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Von
Johannes Weißbach , Dr. phil.
Z um richtigen Verständnis des evangelischen Landeskirchentums, wie es uns die Reformation gebracht hat, bedarf es einer näheren Untersuchung des Verhältnisses zwischen den Territorialgewalten und den kirchlichen Faktoren am Ausgange des Mittelalters. 1 ) Es ist die Aufgabe solcher Forschungen, vor allem den Nachweis über die Art und den Erfolg der Versuche der Landesherren zu führen, ihre Gewalt auf kirchliches Gebiet auszudehnen.
Wir können uns nicht der Meinung jener 2 ) anschließen, die in den Bestrebungen dieser Art bereits ein Landeskirchentum erblicken, kann doch von einer Lostrennung der Kirchen einzelner Gebiete aus dem Gefuge der Universalkirche, wie es die nachreformatorischen Landeskirchen voraussetzen, nicht die Rede sein. Wir sehen mit vielen anderen in diesen Anfängen eines landesherrlichen Kirchenregiments nur die Vorbereitung der sich erst infolge der Reformation ausbildenden Landeskirchen. 3 ) Hierbei
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ist jedoch ein inniger Zusammenhang zwischen der Zeit vor und nach der Reformation nicht zu verkennen, ja die Verhältnisse in jener sind als Vorbereitung und notwendige Vorbedingung für die kirchlichen Neueinrichtungen infolge des Auftretens Luthers anzusehen.
In neuerer Zeit sind eine Reihe von Untersuchungen über diesen Gegenstand für verschiedene Territorien erschienen. 4 ) Naturgemäß zeigen sich infolge der Eigenart der lokalen Verhältnisse sehr große Verschiedenheiten in der Stellung der Landesherren zur Kirche ihres Territoriums.
Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, den entsprechenden Verhältnissen in Mecklenburg nachzuforschen. Da eine quellenmäßige Untersuchung des gesamten Zeitraumes etwa vom Sturze Heinrichs des Löwen an zu umfangreich werden würde, haben wir uns auf die letzten Jahrzehnte vor der Reformation beschränkt. Die Wahl gerade dieses Zeitraumes scheint noch dadurch bedingt zu sein, daß unmittelbar zuvor die Konsolidierung des mecklenburgischen Territoriums in der Hauptsache vollendet war.
Bevor wir mit der Ausführung beginnen, müssen wir darauf hinweisen, daß sich für unser Gebiet kein so klar ausgebildetes landesherrliches Kirchenregiment nachweisen läßt, wie wir es etwa in Brandenburg finden. Dies liegt einesteils daran, daß die Kurie dem in der Reihe der deutschen Bistümer nur unbedeutenden Schwerin in den Landesherren keine Macht beschränkend an die seite zu setzen brauchte, um dadurch etwaiger Emanzipationsgelüste Herr zu werden. Andererseits spielten unsere Herzöge im
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Rate der deutschen Fürsten keine so bedeutende Rolle, daß große Opfer auf kirchlichem Gebiete, wie sie die Kurie zur Gewinnung der Kurfürsten für ihre Zwecke nicht gescheut hatte, entsprechende Gegenleistungen seitens der Landesherren gefunden hätten. Unerwähnt darf ferner nicht bleiben, daß die mecklenburgischen Herzöge lange Zeit hindurch die Kraft ihres Landes in fruchtloser GroßmachtspoIitik vergeudet hatten, die naturgemäß eine Schwächung der fürstlichen Macht nach innen im Gefolge haben mußte.
Trotz der nicht besonders günstigen Verhältnisse erscheint es uns ganz besonders interessant zu sein, an einem kleineren Territorium nachzuweisen, wie die allgemein sich geltend machenden Tendenzen, den landesherrlichen Einfluß auf kirchliches Gebiet auszudehnen, nicht nur in den größten Territorien hervortreten.
Eine zeitlich vollständige Betrachtung des Gegenstandes unserer Untersuchung kann erst mit dem Zeitpunkte einsetzen, wo die Umwandlung des slavisch-heidnischen Fürstentums in eine Territorialherrschaft von deutsch- christlicher Art vollendet oder doch wenigstens sehr gefördert war. Dieser Prozeß machte nach den Eroberungen Heinrichs des Löwen von Sachsen große Fortschritte dank des gerade damals überaus lebhaften Ausbreitungsbedürfnisses des deutschen Volkes, mit dessen Hilfe große Gebiete im Osten dem Deutschtum nach Jahrhunderte langem Verluste wiedergewonnen wurden. Hierbei wirkte die Kirche als Trägerin deutscher Kultur außerordentlich mit.
Solange die Wendenfürsten sich nicht in die veränderten Verhältnisse gefunden, sondern in der Kirche, der Bundesgenossin der eindringenden Fremden, nur eine Feindin gesehen hatten, konnte die gegenseitige Stellung keine ersprießliche sein. Erst als die Fürsten nach dem Sturze Heinrichs des Löwen wieder zu selbständigen - wenigstens im großen und ganzen selbständigen - Territorialfürsten geworden waren, machten Sie ihren Frieden mit der Kirche. Sie erkannten ihren und ihres Landes Vorteil darin, sich eines bedeutenden Teiles ihrer früheren weit reichenden landes- und grundherrlichen Rechte zugunsten der einwandernden deutschen, christlichen Ansiedler zu entäußern und dagegen den Ertrag
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deutscher Kultur einzutauschen. Dadurch aber, daß sich die Verhältnisse - auf Kosten des Slaventums - derartig verschoben hatten, bekam die Herrschaft der Wendenfürsten einen anderen Charakter; sie stieg auf gleiche Stufe mit der im deutschen Mutterland im Entstehen begriffenen territorialen Fürstenherrschaft.
Grundlegend für die kirchlichen Zustände Mecklenburgs war die Gestaltung, die sie durch Heinrich den Löwen erfuhren. Bei ihrer Betrachtung dürfen wir uns nicht auf das Bistum Mecklenburg, das spätere Schwerin, beschränken, sondern müssen auch Ratzeburg und Oldenburg, das spätere Lübeck, berücksichtigen. Da die Verhältnisse in den drei Wendenbistümern fast die gleichen waren, können nur nötigenfalls Rückschlüsse auf Schwerin ziehen, von dem oft nichts Genaueres bekannt ist, da ein großer Teil seines Archivs verloren gegangen ist.
Heinrich betrachtete die Kirche als Werkzeug seiner Pläne und wollte sie deshalb bei der Unterwerfung des Ostens als Kulturfaktor verwenden. Zuvor aber mußte er sie ganz seinem Einfluß unterwerfen.
Jm Jahre 1149 5 ) hatte der Erzbischof von Bremen, Hermann von Stade, die Wendenbistümer erneuert und Vicelin für Oldenburg und Emmehard für Mecklenburg geweiht, ohne sich mit Heinrich, von dem in erster Linie die Dotation der genannten Bistümer abhing, in Verbindung gesetzt zu haben. Dieser zwang daher als Landesherr und Markgraf des von ihm eroberten slavischen Gebietes ohne begründeten Rechtsanspruch 1150 den Bischof Vicelin, die Temporalien über das Stift Oldenburg aus seiner Hand entgegenzunehmen und ihm den Eid der Treue zu schwören. Von Emmehard, der wegen der Verhältnisse in seinem Sprengel seine Wirksamkeit noch nicht entfaltet zu haben schien, hören wir nichts Ähnliches.
Das Bistum Ratzeburg, dessen Sprengel schon seit 1142 teilweise in eine deutsche Grafschaft umgewandelt worden war, konnte wegen der Ansprüche des Bistums Verden auf dieses Gebiet nicht erneuert werden.
Den Abschluß des Strebens nach Erlangung des Investiturrechts über die drei Obotritenbistümer bezeichnet der Goslarer Hostag im April 1154. 6 ) Auf diesem trat Friedrich I. Seinem Vetter Heinrich das Recht der Investitur in den drei genannten Bistümern ab. Außerdem ermächtigte er ihn, nach Belieben in
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den schon eroberten oder noch zu erobernden Gebieten jenseits der EIbe, welche der Sachsenherzog zu Lehn hatte, Bistümer und Kirchen zu stiften und mit Reichsgut - als solches galt das Slavenland - auszustatten. Auch in den etwaigen Neugründungen sollte Heinrich das Investiturrecht haben.
Der Erzbischof von Bremen, der durch diese Verleihung seine Metropolitanrechte gefährdet sah und fürchtete, daß Heinrich diese wenig respektieren würde, weigerte sich, Bischöfe, die nicht vom König investiert wären, zu weihen.
Papst Hadrian IV. weihte, obwohl er zuerst schwankte, die vom Sachsenherzog ernannten Bischöfe Gerald von Oldenburg und Berno von Mecklenburg. Dadurch erteilte er seine Einwilligung, vermied aber eine ausdrückliche Willensäußerung.
Als ganz natürliche Folge des Goslarer Tages zeigte sich von nun an eine warme Anteilnahme Heinrichs an allen Fortschritten der Kirche im Wendenland; bedeuteten diese doch zugleich einen Machtzuwachs für ihn selbst.
Noch 1154 7 ) erneuerte er das Bistum Ratzeburg, ohne sich im mindesten um die Ansprüche Verdens zu kümmern. Diese wurden erst später durch einen Vertrag aus der Welt geschafft. 1158 8 ) erkannte der Erzbischof von Bremen das Investiturrecht Heinrichs an; dieser tat dasselbe bezüglich der Metropolitanrechte Bremens über die drei Wendenbistümer. Im selben Jahre 9 ) wies Heinrich dem Bistum Ratzeburg endgültig seinen Sprengel an und ernannte Evermod zum Bischof.
Von vorn herein unterschieden sich die drei Bistümer des Obotritenlandes dadurch von denen im deutschen Mutterland, daß sie bei weitem nicht so reich privilegiert waren, wie jene. Dies lag einerseits daran, daß eine allzugroße Freiheit nicht im Interesse Heinrichs liegen konnte, andererseits hatte es seinen Grund in der Eigenart der Sprengel, die größtenteils dem Heidentum erst abgerungen werden mußten.
Am gefährdetsten war das Bistum Mecklenburg, das deshalb auch bei jedem Kampfe der Slaven mit den Deutschen schwer zu leiden hatte. Besser wurde die Lage erst, als Heinrich das Burggebiet der alten wendischen Feste Schwerin im Jahre 1167 zur Grafschaft unter Gunzelin von Hagen machte. Schon vorher hatte er das Gebiet dieses Ortes aus dem Ratzeburger Sprengel
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ausgeschieden und dorthin den Sitz des Bistums Mecklenburg aus dem Orte gleichen Namens verlegt. Schwerin wurde somit kirchlicher Mittelpunkt des Landes.
Ein völliger Umschwung der Verhältnisse trat ein, als sich Heinrich der Löwe infolge seiner ungünstigen politischen Lage im Reiche veranlaßt sah, den von ihm 1164 gänzlich besiegten und seines Landes beraubten Slavenfürsten Pribislav dadurch aus der Zahl seiner Feinde auszuscheiden, daß er ihm 1167 gegen den Schwur der Treue und des Gehorsams sein väterliches Erbteil zurückgab.
Von nun an bahnte sich zwischen den slavischen Landesfürsten, die sich schon seit einiger Zeit zum Christentum bekannten, und der Kirche in immer steigendem Grade ein freundschaftliches Verhältnis an.
Nach der Wiedereinsetzung Pribislavs schien das Wendenland endgültig zur Ruhe gekommen zu sein. Am 7. November 1169 10 ) hatte Heinrich den Bistümern ihre Privilegien nochmals verbrieft. Am 9. September 1171 11 ) endlich erhielt das Bistum Schwerin an Stelle der früheren allgemeinen Anweisungen aus 300 Hufen unter Mitwirkung Pribislavs und des Pommernherzogs Kasimir, in dessen Gebiet der Schwerinsche Sprengel übergriff, die wirkliche Dotation.
Das Bistum Schwerin umfaßte - weniger wichtige Veränderungen lassen wir unberücksichtigt - die Burgen Mecklenburg, Schwerin, Kutin, Kessin mit allen dazu gehörigen Ortschaften. Davon ausgenommen war die Insel Poel, die zu Lübeck gehörte, und das Land Bresen, welches für das Stadtgebiet Schwerin an Ratzeburg gekommen war. Fernerhin rechnete man dazu die Burgen Parchim und Malchow mit dem umgebenden Gebiet und das zu Pommern gehörige Herzogtum Demmin, mit den Landen Tollense, Plote, Loitz, Tribsees und Circipanien. Im Nordwesten war der Sprengel vom Ratzeburger durch die Gewässer Wissemara, Stivina und Lusnusnitza getrennt. Im Osten bildeten gegen das Bistum Kammin (damals noch in Julin bestehend), der Rieck und die Trebel, im Süden gegen Havelberg die Elde die Grenze. Der Sprengel des Bistums Kamin umfaßte vom mecklenburgischen Territorium Gnoien, Dargun, Neukalen, Teterow, Malchin; nach 1229 auch Güftrow und Krakow, später auch das ehemals pommersche Stavenhagen. Zu Havelberg gehörte das Land
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Stargard (damals noch brandenburgisch), das Land um Penzlin und das gesamte linke Ufer der Elde, damit auch die Neustadt Röbel und die links der Elde liegende Georgenkapelle zu Neustadt. Zum Bistum Brandenburg die ursprünglich märkischen Städte Fürstenberg und Feldberg.
Die Ausstattung 12 ) des Bistums Schwerin bestand aus 300 Hufen Grundbesitz und zwei Dörfern und zwei Höfen aus dem Allodium des Sachsenherzogs. Die Hufen waren dem Lehn, dem früheren Allodium, der Herren des Wendenlandes und des Grafen von Schwerin entnommen. Bei weitem die bedeutendsten dieser Stiftsgüter lagen im Lande Pribislavs. so erhielt der Bischof von ihm das Land Bützow, die Insel Lieps im Schweriner See, sechs Dörfer im Lande Ilow und den Ort Goderac im Lande Kessin; dazu noch ein Dorf im Müritzlande und ein weiteres im Lande Warnow. Das Kapitel wurde von Pribislav mit vier Dörfern in Ilow und 30 Hufen im Lande Bresen dotiert. Der Graf von Schwerin überließ dem Bischof den Schelfwerder bei Schwerin, dem Kapitel die Pfarre zu Schwerin und die beiden Dörfer Rampe und Hundorf. Kasimir von Pommern schenkte dem Bischof das Dorf Wotenik im Lande Demmin.
Welche rechtliche Stellung zu dem Sachsenherzog nahmen die Wendenbistümer ein?
Dieser befaß das Investiturrecht, sonst gewährleistete er ihnen die Immunität. Trotzdem mußten die Untertanen der Stifter dem Markding des Herzogs beiwohnen, seinem Aufgebote folgen und mit Ausnahme von je zehn Vorwerken für die Bischöfe Burgdienste leisten. 13 ) Aber bereits 1174 14 ) erließ Heinrich dem Bischof von Ratzeburg die Verpflichtung, seine Untertanen zum herzoglichen Markding zu schicken.
Als Beweis seines Einflusses kann es gelten, daß Heinrich nach dem Tode Evermods im Jahre 1178 dem Domkapitel den ihm genehmen Isfried aufdrang, obwohl damals seine Stellung im Reiche bereits außerordentlich schwierig geworden war. Trotz der kräftigsten Unterstützung des Erzbischofs von Bremen konnte das Kapitel diese Vergewaltigung seines Wahlrechts nicht verhindern.
Von einer reichsunmittelbaren Stellung der Bischöfe kann in der eben besprochenen Periode durchaus nicht die Rede sein.
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Auch die 1170 15 ) dem Bischof Berno von Schwerin erteilte kaiserliche Bestätigung seines Besitzes darf nicht als Beweis der Unmittelbarkeit aufgefaßt werden.
Der Sturz Heinrichs des Löwen brachte dem Lande und allen Verhältnissen neue Verwirrung und neue Kämpfe. Erst allmählich entwickelte sich eine neue, von der Selbständigkeit der einzelnen Territorialherren getragene Ordnung der Dinge.
Die Lehnsherrlichkeit über die wendischen Bistümer hätte dem Nachfolger Heinrichs in diesen Gebieten, dem Herzog Bernhard von Sachsen, zufallen müssen. Bei der Absetzung Heinrichs war nämlich vom Übergang des Investiturrechts in den überelbischen Gebieten an den Kaiser nicht die Rede gewesen, dieses Recht aber war nach der Urkunde vom Jahre 1154 16 ) nicht nur dem Herzog Heinrich, sondern auch allen seinen Nachfolgern in dieser Provinz verliehen worden. Bernhard übernahm die Lehnshoheit über die wendischen Fürstentümer 17 ) und die Grafschaft Schwerin. Als er aber von dem Bischof Isfried von Ratzeburg, der vor kurzem erst den Bischofsstuhl bestiegen hatte, die Lehnshuldigung verlangte, verweigerte sie dieser 1181 mit Erfolg dem Sachsenherzoge.
Kurze Zeit darauf nahm der Kaiser ohne irgendwelche prinzipielle Erörterung des Rechtsstandes das Investiturrecht für sich in Anspruch, indem er 1183 18 ) den Bischof Konrad von Lübeck und 1186 19 ) dessen Nachfolger, Dietrich, investierte. Die Bischöfe waren also reichsunmittelbar geworden.
Auf kurze Zeit wurde dieses Verhältnis dadurch gestört, daß der König von Dänemark die Bistümer wie das ganze Obotritenland seinem Reiche einverleibte. Bereits am 4. Juli 1224 20 ) wurde jedoch in dem Vertrage mit König Waldemar bestimmt, daß die Bischöfe fernerhin die Regalien vom Reiche, zu dem das ganze vorher in Besitz genommene Gebiet wieder gekommen war, empfangen sollten. Bald darauf verletzte Wilhelm von Holland die unmittelbare Stellung von Ratzeburg und Schwerin dem Reiche gegenüber dadurch, daß er dem Herzog von Sachsen das
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Investiturrecht über diese verleihen wollte. Da baten die drei bedrohten Bischöfe gemeinsam im Jahre 1251 21 ) die übrigen Reichsfürsten, sie als ihresgleichen zu vertreten.
Interessanter für uns ist das Verhältnis der Bistümer zu den Landesherren, deren Stellung nach Heinrichs Sturz fast eine selbständige zu nennen ist. 22 )
Unsere Aufgabe muß es zuerst sein, die rechtliche Grundlage zu dem immer deutlicher zutage tretenden Übergreifen der Fürsten auf kirchliches Gebiet zu untersuchen.
In erster Linie kommt hierbei die Vogtei in Betracht, bei der wir zwischen Stiftsvogtei und Schirmvogtei zu unterscheiden haben.
Die Stiftsvogtei, d. h. die Vogtei, welche in den Gebieten des Stiftes die durch die Immunität gewährleisteten Rechte, besonders den königlichen Blutbann, auszuüben hatte, war nicht in den Händen der wendischen Fürsten.
Bei der Dotierung der Bistümer finden wir von der Bestellung eines Vogtes nur Ratzburg gegenüber in der Urkunde vom Jahre 1158 23 ) etwas näheres. Dort soll die Vogtei dem Grafen von Ratzeburg und seinen Erben als bischöfliches Lehen gegeben werden. In der Urkunde über die Dotierung von Schwerin vom 9. September 1171 24 ) ist von einer Übertragung der Vogtei im Stiftsgebiet an Pribislav nicht die Rede, ja die Verleihungen werden ausdrücklich "cum omni integritate et utilitate nunc et postmodum profutura sine aliqua exceptione" übergeben.
Warum man einen Unterschied zwischen dem deutschen Grafen von Ratzeburg und dem Wendenfürsten Pribislav gemacht hat, erscheint verständlich: Der Bischof Berno von Schwerin fürchtete augenscheinlich, daß der slavische Fürst, der sich bisher als kein allzu getreuer Freund der Kirche und der durch sie betriebenen Germanisation gezeigt hatte, aus der Vogtei allerlei für das Stift unangenehme Rechte ableiten könnte. Dies war um so wahrscheinlicher, als das Stiftsgebiet fast ganz auf Kosten des Allodiums seiner Vorfahren entstanden war. Er selbst, der den Grund und Boden sicher nicht mit großer Bereitwilligkeit dem mächtigen Sachsenherzog zur Verfügung gestellt hatte, mußte nur zu leicht geneigt sein, ein Eigentumsrecht an diesem geltend zu machen.
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Ferner kommt hier wohl auch die starke Opposition in Betracht, die sich in ganz Deutschland schon zu jener Zeit auf seiten der Stifter gegen die weltlichen Fürsten als Stiftsvögte geltend machte, da diese oft ihr Amt zu Bedrückungen mißbrauchten. 25 )
Deshalb wollte der Bischof die Vogtgewalt selbst in der Hand behalten und zur Verwaltung der Blutgerichtsbarkeit einen von ihm abhängigen Adeligen einsetzen. 26 )
Diese Annahme wird gestützt durch eine Angabe des Stiftes Schwerin im Jahre 1595 27 ) anläßlich eines Prozesses vor dem Reichskammergericht, die besagt, daß das Schutzrecht der Fürsten von Mecklenburg nicht von einer Vogtei oder Advokatie, sondern von Verträgen infolge der vielen Fehden des 14. und 15. Jahrhunderts herzuleiten sei.
Für die spätere Zeit läßt sich nach dem durchgesehenen Material feststellen, daß die Stiftsvogtei nicht in die Hände der Landesfürsten gekommen ist, so daß diese also irgend welche Rechte zu Übergriffen auf kirchliches Gebiet nicht aus derselben hergeleitet haben können.
Anders steht es mit der Schirmvogtei. Diese hat sich erst im späteren Mittelalter auf dem rechtlichen Grunde der advocatia ecclesiae des Kaisers entwickelt. Als Schutzherr und oberster Vogt der Kirche war dieser zu ihrem Schutze verpflichtet, konnte aber auch als Vormund der Kirche mancherlei Rechte für sich ableiten. 28 ) Wenn es den Landesherren, die infolge der Ent- wicklung und Konsolidierung ihrer Territorien sich Einfluß auf kirchliche Verhältnisse zu verschaffen wußten, an rechtlichen Grundlagen 29 ) dafür fehlte, so bedienten sie sich dieses kaiserlichen Rechtes, das infolge der Schwäche der Macht des Kaisers schon lange nicht mehr von diesem ausgeübt worden war, als eines "aushilflichen Rechtstitels." 30 )
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Auch für unser Bistum müssen wir eine solche Schirmvogtei als rechtliche Grundlage annehmen. Nach dem Sturze seines mächtigen Beschützers Heinrich war Schwerin vollkommen auf die Landesherren angewiesen. Sein Sprengel befand sich in einem noch nicht völlig dem Christentum gewonnenen, größtenteils von einem fremden, feindseligen Volksstamme bewohnten Lande, das infolge der politischen Ereignisse von Streitigkeiten und Kämpfen erfüllt war. Hülfe beim Kaiser zu finden, war bei dessen Schwäche ausgeschlossen.
Als Zeugnis dieses Schutzbedürfnisses des Stiftes dient uns die wichtige Urkunde vom 18. Juni 1195, 31 ) welche die gegenseitige Stellung zwischen Landesherrn und Bistum rechtlich fixierte und den Abschluß jener großen Zwistigkeiten bildete, die sich nach dem Tode des Bischofs Berno wegen der Wahl eines Nachfolgers entsponnen hatten. Verlangten doch die Fürsten auf Grund der von ihnen hergegebenen Gebiete das Recht, den neuen Bischof jedesmal ernennen zu dürfen. 32 )
In der Urkunde verpflichteten sich die wendischen Fürsten (denn dieses sind die "Wendischen von Adel"), die Dörfer des Bischofs und des Kapitels zu schützen, falls zwischen Deutschen und Wenden Krieg ausbrechen würde.
Natürlich mußte das Stift entsprechende Gegenleistungen versprechen. Im fünften Artikel desselben Vertrages wurde den Fürsten ein gewisses Aufsichtsrecht über das Kirchengut dadurch eingeräumt, daß sich der Bischof verpflichtete, nichts vom Stiftsgut ohne den Rat und die Einwilligung des Kapitels und der Fürsten veräußern zu wollen. Dieses Recht schloß eine Fülle von Möglichkeiten in sich, Einfluß auf das Eigentum und dann auf die Kirche überhaupt zu gewinnen, ja hierin lag schon die erste Veranlassung, in dem Stiftsgebiet einen Landstrich zu sehen, über welchen den Landesfürsten das Obereigentumsrecht zukam. Damit aber war naturgemäß die Reichsunmittelbarkeit des betreffenden Gebietes völlig in Frage gestellt. Als zweites, ebenfalls sehr wichtiges Recht wurde den Fürsten zugestanden, daß die Wahl eines neuen Bischofs dann zu erfolgen hätte, wenn die Kapitelherren von den Fürsten nach Schwerin berufen worden wären. Es liegt klar auf der Hand, daß eine solche Wahl in Gegenwart der Fürsten viele Möglichkeiten bot, ihren Willen geltend zu machen.
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Die Entwicklung der rechtlichen Beziehungen zwischen Staat und Kirche ging weiter: Nachdem die Gefahr eines Kampfes zwischen Deutschen und Wenden endgültig beseitigt war, drohten andere Fehden, so daß das Stift stets auf den landesherrlichen Schutz, den es sich durch mehrfache Erneuerung des Schutzverhältnisses zu erhalten trachtete, angewiesen blieb. 33 )
Verstärkt wurden die bestehenden Beziehungen dadurch, daß die Fürsten zum Bischof hier und da in ein Lehnsverhältnis traten. Für die Belehnung mußten jene ihren Schutz zu gewissen 34 ) Zwecken oder auch ganz allgemein 35 ) versprechen.
Die Fürsten blieben aber nicht bei dem Schutzrecht stehen, sondern sie leiteten Rechte daraus ab, die sie immer stärker betonten, besonders als die Konsolidierung des Territoriums vollendet war, und Aufgaben an den werdenden modernen Staat herantraten, die die reichsunmittelbaren Stiftsgebiete als Fremdkörper im Staate empfinden ließen.
Von vornherein müssen wir bei einer Betrachtung der Stellung der Herzöge von Mecklenburg zum Papsttum nochmals betonen, was wir bereits über die besonderen Umstände, die das Verhältnis zur Kurie beeinflußten, ausgeführt haben.
Wenn aber auch die zu unserer Zeit erworbenen Privilegien keine die bestehenden Verhältnisse umwälzende Bedeutung haben, so sind sie trotzdem durchaus nicht gering einzuschätzen. Haben doch die Herzöge dieselben durch energische und lange sich hinziehende Verhandlungen zu erwerben gewußt zu einer Zeit, wo die Kurie durch keinerlei politische Gründe sich zur Verleihung solcher Rechte veranlaßt sah.
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Sehr verständlich ist es, daß unsere Fürsten in ständiger Verbindung mit Rom zu bleiben suchten. Auf ihren Reisen ins heilige Land berührten sie einige Mal selbst die Stadt der Päpste. so erwies Herzog Magnus 11. im Jahre 1471 auf der Rückreise von Palästina dem damaligen Herrn der Christenheit, Sixtus IV., die schuldige Ehre. 1474 unternahm Magnus eine neue Pilgerfahrt, auf der er wahrscheinlich auch Rom berührte. Ob Balthasar auf seinen Reisen 36 ) den Papst aufgesucht hat, ist allerdings zweifelhaft. Von größerer Wichtigkeit als dieses gelegentliche Zusammentreffen war aber die Reise, die Herzog Magnus II. im Anfang des Jahres 1486 eigens wegen seiner Streitsache mit Rostock nach Rom unternahm.
Von außerordentlichem Einfluß für das Verhältnis der Fürsten zur Kurie scheinen uns die Prälaten zu sein, die für mecklenburgische Interessen als herzogliche Geschäftsführer längere Zeit hindurch am päpstlichen Hofe tätig waren. Vor allem ist hier der spätere Bischof Peter Wolkow, Dompropst zu Schwerin und Güstrow, zu nennen, der vom Rapst Julius II. als sein "Schreiber und Freund" am 1. März 1505 37 ) einen Gnadenbrief erhielt. Abgelöst wurde er im Jahre 1508 von dem ebenso tüchtigen Zutfeld Wardenberg, Dekan zu Schwerin und Güstrow und Propst zu Bützow. Dieser wurde vom Papst mit dem Titel eines päpstlichen Protonotarius und Kapellans 38 ) ausgezeichnet. Ferner sind als herzogliche Bevollmächtigte noch Reiner Holloger, Michael Hildebrand und Nikolaus Franke zu nennen.
In erster Linie kommen die überaus reichlichen Privilegienverleihungen privater Natur für das kirchliche Leben der Herzöge und ihrer Familien in Betracht. Die beste Übersicht über alles Erlangte gibt uns eine Urkunde vom Jahre 1516 39 ): Als Beichtvater können die Fürsten einen weltlichen Pater oder einen Ordensgeistlichen wählen, der ihnen aus päpstlicher Zulassung Absolution geben kann von allem Banne und jeder Pein, Verstößen gegen das Herkommen, Übertretung von Gelübden, Verfehlung gegen das Wort Gottes, Meineid, Totschlag - aus Zufall oder mit Absicht geschehen - und vom Brechen der
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Fasten. Ferner darf der Beichtiger sie von allen Sünden, und mochten diese noch so groß sein, ja sogar von denen, deren Lösung sich der Papst selbst vorbehalten hatte, im Jahr zehn Mal und dann in der Zeit des Todes, auch wenn dieser nicht wirklich eintreten sollte, lossagen; die Herzöge sollten aber alles von Herzen bereut und gebeichtet haben. Von Gelübden, nach Palästina, Rom oder St. Jakob von Kompostella zu wallfahrten, von der Beteiligung an Unternehmungen geistlicher Orden oder Kirchen sind sie befreit, ebenso von allen Eiden, sofern dadurch nicht ein anderer benachteiligt wird. Endlich kann der Beichtvater sie alljährlich einmal, und dann noch zur Zeit des Todes, im allgemeinen freisprechen von aller Sünde, Pein und Schuld.
Weiter dürfen die Herzöge nach derselben Urkunde beständig einen tragbaren Altar mit sich führen auch an ungeweihten Orten, selbst wenn der große Bann und das Interdikt aus päpstlicher oder bischöflicher Macht daraus liegt, es sei denn, daß die Herzöge die Ursache zum Bann gegeben hätten oder ihn verhindern wollten. Ehe der Tag anbricht und nachmittags vor der Vesperpause ist es ihnen erlaubt, für sich, ihre Freunde und Verwandtschaft Gottesdienst halten zu lassen. selbstin der Zeit des Schweriner Bannes darf ihnen - auch zur Osterzeit - ohne irgend einen Nachteil das heilige Sakrament gereicht werden. Tritt ein Todesfall in der herzoglichen Familie ein, so soll ein christliches Begräbnis in aller Feierlichkeit, trotz Bann und Interdikt abgehalten werden. Sind die Fürsten oder Mitglieder ihres Hauses vor dem Bilde der Jungfrau Maria in einer Kapelle, die durch einen Kardinal oder Bischof geweiht ist, andächtig versammelt, so sollen sie denselben Ablaß erhalten, welcher der Kirche der Maria de Populo in Rom verliehen ist. Überhaupt erwerben sie sich dadurch, daß sie Kirchen, Kapellen oder Altäre zur Zeit der Feste oder an anderen Tagen besuchen, wo in Rom der betreffende Heilige Stationen und Prozessionen hat, den Ablaß, der zur selbigen Zeit durch persönlichen Besuch in Rom erlangt werden kann.
Zu Fastenzeiten dürfen sie mit ihrem Gesinde und allen, die an ihrem Tische sitzen, ohne Beschwerung des Gewissens auf den Rat ihres Beichtvaters und Leibarztes Eier, Butter, Käse und Mehlspeisen, ja Freitags sogar Fleisch genießen.
Auf das Gesuch der Herzöge wird diesen weiterhin gestattet, mit ihren Gattinnen und einigen ehelichen Frauen viermal im Jahre allerlei Jungfrauenklöster, auch das zu Ribnitz, mit Erlaubnis der Vorsteher zu besuchen und mit den Klosterjung=
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frauen zu reden, zu essen und zu trinken; nachts jedoch sollen sie die Klöster meiden.
Zuletzt wird jedem Mitgliede der herzoglichen Familie, das ein Fest der heiligen Jungfrau Maria feiert, laufend Jahre Ablaß verliehen.
Wenn auch mancherlei von dem eben Angeführten schon vor unserer Zeit erlangt worden ist, so zeigen uns doch andere Urkunden, 40 ) daß die hauptsächlichsten und richtigsten Privilegien und Indulgenzen von den uns interessierenden Herrschern erworben wurden.
Ungewöhnlicher Art ist die Erlaubnis zum Besuch von Nonnenklöstern. Sie kann deshalb als Beweis des freundschaftlichen Verhältnisses der Herzöge zur Kurie dienen, ebenso wie der Umstand, daß der Papst das im Jahre 1514 erteilte Konfessionale während der Fasten aus besonderer Gnade mit eigener Hand signiert hat.
Wurde in ihrem Territorium Ablaß verkauft, so beeilten sich die damit beauftragten päpstlichen Legaten das Herzogshaus mit reichstem Ablaß auszustatten. 41 )
Den größten Gnadenbeweis jedoch, den der Papst überhaupt verleihen konnte, erhielt Herzog Magnus von Innocenz VIII. Dieser ließ ihm im Jahre 1487 42 ) durch den Prälaten Reimar Hahn die goldene Tugendrose "als einem mächtigen Magnaten und großen Beförderer der römischen Kirche" mit glänzenden Feierlichkeiten überreichen. Den Anlaß zu dieser Verleihung hatte sicherlich die energische Haltung des Herzogs im Streite mit Rostock wegen der Errichtung des dortigen Kollegiatstiftes gegeben.
Derselbe Papst hatte im Jahre zuvor, 43 ) am 3. April, Sophie, die Gattin des Herzogs Magnus, von dem Gelübde ewiger Jungfrauschaft entbunden, das sie als Prinzessin von Pommern-Stettin bei dem 1474 eingetretenen Tode ihres Verlobten Herzogs Erich, des Bruders ihres nunmehrigen Gemahls, abgelegt hatte. Schon seit längerer Zeit war Magnus bemüht gewesen, das Gelübde aus der Welt zu schaffen, aber alle Gelehrten und Geistlichen, die er befragte, rieten ihm ab, sich mit der durch ihren Schwur
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auf ewig gebundenen Fürstentochter zu vermählen; die Gerechtigkeit und öffentliche Ehrbarkeit litte darunter. Trotzdem verheiratete sich der Herzog mit der Prinzessin am 29. Mai 1478, ohne auf das Gelübde Rücksicht zu nehmen. Erst einige Jahre später wandte er sich an den Papst, der seinem Wunsche sofort nachkam und als Pönitenz der Herzogin auferlegte, jährlich drei Arme um Gottes Willen mit weißwollenen Kleidern zum Gedächtnis an die Jungfrau Maria zu versehen.
Eine andere Herzogin, die 1480 als Tochter des Herzogs Magnus geborene Dorothea, hatte als Nonne im St. Clarenkloster zu Ribnitz die Regel nicht gehörig beobachtet. Deshalb bat sie, in eine Niederlassung der Benediktiner, Zisterzienser oder Prämonstratenser übergehen zu dürfen. Am 13. April 1499 44 ) erhielt sie vom Papst Alexander VI. die Erlaubnis dazu, ohne aber, wie wir später sehen werden, von ihr Gebrauch gemacht zu haben.
In welcher Weise der Papst bei der Postulierung des Herzogs Magnus zum Bischof von Schwerin mitgewirkt hat, werden wir später sehen.
Auf ein engeres persönliches Verhältnis zwischen Heinrich V. und Leo X. lassen zwei Briefe schließen. Am 1. Juni 1515 45 ) bittet der Herzog den Papst, den zwischen den Dominikanern und Franziskanern ausgebrochenen Streit über die Mutter Christi durch ein Konzil entscheiden zu lassen. Das andere Mal, am 27. Dezember 1517, 46 ) erläßt Leo X. ein Breve an den Franzis-kanerminoritenmeister der sächsischen Provinz und bittet diesen, einige Minoritenbrüder in das in der Nähe des herzoglichen Schlosses in Schwerin gelegene FranziskanerkIoster aufzunehmen. Diese sollen nämlich auf die Bitte Heinrichs V. hin den Unterricht, besonders in geistlicher Beziehung, des zum Bischof postulierten Herzogs Magnus leiten. Ob dieser Plan zur Ausführung gelangte, ist sehr zweifelhaft; es finden sich reinerlei weitere Zeugnisse von den Minoritenbrüdern, im Gegenteil, überall wird Magister Konrad Regel aus Rostock als Erzieher des jungen Herzogs genannt.
Größtes Entgegenkommen fanden die Herzöge ferner bei Wünschen, die sich auf die Hebung des geistlichen Lebens ihres Landes bezogen. Zu betonen ist allerdings, daß sie diese Forderungen wohl mehr wegen ihres Seelenheiles als zum Nutzen ihrer Untertanen dem Papst vortragen ließen. so erlangte Peter
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Wolkow am 19. September 1500 47 ) die päpstliche Erlaubnis zur Gründung eines Augustinereremitenklosters in Sternberg, der Stadt der geschändeten Hostie, obwohl durch Bonifacius VIII. die Gründung neuer Bettelmönchsklöster verboten worden war.
Als kurz darauf die Lebensfähigkeit dieses Klosters wegen Mangels an Mitteln ernstlich in Frage gestellt war, erlaubte Papst Julius II. am 28. August 1506 48 ) trotz des Widerstandes des Bischofs Johann von Schwerin, einen Teil des bei der Verehrungsstätte des heiligen Blutes in Sternberg einkommenden Geldes für die Zwecke des Klosters zu verwenden. Schon am 19. März 1494 49 ) hatte Bischof Konrad von Schwerin die Verwendung eines gewissen Teiles dieser Einnahmen für eine andere Stiftung der Herzöge, das Rostocker Kollegiatstift, zugestanden und 1504 Papst Julius II. diese Verteilungsart genehmigt. Einige Jahre später, 1515, 50 ) überließ Leo X. wahrscheinlich - ein untrüglicher Beweis ist nicht zu erbringen - auf Bitten des Herzogs Heinrichs V. diesem die Verfügung über das Opfergeld in Sternberg gänzlich zugunsten armer Klöster und armer und verfallener Gotteshäuser.
Einer weiteren Klostergründung unserer Fürsten lieh am 26. Mai 1509 51 ) Papst Julius II. Seine Hilfe. Diese war umso nötiger, weil das Domkapital zu Güstrow, wo die neue Niederlassung des Franziskanerordens ihren Sitz haben sollte, Protest eingelegt hatte. Wie weit die Päpste den Landesherren bei deren Wünschen, die Klöster ihres Territoriums zu visitieren und reformieren, entgegengekommen sind, wird uns ein eigener Teil später zeigen.
Von großer Wichtigkeit sind ferner die Privilegien, welche die Fürsten zum Nutzen für das ganze Land erwarben. Vor allem kommen da die Ablässe in Betracht, welche die Päpste auf Bitten der Landesherren einzelnen Kirchen oder Kapellen verliehen.
Gleich am Anfang unserer Periode, am 16. Juni 1479, 52 ) erlangte Magnus II. von Sixtus IV. einen Ablaß, um dem heiligen Blut im Dome zu Schwerin, dessen Verehrung früher viel stärker gewesen war, zu neuem Ansehen zu verhelfen. Gleiches Interesse hegte der Herzog für das heilige Blut in Güstrow,
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dessen wunderbare Geschichte er persönlich dem Papste erzählte. Der Kapelle, in der man das Heiligtum verwahrte, verschaffte er am 31. März 1486 53 ) einen Ablaß von zwei Jahren. Am gleichen Tage 54 ) begabte der Papft die Schloßapelle zu Schwerin mit hunderttägigem Ablaß. Als im Jahre 1503 55 ) die Güstrower Schloßkapelle abgebrannt war, erteilte der Kardinal Raimund ebenfalls einen Ablaß von hundert Tagen, um den Aufbau und die Einrichtung des Gotteshauses nach Möglichkeit zu fördern. Diesen Ablaß dehnte er in derselben Urkunde auf die Kapellen der fürstlichen Schlösser zu Schwerin, Lübz, Schwaan, Stavenhagen, Stargard und Sternberg aus. In der letztgenannten Stadt sollten die Blutskapelle und das neue Kloster eingeschlossen sein, um auch diese mit dem nötigen Gerät zu versehen. Für die Domkirche des Bistums Schwerin erwirkten die Herzöge trotz ihres schon fast überreichen Ablasses durch Peter Wolkow am 29. September 1506 56 ) von Julius II. einen neuen von fünfundzwanzig Jahren. Obwohl, wie wir schon sahen, die heilige Blutskapelle zu Sternberg bereits im Besitz solcher geistlicher Gnadenmittel war, trug doch Heinrich V. in seiner an Heinrich Franke im Jahre 1515 57 ) für seinen Geschäftsführer in Rom gerichtete Instruktion diesem auf, neue Indulgentien, wenn möglich auch von den Kardinalen, zu erwerben.
Ungleich wichtiger als diese Ablässe sind für unsere Betrachtung die Privilegien der Päpste, die die Herzöge in den Stand setzten, ihre Machtbefugnisse über die Kirche ihres Landes auszudehnen.
Wie die Fürsten von Österreich und Brandenburg schon vor längerer Zeit mit päpstlicher Hülfe Erweiterung ihrer Patronatsrechte erlangt hatten, so versuchten im Jahre 1515 58 ) unsere Herzöge durch ihren Geschäftsträger in Rom, die Besetzung der Propsteien und Dekanate zu Schwerin, Güstrow und Rostock und der Archidiakonate zu Rostock und Parchim in ihre Hand zu be- kommen; der Erfolg dieser Bemühungen ist nicht verbürgt.
Gegen die päpstlichen Provisionen nehmen sie energisch Stellung, wie uns ein Brief des Herzogs Magnus H. an seinen Oheim 59 )
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vom 9. März 1481 60 ) mögen der Präzeptorei des Antoniushauses zu Tempzin zeigt.
Auf dem Gebiete der Jurisdiktion erlangten die Herzöge am 31. Januar 1510 61 ) durch Michael Hildebrand Briefe über die Befreiung ihrer Untertanen von geistlichen Gerichten wegen weltlicher Sachen. 1515 62 ) erscheint in der Instruktion an Nikolaus Franke die Forderung, die mecklenburgischen Landeskinder von sämtlichen auswärtigen geistlichen Gerichten zu befreien, sogar in den Fällen, die sich Papst Julius II. am 5. November 1909 63 ) allein noch reserviert hatte, als er eine Befreiung der Mecklenburger von auswärtigen Gerichten aussprach.
Um Einfluß auf die kirchliche Strafgewalt zu erhalten, ließen die Herzöge, wie mir aus einem Brief vom 20. Juni 1509 64 ) ersehen, in Rom um das Privilegium nachsuchen, den Bann in ihren Landen kassieren zu dürfen, wie es dem Herzog von Pommern und dem Markgraf von Brandenburg 65 ) erlaubt worden wäre. Der Bischof sollte dann verpflichtet sein, von den vom Landesherrn kassierten Bannsprüchen zu absolvieren. Diese Forderung der Landesherren scheint uns berechtigt, wenn wir in einem undatierten an den Papst 66 ) gerichteten Briefe lesen, daß durch das Verhängen des Bannes nicht nur ihr landesherrliches Gericht geschwächt würde. Sondern auch, daß man sich oft dieses Mittels bediente, um Rache für irgend etwas zu nehmen oder sich zu bereichern.
Wenn auch die Herzöge im allgemeinen die geistliche Gerichtsbarkeit einzuschränken suchten, so bedienten sie sich doch gern bei einzelnen Fällen in kluger Politik des Papstes, um mit dessen geistlschen Waffen Siege zu erringen.
Jm Jahre 1482 war Herzog Albrecht VI. in eine Fehde mit dem Hamburger Domkapitel geraten, weil dessen Domdechant, der zugleich päpstlicher Exekutor war, seinen Hofjunker Benedikt von Ahlefeld in den Bann getan hatte. In dieser Angelegenheit hatte man sich mit Herzog Albrecht in keinerlei Verhandlungen eingelassen, ja das Kapitel hatte sogar dessen Briefe uneröffnet zurückgeschickt. Wegen dieser Beleidigung machte Albrecht einen
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Einfall in die Kapitelgüter. Kurz darauf starb er. Da seine Brüder als Nachfolger sich weigerten, den Entschädigungsansprüchen des Kapitels Folge zu leisten, verhängte dieses im Jahre 1483 über die Fürsten den Bann. Für die geringe Wirkung dieses Bannes spricht der Umstand, daß der herzogliche Prokurator in Rom erst nach längerer Zeit mit der Regelung dieser Angelegenheit beauftragt wurde. Am 19. Januar 1485 67 ) setzte er die Befreiung der Herzöge von der Exkommunikation und den übrigen Kirchenstrafen beim Papste durch, ohne daß die Herzöge für den aus 2000 rh. fl. veranschlagten Schaden des betroffenen Domkapitels im ganzen Umfang aufzukommen brauchten. 68 )
Bedeutend wichtiger war der in Rom Jahrzehnte lang geführte Streit mit den Johanniterkomtureien des Herzogtums; handelte es sich doch um die prinzipielle Frage der Besteuerung geistlichen Besitzes. Wie wir noch sehen werden, verlief er für die Herzöge erfolgreich.
Auch im Kampfe mit ihrer Stadt Rostock, den sie mit klügster Benutzung geistlicher Waffen führten, half der Papst den Herzögen bereitwilligst. so schrieb Innucenz VIII. am 15. April 1486 nicht nur an die Stadt Wismar 69 ) und am gleichen Tage an Herzog Bogislav X. 70 ) von Pommern, um deren Unterstützung den Mecklenburger Fürsten zu sichern, sondern er forderte sogar den Kaiser Maximilian I. auf, seine Autorität zugunsten seiner Schützlinge zu gebrauchen. Dieser schrieb dann am 24. März 1490 71 ) mit Bezugnahme auf den päpstlichen Wunsch an Rostock und stellte ihm eine Frist, innerhalb welcher die Stadt gehorsamen sollte. Handelte es sich auch in diesem ganzen Streite um die Errichtung eines kirchlichen Instituts, wodurch der Papst naturgemäß von vornherein interessiert war, so muß doch die überaus energische Parteinahme der Kurie für die Herzöge betont werden.
Zulegt müssen wir noch die Stellungnahme der Herzöge zum Ablaß betrachten; können wir doch daraus auf ein mehr oder minder freundliches Verhältnis derselben zum Papsttum schließen:
Sie legten den im Namen des Papstes in ihr Land kommenden Ablaßhändlern kein Hindernis in den Weg, ja sie wußten sogar
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den Widerspruch, der sich manchmal bei ihren Räten oder Untertanen zu regen begann, zu unterdrücken. Streng forderten sie jedoch von den Bevollmächtigten Einholung der Erlaubnis und Angabe der Orte, wo das Kreuz errichtet werden sollte.
Besonders interessant ist der Ablaß vom Jahre 1501. 72 ) Da der Ertrag desselben wegen des bevorstehenden Krieges gegen die Türken von Alexander VI. dem Kaiser Maximilian I. überlassen worden war, forderte dieser am 7. November 1502 die Herzöge auf, das Ablaßgeld weder dem Papste noch dessen Legaten auszuliefern, sondern zu arrestieren und bis zum nächsten Reichstag in Truhen wohl zu verwahren. Der dritte Teil der Einnahmen sollte wegen der gehabten Unkosten dem päpstlichen Legaten Kardinal Raimund übergeben werden; deshalb wurde am 6. März 1503 das eingenommene Geld gezählt 73 ) und der dem Kardinal zukommende Teil diesem im Laufe der nächsten Jahre ausgeliefert. 74 ) 1517 scheint, den Quittungen des Kaisers an die Städte zufolge, das Geld endlich an denselben abgeliefert worden zu sein, soweit es nicht wegen früherer Schuldforderungen Heinrichs V. aus dessen Dienstzeit im kaiserlichen Heerlager in Mecklenburg blieb.
Ein anderer Ablaß zugunsten des Baues der Peterskirche in Rom wurde am 2. Dezember 1514 75 ) vom Legaten Arcimboldus angemeldet. Da auch der Papst Leo X. am 5. Dezember 1514 76 ) um Zulassung dieses Ablasses bat, erlaubte Heinrich V. denselben in seinen Landen und gab dem päpstlichen Kommissar Dr. Wildeshusen die von diesem erbetenen Kredenzbriefe für die einzelnen Städte. Im ganzen Herzogtum wurden 2255 fl. rh. 77 ) gesammelt, während sich im Bistum der Ertrag auf 140 Mark lübisch und 16 Goldgulden belief. 78 )
Bald darauf, am 6. Dezember 1517, 79 ) erteilte Herzog Heinrich V. dem päpstlichen Legaten Dr. Dominikus die Erlaubnis,
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drei Monate lang Ablaß zugunsten des Heilig-Geist-Hospitals in Rom im Herzogtum zu verkaufen. Als Vorbedingung aber wurde festgestellt, daß ein Drittel der Reineinnahme den Franziskanerklöstern zu Parchim und Güstrow sowie dem Zisterzienserkloster zu Dargun überwiesen würde zur Vervollkommnung von deren Einrichtung. Rostock, für welches Dominikus am 8. April 1518 80 ) die Erlaubnis zum Verkaufe seiner Ablaßbriefe vom Herzog erhalten hatte, wurde deshalb bei diesem vorstellig: Das Geld, welches besser zu Bauzwecken zu verwenden sei, werde durch den Ablaß aus dem Lande fortgeschafft, zumal da erst vor kurzem ein Ablaßhändler im Herzogtum gewesen sei. 81 ) Die Drohung des Bannes aber für Nichtzulassung sei nur eine leere Formel, da nicht einmal die dazu nötigen Exekutoren ernannt worden seien. Ob diese Beschwerde erfolg gehabt hat, erscheint uns deshalb zweifelhaft, weil Heinrich V. auf die Bitte des Legaten vom 7. Januar 1518 82 ) hin dem Ablaß sogar im Bistum Schwerin, in Bützow, Eingang verschaffte, indem er den Administratoren seinen darauf bezüglichen Wunsch aussprach.
Jm April 83 ) desselben Jahres kam ein anderer Ablaßhändler, um mit päpstlicher Erlaubnis Indulgentien zugunsten des Valentinhospitals zu Pusach zur Beherbergung, Kleidung und Speisung armer Kinder zu verkaufen. Er durfte seine Briefe nicht nur in Mecklenburg selbst verkaufen, sondern der Herzog vermittelte ihm auch nach anfänglichem Zögern die Erlaubnis für das Bistum, obwohl dessen Administrator Heinrich V. aufforderte, sehr vorsichtig zu sein, damit die Leute nicht betrogen würden.
Überblicken wir die eben dargestellten Beziehungen der Herzöge zur Kurie, so müssen wir betonen, daß in erster Linie die Fürsten wegen ihres Seelenheiles päpstliche Privilegien erhielten. Bald aber benutzen sie ihre gute Stellung in Rom dazu, auch Vergünstigungen zu fordern, die geeignet waren, ihre landeshoheitlichen Rechte der Kirche ihres Territoriums gegenüber zu stärken und zu vermehren.
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Der lebhafteste Wunsch der Herzöge mußte es sein, auf dem Stuhle des Bistums, dessen Sprengel den größten Teil ihres Gebietes umfaßte, stets Männer zu sehen, deren Interessen sich möglichst mit den ihrigen deckten. Sie durften es nicht dulden, als Haupt des einflußreichsten Standes im Lande und Herrscher eines inmitten ihres Territoriums gelegenen, nicht unbeträchtlichen Gebietes persönliche und politische Gegner aus der Wahl hervor gehen zu sehen.
Alles das mußte auch schon vor unserer Zeit die Herzöge dahin bringen, sich einen möglichst weitgehenden Einfluß bei Wahlen im Bistum Schwerin zu sichern. Ratzeburg konnte wegen des relativ geringen Teiles mecklenburgischen Landes, den sein Sprengel umfaßte, nicht allzusehr in Betracht kommen, umsoweniger als sich dort die Herzöge von Lauenburg bemühten, das Bistum unter ihren Einfluß zu bringen. 84 )
In äußeren Verhaltnissen lag es, wie wir schon sahen, begründet, daß unsere Fürsten beim Erreichen ihres Zieles auf eine energische Hülfe der Kurie verzichten mußten, durch welche Österreich und Brandenburg zum Beispiel ein Nominationsrecht für gewisse Bistümer erlangt hatten. Für Schwerin galt rechtlich noch unbeschränkt die Urkunde vom 18 Juni 1195, 85 ) nach welcher die Bischofswahl den Domherren zu Schwerin allein zukam.
Hat den Herzögen also jeder Rechtstitel, ihren Einfluß bei Wahlen direkt geltend zu machen, gefehlt, so darf man doch durchaus nicht annehmen, daß ein solcher überhaupt nicht vorhanden gewesen sei. Schon die Bemerkung in der angeführten Urkunde: Die Kanoniker sollen zu jeder Zeit zu Schwerin, wenn sie die Wendischen vom Adel dahin erfordern, den Bischof erwählen, und sollen die Wenden solche Wahl belieben und gut sein lassen, bedeutet einen Einfluß, wie wir schon in der Einleitung ausführten. Denken wir auch nur an eine Anwesenheit der Fürsten beim Wahlakt,
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so ist wohl anzunehmen, daß schwerlich einer der Kanoniker wagen würde, einem den Fürsten nicht genehmen Kandidaten seine Stimme zu geben.
Ferner blieb den Landesfürsten der indirekte Weg durch das Kapitel. 86 ) Gelang es ihnen, geeignete, in ihrem Sinne handelnde Männer im Kapitel zu gewinnen, so konnten sie durch diese das Ganze beeinflussen. Zwar sind auch hier die rechtlichen Grundlagen der Herzöge sehr schlecht bestellt, bestimmt doch die oben genannte Urkunde, daß die Kanoniker freie Wahl des Dekans und der Domherren haben sollten. Der Ersatz der Kanonikate war also dem Einflusse der Herzöge entzogen. Es findet sich zwar eine Urkunde von 1540 87 ) darüber, daß die Herzöge Patronat und Kollatur über ein Kanonikat, das des Thesaurarius, gehabt haben, jedoch tritt diese wahrscheinlich spätere Fundation nicht besonders in den Vordergrund. Erst im Jahre 1515 88 ) versuchten die Fürsten, die wichtigsten Kanonikate in ihre Hand zu bekommen, indem sie ihren Geschäftsführer Nikolaus Franke dahin informierten, vom Papste das Recht der Besetzung der Propstei und des Dekanats am Kapitel zu Schwerin zu erbitten. Vom Erfolge dieses Gesuches wissen wir nichts; es ist aber anzunehmen, daß Leo X. diesen Wunsch erfüllte, waren doch ähnliche Rechte schon lange vorher, wenn auch für entsprechende Gegenleistungen, anderen Fürsten verliehen worden. Im Gegenfalle aber hätte ein strenges Festhalten aller Rechte durch die Kurie doch keinen Erfolg gehabt;
denn das Stift Schwerin ging unaufhaltsam seiner Bestimmung, der Einverleibung in Mecklenburg, entgegen. Ob es den Landesfürsten im Verlaufe unserer Periode gelungen ist, Kanonikate des Schweriner Kapitels mit Hülfe von päpstlichen Provisionen oder der ersten Bitte des Kaisers durch ihnen ergebene Geistliche zu besetzen, wissen wir nicht.
Wenn auch für die Besetzung von Kanonikaten rechtliche Grundlagen nicht nachzuweisen sind, kann doch kein Zweifel darüber herrschen, daß das Kapitel tatsächlich unter herzoglichem Einflusse stand. Die Kapitulare waren in der überwiegenden Mehrzahl
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mecklenburgische Landeskinder, die in den Herzögen ihre angestammten Herrscher sahen und bereit waren, deren Wünsche zu erfüllen. Dies war um so leichter, als die Fürsten infolge ihrer kirchlichen Gesinnung und ihrer Mäßigung alle äußeren Zwangsmaßregeln gegen das freie Wahlrecht des Kapitels vermieden. Ferner kam noch dazu, daß die Interessen des Stiftes in dem mächtig herangewachsenen Staatswesen, welches es umschloß, immer mehr aufzugehen begannen, zumal als eine Persönlichkeit wie Magnus II. alle Kräfte seines Landes, auch die der Geistlichkeit, sammelte, um seine Ziele zu erreichen.
Für das Gesagte finden sich bei den Bischofswahlen unserer Periode, besonders des zweiten Teiles, die deutlichsten Beweise. Erleichtert wurde dem Kapitel deshalb seine Stellung zu den Fürsten, weil diese stets die hervorragendsten Geistlichen, wie Johannes Thun, Peter Wolkow oder Zutfeld Wardenberg, an der Spitze des Bistums sehen wollten. Von ihnen mußte auch das Kapitel für sich selbst und das Stift das Beste erwarten; deshalb konnten diese Männer ihm nur willkommen sein.
Zu Anfang des von uns betrachteten Zeitabschnittes war Herzog Balthasar im Besitz der bischöflichen Würde, die er 1479 gegen Wiedererstattung seiner Verwendungen für die Stiftshäuser im Betrage von 600 fl. rh. 89 ) resignierte. Er verpflichtete sich, nach seiner Rückkehr aus dem gelobten Lande alle von ihm gemachten Schulden selbst zu bezahlen, 90 ) dadurch also das Stift wieder frei zu machen, und es allezeit zu beschützen. 91 )
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Um das tief verschuldete Stift finanziell etwas zu heben, verfiel man auf den alten, als reich bekannten Schweriner Domherrn Nikolaus Pentz. Dieser stammte aus einem der ältesten und vornehmsten Adelsgeschlechter Mecklenburgs und hatte in engen Beziehungen zu Heinrich IV. gestanden, mußte also den Herzögen ein willkommener Bischof sein. Das Gerücht von seinem Reichtum erwies sich allerdings als falsch; denn nach seiner Wahl gestand er, der Kirche 2000 Mark lübisch schuldig zu sein und von Konrad Loste zur Erlangung der Konfirmation 240 rh. fl. geliehen zu haben. 92 ) Bereits 1482 93 ) starb er.
Aus ähnlichen Nützlichkeitsgründen wie bei der vorigen Wahl lenkten sich die Augen des Kapitels auf den ebenfalls hochbetagten Domherrn und herzoglichen Rat Konrad Loste, einen Patriziersohn aus Wismar, der unter Balthasar Archidiakonus von Tribsees gewesen war. Nach zwanzigjähriger Regierung starb er am 24. Dezember 1503.
Bisher konnte von einer Wahlbeeinflussung durch die Herzöge direkt nichts nachgewiesen werden. Jetzt kamen als Nachfolger zwei Bewerber in Betracht: der mecklenburgische Ritter Reimer Hahn, Domherr zu Schwerin und Archidiakonus in Waren, und der Domdechant in Güstrow. 94 ) Johannes Thun, der schließlich am 7. März 1504 gewählt wurde. 95 ) Auch nach der Wahl blieb Johann H., wie er sich als Bischof nannte, ein treuer Rat der Herzöge. Wie wenig Gutes sich das Kapitel von der Vertraulichkeit des neuen Bischofs mit dem Landesherrn versprach, beweist die Wahlkapitulation, die Johann II. am 25. August desselben Jahres 96 ) beschwören mußte. Darin heißt es mit Hinblick aus die Herzöge: er solle die Stiftsgüter nicht mit ungewöhnlichen Beden und Auflagen weder selbst beschweren noch dieses zulassen, die Kirche zu Schwerin nicht zinsbar machen lassen, noch in den Kirchengütern Ablager aus irgend einer Zuneigung oder Ver=
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günstigung erlauben, überhaupt das ganze Kirchengebiet bei seiner Freiheit erhalten.
Schon nach zwei Jahren war der Bischofsstuhl wieder erledigt. Da vor dem Tode Johanns II. wegen dessen großer Strenge gegen die zuchtlose Geistlichkeit Streit ausgebrochen war, 97 ) konnte sich das Kapitel nicht zu einer neuen Bischofswahl einigen. InfoIgedessen wurde das Stift vom Senior des Kapitels, dem herzoglichen Rat Peter Wolkow, 98 ) administriert. Er, der vorherige geschickte Vertreter herzoglicher Interessen in Rom, wurde endlich am 24. Februar 1508 99 ) Bischof, nachdem er am 20. Februar 100 ) die gleiche Wahlkapitulation wie sein Vorgänger beschworen hatte. Er regierte bis zum 27. Mai 1516.
Kann man auch keine urkundlichen Beweise für die Wahlbeeinflussung der Herzöge erbringen, so stehen diese doch unzweifelhaft fest; die Namen der Gewählten und ihre Stellung zu den Landesfürsten dienen als vollgültiger Beweis.
Bereits vor dem Tode Peter Wolkows hatte Heinrich V., wie aus der schon mehrfach genannten Instruktion an Nikolaus Franke vom Jahre 1515 hervorgeht, den Plan gefaßt, mit Erlaubnis des Papstes seinen ältesten Sohn Magnus zum Bischof postulieren zu lassen. Der Dekan des Domkapitels, Zutfeld Wardenberg, welcher von der ihm selbst zufallenden Rolle beim Zustandekommen des Planes gelockt wurde. 101 ) stand dem Herzog als entschiedener Förderer seiner Absichten in Rom und vor allem auch im Kapitel zu Schwerin zur seite.
Die Domherren befanden sich bei der 1516 eintretenden Erledigung des bischöflichen Stuhles in einer schwierigen Lage. Die vergangenen Jahre hatten ihnen deutlich gezeigt, welche Pläne Heinrich V. gegen die Hoheit des Stiftes hegte. Noch viel gefährdeter mußte diese dadurch werden, daß der Herzog bei der
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Genehmigung der von ihm gewünschten Wahl für seinen unmündigen Sohn die Regierung führen würde. Dieser selbst aber konnte, da er später als ältester Sohn voraussichtlich auch im Herzogtum zur Regierung kommen würde, leicht das Stiftsgebiet als völlig zum Herzogtum gehörig betrachten. Andererseits lagen gewichtige Gründe dafür vor, dem Herzog zu Willen zu sein. Zunächst versprach man sich von dem freundnachbarlichen Verhältnis zum Herzogtum große Vorteile, während im Falle der Ablehnung die Folgen für das Stift nicht abzusehen gewesen wären. Ferner hoffte man, wie aus dem Empfehlungsbrief des Kaisers Maximilian I. an den Papst Leo X. vom 14. August 1516 102 ) hervorgeht, daß der junge Herzog Magnus, im Falle der Wahl, seinem Versprechen gemäß, die durch verschiedene Gefahren und Übelstände sehr geschwächte Kirche wieder zur vorigen Höhe und Würde emporbringen würde.
In fünftägiger Sitzung entschloß man sich, den siebenjährigen Magnus zu wählen. Dieser hatte am 15. Juni 1516 102 ) zu Lübz durch den Bischof Johannes von Havelberg die vier niederen geistlichen Weihen erhalten. Am 21. Juni 102 ) wurde die Wahl vollzogen und am gleichen Tage die Wahlkapitulation, 103 ) die Magnus, sobald er das gesetzmäßige Alter erreicht haben würde, selbst beschwören sollte, von Heinrich V. "tamquam naturalis et legitimus tuto filii" beschworen und unterschrieben. In ihr steht, daß sich das Kapitel durch gewisse, nicht näher bezeichnete Gründe zur Wahl des Herzogs Magnus veranlaßt gesehen hätte. Als weiterer Grund wird sehr bezeichnend angeführt: "ad complacendum gratiae suae" - des Herzogs nämlich.
Heinrich versprach, das Kapitel wegen dieser unkanonischen Wahl in Rom zu vertreten und selbst die päpstliche Genehmigung durch kaiserliche und reichsfürstliche Verwendungen zu erlangen. Andernfalls verpflichtete er sich, dem Kapitel eine andere, freie Wahl zu sichern und keineswegs aus der seines Sohnes ein Erbrecht für das Herzogshaus abzuleiten. Bis zur Mündigkeit des Postulatus wollte man aus dem Kapitel ein oder zwei Administratoren erwählen mit der Verpflichtung, jährlich dem Postulatus oder besser dessen Vormund Heinrich V. und dem Kapitel von Schwerin Abrechnung zu halten. Die bischöflichen Einkünfte sollten für die Erhaltung der Schlösser und bischöflichen Häuser sowie
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zur Erziehung des Postulatus und zur Besoldung eines Suffraganbischofs verwendet werden. Dem Stifte aber sollten ebensowenig wie dem Kapitel und dem Klerus seine Privilegien und Einnahmen verkürzt werden.
Nachdem in Schwerin alles nach Wunsch Heinrichs V. verlaufen war, begab sich Zutfeld Wardenberg nach Rom, um die päpstliche Genehmigung einzuholen. Diese wurde ebenfalls vom Kaiser, Kurfürsten Friedrich von Sachsen, Kurfürsten Joachim von Brandenburg, Herzog Bogislav von Pommern, Erzbischof Albrecht von Magdeburg und Mainz und von Christoph, dem Administrator des Erzstiftes Bremen, durch Briefe, die auch an das Kardinalkollegium gerichtet waren, erbeten. 104 ) Es scheint, als ob Geld das seine getan hätte, um zum Ziele zu gelangen: Heinrich V. hatte nach und nach 1200 Dukaten nach Rom geschickt.! 105 ) Am 5. November 1516 106 ) wurde vom Papst Leo X. der Altersdispens erteilt und gleich darauf am 13. des-selben Monats 107 ) die Wahl bestätigt. Außerdem gestaltete der Papst als besonderen Beweis seiner gnädigen Gesinnung, daß Magnus die Bischofsweihe von einem ihm beliebigen Bischof empfangen dürfe, doch ohne Präjudiz für den Metropolitan zu Bremen. Zuvor jedoch sollte er dem Papste den Eid der Treue und Unterwürfigkeit leisten.
Die einstweilige geistliche und weltliche Administration des Stiftes übertrug Leo X., unter Bestätigung der Wahl des Kapitels, dem in Rom zum päpstlichen Protonotarius ernannten und reich beschenkten Zutfeld Wardenberg. Diese Stellung wurde zu unserer Zeit noch vom Probst Heinrich Banzkow und dem Senior Ulrich Malchow bekleidet. 108 ) Zum Weihbischof - vicarius in spiritualibus -, dem die Verrichtung der bischöflichen Amtshandlungen oblag, bestellten die Administratoren und das Kapitel in Gegenwart Heinrichs V. Dietrich Hüls, Titularbischof von Sebaste. 109 )
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Die Anfänge und die Entwicklung des landesherrlichen Schirmrechtes haben wir bereits im einleitenden Teile betrachtet. Daß die Herzöge unserer Periode großes Gewicht auf dieses Recht über das Stiftsgebiet legten, ist schon in ihrer ganzen persönlichen Eigenart begründet.
Ein schriftliches Zeugnis dieses Schutzverhältnisses findet sich erst nach dem Tode Magnus II. Am 14. September 1505 110 ) nämlich nahmen die Herzöge Balthasar, Heinrich, Erich und Albrecht das Stift Schwerin in ihren Schutz und bestätigten seine Privilegien. Der Wortlaut der Ausfertigung ist derselbe, den wir 1453 finden, als Heinrich IV. dem Bistum seinen Schutz zusicherte.
Ein Schutzverhältnis zwischen den Herzögen zu Mecklenburg und dem Bischof zu Ratzeburg hatte schon vorher bestanden. Aus einem Schreiben des Bischofs Johann von Hildesheim, Propst zu Ratzeburg, vom 11. November 1535 111 ) an den mecklenburger Kanzler Kaspar von Schönaich geht hervor, daß das vom Ratzeburger Bischof zu zahlende Schutzgeld zu Bischof Johann Stalkopers Zeit 112 ) erhöht worden, das des Kapitels aber dasselbe geblieben sei. Von mecklenburger seite betrachtete man die Zahlung des Schirmgeldes als ein altes Herkommen, doch wollte dies das Ratzeburger Kapitel nicht zugeben. Da während unserer Periode die Herzöge von Lauenburg in teilweise recht gewalttätiger Art 113 ) versuchten, das Stift gänzlich ihrem Einfluß zu unterwerfen, nahm dieses den Schutz der mächtigen Nachbarfürsten, zu welchen diese verpflichtet waren, in Anspruch.
Im Jahre 1492114) ) wandte sich Bischof Johann Parkentin an Magnus II. und bat ihn, das Stift gegen die ungerechten Steueransprüche des Lauenburgers in Schutz zu nehmen. Dies geschah;
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ob aber mit Erfolg, wissen wir nicht. 114 ) Späterhin schien das Verhältnis zwischen den Herzögen von Mecklenburg und den Bischöfen von Ratzeburg etwas gespannt gewesen zu sein; wenigstens könnte man das aus dem rücksichtslosen Benehmen Heinrichs V. - Genaueres folgt später - in der Lübecker Fehde schließen. Deshalb hatte wohl auch Bischof Heinrich den Herzog von Lüneburg zur Abnahme des Lehnseides vom Kaiser bestimmen lassen. 115 ) Bald aber zwangen die Streitigkeiten des Ratzeburger Kapitels mit dem Herzog Magnus von Lauenburg jenes, die mecklenburgische Hülfe wieder in Anspruch zu nehmen. Am 18. April 1517 und am 29. Mai 116 ) desselben Jahres wandte sich Bischof Heinrich, auf das Schutzverhältnis zu Mecklenburg pochend, an dessen Herzöge, die auch die erbetene Hülfe leisteten, zumal sie dazu am 13. Juli 1517 117 ) vom Papste Leo X. aufgefordert worden waren. so nahmen sie am 7. Dezember 1518 118 ) an einer Vergleichsverhandlung in Lüneburg und am 31. März 1519 119 ) an einer solchen in Lenschow teil. In dem endgültigen Vergleich vom 26. November 1519 120 ) wurde das Schutzverhältnis zwischen Mecklenburg und dem Bistum Ratzeburg ausdrücklich erneuert. Nähere Beziehungen, als die durch dieses Verhältnis gegebenen, scheinen nicht bestanden zu haben.
Die Gegenleistungen der Bischöfe für den Schutz der Nachbarherzöge bestanden vor allem in mehr oder minder regelmäßigen Geldzahlungen, welche jene naturgemäß nach Möglichkeit zu vergrößern suchten.
Eine schwere, leider nicht näher zu erklärende Schatzung hatte sich Bischof NikoIaus II. gefallen zu lassen. Mit 1000 fl. mußte er sich der Herzöge verlorene Gunst zurückkaufen, und eine erbitterte Hand schrieb nach Erledigung der Angelegenheit auf den Brief, der auf die Verhandlungen Bezug nahm: Dieser verfluchte Brief. 121 )
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Im Jahre 1489 122 ) finden wir eine Quittung über 500 Mark lübisch Kaiserbede aus dem Stift. Als die Herzöge 1494 123 ) wiederum zum selben Zweck einen Beitrag von der Stadt Bützow forderten, widersetzte sich Bischof Konrad energisch, so daß es zum mindesten sehr zweifelhaft ist, ob die Herzöge mit ihrer Forderung durchgedrungen sind. Seines Rechtes nicht mehr so sicher fühlte sich der Bischof Peter von Schwerin, als die Fürstin 1510 und 1511 124 ) Kaiserbede und Fräuleinsteuer verlangten. Sie beriefen sich zur Begründung ihrer Forderung darauf, daß von den Bischöfen des Stiftes halber ihnen und ihren Vorfahren von altersher jedesmal, wenn sie eine Landbede ausgeschrieben hätten, 500 Mark lübisch gezahlt worden wären. 125 ) Der Bischof dagegen behauptete, von einer solchen Verpflichtung des Stiftes nichts zu wissen, er würde sich aber erkundigen; seiner Meinung nach wäre das Bistum von solchen Beden befreit. 126 ) Auch dieses Mal scheinen die Herzöge ihr Ziel nicht erreicht zu haben. 127 )
Am 31. Dezember 1514 128 ) endlich erlangten die Herzöge in einem Vertrage mit Bischof Peter alles, was sie wünschten, ohne sich aber über etwaige Verpflichtungen des Stiftes prinzipiell klar zu werden: Die Fürsten versprechen, solange der Bischof am Leben bleiben würde, das Bistum gleich ihren eigenen Landen zu schützen und bei seinen Privilegien und Freiheiten zu erhalten. Wegen aller Dienste und Abgaben gegen Kaiser und Reich wollten Sie das Stift vertreten und es derselben benehmen. Der Bischof dagegen verpflichtete sich, so oft durch die Stände des Fürstentums den Herzögen eine Steuer bewilligt werden würde, seines Stiftes wegen 500 Mark lübisch zu einem Erkenntnis- und Schutzgeld jedesmal unweigerlich zu entrichten. Zugleich wurde diese Verbindlichkeit auch auf die während seiner Stiftsregierung, also seit 1508, den Herzögen von ihrer Landschaft bereits bezahlten drei allgemeinen Steuern ausgedehnt und dafür von einer Summe,
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die die Herzöge den Bischöfen schuldeten, 1500 Mark lübisch als Schirmgeld abgezogen.
Zwar hatte Bischof Peter den Vertrag nur für die Dauer seines Lebens geschlossen, aber es war sicher vorauszusehen, daß dieser weiter in Geltung bleiben würde, entsprach er doch ganz den Wünschen der Herzöge, während er auf der anderen seite auch eine Bequemlichkeit für das Bistum dem Reiche gegenüber bedeutete. Ein Fortbestehen der Abmachung war umsomehr anzunehmen, als nach Peter ein mecklenburgischer Herzog den Bischofsstuhl einnehmen sollte. Diese Annahme traf nicht nur zu, sondern der stiftische Beitrag wurde später sogar auf 1000 Mark lübisch erhöht. 129 )
Ratzeburg gegenüber konnte sich ein derartiges Besteuerungsrecht natürlich nicht bilden, weil es zu sehr außerhalb der Machtsphäre der mecklenburgischen Herzöge lag. Auf pünktliche Zahlung des Schirmgeldes, zu dem das Bistum verpflichtet war, hielten diese jedoch streng. so sandte am 6. Januar 1483 130 ) Bischof Johann als "demütiger Kaplan" die 40 Mark lübisch, die er jährlich "auf Verlangen" zu geben schuldig sei, und bat, die Herzöge möchten "seine günstigen, gnädigen, lieben Herren" bleiben. Das Kapitel von Ratzeburg erhielt am 12. Dezember 1498 die Quittung über die 1496 und 1497 gezahlten Beiträge in Höhe von je 20 Mark lübisch. In der Folgezeit finden sich noch mancherlei Beweise für die Leistung eines Schirmgeldes, welches also 40 Mark lübisch für den Bischof und 20 Mark lübisch für das Kapitel von Ratzeburg betrug.
Außer den finanziellen Ansprüchen waren es vor allem solche militärischer Natur, welche die Herzöge den Bistümern gegenüber für die Gewährung ihres Schutzes geltend machten. Als bestes Beispiel hierfür - andere lassen sich in unserer Periode nicht finden - kann uns die Fehde Mecklenburgs mit der Stadt Lübeck dienen, die kurz nach dem Tode des Herzogs Magnus II. ausbrach und erst im Jahre 1506 beigelegt wurde. Die Lübecker waren nach verschiedenen Versuchen, den Streitfall friedlich beizulegen, ins mecklenburgische Territorium eingefallen. Darauf erließen die Herzöge, nachdem sie schon 1503 131 ) ein Aufgebotspatent an die Geistlichkeit, ihre Untersassen zu stellen, veröffentlicht hatten,
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im Jahre 1506 132 ) ein allgemeines Aufgebot der "Gemeine von Adel und aller Manne des Landes Mecklenburg". In diesem 133 ) finden wir hinter den 1300 adeligen Ritterpferden unter der Aufschrift: "diese haben Güter im Lande Mecklenburg", 134 ) den Bischof von Schwerin mit den Stiftspferden und denen zu Bützow mit 200 Mann zu Fuß. Weiterhin sind unter "Fußvolk aus den Klostergütern" auch das Kapitel zu Schwerin mit 25, ferner Bützow und Warin "samt den Vogteien" mit 75 Mann zu Fuß angeführt. Der Bischof zu Ratzeburg sollte 20 Mann zu Pferd und sein Kapitel eine nicht näher bezeichnete Anzahl für die in Mecklenburg gelegenen Güter stellen.
Man könnte fragen, warum die Herzöge nicht schon aus Anlaß der Rostocker Fehde die militärische Kraft der Stifter in Anspruch nahmen. Da sich die herzoglichen Vasallen am 4. Februar 1485 135 ) weigerten, ihren Landesherren den schuldigen Lehndienst und Waffenbeistand in dieser Fehde zu leisten, so erscheint es uns selbstverständlich, daß die Herzöge gar nicht erst mit ähnlichen Forderungen an die Bistümer herantraten. In den wenigen Jahren seiner Regierung hatte eben Magnus II. und sein Bruder Balthasar ihrer landesherrlichen Macht noch nicht die gebührende Hochachtung verschaffen können. Deshalb führten sie den Kampf mit Rostock lieber mit Hülfe von geworbenen Truppen. 136 )
In innerem Zusammenhange mit der bewaffneten Hülfe seitens der Stifter steht das von den Herzögen geforderte Öffnungs- und Ablagerrecht. Im Bistum Schwerin befanden sich diese Rechte bereits seit langem im Besitze der Landesherren. 137 ) Zu unserer Zeit werden dieselben, da Sie bei den sich abspielenden Kämpfen nicht besonders in Betracht kommen, nicht besonders erwähnt. Bischof Johann von Ratzeburg dagegen, in dessen unmittelbarer
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Nachbarschaft 138 ) der Kampf mit Lübeck ausgetragen werden mußte, stellte den Herzögen von Mecklenburg seine Residenz, das feste Haus Schönberg, zur Verfügung. 139 ) Da dieses noch mehr befestigt werden sollte, vertrieben die Herzöge ihn und sein Gesinde ganz aus dem SchIosse, welches ihm erst nach zwei Jahren wieder überlassen wurde, nachdem er und sein Kapitel den Mecklenburgern das Öffnungs- und Ablagerrecht für künftighin förmlich eingeräumt hatte. 140 ) Ebenso beanspruchten diese das Ablagerrecht zu Demern, das vorher im Besitz des Herzogs von Sachsen-Lauenburg gewesen war. 141 ) Daß die Herzöge von Mecklenburg auf Grund ihres Schutzverhältnisses zu Ratzeburg dort auch schon vorher solche Rechte geltend gemacht hatten, beweist uns ein Brief des Herzogs von Lauenburg an die Mecklenburger Fürsten vom 16. Mai 1492, 142 ) in welchem er erklärt, ihm und seinen Vorgängern sei stets das Ablagerrecht im Bistum Ratzeburg zugekommen, deshalb bitte er, ihn in solchen Rechten nicht zu beeinträchtigen.
Nachdem wir bisher die Schirmvogtei und die daraus entspringenden Rechte objektiv betrachtet haben, kommen wir jetzt zur Beantwortung einer der wichtigsten Fragen der ganzen Untersuchung, ob nämlich die Handhabung der Schirmherrschaft und ihrer einzelnen Rechte eine solche war, daß dadurch die reichsunmittelbare Stellung der Stifter beeinträchtigt werden mußte. Hierbei können wir uns auf Schwerin beschränken; denn im Anfang dieses Teiles haben wir bereits zu zeigen versucht, daß in unserer Periode ein größerer Einfluß auf Ratzeburg als der durch das Schutzverhältnis bedingte nicht ausgeübt worden ist. Die im Verlaufe unserer Zeit erfolgte Entwicklung ist um so interessanter, als nach der langen und schwachen Regierung Heinrichs IV. Männer ans Ruder kamen, die mit Energie dem Staatsmaxim ihres Hauses zufolge alles inmitten des Territoriums Liegende nach Möglichkeit aufzusaugen suchten. Wie das auf seine Privi=
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legien pochende Rostock sich dem werdenden modernen Staat einfügen musste, sollte auch das Bistum Schwerin als landsässiger Stand dem Territorium eingeordnet werden.
Von großer Bedeutung dabei ist vor allem die Stellung der Herzöge zu den Bischöfen. Wie jene Einfluß auf die Bischofswahl zu erhalten suchten, haben wir bereits gesehen. Welche Ansichten sie im allgemeinen über die Stellung des Oberhirten des Bistumes hatten, geht am deutlichsten daraus hervor, daß sie im Jahre 1505 143 ) den Bischof Johann Thun aufforderten, ihnen ebenso wie die anderen Stände ihres Landes die Erbhuldigung zu leisten. Zwar finden sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß der Bischof diesem Verlangen nachgekommen ist, aber schon die Forderung spricht für sich: Die Schirmherrschaft beginnt in die Landeshoheit überzugehen. Ob der 1507 gewählte Peter Wolkow einen derartigen Huldigungseid leistete, wissen wir nicht, auch von einer Aufforderung dazu ist nichts nachzuweisen.
Sehr bezeichnend für die Stellung der Bischöfe 144 ) ist ferner der Umstand, daß sie und ihre Domherren sich häufig zu Geschäften im Interesse der Herzöge gebrauchen ließen. Es hing dies wohl auch damit zusammen, daß sich die Geistlichen anfangs im Besitz des römischen und kanonischen Rechtes fast ausschließlich zu erhalten wußten und so den Herzögen unentbehrlich waren; selbst in der Kanzlei arbeiteten unter Aufsicht des Kanzlers, des Siegelbewahrers, nur Geistliche. 145 ) Erst nach dem Tode Magnus II. begannen auch Laien als Räte bei den Herzögen zu fungieren und wie Kaspar von Schönaich die Stellung eines Kanzlers einzunehmen.
Am 15. August 1482 146 ) erscheinen in der Urkunde, die auf einem zwischen den Herzögen und der Stadt Rostock wegen Bedeforderungen vereinbarten Tage zu Bützow ausgefertigt wurde, Bischof Johann von Ratzeburg, Kurt Loste, 147 ) Erwählter zu Schwerin, Dekan Johann Langejohann, Johann Remlin, Thomas Rode, herzoglicher Kanzler, Kantor Heinrich Probst und Johannes Sperling, sämtlich Domherren von Schwerin, unter den Bevoll=
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mächtigten. Am deutlichsten tritt die Verwendung der Bischöfe im Verlaufe der Rostocker Domfehde hervor. 148 ) Hier möge nur als Beispiel erwähnt sein, daß 1486 der Bischof von Ratzeburg den Herzog Magnus sogar nach Rom begleitete. Bei einem späteren Vergleich mit Rostock im Jahre 1491 149 ) finden wir Bischof Johann von Ratzeburg und Bischof Konrad von Schwerin. Am 13. März 1494 150 ) entscheiden Bischofs Johann von Ratzeburg, Dekan Joh. Langejohann und Nikolaus Speck vom Domkapitel zu Schwerin mit anderen Räten den Streit der Herzöge und der Herren von Flotow wegen der Sommerbede im Lande Malchin. Sehr eifrig in herzoglichen Diensten war der spätere Bischof Johann Thun, der auch als solcher in seinen Funktionen als herzoglicher Rat blieb, wie wir aus zeitgenössischen Berichten entnehmen können. 151 ) so befand er sich im Gefolge des jungen Herzogs Heinrich V., als dieser am 14. November 1495 152 ) an den königlichen Hof reiste. Am 19. Mai 1497 153 ) wirkte er bei einem Kompromiß zwischen den Herzögen Johann zu Sachsen-Engern und Magnus II. von Mecklenburg mit. Mit einigen anderen herzoglichen Räten unterschrieb er am 8. Dezember 1504 154 ) eine Urkunde wegen der Regierungsordnung der Herzoge Balthasar und Heinrich. Als letztes Beispiel seien schließlich die Verhandlungen erwähnt, die er im Auftrage der Landesherren im Jahre 1505 155 ) mit Rostock führte, als dieses die von den Ständen zum Empfang der kaiserlichen Belehnung bewilligte Beisteuer nicht zahlen wollte, Peter Wolkow fühlte sich als Bischof ebenso wie sein Vorgänger stets als herzoglicher Rat und "Hofgenosse des fürstlichen Hofes zu Mecklenburg". 156 ) Wenn auch die Bischöfe und Domherren in den kirchlichen Ämtern ihre Unabhängigkeit von den Herzögen gewahrt haben, so läßt sich doch nicht leugnen, daß die persönliche Unterordnung unter den Willen der Landesherren und das vollkommene Aufgehen in
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deren Interessen eine nicht zu unterschätzende Wirkung auf ihre geistlichen Interessen haben mußte. Andererseits konnten die Prälaten die Herzöge infolge ihres Einflusses auf dieselben von manchem Eingriff in ihre Rechte zurückhalten.
Nachdem wir die persönlichen Beziehungen der Landesherren zu den Bischöfen und Domherren betrachtet haben, wollen wir uns das Verhältnis des Stiftes zum Reiche ansehen. Infolge der Schwäche des Reichs und der Bildung des neuen Staatsbegriffes mit seinen positiven Aufgaben für das öffentliche Wohl hatte sich die Macht der Territorialherrschaften, der Träger der Letzteren, außerordentlich verstärkt. Aus dem Streben der Landesherren heraus, ihr Gebiet möglichst zu konsolidieren, mußten sich Versuche geltend machen, die innerhalb eines Territoriums liegenden geistlichen, bisher unmittelbaren Besitzungen der Landeshoheit der weltlichen Herren zu unterwerfen. Das Reich hatte infolge seiner immer mehr zunehmenden Schwäche den Landesfürsten gewisse Rechte übertragen. so sollten diese seit dem Jahre 1495 157 ) für den allgemeinen Landfrieden und dann seit 1512 158 ) dafür sorgen, "wie die Beschwerungen in der Kirche zum förderlichsten und besten abgewendet, verhütet und zur Besserung gestellt werden möchten". Obwohl die Fürsten aus diesen Renten mancherlei Ansprüche ableiteten, hielt das Reich doch in der Theorie an der Reichsunmittelbarkeit der Bistümer im allgemeinen und Schwerins im besonderen fest. 159 )
Wir aber wollen uns die tatsächlichen Verhältnisse klar machen und beginnen deshalb mit dem Besteuerungsrechte des Reiches. Auf dem Reichstage zu Worms waren im Jahre 1495 160 ) Abgaben von den einzelnen Reichsständen zur Erhaltung des Reichskammergerichtes gefordert worden. Bezeichnenderweise war der Befehl zur Aufbringung der Gelder nicht an den Bischof von Schwerin direkt gerichtet, sondern man hatte Magnus II. beauftragt, mit diesem darüber in Verhandlung zu treten. 161 ) Als keine Zahlung erfolgte, wurde das Bistum vom Reichsregiment zu Nürnberg
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1501 162 ) gemahnt. Daraufhin verhandelte der Bischof von Schwerin nicht direkt mit dem Reiche wegen dessen Ansprüchen, sondern er wandte sich brieflich an Magnus II. als seinen natürlichen Beschützer und bat ihn, das Stift zu vertreten. Er und seine Vorgänger hätten sich ja stets zur Herrschaft Mecklenburg gehalten und dem Reiche nichts dergleichen, als nun angesonnen würde, bezahlt. 163 )
Noch stärker, als eben erwähnt, tritt das Verlangen des Stiftes, durch die Herzöge wegen der vom Reiche geforderten Abgaben vertreten zu werden, in dem am 31. Dezember 1514 164 ) abgeschlossenen, bereits erwähnten Vertrage hervor. Mochte der Bischof die von ihm bewilligte Steuer nennen, wie er wollte: Landsteuer oder Schutzgeld, 165 ) dadurch, daß er sich seinen finanziellen Verpflichtungen an das Reich entzog, ließ er die Herzöge einen großen Schritt auf dem Wege zur Landeshoheit über das Stift tun. Was die Besteuerung anlangt, unterschied sich diese von 1514 ab in keiner Weise von den anderen Ständen des Herzogtums. Daß das Kapitel seine Einwilligung zu dem Vertrage gegeben hat, ist unwahrscheinlich; schon die gleich darauf von ihm ohne Beteiligung des Bischofs beim Kaiser nachgesuchte Bestätigung der Freiheiten und Privilegien des Bistums spricht dagegen. 166 )
Wie stellte sich nun aber das Reich zu solchen Versuchen, seinem Steuerrechte zu entgehend In den Reichsmatrikeln ist das Stift Schwerin, wie wir aus der S. 68 angeführten Tabelle 167 ) der für uns in Betracht kommenden Reichs-Abschiede ersehen können, außer in der auf dem Reichstag zu Nürnberg im Jahre 1487 aufgestellten Liste niemals vergessen worden, wenn das Herzogtum Mecklenburg angeführt ist. 168 ) Ratzeburg erscheint erst 1507 in den Matrikeln. Veranschlagt worden waren zwar alle Stände, aber nachgekommen waren die unbedeutenderen den Verpflichtungen bisher nicht, Als nun die Unterhaltung des Reichskammergerichtes und die sonstigen Reformen Maximilians I. be=
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deutende Mittel erforderten, drang das Reich bei allen Ständen auf Leistung der Verpflichtungen. Die Folge war, wie wir schon oben bei Schwerin sahen, daß sich die Landesfürsten ihrer inzwischen in Wirklichkeit zu Landständen herabgesunkenen Bistümer und sonstigen Prälaten annahmen. Herzog Georg von Sachsen beschäftigte sich besonders mit diesen Forderungen des Reiches und erließ eine Erklärung an das Reichskammergericht, die sich nicht nur auf die in seinem Territorium in Betracht kommenden Bistümer bezog, sondern die Interessen aller Reichsfürsten wahrnahm. Es heißt da: Die Reichsstandschaft der Bischöfe und Prälaten sei durch die durch lange und stetige Übung und durch den Gebrauch entstandene Verjährung verloren. Sie hätten in der Landesherren Schutz gestanden und in ihrem Fürstentum gelegen; deshalb seien sie bei kaiserlichen Anschlägen immer mit in ihrer Herren Anschläge enthalten und seien vom Reiche auch nicht angezogen oder doch wenigstens nicht zur Leistung gezwungen worden. Der Landesherr sei der unmittelbare, rechte Ober-, Schutz- und Schirmherr, Richter,
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Vogt und Fürsprecher aller in seinem Fürstentum Gesessenen, gleichviel, ob Bischöfe, Äbte oder Prälaten." 169 )
Als Schwerin 1521 wieder mit den übrigen Reichsständen veranschlagt wurde, beantragten die Herzöge im Jahre 1522 170 ) bei dem Reichsregiment in Nürnberg, das Stift in das Auszugsregister zu bringen. Dieser Versuch, einen rechtlichen Ausspruch über die Landsässigkeit des Bistums zu erlangen, mißglückte. Wir finden nämlich das Stift, welches naturgemäß infolge seines Vertrages mit den Herzögen von Mecklenburg seinen Verpflichtungen dem Reiche gegenüber nicht nachkam, in den Jahren 1524, 1526, 1529 in dem Register der restierenden, nicht exemten Reichstände verzeichnet. Der deshalb vom Reichsfiskus gegen das Bistum eröffnete Prozeß endete am 21. Oktober 1561 171 ) damit, daß das Reichskammergericht die Reichsunmittelbarkeit des Stiftes bestätigte. Auch der Kaiser trug der reichsunmittelbaren Stellung des Stiftes im Verlaufe unserer Periode nicht genügend Rechnung. Wir können das aus der Art des Einsammelns des Ertrages des Jubelablasses vom Jahre 1501 ersehen, der dem Kaiser vom Papfte Alexander VI. wegen des bevorstehenden Türkenzuges überlassen worden war. Am 3. November 1506 172 ) forderte Kaiser Maximilian I. Herzog Heinrich V. auf, das gefallene Jubelgeld "ohne Ausflucht und Aufzug" aus dem Stiftsgebiet an sich zu nehmen. Dabei bedrohte er gleichzeitig den Bischof hart, falls dieser sich "ungehorsam erzeigen und bemeldeten Herzog Heinrich in solch kaiserlichem Befehle Irrung tun würde". Darunter, daß sich der Kaiser nicht direkt an den Bischof von Schwerin wandte, sondern selbst dessen Beziehungen zum Reiche der Kontrolle der Herzöge unterstellte, mußte das Ansehen des Bistums schwer leiden.
Die schon betrachtete Mitwirkung des Stiftes Schwerin in der Lübecker Fehde brachte dieses in eine Stellung, welche sich, was die militärischen Forderungen anbetrifft, in nichts Von Landsässigkeit unterschied. In der Liste der Aufgebotenen finden sich der "Bischof zu Schwerin samt seinen Stiftspferden und denen zu Bützow mit zweihundert Mann zu Fuß", ferner "Bützow und Warin samt den Vogteien mit 75 Mann". Unzweifelhaft ist hier vom eigentlichen Stiftsgebiet die Rede, zu dem ja auch Bützow
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und Warin gehörten. Klar spricht ferner Heinrich V. von den Stiftspferden, also von den Lehnsleuten des Bischofs. Der Schluß ist nicht abzuweisen, daß das Stift gleich den andern Untertanen der Herzöge Roßdienste und Landfolge leisten mußte. Haben wir aber in den beiden Verpflichtungen die höchsten Merkmale 173 ) der Landeshoheit zu erblicken, so müssen wir aus dem Gehorsam des Stiftes gegen die Herzöge eine stillschweigende Unterwerfung desselben unter deren Hoheit erkennen. Freilich hatten die militärischen Kräfte des Bistums nicht infolge einer Verpflichtung zur Landfolge, sondern auf Grund eines Bündnisses den Herzögen freiwillig zur Verfügung gestellt worden sein können. Diese Annahme ist aber unwahrscheinlich. Erstens wissen wir nichts von einem solchen Vertrage, und dann hatten sich die Verhältnisse so zu Ungunsten des Bistums verschoben, daß die Herzöge wohl kaum im Verlaufe unserer Periode mit diesem als gleichberechtigtem Faktor ein derartiges Bündnis abgeschlossen haben würden. Drittens schließlich spricht die ganze Art der Aufzeichnung dagegen. Das von den Herzögen selbst zahlenmäßig genau festgelegte Aufgebot des Stiftes steht mitten in der Liste der Verpflichteten der Mecklenburger Lande. 174 ) Als letzter Einwand könnte noch gebracht werden, daß die Hilfe wohl gefordert, aber vom Stifte nicht bewilligt worden sei. Zwar können wir das Eingehen auf die Wünsche der Fürsten nicht urkundlich nachweisen, davon aber sind wir überzeugt, daß sich die Spuren einer etwaigen Ablehnung sicher nachweisen lassen würden.
Welche Stellung die Herzöge zur geistlichen Gerichtsbarkeit einnahmen, werden wir im nächsten Teil sehen; hier mögen nur zwei Fälle angeführt sein, die auf eine Gerichtshoheit der Fürsten über das Stift und über den Bischof hinweisen. Am 2. April 1508 175 ) kommen die Herzöge "mit ihren Räten, etliche irrige
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Sachen zu verhören", nach Bützow, nachdem sie sich kurz zuvor, am 16. Mai, 176 ) zwei Doktoren von der Universität zu Rostock zum Anhören und Entscheiden eben dieser Angelegenheiten nach Bützow erbeten hatten. Hieraus könnte man als weiteres Zeichen der Landeshoheit der Herzöge schließen, daß diese zu Bützow, also in der Residenz der Bischöfe, die höchste Gerichtshoheit in Anspruch genommen hätten. Da aber am 11. Dezember 1508 177 ) der Bischof Peter Wolkow als Beweis seiner Obergerichtsgewalt eine neue Gerichtsordnung für Bützvw erließ, die vielleicht teilweise durch den angeführten Fall veranlaßt worden war, dürfen wir diesen wohl nur als Übergriff 178 ) der Landesherren ansehen. Immerhin wirft dieser Vorgang ein bezeichnendes Licht auf deren Stellung zu den Bischöfen Schwerins. Vom 16. Januar 1516 179 ) findet sich eine Urkunde über ein richterliches Erkenntnis der Fürsten zwischen dem Bischof Peter Wolkow und dem Ritter Helmold von Plessen in einem Streite wegen einer Geldsumme, die zu Bützow zu des Stiftes Nutzen verwendet worden war. Zu verwundern ist es, daß der angeklagte Bischof diese Angelegenheit nicht vor das jedem reichsunmittelbaren Prälaten bei solchen weltlichen Händeln zur Verfügung stehende Reichskammergericht brachte, sondern sich unter Ausschaltung des Reichs einem schiedsrichterlichen Spruch der Herzöge fügte.
Äußerst wichtig für unsere Untersuchung ist endlich der Nachweis, daß Bischof und Kapitel von Schwerin an den Landtagen des Herzogtums in der Zahl der Landstände 180 ) mitwirkten. An der Spitze der Prälaten, 181 ) die mit den Mannen und Städten
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die ständische Vertretung des Landes bildeten, stand der Bischof von Schwerin wegen seiner im Lande Mecklenburg gelegenen Güter. Er beteiligte sich entweder selbst oder durch seine Domherren bei Gelegenheiten aller Art an den landständischen Versammlungen. Erwähnt sei da vor allem die Rostocker Fehde, wo er bei Vergleichsversuchen 182 ) zu finden war. Im Verlauf derselben, im Jahre 1495, 183 ) wurde den Prälaten, Mannen und Städten von den Herzögen und der Stadt Rostock der Hafen und die Festung Warnemünde zur zeitweiligen Sequestration übergeben. 1497 184 ) sollten die Vertreter Rostocks vor den Ständen zur Rechtfertigung erscheinen. Auch bei Streitigkeiten der Herzöge untereinander sehen wir Domherren mitwirken: so 1504 185 ) bei der Abfassung des Gemeinschaftsvertrags; ferner im Neubrandenburger Vertrag zwischen Heinrich V. und Albrecht VII. vom Jahre 1520. 186 )
Durch den Steuervertrag des Bischofs Peter Wolkow mit Heinrich V. vom 31. Dezember 1514 187 ) wurde das Interesse des Bischofs und seines Kapitels noch enger mit dem des Landes verknüpft. Durch ihn hatte der Bischof ja Verpflichtungen übernommen, die sich nicht auf die in Mecklenburg liegenden Güter, sondern auf das Stift selbst bezogen. Da aber die Genehmigung der Stände zur Bewilligung von Steuern, wie sie der Vertrag voraussetzte, in jedem Falle nötig war, lag es im Interesse des Bischofs, das Recht zu betonen, an landständischen Versammlungen teilnehmen zu dürfen. Bald begannen sie, nicht nur zum eigenen Nutzen, sondern auch für das allgemeine Wohl des Landes an der positiven Arbeit, wie bei der Abfassung der Polizeiordnung von 1516, 188 ) mitzuarbeiten. Den Abschluß dieser Entwicklung bildete die am 1. August 1523 189 ) abgeschIossene Union. Es in dies eine Vereinigung aller Prälaten, Mannen und Städte "als die gemeinen Stände der Lande und Fürstentümer Mecklenburg, Wenden, Rostock und Stargard", die ohne die Landesherren abgeschIossen wurde, zur Beseitigung der allgemeinen Unsicherheit und Aufrechterhaltung ihrer Privilegien gegen jedermann. In dem
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von den Ständen erwählten Ausschuß befand sich der Bischof 190 ) und der Dompropst von Schwerin. Unterzeichnet wurde die Urkunde, die uns die Prälaten völlig als Landstand mit allen seinen Rechten und Pflichten zeigt, in Vertretung der anwesenden Prälaten vom Administrator des Stifts Ulrich Malchow, dem Senior des Kapitels zu Schwerin Nikolaus Franke, dem Abte zu Doberan Nikolaus, dem Dekan zu Rostock Berthold Möller und dem Propst zu Dobbertin Heinrich Möller.
Es ist zu verstehen, daß die Entwicklung der Verhältnisse, wie Sie in unserer Periode vor sich ging, in kirchlichen Kreisen, besonders im Domkapitel, Widerstand gegen die Bischöfe hervorrief, welche so wenig die Rechte des Stiftes zu schützen wußten. Deshalb ließ das Schweriner Kapitel ohne Mitwirkung des Bischofs im Jahre 1515 191 ) die Privilegien und Freiheiten des Bistums bestätigen und dieses in des Reiches Schutz aufnehmen.
Um dem Kapitel Einfluß auf die wichtigeren Handlungen der Bischöfe zu gewährleisten, mußten diese vor der Wahl Kapitulationen beschwören, die die Wünsche des Kapitels enthielten. Eine Befreiung von diesen Versprechungen sollte nicht möglich sein, selbst durch den Papst nicht. Derartige Wahlkapitulationen finden wir am 25. August 1504, 192 ) am 20. Februar 1508 193 ) und am 21. Juni 1516. 194 ) Daß aber solche dem Bischof aufgelegte Beschränkungen diesen durchaus nicht immer hinderten, den Herzogen zu Willen zu sein, hat uns der Steuervertrag von 1514 deutlich gezeigt.
Aus alledem, was wir bisher gesehen haben, müssen wir schließen, daß das Stift am Ende unserer Periode trotz der Bemühungen des Domkapitels tatsächlich mittelbar geworden war, wenn es auch vom Reiche weiterhin als reichsunmittelbar betrachtet wurde. Dieser Schluß findet seine volle Bestätigung durch das Benehmen des Bischofs Magnus, der in dem am 21. Oktober 1561 195 ) abgeschlossenen Prozeß wegen der Reichsunmittelbarkeit seines Stiftes energisch die Ansicht vertrat, daß es ein dem Herzogtum Mecklenburg inkorporierter Stand sei.
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Ungeheuer groß war die Konkurrenz, welche im Mittelalter dem Laiengericht durch die geistliche Gerichtsbarkeit erwuchs. Diese verlangte nicht nur die Entscheidung über alle Kriminal- und Zivilfälle der Kleriker, die ihm durch das privilegium fori vorbehalten waren, sondern sie mischte sich auch in die Vorkommnisse, die in das weitgesteckte Gebiet der delicta mere ecclisiastica gehörten, wie Ketzerei, Simonie, Meineid, Ehebruch und sonstige Verstöße gegen die christliche Sittenlehre. Ferner zog man Streitfälle wegen Kirchenguts, wegen der der Kirche zukommenden Leistungen, über Patronatsgerechtsame, Testamente, Wucher wie auch über Erb und Eigen 196 ) vor das geistliche Gericht. Auf jede andere nicht unter die erwähnten Fälle zu rechnende Streitsache endlich machte die Kirche im Falle der Rechtsverweigerung oder Verzögerung durch die weltlichen Behörden Anspruch.
Allerdings muß von vornherein betont werden, daß die Kirche diese alles umfassenden Forderungen in der Praxis nie durchzusetzen vermochte. 197 ) Immer wirkte das weltliche Gericht, wenn auch oft ohne Rechtstitel, beschränkend auf die geistlichen Ansprüche. Andererseits aber war den Landesherren das Eingreifen dadurch erschwert, daß sich das geistliche Gericht bei den Laien einer großen Beliebtheit wegen seiner im praktischen Leben
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prompt wirkenden Strafmittel und seiner gut geschulten Richter erfreute. Es mußte jedoch im höchsten Interesse der Landesfürsten liegen, die Kompetenz des geistlichen Gerichts nach Möglichkeit zu verringern, um die weltliche Gerichtsbarkeit, eins der deutlichsten Zeichen der Landeshoheit, 198 ) möglichst uneingeschränkt ausüben zu können.
In unserer Periode machte sich dieses Bestreben nach der langen und schwachen Regierung Heinrichs IV. deutlich geltend. Wie überall, so suchten die Herzöge auch hier nach und nach für ihre Gerichte Boden zu gewinnen, indem sie zugleich durch Erlangung päpstlicher Bullen ihrem Streben eine rechtliche Grundlage zu geben bemüht waren.
Zuerst lag unseren Fürsten daran, die auswärtigen geistlichen Gerichte außer Wirkung zu setzen. Durch Berufung vor solche erwuchsen den herzoglichen Untertanen nicht nur große Kosten und neben dem Zeitverlust sonstige Unannehmlichkeiten, sondern es war auch den Landesherren eine Beaufsichtigung der Rechtsprechung unmöglich. Wie es ihnen am 28. Juni 1495 199 ) nach langem Streite gelang, ein kaiserliches Privilegium gegen die auswärtigen weltlichen, besonders westfälischen Gerichte zu erlangen und deren weitere Wirksamkeit zu verhindern, 200 ) so wußten sie sich auch nach längerem Unterhandeln am 5. November 1509 201 ) vom Papste Julius II. eine Bulle zu verschaffen, nach welcher die Lehnsleute, Städte und Untertanen der Herzöge zu Mecklenburg mit keinem auswärtigen geistlichen Gericht beschwert oder sonst aus dem Lande gerufen werden sollten. Von dieser Befreiung nahm der Papst aber ausdrücklich die Fälle aus, die ihm selbst reserviert waren. Um das Privilegium in seinem ganzen Umfange zu erhalten, verlangte Heinrich V. 1515 202 ) von seinem
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Geschäftsführer in Rom, Zutfeld Wardenberg, er möchte eine Bulle von Leo X. erwirken, nach der seine Untertanen auch wegen der 1509 noch reservierten Fälle nicht mehr vor auswärtige geistliche Gerichte gezogen werden sollten. Er, der Herzog, würde den Betroffenen, falls diese vor dem gebührlichen und ordentlichen Richter Klage erhöben, gern zu ihrem Recht verhelfen. Dieses Privilegium scheint Heinrich V. sehr wichtig gewesen zu sein; denn es soll sofort in Rom zweimal ausgefertigt werden. Zwar läßt sich nichts Direktes über die Erfüllung dieses Wunsches nachweisen, aber wir können wohl dessen Erfüllung annehmen; schon die Tüchtigkeit und Energie Wardenbergs bürgt dafür.
Ferner wollten die Landesherren das Eingreifen der geistlichen Gerichte wegen weltlicher Angelegenheiten überhaupt unterbinden. Dies erreichten sie ebenfalls am 5. November 1509 203 ) von Julius II., der verfügte, daß die Untertanen in den Staaten der Herzöge von Mecklenburg, sowohl geistliche wie weltliche, nicht wegen weltlicher Sachen vor geistliche Gerichte gebracht werden sollten. Wie aus einem Briefe aus Rom von Michael Hildebrand vom 31. Januar 1510 204 ) hervorgeht, war das Rrivilegium in weitgreifenderer Weise abgefaßt worden, als wie es der Papst früher dem Herzog von Pommern verliehen hatte.
Beschäftigten uns bisher die Versuche der Herzöge, die geistliche Gerichtsbarkeit durch päpstliche Hülfe teilweise auszuschalten, so müssen wir jetzt betrachten, wie die Landesherren indirekt auf die geistliche Rechtsprechung durch Beeinflussung der Archidiaktonen einwirken wollten, denen jene oblag, soweit sie nicht dem Offizial des Bischofs als höherer Instanz zukam. 205 )
Unsere Annahme stützt sich darauf, daß die Archidiakonate, die für uns in Betracht kommen. 206 ) durch Geistliche verwaltet wurden, welche zugleich Räte, ja teilweise Vertraute der Landes=
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herren waren. Als Beispiele hierfür seien aus den durchgesehenen Urkunden nur angeführt: Für Rostock: Heinrich Benzin und Zutfeld Wardenberg; für Tribsees: Konrad Loste, Peter WoIkow und Zutfeld Wardenberg; für Parchim: Peter WoIkow; für Waren: Reimer Hahn und für Dobbertin: Johann Thun. Der Einfluß der Herzöge, dem diese Männer ständig ausgesetzt waren, läßt den Schluß zu, daß Sie ihre Amtsführung kaum ganz rein von fürstlichen Einwirkungen halten konnten. Um ihre Stellung den Archidiakonen gegenüber zu festigen, stellten die Landesherren 1515 207 ) in Rom die Forderung, die Archidiakonate zu Rostock und Parchim, ferner die Propsteien und Dekanate zu Schwerin, Güstrow und Rostock 208 ) besetzen zu dürfen. Von dem Erfolg dieser Forderung läßt sich nichts Genaues finden, aber wir dürfen wohl die Erfüllung durch den Papst annehmen; denn im Gegenfalle würde sicherlich irgendwann die Forderung von neuem erheben worden sein.
Nicht nur auf dem Wege durch den Papst und die Archidiakonen, sondern durch das Volk in seiner Gesamtheit wollten die Fürsten auf die geistliche Gerichtsbarkeit einwirken, indem sie am 25. Januar 1513 209 ) eine Gerichtsordnung an Prälaten, Amtleute, Vögte, Edelleute, Kochmeister, Kirchherren, Vikarien, Bürgermeister, Räte, Stadtvögte, Bürger, Bauern und alle anderen Verwandten und Untertanen geistlichen und weltlichen Standes erließen. Sie richteten sich in ihr gegen das Angehen der einheimischen und auswärtigen geistlichen Gerichte wegen weltlicher Sachen und forderten alle Untertanen auf, bei. Vermeidung von schwerer Strafe und Ungnade, ihre Streitigkeiten vor den gebührlichen Richter zu bringen. Ferner ermahnten sie alle ausübenden Gerichtspersonen, mit Sorgfalt ihr Amt zu erfüllen und Gerechtigkeif, besonders in Schuldsachen, walten zu lassen.
Am 29. Juni 210 ) selbigen Jahres erließen die Herzöge gleichsam als Ergänzung zu den Bestimmungen vom Januar Befehle, die sich auf Verbesserung des weltlichen Gerichts bezogen.
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Alle die bisher ausgeführten Versuche der Herzöge waren nicht völlig durchschlagend, beklagte sich doch schon kurz darauf Parchim 211 ) darüber, daß entgegen dem landesherrlichen Verbote ein Weltlicher den anderen vor das geistliche Gericht zöge. Deshalb findet sich in der Polizeiordnung von 1516 212 ) nochmals das Verbot des Angehens geistlicher Gerichte in weltlichen Sachen.
Mit größter Strenge überwachten die Landesherren die Ausübung der kirchlichen Strafgewalt, vor allem das Belegen mit Bann und Interdikt. Schon früher 213 ) sahen wir, wie sie versuchten, mit Hülfe des Papstes das Recht zu erhalten, die Kassation des Bannes anordnen zu dürfen. Aber nicht nur aus diesen Verhandlungen, sondern auch aus einzelnen Fällen vermögen wir die Stellung der Herzöge zur kirchlichen Strafgewalt zu erkennen. Sie griffen nötigenfalls in energischster Weise zum Schutze ihrer Untertanen ein und verlangten kategorisch Zurücknahme der verhängten Strafe. Im Archiv zu Schwerin finden wir zweimal Konzepte ohne Datum von Heinrichs V. eigener Hand. In dem einen beklagte er sich darüber, daß ein Untertan des Amtes Schwaan mit geistlichem Gericht belangt und mit dem Banne belegt worden wäre; 214 ) im zweiten Falle forderte er wie in dem eben erwähnten nicht nur Zurückziehen des Bannes, sondern auch Überlassung der Angelegenheit an ihn; 215 ) er würde nach Recht und Billigkeit urteilen. In einem dritten Konzepte eines an den Bischof von Schwerin 216 ) gerichteten Briefes verlangte Heinrich das Zurückweichen des geistlichen Gerichts in einer unzweifelhaft geistlichen Sache: Ein Bürger zu Schwaan hatte geheiratet und glaubte eine Jungfrau geehelicht zu haben. Durch vorzeitige Geburt eines Kindes aber merkte er, daß er betrogen worden war. Deshalb verstieß er sein Weib, war aber daraufhin vom geistlichen Gerichte belangt worden.
Auch wenn es sich um Angelegenheiten handelte, die nicht vor das herzogliche, sondern vor ein anderes weltliches Gericht, z. B. das einer Stadt gehörten, mischten sich die Landesherren ein, um das Zurücknehmen des zu Unrecht verhängten Bannes zu veranlassen. so forderte Magnus II. am 29. Januar 1484 217 )
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den Rat von Rostock auf, einen Bürger, der gebannt worden war, energisch bei der Lösung von dieser Strafe behülflich zu sein. Wismar erhielt am 11. Oktober 1490 218 ) von den Herzogen ebenfalls eine gleiche Aufforderung. Im Jahre 1513 219 ) schrieb Heinrich V. an den Rat von Brandenburg, weil ein Bürger dieser Stadt unrechtmäßigerweise wegen einer Schuld mit geistlichem Gericht und durch dieses mit dem Banne beschwert worden war; die Strafe müßte umgehend zurückgezogen werden.
Recht beachtenswert ist es, daß die Bewohner des Herzogtums die Rechtmämigkeit des vom geistlichen Gericht gegen sie verhängten Urteils anzuzweifeln wagten und im Landesherrn eine über denselben stehende Beschwerdeinstanz erblickten, an die sie sich um Hilfe wenden konnten. 220 ) Wie wir aus den angeführten Beispielen ersehen können, griffen die Herzöge auf solche Beschwerden hin energisch zum Schutze ihrer Untertanen ein.
In immer größerem Umfange gelangten Streitigkeiten zwischen Klerikern und Laien, ja auch zwischen Klerikern untereinander vor das landesherrliche Forum, wenn es sich um liegende Gründe und darauf ruhende Lasten handelte. Während sich für die Pfalz 221 ) z. B. hat nachweisen lassen, daß es schon Grundsatz geworden war, beim Landesherrn in den oben erwähnten Fällen Recht zu suchen, können wir bei uns noch nicht von einer so fortgeschrittenen Entwicklung sprechen. Wie wir sahen, war es dem Landesherrn gelungen, das Einschreiten der geistlichen Gerichtsbarkeit bei Streitigkeiten genannter Art zwischen Laien zurückzuweisen. So erklärten Sie auch in einem Briefe vom Jahre 1513 222 ) an den Rat von Brandenburg das Angehen der geistlichen Gerichte in Schuldsachen für unberechtigt. Bei Zwistigkeiten zwischen Laien und Geistlichen jedoch nahmen die Herzöge teil=
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weise eine andere Stellung ein. 1516 223 ) finden wir in der Polizeiordnung nach der Bestimmung, daß kein Weltlicher einen Weltlichen und kein Geistlicher einen Weltlichen wegen weltlicher Sachen vor geistliches Gericht ziehen sollte, die Einschränkung, daß die Zinsen der von Geistlichen zu geistlichen Renten ausgeliehenen Kapitale, falls sie nicht gütlich gegeben wurden, von geistlichen Gerichten eingefordert werden dürften. In Folge dieser Erlaubnis kauften die Geistlichen schwer einzutreibende Schuldforderungen von den Laien, denen sie dann mit ihren prompt wirkenden Strafmitteln bald Deckung zu verschaffen wußten. Vor dieser Bestimmung von 1516 finden wir im Verlaufe unserer Periode Beispiele dafür, daß die Landesherren derartige Streitfälle auch vor ihr Gericht gezogen haben. So schrieben sie um 1500 224 ) an Kurt Bevernest, daß der Rräzeptor und das ganze Haus St. Antonii zu Tempzin wegen Vorenthalten etlicher Renten Klage erhoben hätten.
Hierher gehört ferner der Streit der Lübecker Geistlichkeit mit dem Adel des Klützer Ortes. 225 ) Die Adeligen dieser Gegend kamen ihren Zinsverpflichtungen an jene nur sehr mangelhaft nach. Um dem bereits wegen dieser Angelegenheit in Rom schwebenden geistlichen Prozeß den Boden zu entziehen, brachten die Herzöge 1503 zu Wismar einen für ihren Adel äußerst günstigen Vertrag zwischen den streitenden Parteien über die nicht bezahlten Zinsen im Betrage von 30000 Mark zustande. Aller Streit sollte niedergeschlagen werden, die Geistlichkeit entsagte allen rückständigen Zinsen in Ansehung der Armut des Adels und setzte den Zinsfuß der Kapitalien auf 5 Prozent herab. Die Fürsten erlaubten dafür der Geistlichkeit Lübecks, in Zukunft ihre Schuldner mit geistlichen Gerichten und Strafen zu verfolgen und sich der herzoglichen Vögte und Knechte zum Beitreiben der Schulden zu bedienen. Trotz dieser Erlaubnis wurde der Prozeß, als der Adel immer noch reine Renten zahlte, wieder vor dessen Landesherren eröffnet, welcher 1511 die in Frage kommende Geistlichkeit Lübecks veranlaßte, die Zinsen nochmals fallen zu lassen. Die Kapitalien sollten dadurch gerettet werden, daß sie innerhalb 15 Jahren an die Eigentümer zurückgezahlt würden. Nach weiteren Verhandlungen, in deren Verlauf sich Heinrich V. die beglaubigten Abschriften der Schuldverschreibungen zur Prüfung hatte schicken
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lassen, wurde 1512 zu Gadebusch ein endgültiger Vergleich dahingehend abgeschlossen, daß die Zinsen fallen gelassen und die Kapitalien ohne weiteren Zinszuschlag in 10 Jahren abgetragen werden sollten. Auch dieser Vertrag wurde vom Adel nicht eingehalten, so daß sich der Streit noch lange vor den Herzögen hinschleppte, bis ihm die Reformation ein Ende machte.
Als natürliche Folge des Umstandes, daß Streitigkeiten wegen liegender Gründe und der darauf ruhenden Lasten und Rechte immer mehr durch das Gericht der Landesherren entschieden wurden, begannen sich diese auch in Testamentsstreitigkeiten einzumischen. So verschaffte Magnus durch Briefe vom 5 Oktober 1495 226 ) und weitere friedliche Verhandlungen mit dem Domkapitel zu Lübeck einigen seiner Diener eine Erbschaft wieder, deren sich ein Priester bemächtigt hatte. Ferner griffen die Fürsten in die Streitigkeiten ein, die zwischen Geistlichen und Weltlichen wegen einiger von den Zechlins nachgelassenen Güter entstanden waren. Sie bestimmten am 11 September 1498, 227 ) daß alle Inhaber von Pächten und Zinsen, deren Verpfändung durch die Herrschaft bereits bewilligt worden wäre, diese ungehindert weiter haben sollten; die aber keinen Willebrief hätten, müßten am Tage nach der Dreikonigsoktave vor den Herzögen Recht nehmen; bis dahin aber könnten sie im Besitz bleiben
Wenn auch die Herzöge sich bemühten, die Tätigkeit der geistlichen Gerichte nach Möglichkeit einzuschränken, so finden wir doch Fälle, daß sie die Kirche bei schwierigeren Angelegenheiten zu interessieren suchten. Die Waffen der geistlichen Gerichtsbarkeit mußten dann die Landesherren zum Ziele führen, wo weltliche Machtentfaltung nur zweifelhaften Erfolg versprach. Am charakterischsten tritt uns dieses Streben in der Fehde der Fürsten mit der Stadt Rostock 228 ) wegen der Errichtung des Domstiftes St Jacobi entgegen. Bei diesem Streite scheute sich Magnus nicht, selbst nach Rom zu reisen, um seiner Sache durch persönliche Führung vor dem Papste zum Siege zu verhelfen
Bei Vergehen von Klerikern mischten sich die Landesherren nur selten ein. Sie ließen lieber die geistlichen Gerichte wirken und griffen erst auf deren Verlangen ein. Dies konnten sie umso eher tun, als die Bischöfe unserer Periode, sicherlich beeinflußt von der Reformfreudigkeit der Landesherren, heiß bemüht waren, die Schäden innerhalb ihres Klerus durch Verordnungen zu be=
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kämpfen. 229 ) Ja, als sie in ihrem scharfen Vorgehen vom Erzbischof Johann von Bremen gestört wurden, appellierten sie sofort an den Papst und wahrten sich energisch das Recht, gegen ihre ungehorsamen Priester vorgehen zu dürfen. 230 )
Für das Eingreifen der Landesherren gegen Kleriker mögen folgende Beispiele sprechen: Am 3. Mai 1486 231 ) forderte der päpstliche Kommissar Johann, Bischof von Nicaea, die Herzöge auf, gegen Dekan und Kapitel der Schweriner Kirche einzuschreiten, weil diese dem dortigen Thesaurarius den dritten Teil der aus dem Heiligen Blut in Schwerin fließenden Einnahmen verweigert hatten. - Den Priester Peter Dähne, der am 12. März 1493 232 ) wegen des Verkaufes von geweihten Hostien an einen Juden verbrannt wurde, hatten die Landesherren vor ihrem Gerichte foltern und verurteilen lassen. - 1514 233 ) mischte sich Herzog Heinrich in den Streit, der wegen des Vergehens eines Klerikers zwischen Bischof Peter von Schwerin und dem Kloster von Sternberg entstanden war. - Am 13. September 1523 234 ) endlich beklagten sich die Herzöge beim Bischof Heinrich von Ratzeburg darüber, daß dieser einen Priester aus geringer Ursache gefangen genommen hätte. Der Bischof erklärte darauf, er würde gern der Aufforderung der Herzöge folgen und den Priester freigeben, da aber dieser die Mutter Gottes in der Trunkenheit beschimpft hätte, müßte er bis zum Verhör im Gefängnis bleiben. 235 )
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Durch lange und energische Verhandlungen wußten also unsere Herzöge alle auswärtigen geistlichen Gerichte auszuschalten und ein Übergreifen der geistlichen Gerichtsbarkeit in weltliche Angelegenheiten zu verhindern. Für ihre eigenen Gerichte suchten sie nur in maßvollster Weise eine Erweiterung der Kompetenzen zu erreichen; sie beschränkten sich lieber auf eine überwachende Tätigkeit über die anderen Gerichte, besonders über deren Strafmittel!
Eines der vornehmsten Rechte, durch welches die Herzöge den Klerus ihres Territoriums beeinflussen konnten, war das Patronatsrecht. Zwar wissen wir die Anzahl der herzoglichen Patronate zu unserer Zeit nicht genau, 236 ) aber wir müssen annehmen, daß deren Anzahl nicht gering gewesen ist. Im Gegensatz zu anderen Territorien nämlich hatte sich bei uns die Kirche erst entwickelt, als das Staatswesen schon bestand, 237 ) so daß die neugegründeten Pfarren 238 ) großenteils von den Landesherren dotiert wurden, die sich natürlich dafür das Patronatsrecht vorbehielten. 239 ) Ferner wußten sie durch das Bewidmen von Vikarien 240 ) die Rechte dieser Art zu erweitern. Mochten auch im Laufe der Zeit solche
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verschleudert worden sein, 241 ) in unserer Periode finden wir ein zähes Festhalten 242 ) an diesen Rechten, ja, man bemühte sich sogar, auf Pfarrstellen Einfluß zu erhalten, die nicht herzoglichen Patronats waren 243 ) Die Landesherren hatten erkannt, daß sich
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infolge ihres direkten Einflusses auf die Besetzung der Stellen ein Netz von persönlichen Beziehungen zwischen ihnen und dem Klerus ihres Territoriums bildete, das naturgemäß das Ansehen und den Einfluß der Herzöge auf kirchlichem Gebiete stärken mußte. Aus diesem Grunde verstanden es auch unsere Fürsten trotz ihres guten Verhältnisses zu den Päpsten, Provisionen der-selben auf kirchliche Stellen in Mecklenburg zu verhindern. 244 )
Eine gute Gelegenheit, die herzoglichen Patronatsrechte zu vermehren, 245 ) bot die Umwandlung der St. Jacobikirche in Rostock zu einem Kollegiatstift 246 ) mit - wenigstens im Anfange - 12 Präbenden, von denen 8 durch die Herzöge besetzt werden sollten. Das Patronat über die Propstei hatte sich der Papst vorbehalten, und die Stellen des Dekans, Kantors und Scholastikers sollten vom Bischof von Schwerin vergeben werden. Bei der ungünstigen finanziellen Lage der Herzöge konnte von einer größeren Aufwendung zur Bewidmung der Präbenden nicht die Rede sein. Deshalb wurden die Bezüge für 8 Kanonikate dadurch geschaffen, daß die Pfarrherren der 4 Hauptkirchen der Stadt in Zukunft die Dignitäten am neuen Stifte bekleideten, sich aber wegen Erhöhung ihres Ranges einen Abzug von je 20 fl. von ihren Bezügen zur Dotierung von 4 weiteren Präbenden gefallen lassen mußten. Außerdem hatten sie noch einen Kaplan und einen Schulmeister zu erhalten. Nach der Stiftungsurkunde wollten die Herzöge die letzten 4 Kanonikate selbst dotieren, 247 ) aber am 14. Mai 1494 248 ) bewidmeten Rektor und Universität die 4 Präbenden von ihren Gütern mit je 24 Mark Rente zur Unterhaltung alter Professoren. Die Nominationen behielten sie
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sich selbst vor, die Präsentation und das Patronat kam an die Herzöge. Veranlaßt sah sich die Universität zu dieser Datierung, wie man aus einer Verhandlung mit dem Rat von Rostock während der Reformationszeit ersehen kann, 249 ) dadurch, daß die Fürsten dies als Sühne für ihr Verhalten während der Stiftsfehde 250 ) verlangt hatten.
Eine Erweiterung der Patronatsrechte versuchten unsere Herzöge ferner in ähnlicher Weise wie Brandenburg, Östereich, Cleve usw. mit Hilfe des Papstes herbeizuführen. So lesen wir 1515 251 ) in der Instruktion an Magister NikoIaus Franke, in Rom sollte das Recht erwirkt werden, die Propsteien und Dekanate der Kapitel zu Schwerin, Güstrow und Rostock und die Archi-diakonate zu Rostock - dieses war mit der Propstei zu Bützow verbunden - und Parchim besetzen zu dürfen. Als Grund zu dieser Bitte, von deren Genehmigung wir nichts Genaueres nachweisen können, wäre der Verfall des Gottesdienstes an diesen Orten anzugeben.
Weitere Erwerbungen von Patronatsrechten oder wenigstens die Anwartschaft auf solche datieren daher, daß diese Rechte von Privatleuten bei Stiftungen von Präbenden und Vikarien den Landesherren eingeräumt 252 ) oder in Aussicht 253 ) gestellt wurden.
Außerordentlich interessant ist es, die Gesichtspunkte zu betrachten, von welchen die Herzöge bei Vergebung der Pfarrstellen und sonstigen Pfründen ausgingen. Dem Zeitcharakter nach ist es wohl zu verstehen, daß unsere Fürsten wie auch andere Territorialherren, das Patronatsrecht als nutzbares Herrschaftsrecht betrachteten, welches nur zu oft dazu dienen mußte, ihre
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geistlichen Räte - weltliche, besoldete Räte gab es erst nach 1503 - für die im Dienst der Landesherren geleistete Arbeit zu entschädigen. Dabei ließ sich natürlich öfters eine Häufung von Pfründen bei einer Person nicht vermeiden. 254 ) Ein schwerer Nachteil für die Seelsorge bestand bei diesem Verfahren darin, daß die mit Pfründen Bedachten die gottesdienstlichen Handlungen durch sehr gering bezahlte Vikare versehen ließen, die sich ihrer-seits natürlich ihrer Verpflichtungen möglichst rasch zu entledigen strebten.
Als Beispiel für diese Verwendung von Pfründen möge zunächst das Kollegiatstift von Rostock dienen. 255 ) Von herzoglichen Sekretären, Geschäftsträgern, Kanzlern und sonstigen Beamten finden wir als Pröpste: Thomas Rode (1487), Reiner Holloger (1491-1499) und NikoIaus Franke; als Dekan: Heinrich Bentzin (1487), Johannes Tegeler (1491-1499), Johann von Greben (1499-1501), Dr. Heinrich Böger (1501 bis 1506); als Kantoren: Johann Thun (1487-1504), Brand von Schönaich (1504-1507), Heinrich Bergmeier (1507 bis 1515). 256 ) Von den Domherren seien nur genannt: Johann Mielke und Peter Bentzin.
Weitere Beispiele: 1514 257 ) erhielt Dr. Levin von Velten, Propst von Hildesheim, der bis 1480 Administrator von Hildesheim gewesen war und als solcher die Verhandlungen für Herzog Balthasar wegen Abtretung des Bistums Halberstadt geführt hatte, die Propstei von Friedland. 1511 258 ) wurde Michael Hildebrand, der Kapellan und Sekretär Herzog Albrechts VII., welcher 1509 bis 1513 im Dienste der Herzöge in Rom geweilt hatte, Pfarrherr
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von Sternberg. Bis 1501 259 ) hatte der Kanzler Antonius Gronewald eine Präbende in Güstrow, die dann Boger, der spätere Begleiter Herzog Erichs nach Italien, erhielt. 1503 260 ) wurde der Kanzler Brand von Schönaich ebenfalls daselbst Kanoniker. Der bei der Aufstellung der Polizeiordnung von 1516 tätige Johannes Monnick war Pfarrer in Stargard. 261 ) Endlich sei der Arzt Rhembertus Giltzheim erwähnt, der 1515, 262 ) obwohl er überhaupt noch keine Priesterweihe erhalten hatte, mit päpstlichem Konsens die St. Petripfarre in Rostock gegen die Verpflichtung erhielt, den Fürsten, ihrem Hause nnd ihren Erben mit seiner Kunst ohne andere Vergütung als die seiner Auslagen und Reisespesen 263 ) zu helfen.
Dadurch, daß die Fürsten über eine Fülle von Kirchen das Patronat besaßen, entwickelte sich nach und nach bei ihnen die Anschauung, daß der Landesherr der natürliche Patron der gesamten Kirche seines Territoriums sei; sie leiteten also aus den vorherigen Privatrechten ein öffentliches ab. Da man die zur Dotation der Pfarren gemachten Aufwendungen nicht wie in Italien als wirkliches Eigentum der Kirche, sondern nur als ein zum Nutzen derselben festgelegtes Gut ansah, konnte der Patron einen Anspruch auf ein Aufsichtsrecht über das Pfarrgut sehr wohl ableiten. Nach der oben erwähnten Entwicklung aber nahm der Landesherr dieses Recht für sich in Anspruch.
Aus dieser Erwägung heraus erließen die Herzöge im Jahre 1515 264 ) eine Verordnung, die sich einerseits gegen das Eindringen Fremder in herzogliche Patronate wandte, andererseits aber das landesherrliche Oberaufsichtsrecht über das Kirchengut betonte. Summen, welche zu kirchlichen Zwecken festgelegt worden waren, hatte man vernachlässigt, indem man sie ihrer Bestimmung nicht zugeführt, ja teilweise nicht einmal sicher angelegt hatte. 265 )
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Infolgedessen war ein Teil der Kirchen nicht bestellt, sondern verlassen und verwüstet. Um in diese mißlichen Verhältnisse Ordnung zu bringen, befahlen die Herzöge allen Geistlichen, die Stiftungsurkunden zur Prüfung einzuschicken und über alle Stiftungen, Pfründen und sonstige Einnahmen zu berichten. In der Polizeiordnung von 1516 266 ) findet sich dann das Resultat dieser Untersuchung. Die Herzöge bestimmten, daß die Gotteshausvorsteher und Kirchgeschworenen jährlich mindestens einmal über die geistlichen Kassen der Obrigkeit Rechenschaft abzulegen hätten, wozu die Landesherren nach Möglichkeit Räte abordnen wollten. Diese Verordnung bezog sich natürlich auch auf die Dörfer.
Als Beispiel für das Eingreifen der Herzöge zur Abstellung solcher Unordnung kann uns die St. Petripfarre in Rostock dienen, welche Bischof Heinrich von Ratzeburg in Besitz hatte. Diesem warf Herzog Heinrich V. in schärfster Weise vor, er habe die Pfarrgebäude verfallen lassen; dies geschah im Jahre 1516. 267 ) Ferner nahmen die Landesherren am 25. September 1518 268 ) und später nochmals im Jahre 1519 269 ) die Beschwerden des Magistrats von Friedland über den dortigen Offizial des Archidiakonus entgegen. Dieser hatte Begräbnisgelder, die den Baukassen der einzelnen Kirchen zugute kommen sollten, zur Propsteitafel gezogen und sich noch anderer Einkünfte bemächtigt, ohne die entsprechenden Gegenleistungen zu erfüllen.
Auf Grund ihres Patronatsrechtes beanspruchten die Herzöge ein Verfügungsrecht über die reichen in Sternberg beim heiligen Blut einkommenden Gaben. Durch Vertrag vom 19. März 1494 270 ) wurde ein Drittel des Opfergeldes dem Sternberger Kirchherrn, das zweite dem Kollegiatstift zu Rostock und der Rest zur Erbauung der Blutskapelle und Bewidmung einer Meßpriesterstelle daselbft zur Verfügung gestellt. Das letzte Drittel füllte nach Vollendung des Baues - das war 1506 der Fall - dem Bischof und dem Kapitel zu Schwerin gehören. Aber schon
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am 28. August 1506 271 ) erwirkten die Herzöge vom Bischof Johann von Schwerin eine neue Verteilungsweise des Opfergeldes. Mit Ausnahme des dem Kirchherrn zukommenden Teiles sollte es auf ein Jahr den Mönchen zu Sternberg zum Klosterbau, das folgende Jahr aber eine gleichgroße Summe der Einnahmen dem Stifte in Rostock zur Verfügung gestellt werden. Da sich der Ertrag immer mehr steigerte, ersuchten die Fürsten 1515 272 ) den Papst, das aus dem Opferstock fließende Geld, abgesehen von dem dem Kirchherrn zu Sternberg zustehenden Teile, für arme Klöster, besonders für die zahlreich vorhandenen Nonnenkloster sowie für arme und zerfallene Gotteshäuser zu deren Erhaltung verwenden zu dürfen. Der Herzog Heinrich V., das Kapitel zu Rostock und das zu Schwerin, welche jenen bei der Verteilung beratend zu unterstützen hatten, sollten, wie auch der Sternberger Kirchherr, je einen Schlüssel haben, damit nur gemeinsam jährlich einmal die das Opfergeld enthaltende Truhe geöffnet werden könnte. Bei Stellung dieses Antrages in Rom berief sich der Herzog auf sein Recht als Landesherr und Patron.
Wie die Herzöge die ebenfalls auf Grund des Patronatsrechts ausgeübte Aufsicht über die Seelsorge gehandhabt haben, werden wir erst später sehen. 273 ) Weiterhin kann es uns nach der eben betrachteten Ausdehnung des landesherrlichen Aufsichtsrechts nicht wundernehmen, daß sich die Herzöge in alle die Streitigkeiten mischten, die mit dem Patronate zusammenhingen, seien es nun solche, die sich auf das Patronatsrecht 274 ) selbst bezogen, oder
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solche, die mit den Pfründen und deren Einnahmen 275 ) zu- sammenhingen.
Nicht auf eigene Faust, sondern im Zusammenarbeiten mit den kirchlichen Mächten 276 ) bewirkten die Herzöge Verlegungen von Pfründen an andere Orte und Inkorporationen von solchen in Kollegiatstifter. Die Fürsten taten das Letztere deshalb sehr gern, um ohne große eigene Kosten die Mittel zur Dotierung von Neugründungen zu erlangen. Herbei kamen die kleineren Vikarien wegen der Schmalheit ihrer Einkünfte weniger als die reichen Pfarreien in Betracht. Naturgemäß suchten die mit den Pfründen belehnten Geistlichen der Verpflichtung, einen amtierenden Stellvertreter zu unterhalten, möglichst billig nachzukommen, was bei der großen Menge von armen Klerikern auch nicht schwer fiel. Diese nahmen es dann oft nicht sehr genau mit ihren Pflichten und vernachlässigten den Gottesdienst.
Vom Verlegen einer Präbende finden wir am 25 August 1484 277 ) ein Bespiel, wo Bischof Johann von Ratzeburg eine
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Vikarie der St. Nikolaikirche zu Wismar auf Antrag der Herzöge nach einer Kirche - der Name ist nicht genannt - verlegte, die außer den Oblationen und Mortuarien fast keine Einnahmen hatte. Um 1490 278 ) ließen die Fürsten eine bisher der Kirche zu Sanitz zu leistende Abgabe der Kapelle zum Heiligen Moor wegen deren Mittellosigkeit zugutekommen. Ferner hatten die Herzöge am 11. Februar 1516 279 ) ein altes Lehn restauriert und der Kirche zu Wesenberg angegliedert; vorher gehörte es zur Kirche von Ahrensberg. Aus einem Briefe von 1522 280 ) endlich geht hervor, daß eine Hebung, die dem Priester am Bethlehem-KIoster von Bützow aus Rosenthal (bei Mecklenburg) zustand, zur ersten Messe nach Sternberg gekommen war.
Von Inkorporationen in Kollegiatstifter ist zuerst am 6. März 1489 281 ) die Einfügung der Kirche zu Teterow in das Güstrower Domstift zu nennen, und zwar in eine Kotekendorf genannte Präbende, zu der schon die Pfarre von Malchin gehörte. Das typischste Beispiel dieser Art sehen wir bei der Umwandlung der St. Jakobikirche in Rostock in ein Kollegiatstift. Wie wir schon erwähnten, wurden die 4 städtischen Pfarrkirchen dem Stifte als Dignitäten eingegliedert und aus deren Einkünften die Dotation von vier weiteren Präbenden beatritten; die 4 anderen dotierte die Univeraität. Bereits am 20. Oktvber 1491 282 ) wurden auf Bitten des neuen Stiftes wegen Knappheit seiner Einkünfte von den Herzögen ein Benefizium zu Bukow, eine Vikarie in der Pfarrkirche zu Sternberg, ferner Einkünfte aus den Pfarrkirchen in Kabelsdorf, Sprenz, Laage, Dölitz und von der Kapelle St. Katharinä im Heiligen Moor dem Kapitel inkorporiert. Die Herzöge verzichteten zugleich auf alle darin eingeschlossenen Patronatsrechte. Nicht lange darnach, am 17. August 1495, 283 ) wurde eine Vikarie zu Wiendorf an das Stift gebracht und am gleichen Tage zu einer Präbende umgestaltet. 284 ) Am 21. Dezember 1496 285 ) inkorporierten die Herzöge dem Stift eine früher
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in die Marienkirche zu Polchow gehörige Vikarie, und schließlich sei erwähnt, daß die Herzöge am 23. Mai 1501 286 ) aus der Pfarre zu Dölitz eine neue Präbende für das Kollegiatstift machten.
Dem Beispiele ihrer Landesherren folgten vielfach die Adeligen zum Schaden für die Seelsorge des platten Landes, auf dem sie durch Inkorporation der besseren Pfründen an die Stifter in den Städten das geistliche Proletariat verstärkten.
Als letzter aus dem Patronat abgeleiteter Anspruch der Landesherren ist der auf Verpflegung auf Reise und Jagd 287 ) und sonstige Leistungen zu betrachten. Naturgemäß konnten für die Aufnahme der Herzöge und ihres Gefolges nur reichere geistliche Gemeinschaften in Betracht kommen. Deshalb besuchten jene außer den Klöstern 288 ) besonders die Johanniterkomtureien, und wir finden heftige Klagen derselben über die beschwerlichen Ablager. 289 ) Die davon verschonten Pfarreien hatten teilweise sehr beträchtliche Naturallieferungen und sonstige Dienste an die Herzöge zu leisten. So erfahren wir von der Malchiner Pfarre, daß sie nach ihrer Inkorporation in eine Güstrower Präbende wöchentlich an die Güstrower Domherren und ebenso an die Landesherren 14 feine Weizenbrote oder Semmeln aus einem Scheffel Weizenmehl zu liefern hatte. 290 ) - Nach längerem Streite über die Leistungen der Vikarien zu Sternberg und deren Bauern vertrugen sich die Herzöge am 9. Februar 1509 291 ) mit diesen dahin, daß sie jährlich mit 8 Wagen eine Fuhre Korn oder Malz nach Schwerin fahren sollten. Würde es die Not erfordern, so hätten sie Mühlsteine in die Obermühle zu Sternberg zu führen, sonst aber wären sie davon befreit. Auch die Pfarre zu St. Petri in Rostock hatte schwer zu leiden, wie aus einem Briefe des derzeitigen Inhabers Giltzheim vom 30. November 1522 292 ) hervorgeht, der heftig über Lasten und Inanspruchnahme seiner Bauern durch die herzoglichen Amtleute klagte. Dem Domkapitel zu Schwerin erließen die Herzöge im Jahre 1495 293 ) auf dessen Ansuchen die Kollation oder Bewirtung, zu der es von jeher zu Fastnacht oder sonst verpflichtet war. Für diese Befreiung versprachen die Dom=
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herren, jährlich zweimal das Gedächtnis der Herzöge und ihrer Vorfahren begehen zu wollen. Die Fürsten schienen aber diesen Vergleich nicht sehr ernst genommen zu haben; denn am 14. September 1505 294 ) wiederholten sie ihren Verzicht, ja schränkten ihn sogar wieder ein, indem sie sich das Ablager bei dem Vorsteher der Kathedrale und bei seinen Nachfolgern vorbehielten. Ebenso erließ Magnus am 16. Dezember 1501 295 ) dem Domkapitel zu Güstrow die Kollationen und Gastereien, welche es jährlich zu Fastnacht den Herzögen auszurichten verpflichtet war.
Wir sehen also, daß es unsere Herzöge verstanden, sich des Patronatsrechts als eines nutzbaren Herrschaftsrechts und eines wesentlichen Mittels, ihren Einfluß auf kirchlichem Gebiete zu erweitern, in jeder Weise bedienten.
a. Steueransprüche.
Infolge des kanonischen Rechts war das gesamte Kirchengut steuerfrei. 296 ) Wir haben keinen Grund, anzunehmen, daß unsere Herzöge in bezug auf die ordentliche Bede 297 ) von diesem Grundsatz abgegangen sind, wenn sie sich auch in steigendem Maße bei Verleihungen von Grundbesitz an die Kirche die Bede vorbehielten.
Die Schwäche der vor unserer Periode regierenden Herzöge hatte es einzelnen geistlichen Korporationen gelingen lassen, ihre Güter von den durch die Landesherren vorbehaltenen Bedeverpflichtungen zu befreien. Es war deshalb das eifrigste Bestreben unserer Herzöge, diese abhanden gekommenen Rechte wieder zu erlangen. Vor allem kamen sie dabei in Streitigkeiten mit dem Bischof von Havelberg wegen der im Lande Lieze 298 ) gelegenen Dörfer: Sevekow, Dranse, Berlinchen und Schweinrich, welche dem
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Kloster Amelungsborn gehörten und zum Havelberger Sprengel gerechnet wurden. Den mecklenburger Fürsten war in ihnen 1445 Dienst, Bede und höchste Gerichtsbarkeit zugesprochen worden; Heinrich IV. jedoch machte keinen Gebrauch davon. Als Maguns II. die Ansprüche seines Hauses wieder nachdrücklich geltend machte, wurden diese Verpflichtungen geleugnet. Nach längeren Verhandlungen gelang es unserem Herzoge 1492, sein Besteuerungs-recht vom Bischof von Havelberg, Busso I. von Alvensleben, bestätigt zu erhalten; aber bereits dessen Nachfolger, Otto von Königsmark, bestritt von neuem dieses Recht der Mecklenburger. Unterstützt wurde er von Kurfürst Johann von Brandenburg, der diese ursprünglich rein innerliche Angelegenheit seines Nachbarn auf das politische Gebiet zog, indem er am 26. November 1495 in scharfem Tone erklärte, daß die in Frage stehenden 4 Dörfer in seinem Kurfürstentume lägen, und er nicht dulden würde, daß die armen Leute des Stiftes von des Herzogs Vögten mit Steuern belegt würden. Auch hätten es seine Untertanen nicht nötig, irgend jemandem für Schutz und Schirm Steuern zu zahlen. Damit war der Streit zu Ungunsten der Mecklenburger entschieden. Nach einem letzten vergeblichen Versuche verzichteten Sie gänzlich auf ihr Besteuerungsrecht und damit auf die Zugehörigkeit dieser Dörfer zu ihrem Territorium.
In ähnlicher Weise mußten die Herzöge das unter Heinrich IV. nicht verwertete Steuerrecht und somit die Landeshoheit über das dem Kloster Arendsee gehörige Dorf Rägelin im Lande Lieze auf Betreiben des Kurfürsten Johann am 17. April 1494 299 ) aufgeben.
Daß unsere Herzöge in den beiden letzten Fällen mit ihren Ansprüchen nicht durchdrangen, lag an ihrer Mäßigung. Sie wollten wegen der durch die Schuld ihrer Vorfahren schon fast verlorenen Steuerrechte keinen Krieg mit dem mächtigen Nachbar Brandenburg beginnen, der nur deshalb den Bischof von Havelberg unterstützt hatte, weil er dadurch eine Ausdehnung seines Territoriums nach Norden hin zu erlangen hoffte. Unseren Herzögen dürfen wir ihr Verhalten durchaus nicht als Schwäche auslegen; sie hatten erkannt, daß ihre wichtigsten Aufgaben für längere Zeit im Innern ihres eigenen Territoriums lagen und sie wollten diese wegen des geringen Verlustes an Land und Rechten nicht in den Hintergrund schieben.
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Vereinzelt versuchten die Herzöge auch Rechte auf früher an geistliche Korporationen abgetretene Bede geltend zu machen. Diefe Annahme läßt wenigstens die Beschwerde des Lübecker JohanniskIosters vom Jahre 1501 300 ) über mecklenburgische Beamte zu, die es in dem Besitz der Bede zu Rankendorf zu beeinträchtigen suchten. Aus gleichem Anlaß entstand auch der Streit der Herzöge mit dem Johanniterorden, 301 ) der sich fast durch die ganze von uns betrachtete Zeit hindurchzog. Die Ritter dieses geistlichen Ordens hatten bisher wie die andern herzoglichen Lehnsleute nur Landfolge und Roßdienste 302 ) geleistet. Nur hin und wieder hatten sie kurz vor unserer Zeit außerordentliche und allgemeine Lasten, Ablager, Naturallieferungen und andere Dienste, ja auch teilweise die ordentliche Bede 303 ) freiwillig auf ihre Güter übernommen. Herzog Magnus II. jedoch verlangte alles das als Pflichtleistung und vermehrte die Lasten des Ordens - es kommen besonders die Komtureien Eixen, Remerow und Kraak in Betracht - durch häufige Ablager so bedeutend, daß der Balleier Georg Schlaberndorf zu Sonnenburg, Meister des Ordens in der Mark Brandenburg und Pommern, zu vermitteln suchte. Nach langen erfolglosen Verhandlungen, im Verlaufe derer Magnus II. seine Forderungen immer mehr steigerte, spielte dieser den Streit auf das Gebiet der geistlichen Gerichtsbarkeit hinüber und ließ durch Reiner Holloger 1496 in Rom den Prozeß gegen den Orden eröffnen. Er behauptete nämlich, das von ihm den Johannitergütern gegenüber in Anspruch genommene Besteuerungsrecht hätte infolge alter Privilegien seine volle Berechtigung, die vom Orden natürlich energisch bestritten wurde. Die folgenden Jahre hindurch wurde der Streit in Rom durch Peter Wolkow und später Zutfeld Wardenberg mit Zuhilfenahme aller Mittel geführt, so daß der schließliche Erfolg der Herzöge im Jahre 1515 zu erwarten war. Das Besteuerungsrecht der Landesfürsten über die dem geistlichen Orden der Johanniter gehörigen Güter wurde ausdrücklich anerkannt.
Von dem Grundsatz der Steuerfreiheit kirchlichen Besitzes gingen die Landesherren nur ab in Zeiten der Not und dann,
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wenn größere Aufwendungen wie bei Ausstattung von Töchtern des herzoglichen Hauses, Beihilfen zu Reichssteuern und Reisen der Fürsten zu Reichstagen nötig waren. Die bei solchen Gelegenheiten gezahlten Steuern hatten den Charakter freiwilliger Abgaben; denn sie wurden, wie aus den Urkunden zu ersehen ist, den Fürsten von ihren Landständen (Prälaten, Lehnmannen und Städten) bewilligt. Auf der anderen Seite ist wohl zu bemerken, daß niemals eine solche außerordentliche Steuer, so oft die Herzöge sie auch forderten, von den Landständen abgelehnt wurde. Ferner duldeten die Herzöge niemals, daß irgend ein Stand oder ein Teil ihres Territoriums sich von der Teilnahme an diesen Leistungen ausschloß. 304 ) Als Beispiele solcher Extrabeden seien erwähnt: Im Jahre 1482 305 ) wurde eine solche erhoben für die Reise Magnus II. zum Reichstag nach Nürnberg, 1489 306 ) ohne Angabe des Zweckes, 1491 307 ) und 1492 308 ) für die Maximilian I. zu Nürnberg und Koblenz bewilligte Reichshilfe gegen Frankreich und 1494 309 ) für die Kaiserbede. In den Jahren 1500 310 ) und 1501 311 ) wurde von Prälaten, Mannen und Städten eine Fräuleinsteuer aufgebracht, doch schon im selben Jahre, 1501 in den Fasten, 312 ) forderten die Herzöge von neuem eine solche, 1505 313 ) bewilligte man eine Steuer zu den Kosten der am 24. Juni 1505 erfolgten Reichsbelehnung der Herzöge und
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1510 314 ) eine solche vom Betrag der halben gewöhnlichen Bede zur Reichssteuer.
Die Ländereien, die sich in den Händen der Geistlichkeit befanden, nahmen im Wirtschaftsleben des Volkes eine Sonderstellung ein. Nach dem kanonischen Rechte durften sie nicht wieder verkauft werden, waren also dem Güterverkehr entzogen. Andererseits war die Erwerbsfähigkeit der Kirche eine sehr große. Mit Notwendigkeit mußten sich daraus ungesunde ökonomische Verhältnisse ergeben, die dem Landesherrn umso eher zum Bewußtsein kamen, als sie durch das Anwachsen des Besitzes in toter Hand eine deutliche Minderung der Steuerkraft ihres Landes verspürten. Volks- und staatswirtschaftliche Interessen waren es also, die die Herzöge zur Einschränkung des Gütererwerbes durch die Geistlichkeit zwangen.
Unsere Fürsten gingen nicht in der gleichen schroffen Weise wie die Städte 315 ) vor, die kurzerhand Neuerwerbungen durch die Geistlichen verboten oder deren Besitz dem städtischen Rechte unterwarfen. Dadurch aber, daß sie die durch Vermächtnisse an die Kirche gekommenen Güter für wiederkäuflich erklärten und andere Erwerbungen derselben, sei es durch Stiftungen oder Kauf, ihrer Kontrolle unterstellten, suchten sie dasselbe zu erreichen. Zwar hatten die Herzöge zur Einschränkung testamentarischer Erwerbungen durch den Klerus schon früher 316 ) Verordnungen
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erlassen, aber eine umfassende Regelung der Frage fand erst in dem Polizeigesetz von 1516 317 ) statt. Es heißt da: "Wenn von weltlichen Personen geistlichen Personen oder Gotteshäusern in Testamenten Häuser oder liegende Gründe, im Stadtrecht gelegen, gegeben werden, auf daß dadurch die Obrigkeit, Stadt und das gemeine Beste an ihrer Gerechtigkeit nicht geschädigt werden solle, so sollen sie solches zu tun nicht anders Macht haben, als daß die Geistlichen oder Vorsteher der Gotteshäuser, denen solche Häuser, stehende oder liegende Guter vermacht werden, in Jahresfrist darnach wiederum ins Stadtrecht zu verkaufen schuldig sein, und nichts destoweniger während derselben Zeit gebührliche Pflicht und gemeines Stadtrecht daran tun sollen." Durch diese Verordnung also verlangten die Herzöge den Verkauf neu erworbener Güter nach Jahresfrist; unter Stadtrecht sollten sie sogar schon vorher stehen. Vermächtnisse von barem Gelde oder Renten an die Kirche waren nach einer Urkunde vom Jahre 1507 318 ) ebenfalls verboten. Einem Ordensgeistlichen Hennig war von einer Anna Prilock Geld hinterlassen worden; er erklärte nun, daß ihm Herzog Heinrich V. aus sonderlicher Gnade 4 fl. rh. von dem Erbteil gegeben hätte. Er verpflichtete sich eigenhändig, den Herzog wegen des Restes mit keinem Rechte zu belangen. Hier also hatte der Herzog, um seinem Verbote Geltung zu verschaffen, eingegriffen, indem er das Vermächtnis an sich zog.
So groß auch die Zahl der Urkunden ist, die sich auf den Güterverkehr beziehen, fast jede bietet uns einen Beweis dafür, daß die Landesherren äußerst streng auf ihr Recht hielten, daß Verkäufe oder Stiftungen wie auch Verpfändungen 319 ) von ihrer
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Genehmigung abhängig seien. Nur bei gewissen Stiftungen brauchte dieselbe aus besonderer Gnade nicht eingeholt zu werden. 320 ) Die ausgestellten Willebriefe galten bei Streitigkeiten ohne weiteres für beweiskräftig, während diejenigen, welche sich früher keine solche hatten ausstellen lassen, ihr Recht vor dem Herzog suchen mußten. 321 ) In den Städten wurde naturgemäß die Erlaubnis zum Gütererwerb seitens des Klerus vom Magistrate abhängig gemacht. 322 )
Durch alle Urkunden hindurch kann man ferner das Bemühen der Landesfürsten erkennen, dem Verkäufer von Gütern ein Rückkaufsrecht zu sichern, um die Verkaufsobjekte nicht auf immer in den Besitz der toten Hand übergehen zu lassen. 323 ) Sie selbst
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machten sogar als Landesherren mehrfach solche Rechte bei Grundbesitz, den sie garnicht besessen hatten, geltend. 324 )
Abgeschwächt wurde das Bestreben der Herzöge, eine allzu starke Vermehrung des geistlichen Grundbesitzes wie eine übermäßige Verpfändung der liegenden Gründe zu verhindern, durch ihr starkes kirchliches Bedürfnis, dem sie durch reiche Stiftungen oder wenigstens durch weitgehende Unterstützung solcher zu genügen suchten.
So machte naturgemäß das neue Kollegiatstift zu Rostock bedeutende Erwerbungen an Grundbesitz und Renten, wobei es sichtlich von seinen Gründern unterstützt wurde; gaben diese doch nicht nur von vornherein ihre Einwilligung zu allen Erwerbungen, sondern sie waren sogar selbst zur Unterbringung des flüssigen Kapitals behülflich. 325 ) Außerdem finden wir noch mancherlei Schenkungen ihrerseits. 326 )
Ihre Schloßkapelle zu Güstrow versahen die Herzöge 1483 327 ) mit drei Altären und bewidmeten diese mit 75 Mark lübisch aus der Orbör zu Teterow. Am 4. Februar 1510 328 ) gründeten sie in derselben Kapelle die 7 großen Zeiten mit 17 fl. 16 ß jährlicher Hebung aus dem Amte Güstrow. Dieselbe gottesdienstliche Einrichtung trafen sie am 11. November 1515 329 ) in der
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Schloßkapelle zu Schwerin und legten 25 Mark lübisch jährliche Hebung aus der Orbör zu Crivitz dazu.
Erwähnten wir bisher Fälle, wo Renten und sonstige Leistungen durch fürstliche Freigebigkeit für längere Zeit der Kirche zur Verfügung gestellt wurden, so wollen wir nunmehr einige Beispiele für Geschenke betrachten, die nur einmalige Ausgaben hervorriefen. 1505, 330 ) nach dem Tode ihrer Mutter Sophia, schenkten die Landesherren der Domkirche zu Schwerin eine mit Gold und Perlen gestickte Tafel im Werte von 1500 fl., wofür sich die Domherren verpflichteten, das Gedächtnis der Herzogin jeden Freitag zu begehen. Als Patrone der Blutskapelle zu Sternberg schmückten die Fürsten dieselbe mit schönen Glasfenstern, einem reich bemalten und vergoldeten Tabernakel und einem kostbaren, mit ihren Bildern versehenen Altarbild, welches laut des am 29. März 1516 331 ) abgeschlossenen Kontraktes 150 fl. kostete. Die Verleihung von Renten und sonstigen Geschenken an die Klöster des Landes durch die Herzöge werden wir später 332 ) betrachten.
Lähmend auf das Vorgehen der Landesherren gegen den geistlichen Gütererwerb mußte auch ihre Geldnot wirken; denn infolge augenblicklicher Verlegenheiten sahen sich die Herzöge öfter gezwungen, immer mehr von ihren schon außerordentlich zusammengeschrumpften Rechten und Einkünften 333 ) zu verpfänden. Wenn wir aber auch öfter von Entleihungen 334 ) oder Verpfändungen 335 )
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durch die Fürsten hören, so ist doch deutlich das Bestreben erkennbar, die Schuldenlast zu vermindern, 336 ) um dadurch von der Kirche finanziell unabhängig zu werden.
Das Aufsichtsrecht der Landesherren bezog sich nicht nur auf das Erwerben von Grundbesitz durch die Kirche, sondern auch auf die Bedingungen, unter welchen der Kauf oder die Verpfändung stattgefunden hatte. Ja schließlich ging es in ein Überwachungsrecht über den geistlichen Besitz überhaupt über.
Vor allem war es das Streben der Herzöge, die Bedrückung ihrer Untertanen durch deren geistliche Gläubiger zu mildern. Deshalb bestimmten sie, als am 28. Juni 1508 337 ) Güstrow zum zweiten Male abgebrannt war und die Geistlichen die armen Leute mit der Bezahlung der fälligen Renten bedrängten, ohne weiteres, die zweimal Abgebrannten sollten von ihren Häusern acht Jahre lang, von ihren Äckern, Wiesen, Kohl- und Hopfengärten vier Jahre, die aber nur einmal abgebrannt wären, von ihren Häusern und Hofstätten fünf Jahre, von ihren Gärten drei Jahre lang keinen Zins geben. Ferner setzten sie für künftig den Zinfuß auf 6 vom Hundert fest. Die vor dem Brande fällig gewordenen Gelder jedoch sollten bezahlt werden.
Einige Zeit später wollten die Fürsten in der Polizeiordnung von 1516 338 ) eine Regelung des Schuldenwesens für das ganze Territorium herbeiführen. In den Jahren zuvor sollten die Städte alle Schuldenlasten ihrer Bewohner aufzeichnen und die Berichte darüber an die Herzöge einschicken, damit diese und deren Räte
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die Schulden prüfen und ermäßigen könnten. 339 ) Da aber in den Magistraten der Städte, die die Schuldenaufzeichnung ausführen sollten, die wohlhabendsten Leute saßen, denen nicht daran liegen konnte, die Vermögensverhältnisse der städtischen Bewohner, die teilweise auch ihnen verschuldet sein mochten, darzulegen, scheiterte dieser ganze, großangelegte Plan. Zwar hätte sich diese Regelung nicht direkt gegen die Geistlichkeit gerichtet, aber diese wäre bei ihrem großen Reichtum doch am empfindlichsten getroffen worden. Jedenfalls können wir aus dem Plan der Fürsten ersehen, wie diese ohne weiteres auch über geistliches Gut verfügen zu können glaubten. Infolge dieses Mißerfolges sind in der Polizeiordnung nur allgemeine Verfügungen über das Schuldenwesen zu finden. Das Nehmen von Darlehen auf Häuser und Gärten sollte nur mit Erlaubnis der Obrigkeit gestattet sein, da die Güter dadurch merklich geschädigt würden. Ferner müßten die Pfändungen eingeschränkt und die Schuldhaft verkürzt werden. Weiterhin wurde bestimmt, die hohen Zinsen zu ermäßigen. Diese letzte Verordnung kann uns nicht verwundern, sahen wir doch die Herzöge schon im Streit der Klützer Ritterschaft mit der Lübecker Geistlichkeit und bei ihren Befehlen an den Klerus von Güstrow in dieser Richtung wirken. Daß die Landesherren erreichten, was sie wünschten, zeigen uns die Urkunden jener Zeit über Verpfändung und Verleihungen. Im Anfange betrug der Zinsfuß 10 auf das Hundert, dann aber erniedrigte er sich in den folgenden 30 Jahren auf 6 Prozent und bald auf 5 Prozent.
Eine tiefgehende Überwachung des geistlichen Vermögens verfolgte die Polizeiordnung dadurch, daß jährlich mindestens einmal alle kirchlichen Kassen in Städten und Dörfern von den Obrigkeiten in Beisein von herzoglichen Räten revidiert werden sollten.
Daß sich die weltliche Aufsicht überhaupt auf jede beliebige Veränderung durch Vermögenserwerb erstrecken konnte, ersehen wir aus einer Urkunde vom 3. Juli 1491, 340 ) durch welche die Herzöge dem Johanniterkomtur zu Mirow, Herrn Achim Wagenschütte, die Erlaubnis gaben, zum Nutzen seines Hauses in Granzin, wo dieses bereits eine Mühle besaß, noch eine zweite zu bauen.
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Noch deutlicher spricht eine Urkunde vom 15. August 1498. 341 ) Darin wird nämlich berichtet, daß die Nonnen von Ribnitz gezwungen werden, das aus dem infolge eines Sturmes außerordentlich reichen Strandgut geborgene Wachs dem Eigentümer zurückzugeben, obwohl sie sich auf das Energischste widersetzen.
Verständlich muß es uns ferner erscheinen, daß die Landesherren in ähnlicher Weise wie beim Ablaß Sammlungen zu kirchlichen Zwecken von ihrer Erlaubnis abhängig machten. So gestattete Magnus II. am 25. Juli 1488 342 ) der Jakobs-Brüderschaft zu Wittenburg, einen Sammelbrief zur Unterhaltung einer Messe im Herzogtum herumgehen zu lassen.
Ehe wir die direkte Stellung der Landesherren nach der Seite des Spirituellen hin betrachten, müssen wir einen Blick auf den inneren Zustand der Kirche in Mecklenburg während unserer Periode werfen. Beachtenswert sind da vor allem die Reformbestrebungen, die sich in außerordentlich starkem Maße in kirchlichen Kreisen selbst bemerkbar machten, und die sicherlich nicht ganz unbeeinflußt von den weltlichen Fürsten waren. Zuerst haben wir die Synodalstatuten des Bischofs Konrad Loste vom 3. April 1492 343 ) zu erwähnen. Er erließ ferner im Jahre 1500 344 ) für die inneren kirchlichen Verhältnisse seiner Domkirche Verfügungen. Einige Jahre später, am 11. Dezember 1508, 345 ) suchte Bischof Peter Wolkow durch seine Polizeiordnung für die Stadt Bützow auf verschiedene Auswüchse, wie Überhandnehmen von geistlichen Brüderschaften und deren Luxus, einzuwirken, 1512 346 ) worden ebenfalls durch ihn die kirchlichen Beziehungen zum Erzbischof von Bremen als dem Metropolitan Schwerins geregelt. Die umfassendste Reformtätigkeit jener Zeit eröffnete gegen deren Schluß Zutfeld Wardenberg, der Administrator des Stiftes Schwerin. Er erließ im Jahre 1519 347 ) Verfügungen
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über Gleichmäßigkeit der Gottesdienste und Amtshandlungen, 1520 348 ) über Beseitigung von Mißbräuchen in der Beichtpraxis und endlich 1521 349 ) führte er eine ganz neue Agende ein. Die alten, oft sinnlosen Agenden schaffte er ab. Ein näheres Eingehen auf alle diese Verordnungen, welche uns ein hochinteressantes Bild vom Zustand der Kirche und des Klerus jener Zeiten bieten, kann nicht in unserer Aufgabe liegen; wir wollen uns vielmehr wieder den Herzögen zuwenden.
Das geistliche Institut, welches sich fortdauernd des größten Entgegenkommens der Landesherren zu erfreuen hatte, war die Universität zu Rostock, deren Bedeutung für die Kirche, zumal für die Verkündigung der Lehre, die Herzöge wohl erkannt hatten. Deshalb bemühten sie sich, die wissenschaftlichen Studien an ihr zu beleben und zu fördern. Im Jahre 1520 350 ) bewirkten sie die Herausgabe der Oberservantia lectionum in Universitati Rostochiensi. Unter dieser Veröffentlichung haben wir uns keineswegs ein gewöhnliches Lektionsverzeichnis vorzustellen, sondern das Schriftstück verbreitet sich über den Zustand der Universität und der Wissenschaft, vor allem über den der kirchlichen Lehre. Mehr als Phrase scheint es zu sein, wenn in ihm die Jünglinge glücklich gepriesen werden, deren Studium in eine Zeit fällt, wo die Wissenschaften, wenngleich jahrelang gedrückt und beengt, unter dem Schutze und der unmittelbaren Fürsorge und Teilnahme der Herzöge emporblühen. Eine direktere Einwirkung auf die Verkündigung der kirchlichen Lehre an der Universität sehen wir in der Verfügung Heinrichs V. vom Jahre 1522 351 ) an den Professor Nikolaus Marschalk, über das neue Testament VorIesungen zu halten und die Studenten zu deren Besuch aufzufordern. Der Herzog selbst nämlich war durch den Erzieher seines Sohnes Magnus, Konrad Pegel, welcher mit seiner Erlaubnis die neue Lehre in Wittenberg studiert hatte, mit dieser vertraut geworden und wollte für sein Land Nutzen daraus ziehen. Andererseits aber wünschte er infolge seiner kirchlichen Gesinnung nicht, daß die katholische Lehrmeinung erschüttert würde. Dies geht aus einem Briefe vom 1 Juni
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1515 352 ) an den Papst Leo X. hervor, in welchem er diesen bat, den zwischen den Franziskanern und Dominikanern überall, auch in Rostock, leidenschaftlich geführten Streit über die unbefleckte Empfängnis der Jungfrau Maria zum Heile der Kirche durch ein Konzil zu beseitigen. Er selbst nahm zu dem Streite keinerlei Stellung.
Aber auch auf die praktische Ausführung der Seelsorge richteten die Herzöge ihr Augenmerk, obwohl dies in erster Linie Sache der kirchlichen Faktoren sein mußte. Vor allem boten sie immer zu einer Vermehrung des Gottesdienstes die Hand. So überließ Magnus II. am 9. Juni 1488 353 ) der Brüderschaft zum Rosenkranz Maria zwei Hufen vor der Stadt Friedland für 50 fl., damit der Gottesdienst in der Stadt verbessert und gestärkt würde. Im selben Jahre 1488, am 25. Juli. 354 ) ermöglichte Magnus II. der St. Jakobs-Brüderschaft zu Wittenburg dadurch das Unterhalten einer eigenen Messe, daß er ihr das Herumtragen eines Almosensammelbriefes erlaubte. 355 ) Am 4. Juli 1499 356 ) gaben die Herzöge ihre Genehmigung zu dem Vertrage zwischen der Jakobipfarre und den Brüdern vom gemeinsamen Leben in Rostock, nach welchem diese zu Michaelis, Kirchweihe, Ostern, Pfingsten, Stiftungstag und Bettagen vor Personen beiderlei Geschlechts öffentlich, jedoch ohne Predigt, Gottesdienst halten und milde Gaben einsammeln durften. Dafür mußte die Brüderschaft der Pfarre ein im Dorfe Biestow fundiertes Kapital von 100 Mark fundisch abgeben. Bei dem Streben nach Besserung des Gottes-dienstes sind hier auch die Beispiele für Inkorporationen 357 ) zu nennen, soweit diese eine Verbesserung gottesdienstlicher Hand=
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lungen herbeiführen sollten. Ferner bemühten sich, wie wir schon erwähnten, 358 ) die Herzöge, vom Papste Ablaßbriefe zur Vermehrung von gottesdienstlichen Handlungen zu erhalten.
Eine besondere Beachtung verdient die Gründung des Rostocker Kollegiatstiftes 359 ) durch die Herzöge. Auf den ersten Blick scheint es, als ob diese ihren Willen nur ihrem religiösen Gefühle zu Liebe durchgesetzt hätten, um eine Vermehrung des Gottesdienstes in Rostock herbeizuführen. Betrachtet man aber die Gründung im Zusammenhang mit den zur Zeit herrschenden Verhältnissen, so kann man die religiösen Beweggründe der Fürsten erst in letzter Linie nennen. Die Herzöge wollten durch die Umwandlung der St. Jakobskirche in ein Kollegiatstift, welches, wie sie wußten, von der Stadt energisch bekämpft werden würde, den immer stärker sich bemerkbar machenden Konflikt zwischen ihrer Fürstenmacht und der infolge ihrer früheren Privilegien fast unabhängigen Stadt auf das geistige Gebiet hinüberleiten. Mit Hilfe der Kirche sollte dann die Macht der widerstrebenden Stadt gebrochen und diese dem Staate als ein den andern Gliedern an Rechten aber auch an Pflichten gleichstehender Bestandteil eingeordnet werden. Das Domstift hatte also als Mittel zum Zweck zu dienen.
Eine Verbesserung der Seelsorge erstrebten die Fürsten durch Aufsicht über die Pflichterfüllung des Klerus, die eigentlich dem Bischof und seinen Beamten allein zukam. Veranlaßt zum Eingreifen wurden sie meistenteils von ihren Untertanen, die in den Landesherren die natürlichen Anwälte ihrer Beschwerden sahen. Die Herzöge gaben diese mit energischer Bitte um Abhilfe an den Bischofs weiter. So geschah es am 19. Juli 1500 360 ) wegen eines lässigen Priesters in Plau und am 25. September 1518 361 ) wegen des Offizials des Archidiakonus zu Friedland, der im Gottesdienst Unordnung hatte einreißen lassen. Manchmal wandten sich die Landesherren auch direkt an den Beklagten. Dies taten Sie am Montag nach Ostern 1516 362 ) dem Bischof Heinrich von Ratzeburg gegenüber, der zugleich Pfarrer von St. Petri in Rostock war und diese Pfründe durch einen Kaplan nur unzureichend ver-sehen ließ. Als im Jahre 1495 363 ) Bischof Johann von Ratzeburg
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bestimmt hatte, daß die Priester seines im Lande Mecklenburg gelegenen Sprengels die Messe nicht mit Wein, sondern mit Malvaster halten sollten, wandten sich die Herzöge auf die Klage der Geistlichen hin an ihn, er solle angeben, ob er die neue Ordnung zur Störung des Gottesdienstes oder zu dessen Verbesserung gemacht hätte. Der Bischof erklärte darauf, dadurch, daß die Priester mit einer Mischung von Wein und Bier konfetriert hätten, wäre bei den Christen Ärgernis entstanden; deshalb möchte er seine Bestimmung aufrecht erhalten wissen.
Diefe Bemühungen der Herzöge, den Gottesdienst zu heben, wurden dadurch abgeschwächt, daß sie beim Verleihen von Pfründen sehr oft mehr auf die Ergebenheit der dabei in Betracht kommenden Männer als auf deren kirchliche Tüchtigkeit sahen. Außerdem konnten diese Geistlichen wegen ihrer häufigen Verwendung in herzoglichen Diensten ihrer seelsorgerischen Pflicht nur sehr ungenügend gerecht werden. Auch die Inkorporation reicher Pfarren in Kollegiatstifte konnte deshalb von keinem guten Einfluß sein, weil dann an den betreffenden Orten schlecht bezahlte und deshalb oft nachlässige Kapellane oder Vikare die Pflichten der abwesenden Pfründeninhaber verwalten mußten. Selbst direkte Übergriffe gegen einzelne Kirchen, wie Störungen von Gottesdiensten, wurden bisweilen von seiten der Herrscher nicht mit der nötigen Energie zurückgewiesen, wenn sie von deren Freunden ausgeführt wurden. Deshalb bat Zutfeld Wardenberg in einem Briefe aus Rom vom 18. August 1514, 364 ) dem Treiben derer von Lühe gegen die Kirche Einhalt zu gebieten, da sonst des Papstes Fiskal den Bann über das Herzogtum verhängen würde.
Nicht immer beschränkten sich die Herzöge nur darauf, gottesdienstliche Handlungen selbst einzurichten und zu bewidmen 365 ) oder ihnen Vorschub zu leisten; sie selbst trafen hie und da Bestimmung über Abhaltung und Art von Gottesdiensten. Schon Herzog Albrecht VI. verfaßte im Jahre 1485 366 ) zugleich im Namen seiner drei Brüder eine genaue Ordnung über den Gottesdienst in der neuerbauten Schloßkapelle zu Güstrow. Bei Todesfällen in der Familie 367 ) verlangten die Herzöge als Landesherren, nicht aber auf Grund bestimmter Stiftungen oder späterer finan=
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zieller Entschädigungen, daß in allen Kirchen des Landes längere Zeit hindurch Vigilien und Seelenmessen für die Verstorbenen gelesen würden. Bemerkenswert hierbei ist, daß diese Weisung nicht durch Vermittlung des Bischofs erfolgte, sondern direkt durch die herzoglichen Beamten den Pfarrern mitgeteilt werden sollte. Am 24. Juni 1523 368 ) befahl Heinrich V. seinen Beamten, ein gewisses Gebet gegen die Türken allsonntäglich durch die Prediger ihres Amtes vom Predigtstuhl aus verlesen zu lassen. Hierbei könnte noch angeführt werden, obwohl sich die Verordnung nur auf eine Äußerlichkeit des Gottesdienstes bezog, daß Magnus II. in den großen Fasten des Jahres 1501 369 ) für die Stadt Boizenburg bestimmte, es sollten für das Sterbegeläut 4 ß gegeben werden. Wäre jemand aber so unvermögend, daß er diesen Betrag nicht bezahlen könnte, so müßten die Glocken umsonst geläutet werden.
Zum Schluß sei noch die Polizeiordnung von 1516 erwähnt, die auch viele spirituelles Gebiet berührende Verordnungen enthält. Im allgemeinen wurde der Luxus bei kirchlichen Familienfeiern, wie Hochzeiten, Kindtaufen und Begräbnissen, stark eingeschränkt; die Zahl der Personen, die Zeitdauer, die Zahl der Mahlzeiten, der Verbrauch des Bieres, der Wert und die Zahl der Geschenke wurden genau festgelegt. 370 ) Zwar scheinen diese Bestimmungen auf den ersten Blick nichts mit kirchlichem zu tun zu haben, aber gerade der Klerus war es, der fest an den alten verschwenderischen Festen hing, die nicht ohne materiellen Vorteil für ihn waren. 371 )
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Seit ihrem Bestehen standen die Klöster unseres Gebietes mit den Herzögen, denen sie größtenteils ihre ursprüngliche Fundation und Dotation wie auch ihre allmähliche Bereicherung verdankten, in engen persönlichen Beziehungen. Nicht nur nach dem Tode nahmen sie fast immer die Fürsten in ihren Frieden auf. 372 ) sondern schon zu Lebzeiten boten Sie vielfach den unverheirateten Töchtern der herzoglichen Familie einen standesgemäßen Aufenthaltsort.
Hierbei kam vor allem Ribnitz 373 ) in Betracht. Von 1467 bis 1492 374 ) bekleidete Elisabeth, die Tochter Heinrichs des Dicken, die Würde einer Äbtissin, die sie aus noch zu erwähnenden Gründen niederlegen mußte. Gestorben ist sie im Jahre 1506 im Kloster. 1488 375 ) wurde die 1480 geborene Dorothea, die Tochter Magnus II, dem Kloster übergeben; sie wurde 1498 zur Äbtissin erwählt. Von 1492 bis zu diesem Zeitpunkt war das Kloster von einer Vikaria regiert worden, 376 ) um die Fürstentochter, sobald sie das nötige Alter erreicht hatte, in die Würde einer Äbtissin einweisen zu können. Zwar erlaubte ihr, wie wir schon sahen, Papst Alexander VI. am 13. April 1499 377 ) auf ihren Wunsch, in eine Niederlassung des Benediktiner-, Cister- zienser- oder Prämonstratenserordens 378 ) überzugehen, weil sie die Regeln ihres Ordens nicht genau befolgt hatte; sie scheint
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jedoch keinen Gebrauch davon gemacht zu haben. Im Jahre 1514 379 ) ist sie noch Äbtissin, als ihr die Tochter ihres Bruders, Heinrichs V., die 1510 geborene Ursula, präsentiert wurde. Diese kleidete man 1522 ein; 1528 wurde sie Vikaria und 1538 nach dem Tode Dorotheas Äbtissin. Bei Ribnitz müssen wir noch Anna 380 ) erwähnten, die 1498 als Nonne starb. Von den andern Nonnenklöstern ist nur noch Rehna als Aufenthaltsort eines Gliedes der fürstlichen Familie zu nennen. 1490 wurde die 1470 geborene Tochter des letzten Stargarder Herzogs Ulrich II. mit Namen Elisabeth Priorin daselbst.
In unserer Periode zeigte sich das Interesse der Landesherren für die Klöster vor allem in zwei Neugründungen.
Infolge der Hostienschändung zu Sternberg 381 ) sah sich Magnus II. veranlaßt, auf dem verödeten Schlosshof, wo man die vergrabenen Hostien gefunden hatte, ein Kloster zu bauen, welches er mit Augustinermönchen besetzen wollte. Obwohl Bonifacius VIII. die Gründung neuer Bettelmönchklöster verboten hatte, verstand es Magnus dennoch mit Hilfe von befürwortenden Briefen des Kurfürsten Friedrich von Sachsen 382 ) durch seinen Geschäftsträger in Rom, Peter Wolkow, von Alexander VI. am 19. September 1500 383 ) die Bestätigung seiner Gründung zu erlangen. Am 1. Juni 1501 wurde die päpstliche Bulle veröffentlicht und im Jahre 1502 schloß Magnus mit dem Maurermeister Andreas Techel einen Baukontrakt ab. Die Kosten sollten von den bei der Fronleichnamskapelle in Sternberg eingehenden Opfergeldern bestritten werden, von denen drei Viertel für diesen
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Zweck bestimmt waren; das Fehlende wollte der Herzog selbst dazutun. 1503 wurde das Schlafhaus vollendet und bereits 1504 nahmen etliche Augustinermönche das Kloster in Besitz. Nach dem Tode Magnus II. jedoch geriet der Bau ins Stocken, hauptsächlich deshalb, weil der Bischof Johann von Schwerin der Gründung aus irgend welchen, uns unbekannten Gründen mißgünstig gegenüberstand. Dies können wir aus einem Briefe des Generalvikars Johannes von Staupitz vom 24. April 1505 384 ) an Heinrich V.
ersehen, in welchem jener um eine Visitation des jungen Klosters und gleichzeitig um dessen Weiterbau bat. Das letztere hatte am 3. Februar 1505 385 ) bereits ein anderer Augustinerpater, Johannes von Paltz, getan. Diese Bitten wirkten. Am 28. August 1506 386 ) setzten die Herzöge gegen den Willen des Bischofs von Schwerin durch, daß auch von den bei der neuen Blutskapelle einkommenden Opfern zwei Drittel auf ein Jahr dem Kloster überwiesen werden sollten. 1510 endlich scheint der Bau zu einem gewissen Abschluß gekommen zu sein; denn in diesem Jahre 387 ) stellten die Herzöge die dauernde Dotation des Klosters fest.
In der von unseren Herzögen sehr bevorzugten Stadt Güstrow war die Kapelle des Heiligen Bluts verschiedenen Bränden zum Opfer gefallen. Um dem dortigen heiligen Blute durch eine würdige Verehrungsstätte zu ähnlichem Ansehen wie dem in Sternberg zu verhelfen, 388 ) wollten die Landesherren ein Franziskanerkloster daselbst gründen, wozu am 16. Mai 1509 389 ) Julius II. seine Erlaubnis gab. Da widersetzte sich plötzlich am 22. September
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desselben Jahres 390 ) das Kapitel des Kollegiatstiftes zu Güstrow und forderte durch Abgesandte an die Fürsten Einstellung des Baues, da derselbe ihren Privilegien zuwiderginge; fürchteten sie doch durch Verlegen des Heiligen Blutes ins Kloster Einbuße an Einnahmen. Die Herzöge verzichteten deshalb auf ihre ursprüngliche Absicht und erlaubten dem Kapitel, das Heiligtum aus der Schloßkapelle, wo es einstweilen untergebracht worden war, in ihren Dom zu bringen. Dort sollte es solange bleiben, bis von den eingegangenen Opfergaben eine eigene Blutskapelle an die Kirche angebaut werden könnte. Das Kloster aber, welches die Herzöge ruhig hatten weiter bauen lassen, sollte ihren Privilegien in keiner Weise nachteilig sein. 391 ) Trotzdem aber erlosch der Streit zwischen den Landesherren und dem Kapitel nicht ganz; denn noch am 18. August 1514 392 ) schrieb Zutfeld Wardenberg aus Rom an Heinrich V., der Papst hätte dem Kapitel die Translation des Heiligen Blutes genehmigt; weiterhin bat er in dem Schreiben in demütigsten Ausdrücken die Herzöge, das Kapitel wieder in ihren Schutz zu nehmen, gern wolle es wieder jederzeit tun, was die Herzöge wünschten.
Den schon bestehenden Klöstern bewiesen die Herzöge ihre Gunst durch reiche Verleihungen, um mittels derselben den Gottesdienst zu bessern und ihrem eigenen kirchlichen Bedürfnis nachzukommen.
So schenkte Magnus II. dem Kloster Doberan am 18. März 1498 393 ) eine unablösliche jährliche Rente von 15 Mark zur Einführung bestimmter gottesdienstlicher Handlungen an gewissen Tagen. Ein Jahr darauf, am 2. März 394 ) stiftete und bewidmete er in der Klosterkirche daselbst eine Messe mit 15 rh. fl. Am 5. März 1515 395 ) ließen Heinrich und Albrecht in ihr durch einen Glasermeister aus Rostock die bemalten Fenster, auf welchen teilweise die verstorbenen Herzöge verewigt waren, erneuern. Weiterhin schenkten sie am 22. März 1517 396 ) Abt und Konvent ohne jede Gegenleistung eine jährliche Rente von 5 Gulden. Zuletzt sei noch erwähnt, daß Magnus II. den Bischof Konrad am 4. Oktober 1500 397 )
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bewog, zugunsten des vor dem Kloster errichteten Kreuzes einen Ablaß von 40 Tagen zu erteilen, um dadurch den Besuch des Klosters zu heben.
Dem Karthäuserkloster zu Marienehe, zu dessen Abt Vicke Dessin Herzog Magnus II. in besonders freundschaftlichen Beziehungen stand, schenkten die Herzöge 50 rh. fl. für Vigilien und Seelenmessen zu Ehren ihres Vaters Heinrich IV. 398 )
Am 17. März 1516 399 ) stifteten die Fürsten im Kloster Röbel eine Messe und bewidmeten sie mit 4 rh. fl.
Ihrer Schwester Elisabeth, Äbtissin zu Ribnitz, setzten die Herzöge am 14. Dezember 1478 400 ) eine jährliche Rente von 100 Mark fundisch aus, die diese teilweise zu des Klosters Nutzen verwendete. Demselben Kloster vermachte im Jahre 1504 401 ) Herzogin Sophie mehrere kostbare Gewänder. Ferner erhielt Ribnitz nach und nach von den Herzögen das Dorf Freudenberg mit dem höchsten Gericht, nämlich 1507 einen Teil von Balthasar, dann einen von Erich, den Rest schließlich 1516 von Heinrich V. 402 ) Im Jahre darauf 403 ) endlich verliehen die Fürsten ihm einen ganzen Hof gegen die Verpflichtung, Seelenmessen für Glieder des herzoglichen Hauses abzuhalten.
Wieweit die Sorge der Herzöge für die Klöster ihres Territoriums ging, möchten wir noch an zwei Beispielen zeigen. Als "Landesherr und Patron" verlangte Heinrich V. im Jahre 1515 404 ) vom Papste die Erlaubnis, das in Sternberg einkommende Opfergeld mit Ausnahme des dem dortigen Kirchherrn zukommenden dritten Teils für arme Klöster, besonders für die reichlich vorhandenen Jungfrauenklöster verwenden zu dürfen. Ferner gab Heinrich V. dem Ablaßhändler Dominikus erst unter der Bedingung am 6. Dezember 1517 405 ) die Erlaubnis, Ablaßbriefe in
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Mecklenburg zu verkaufen, daß er ein Drittel seiner Reineinnahme den Klöstern Güstrow, Parchim und Dargun übergäbe.
Zu unserer Zeit betrug die Zahl der Klöster in Mecklenburg 27 mit 700 männlichen und weiblichen Insasen. 406 ) Nach ungefährer Schätzung dehnte sich der Grundbesitz derselben über 63 Quadratmeilen aus; also fast ein Viertel des gesamten Grundbesitzes befand sich in der Hand der Klöfter. 407 ) Da diese ihre ursprüngliche Fundation und Dotation wie auch ihre allmähliche Bereicherung zum größten Teil den Landesfürsten verdankten, so hatten diese sich immer großen Einfluß auf dieselben zu bewahren gewußt. Es kann hier nicht unsere Aufgabe sein, zu untersuchen, ob Sie diesen aus Vogtei-, Patronats- oder bloßen landesherrlichen Rechten herleiteten, jedenfalls übten sie solche aus, auch wenn ihnen Rechte privatrechtlicher Natur 408 ) nicht zur Seite standen. Der Höhepunkt, bis zu dem die aus dieser Schirmvogtei abgeleiteten Ansprüche gingen, ist sicherlich das noch zu erwähnende Recht, den Klöstern Provisoren beizugeben.
Aber auch die Klöster legten großen Wert auf die Verbindung mit den Landesherren, die ihnen zwar oft unbequem wurden, ihnen aber andererseits Schutz gewährleisteten. Deshalb ließen sie sich Schutzbriefe ausstellen, wie wir solche vom 2. Juni 1480 409 ) für Rehna, vom 22. Dezember 1483 410 ) für Marienehe und vom 7. April 1485 411 ) für Templin anführen wollen. Auch auswärtige Klöster, welche Güter in Mecklenburg besaßen, ließen dieselben in Schutz nehmen und entrichteten dafür ein Schutzgeld, von welchem bei den oben genannten Versicherungen nicht die Rede ist. So schickte am 29. Februar 1508 412 ) der Abt des Klosters zu Reinfeld an Herzog Heinrich V. nach altem Gebrauche zwei Ochsen und bat um Schutz für die Güter seines Klosters im Lande Mecklenburg.
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Dafür, daß die Herzöge die übernommenen Schutzverpflichtungen wirklich durchführten, finden sich mehrfach Beispiele. Am 11 März 1484 413 ) beschwerte sich Herzog Magnus II auf die Bitte des Abtes von Doberan beim Rat von Rostock darüber, daß Kaufleute der Stadt am Kloster mit geladenem Gewehr vorbeiritten. Den Rat von Wismar forderte derselbe Herzog am 6. Dezember 1492 414 ) auf, den Klöstern Neukloster und Doberan, welchen nachts ihr Korn vom Felde gestohlen worden war, zur Wiedererstattung des Verlustes zu helfen. Beim Kurfürsten von Brandenburg beklagte sich Magnus II am 20. August 1499 415 ) darüber, daß bei einem Raubeinfall aus dem Nachbarlande das dem Kloster Wanzka gehörige Dorf Grünow verbrannt worden wäre; er bat um Vermittlung der Ersatzleistung. Am 18 Juli 1507 416 ) schrieben die Herzöge wegen einer ähnlichen Schädigung des KIosters Jvenack an Herzog Bogislaf von Pommern-Stettin. Als letzter Fall sei der Streit zwischen dem Kloster zu Sternberg und dem Bischof von Schwerin erwähnt 417 ) Das junge Kloster war wegen reicher Schenkungen rasch aufgeblüht und hatte sich infolge seines Rechts, überall Beichte zu hören und zu predigen, in die Seelsorge stark eingemischt; dadurch erregte es natürlich den Neid des Weltklerus. Als Werkzeug seiner Rache für dieses vermeintliche Unrecht bediente sich dieser des Schulmeisters Andreas Windbeck, der Prior und Mönche beschimpfte, ja sogar mit Waffen bedrohte. Da er deshalb zur Rechenschaft gezogen worden war, drang er betrunken und bewaffnet in die Klosterkirche ein und störte den Gottesdienst. Bei dieser Gelegenheit fesselten ihn die Mönche, ließen ihn aber bald nach Leistung der Urfehde wieder frei. Jetzt mischte sich der Bischof von Schwerin, der, wie wir schon sahen, dem Kloster nicht wohl gesinnt war, in den Handel und verhing am 15. Juni 1514 ohne irgend welche Untersuchung über dasselbe den Bann wegen Gewalt gegen einen Geistlichen. Der Generalvikar Staupitz protestierte gegen dieses Verfahren und appellierte nach Rom. Nunmehr griff Heinrich V. ein, ermahnte die Bürger von Sternberg, die Augustinernmönche weiter zu achten und forderte den Konservator des Ordens und seiner Rechte in Deutschland, den Erzbischof von Magdeburg, auf, den Prozeß zu kassieren. Den Bischof von
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Schwerin, der vielleicht "aus einem verhetzten oder hitzigen Gemüte" gehandelt hätte, sollte er auf dem Wege des geistlichen Rechts belangen.
Welche Gegenleistungen die Klöster den Landesherren für die Schutzgewährung in Kriegszeiten zu leisten hatten, sahen wir bereits bei der Lübecker Fehde, 418 ) wo sie ihre Mannen ebenso zur Verfügung zu stellen hatten wie der Bischof von Schwerin.
In finanzieller Beziehung mußten die Klöster ihren Verpflichtungen streng nachkommen. Zwar waren ihre Güter meistens von der Bede ausdrücklich befreit, andererseits aber können wir in unserer Periode kein Beispiel dafür angeben, daß sich ein Kloster geweigert hätte, dieselbe zu entrichten, wenn es dazu verpflichtet war. Die Herzöge versuchten sogar früher abgetretene Bedeverpflichtungen wieder für sich selbst nutzbar zu machen. Dies können wir aus einer Klage des Lübecker Johannisklosters vom 18. März 1501 419 ) darüber entnehmen, daß es von mecklenburger Beamten im Genusse der ihm eigenen Bede zu Rankendorf gestört wurde.
Die Verpflichtung zu außerordentlichen Beden bestand selbstverständlich, genehmigten doch die unter die Prälaten zu rechnenden Klostervorstände dieselbe selbst mit bei den landständischen Versammlungen. Mit welcher Energie die Herzöge Weigerungen, zu zahlen, entgegenzutreten wußten, zeigt uns Doberan, das sich am 25. November 1510 420 ) unter Berufung auf seine Privilegien weigerte, die von ihm verlangte, von den Ständen in der Höhe einer halben Landbede bewilligte Reichssteuer zu entrichten. Am 27. November 1510 421 ) gaben die Herzöge den Bescheid, daß sie sich solcher Privilegien ebensowenig zu erinnern wüßten, als sie ihrerseits gesonnen wären, sich des ihnen zustehenden Besteuerungsrechtes zu begeben; etwaigen Widerstand des Klosters würden sie mit Auspfändung der Klosterleute beantworten.
In ähnlicher Weise, wie das im Territorium liegende Stift Schwerin für den Schutz der Landesherren kein besonderes Schirmgeld bezahlte, findet sich ein solches auch für die inländischen Klöster nicht, während auswärtige, wie Reinfeld, ein solches, parallel zum Bistum Ratzeburg, erlegen mußten.
Außerordentlich drückend empfanden die Klöster das Recht des Landesherrn, auf ihren Gütern mit ihrem Gefolge und aller
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Dienerschaft bei Reisen, Jagden oder sonstigen Anlässen Ablager 422 ) zu halten. Wie aus einem 1528 423 ) vom Abt Nikolaus von Doberan abgefaßten Bericht hervorgeht, waren die Fürsten zuerst des Gottesdienstes wegen mit wenigen Begleitern in die Klöster gekommen, dann aber hatten sie, um sich deren Reichtum wenigstens in Etwas dienstbar zu machen, bei ihren häufigen Besuchen die Jagd vorgegeben. In großer Zahl und für lange Zeit hatten sie Aufenthalt genommen, so daß den betroffenen geistlichen Anstalten große Ausgaben erwachsen waren. Schließlich war noch, wenn die Herzöge selbst verhindert waren, das Ablager der Jagdbediensteten mit ihren Pferden und Hunden dazugekommen, welches man wegen des Schikanierens durch die herzoglichen Diener am meisten haßte. Die zuerst mehr oder minder freiwilligen, in ihrem Umfange unbestimmten Ablager wurden also nach und nach kraft Rechtens von den Fürsten gefordert. Teilweise entwickelte sich bei Verhinderung der Herzöge, selbst zu kommen, die Verpflichtung, alles zum Ablager Notwendige auf die fürstlichen Häuser zu schaffen. 424 ) Dadurch war aber das Jagdablager 425 ) nicht abgelöst, sondern beide Leistungen wurden nun unabhängig voneinander gefordert. Welche Wichtigkeit die Herzöge diesem Rechte zumaßen, sehen wir am besten aus den Erbteilungsverträgen, wo z. B. am 7. Mai 1520 426 ) die Ablagergerechtigkeit von Doberan, Dobbertin, Dargun, Eldena, Rehna, Zarrentin, Wanzka, Broda und Jvenack ausdrücklich erwähnt wird. Die ungünstige finanzielle Lage der Herzöge wies diese nur zu oft darauf hin, auf dem eben beschriebenen Wege den Reichtum der Klöster für sich nutzbar zu machen. Daß die Ansprüche der Herzöge bei ihren Klösterbesuchen nicht geringe waren, zeigt ein Brief Magnus II. vom 10. November 1495 427 ) an den Kurfürsten Johann von Brandenburg. Er beklagte sich in diesem darüber,
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daß er auf einer Reise in einem märkischen Jungfrauenkloster nicht nach Wunsch aufgenommen worden wäre, und fügte hinzu, er würde in einem solchen Falle streng einschreiten.
Die Folgen von alledem waren schwere Klagen der am härtesten betroffenen Klöster. Schon am 20. Juni 1478 428 ) beklagten sich die Äbte der Klöster an der Ostsee über ihre materielle Notlage und über die Ausbeutung durch die Fürsten. Doberan schrieb, es hätte in wenigen Jahren viele tausende Goldgulden für seine Fürsten gebraucht und verbrauchte sie noch. Am 12. März 1509 429 ) schlossen nach langen Verhandlungen die Herzöge mit Abt und Konvent von Doberan wegen deren beständigen Klagen einen Vertrag: Das Kloster sollte fernerhin den Jägern für 2 Tage und 2 Nächte Speise, aber nicht mehr als 2 Tonnen Bier geben. Die Ablager der Herzöge - 6 Wochen in den Fasten und 14 Tage im Herbst - sollten dadurch abgelöst werden, daß drei Jahre lang vom Kloster in drei Terminen 500 Mark gezahlt würden; anstatt des Geldes könnte dieses Korn liefern, jedoch dürfte der Scheffel Hafer nicht höher als mit 2 ß angeschlagen werden.
Befreiungen von Ablagerverpflichtungen verliehen die Herzöge nur sehr selten. So verzichteten sie, um das einzige Beispiel unserer Periode anzuführen, am 27. Februar 1505 430 ) dem Kloster Marienehe gegenüber auf das Ablager im Dorfe Peez und die von ihren dortigen Vögten den Bauern in jedem Jahre abgezwungene Last Hafer.
Im Verhältnis zu diesen Leistungen konnten andere Dienste, wie die Stellung von Bauern zur Arbeit, nicht allzuschwer fallen. Wir finden in unserer Zeit keine weitere Klage darüber als die von Doberan, welches ebenfalls am 12. März 1509 431 ) deshalb, weil seine Untertanen in mehreren Dörfern von den fürstlichen Beamten zu Schwaan allzusehr beschwert würden, sich mit den Herzögen einigte. Künftighin sollte ein jeder Bauer jährlich nicht mehr als 28 Tage zu Hofe dienen, wobei die Dienste dergestalt zu verteilen wären, daß sie nach ihrer Wahl zwei Tage, und
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sonst in der Woche nur einen dienen müßten; darüber hinaus dürften sie nicht in Anspruch genommen werden. Die andern Untertanen des Klosters aber sollten nicht mehr, als von Alters gebräuchlich, mit Diensten belegt werden.
Außerordentlich streng hielten die Herzöge ferner an dem Aufsichtsrecht über die Vermögensverwaltung der Klöster und vor allem über Besitzveränderungen fest. Um dieses Recht für sich wahrzunehmen, gaben sie dem Jungfrauenkloster Ribnitz einen landesherrlichen Beamten bei, den sogenannten Provisor, 432 ) der sich bald auf die ganze Verwaltung einen großen Einfluß zu verschaffen wußte.
Als den Herzögen zu Ohren gekommen war, daß sich die finanzielle Lage des KIosters Rühn immer mehr verschlimmert hatte, ließen sie am 30. Oktober 1495 433 ) durch ihre Räte gemeinsam mit Bischof Konrad von Schwerin und dessen Kapitel die Einnahmen des KIosters überrechnen, damit die darin befindlichen 35 Insassen ihre Nahrung und Notdurft haben möchten. Genau wurde bestimmt, wieviel der Propst von den Gütern der Propstei der Priorin und deren Verweserin für das Kloster geben sollte, ferner, daß die Güter als gemeinsam zu betrachten wären und den Nonnen ein Hof mit 30 Kühen, aber nicht darunter, zur Verfügung gestellt werden müßte.
Vor allem richteten die Landesherren ihre Aufmerksamkeit auf das Anwachsen des KIosterbesitzes, wie sie dies beim geistlichen Besitz im allgemeinen taten. Von ihrer Zustimmung machten sie alle Erwerbungen, sei es durch Schenkung, 434 ) Kauf 435 ) oder Verpfändung 436 ) abhängig, ja sie wollten sogar bei Trans=
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sumtionen 437 ) früher erlassener Verkaufsbriefe ihre Einwilligung eingeholt wissen. Deshalb ließen sich auch die Klöster ihren gesamten Besitzstand und ihre Wiederkaufsrechte von den Herzögen bestätigen. 438 ) Als besonderer Gnadenerweis mußte es wegen dieser Strenge gelten, wenn die Herzöge am 24. Oktober 1484 439 ) das Kloster Marienehe ermächtigten, in allen ihren Landen von Adeligen und Anderen Grundbesitz wiederkäuflich zu erwerben, ohne bei ihnen und ihren Nachfolgern um Erlaubnis nachsuchen zu müssen. Die Erbkäufe jedoch behielten Sie ihrem Konsense vor.
Auf jede andere Änderung des Besitzstandes richteten die Landesherren ebenfalls ihr Augenmerk. So schrieb Magnus II. am 27. Mai 1493 440 ) an den Rat von Wismar, er hätte erfahren, daß die grauen Mönche daselbst etliche Kleinodien aus dem Gotteshause wegbringen wollten. Er forderte den Rat auf, das zu hintertreiben und dafür Sorge zu tragen, daß alles etwa dritten Personen Anvertraute aufgezeichnet würde. 1510 441 ) gaben die Herzöge ihre Einwilligung dazu, daß Äbtissin und Konvent von Ribnitz, um den ungünstigen Vermögensstand des Klosters zu heben, alle unnötigen goldenen Gefäße verkauften und für den Erlös, zu welchem die Äbtissin noch einen größeren Betrag legen wollte, ein größeres Stück Land erwarben. Wieweit die Beaufsichtigung manchmal ging, zeigt die am 25. Juni 1498 442 ) dem Kloster Broda gegebene Erlaubnis der Herzöge, das Anerbieten zweier Edelleute anzunehmen, in deren Kalkberg frei zur Besserung der Kirche und der Klostergebäude Kalk zu brechen. Ebenso bat im Jahre 1502 443 ) das Kloster Jvenack erst um Erlaubnis, als es infolge des ermäßigten Zinsfußes in Zukunft seine Kapitalien schon zu 6 Prozent ausleihen wollte.
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Bei dieser scharfen Kontrolle kam es wohl mehr als einmal vor, daß die Herzöge bei Eingehen auf irgend welche Wünsche des Klosters für sich selbst Vorteile zu erreichen wußten. So verpflichtete sich z. B. Doberan in dem schon mehrfach erwähnten Vertrage vom 12. März 1509, 444 ) den ihm früher von den Fürsten verliehenen Heringsfang nur noch 3 Jahre frei genießen, dann aber jenen für die weitere Überlassung desselben eine gebührende Entschädigung zahlen zu wollen.
Überhaupt griffen die Landesfürsten in ihren finanziellen Nöten gern auf die Klöster zurück, um sich deren Kapitalien nutzbar zu machen. So verpfändeten sie z. B. am 6. Dezember 1492 445 ) für 200 Mark fund. 14 Mark fund. Pacht und am 21. März 1514 446 ) für 500 fl. 25 fl. jährliche Hebung aus dem Amte Gnoien an Abt und Konvent von Dargun.
Den stärksten Eingriff in Innerkirchliches und das deutlichste Zeichen eines sich entwickelnden Kirchenregiments mit seiner positiven Arbeit bezeichnet das Bemühen der Landesherren, die einzelnen Klöster ihres Territoriums zu reformieren. Wie überall, so zeigte sich auch bei uns in Mecklenburg eine tiefeingerissene Zerrüttung des klösterlichen Lebens. Es darf aber nicht unerwähnt bleiben, daß sich hier schon früher die Neigung zur Annahme strengerer Vorschriften zeigte; gehörten doch die Franziskaner und Dominikaner der strengeren Observanz an. Auch das neugegründete Augustinerkloster zu Sternberg muß der Windsheimer Kongregation zugerechnet werden; denn sonst wäre das lebhafte Interesse des Johannes von Staupitz, welcher dessen begeisterter Förderer war, unerklärlich. Von geistlicher Seite machte man zu unserer Zeit energische Versuche, das Klosterleben zu reformieren und neu zu beleben. So verschärfte die Synodale von 1492 447 ) die Klausur und regelte die Zahl der Insassen nach den zur Verfügung stehenden Einkünften. Dort wurde zum Beispiel für das Kloster zum Heiligen Kreuz 448 ) in Rostock die Zahl der
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geistlichen Schwestern auf 40 festgesetzt. Trotz des guten Willens konnten diese Verordnungen der geistlichen Faktoren nicht genügen.
Schon vor unserer Zeit hatten die Landesherren ihre Aufgabe darin erkannt, derartige Reformationen selbst in die Hand zu nehmen oder wenigstens die kirchlichen Mächte dazu zu veranlassen. Da Magnus II., wie wir aus den Urkunden ersehen können, bereits zu Lebzeiten seines Vaters an der Regierung teilnahm, trat er wohl schon damals dieser Aufgabe näher, wenigstens folgten damals in kurzen Zwischenräumen Reformationen oder Visitationen verschiedener Klöster aufeinander. So wurde 1467 449 ) Ribnitz vom sächsischen Provinzialminister der Franziskaner visitiert und eine Ordnung über die Äbtissinwahl erlassen. 1468 450 ) erlaubte Heinrich IV. zwei Dominikanermönchen als Bevollmächtigten des Generalvikars der holländischen Kongregation, der die Dominikanerklöster in Mecklenburg angehörten, die Reformation der beiden Klöster zu Rostock und Wismar in Gegenwart des Herzogs ins Werk zu setzen. Am 4. Oktober 1475 451 ) endlich wurde das Fraterhaus zu Rostock vom Rektor des Fraterhauses zum Springborn in Münster visitiert, und es wurde ihm eine neue Regel gegeben.
Nach dem Tode seines Vaters wurde Magnus II. in seinem Bemühen, neues Leben in die Klöster zu bringen, außerordentlich durch den Beifall bestärkt, den er auf geistlicher Seite erntete. Der Karthäusermönch Vicke Dessin ermahnte ihn im Jahre 1477, 452 ) die Klöster zu reformieren; "denn diese ließen sich dünken, sie lebten in der Wahrheit und seien doch in großer Fährlichkeit". Die Pflichten des Landesherrn zur Beihilfe bei Visitationen führte er darauf zurück, daß die Fürsten Gott für ihre Untertanen verantwortlich wären. 453 ) Dadurch beeinflußt, erließ Magnus, wie wir aus dem Visitationsbericht ersehen können, im Jahre 1485 454 ) den Befehl, alle Kollegiatkirchen und Klöster - Namen sind nicht genannt -, sowohl die von Mönchen als auch von Nonnen bewohnten, zu visitieren. Gäbe es Mißbräuche, so wären diese zu beseitigen. Im selben Bericht finden wir für die Nonnenklöster Rehna und Zarrentin, Zisterzienserordens, eine
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äußerst bemerkenswerte Verfügung: Die daselbst in Menge angetroffenen, nicht in Mecklenburg geborenen Kinder, welche den Klosterjungfrauen zur Erziehung übergeben worden waren, sollten unnachsichtlich vertrieben werden. Vor allem kamen dabei die Töchter der Lübecker Patrizierfamilien, die von den Nonnenklöstern zur Erhöhung der knappen Einnahmen aufgenommen worden waren, in Betracht. Weil aber etliche dieser Familien mit mecklenburger Adeligen verwandt waren, widersetzten sich diese, zumal sie außer dem von dieser Verfügung Weiterungen mit Lübeck und den Seestädten befürchteten. Dieses Mal bestand Magnus II. nicht auf der Durchführung seines Befehles, 455 ) zumal sogar die benachbarten Staaten bei ihm Einspruch erhoben zu haben scheinen. 456 ) Fallen ließ er jedoch seinen Plan keineswegs, sondern als sich seine Macht gestärkt hatte und er keinen Widerstand seines Adels mehr zu fürchten brauchte, bestimmte er im Jahre 1501, 457 ) als er die Privilegien der Jungfrauenklöster Rehna und Zarrentin konfirmierte, daß lübische Kinder darin nicht mehr erzogen werden sollten. Dieses Mal ließ er sogar deutlich merken, gegen wen sich seine erste Verordnung hauptsächlich gerichtet hatte.
Am 2 Juni 1493 458 ) wurde auf Veranlassung der Herzöge Magnus II. und Balthasar das St. Klaren-Nonnenkloster zu Ribnitz durch den sächsischen Provinzialminister der Franziskaner, Ludwig von Sygen, auf Grund einer vorher veröffentlichten strengeren Regel in Gegenwart der Herzöge visitiert und reformiert. Eine hohe Meinung von deren Rechtlichkeitsgefühl müssen wir bekommen, wenn wir sie ihre Genehmigung dazu geben sehen, daß ihre eigene Schwester, die Herzogin Elisabeth, die durch ihren unkeuschen Lebenswandel das Aergernis der Nonnen erregt hatte, so daß diese ferner nur der Vikaria gehorchen wollten, veranlaßt wurde, ihre Würde als Äbtissin niederzulegen; sie selbst blieb bis zu ihrem Lebensende im Kloster.
Gemeinsam mit Bischof und Kapitel von Schwerin, die das höchste Gericht und die Ablagergerechtigkeit in den fast ganz im stiftischen Gebiet liegenden Klosterdörfern besaßen, wurde am
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28. Oktober 1495 459 ) das Nonnenkloster des Zisterzienserordens Rühn von den Herzögen visitiert und mit einer neuen Ordnung versehen.
Bisher konnten wir das Einholen der päpstlichen Erlaubnis zur Reformation der Klöster nicht nachweisen; in der nun folgenden Zeit jedoch finden wir das fast immer. So wandte sich Magnus II. im Jahre 1501 460 ) direkt nach Rom, um die Reformation der beiden Prediger-Orden, welche sehr nötig sei, zu erbitten. Es handelte sich höchstwahrscheinlich - nähere Angaben fehlen gänzlich - um die Klöster des Dominikaner- und Franziskanerordens; auch die kurz nach dieser Zeit erfolgte Reformation des Dominikanerklosters Röbel scheint unsere Annahme zu bestätigen. Um dessen Visitation durch den Vikar der reformierten Klöster in Sachsen und Livland zu erreichen, hatten die Herzöge am 24. Juni 1502 461 ) an den Kardinal Raimund geschrieben. Am 19. Dezember 1502 462 ) befahl Papst Alexander VI. die Visitation, Korrektion und Reformation der Klöster verschiedener Orden in Deutschland und Dänemark. Am gleichen Tage 463 ) beauftragte Raimund gemäß dem Wunsche der Herzöge den Vikar oder dessen Stellvertreter mit der Reformation Röbels und noch anderer, leider nicht genannter Klöster.
Mit Hilfe des ebengenannten Raimund erhielten die Fürsten am 9. Dezember 1504 464 ) vom Papste Julius II. fernerhin die Erlaubnis, die Reformation des Klosters Doberan durch die Äbte von Adward und Marienfelde trotz des großen Widerstandes Doberans vornehmen zu lassen. Dieses Kloster hatten die Herzöge, laut Bruchstücken eines Briefes, 465 ) schon 1502 visitieren lassen wollen, aber am 21. Juni 1502 466 ) hatte der Abt von Amelungsborn feierlich gegen diese Absichten mit Bitten und Drohungen protestiert; denn nur seinem Kloster als Gründer von Doberan, das dessen Aufsicht und Regierung noch unterstünde, käme die Visitation zu. In fünf Jahren wäre der Abt viermal mit großer Aufopferung in Doberan gewesen, um alle Dinge mit eigenen Augen zu erkennen, und er hoffte, nichts versäumt zu haben.
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Verständlich ist es, daß die Herzöge die inneren Verhältnisse ihrer Lieblingsschöpfung, des KIosters zu Sternberg, durch Visitationen zu bessern strebten. Schon 1505, als das Kloster noch gar nicht vollendet war, wurde es durch zwei von Johann von Staupitz gesandte Doktoren, Johann Vogt und Johann von Paltz, visitiert. Staupitz bat zuvor in einem Briefe vom 24. April 1505 467 ) die Herzöge um Beihilfe und Rat zur Visitation. Eine weitere Revision fand am 25. November 1520 468 ) durch den Ordensvikar Wenzeslav Linck statt, der die Herzöge aufforderte, ihm etwaige Mängel in Zukunft immer anzuzeigen;
er bestätigte also dadurch seinerseits das Oberaufsichtsrecht der Landesherren über dieses Kloster.
Endlich ließ Heinrich V. durch den Kaplan Michael Hildebrand, wie wir aus dessen Brief vom 20. Juni 1509 469 ) ersehen können, in Rom um die Erlaubnis zur Reformation zweier Klöster bitten. Leider findet sich keine Angabe über den Namen oder über die Ordensangehörigkeit dieser Klöster, so daß die Namen unmöglich sicher bestimmt werden können. Erst nach hartem Bemühen gelang es Hildebrand unter Zuhilfenahme einer Kaiserlichen Empfehlung vom Papste, die Erlaubnis zur Visitation zu erhalten. In den Klöstern sollte aber nichts von den Zierden Gottes verloren gehen. Auch in dem Brief vom 31. Januar 1510, 470 ) in dem Hildebrand den Herzögen den Erfolg seiner Bemühungen mitteilte, werden die Namen und die Zugehörigkeit der Klöster nicht erwähnt.
In den bisher erwähnten Fällen von Visitationen war die Teilnahme der Landesherren klar nachzuweisen. In unsere Periode fallen aber auch noch andere Visitationen, bei welchen die Landesherren in den Berichten nicht besonders erwähnt sind. Daraus aber dürfen wir keineswegs schließen, daß die Fürsten überhaupt nicht beteiligt waren; denn wir finden in den Anzeigen selten eine Angabe darüber, durch wen die Revision ausgeübt wurde, nie aber den Namen dessen, welcher sie veranlaßte. So wurde 1491 471 ) die Karthause zu Marienehe vom Visitator der Provinz Sachsen visitiert. Von der 1492 472 ) stattfindenden Festsetzung der Zahl der geistlichen Schwestern im Zisterzienserkloster zum
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Heiligen Kreuz in Rostock haben wir schon gesprochen. 1498 473 ) wurde auf päpstlichen Befehl durch den Abt von Cismar, den Abt von Marienehe, den Güstrower Domdechant Johann Thun und zwei Bützower Domherren das Benediktinerkloster Dobbertin visitiert und ihm eine verbesserte Klosterregel gegeben. 1501 474 ) fand auf Befehl des Bischofs von Schwerin die Reformation des Klosters Rühn durch den Prior der Karthause zu Marienehe und andere statt. 1516 475 ) können wir dasselbe von Neukloster annehmen; denn von diesem Jahre ist die Anzahl der Nonnen überliefert worden.
Unsere Betrachtung des Verhältnisses von Staat und Kirche in Mecklenburg zeigte uns, daß sich im Verlaufe unserer Periode die landesherrliche Macht entschieden im Vorwärtsschreiten gegenüber der kirchlichen befand. Das Charakteristische bei diesem Vorgange war einerseits das maßvolle Verhalten unserer Herzöge. Diese gingen nicht rücksichtslos und gewalttätig vor, sondern suchten Schritt für Schritt unter möglichster Schonung geistlicher Interessen ihren Einfluß zu erweitern. Besonders befleißigten sie sich eines möglichst engen Zusammengehens mit den kirchlichen Faktoren, vor allem dem Papste. Dadurch wollten sie nicht nur eine rechtliche Bestätigung verschiedener in der Praxis schon länger bestehender Verhältnisse erlangen, sondern sie glaubten sich auf diesem Wege in ihrer inneren Politik um so mehr der geistlichen Macht- und Strafmittel zu eigenem Nutzen bedienen zu können.
Über das Stift Schwerin als selbständiges, inmitten des mecklenburgischen Gebietes gelegenes Territorium bildete sich in der von uns betrachteten Zeit eine klare Landeshoheit der Herzöge heraus. Diese verstanden es, auf die Wahl der Bischöfe, der Landesherren des ursprünglich reichsunmittelbaren und völlig unabhängigen Stiftsgebietes, Einfluß zu gewinnen und schließlich einem Gliede ihres Hauses zur bischöflichen Würde zu verhelfen. Die Bewohner des Stiftsgebietes mußten den mecklenburger Fürsten
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Landfolge leisten und Steuern zahlen, unterschieden sich also in keiner Weise in den Verpflichtungen von den direkten Untertanen der Herzöge. Das Stift war auf die Stufe der Landsässigkeit herabgesunken. Dies trat dadurch noch deutlicher zutage, daß es freiwillig auf den Genuß seiner unmittelbaren Stellung verzichtete, indem es seine direkten Beziehungen zum Reiche löste und diese der Kontrolle der Mecklenburger unterstellte, welche es jenem gegenüber in allem vertreten sollten.
Nicht minder wichtig ist das Verhältnis der Herzöge zu den kirchlichen Faktoren überhaupt. Wie in allen Staaten, so war es auch bei uns ihr vornehmstes Bestreben, die Kompetenzen der geistlichen Gerichtsbarkeit einzuschränken. Durch teilweise sehr lange und sehr energisch geführte Unterhandlungen mit Rom gelang es ihnen nicht nur, die auswärtigen geistlichen Gerichte auszuschalten, sondern auch den einheimischen alle weltlichen Angelegenheiten zu entziehen. Soweit sie aber keinen Einfluß - auch indirekt durch Beeinflussung der Archidiakone - gewinnen konnten, bemühten sie sich wenigstens, ihre Untertanen vor zu schroffer Anwendung der geistlichen Strafmittel zu schützen, indem sie vor allem die Banngewalt durch Anordnung von Kassation der gefällten Sprüche zu beeinträchtigen suchten.
Der Ausfall an Steuern, wie ihn das steuerfreie Kirchengut bedingte, führte in unserer Periode, wo dem Staate ganz besonders schwere und kostspielige Aufgaben infolge der Schwäche der vorhergehenden Herrscher und der fortschreitenden Bildung des modernen Staatswesens mit seinen Aufgaben und Pflichten erwuchsen, unsere Herzöge dazu, mit Energie einen Einfluß auf das Kirchengut zu fordern und ihre Wünsche auch in Wirklichkeit umzusetzen. Sie wußten nicht nur den geistlichen Besitz zu größeren allgemeinen Steuern heranzuziehen und ihn durch Ablager und sonstige Forderungen auszunützen, sondern sie verwendeten das von ihnen in Anspruch genommene Oberaufsichtsrecht, welches sich nach und nach in ein Obereigentumsrecht verwandelt hatte, dazu, alle Veränderungen des geistlichen Besitzes sowie dessen Verwaltung bis ins Einzelne zu überwachen. Das Ziel dieser Bestrebungen war natürlich eine Einschränkung des in der toten Hand befindlichen und damit für den Staat fast nutzlosen Besitzes.
Nicht nur auf diese mehr äußerlichen Verhältnisse der Kirche suchten die Herzöge ihren Einfluß geltend zu machen, sondern sie glaubten auch ein Recht zu besitzen, eine Kontrolle über das Innerkirchliche auszuüben, wobei sie besonders auf den Klerus einwirken wollten. Besonders hoben sie gottesdienstliche Ein=
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richtungen, wie es ihnen ihr reges kirchliches Bedürfnis vorschrieb, durch finanzielle Sicherstellungen und sonstige Stiftungen. Den Weltklerus hielten sie zu strenger Pflichterfüllung an. Energischer gingen die Landesherren gegen den in den Klöstern lebenden Ordensklerus und die Nonnen vor, wie uns die große Menge von Klostervisitationen und -Reformationen jener Zeit beweist, die sie meistens in Verbindung mit den betreffenden kirchlichen Behörden selbst ausführten oder doch wenigstens veranlaßten.
Aus alledem können wir den Schluß ziehen, daß der Boden in Mecklenburg durch unsere Herzöge in bester Weise für die kommende Reformation vorbereitet worden war. Die sich in dieser bildende Landeskirche brauchte nur überall an die schon vorhandenen Verhältnisse anzuknüpfen und sie auszubauen.