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Von dem Ausgange
des
achtzehnten bis zum Anfange des
zwanzigsten Jahrhunderts.
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)
Von
Ministerialdirektor z. D. Otto Raspe.
1. Auflösung des Deutschen Reichs; Konvention vom 21./25. April 1809. - Mit der Auflösung des tausendjährigen Deutschen Reichs im Jahre 1806 hörten die Reichs= und Kreissteuern und die Beiträge zur Unterhaltung des Reichskammergerichts auf. Den größeren Anforderungen aber, die an den nunmehr souverän gewordenen Landesherrn herantraten, waren die ohnehin stark verschuldeten landesherrlichen Kassen nicht gewachsen; dazu kamen noch die beträchtlichen Anleihen, die in den Kriegsjahren 1806/1807 auf den Landeskredit aufgenommen werden mußten. Diese Umstände führten zu Verhandlungen mit den Ständen über die Deckung des gesteigerten Geldbedürfnisses und zu der Konvention vom 21./25. April 1809. Nach dieser Konvention sollte die jährliche Landeskontribution (LGGEV. Art. I) als ordentliche Kontribution bei Bestand bleiben und zur Bestreitung der Kosten für die Truppen, die Fortifikationen, die Gesandtschaften und die sonstige Landesadministration dienen. Da sie hierzu nicht mehr ausreichte, so wurde sie in der folgenden Weise verstärkt: Die ritterschaftliche
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Hufensteuer wurde auch auf die nach dem LGGEV. steuerfrei gebliebene Hälfte der Hufen, die Ritterhufen, übernommen, dergestalt, daß der Inhalt der katastrierten Hufe nicht mehr 300, sondern 600 bonitierte Scheffel begreifen sollte; die Landstädte verzichteten auf die Bauhülfsgelder, die nach den §§ 62, 63 des LGGEV. aus der landstädtischen Kontribution an die Städte abzugeben waren, und alle Exemtionen von den landstädtischen Vieh= und Konsumtionssteuern (LGGEV. § 47, III, V, VI) wurden nach dem Vorschlage der Stände aufgehoben. 2 ) Hierdurch büßten die Kirchendiener in den Landstädten die ihnen nach der rev. Kirchenordnung und nach der Herzoglichen Verordnung vom 14. Juni 1765 (siehe Jahrb. 1907, S. 312) zustehende Freiheit von den Vieh= und Konsumtionssteuern (vom Hausschlachten und vom Mahlkorn) ein. 3 ) Die Freiheit der Kirchendiener und der pia corpora von Beiträgen zur ordentlichen Kontribution im ritterschaftlichen Gebiete und im Domanium blieb unberührt. 4 )
Die Mittel, die außerdem erforderlich waren, um die Landeskreditschulden, einen gewissen, nach Vereinbarung auf das Land übernommenen Teil der angewachsenen landesherrlichen Schulden, sowie gewisse Schulden der Ritterschaft, der Landstädte und der Seestädte Rostock und Wismar zu verzinsen und allmählich abzutragen, sollten nach der Vereinbarung vom 21./25. April 1809 durch eine von allen Untertanen 30 Jahre lang aufzubringende außerordentliche Kontribution und durch mehrere neue Steuern gewonnen und an die neu errichtete landesherrlich=ständische allgemeine Landesrezepturkasse abgeführt werden. Durch die neu eingeführten Steuern (Stempeltaxen, Erbsteuer und
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Imposte auf Waren) 5 ) wurde mittelbar, durch die "auf die unbezweifelte Real= und Personalsteuerpflicht aller Landesuntertanen angewiesene und begründete" außerordentliche Kontribution unmittelbar in die landesgrundgesetzliche Immunität der Kirchendiener eingegriffen. Die pia corpora wurden gleichfalls der außerordentlichen Kontribution unterworfen. 6 ) Man möchte vermuten, daß die Heranziehung der Kirchendiener und der pia corpora zu dieser nur für eine beschränkte Zeit beschlossenen "außerordentlichen" Steuerlast lediglich als eine vorübergehende, durch den allgemeinen Notstand (casus extremae necessitatis) gerechtfertigte Maßregel beabsichtigt worden sei. Durch die aktenmäßigen Verhandlungen wird diese Vermutung indessen widerlegt; die Absicht der Stände war auf die Beseitigung aller Exemtionen gerichtet: und als man nach Ablauf des dreißigjährigen, demnächst bis zum Jahre 1847 verlängerten Zeitraums 7 ) beschloß, die als eine außerordentliche Kontribution eingeführte Steuer für die Zukunft beizubehalten, um die Mittel zur Verzinsung und Tilgung alter und neuer Landesschulden und zur Befriedigung allgemeiner Landesbedürfnisse zu gewinnen, wurde auch die Besteuerung der Kirchendiener und der pia corpora im Edikte ohne weiteres beibehalten. 8 ) Dieser Eingriff in das alte Vorrecht der Steuerfreiheit wurde für die Kirchendiener und die pia corpora um so empfindlicher, je mehr sich im Laufe der
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Zeit die außerordentliche Kontribution zur ordentlichen und hauptsächlichen Landessteuer entwickelte. 9 )
2. Steuervereinbarungen von 1863 und 1870. - Durch die Steuervereinbarungen vom 15. Mai 1863 und 30. Juli 1870 wurden neue und wesentliche Veränderungen in den Steuer= und Zollverhältnissen des Landes herbeigeführt. Die zur erbvergleichsmäßigen ordentlichen Kontribution der Landstädte gehörigen Steuern vom Scharren= und Hausschlachten, vom Mahlkorn und von Kaufmannschaften (LGGEV. § 47, IV, V, VI, sub VII) wurden im Jahre 1863 durch direkte Steuern (Schlacht= und Mahlsteuer und Handelsklassensteuer) ersetzt; nach kurzer Dauer wurden diese direkten Steuern wieder aufgehoben. 10 ) Durch die Steuergesetzgebung von 1870 wurden weiter aufgehoben die zur erbvergleichsmäßigen ordentlichen Kontribution der Landstädte gehörigen Steuern vom Vieh und von Erwerb und Nahrung (LGGEV. § 47, III und sub VII), die erbvergleichsmäßige, zur ordentlichen Kontribution der Ritterschaft gehörige ritterschaftliche Nebensteuer (LGGEV. §§ 44, 45), die Nebensteuer des Domaniums (siehe Jahrb. 1907 S. 316 bei Note 101) und die in einigen Flecken des Domaniums anstatt der Nebensteuer eingeführten landstädtischen Steuern, so daß von der im ersten Artikel des LGGEV. §§ 5 bis 69 vereinbarten ordentlichen Kontribution nunmehr nur noch übrig blieben
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Sie sollten zusammen mit einer jährlichen, aus der Aufkunft der außerordentlichen Kontribution und anderer Einnahmen der Landesrezepturkasse zu entnehmenden Entschädigung von 177640 Talern 16 Schilling Courant (gleich 532921 Mark) künftig die dem Landesherrn zustehende ordentliche Kontribution bilden. 12 ) - Durch diese Veränderungen wurden die Kirchendiener in den Landstädten von den Vieh=, Schlacht= und Mahlsteuern, mit denen sie im Jahre 1809 belastet waren, wieder befreiet.
3. Grenzzoll und Deutscher Zollverein. - Die Steuervereinbarung von 1863 beseitigte unter I, 2 auch die alten Binnenzölle. 13 ) Der gleichzeitig für die beiden Großherzogtümer Mecklenburg eingeführte Grenzzoll, 14 ) der als indirekte Besteuerung die Immunität der Kirchendiener und pia corpora berührte, wurde nach wenigen Jahren wieder aufgehoben, als im Jahre 1868 beide Großherzogtümer nach Errichtung des Norddeutschen Bundes dem Deutschen Zollvereine beitraten, 15 ) dessen Zollgesetze indessen ebenfalls mit indirekten Beschwerungen in die geistliche Immunität eingriffen.
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4. Prinzessinsteuern. Die Prinzessinsteuer wurde durch die vielfachen Veränderungen des Landessteuerwesens im neunzehnten Jahrhundert nicht berührt. Die Kirchendiener blieben von ihr kraft der rev. Kirchenordnung befreit. Die pia corpora wurden in dem ritterschaftlichen und domanialen Gebiete mit den zur Aufbringung der Prinzessinsteuern ausgeschriebenen Hufensteuern ebenfalls nach wie vor verschont, und, was die Beiträge der Landstädte betrifft, so enthielten die Prinzessinsteueredikte jedesmal wieder die Klausel, daß die Grundstücke der pia corpora, die herrschaftlichen und die öffentlichen Stadtgebäude, insoferne sie nicht zu Stadtrecht lägen, für diesmal von der ausgeschriebenen, "wegen noch nicht geschehener Richtigstellung des reversalmäßigen Erbenmodus" auf die Häuser und Ländereien gelegten Prinzessinsteuer frei wären (vgl. Jahrb. 1907 S. 317, 318). Hierdurch wurden die städtischen Grundstücke der pia corpora fortdauernd als steuerfrei anerkannt, mit Ausnahme derjenigen, welche die pia corpora aus bürgerlichem, zu Stadtrecht liegendem Besitze mit den auf solchem ruhenden Lasten an sich gebracht hatten. 16 )
5. Bundes= und Reichssteuern. - Durch die Verfassungen des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reiches wurde dem Bunde und dem Reiche die Gesetzgebung auf weiten Gebieten des öffentlichen Rechts und des Privatrechts,
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u. a. auch auf den Gebieten des Militärwesens, des Zollwesens und der für die Zwecke des Reiches zu verwendenden Steuern zugewiesen. Zugleich wurde bestimmt, daß die Bundes= und Reichsgesetze den Landesgesetzen vorgehen sollten. 17 ) Den Bundes= und Reichsgesetzen gegenüber hat daher das nach dem Mecklenburgischen Landesrechte den Kirchendienern und geistlichen Stiftungen zustehende Vorrecht der Steuerfreiheit keinen Anspruch auf Geltung.
So sind nach dem Bundesgesetze vom 25. Juni 1868, betr. die Quartierleistung für die bewaffnete Macht während des Friedensstandes, und nach der zubehörigen Ausführungsinstruktion vom 31. Dezember 1868 18 ) auch die Kirchendiener und die geistlichen Stiftungen zur Aufnahme von Einquartierung verpflichtet, wovon nach § 4 Nr. 5 nur die Kirchen, Kapellen und andere dem öffentlichen Gottesdienste gewidmete Gebäude befreit sind; und nach dem Reichsgesetze vom 13. Februar 1875 über die Naturalleistungen für die bewaffnete Macht im Frieden (in der Fassung vom 24. Mai 1898, R. Ges. Bl. S. 361, §§ 3, 5) sind die Seelsorger von der Gestellung von Vorspann, sowie von der Lieferung von Fourage befreiet nur in Ansehung der zur Ausübung ihres Berufes notwendigen Pferde und der für diese erforderlichen Fourage. 19 )
Die Bundes= und Reichsgesetze, betr. die Eingangszölle, die Abgaben von Salz, Zucker, Tabak, Branntwein, Bier, Schaumwein, die Stempeltaxen von Wechseln, Spielkarten, Aktien, Kuxen, Renten= und Schuldverschreibungen, von Kauf= und Anschaffungsgeschäften usw., enthalten keine Befreiungen zugunsten der Kirchendiener und der pia corpora. Eine Ermäßigung der Erbschafts= und Schenkungssteuer und - bei Zuwendungen von nicht mehr als 5000 M - vollständige Befreiung von ihr gewährt das Erbschaftssteuergesetz vom 3. Juni 1906 für einen Erwerb, der inländischen Kirchen anfällt, ferner für einen Erwerb, der solchen inländischen Stiftungen, Gesellschaften, Vereinen oder Anstalten anfällt, die ausschließlich kirchliche
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Zwecke verfolgen, sofern ihnen die Rechte juristischer Personen zustehen, und endlich für Zuwendungen, die ausschließlich kirchlichen Zwecken innerhalb des Deutschen Reichs oder der deutschen Schutzgebiete gewidmet sind, sofern die Verwendung zu dem bestimmten Zwecke gesichert ist. 20 )
6. Orts= und Gemeindelasten. Armenversorgung. - Dieselbe Ungunst, die im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts auf dem Gebiete des Landes= und Reichssteuerwesens zur wesentlichen Einschränkung der geistlichen Immunität führte, machte sich auch auf dem Gebiete der Orts= und Gemeindesteuern geltend.
Durch den § 15 der Allgemeinen Armenordnung vom 21. Juli 1821 wurde "jeder Einwohner des Orts ohne Unterschied der Person" verpflichtet, zu den Kosten der Armenversorgung beizutragen. Von dieser Verpflichtung wurden also auch die Kirchendiener ergriffen.
In den ritterschaftlichen Gutsbezirken sollte es indessen zur Leistung von Armenkassenbeiträgen nur da kommen, wo die Gutsherren sich dazu entschließen würden, besondere, unter ihrer Leitung durch bestellte Armenvorsteher zu verwaltende Gutsarmenkassen einzurichten, anstatt selbst ohne Beihülfe der Ortseinwohner für die Armen zu sorgen. 21 )
Im Domanium wurde durch die Domanial=Amtsarmenordnung vom 30. Juni 1824 22 ) im § 1 vorgeschrieben, daß in jeder Amtskommüne alle Einwohner ohne Unterschied der Person und des Standes einen ihren Verhältnissen angemessenen Beitrag an die Armenkasse des Amtes zu entrichten hätten. Eine Ermäßigung dieses Beitrags, wiewohl keine Wiederherstellung der Immunität gewährte den Predigern im Domanium die an die Kammer erlassene landesherrliche Verordnung vom 2. November 1827:
"Wir verordnen, daß fortan die Prediger wegen ihrer besonderen Verhältnisse nicht ganz in gleichem Maße als die übrigen Kontribuenten zu den Beiträgen
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an die Armenkassen herangezogen werden sollen, vielmehr sollen dieselben, wenn bisher, wie im Amte Schwerin ein Prozent ihres Einkommens als Basis für die Beiträge angenommen ist, künftig nur zwei Drittel dieses Beitrages zahlen." 23 )
In den Landstädten sollten nach § 16 der Allgemeinen Armenordnung vom 21. Juli 1821 die künftig zu entrichtenden Armenkassenbeiträge der bis dahin befreiet gewesenen Einwohner durch landesherrlich zu bestätigende Ordnungen festgestellt und, wo es an Armenordnungen noch fehlte, Armenordnungen errichtet werden.
Die pia corpora wurden von der gesetzlichen Verpflichtung, Beiträge zur Armenversorgung zu leisten, nicht getroffen.
7. Orts= und Gemeindelasten. Unterhaltung der öffentlichen Wege. - Im § 4 der Wege=Polizeiordnung, Anlage B der Wegeordnung, vom 29. Juni 1824, Raabe, Ges. S. III, 290, wurde bestimmt, daß die Unterhaltung der öffentlichen Wege eine Reallast sei, die der Regel nach von dem Eigentümer des von dem Wege durchschnittenen Grundstückes zu tragen sei, in dem Falle aber, daß der Weg von den Grundstücken zweier verschiedener Eigentümer begrenzt werde, von jedem der beiden Eigentümer zur Hälfte übernommen werden müsse, unter Vorbehalt der gerichtlichen Ausmachung, falls der eine behaupte, daß dem anderen die Last allein obliege. 24 ) Hiernach hatten also künftig auch die pia corpora als Grundstückseigentümer und die Kirchendiener als Nutznießer der Grundstücke 25 ) die Wegelast zu tragen. Eine an die Landessuperintendenten
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erlassene Regim.=Verordnung vom 14. September 1829 erläuterte diese Vorschriften dahin, daß, wenn die Landstraße durch Pfarrländereien führe, der Prediger die Wegebesserung durch seine oder seines Pfarrpächters Anspannung und Dienstboten soviel als möglich ohne fremde Hülfe auszuführen habe, daß ihm jedoch die dabei entstehenden baren Auslagen an Tage=, Grabe= oder Fuhrlohn aus dem Kirchenärar erstattet werden sollten. Schon nach kurzer Zeit aber wurde diese Verordnung durch eine weitere Verordnung vom 2. Dezember 1829 suspendiert und den Superintendenten wurde der Auftrag erteilt, durch die Prediger feststellen zu lassen, wie es in den letzten 20 bis 30 Jahren mit der Besserung der Wege an und über den Kirchen= und Pfarrländereien gehalten worden sei. Demnächst erging unter dem 30. Juni 1830 an die Superintendenten die Weisung, daß die Verordnung vom 14. September 1829 wieder aufgehoben werde und daß es gemäß § 1 der Wegeordnung vom 29. Juni 1824 bei dem Herkommen gelassen werden solle, so nämlich, daß da, wo bisher solche Wege von den Inhabern der Stiftungen unterhalten worden seien, solche Unterhaltung auch ferner von ihnen, soweit das Herkommen bestehe, beschafft werde; daß aber da, wo solches Herkommen nicht zu beweisen sei, der Ortsobrigkeit als Polizeibehörde die Sorge für die Wege und Landstraßen ihrer Feldmarken obliege. 26 )
Die spätere Gesetzgebung gab den Grundsatz auf, daß die Wegelast eine Reallast der Grundstückseigentümer sei. Durch die Verordnung vom 17. Februar 1897, betr. das Wegerecht, Reg. Bl. S. 79, und durch die Ergänzungsverordnung vom 14. Juni 1898, Reg. Bl. S. 219, wurde die Unterhaltung der öffentlichen Wege für eine Last der Ortsobrigkeiten und der zur Übernahme dieser obrigkeitlichen Last durch Verordnung oder durch landesherrlich bestätigte Satzung verpflichteten Gemeinden erklärt, mithin den ortsobrigkeitlichen und gemeindlichen Lasten zugerechnet.
8. Orts= und Gemeindelasten im Domanium. - Im Domanium verblieb es bis zur Einführung der rev. Dom.=Gemeindeordnung vom 29. Juni 1869 - abgesehen von den Armenlasten und von den Quartier= und Naturalleistungen für die Truppen - bei der kirchenordnungsmäßigen Freiheit der Kirchendiener von den Orts= und Gemeindelasten. 27 ) Auf
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Grund der rev. Dom.=Gemeindeordnung vom 29. Juni 1869 wurden selbständige Hofgemeinden und Dorfgemeinden oder mit Höfen verbundene Dorfgemeinden gebildet. Nach Vorschrift des § 8 lit. a der rev. Dom.=Gemeindeordnung ist in den Hofgemeinden der Gemeindevorsteher (Pächter, Erbpächter oder sonstiger Inhaber des Hofes) verpflichtet, sämtliche Gemeindelasten zu tragen, ist jedoch befugt, die übrigen Mitglieder der Gemeinde zu den Gemeindelasten insoweit heranzuziehen, "als bestehende oder im Verwaltungswege zu erlassende Bestimmungen es gestatten". Hiernach sind die Kirchendiener in den Hofgemeinden verpflichtet, zu den Armenlasten und zu den Quartier= und Naturalleistungen für die Truppen beizutragen, während im übrigen an ihrer Immunität bis jetzt nichts geändert ist.
In den Dorfgemeinden und in den mit Höfen verbundenen Dorfgemeinden soll das Beitragsverhältnis für die zu Gemeindezwecken erforderlichen Zahlungen und andere Leistungen so beibehalten werden, "wie es für die verschiedenen Lasten durch gesetzliche Vorschrift, Ortsüblichkeit oder in sonst gültiger Weise festgestellt ist"; rev. Dom.=Gemeindeordnung § 8 lit. b Nr. 2. Hiernach haben die Kirchendiener zwar zu den Armenlasten und zu den Quartier= und Naturalleistungen für die Truppen gemäß gesetzlicher Vorschrift beizutragen, dagegen sind sie im übrigen von den Gemeindelasten befreiet. "Sofern es in einer Dorfgemeinde an ausreichenden Bestimmungen über das Beitragsverhältnis fehlt oder die vorhandenen unangemessen befunden werden", kann die Gemeinde mit Vorbehalt der Genehmigung der Aufsichtsbehörde ein anders geordnetes Beitragsverhältnis beschließen; rev. Dom.=Gemeindeordnung § 8 lit. b Nr. 3, § 20 Abs. 2 Nr. 1. Daß auch in diesem Falle die Kirchendiener "von persönlichen Handdiensten" und die Dienstländereien der Kirchendiener "von Spanndiensten in Natur" frei bleiben, ist in § 8 lit. b Nr. 4 der rev. Dom.=Gemeindeordnung ausdrücklich aus=
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gesprochen; dagegen ist nicht ausdrücklich darüber entschieden, ob die Kirchendiener, - abgesehen von den Armenlasten und von den Quartier= und Naturalleistungen für die Truppen, - vermöge der ihnen nach der rev. Kirchenordnung zukommenden Immunität von Geldbeiträgen oder anderen gemeindlichen Leistungen zur Unterhaltung der Schulen, der Wege, der Wasserzüge, der Nachtwachen, der Feuerlöschanstalten, des Sanitätswesens, des Standesamtes, zur Haltung von Hebammen und Totenfrauen usw. befreiet bleiben. Zur Hebung darüber aufgekommener Zweifel wurde, im Einverständnisse mit dem Staatsministerium und mit dem Oberkirchenrate, durch das Zirkular der Ministerien des Innern, der geistlichen Angelegenheiten und des Unterrichts vom 23. März 1871 28 ) den Domanialämtern eröffnet, "daß die in der rev. Kirchenordnung Fol. 277 begründete Befreiung der Kirchendiener und der geistlichen Ländereien von Gemeindelasten durch die rev. Gemeindeordnung vom 29. Juni l869 nicht aufgehoben sei und auch ferner von Bestand bleiben müsse, soweit sie nicht durch die allgemeine Armenordnung vom 21. Juli 1821 und durch die auf Militärleistungen bezüglichen bundesgesetzlichen Bestimmungen aufgehoben sei." In den Gemeindeordnungen für die Domanialflecken Lübtheen, Zarrentin, Dargun, Neukloster und für die Insel Pöl wurde diese Bestimmung ausdrücklich hervorgehoben. 29 ) - In Übereinstimmung hiermit enthält die Verordnung vom 4. März 1878, betr. das Feuerlöschwesen im Domanium, Reg. Bl. Nr. 6 S. 15, die Bestimmung, daß die Kirchendiener vom Feuerlöschdienste befreiet sind, während sie der polizeilichen Vorschrift, daß auf allen Wohngehöften gewisse Feuerlöschgeräte gehalten werden sollen, unterworfen sind und auf ihre Kosten zu genügen haben. 30 )
Das erwähnte Zirkular vom 23. März 1871 gab Anlaß zu der weiteren Frage, ob den Küsterschullehrern im Domanium die Immunität für ihr ganzes Einkommen zustehe oder ob sie in Ansehung ihres aus dem Schuldienste bezogenen Einkommens zu den Gemeindelasten heranzuziehen seien. Durch das Reskript des Ministeriums des Innern vom 8. Juli 1871
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(Balck, VN. I, 630) wurde, im Einvernehmen mit dem Ministerium für geistliche und Unterrichtsangelegenheiten und mit dem Oberkirchenrate, dahin entschieden, daß die schulhaltenden Küster (Organisten) im Domanium in Ansehung ihres Schullehrereinkommens zu den Gemeindelasten nach Maßgabe der für die Domanialschullehrer geltenden Grundsätze 31 ) beizutragen hätten.
Im Gemeindebezirke wohnende Pächter von Pfarrländereien (Pfarrpächter) haben auf die den Kirchendienern zustehende Entfreiung von gemeindlichen Personallasten keinen Anspruch; sie können daher ebenso wie andere beitragspflichtige Gemeindemitglieder nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit zu den persönlichen Gemeindeleistungen (Geldbeiträgen und Handdiensten) herangezogen werden. 32 ) "Was die Spanndienste betrifft, so handelt es sich bei der rücksichtlich der Dienstländereien der Kirchendiener geltenden Entfreiung von Spanndiensten" (rev. Dom.=Gemeindeordnung § 8 lit. b Nr. 4, c) "nicht um eine Exemtion der Grundstücke, sondern um eine persönliche Entfreiung der Besitzer in ihrer Eigenschaft als Kirchendiener; es ist daher diese Immunität davon abhängig, daß das betreffende Grundstück sich in der Nutzung des Kirchendieners resp. eines Vertreters
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desselben befindet." Diese Voraussetzung ist in der Person des Pfarrpächters gegeben, da der Pfarrpächter die Pfarrländereien gegenüber seinem Verpächter als dessen Vertreter besitzt. 33 ) - Im Gemeindebezirke wohnende Erbpachtbesitzer von Pfarrländereien (Pfarrerbpächter) haben ebensowenig wie Pfarrpächter Anspruch auf die den Kirchendienern zustehende Entfreiung von gemeindlichen Personallasten, die auch in dem Falle, wenn sie mit Rücksicht auf den Umfang des Grundbesitzes bemessen werden, die Eigenschaft von persönlichen Lasten nicht verlieren. Auch die Befreiung von gemeindlichen Spanndiensten steht dem Pfarrerbpächter nicht zu, "da der Pfarrerbpächter das Grundstück nicht, wie der Pächter gegenüber dem Verpächter, als Vertreter des Vererbpächters, sondern aus eigenem Rechte besitzt." 34 )
Die pia corpora übergeht die rev. Dom.=Gemeindeordnung mit Stillschweigen. Da ihnen nach rezipiertem Rechtssatze die Immunität zusteht, 35 ) so sind sie von den Gemeindelasten im Domanium befreiet. Die Befreiung der geistlichen Ländereien von den Gemeindelasten im Domanium ist überdies ausdrücklich anerkannt in dem erläuternden Zirkular vom 23. März 1871 und in den Gemeindeordnungen für Lübtheen, Zarrentin, Dargun, Neukloster und für die Insel Pöl. 36 )
9. Orts= und Gemeindelasten im ritterschaftlichen Gebiete. - Im Gebiete der Ritterschaft, der Landesklöster, der Kämmerei= und Ökonomiedörfer sind die Kirchendiener, bis auf die durch die Allgemeine Armenordnung vom 21. Juli 1821 zugelassene Heranziehung zu den Armenlasten und bis auf die Teilnahme an den Quartier= und Natural=
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leistungen für die Truppen, nach wie vor auf Grund der rev. Kirchenordnung von Beiträgen zu den Orts= und Gemeindeleistungen befreiet geblieben. 37 ) Die pia corpora sind nach rezipiertem Rechtssatze ebenfalls von Kommunallasten frei.
10. Kommunallasten der Kirchendiener in den Städten. - Auf Grund der landesherrlichen Bestimmungen zur sogen. Städteordnung vom 20. August 1827 und 10. Dezember 1830, Raabe, Ges. S. IV, 818, 822, wurden für eine Reihe von Städten landesherrlich bestätigte Stadtordnungen
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erlassen. 38 ) In mehrere dieser Stadtordnungen fanden Bestimmungen Aufnahme, welche die landesgrundgesetzliche Steuerfreiheit der Kirchendiener beiseite setzten, indem sie alle Bürger und Einwohner ohne Unterschied verpflichteten, zu den städtischen Abgaben Beiträge zu leisten. 39 ) Diesem Vorgange folgten andere städtische Steuersatzungen 40 ) Man hat nicht ohne Grund geltend gemacht, daß die in diesen Stadtordnungen und Satzungen geschehene Aufhebung der kirchenordnungsmäßigen Immunität der Kirchendiener verfassungswidrig zustande gekommen sei, weil die rev. Kirchenordnung ein mit Zustimmung der Stände erlassenes und im § 483 des LGGEV. anerkanntes allgemeines Landesgesetz sei, auf dessen Befolgung im ganzen Lande die Stände ein wohlerworbenes Recht erlangt hätten, sodaß die Beseitigung der landesgrundgesetzlich feststehenden Immunität der Kirchendiener durch lex specialis gemäß §§ 191 bis 200 des LGGEV. nicht ohne Gehör und Zustimmung der Stände habe geschehen können. Indessen die Stände haben wegen dieses Vorganges ein gravamen nicht erhoben und die Regierung, in deren Händen bis zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts die Handhabung des Kirchenregiments und die Fürsorge für die städtischen Angelegenheiten vereinigt waren, fand weder staatsrechtliche noch sachliche Bedenken, die Immunität der Kirchendiener dem städtischen Vorteile zu opfern.
Eine wirksamere Vertretung fanden die Rechte der Kirchendiener, nachdem im Jahre 1849 der Oberkirchenrat als besonderes oberbischöfliches Organ zur Pflege der Kirche und zur Wahrnehmung ihrer Rechte eingesetzt und die Handhabung der Regierungsangelegenheiten durch die Verordnung vom 4. April 1853, Raabe V, 1119, verschiedenen Ministerien zugewiesen war. Dadurch war mehr als früher Gelegenheit gegeben, vor der Beschlußfassung über neue, zur landesherrlichen Genehmigung eingereichte städtische Steuersatzungen und vor der Entscheidung über Be=
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schwerden wegen Verletzung von Immunitätsrechten die Interessen der Kirche zur Geltung zu bringen, wobei man übereinstimmend von der Auffassung ausging, daß die kirchenordnungsmäßige Steuerfreiheit der Kirchendiener gewahrt werden müsse, soweit sie nicht durch allgemeine Landesgesetze oder durch landesherrlich genehmigte Stadtordnungen und Steuersatzungen aufgehoben sei. 41 )
Am Ende des neunzehnten Jahrhunderts gelang es der Landschaft, die landesgrundgesetzliche Freiheit der Kirchendiener von den Gemeindesteuern der Städte zu beseitigen. Die Verordnung vom 4. Januar 1900, Reg. Bl. S. 65, schrieb vor:
"In Abänderung der Bestimmung im fünften Teil der rev. Kirchenordnung Fol. 277 werden die für die
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Geistlichen und übrigen Kirchendiener bestehenden Befreiungen und Bevorzugungen in Ansehung der Kommunalsteuer in den Städten aufgehoben, auch soweit sie in einzelnen Städten durch besondere landesherrlich genehmigte Ordnungen festgesetzt sind.
Für die bereits im Amte befindlichen Geistlichen und Kirchendiener bewendet es jedoch, solange sie ihr Amt an derselben Kirche und Gemeinde bekleiden, rücksichtlich ihres Diensteinkommens bei dem bestehenden Rechte, insbesondere auch bei der wegen der Besteuerung in einzelnen Städten mit landesherrlicher Genehmigung getroffenen Ordnung." 42 )
In den übrigen Landesteilen (im Domanium, in dem ritterschaftlichen und Klostergebiete, Kämmerei= und Ökonomiegütern) ist die Freiheit der Kirchendiener von den Orts= und Gemeindesteuern bis jetzt bei Bestand geblieben.
Die nicht auf Fol. 277, sondern auf Fol. 279 der rev. Kirchenordnung beruhende Immunität der Pfarrwitwen wurde durch die Verordnung vom 4. Januar 1900 nicht getroffen.
11. Kommunallasten der pia corpora in den Städten. - Bis zum Anfange des neunzehnten Jahrhunderts waren die pia corpora, wie im übrigen Lande, so auch in den Städten von den Kommunallasten und Kommunalsteuern befreiet, mit der Ausnahme nur, daß sie nach den Herzoglichen Resolutionen vom 16. Juli 1701 und § 498 des LGGEV. für die zu Stadtrecht liegenden (nach dem Ablaufe des Normaljahres 1700) aus bürgerlichem Besitze an sich gebrachten Grundstücke den Schoß und andere onera realia auf sich nehmen mußten und daß sie nach der Verordnung vom 31. Mai 1783 die Erhöhungssteuer (den fünften Pfennig) von Häusern und Ländereien erlegen sollten. 43 )
Die auf Grund kommissarisch - deputatischer Verhandlung erlassenen landesherrlichen Bestimmungen zur Städteordnung vom 20. August 1827 44 ) brachten unter Nr. 12 die Bestimmung,
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daß neue, zur Deckung von Lokalbedürfnissen durch Rat und Bürgerschaft beschlossene, auf den Grundbesitz gelegte und landesherrlich bestätigte Anlagen alle zu Stadtrecht liegenden Grundstücke ohne Unterschied des Besitzers ergreifen sollten.
Ohne Zweifel wurden von dieser Vorschrift auch die pia corpora als Besitzer zu Stadtrecht liegender Grundstücke getroffen. Ebenso gewiß ist es, daß die Bestimmung solche innerhalb der Städte und der Stadtfeldmarken belegene Grundstücke unberührt läßt, die nicht zu Stadtrecht liegen. Es kommt also darauf an, festzustellen, welche Grundstücke nicht zu Stadtrecht liegen. Nach dem geschichtlichen Hergange gehören zu solchen vom Stadtrechte ausgenommenen Grundstücken landesherrliche und geistliche Grundstücke. 45 )
Von dem Gebiete, das die Landesherren in der Zeit der Einwanderung deutscher Kolonisten zur Besiedlung anwiesen und gleichzeitig oder später mit dem Stadtrechte und städtischen Privilegien bewidmeten, waren diejenigen Grundstücke ausgenommen, welche die Landesherren für ihre Herrschafts= und Nutzungszwecke in Besitz behielten. Dahin gehörten insbesondere die mit fürstlichen Mannen besetzten castra, Burgen, Schlösser und Häuser. 46 ) Auf solche fürstliche Grundstücke und deren Bewohner fanden bei der Verschiedenheit der Besitz= und persönlichen Verhältnisse das Stadtrecht, die Privilegien und die Pflichten der Stadtbürger keine Anwendung, für sie blieb das gemeine Recht (Landrecht, commune jus terrae) in Geltung. 47 ) Diese landesherrlichen Grundstücke - Burg=, Schloß= und Amtsfreiheiten - haben sich in den Städten als nicht zu Stadtrecht liegende Immunitäten durch die Jahrhunderte erhalten und gehören noch heute zum
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Domanium, 48 ) soweit sie nicht im Laufe der Zeit auf Grund von Verträgen in das zu Stadtrecht liegende Gebiet einverleibt worden sind. 49 )
Was die geistlichen Grundstücke in den Städten betrifft, so war für die deutschen Kolonisten, die im zwölften und dreizehnten Jahrhundert das Land Mecklenburg besiedelten, die geistliche Versorgung durch christliche Kirchen und Priester Bedingung der Einwanderung. Als daher die Landesherren anfingen, die Besiedlung des Landes zu betreiben und Städte zu gründen, waren sie es in der Regel, die in ihren Ansiedlungen die entstehenden Kirchen und Pfarren mit Grundbesitz dotierten, wogegen sie das Patronatsrecht erwarben. 50 ) Die römische Kirche aber, die im Deutschen Reiche von jeher für ihre Diener und Stiftungen besonderes geistliches Recht, geistliche Gerichtsbarkeit und Freiheit von weltlichen Steuern, Lasten und Diensten in Anspruch genommen hatte, 51 ) erlangte dieselben Vorrechte auch in Mecklenburg. Der von den Landesherren verliehene oder bestätigte geistliche Besitz wurde regelmäßig ab omni jure et judicio potestatis saecularis, in der Regel auch ab exactionibus, talliis, collectis, vectigalibus befreiet und in die potestas et libertas ecclesiastica, zum geistlichen Rechte und zur geistlichen Gerichtsbarkeit übergeführt. Zahlreiche Urkunden bezeugen die durchaus regelmäßige Verleihung solcher Immunitäten an die Hochstifter, Klöster, Kirchen und geistlichen Stiftungen. 52 )
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Die rechtliche Überzeugung, daß Gottes Diener und Gottes Gut von der weltlichen Macht und Gerichtsbarkeit, von weltlichen Diensten und Abgaben ausgenommen seien, gewann durch beständige Übung eine solche Kraft, daß die potestas, jurisdictio und libertas ecclesiastica auch in Mecklenburg zu einem rezipierten Satze des Landesrechts wurde. Als solcher stand er längst vor der Reformation fest. Daher gehörten in den Städten die Kleriker nicht zu den Bürgern und der zur dos der Kirchen und Pfarren gewidmete Grundbesitz blieb, wie der landesherrliche Grundbesitz von dem zu Stadtrecht liegenden Gebiete ausgenommen. 53 ) Auch für diejenigen städtischen Grundstücke, welche später nach der Gründung der Städte den Kirchen zur Vermehrung ihrer dos oder neu entstehenden geistlichen Stiftungen als dos gewidmet wurden, konnte die römische Kirche die Immunitätsrechte erlangen, ja sie vermochte diese Vorrechte öfter auch für städtische Grundstücke gewinnen, die sie außer den Dotalgrundstücken zur Vermehrung des Stiftungsvermögens aus bürgerlichem, zu Stadtrecht liegenden Besitze an sich brachte (bona acquisita), obwohl die Magistrate, besonders in den Städten lübischen Rechts, dem Übergange der zu Stadtrecht liegenden Erben in das Vermögen der eximierten pia corpora in der Regel widerstrebten und ihn oft nur mit Einschränkungen oder nur gegen einmalige oder wiederkehrende Erlegnisse zugestanden. 54 ) - Durch die Reformation wurde an der hergekommenen Exemtion der geistlichen Grundstücke nichts geändert, der geistliche Grundbesitz in den Städten blieb nach wie vor von dem zu Stadtrecht und Stadtpflicht liegenden Erbenbesitze der Bürger ausgenommen, und der Kirchen und geistlichen Stiftungen Güter, Lehen und Einkommen kamen nicht unter die Jurisdiktion der Magistrate oder
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Stadtgerichte, sondern wurden der Gewalt und Jurisdiktion des Konsistoriums und der Landesgerichte unterworfen. 55 ) Erst als nach der Entvölkerung der Städte im dreißigjährigen Kriege und in den späteren Kriegsunruhen die pia corpora öfter genötigt waren, zur Befriedigung ihrer Darlehens= und Zinsforderungen wüst gewordene oder in den Händen verarmter Schuldner befindliche bürgerliche Erben durch Pfandbesitz, Adjudikation, in solutum datio oder Vertrag zu erwerben und nun auch für solche bona acquisita - zum Schaden der Städte - Steuerfreiheit in Anspruch nahmen, wurde auf ständisches gravamen durch die Herzoglichen resolutiones vom 16. Juli 1701 vorgeschrieben, daß dergleichen von den geistlichen Stiftungen "an sich gebrachte" städtische Grundstücke künftig den Schoß und andere onera realia der zu Stadtrecht liegenden Grundstücke abzuführen schuldig sein, - mithin auch in den Händen der geistlichen Stiftungen ein zu Stadtrecht liegender Besitz bleiben sollten. Daß dagegen die älteren geistlichen Grundstücke in den Städten, namentlich die Dotalgrundstücke, von den zu Stadtrecht liegenden bürgerlichen Erben ausgenommen und steuerfrei seien, blieb nicht nur in den der Herzoglichen Entscheidung vorausgegangenen ständischen Beschwerden unbestritten, sondern wurde auch in noch viel späterer Zeit durch die Klausel des Prinzessinsteuerediktes von 1795 und bis in die Neuzeit durch die jüngeren Prinzessinsteueredikte anerkannt. 56 )
Wenn also nach Maßgabe der Nr. 12 des Erlasses vom 20. August 1827 für eine Stadt durch landesherrlich bestätigte Steuersatzung neue Anlagen auf alle "zu Stadtrecht liegenden" Grundstücke "ohne Unterschied des Besitzers" gelegt werden, so versteht es sich keineswegs von selbst, daß sie alle innerhalb der Grenzen des Stadtgebietes liegenden Grundstücke ergreifen, vielmehr bleiben die nicht zu Stadtrecht liegenden landesherrlichen und geistlichen Grundstücke davon ausgenommen. Demgemäß ist in jedem Einzelfalle, in dem geistliche Grundstücke als steuerpflichtig in Anspruch genommen werden, festzustellen, ob sie zu Stadtrecht liegen: dahin gehören von dem geistlichen Grundbesitze - außer denjenigen Grundstücken, die in späterer Zeit auf Grund von Verträgen in das zu Stadtrecht liegende Gebiet einverleibt worden sind (s. oben
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Note 49) - ohne weiteres nur die in den Herzoglichen Resolutionen vom 16. Juli 1701 (und danach in § 498 des LGGEV.) erwähnten, durch die geistlichen Stiftungen cum onere erworbenen, zu Stadtrecht verbliebenen bürgerlichen Erben. 57 ) Daß in diesem Sinne Nr. 12 des Erlasses vom 20. August 1827 zu verstehen ist, wird bestätigt durch ein um wenige Jahre jüngeres, an den Magistrat der Stadt Laage erlassenes Regierungsreskript vom 2. April 1831, in dem es heißt, daß durch Nr. 12 der Verordnung vom 20. August 1827 die gesetzliche Immunität der Immobilien der pia corpora von städtischen Realabgaben, insoweit sie nicht durch § 498 des Landesvergleichs beschränkt sei, nicht aufgehoben, sondern daß daselbst nur bestimmt sei, daß von neuen und genehmigten Stadtanlagen alle zu Stadtrecht
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liegenden Grundstücke, die von den bisher bestandenen Anlagen ergriffen seien, gleichmäßig ohne Unterschied des Besitzers ergriffen werden sollten. 58 ) Die Steuerfreiheit der pia corpora beruhet auf anerkannter landesrechtlicher Regel, die Steuerpflicht ist die Ausnahme; im Zweifelsfalle wird die Ausnahme von demjenigen Teile, der sie behauptet, bewiesen werden müssen.
Während die oben (bei Note 39) erwähnten, in den 1830er Jahren erlassenen Stadtordnungen zum Teil mit der landesgrundgesetzlichen Steuerfreiheit der Kirchendiener ohne Umstände aufräumten, verfuhren sie mit der landesrechtlichen Steuerfreiheit der pia corpora schonender. Sie beschränkten, in wörtlicher Übereinstimmung mit Nr. 12 des Erlasses vom 20. August 1827, die städtischen Realsteuern auf die zu Stadtrecht liegenden Grundstücke ohne Unterschied des Besitzers und salvierten daneben in mehr oder weniger genauer Fassung die Steuerfreiheit des geistlichen Grundbesitzes noch ausdrücklich. 59 )
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Wenn es später gleichwohl vorgekommen ist, daß ein geistliches Grundstück, das schon von der Zeit der Reformation her als Dotalgrundstück bestanden hatte, im Widerspruche mit der landesrechtlichen Immunität und mit Nr. 12 des Erlasses vom 20. August 1827 durch landesherrlich bestätigte Steuersatzung mit städtischen Realsteuern belastet wurde, so ist das ein singulärer Fall. 60 )
Neuere städtische Steuersatzungen haben zum Teil Abstand davon genommen, in Übereinstimmung mit Nr. 12 des Erlasses vom 20. August 1827 zum Ausdrucke zu bringen, daß die Realsteuern nur die "zu Stadtrecht liegenden" Grundstücke ergreifen; sie bezeichnen als den städtischen Realsteuern unterworfene Immobilien die "auf Stadtgebiet", "auf der Stadtfeldmark", "innerhalb der Stadt und der Feldmark", "innerhalb des obrigkeitlichen Bezirks der Stadt und auf städtischer Feldmark" belegenen Grundstücke, - Bezeichnungen, die das Geltungsgebiet der Steuersatzungen weniger genau treffen.
Die landesrechtliche Steuerfreiheit der pia corpora erstreckt sich nicht bloß auf städtische Realsteuern von geistlichen Grundstücken, sondern auch auf städtische Einkommen= und Vermögenssteuern oder andere nicht auf den Grundbesitz gelegte städtische Abgaben und Lasten, 61 ) da die von der römischen Kirche behauptete und im Deutschen Reiche anerkannte Immunität der Kirchen und des Kirchenguts Steuern und Beschwerungen jeder Art ausschließt und in gleichem Umfange in das Mecklenburgische Landesrecht rezipiert worden ist. 62 )
Dagegen werden zu den Schatzungen und Beschwerungen, mit denen die pia corpora zu verschonen sind, nicht zu rechnen sein die Gebühren, die als besonderer Entgelt von denjenigen zu entrichten sind, welche bestimmte Leistungen der öffentlichen Organe oder Anstalten des Staats oder der Gemeinden für sich in Anspruch nehmen. 63 )
12. Befreiung der Kirchendiener von den Steuern und Lasten der Parochialgemeinden. -
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Die landesgrundgesetzliche Befreiung der Kirchendiener und Pfarrwitwen von Schatzungen und Beschwerungen begreift wie die Freiheit von den Kommunallasten der bürgerlichen Gemeinde, so auch die Freiheit von den Parochiallasten der kirchlichen Gemeinde. 64 ) Dieser Grundsatz ist in beständiger Praxis anerkannt 65 ) und ist durch die auf Seite 166 erwähnte Verordnung vom 4. Januar 1900, die nur die Befreiung der Kirchendiener von den bürgerlichen Kommunalsteuern in den Städten aufgehoben hat, nicht berührt worden.
13. Wegfall der Immunität der Kirchendiener ob commune periculum. - Zu den auch von den Kirchendienern und Pfarrwitwen ob commune periculum zu entrichtenden Abgaben sind zu rechnen die Beiträge, welche die Landesregierung ausschreibt, um bei Viehseuchen die gesetzlich zu gewährenden Entschädigungen für die zur Abwendung größerer Seuchengefahr getöteten Tiere zu leisten. 66 )
14. Schluß. Nach den Worten der rev. Kirchenordnung gebietet die Pflicht der Dankbarkeit, welche die Regenten und Menschen und sonderlich die Gliedmaßen der Kirchen Gott schuldigen, zur Unterhaltung des Predigtamtes Hülfe zu tun. Darum will die rev. Kirchenordnung die Prediger, zur Aufbesserung ihres dürftigen Unterhalts, 67 ) nach altem christlichen Gebrauche mit Schatzungen und Beschwerungen verschont wissen.
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In späterer Zeit hat man geltend gemacht, daß es die bürgerliche Pflicht auch der Kirchendiener sei, gleich ihren Mitbürgern zu den Schatzungen und Beschwerungen beizutragen, die zum gemeinen Besten in Staat und Gemeinde aufgebracht werden müssen. Von diesem Standpunkte aus hat die Gesetzgebung des neunzehnten Jahrhunderts kein Bedenken getragen, die Steuerfreiheit der Kirchendiener allmählich bis auf geringe Reste aufzuheben. Dabei hat man es aber unbilliger Weise unterlassen, für die dadurch bewirkte Minderung des ohnehin meist schmalen geistlichen Einkommens, das seit der Zeit der Reformation im wesentlichen dasselbe geblieben ist, einen angemessenen Ausgleich zu gewähren; - eine Schuld aus der Vergangenheit, die noch immer der Tilgung harrt.