.
  8. Bürgermeister Dr. iur. Hugo Stöhr, Stavenhagen, 18. März 1922. Nr. 2095.
  9. Oberstleutnant a. D. Ernst von Holstein, Schwerin, 29. März 1922. Nr. 1519.
  10. Bürgermeister a. D. Dr. iur. et phil. h. c. Adolph Becker, Rostock, 18. April 1922. Nr. 1107.
  11. Oberpostrat Rudolf Eymeß, Schwerin, 3. Mai 1922. Nr. 2082.
  12. Eisengießereibesitzer Heinrich Kaehler, Güstrow, vor 6. Juni 1922. Nr. 2064.
  13. Landrat Altwig v. Arenstorff, Zahren, 14. Juni 1922. Nr. 1838.
Vignette
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 12 zur ersten Seite zur vorherigen Seite

An die Mitglieder.

N ach dem Beschlusse einer früheren Generalversammlung sollen an die Mitglieder des Vereins die vor ihrem Eintritt erschienenen Vereinsschriften zu bedeutend ermäßigten Preisen abgegeben werden.

1. Jahrbücher und Jahresberichte des Vereins:

a) bei Bezug mehrerer aufeinander folgender Bände: Bd. 21, 23-34, 36-44, 54-84 je 10 Mk.
b) einzelne Jahrgänge (soweit vorhanden und stets die jeweiligen letzten zwei Jahrgänge) statt 30 Mk. je 15 Mk.

2. Sonderabzüge aus den Jahrbüchern:

a) Wigger , Stammtafel des Großherzoglichen Hauses (zum Aufziehen), aus Bd. 50, (statt 15 Mk.) 10 Mk.,
b) Crull, Die Wappen der Geschlechter der Mannschaft, aus Bd. 52, (statt 15 Mk.) 10 Mk.
c) Krieg, Die Kirchenbücher in Mecklenburg-Strelitz, aus Bd. 68, (statt 6 Mk.) 3 Mk.
d) Moeller, Geschichte des Landespostwesens in Mecklenburg, aus Bd. 62, (statt 30 Mk.) 15 Mk.
e) Stuhr, Der Elbe-Ostsee-Kanal zwischen Dömitz und Wismar. Mit 2 Karten, aus Bd. 64, (statt 10 Mk.) 5 Mk.

3. Register   über die Jahrbücher Bd. 31-40 (Statt 15 Mk.) 10 Mk.
          -           "     "           "         "    41-50 (statt 15 Mk.) 10 Mk.
          -           "     "           "         "    51-60 (statt 15 Mk.) 10 Mk.

4. Mecklenburgisches Urkundenbuch , Bd. 1-23 (statt je 50 Mk.) je 25 Mk. Bd. 24 (statt 30 Mk.) 15 Mk.

5. daraus: Mecklenburgische Siegel , 3 Hefte (statt je 12 Mk.) je 8 Mk.

6. Mecklenburgische Geschichtsquellen : Techen, Die Chroniken des Klosters Ribnitz. 1909. (statt 30 Mk.) 15 Mk.

Die Bestellungen auf diese Bücher sind direkt an die Vereinssekretäre zu richten.

Die Preise sind freibleibend.