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5. Das erste Velociped in Meklenburg.

Bekanntlich trat im Jahre 1817 der Forstmeister von Drayß zu Mannheim mit seiner Fahrmaschine hervor, die den ersten Anfang des heutigen Fahrrades bildete, und in Deutschland nach seinem Erfinder "Draissine", von den Franzosen aber, denen er sich zu Paris im Jahre 1818 damit vorstellte, Vélocipède genannt wurde. Die Erfindung beruhte noch aus der Idee, daß der Reiter sich mit den Fußspitzen rechts und links abwechselnd abstoßen und dadurch den Rädern ihre Geschwindigkeit mittheilen mußte. Das vordere Rad diente als Lenkrad, die an dem oberen Ende der Lenkstange befindlichen Bügel dienten den Armen als Stütze, um die Balance besser halten zu können, was bei dem abwechselnden Abstoßen nach rechts und nach links nicht so ganz leicht war.

Bekannt ist die Entwickelung der Maschine zum heutigen Velociped, die namentlich den Amerikanern und Engländern zu verdanken ist, weshalb sich denn auch der englische Name Bicycle bei uns eingebürgert hat, den erst neuerdings der deutsche Name "Fahrrad" zu verdrängen strebt. Ebenso bekannt ist es, daß des Erfinders Name noch in der Eisenbahnwelt fortlebt, da man den Namen Draissine noch heute den kleinen Wagen beilegt, die Bahnwärtern, Bahnmeistern und kleineren Arbeitertruppen zur rascheren Beförderung auf der Strecke dienen und mit der Hand fortbewegt werden. Auch Sie verdanken einer Anregung des industriösen Forstmeisters von Drayß das Dasein.

Weniger bekannt ist es aber, daß schon im Beginn des Jahres 1818 ein solches Drayß'sches Fahrrad in Meklenburg sich befand, noch ehe Drayß mit ihnen in Paris sich hatte sehen lassen.

Der Landrath Jaspar von Oertzen auf Roggow machte mit demselben dem hochseligen Großherzoge Friedrich Franz I. ein Geschenk, anscheinend nicht ohne daß eine, vielleicht mündlich geführte Verhandlung darüber zwischen den beiden stattgefunden hätte, in welcher der Großherzog den Wunsch ausgesprochen hatte, eine solche Maschine zu sehen. Ob sie in Ludwigslust je zur Anwendung gekommen ist, läßt sich nicht sagen. Die Thatsache aber, daß der Fürst sein Interesse dieser Erfindung entgegengebracht hat, rechtfertigt wohl die Mittheilung des Briefes, mit welchem die Maschine ihm überbracht wurde.

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"Roggow, den 15. Martz 1818.

Allerdurchlauchtigster Großhertzog!
Gnädigster Fürst und Herr!

Ew. Königlichen Hoheit, haben eine nach der Erfindung des Herrn Forstmeister v. Drais nachgemachte Fahrmaschiene zu haben begehret, und es gewähret mir ein ganz besonderes Vergnügen damit unterthänigst aufzuwarten. nehmen Ew. Königlichen Hoheit dieses unbedeutende kleine Angebinde, wie einen Beweiß meines guten Willen, mit gewohnter Huld und Gnade an, und erinnern sich dabei meiner.

Man muß von dieser Maschine nur das begehren, was sie nur leisten soll, nämlich den Fußgänger aus grossen Touren und festen Wegen ein schnelleres Fortkommen und Erleichterung zu gewähren, und nicht glauben das diese Maschine, wenn ein Mensch damit läuft, ein Pferd damit vorbeieilen könte. So viel ist gewiß, das ein geübter Läufer auf dieser Maschine einen jeden Fußgänger, der noch so stark läuft, vorbeieilen wird. Uebung ist zu einer jeden Sache erforderlich und man muß beim ersten Versuch nicht gleich davon abstehen und auch dieß für eine angreifende unnütze Erfindung halten, da man genöthigt sei die Füße wie beim gehen zu gebrauchen, man wird in der Folge erfahren, das die Körperlast durch den Wagen getragen, und man nur ab und an die Füsse anzusetzen braucht und der Wagen, wenn er im graden Lauf ist, und man nur erst die Balance zu halten gelernt hat, von selbst mit einer Leichtigkeit sich ohne grosse Anstrengung fortbewegen wird, und darüber erstaunen, wie bald man durch fortgesetzte Uebung es zu einer Vollkommenheit hierin erlangen wird, nur muß man in Anfang nur ganz langsam damit fortschreiten, und durchaus nicht gleich damit schnell laufen wollen, dieß wird von selbst schnell genug gehen, auch wenn ein nebenbei gehender Fußgänger den ungeübten Reuter der Fahrmaschine zuerst vorkommen solte, so wird dieser baldigst zurückbleiben, wenn dieser nur erst seiuen Körper grade auf der Maschine in Balance zu erhalten lernet.

Ehe man abfähret, muß man den Sattel grade so hoch schrauben das die Füsse an die Erde stehen, und dan sich grade setzen, den Stock vor sich mit beiden Händen anfassen, und dahin trachten, das beide Räder in einer graden Linie stehen, dan ganz langsam zuerst die Maschine durch abwechselnde Ansetzung der Füsse in Bewegung setzen, und dan diesen graden Gang der Rader zu erhalten bemühet sein, und immer schneller und besser wird der Lauf gehen, besonders Berg ab, und wenn man einen Berg entgegen

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muß, wird diese Anstrengung nicht stärkere Beschwerde verursachen, als wenn man einen Berg zu Fusse hinauf steigen muß. Zum höher Schrauben des Sattels habe ich einen Schlüssel fertigen lassen, damit grosse und kleinere Leuthe sich dieser Fahrmaschine bedienen können. Der kleine Sattel muß aber viel besser mit guten Krulhaaren wie solches bis jetzt geschehen ausgestopft werden, ich würde dieß haben fertigen lassen, doch auf dem Lande hat man dazu keine Gelegenheit, dieses schnell in Ausführung zu setzen, Ew. Königlichen Hoheit können dies in Ludwigslust in einer Stunde gefertiget erhalten, ich habe die Absendung darnach nicht aushalten mögen, es ist dieß aber durchaus nothwendig, weil einen sonst die Lenden Schmertzen werden, besonders muß die Polsterung seitwärts vorzüglich geschehen und ich würde noch anrathen ein Schaaffell darüber befestigen zu lassen, wie die Lanziers oder Husaren sich diese auf Ihren Sätteln bedienen, den zu weich kann dieses aus keinen Fall sein, auch muß der Lenker unten mit weiser Seife bestrichen werden, damit es sich nicht klemmt. — Bei den Wendungen im Lauf muß man vorsichtig sein, weil die Räder wegen Kürtze der Maschine einen sonst leicht an die Füße stossen, und man es schon zu einer grossen Uebung gebracht haben muß um dies zu vermeiden. Die Räder, worin Messingsche Buchsen, müssen mit gutes Baum Oele geschmiret werden, auch dort wo das Eisen durch Glantz sich zeiget das es scheuert. Gefält dieser Wagen, so können sich Ew. Königlichen Hoheit von Ludwigsluster Künstler daran annoch einen besseren machen lassen, wo ich dan anrathen würde, das Gestelle des Wagens etwas länger machen zu lassen, und das Hinterradt etwas höher, dan wird der Druck und die Schnellkraft noch stärker und die Wendungen nicht so beschwerlich sein. Nach meiner Ansicht würde der Fußweg vom Schloß nach den Schweitzer Hause sich zur ersten Probe am besten qualificiren. Man muß diese Erfindung nicht verwerfen und es so ansehen wie Schrittschuhe, die man nur auf den Eise brauchen kann, also wird diese Fahrmaschine auch nicht in ganz tiefen Wegen, oder im Sande mit Nutzen anzuwenden sein, macht ein Fahrlustiger eine große Tour damit, wo es nicht fehlen wird, daß er in unsern Vaterlande leider, schlimme Stellen vorfindet, so wird er genöthiget sein, seinen Laufwagen an der Hand seitwärts zu nehmen und ihm neben sich fortzuschieben, bis er wieder einen festen Fußsteig oder festen Weg vorfindet.

Ehe also die Probe angestellet wird, wiederhole ich die Polsterung des Sattels, das Schmiren der Rader mit reines Baum Oele, das schmiren des Lenker, wo Holtz an Holtz kömt, mit Seife über das Vorderrath — die Aufschraubung des kleinen Sattels

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zur Höhe desjenigen anpassent, der die Fahrmaschine besteigen will — und dan beim Anfang ganz langsam die Maschine in Bewegung gesetzt — und nicht gleich in Laufen davon zu eilen — dies wird schon von selbst kommen.

Auf jeden Fall wird die Maschine, für einen nicht zum gehen geübten Mann ermüdent werden, und ein gewisser J. L. S. Bauer in Nürnberg hat die v. Draissche Maschine zu verbessern gesucht, sodaß diese mit 3 Rädern, nämlich 2 hinten und 1 vorne versehen sind, sodaß man nicht die Balance zu halten nöthig hat und durch Maschinerie der Wagen fortbewegt werde. Ich habe auch eine solche in Rostock bei einen geschickten Künstler bestellet — man sitzt wie auf den Pferde in Steigbügel, und durch eine leichte Bewegung der Hand soll die Maschine durch einen Hebel fortbewegt werden. Ob nun dieses brauchbar werden wird, muß die Zeit lehren, ich hoffe diese in kommender Woche zu erhalten und ich werde sehen, ob die Ausführung sich durch den Erfolg bewarheiten wird — und wenn Ew. Königlichen Hoheit diese befehlen, werde ich solche sofort zu übersenden die Ehre haben und meine Auslagen dafür Ew. Königlichen Hoheit in Ansatz bringen, doch solte die Maschine nicht den beabsichtigten Zweck erreichen, so übersende ich diese nicht — den mein Künstler muß dan diese wieder unentgeldtlich zurücknehmen — Recht viel Zutrauen habe ich zu den combinirten Wesen nicht, die Einfachheit dieser Laufmaschine, wo man durch eigene Füße die Fortbewegung befördert, ist gewiß anwendlicher, sich schneller damit von der Stelle zu bewegen, doch muß man dergleichen Erfindungen nicht verwerfen sonst würde nichts besseres erfunden, und das vollkommene Schiff wäre wohl nicht dahin gediehen, wenn man nicht mit einen ausgehölten Baum den Anfang gemacht hatte.

Entschuldigen Ew. Koniglichen Hoheit dieses langen und gedenten Vortrages, ich habe es aber nöthig gehalten, damit diese Maschine nicht gleich bei Seite gesetzt werde, wenn es im Anfang auch nicht damit glücken wird — aus Erfahrung weiß ich, das diese brauchbar und anwendlich ist, und wenn ich das Glück haben werde Ew. Königlichen Hoheit in Dobberan meine Verehrung zu bethätigen, werde ich einen Laufenden damit hinsenden, der es zu einer besonderen Fertigkeit darin gebracht hat.

Die Unterthänigkeit und wahre Anhänglichkeit versichert

  Ew. Königlichen Hoheit            
unterthänigster
Oertzen v. Roggow."

(Mitgetheilt von Grotefend.)