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Zum ersten Male finden wir diesen genannt in der eben erwähnten Urkunde M. U.-B. I, 96. Es handelt sich hierbei um eine für die gesamten Verhältnisse in den drei wendischen Bistümern außerordentlich wichtige Urkunde Heinrichs des Löwen, die offenbar auf einem allgemeinen Landtage zu Artlenburg, das für solche Zwecke meistens als Versammlungsort diente, ausgestellt wurde. Denn Grafen und Herren sowohl aus dem Westen wie dem Osten sind hier reichlich vertreten. 48 ) so wird denn auch der Dannenberger Graf hier nicht gefehlt haben; sondern die Herausgeber des M. U.-B. sind völlig im Recht, wenn sie - Bd. IV, Pers.-Reg. S. 206 "Heinrich 229" - unter dem -zwischen Graf Gunzel von Schwerin und Bernhard von Ratzeburg genannten "Henricus comes" Heinrich I. von Dannenberg verstehen wollen. 49 ) Das nächste Zeugnis, das wir über ihn besitzen, stammt aus dem Jahre 1175 (1177?). Heinrich erscheint auch hier in der Umgebung des Herzogs und zwar zu Lübeck bei der Gründung und Ausstattung der dortigen Kapelle Johannis des Evangelisten. 50 )
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Alls dann jedoch über den stolzen Herzog das Verhängnis hereinbrach und er Sachsen verließ, mußte das auch auf die Grafschaft Dannenberg seine Rückwirkung üben. Wie die übrigen Grafen des Ostens wird auch Graf Heinrich bis zum Jahre 1180 dem Herzog die Treue gehalten haben. Doch als jetzt über ihn die Reichsacht verhängt wurde und der Kaiser am 15. August zu Werla auf Beschluß der Fürsten seinen Anhängern mit Einziehung ihres Erbes und Lehens drohte, falls sie in den drei festgesetzten Terminen "seine Gunst nicht wiedererlangt hätten", da verließ auch Heinrich von Dannenberg ebenso wie die meisten der übrigen Anhänger die Partei des Welfen und trat zum Kaiser über. 51 ) Dieser Vorgang ist ganz unrichtig so aufgefaßt worden, als sei jetzt die Grafschaft Dannenberg Reichslehen geworden. 52 ) Davon kann natürlich garnicht die Rede sein. Ebenso wie die übrigen östlichen Grafschaften fiel sie bei der Neuverteilung des sächsischen Herzogtums dem Herzog Bernhard zu. Sie war und blieb rechtlich ein Teil des Herzogtums, wie das ganz klar aus der Lehnshuldigung im Jahre 1182 hervorgeht. 53 ) Nur infolge der Schwäche des neuen Herzogs einer- und der mit großer Zähigkeit festgehaltenen Ansprüche der Söhne Heinrichs des Löwen sowie der ihnen günstigen Zustände im Reich andererseits geriet sie später wieder in welfische Abhängigkeit, während z. B. die Lüchower Grafen immer mehr unter den Einfluß der Markgrafen kamen.
Von dieser Zeit an sehen wir daher Graf Heinrich, so oft er uns genannt wird, fast immer in der Begleitung des Herzogs Bernhard oder auch dessen Bruders und Neffen, der Markgrafen von Brandenburg. Der Anschluß an diese war für ihn um so natürlicher, als, wie wir gesehen haben, die Dannenberger Grafen auch in der Altmark bedeutende Lehen besaßen. So ist er Ende September 1181 mit dem Herzog zusammen, wie es scheint auf dessen Burg in Aschersleben oder auf einer anderen Burg seines
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anhaltischen Landes. 54 ) Und als dieser im Frühling des nächsten Jahres nach Artlenburg kam, da schwur ihm auch Heinrich von Dannenberg ebenso wie die Grafen von Ratzeburg, Lüchow und Schwerin den Lehns- und Treueid. 55 ) Im Jahre 1184 treffen wir ihn zusammen mit seinem Oheim Friedrich, Vogt von Salz- wedel, den Grafen von Osterburg und Lüchow und anderen Herren als Zeugen der Dotierung des neugegründeten Nonnenklosters Arendsee bei dem Markgrafen Otto I. von Brandenburg, dem Bruder des Herzogs Bernhard. 56 ) Und im Jahre 1188 ist er Zeuge, als der Sohn und Nachfolger Ottos I., der Marfgraf Otto II., das Kloster des Hl. Nikolaus zu Stendal, eine Stiftung seines Bruders, des Grafen Heinrich von Gardelegen, bestätigt, aus dem sich später dann das Domstift entwickelte. 57 ) Und ebenso, als diese beiden Fürsten zwei Jahre später zu Altenburg eben diesem Stifte 20 Talente als Einkünfte aus ihrem dortigen Marktrecht verleihen. 58 ) Und noch einmal finden wir Heinrich von Dannenberg bei dem Grafen von Gardelegen, als dieser im Jahre 1192 Bestimmungen über den Nachlaß der Stendaler Domherren trifft. 59 )
Diese Verbindung gerade mit Heinrich von Gardelegen legt den Gedanken nahe, daß schon damals Heinrich von Dannenberg besondere Beziehungen mit diesem Enkel Albrechts des Bären und mit der Grafschaft Gardelegen verbanden. Nachdem nun, noch im Jahre 1192, Heinrich von Gardelegen kinderlos gestorben war 60 ), versah dort der Dannenberger Graf zeitweise dessen Grafenamt. Das erfahren wir aus der vielumstrittenen Urkunde
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des Markgrafen Otto II. vom Jahre 1196, in der er bezeugt, daß er und sein Bruder, der spätere Markgraf Albrecht II., ihr ganzes Gebiet, sowohl Eigen wie Lehen, dem Erzbistum Magdeburg oder genauer der dortigen Moritzkirche - dem heutigen Dom - übertragen und von dieser als Lehen zurückempfangen haben; ein Vorgang, der auch durch die neuesten Erörterungen von Hartung und Sello noch keineswegs völlig aufgeklärt ist. 61 ) Nachdem am 24. November diese Übertragung zu Magdeburg im allgemeinen vorgenommen und am folgenden Tage auf Gebiet und unter Vorsitz eines Lehnsmannes des Erzbischofes von seiten des Erzstifts vollzogen war, begab man sich am 28. November in die Altmark nach Gardelegen. Und hier, auf Gebiet des Markgrafen, wurde unter Vorsitz Heinrichs von Dannenberg die Urkunde auch von seiten der beiden Askanier vollzogen. Es ist dies die einzige Urkunde nicht nur für die Dannenberger, sondern überhaupt für unsere Grafenfamilien, in der wir sie nicht als Verwalter eines Gebietes, sondern lediglich in Ausübung der alten Grafenfunktion als Vorsitzender bei einem Rechtsgeschäft finden. Denn - darauf muß entschieden hingewiesen werden - nur diesen Sinn haben die Worte der Urkunde "fideli nostro Heinrico comiti de Dannenberg, cuius idem comitatus erat, per sententiam auctoritatem dedimus vice nostra iudicio presidendi". 62 ) Die Art der Grafschaft, wie er sie hier ausübte, war völlig verschieden von seiner Stellung in der Grafschaft Dannenberg. So ist es denn erklärlich, sowohl, daß wir später keine Spur von Besitz der Dannenberger Grafen in dieser Gegend vorfinden 63 ), als, daß sonst nie wieder weder Heinrich noch seine Nachfolger als Grafen von Gardelegen bezeichnet werden; er war hier Graf nur in Vertretung der Askanier. Dabei ist das "fidelis
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noster" auf die Dannenbergischen Besitzungen um Salzwedel zu beziehen. 64 )
Doch hatte sich Heinrich von Dannenberg, obwohl wir ihn diese ganze Zeit in der Umgebung der Markgrafen von Brandenburg oder des .Herzogs Bernhard finden 65 ), keineswegs völlig von der welfischen Partei entfernt. Es hat sogar den Anschein, als ob auch er sich Heinrich dem Löwen, als dieser im Jahre 1189, die Abwesenheit des Kaisers und des Grafen Adolf von Holstein benutzend, aus seiner zweiten Verbannung zurückkehrte und den Kampf gegen Herzog Bernhard begann, angeschlossen hat. Vielleicht, daß auch er mit dem schwächlichen Regiment des neuen Herzogs nicht einverstanden war, da er von ihm bei seinem Kolonisationswerk keine Unterstützung zu erwarten hatte. 66 ) Jedenfalls werden von Bischof Isfried von Ratzeburg, einem der treuesten Anhänger des Welfen, in der schon angeführten Urkunde M. U.-B. I, 150 unter den ihm von Graf Heinrich von Dannenberg geleisteten Diensten auch solche "coram domino Hemrico Saxonum duce" erwähnt. Welcher Art diese Dienste gewesen sind, vermögen wir nicht zu erkennen. Jedenfalls soviel steht nach dieser Urkunde fest, daß Heinrich I. von Dannenberg, offenbar einer der Tatkräftigsten aus dieser Familie, stets bestrebt war, seine Macht und sein Gebiet zu vergrößern. Schon mehrfach war er unter Hinweis auf seine und seines Vaters Ergebenheit gegen die Ratzeburger Kirche und ihren Bischof an Isfried mit der Bitte herangetreten, ihm in der Ratzeburger Diözese ein Lehen zu erteilen. In Hagenow willfahrte endlich um 1190 67 ) der Bischof diesen Bitten und verlieh dem Grafen die Zehnten der Länder Jabel und Weningen, d. h. wie die Urkunde selbst interpretiert, einmal das Land zwischen Sude und Walerow, [heute Rögnitz] und zweitens das Land zwischen Walerow, Elbe und Elde. Und zwar in der Form, daß in Weningen einstweilen noch die Abgaben der Slaven in der von Heinrich dem Löwen fest-
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gesetzten Höhe 68 ) in die Kasse des Bischofs fließen und der Graf erst dann, wenn das Land von Deutschen besiedelt sei, in den Genuß des Zehnten treten sollte; und etwas abweichend für Jabel, das noch zum größten Teil wüste Heide war, in der Weise, daß der Graf sich verpflichtete, dies Gebiet binnen zehn Jahren zehntpflichtig zu machen und daß dann er und der Bischof sich in den Zehnten teilten. Ganz frei von der Verpflichtung der Zehntzahlung blieb natürlich die "curia episcopalis" des Landes Weningen, das schon in den Urkunden Heinrichs des Löwen für Ratzeburg genannte Malk.
Diese Urkunde ist in jeder Hinsicht von außerordentlichem Interesse. Nicht nur, daß damit der Grund zu den in späterer Zeit vielfach genannten bedeutenden rechtselbischen Besitzungen der Dannenberger Grafen gelegt war 69 ), - auch in die Art der Kolonisation erhalten wir hier einen recht willkommenen Einblick. Wahrscheinlich hat auch Heinrich von Dannenberg ebenso wie einige Jahrzehnte früher Adolf von Holstein, Heinrich und Bernhard von Ratzeburg und Albrecht der Bär, wie überhaupt alle Herren, die sich hier an der Kolonisation beteiligten, fremde Ansiedler ins Land gezogen, vielleicht z. T. von seinen magdeburgischen Besitzungen, dann aber auch ebenso wie die übrigen Herren Holländer. Jedenfalls werden "Holländer-Hufen" im nahen Darzing - dem heutigen Amte Neuhaus - erwähnt 70 ), und auch der mehrfach in dieser Gegend sich findende Name "Holländerei" 71 ) möchte darauf deuten, daß hier die Besiedlung,
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hauptsächlich der Elbmarsch, deren Bebauung den Slaven besonders große Schwierigkeiten bereitete, durch Holländer stattgefunden hat.
Wie im einzelnen der Prozeß der Germanisierung sich hier vollzogen hat, vermögen wir nur unvollständig zu erkennen. Jedenfalls das eine steht wohl fest, daß man, nachdem in den Slavenkriegen Heinrichs des Löwen und Albrechts des Bären der Widerstand der Slaven gebrochen und deutsche Kolonistendörfer überall angelegt und so der Zusammenhang der Slaven zerstört war, jetzt viel friedlicher vorging. Wohl nur selten fand noch eine förmliche Vertreibung der Slaven statt, wie sie uns eine Lübecker Urkunde aus dem Jahre 1250 berichtet. 72 ) Und es ist bezeichnend, daß hier ausdrücklich bestimmt wird, daß diese Vertreibung "friedlich und freundschaftlich" geschehen solle, immerhin ein großer Fortschritt im Verhältnis zu den von den Billungerzeiten bis auf Heinrich den Löwen mit größter Erbitterung und Grausamkeit geführten Vernichtungskämpfen. Neben den Slaven siedelten sich Deutsche im selben Dorfe an und richteten hier die deutsche Hufenverfassung und deutsche Bebauungsweise ein. Man wird sich nachgerade den Gedanken der völligen Ausrottung der Slaven abgewöhnen müssen. 73 ) Und gerade hier in den eben erwähnten Ländern Jabel und Darzing hielten sie sich noch sehr lange in geschlossener Masse, während auf dem linken Elbufer offenbar schon sehr bald in der Grafschaft Dannenberg die Deutschen in der Mehrzahl waren, sei es, daß, dies Gebiet vorher überhaupt nur dünn bevölkert war 74 ), sei es, daß sich die Slaven vor den eindringenden Deutschen in die Lüchower Gegend zurückzogen, wo sich Reste wendischer Sitte und wendischen Rechts noch bis ins
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17. Jahrhundert gehalten haben 75 ) und wo noch heute manche Spracheigentümlichkeiten an die Wendenzeit erinnern.
Wirksam finden wir dann diesen Vertrag des Grafen Heinrich mit Bischof Isfried in dem Ratzeburger Zehntregister vom Jahre 1230, wo die Dannenberger Grafen in der Tat als Besitzer des Zehnten im Lande Weningen genannt werden. 76 ) Doch ist es ihnen bis dahin noch nicht gelungen, das Land Jabel, wie es Heinrich versprochen hatte, zehntpflichtig zu machen. Noch immer bezieht hierher der Bischof seine biscoponitza. Offenbar sind die Dannenberger Grafen nie dazu gelangt, hier irgendwelche Rechte auszuüben, da der minderwertige Boden der Jabelheide und die bald darauf hereinbrechenden unruhigen Zeiten lange die deutsche Ansiedlung hinderten. Denn noch im Jahre 1258 entwerfen die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg und Sachsen-Lauenburg, nachdem sie sich über ihre Ansprüche an diese Gebiete geeinigt haben, einen Plan zur gemeinsamen Kolonisation der Länder Darzing und Jabel. 77 )
Wird bereits in dieser Urkunde Isfrieds um 1190 Graf Heinrich als Freund Heinrichs des Löwen genannt, so finden wir ihn mit seiner eigentlichen Grafschaft bald wieder in völliger Abhängigkeit von den Welfen. Von einer Ausübung des herzoglichen Amtes durch Bernhard ist hier kaum etwas zu bemerken.
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Niemals hören wir von einem hier abgehaltenen Landtag, keine Urkunde läßt eine Tätigkeit für diese Gebiete erkennen. Mit seinen eignen Grafen war er bald in Streit geraten. Und nun überließ er sie gegenüber den immer mächtiger vordringenden Dänen sich Selbst. Abgesehen von der ersten Zeit seiner Regierung scheint er sich selten in seinem Herzogtum aufgehalten zu haben. 78 ) So war es, nachdem Heinrich der Löwe im Jahre 1195 gestorben war, seinen Söhnen ein Leichtes, sich nach und nach im östlichen Sachsen wieder in den Besitz der 1180 verlorenen Gebiete zu setzen. Wie der vielumstrittenen Grafschaft Stade bemächtigten sie sich auch wieder der Grafschaften Dannenberg und Lüchow, während Graf Gunzel II. von Schwerin sich längst ihrer Partei angeschlossen hatte. 79 ) Um so sicherer fühlten sich die drei Söhne Heinrichs des Löwen bereits wieder in ihrem Besitz, seitdem sie im Januar des Jahres 1202 zu Hamburg mit König Knud von Dänemark und dessen Bruder, dem Herzog Waldemar, eine Doppelheirat zwischen den beiden Fürstenhäusern verabredet hatten. 80 ) So kann es nicht wundernehmen, daß bei dem Teilungsvertrag, den am 1. Mai 1202 die drei welfischen Brüder zu Paderborn schlossen, ebenso wie die rechtselbischen Besitzungen des Herzogs in Lauenburg und Mecklenburg auch die Grafschaften Dannenberg und Lüchow an Wilhelm von Lüneburg fallen, ohne daß von Ansprüchen Herzog Bernhards nur im geringsten die Rede ist; wird doch selbst Hitzacker, das Friedrich I. dem Herzog Bernhard ausdrücklich als Entschädigung für Lübeck verliehen hatte 81 ), hierbei als Besitz Wilhelms genannt.
Zwar ist bei diesem Vertrag von Dannenberg und Lüchow nur als "urdes" die Rede; doch bedarf es keines Beweises, daß diese hier lediglich als Mittelpunkte der Grafschaften aufzufassen sind, ebenso wie die übrigen in der Urkunde genannten Orte nur zur näheren Bezeichnung der vorher nach einigen Grenzpunkten angegebenen Gebiete dienen. 82 ) So finden wir denn auch seitdem häufig die Welfen des Hauses Lüneburg als Oberlehnsherren
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dieser beiden Grafschaften genannt. 83 ) Wichtig an dieser Urkunde ist uns noch, daß hier Dannenberg zum ersten Male als Stadt begegnet. Zwar dürfen wir nicht ohne weiteres "urbs" mit "Stadt" übersetzen; doch erscheint unsere Annahme, daß diese Übersetzung hier am Platze ist, dadurch gerechtfertigt, daß um dieselbe Zeit in Lüneburg eine städtische Organisation nachweisbar ist 84 ), eine Tatsache, die nicht ohne Wirkung auf benachbarte Orte geblieben sein wird. Diese Nachricht ist uns um so wichtiger, als wir sonst für die nächste Zeit niemals etwas über die innere Einrichtung und Entwicklung unserer Grafschaften hören.
Inzwischen hatten die Eroberungen der Dänen glänzende Fortschritte gemacht. Die Grafschaften Holstein und Ratzeburg waren in ihrer Gewalt, ja Graf Adolf von Holstein selbst wurde von ihnen seit dem Dezember 1201 gefangen gehalten. 85 ) Im Herbst 1203 endlich war auch Lauenburg, die letzte Festung, die bisher noch den Dänen getrotzt hatte, zur Übergabe bereit, falls Adolf III. aus seiner Gefangenschaft befreit wurde. Dieser wurde nun aus Dänemark herbeigeholt und mit ihm in der Weise Frieden geschlossen, daß er auf Holstein zugunsten König Waldemars verzichtete und ihm für dessen sicheren Besitz zwölf Geiseln stellte. Unter diesen war außer zwei eigenen Söhnen des Holsteiner Grafen und einem Sohne des Grafen Ludolf von Dassel, eines Bruders Adolfs von Ratzeburg, auch ein Sohn Heinrichs I. von Dannenberg. 86 ) Doch wahrscheinlich nicht sein ältester Sohn Volrad, wie meistens angenommen wird 87 ), sondern sein zweiter,
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der spätere Graf Heinrich II. Denn der Bestimmung gemäß sollten diese Geiseln erst nach zehn Jahren oder nur unter der Bedingung eher zurückgegeben werden, daß König Waldemar oder Graf Adolf vor Ablauf dieser Frist stürben. Doch obwohl letzteres nicht geschah, finden wir Volrad bereits im Jahre 1207 wieder zu Salzwedel, wo er zusammen mit seinem Vater Zeuge in einer Urkunde des Markgrafen Albrecht ist. 88 ) Nimmt man dagegen Heinrich II. für jenen dem König Waldemar gegebenen jungen Dannenberger Grafen, so ergibt sich eine sehr willkommene Ergänzung zu einer sonst ziemlich zusammenhanglos dastehenden Nachricht, die uns unten noch weiter beschäftigen wird, daß nämlich im Jahre 1236 in der Schlacht bei Seule auch ein Graf von Dannenberg im Kampfe gegen die Litauer gefallen sei. Daß dies Heinrich II. war, wird unten nachgewiesen werden. Wie kam nun ein Dannenberger Graf, dessen Interessenkreis an und für sich sicherlich das Schicksal des Ostseegebietes fernlag, nach Kurland? Da erscheint es nun sehr einleuchtend, daß er während seines zehnjährigen Aufenthaltes in Dänemark, das eben damals unter seinem großen König nicht nur in Deutschland, sondern viel mehr noch in den heutigen Ostseeprovinzen gewaltig sich ausdehnte, Eroberungszüge nach Livland und Estland unternahm und dort Kolonien gründete 89 ), zum ersten Male von jenen Ländern hörte und sich mit Kreuzzugsideen gegen die Litauer vertraut machte. Möglich sogar, daß er bereits damals von Dänemark aus an solchen Zügen teilnahm.
Mit einiger Sicherheit scheint noch ein anderes aus Arnolds Nachricht hervorzugehen. Wenn neben dem Sohn des ausdrücklich als Verwandten 90 ) Adolfs III. bezeichneten Ludolf von Dassel ein Sohn Heinrichs von Dannenberg als Geisel gegeben wird, so läßt das auf eine enge Verbindung auch dieser beiden Grafenhäuser schließen. Möglich, daß diese lediglich in einer persönlichen Freundschaft bestand, wahrscheinlicher jedoch, daß ihr auch ein Verwandtschaftsverhältnis zugrunde lag, welches dann, da uns andere derartige Beziehungen nicht bekannt sind, in der bereits von anderer Seite vermuteten Richtung zu suchen wäre 91 ), daß nämlich Heinrich II. eine Tochter Adolfs III. von Holstein zur Gemahlin hatte. Da diese beiden vielleicht eben damals oder kurz
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zuvor in noch jugendlichem Alter, wie es die Sitte der Zeit war, verlobt waren, konnte Arnold Heinrich von Dannenberg noch nicht eigentlich als Verwandten des Holsteiners bezeichnen. Für ein solches verwandtschaftliches Verhältnis dürfte auch der Umstand sprechen, daß als Sohn Heinrichs II. ein Adolf auftritt, ein Name, der bisher in der Dannenberger Familie nicht gebräuchlich war.
Zweimal hören wir dann noch von dem Dasein Heinrichs I. von Dannenberg. Einmal in der bereits erwähnten Urkunde, die Markgraf Albrecht II. von Brandenburg am 4. Februar 1207 zu Salzwedel ausstellt 92 ), und dann, zum letzten Male, am 28. August 1209 zu Lüneburg, wo er und sein ältester Sohn, Volrad, an erster Stelle unter den Vasallen Wilhelms von Lüneburg als Zeugen genannt werden, daß er der neu zu gründenden Stadt Löwenstadt - ,dem heutigen Bleckede - das Recht einer freien Stadt verleiht und ihr "Weichbild" abgrenzt. 93 ) Wenige Wochen darauf scheint er gestorben zu sein; denn in einer am 22. Oktober desselben Jahres zu Bismark in der Altmark für Bischof Sibot von Havelberg ausgestellten Urkunde Albrechts II. von Brandenburg erscheint bereits sein Sohn Volrad allein als Zeuge 94 ), und später finden wir Heinrich nie mehr genannt.