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Von Gymnasialoberlehrer Professor Dr. Hellwig , Ratzeburg.
D ie Gründung eines Bistums stellt man sich gewöhnlich vor als etwas ganz Leichtes, als ob auf das Wort eines Mächtigen das Ding fertig dastehe, wie Pallas Athene, als sie aus dem Haupte des Zeus entsprang. Vielmehr war die Sache mit unendlichen Schwierigkeiten politischer und rechtlicher Natur verknüpft und brauchte Jahrzehnte bis zu ihrer Vollendung. Das sei voraus bemerkt.
In der Geschichte der Entstehung des Bistums Ratzeburg gibt es drei feste Punkte, die man teils in ihrem Werte als Angelpunkte nicht erkannt, teils absichtlich, vorgefaßten Meinungen zuliebe, beiseite geschoben hat. Das ist erstens die Stelle bei Helmold I, 69, welche von der Wiederherstellung der drei Wendenbistümer durch Erzbischof Hartwig von Hamburg im Jahre 1149 berichtet; zweitens die Stelle der lista episcoporum Raceburgensium, wonach Bischof Evermod am 13. Juli 1153 sein Amt angetreten hat; und drittens die Königsurkunde Friedrich des Rotbarts, welche, im April 1154 ausgestellt, Herzog Heinrich dem Löwen von Sachsen und seinen Nachfolgern das Recht der Investitur in den Bistümern Oldenburg, Ratzeburg und Mecklenburg verlieh.
Aus letzterer Urkunde, die zweifellos echt ist, obwohl sie bei dem Mangel der Rekognition durch den Kanzler als unvollzogen
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angesehen werden muß, geht mit aller wünschenswerten Deutlichkeit hervor, daß das Bistum Ratzeburg vor dem April 1154 bereits gegründet/ sein Bischof geweiht und investiert war, denn nicht um die Investitur der dermaligen Inhaber der Bischofssitze handelt es sich, sondern um die der zukünftig an ihre Stelle tretenden:
ut, quicunque in locum episcoporum ibidem subrogandi sunt, a manu ipsius, quod regii iuris est, tamquam a nostra recipiant (M. U.=B. Nr. 56 p. 47).
Warum aber der lista mißtraut werden sollte, die doch in den Angaben über die Heiliggesprochenen zuverlässig ist (s. Masch: Das Jahr der Stiftung des Bistums Ratzeburg, Schönberg 1834, p. 14), kann der nicht einsehen, der ohne vorgefaßte Meinung die bisherigen Feststellungen über die Entstehungszeit des Bistums Ratzeburg durchgeht. Es ist ein vollgültiges Zeugnis, das durch Masch's Einwendungen (a. a. O. p. 8, 14 u. 15) in keiner Weise erschüttert wird.
Helmold vollends verlegt die Wiederherstellung der drei Wendenbistümer, also auch Ratzeburgs, ins Jahr 1149. Er nennt die Namen der für Oldenburg und Mecklenburg Erwählten, behauptet, daß sie in Harsefelde vom Erzbischof selbst geweiht seien und darauf in ihre Sprengel gegangen sind, nennt aber weder den Namen Evermods noch berichtet er von dessen Weihe durch Hartwig. Man hat daraus geschlossen, daß das Bistum Ratzeburg 1149 noch nicht gegründet wurde. Ebensogut oder vielmehr mit besserem Rechte hätte man aber daraus entnehmen können, daß es zwar 1149 entstand, Helmold aber seine Gründung dem Hartwig fälschlich zuschreibt.
Aus Helmold ist diese Nachricht in derselben Gestalt in die Hamburger Annalen (s. Pertz script. XVI, 382) übergegangen. Sie setzen aber hinzu, daß Heinrich der Löwe das Recht der hamburgischen Kirche auf die drei Wendenbistümer durch eine besondere, im Hamburger Kirchenarchive verwahrte, Urkunde anerkannt habe, und verraten damit den Streitpunkt inbezug auf Ratzeburg unwillkürlich. Herzog Heinrich bestritt anfangs die Metropolitanrechte Hamburgs über Ratzeburg und fand dabei die Unterstützung sowohl des Verdener Bischofs als des Papstes. Dieselben Hamburger Annalen sagen selbst, daß Heinrich der Löwe vom Papst und vom römischen Princeps 1 ) zugleich das Recht
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conversionis illius regionis erhalten habe. Das aber konnte am schicklichsten erteilt werden bei Gelegenheit des Kreuzzugs gegen die Wenden im Jahre 1147.
Hält man damit zusammen die Nachricht des Zehntenregisters des Stifts Ratzeburg (M. U.=B. Nr. 375 p. 377), wonach Heinrich der Löwe das Dorf Pötrau mit Zins und Zehnt und allem Rechte dem Ratzeburger Bischof schenkte, weil er, als er zuerst mit einem Heere das Land betrat, dort die erste Nacht geruht hatte, und sieht den Zusatz: Und dies war das erste Opfer, was er (Heinrich der Löwe) Gott und der heiligen Jungfrau - nebenbei der Schutzpatronin der Ratzeburger Kirche - darbrachte (s. auch M.U.=B. Nr. 113 p. 111), so macht das Ganze genau den Eindruck eines Gelübdes, welches der Herzog tat, des Inhalts:
nach glücklich vollendetem Feldzug in dem eben betretenen Lande der heiligen Jungfrau zu Ehren ein Bistum zu stiften und den Ort seiner Lagerstätte als erste Gabe dem Vorsteher dieses Bistums zu übertragen.
Danach wäre Heinrich der Löwe, dem ja vom Papst und vom Reichsregenten, bezw. dem Könige selbst, das Amt der Heidenbekehrung mittelst des Schwerts übertragen war, in den Kreuzzug von 1147 bereits mit dem Gedanken hineingezogen, nach dessen Beendigung in Ratzeburg ein Wendenbistum zu errichten. 1 )
Um den Vorsteher dieses neuen Bistums brauchte er nicht zu sorgen; Bischof Anselm von Havelberg der vom Papste ernannte Leiter des Kreuzzugs (s. M. U.=B. Nr. 44), war wohl imstande, ihm unter den Schülern des heiligen Norbert den geeignetsten zu bezeichnen; denn daß die Bistümer im Wendenlande am schicklichsten mit Prämonstratensern besetzt würden, galt damals als Grundsatz.
Der Gedanke der Errichtung eines Bistums in Ratzeburg kam zur Ausführung 1149, wie es scheint damals, als der
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päpstliche Legat Guido den Abt Wibald von Stablo zu sich nach Sachsen berief, um nach des Papstes Befehl mit ihm über die Errichtung von Bistümern in Leuticia Rat zu pflegen. Leutizien bezeichnet hier wohl das Land der Wenden im allgemeinen, ebenso wie in desselben Abts Wibald Bericht an den Bischof von Hildesheim aus demselben Jahre (s. M. U.=B. Nr. 46. 47); mindestens ist uns von Errichtung eines Bistums im eigentlichen Leutizenlande um diese Zeit oder von der Absicht dazu sonst nichts bekannt. Damals also, und ehe noch Hartwig die Wiederherstellung der Bistümer Oldenburg und Mecklenburg selbständig in die Hand nahm, muß Evermod durch den päpstlichen Legaten zum Bischof von Ratzeburg geweiht worden sein. Nur eine so übergewaltige Autorität konnte den unternehmenden Erzbischof von Hamburg abhalten, auch für Ratzeburg den Hirten selbst zu ernennen.
Die Errichtung des Bistums Ratzeburg fällt demnach wahrscheinlich in die Zeit zwischen Mai und Oktober 1149, und Hartwig, dessen Pläne damit durchkreuzt wurden, hat sich beeilt, zu retten, was noch zu retten war, indem er seinerseits zwei andre Wendenbistümer gewissermaßen durch ein schöpferisches Wort wiederherstellte. In der Klosterkirche von Harsefelde empfing der Propst des Klosters Neumünster und ein wahrscheinlich aus Mitteldeutschland stammender Weltgeistlicher, Namens Emmenhard, durch Hartwig die Bischofsweihe. Von dort, sagt Helmold, wurden sie ausgesandt in das Land der Entbehrung und des Hungers, d.h. Hartwig hatte ihnen wohl den Titel gegeben, aber er war nicht imstande, ihnen auch die Pfründen zu eröffnen.
In Ratzeburg lag die Sache freilich ähnlich; nur daß der päpstliche Legat zweifelsohne mit Herzog Heinrichs Vorwissen und Billigung die Weihe Evermods bewirkt hatte; und wenn diese etwa im Dom zu Magdeburg im Beisein des Erzbischofs Friedrich und vieler geistlicher und weltlicher Würdenträger vor sich gegangen war. so war sie sicherlich glanzvoller gewesen als der Vorgang in Harsefelde.
Welche Umstände verhindern mochten, daß Evermod nicht schon 1149 in sein Bistum reiste, kann heute zwar nicht mehr mit Sicherheit erkannt werden, doch findet sich wohl im Laufe der Untersuchung eine zutreffende Erklärung. Außerdem ist sicher, daß ein Prämonstratenser seinen Missionsberuf anders ausfassen mußte, wie etwa Wizelm. Die Prämonstratenser wollten nicht durch die Predigt oder doch nicht vorzugsweise durch sie wirken,
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sondern mehr durch das Beispiel eines wahrhaft christlichen Lebens. (S. Winter, Prämonstratenser S. 103/04.) Dazu war nötig, daß alle Einrichtungen hierzu vorher fertiggestellt wurden. Die curia fratrum mußte zur Aufnahme des Convents bereit sein, die Kirche eines Bischofs würdig, der Unterhalt für Hirten und Herde gesichert.
Es könnte nicht Wunder nehmen, wenn über diesen Vorbereitungen vier Jahre vergangen wären; genügten sie doch selbst dann nur den bescheidensten Ansprüchen.
Aller Streit über das Jahr der Gründung des Bistums Ratzeburg schien überflüssig. seitdem der Eingang zum Ratzeburger Zehntenregister zuverlässig bekannt geworden war. Dort lesen wir:
1. Im Jahre des Herrn 1154, als der Herr Papst Hadrian (IV.) die römische Kirche leitete und Herr Friedrich, der ruhmreiche römische Kaiser und semper Augustus glücklich regierte, wurde die ratzeburgische Kirche von Herzog Heinrich frommen Gedenkens, Sohn des Herzogs Heinrich, welcher zuerst das Herzogtum in Sachsen innehatte, im Einverständnis und unter treuer Mitwirkung des Herrn Hartwig, des großen Bremer Erzbischofs, fundiert.
2. Selbiger vorgenannte Herzog Heinrich aber gab einem gewissen Edlen Heinrich von Botwide die Grafschaft Ratzeburg zu Lehen, und durch diese erlangte selbiger Heinrich zuerst den Grafennamen.
3. Und unter Beirat des Herrn Hartwig von Bremen und des vorgenannten Herzogs Heinrich wurde folgende Anordnung getroffen: (Danach folgt der Zehntvertrag zwischen Graf Heinrich und Bischof Evermod.)
Ganz deutlich zerfällt dieses Vorwort in drei verschiedene Teile: Der erste, bis zum Worte fundiert, beruht auf der Urkundenkenntnis des Verfassers, setzt sich aus Urkundenformeln zusammen und enthält nur Unrichtiges. Der 2. Teil beruht auf Ratzeburger Tradition (s. den Heinrichsstein daselbst M. U.=B. Nr. 86 und Arch. f. d. G. d. Herzogtums Lauenburg VII, 1. S. 77-81) und enthält zweifellos Richtiges. Der Dritte endlich hat uns echtes Urkundenmaterial aufbewahrt, versehen allerdings mit einer aus falscher Analogie hergenommenen Ein=
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leitung; denn es ist wenig glaublich, daß Herzog Heinrich und Erzbischof Hartwig bereits im Jahre 1154 zusammen arbeiten konnten, eher allerdings schon, daß Herzog Heinrich in dieser Zehntangelegenheit, vom Grafen wenigstens, um Rat und Beistand angegangen worden ist. Nur weil die sog. Dotationsurkunde des Stifts (M. U.=B. Nr. 65) ein Zusammenwirken von Herzog und Erzbischof bei der Regelung der Verhältnifse des Stifts annimmt, glaubte der Verfasser des Z.=R. dasselbe auch bei dieser Zehntverhandlung voraussetzen zu müssen. Allein schon der Ausdruck Hartwicus Bremensis (vorher magno Bremensium archiepiscopo) verrät, daß es sich hier nicht um Urkundengut des XII. Jahrhunderts, sondern um die unmaßgebliche Meinung eines Mannes des XIII. Jahrhunderts handelt. Da nun aber die historischen Bemerkungen des ersten Teils unsres Vorworts mit der Zahl 1154, welche an der Spitze steht, un vereinbar sind, muß, wenn diese Zahl nicht ganz in der Luft schweben soll, angenommen werden, daß sie zum Zehntvertrage gehört.
In der Urkunde Friedrich des Rotbarts von 1154, durch welche Herzog Heinrich und dessen Nachfolgern das Investiturrecht in den drei Wendenbistümern für die Folgezeit zugesprochen wurde, wird, wie bereits gesagt, die Investitur Evermods als früher geschehen vorausgesetzt. Es fragt sich nur, wer sie ihm erteilt hat. Man sollte meinen, daß der deutsche König allein dazu berechtigt war. Indessen steht durch Helmold I, 70 fest, daß z.B. Wizelin, wiewohl nach heftigen Kämpfen mit sich selbst und trotz des Abmahnens des Erzbischofs Hartwig, Ende 1150 aus Herzog Heinrichs Händen die Investitur entgegennahm. Macht ging hier vor Recht; und so könnte es bei Evermod auch gewesen sein. Da aber Evermod nicht zu König Konrads Zeiten nach Ratzeburg kam, sondern erst als König Friedrich I. das Regiment in Händen hatte, so ist anzunehmen, daß er bis dahin auch noch nicht investiert war. Dagegen ist aus der Tatsache, daß König Friedrich sich bereit finden ließ, Herzog Heinrich das Investiturrecht im Wendenlande für alle Zeiten abzutreten, zu schließen, daß er ihm auch die Vollmacht übertrug, die Investitur des Evermod in seinem Namen erstmalig zu vollziehen. (Siehe M. U.=B. Nr. 65 ex auctoritate imperatoria = kraft kaiserlicher Vollmacht.) Dies kann bereits geschehen sein bei Friedrichs erster
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Anwesenheit in Sachsen auf dem Reichstage zu Merseburg im Mai 1152. Freilich hat diese Vermutung keine andere Stütze als die, welche in dem vernünftigen Zusammenhang der Begebenheiten liegt, aber gerade darum ist sie fest genug.
Damit ist denn zugleich eine zureichende Erklärung gefunden für die Zögerung Evermods. Er hat mit größerer Zähigkeit den Ansprüchen Heinrichs, ihn zu investieren, widerstanden als Wizelin. Nach der Erteilung der kaiserlichen Vollmacht fiel jeder Grund zu weiterem Widerstreben weg. Nur der Zustand der Vorarbeiten in Ratzeburg bewirkte den weiteren Aufschub der Reise in sein Bistum um ein Jahr.
Die Geschichte des Deutschtums in der Gegend von Ratzeburg beginnt. seitdem die Kaiserurkunde Heinrichs IV. bekannt geworden ist, mit dem Jahre 1062. Ob der Wendenaufstand von 1066 die deutsche Burg Ratzeburg in die Hände der Wenden brachte, ist ungewiß, doch mußte sie in solchem Falle durch die Schlacht bei Schmilau 1093 wieder deutsch werden. Man hat daher als durchaus sicher anzunehmen, daß mindestens seit diesem letzteren Jahre Deutsche und Christen hier ihr Wesen hatten. Die Dotationsurkunde von 1158(?) kennt daher schon eine Anzahl Kirchen, darunter die dem heiligen Georg geweihte auf dem Berge unmittelbar westlich vor der jetzigen Inselstadt Ratzeburg.
Es war eine Klosterkirche, wie aus der Ansveruslegende oder vielmehr dem zwischen 1153 und 1170 geschriebenen älteren Teile derselben (s. Arch. f. d. G. d. Herzogtums Lauenburg II, 2 p. 96) deutlich hervorgeht. Sie diente bis zur Einweihung des Doms, der, wenn man blos historische Nachrichten ins Auge faßt, vor 1189 (s. Arch. f. d. G. d. Herzogtums Lauenburg VII, 2 p. 21), und, wenn man den Bauverständigen folgt, vor einem noch viel späteren Zeitpunkte nicht vollendet sein konnte, als bischöfliche Kathedrale. Allerdings scheint sie zu diesem Zweck damals erst an Stelle einer älteren Kirche von Grund auf neu errichtet worden zu sein (s. Haupt und Weißer, Bau= und Kunstdenkmäler im Herzogtum Lauenburg, p. 56).
Wenn aber ein jüngerer Zeitgenosse Evermods, der Lübecker Abt Arnold, in seiner chronica Sclavorum II, c. 21 sagt, daß der Bischofssitz anfänglich überhaupt auf dem St. Georgsberge gewesen sei, so muß man die erste gemeinsame Wohnung des Bischofs und seiner Prämonstratenserbrüder ebendaselbst suchen.
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Die Räumlichkeiten müssen indessen in keiner Weise genügt haben, da Helmold, ein gleichzeitiger Schriftsteller (I, 77) zu berichten weiß, daß Graf Heinrich dem Bischof die Insel neben seinem Schlosse zur Wohnung einräumte. Der Domhof bei Ratzeburg ist also der erste Bischofshof. Aus der Dotationsurkunde ist bemerkenswerter Weise hierüber nichts zu ersehen. Man muß daraus schließen, daß diese Begabung ohne des Herzogs Mitwirkung und vor der schließlichen Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse des neuen Bistums ersolgt ist. 1 )
Die definitive Regelung ließ ziemlich lange auf sich warten, weniger wohl wegen dringender sonstiger Beschäftigung des Herzogs, etwa in kriegerischen Verwicklungen und Reichsgeschäften, als wegen der noch nicht geklärten Rechtsverhältnisse des Bistums und nachher wegen der Schwierigkeit, die mannigfachen Ansprüche der Besitzer der zur Dotation in Aussicht genommenen Hufen abzulösen und zu befriedigen. Am 21. Januar 1158 konnte der Papst in der Bestätigungsurkunde des Bistums (M. U.=B. Nr. 62) auch erst angeben, daß Heinrich der Löwe 300 Hufen zur Dotation bestimmt habe, nicht aber, aus welchen Landstücken sich diese zusammensetzten. Es fragt sich nun, wovon, abgesehen von dem halben Zehnt aus der Grafschaft Ratzeburg, Bischof und Kapitel einstweilen lebten.
Aus der Dotationsurkunde, die weiterhin noch einer genaueren Untersuchung unterzogen werden muß, verglichen mit der Urkunde Nr. 113 des M.U.=B., ergibt sich, daß Graf Bernhard I. von Ratzeburg eine Änderung in den Absichten des Herzogs herbeiführte, wonach schließlich nicht, wie ursprünglich in Aussicht genommen, das ganze Land Boitin dem Bischof gegeben wurde, sondern nur 250 Hufen davon, während die fehlenden 50 Hufen durch die Dörfer Römnitz, Ziethen, Farchau und Colaza aus der Landschaft Ratzeburg ersetzt wurden.
Diese 50 Hufen sind offenbar bis dahin schon vom Bischof und dem Kapitel besessen worden als erste und selbständige Gabe des Grafen Heinrich vom Jahre 1153. Man darf nicht aus den Augen lassen, daß in jedem Falle der eigentliche Fundator (s. den
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Heinrichsstein) oder wenigstens Dotator nicht der Herzog, sondern der Graf ist. Nebenbei ist in diesem Zusammenhange festzustellen, daß die definitive Ordnung der Dotation erst nach dem Tode des Grafen Heinrich von Ratzeburg, also erst nach 1166 oder höchstens in diesem Jahre, stattgefunden hat.
Aus dem Zehntenregister des Bistums Ratzeburg erfahren wir, wie bereits festgestellt, daß Graf Heinrich und Bischof Evermod im Jahre 1154 einen Zehntvertrag schließen. Der Inhalt ist folgender: "Daß in den drei Provinzen Ratzeburg, Wittenburg und Gadebusch Graf Heinrich den halben Zehnten vom Bischof zu Lehen haben soll und die andre Hälfte dem Bischof verbleiben soll und zwar auch von den Allodien des Grafen und von allen Neubruchländern ohne Ausnahme; und beide, sowohl der Bischof als der Graf, sollen von ihrem Teile belehnen dürfen, wen sie wollen und wie sie wollen mit der Klausel, daß in jedem Dorfe, das 12 Hufen oder darüber hat der Bischof 2 und der Graf ebenfalls 2 Hufen für das sog. Besetzungsrecht hergeben sollen. Wenn aber weniger als 12, wird jeder nur eine hergeben." Der Verfasser fügt hinzu: "Dies wurde gleichsam als Recht festgesetzt und von allen angenommen."
Wir sehen daraus, daß es sich um die Wiedergabe eines Verhandlungsprotokolls handelt ähnlich wie die, aus denen sich die Vertragsurkunde von 1222 (M.U.=B. Nr. 284) zusammensetzt. Die Vertragschließenden sind der Bischof, der Graf und die Dorfschulzen der neuen Ansiedelungen, nicht aber die Großgrundbesitzer, mit denen besondere Verträge wegen des Zehnts geschlossen worden sind. Der Vertrag erstreckt sich ferner nur auf den Polabengau, nicht auf Sadelbande, Boizenburg, die Vierlande, die spätere Grafschaft Schwerin, Klütz, Bresen usw., kurz auf alle die Teile der Diözese, die dem Grafen nicht unterstanden. Bemerkenswert ist aber, daß auch das Land Boitin nicht genannt wird, obwohl es sicherlich zur Grafschaft Ratzeburg gehörte. Der Verfasser des Zehntenregisters trug also bei diesem Auszug aus einem alten Zehntvertrag möglicherweise den veränderten Verhältnissen Rechnung. Immerhin schien diese Verhandlung den Späteren so wichtig, daß sie erst von da an das Bistum als fertig gegründet ansahen. So erklärt sich die Tradition, welche 1154 als das Gründungsjahr des Bistums Ratzeburg ansieht. (Masch a. a. O. p. 14. 15).
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Indessen ist es wohl als feststehend anzunehmen, daß die Investitur gleichzeitig mit Evermods Einführung ins Amt, also 1153, erfolgte. Die betreffende Urkunde werden wir noch kennen lernen.
Es scheint von vornherein zweifellos, daß das neu gegründete Bistum Ratzeburg zur Erzdiözese Hamburg geschlagen werden mußte, erstens deshalb, weil schon in der Urkunde Kaiser Ludwigs des Frommen, wodurch das Erzbistum entstand, dem Ansgar auch die Länder der Slaven als Missionsbezirk zugewiesen wurden, zweitens weil Erzbischof Adalbert I. von Hamburg bereits ums Jahr 1060 in Ratzeburg schon einmal ein Bistum errichtet hatte. Nun ist aber gerade die Stelle, welche in der Urkunde Ludwigs des Frommen für Ratzeburg beweisend wäre, gefälscht (s. M. U.=B. Nr. 3 Anm. 66 p. 6.) und obwohl zwar die Absicht Adalberts zu einer Bistumsgründung in Ratzeburg durch Adam von Bremen bezeugt wird (Adam III c 20), so steht doch fest, daß die Absicht damals zur Ausführung nicht gekommen ist, ohne daß die Hinderungsgründe mit Bestimmtheit angegeben werden können.
Dagegen wissen wir, daß das Bistum Verden die ganze Gegend zwischen der Elbe und Peene zu seinem Missionsgebiet rechnete und eine Urkunde Karls des Großen beibrachte (M. U.=B. Nr. 1), welche dies beweisen sollte. Die Urkunde ist zwar gefälscht, aber sie genügte Heinrich dem Löwen, die Metropolitanrechte Hamburgs über Ratzeburg (und wohl auch Mecklenburg) auf Grund derselben zu bestreiten und nützte dem Verdener immerhin, selbst nachdem der Prozeß zu seinen Ungunsten entschieden war, noch soviel, um eine ganz annehmbare Entschädigung herauszuschlagen (s. M. U.=B. Nr. 65 digna recompensatio). Die einzelnen Phasen dieses Prozesses kennen wir nicht; wir wissen nur, daß Kaiser und Papst damit befaßt wurden. Den Austrag des Streits bezeichnen drei Urkunden, eine des Kaisers 1158 März 16 (M. U.=B. Nr. 63), eine des Papstes Hadrian IV. 1159, Februar 21 (M. U.=B. Nr. 67) und eine des Papstes Viktor IV. 1160 Mitte Februar (M. U.=B. Nr. 69). Letztere ist gewissermaßen das Schlußprotokoll. Herauf hat Heinrich der Löwe das Metropolitanrecht Hamburgs durch eine eigene Urkunde (s. oben) anerkannt. Bruchstücke dieser Urkunde, die wir kurzweg als Metropolitanurkunde bezeichnen können, scheinen in andern Urkunden enthalten zu sein. (Gegeben mag sie sein bereits 1160 nach Niklots Besiegung und
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Tod; wenigstens schließt Helmold (I, 87 am Ende) seine Andeutungen darüber an die Erzählung der Ereignisse dieses Jahres an.
Als Papst Hadrian IV. Anfang 1158 das Bistum Ratzeburg bestätigte, war dessen Ausdehnung noch beschränkt auf das Polabenland, Sadelbande und Molendina (s. M. U.=B. Nr. 62). Letzteres bezeichnet die Gegend um Mühleneichsen, welche seit 1160 politisch zur Grafschaft Schwerin gehört, vor 1158 aber bereits christianisiert sein mochte. Wenn aber anderwärts (s. M. U.=B. Nr. 88) bezeugt wird, daß vor 1167 die ganze Landschaft Schwerin zum Bezirk des Ratzeburger Bischofs gehörte, so muß zwischen 1158 u. 1167 eine bedeutende Erweiterung des Ratzeburger Sprengels erfolgt sein. Es ergibt sich von selbst, daß dies nach Gründung der Grafschaft Schwerin geschehen sein muß, also etwa 1161. Bei dieser Gelegenheit wurden zugleich die neuen Grenzen festgesetzt und gegen Hamburg und Verden Elbe und Bille als solche angegeben. Später, als der Sitz des Bistums Mecklenburg nach Schwerin verlegt wurde, ergab sich die Notwendigkeit eines Austauschs von Ländereien zwischen Ratzeburg und Schwerin, wobei die Landschaft Bresen an Ratzeburg kam und das Land Schwerin an den dortigen Bischof. Dadurch wurde die Grenzurkunde von 1162 hinfällig und wurde 1167 durch eine neue ersetzt. Die alte ging dabei verloren. Dagegen sind uns 2 Urkunden des Erzbischofs Hartwig erhalten, welche auf die verlorene Urkunde hinweisen. Die erste ist gegeben unmittelbar nach der Siegesfeier wegen der Niederwerfung Mailands (Ostern 1162), also im April 1162, die andre wohl nicht viel später. In der letzteren werden die Einwohner der Landschaft Gamma (Bergedorf und Umgegend) angewiesen, fernerhin in allem dem Bischof von Ratzeburg zu gehorchen, dem ihre Gegend zugewiesen worden sei.
Zu derselben Zeit wie die Grenzurkunde Hartwigs, d.h. nach dem Siegesfeste wegen der Bezwingung Mailands, Ostern 1162, erschien eine Schenkungsurkunde des Herzogs, wodurch dem Propst und Kapitel zu Ratzeburg alljährlich 27 Mk. aus dem Zoll zu Lübeck gegeben werden sollten. Da Helmold (I, 89) von einer
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gleichen Gabe an Propst und Convent des Lübecker Doms berichtet, welche vom Herzog an dem Tage bestimmt wurde, wo in Lübeck zur Vorbereitung der Verlegung des Bistums von Oldenburg dorthin der Grundstein zur Hauptkirche gelegt wurde, so darf man wohl annehmen, daß beide Privilegien gleichzeitig und aus ähnlichen Motiven erteilt wurden. Hätten die Ratzeburger Kanoniker schon Zins und Zehnt der 300 Dotationshufen zur Hälfte besessen, so war kein Grund, ihnen eine neue Pfründe zu eröffnen. Es ist daher anzunehmen, daß die Schenkung erfolgte, um ihrer Dürftigkeit abzuhelfen, solange sie noch nicht im Besitze der vollen Dotation waren. In diesen müssen sie gelangt sein im Jahre 1167. Denn da traf der Herzog bei Gelegenheit der neuen Grenzurkunde eine beiläufige Bestimmung, welche als Ausführungsbestimmung der Urkunde wegen Boitin erscheint. In den Stiftsdörfern Boitins sollten im Falle der Besetzung mit deutschen Bauern zu Gunsten des Kapitels nur 2, nicht 4 Hufen in jedem Zwölfhufendorfe frei vom Zehntzuge bleiben, weil es unbillig erschien, die aus dem Besetzungsrechte erwachsenden Lasten, welche sonst die Kirche und den Landesherrn gleichmäßig trafen, hier der Kirche allein aufzubürden. Da eine Ausführungsbestimmung von solcher Wichtigkeit dem Gesetze nicht lange nachgehinkt haben wird, kann man wohl mit Sicherheit annehmen, daß die Einweisung des Stifts in die Boitiner Hufen kurz zuvor und zwar auch im Jahre 1167 vor sich gegangen ist.
Die bereits erwähnte definitive Grenzurkunde M. U.=B. Nr. 88 ist so wichtig, daß sie, abgesehen von Einleitung und Schluß, hier in Übersetzung gegeben werden soll:
Indem der Herr Erzbischof Hartwig mitarbeitete und uns das Werk treulich fördern half, setzten wir die Grenzen des Ratzeburger Bistums allseitig fest in Gegenwart und mit Zustimmung des Herrn Bischofs Hermann von Verden (NB: 1162), in der Absicht, vorsorglich zu verhüten, daß die neue Pflanzung in ihren Grenzen irgendwie belästigt werden dürfe durch ungerechte Anfechtung, wenn sie imstande ist, aus ihren Archiven mit Leichtigkeit die Urkunde unsrer Schenkung und Grenzbeschreibung vorzulegen.
Im Osten sind die Grenzen: das Wasser, welches Wissemara heißt, und so gegen Süden hinab bis zum Steffiner Bach, von da hinunter bis in den Lostener See, dann vor und zurück, wo die Länder Bresen und Schwerin sich scheiden. Das ganze
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Land Schwerin nämlich gehörte zum Bereich des Ratzeburger Bischofs, aber weil wir der Roheit der Heiden wegen den bischöflichen Sitz, welcher von altersher in Mecklenburg gewesen war, nach dem Willen und mit Erlaubnis des Herrn Kaisers Friedrich nach Schwerin verlegt haben, haben wir mit Zustimmung der Herren Bischöfe Evermod und Berno das Bresener Land dem Ratzeburger Bischof in seinen Grenzen zum Ersatz gegeben.
Im Süden aber haben wir die Scheide gemacht, wo die Trisnitz in die Sude fließt und zurückgeht bis zu dem Sumpf, aus dem sie, die Trisnitz, ihren Ursprung nimmt, und so geradeaus bis in die Elde, wo das Land Schwerin und Wanzeburg unter sich die Scheide haben, und so an der Elde stromabwärts bis in die Elbe, bis dahin, wo die Bille in die Elbe fließt.
Im Westen setzen wir als Grenzen zwischen der Ratzeburger und Lübecker Kirche den Sumpf, welcher Glindesbrook heißt, und so zurück nach Norden bis zur Strecknitz und über die Waknitz hinaus in den sog. Herzogsfluß bis dahin, wo er ins Meer fließt, und so an der Küste entlang bis an den Wismarschen Meerbusen, vorwärts aber in die Gewässer Grinau, Bornitz, Labenz und Trittau, und so in die Bille und die Bille stromab bis zum Einfluß in die Elbe.
Diese Grenzbeschreibung müssen wir bezeichnen als ein Muster von Klarheit. Daß freilich heutzutage nicht mehr mit Bestimmtheit angegeben werden kann, welcher Nebenbach der Sude einst den Namen Trisnitz führte, ist schade. Wenn aber Masch (Geschichte des Bistums Ratzeburg S. 49 ff.) Unklarheiten und Schwierigkeiten findet, wo keine sind, so liegt das offenbar an einer unrichtigen Auffassung des Ganzen. Wir haben es mit der 1167 berichtigten Grenzbeschreibung von 1162 zu tun. Sie ist im vollen Wortlaut wiedergegeben, nur hat man die Grenze des Landes Schwerin gegen Ratzeburg (Gadebusch und Wittenburg) anzugeben nicht für nötig befunden und die Grenze Schwerins gegen Osten selbstverständlich wegfallen lassen. Die Südgrenze setzt also da ein, wo die Landschaften Schwerin, Wittenburg und Jabel zusammenstießen.
Ein weiterer Schritt im Ausbau der wendischen Bistümer geschah im Jahre 1169. Durch eine besondere Urkunde (M. U.=B.
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Nr. 90) befreite der Herzog kraft kaiserlicher Vollmacht je 10 Vorwerke eines jeden der drei Bischöfe von den Lehnspflichten und die Stiftsbauern von den Ansprüchen ihrer früheren Herren an ihre Dienste, sowie von der Herzogssteuer, während alle diese Lasten und Leistungen nunmehr den neuen Herren, d.h. dem Bischof und Kapitel, zu leisten waren. Zugleich wurde der Wendenzins, d.h. die Abgabe der Wenden an den Bischof, bestimmt, die sie zu leisten hatten, solange sie noch am Heidentum festhielten, auf 3 Scheffel (vom Haken oder Tagwerk) und einen Schilling.
Die Urkunde ist allgemein gehalten und setzt später noch zu treffende Einzelvorschriften voraus. So ist z.B. die Zehnzahl der Vorwerke als Maximalzahl zu fassen, und in Spezialurkunden mußte erst noch bestimmt werden, auf welche Ortschaften das Privilegium übertragen werden sollte.
Eine dieser Spezialurkunden ist uns aufbewahrt. Sie bezieht sich auf die bischöflichen Vorwerke in Bresen, Wehningen und Boizenburg und auf Pötrau in Sadelbande, im ganzen auf sechs. Auffallend ist, daß Farchau in Ratzeburg nicht erwähnt wird. Man muß also wohl annehmen, daß dafür eine besondere Urkunde bereits vorher ausgestellt worden war, während Bischofsdorf und 3 Hufen in Gamma, die in einer noch zu erwähnenden Urkunde mit aufgeführt sind, später hinzugekommen sein mögen. Die hier besprochene Urkunde trägt die Mitunterschrift zweier Wendenfürsten, wodurch sie auch für diese verbindlich gemacht wird.
Der Eingang zu dieser Urkunde ist derselbe wie in Urkunde Nr. 90 vom 7. Nov. 1169, von einigen unwesentlichen, aber immerhin charakteristischen Änderungen abgesehen. Damit kennzeichnet sich diese Urkunde als Bestätigung und Erweiterung der früheren.
Die erste Erweiterung besteht in folgenden Worten: Indem wir der Ratzeburger Kirche das Land Boitin mit allem, was es in sich schließt (cum omni sua integritate) von dem Flusse,
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welcher Herzogsfluß genannt wird, bis zu einem Steinhaufen beim Dorfe Bünstorf und so mitten durch den Menzendorfer See und von dort geradeaus bis zu einem großen Steine und von diesem bis in den gemeinsamen Wald als 250 Hufen anweisen, haben wir mit Erlaubnis und Zustimmung des Grafen Bernhard andre 50 Hufen mit den Dörfern Römnitz, Ziethen, Klotesfelde und Farchau unter derselben Freiheit des Rechts beigefügt.
Wenn, wie wir bereits sahen, die Einweisung des Stifts in die Boitiner Hufen im Jahre 1167 erfolgte, die betreffende Urkunde, aus der wir dies schlossen (Nr. 88), aber das damals bewilligte Privileg auf die 50 Ratzeburger Ergänzungshufen noch nicht überträgt, ja ihrer garnicht erwähnt, so kann das eben nur so zusammenhängen, daß Graf Bernhard, wie hier erwähnt wird, bei der tatsächlich vorgenommenen rechtlichen Einweisung diese Änderung des ursprünglichen Planes bewirkte. Dabei mußte natürlich auch die Grenze Boitins zum Teil verändert werden, und zwar, wie wir an anderer Stelle nachweisen werden (im folgenden Jahrbuch LXXII), im Osten, wo die Maurine nun die neue Grenze bildete. Unsere Urkunde hat dies nicht berücksichtigt, sondern die Grenzbestimmung für Stiftsboitin der Urkunde entnommen, nach welcher sämtliche 300 Hufen boitinische sein sollten. Auch darin war übrigens die Südgrenze gegen Ratzeburg als bekannt und nicht erwähnenswert angenommen worden. Darauf folgt der Satz von den Hand= und Spanndiensten und der Herzogssteuer, welcher beiden Urkunden gemeinsam ist.
Die 2. Erweiterung bezw. Aufnahme aus einer anderen Urkunde, welche verloren ist, besteht aus folgendem: Wir haben auch den Brüdern der Ratzeburger Kirche das Dorf Bardentorp jenseits der Elbe mit allen Zubehörungen, Wäldern, Weiden, Wiesen und unsrer ganzen Rechtsprechung darin, nämlich dem Gericht über Hals und Hand, frei überlassen.
Dann kommt der Satz aus der Urkunde von 1171 wegen der bischöflichen Vorwerke. Es sind aber hinzugefügt vorneweg Farchau in der Landschaft Ratzeburg und hinterher 3 Hufen in Gamma und Bischofsdorf in Dassow. Auch so kommen immer erst 9 Vorwerke heraus. Das 10. Vorwerk kann mithin erst nach 1172 bezw. 1174 erworben sein und muß Dodowe (siehe Z.=R. Nr. 216, im Jahrb. LXIX, S. 340) in Wittenburg gewesen sein.
Hierauf folgt genau wie in der Urkunde von 1169 der Satz wegen der Kapitalfälle im wesentlichen ebenso wie dort. Ganz neu dagegen und als neu besonders hervorgehoben ist die nun
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folgende Vergünstigung, daß die Stiftsbauern nicht zum Markthing zu kommen brauchen. Das Aufgebot wird beschränkt auf 30 Schilde und auf 6 Wochen in einem Jahre noch dazu nur diesseits der Elbe. Das Burgwerk wird auf die Ausbesserung der Ringmauer der Burg Ratzeburg beschränkt, zu leisten gemeinsam mit andern Provinzgenossen. Zu verstehen ist, daß diese Last nur den Leuten aus den 50 ursprünglich Ratzeburger Hufen auferlegt werden, beziehungsweise ihnen nicht abgenommen werden sollte.
Auch der Wendenzins wird in demselben Zusammenhange wie 1169 wieder erwähnt, aber erweitert, indem vom Tagewerk nun auch ein Zopf Flachs abgegeben und ein Huhn gegeben werden soll.
Neu ist wieder der Abschnitt über die Kirchen in Sadelbande, welche sämtlich dem Bischof gehören sollen, und der Zehnte dieser Provinz, den Heinrich der Löwe bisher an sich behalten hatte, sollte dem Bischof jederzeit auf seinen Wunsch wieder abgetreten werden.
Nach einem kurzen Hinweis auf die Grenzurkunde von 1162/67 erfolgen dann noch die Hauptbestimmungen des (Exuvienrechts nach der Metropolitanurkunde und die Ankündigung des Anathems, welches diejenigen treffen soll, die die Privilegien der Ratzeburger Kirche anzutasten versuchen.
Die sogenannte Dotationsurkunde des Stifts Ratzeburg ist, obwohl sie die Jahreszahl 1158 aufweist, die vollständigste Zusammenstellung aller Privilegien der Ratzeburger Kirche - obwohl auch sie noch einige Stücke unerwähnt läßt -, die wir kennen. Das Äußere der Urkunde (s. M.U.=B.I, Nr. 65 und Anmerkungen dazu S. 60-62 und IV, S. 237/38) verwehrt, an eine Fälschung zu denken. Trotzdem ist sie nach allem von uns Gefundenen unmöglich 1158 entstanden. Sie setzt sich zusammen aus dem Hauptinhalte einer ganzen Reihe von Urkunden, die teilweise vor, teilweise nach 1158 gegeben sind, und ist offenbar bestellte Arbeit, die man auf 1158 als Jahr der päpstlichen Bestätigung des Bistums zurückdatiert hat. Da sie vor 1174 nicht gegeben sein kann, während sie doch an Evermod gerichtet ist, der 1179 starb, muß sie zwischen 1174 und 1179 geschrieben sein. Interessant ist der Versuch, die ursprüngliche Dotations= oder besser Investitururkunde vom Jahre 1153 wieder herauszuschälen, der keineswegs aussichtslos ist.
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Heinricus divina propitiante clementia Saxoniae 1 ) dux, Evermodo dilecto sibi et reverendo in Christo Raceburgensium episcopo in perpetuum.
Non ad vulgi favorem, sed ad adiutoris honorem 2 ) opere precium ducimus ea, quae a nobis Christo adiuvante peracta sunt, ad omnium fidelium, tam praesentium, quam futurorum, perferri cognitionem. Gentes enim paganas nostro ducatui in Saxonia contiguas, Winedos dictas, a priscis temporibus magni Karoli deo semper et sanctae ecclesiae rebelles et infestas, 3 ) hucusque a progenitoribus nostris in tributum redactas accepimus, ita tamen, ut perfidorum servilia colla etiam nostris temporibus ferro conterere crebrius non destiterimus. 4 ) Quas iam hoc modo suppressas diu quiete cum magno nostrarum opum aucmento possedimus.
Interim cum accepissemus a vineae dei cultoribus, quod m ipsa male stant otiose, nec aeternum denarium merentur, qui sua quaerunt, non quae Jhesu Christi: 5 ) quaestum pecuniae postposuimus lucro animae, et quos antea pro Caesaris * ), nunc oppugnavimus pro gratia salvatoris 6 ). In hocitaque negotio 7 ) deo nobis prosperante 8 ) devotipersistemus; ideoque novellam in Raceburg ecciesiam 9 ) domino Evermodo, dudum in Parthenopoli sanctae Mariae praeposito, nunc antem hic in pontificem consecrato, viro per ommia deo et homimbus accepto 10 ) commisimus 11 ). Quoniam enim prudenter et strenue huic sedi praesidet et cum suis fratribus 12 ) secundum regulam beati Augustini canonicis diu noctuque ferventer Christo militat 13 ), sedem episcopatus ei suisque successoribus ex auctoritate [regia] in perpetuum designamus 14 ). Exsecrantes etiam stulta quorundam imprudentum obloquia, statuimus venerando patri et suis successoribus 15 ) firmissimam auctoritatem disponendi et regendi sui episcopatus 16 ). In sustentationem autem et antistitis et canonicorum 17 ) ad praesens in dotem ecclesiae trecentos mansos cultos et incultos 18 ) de beneficio nostro ex [regali] concessione conferimus, consentientibus et simul id agentibus viris honoratis et fidelibus nostris Heinrico et Bernhardo filio eius comitibus de Raceburg, qu[i] beneficium suum (a nobis) liberum ab omni
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exactione nobis pro devotione restituerunt, Omnis enim decima per totum episcopatum ad episcopum pertinet, nec nos vel aliquis quantumcumque potens inde valet aliquem inbeneficiare, nisi quantum habet ab episcopo. Ipsius etiam sedis cathedralis, i. e. curiae fratrum et insuper omnium curiarum episcopalium, ubi mansionem faciet episcopus, advocatiam et tuitionem (episcopo) liberam esse designamus 19 ). Census autem Sclavorum 20 ) erit de unco tres mensurae siliginis, qu[i] dicitur Kuriz, solidus unus 21 ). Ex his habebit sacerdos parrochialis duos nummos et tertium modium; postquam autem Sclavis eiectis terra decimalis facta fuerit, decima tota vacabit episcopo, qui cum domino fundi de dotibus aget ecciesiarum parrochialium, scilicet ut quattuor mansis dotentur cum censu et decima; et sic per totum ordinabitur episcopatum.
Damus etiam Raceburgensi episcopo et successoribus et libere praestandas remittimus omnes ecclesias, 22 ) tam fundatas quam fundandas per totam Sadelbandiam; 23 ) ceteras ecclesias dominis fundi permittimus. 24 )
Ut autem haec nostrae constitutionis pagina 25 ) firma et inconvulsa in perpetuum maneat, sigilli nostri impressione signamus et testium subscriptorum astipulatione roboramus, statuentes, ut bona episcopi, fratrum et ecclesiae 26 ) nulla saecularis vel ecclesiastica persona praesumat invadere, perturbare vel minuere. 27 )) Huiusreitestes sunt: 28 ) Hermannus (?) Verdensis episcopus, qui factum nostrum banno suo robora[vi]t, Marquardus de Luneburg, Bruningus de Hullesheim, (Bruno de Hersevelde) abbates, Theobaldus de Razeburg, Theodericus de Segeberge, (Otbertus de Hammenburg), praepositi, Balduwinus, Rotbertus, Daniel, Raceburgenses canonici, David, Balduwinus, capellani ducis, magister Hartwigus, curiae notarius, (Rodolfus Hammenburgensis decanus). Laici festes sunt: Heinricus comes de Raceburg et Bernardus filius suus, Adolfus comes de Schowenburg, (Volradus comes de Danneberge) * ) Walterus de Berge, Guncelinus de Hagen, Hermannus (comes) de Luchowe, Eilbertus de Welepe, Lippoldus de Hertesberg, Jordanis dapifer et Josarius frater eius de Blankenburg, et alii quam plures et clerici et laici. Datum in Luneburg, anno verbi incarnati M ° C ° quinquagesimo [tertio] regnante et in
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omnibus his nobis consentiente Friderico glorioso Romanorum [rege].
Es ist anzunehmen, daß der Verfasser der Dotationsurkunde die Zeugenreihe zwar der Investitururkunde entnahm, sie aber revidierte und für das Jahr 1158 passend machte. Dabei ist ihm, abgesehen von der unpassenden Einfügung des Evermod, des Lübecker und Schweriner Bischofs und des weiteren Spielens mit der Dreizahl der Zeugen gleichen Ranges, wohl auch mancher Fehler mituntergelaufen, so z.B. wenn er den Hermann von Lüchow unter den nobiles nennt und ihm doch den Grafentitel gibt, den derselbe erst seit 1163 geführt zu haben scheint.
1. tam Saxoniae quam Bavariae. | Redaktionelle Änderung. |
2. et rei gestae adversum omnis boni inimicum et eius membra perpetuam consolationem. | Salbungsvoller Zusatz des geistlichen Verfassers. |
3. postquam tandem magno labore fidei christianae cervices durissimas submiserunt, saepius ad vomitum ydolatriaerelapsas, hereditario iure. | Ebenso; der klare Gedankenzusammenhang wird aber durch den Zusatz verdunkelt. |
4. et tributum ob ipsorum nequitiam multo super priora tempora adauximus. | Zusatz veranlaßt durch das nachfolgende: magno nostrarum opum aucmento, aber sehr ungeschickt. |
5. et quod, cum unus servus, id est ordo doctorum, verbi praedicatione diu vocaverit venire recusantes ad. cenam dei, alter servus, id est ordo principum, locum habet agrestem populum ferri vibratione compellendi. | Wahrscheinlich eine damals geläufige Aussührung im Anschluß an jene Bibelstelle, welche wiederum den klaren Gedankenzusammenhang verdunkelt. |
6. et sicut in ewangelio spumans et deiciens et | Siehe zu 2. Interessant ist an der Ausführung die freie |
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multum discerpens exiit ab eo, ita cum magnis expensis militum quoque et populi mortibus plurimis tandem nunc divina dextera faciente virtutem tam feroces christianitati reddidimus, ut et nos et nobis cooperantes aeternum mereamur denarium ad illud, quod ante diem extremum in omnes gentes praedicari oportet ewangelium. | Art der Zitate aus dem Evangelium. Siehe die Vulgata Luc. 9, 39. |
7. domino deo. | dominus ist salbungsvoller Zusatz, wie er sonst in Urkunden nicht gebräuchlich ist. |
8. in agendo. | Störender Zusatz. |
9. cuius negotium agitur, quam. | Soll auf in hoc itaque negotio zurückweisen. |
10. et patri multorum filiorum in Christo. | Ein besonderer christlicher Ruhmestitel für Bischöfe und Äbte, den der geistliche Verfasser nicht weggelassen wünschte. |
11. qualiter iam de gratia et voluntate et permissione domini Friderici imperatoris fundatam tueri, confirmare et sublimare decernimus, superest dicendum. | Aufstellung des Themas und der Disposition wie bei einer Predigt. Es würde aber Schwierigkeiten machen, das Nachfolgende nach dieser Disposition zu gruppieren. |
12. religiosis. | Der Bedeutung nach von canonicis nicht wesentlich vorschieden. Es bedeutet Ordensgeistlicher oder vielmehr zunächst die besondere Art und Stellung zu Gott und Religionsübung eines solchen im Gegensatz zu anderen Leuten. Hier ist es neben canonicis überflüssig. |
13. in Raceburg. | Überflüssig und störend. |
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14. et terminos eius circumquaque, sicut in antiquis annalibus vel privilegiis Hammenburgensis ecclesiae reperiuntur olim fuisse designati, protendimus et ab omni quaerimonia Verdensis, collatis ei dignis recompensationibus, videlicet Gorgerswerder et Reinerswerder, terminos Raceburgenses liberos reddidimus. | Wahrscheinlich aus der verlorenen Grenzurkunde von 1162. |
15. in eodem ordine. | Es soll verstanden werden: in ordine episcoporum wie im Anfange ordo doctorum und ordo principum. |
16. in archydiaconatibus vel archypresbyteratibus ordinando et ceteris omnibus, quae sancti patres constituerunt, nulli licere nisi solis pontificibus, ipsis etiam canonicis Raceburgeusibus cum suo praeposito nihil imminui de iustitia et honore omnium cathedraliumecclesiarum, sed tenere et regere ecclesias, praeesse populis, ut mos est non solum per Saxoniam, sed et per totam ecclesiam. Annales enim revoluti non solum nunc, sed quondam ecclesias a religiosis semper esse fundatas quamcunque nunc opulentissimas, tam episcoporum quam metropolitanorum, ostendunt. Non enim. religio derogat honori et iustitiae clericorum, sed irreligio, et firmiori auctori- |
Aus der
Metropolitanurkunde, die folglich
gegeben sein muß, ehe noch die
Domkapitel in Lübeck und Schwerin
existierten, etwa 1162. Nach Helmold
I, 87 freilich scheint sie ins Jahr
1160 zu gehören und unter andern
enthalten zu haben: privilegia de
possessionibus, de reditibus, de
iustitiis, de censu Sclavorum.
Dieses merkwürdige Eintreten für die Berechtigung und Befähigung der Ordensgeistlichen, Bistümer zu gründen und zu leiten, welches offene Türen einstößt, paßt offenbar besser in eine Streitschrift als in diese Urkunde. Die Veranlassung für den Verfasser, diesen Einschub zu machen, ist unerfindlich. |
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tate praedicat, a cuius verbo reproba vita non discordat. | |
17. ad honorem sanctae Mariae semper virginis sanctique Johannis apostoli et ewangelistae in Raceburg. | Verdächtig schon wegen des folgenden in dotem ecclesiae. Die Schutzheilige des Stifts war die Jungfrau Maria, die Domkirche allerdings wurde ihr und dem Apostel Johannes geweiht. Da aber um 1158 die dem St. Georg geweihte Kirche noch als Kathedrale diente, ist der Ausdruck für damals undenkbar. |
18. cum totis decimis et omnibus utilitatibus etappendiciis suis et aquis omnibus specialiter episcopo designatis. | Möglicherweise aus der Urkunde wegen Boitin; jedenfalls aber überflüssiger Zusatz, da über den Zehnt später erst gehandelt wird. |
19. Curiae vero episcopales hae sunt: in Raceburg Verchowe, in Brezen Lubimari villam, Maliante, Gressowe; in Wanigge Malke; in Boyceneburg Benin; in Sadelbandia Putrowe; in Gamma tres mansos; in Dartsowe Bischopestorp: haec omnia cum omni iure et libertate, | Die falsche Anknüpfung verrät, daß der Satz einer andern Urkunde entnommen und der letzte Satz, daß es die wegen Boitin, die 2., ist. (Zu vergl. M. U.=B. 88, 101 und 113). |
et aquam Stenowe supra et infra liberam episcopo donavimus. | Die Steinau ist die Maurine. |
Terram itaque Butin cum omni sua integritate a Rivulo Ducis usque ad cumulum lapidum prope villam Bunistorp, et sic per medium stagnum Lipse, et abhinc directe usque ad quendam lapidem magnum, et ab eo in communem silvam ad | Zum Teil der Urkunde über Boitin entnommen (s. M U.=B. Nr. 113). Von den Worten ad locum, qui an vom Verfasser selbst zurecht gemacht oder aus andrer Urkunde entnommen, das beweist die schiefe Konstruktion, die zum Anfange des Satzes nicht paßt, |
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locum, qui vulgo Manhage dicitur prope Karlowe, et in silva versus villam Zlauti, palus Ripze dicta, et rivulus Linzika, sicut girat et regirat, usque quo Wocnitziam influat - - -. | Zwischen 1167-1172 liegt die vom Grafen Bernhard veranlaßte anderweitige Ordnung der Dotation, welche in einer 2. Urkunde wegen Boitin festgelegt sein muß. |
(Alios) L mansos cum villis quattuor: Rudemoyzle, Ziethene, Verchowe, Kolatza et omnibus eorum attinentiis de voluntate Heinrici et Bernhardi comitum sub eadem iuris libertate supplevimus. | Direkt oder indirekt dem ersten Vertrag mit den Ratzeburger Grafen wegen Unterhalts des Stifts entnommen, das beweisen die älteren Namensformen der Dörfer gegenüber denen von 1174 (M. U.=B. Nr. 113). Ebendaher stammt auch die Erwähnung beider Grafen statt Bernhards allein. |
Ut autem quieti illorum et paci in futurum provideamus, constituimus firmiter inhibentes, ut nulli liceat in praedictis mansis aliquas exactiones vel petitiones facere, sed liberi sint ab omni gravamine et a wogiwotniza, qui census ducis dicitur. | Aus der Urkunde wegen Boitin. Wörtlich ebenso in Nr. 113. Dagegen in Nr. 90 fehlen die Beden, statt dessen heißt es: exactiones facere vel paratas accipere. Die Beden sind demnach zwischen 1169 und 1172 dazu gekommen. |
De capitalibus vero causis, ubicunque coloni tarn villarum istarum, quam praedictorum trecentorum mansorum infra terminos totius episcopatus composuerint, duae partes episcopo et ecclesiae, tertia advocato proveniat. | Die Stelle ist direkt dem Zusammenhange entnommen, welchen die Urkunde 113 hat, hier aber steht sie in falschem Zusammenhange und beweist ganz zweifelsfrei, daß diese Urkunde auf Mosaikarbeit beruht. |
Aliae vero causae omnes praeter iudicium tantum colli et manus, quocunque casu emerserint, ad episcopum et ecclesiam vel eorum dispensatorem referantur. | Wörtlich so in Nr. 113. Die ursprüngliche Fassung hat Nr. 90: De capitalibus autem causis duae partes compositionum episcopo, tertia vero advocato proveniat; aliae vero causae tantum ad episcopum vel ad |
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eius dispensatorem referantur. Die Rechte des Kapitels sind schon neben die des Bischofs getreten, was sicherlich eine spätere Stufe der Entwicklung voraussetzt. | |
Et advocatiam Butin, quam liberam esse et sine comitum expeditione censuimus, praedictis nobilibus et eorum legitimis heredibus ab episcopo praestandam sub iure . praescripto indulsimus. | Diese Stelle, die sich nirgends sonst findet, muß der ersten Urkunde wegen Boitin entnommen sein. |
Expeditionem tamen ducis cum triginta tantum clipeis semel in anno ad sex septimanas, et hoc infra Albim, sequantur, et borchwerk circulum scilicet Raceburg cum aliis comprovincialibus operentur. | Wörtlich so in Nr. 113; in Nr. 90 dagegen nur: expeditiones sequanturet borchwerk operentur. Das Privilegium stammt also zweifelsfrei aus 1169-1172 und wird in der 2. Urkunde wegen Boitin enthalten gewesen sein. |
A quo tarnen iure cuilibet episcoporum libere decem vorwerkos emancipavimus. | Zur Sache vergl. Urk. Nr. 101. Urkunde Nr. 113 stimmt wörtlich. Da aber die ganze Stelle, von et advocatiam Butin an, sich mit dem erst 1172 ausgehobenem Markthing überhaupt nicht mehr beschäftigt, muß sie später als 1172 geschrieben sein. |
20. per omnes terminos horum trium episcopatuum | Diese Worte fehlen in Nr. 90, treten zuerst in Nr. 113 auf. Sie stammen aus der Metropolitanurkunde. |
21. toppus lini unus, pullus unus. | Nicht in 90, aber in 113. Die Worte stellen eine zwischen 1169 u. 1172 eingetretene Verschärfung der Wendensteuer vor. |
22. cum iure praescripto in terra Butin, ecclesiam in Nusce, ecclesiam sancti Georgii in Raceburg et | Da Nr. 113 diese Stelle nicht enthält, ist sie nach 1172 hinzugekommen. |
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ecclesias adhuc in insula fundandas, et insuper omnes. | |
23. et in Gamma et in insula nondum culta ecclesias | Ebenso wie bei Nr. 22. |
et Gammae. | Nr. 113 et eiusdem provinciae (nämlich Sadelbandiae) decimae. |
24. Dimidiam etiam villam Pantin, quam dedit praedictus honoratus vir comes Heinricus episcopo et duas villas Buzuwe et Walegotsa, quas pro anima patris sui dedit filius eius Bernhardus comes fratribus et quaecunque ipsi in futurum de terra illa vel alii de terris aliis pro devotione obtulerint, ex auctoritate imperatoris ecclesiae stabilimus. | Aus zwei verschiedenen Schenkungsurkunden der Grafen, deren erste die Zustimmung des Sohnes, wie üblich, enthielt, entnommen. Sachlich ist zu vergleichen Urkunde Nr. 88: Damus etiam in libertatem ecclesiae, ut usw. |
Item Bardenthorp de nostro proprio cum silvis et pascuis et omnibus utilitatibus et cum iudicio colli et manus in dotem ecclesiae conferimus et confirmamus. | Aus einer besonderen Urkunde, die bei Gelegenheit einer andern Schenkung die erste über Barendorf bestätigte. |
Teloneum etiam tam fratribus quam episcopo de omnibus, quae ad victualia ipsorum spectant, in Barduwik et in omnibus finibus horum trium episcopatuum in perpetuum libere remittimus. | Aus der Metropolitanurkunde. |
Terminos etiam Raceburgensis episcopatus usque ad locum, ubi Bilna Albim influat, designavimus, annuente nobis et operam dante Hartwigo sanctae Hammenburgensis ecclesiae archiepis- | Wahrscheinlich aus der Grenzurkunde von 1162. |
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copo, cum consilio et favore tam Hammenburgensis quam Bremensis capituli | |
Ordinavimus quoque, ut quolibet praedictarum ecclesiarum episcopo decedente | Wörtlich ebenso in Nr. 113. |
nullus advocatus vel alia persona bona episcopi praesumat invadere vel m suos usus mancipare, ne sacrilegium incurrat, sed secundum canones prima pars pro anima episcopi pauperibus distribuatur, secunda in usus ecclesiae, tertia successuri episcopi subsidio reservetur. | Aus der Metropolitanurkunde. |
25. tam rationabiliter ordinata. | Aus Nr. 113 aus freien Stücken hinzugefügt. |
26. et loci. | Unverständlich. |
27. Si autem invasor quilibet bis tertiove commonitus resipiscere contempserit, secundum iustitiam saeculi ex imperiali auctoritate persona et bona eius publicentur, secundum deum vero per sententiam summi pontificis domini Adriani anathemate feriatur et cum iniquis et perditis depereat. Amen. | Nach geläufiger Formel aus dem kanonischen Recht mit deutlicher Beziehung auf die Bestätigungsurkunde Papst Hadrians IV. (M. U.=B. Nr. 62) gearbeitet. |
28. Evermodus Raceburgensis episcopus, Geroldus Lubicensis episcopus, Berno Suerinensis episcopus. | Frei hinzugefügt. 1158 konnten indessen Gerold und Berno noch nicht nach ihren späteren Sitzen genannt werden, trotz Urkunde Nr. 70, wo sich die Sache mehr als leicht erklärt. |
Das Resultat der vorstehenden Untersuchung ist folgendes: In den Wendenkreuzzug von 1147 ging Heinrich der Löwe mit dem vom damaligen Reichsverweser und dem Papste (Eugen)
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erhaltenen Auftrage, die Polaben (und Obotriten) mit dem Schwerte zur Annahme des Christentums zu zwingen, und demgemäß mit der Absicht, nach vollendetem Feldzug in Ratzeburg ein Bistum zu errichten.
Diese Absicht wurde durchgeführt im Jahre 1149 unter Mitwirkung des päpstlichen Legaten Guido, welcher den von Heinrich dem Löwen zum Bischof von Ratzeburg vorgeschlagenen prämonstratenser Evermod, damals Propst von St. Marien in Magdeburg, die Weihe erteilte, dadurch wurden die ehrgeizigen Pläne des Erzbischofs Hartwig von Hamburg, der nach einer Erneuerung des hamburgischen Patriarchats über die nordische und wendische Kirche strebte, durchkreuzt, und er beeilte sich Ende 1149, die im Wendenaufstande von 1066 zerstörten Bistümer Oldenburg und Mecklenburg dadurch formell wieder zu errichten, daß er Bischöfe für sie ernannte und weihete.
Herzog Heinrich fand sich auch bereit, diese neuen Bistümer anzuerkennen, sobald die Geweiheten die Investitur aus seiner Hand entgegennähmen. In der Tat mußte Wizelin, der neue Bischof von Oldenburg, sich Ende 1150 dem Willen des Herzogs, mit wie schwerem Herzen immer, unterwerfen; Emmenhard dagegen blieb Titularbischof von Mecklenburg bis zu seinem 1155 erfolgten Tode. Auch Evermod fand den Anspruch des Herzogs unberechtigt und ungesetzlich und fügte sich erst, als König Friedrich 1152 auf dem Reichstage zu Merseburg Heinrich den Löwen zu seiner Investitur ausdrücklich bevollmächtigte. Am 13. Juli 1153 kam er nach Ratzeburg und trat sein Amt an, nachdem er in Lüneburg aus des Herzogs Hand die Investitur empfangen hatte. Die Urkunde darüber ist noch vorhanden, wiewohl im Texte einer andern verborgen. Darin wurden ihm 300 Hufen Landes zum Unterhalt für sich und seinen Konvent versprochen. Die Grenzen seines Bistums deckten sich vor der Hand mit denen der Grafschaft Ratzeburg, des Landes Sadelbande und der Landschaft Mühleneichsen.
Indessen fehlte viel, daß die Versprechungen der Investitururkunde auch sogleich eingelöst wurden. Zunächst erhob Erzbischof Hartwig Widerspruch gegen die ohne seine Mitwirkung durchgeführte Bistumsgründung und verlangte kraft seines Rechts als Metropolitan, aber gegen die kanonischen Gesetze, daß er bei Errichtung von Archidiakonaten und ähnlichem befragt werde.
Herzog Heinrich verteidigte seine Schöpfung gegen solche Übergriffe in seiner schroffen Weise dadurch, daß er das Metropolitanrecht Hamburgs über Ratzeburg bestritt, wofür er beim
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Papste und bei dem Bischof Hermann von Verden Unterstützung fand. Eine alte gefälschte Urkunde tat dabei gute Wirkung.
Immerhin hatte dieser Streit, der bis zum Jahre 1158 bezw. 1160 währte, die üble Nebenwirkung, den Ausbau der Verhältnisse des Bistums Ratzeburg aufzuhalten und Bischof und Kapitel nicht zum Genusse ihrer vollen Pfründe kommen zu lassen. Da schaffte der Graf Heinrich von Ratzeburg Rat, indem er 50 Hufen Landes, bestehend aus den Dörfern Römnitz, Ziethen, Farchau und Kolatza zum Unterhalt des Stifts hergab.
Dafür übertrug ihm der Bischof den halben Zehnten in seiner Grafschaft. Im Juli 1157 wurde Kaiser Friedrich für die Idee des nordischen Patriarchats gewonnen und sah sich deshalb veranlaßt, zunächst eine Versöhnung zwischen Herzog Heinrich und Erzbischof Hartwig, welche auch noch andere Streitpunkte umfaßte, herbeizuführen. Auch bewog er den Papst Hadrian IV., das neue Bistum anzuerkennen, womit wiederum Heinrich der Löwe befriedigt und Hartwigs Ansprüche an Ratzeburg auf das rechte Maß zurückgeführt wurden.
Möglicherweise noch 1158, nach dem wenig bekannten wendischen Feldzuge dieses Jahres, hat Heinrich der Löwe die Grenzen des Bistums Ratzeburg de facto ganz bedeutend erweitert und bis an den Schweriner See erstreckt.
1162 wurden dann in Lübeck, wo der Erzbischof, der Herzog und die Grafen von Ratzeburg und Holstein eine Zusammenkunft hatten zur feierlichen Grundsteinlegung für den dortigen Dom, die Verhältnisse der andern Bistümer geregelt. Bischof Hermann von Verden verzichtete feierlich auf seine Ansprüche auf Ratzeburg gegen eine Entschädigung mit 2 Elbwerdern. Erzbischof Hartwig gab als Grenze für Ratzeburg die Elbe und Bille an, mußte die Landschaft Gamma mit Bergedorf, wo eine Art hamburgisches Archidiakonat bestand (?), völlig an Ratzeburg überlassen und die widerspenstigen Bewohner durch eine besondere Urkunde an Ratzeburg weisen. Den ärmlichen Verhältnissen des Ratzeburger Kapitels half der Herzog auf durch Gewährung von 27 Mark Einkünften aus dem Zoll in Lübeck.
Zugleich wurde bestimmt, daß das Bistum Mecklenburg nach Schwerin verlegt werden sollte, wobei ein Gütertausch mit Ratzeburg vorzunehmen war, durch welchen statt des Landes Schwerin das Land Bresen an Ratzeburg kam.
Nun endlich wurde die von uns so genannte Metropolitanurkunde ausgestellt, welche die Verhältnisse der 3 Bistümer,
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Soweit sie ihnen gemeinsam waren, ihre gegenseitigen Beziehungen und ihre Stellung zur Erzdiözese Hamburg enthielt.
In dieser Urkunde mag endlich auch angegeben gewesen sein, daß die 300 Dotationshufen für Ratzeburg dem Lande Boitin entnommen werden sollten, das sich der Herzog vom Grafen von Ratzeburg schon früher hatte abtreten lassen und wo er z.B. auch eine Stadt, die Löwenstadt, errichtet hatte. Die Ausführung verzögerte sich indessen bis zum Jahre 1167, wo schließlich noch bestimmt wurde, daß die bisher dem Stist zum Unterhalt dienenden Dörfer Ziethen, Farchau, Römnitz und Klotesfelde, wie es inzwischen umgetauft war, als 50 Hufen bei der Dotation verbleiben, mithin nur noch 250 Hufen aus Boitin genommen werden sollten. Der Rest ist entweder an Ratzeburg zurückgefallen oder dem Herzog verblieben. Löwenstadt und Umgegend wurde zu Lübeck geschlagen.
1171 und 1172 wurden noch einige Privilegien zu Gunsten des Bischofs und Kapitels gegeben und 1174 eine abschließende Urkunde über alle bis dahin erworbenen Güter und Rechte des Bistums aufgesetzt.
Trotzdem schien es dem Bischof Evermod erwünscht, die alte Investitururkunde durch eine neue, welche alle später erworbenen Rechte mitumfaßte, ersetzen zu lassen.
Seine dahingehenden Wünsche mit den Originalurkunden als Grundlage wurden nach Lüneburg gesandt und zu der jetzt vorliegenden - vielleicht in Ratzeburg schon vorentworfenen - sog. Dotationsurkunde zusammengearbeitet. Man gab ihr die Jahreszahl der päpstlichen Bestätigung des Bistums als des eigentlichen kanonischen Gründungsjahres.
Die Urkunde muß, wenn sie wirklich dem Evermod noch gewährt wurde, zwischen 1174 und 1179 geschrieben sein. Das ganze Verfahren scheint einem Menschen unserer Zeit zwar unzulässig, stand aber sicherlich damals nicht einzig da und erregte keinerlei Anstoß.