![]() ![]() |
Seite 3 |
![]() ![]() ![]() ![]() |
![]() ![]() ![]() |
|
:
Es ist bekannt, daß die Bezeichnung "wendische Alterthümer" eine immer größere Beschränkung erfahren hat. An die Echtheit der "wendischen" Götzen glaubt heute niemand mehr; aber auch die "Wendische Krone" ist unzweifelhaft mehrere hundert Jahre früher im Boden geborgen, als der erste Wende unser Land betrat;
![]() ![]() |
Seite 4 |
![]() ![]() ![]() ![]() |
und es ist heute sicher, daß der Name "Wendenkirchhof", der sich an zahllose Urnenfelder im Lande heftet, nur die Erinnerung des deutschen Einwanderers an den Namen der früheren Bevölkerung bewahrt, daß aber keiner der vielen bekannt gewordenen Wendenkirchhöfe jünger ist, als das fünfte Jahrhundert. Wenn wir so den Begriff "wendisch" einschränken, so müssen wir als Pflicht anerkennen, nachzuweisen, was wirklich wendisch ist; und je weniger wir davon aufzuweisen haben, desto werthvoller wird jede neuere Beobachtung auf diesem Gebiete. Die Hauptfundplätze für wendische Alterthümer sind die Burgwälle, an denen Meklenburg so sehr reich ist, aber was man auf Burgwällen findet, sind verlorene und verworfene Sachen, aus denen sich das Gesammtbild einer wendischen Kultur unmöglich gewinnen läßt. Aufschluß haben die Burgwälle besonders über die Wendische Keramik gegeben, denn die oberen Schichten derselben sind immer durchsetzt von zahllosen Scherben einfachen Thongeräthes. Auf der letzten Generalversammlung des Gesammtvereins der Geschichtsvereine in Schwerin 8.-10. Sept. d. J., war die Frage aufgeworfen, ob innerhalb der "Burgwall"keramik ein zeitlicher Unterschied bemerkbar sei. Eine Durchmusterung des in der Alterthumssammlung des Großh. Museums aufbewahrten Materials hat es wahrscheinlich gemacht, daß in der That die mit Horizontallinien verzierten Gefäße im allgemeinen jünger sind, als die mit den Wellenlinien; die nähere Begründung muß einer Specialbehandlung vorbehalten bleiben, zu der aber die Herbeischaffung eines größeren Materials dringend wünschenswerth ist. Alle, die Gelegenheit haben, Burgwälle zu besuchen, können durch die Sammlung und Einsendung von einer möglichst großen Anzahl Scherben, besonders natürlich verzierter, sowie Rand= und Fußstücken zur Aufklärung einer der dunkelsten Zeiten unserer Landesgeschichte beitragen. Außerhalb der Burgwälle haben sich Gefäße vom Burgwalltypus sehr selten gefunden, und zwar noch nie in einem Grabe; einige frühere Funde (von Bobzin, Schwan und Waren) sind schon publicirt, eine dankenswerthe Erwerbung aus den letzten Jahren war es, daß ein bei dem Bau der Bahn Wismar=Karow in der Gegend von Warin gefundener, wohl erhaltener Wendentopf von Herrn Geh. Commerzienrath Lenz in Stettin dem Großh. Museum eingesandt wurde, der die charakteristische Wellenlinie und einfache, mit einem Stempel eingedrückte Kreisverzierungen bei höchst roher Arbeit zeigte. — Aus welcher Zeit die ältesten Burgwälle stammen; welches die Gründe sind, die zu ihrer Anlage geführt haben, darüber sind die Meinungen durchaus noch nicht geklärt. Das scheint mir aber unzweifelhaft, daß wir an zwei Stellen ein System von Ver=
![]() ![]() |
Seite 5 |
![]() ![]() ![]() ![]() |
theidigungspunkten annehmen müssen, in der Linie Schwerin=Dobin (b. Hohen=Viecheln)=Meklenburg=Ilow, sodann an der Warnow in Bützow=Eikelberg=Werle und weiterhin wohl auch Alt=Doberan (Althof), wo allerdings noch keine Burgstelle gefunden ist. Zu vermuthen wäre dann auch eine Recknitzlinie; doch ist hier bisher nur der von Herrn Pastor Beyer, Jahrb. 52, bekannt gegebene Wall von Lage zu nennen 1 ); neuerdings ist bei Zehlendorf eine Stelle genannt, welche auf einen Burgwall schließen läßt, doch ist dieselbe noch nicht untersucht. Daß die Wenden die Sümpfe und Seen nicht nur zu Vertheidigungszwecken ausgesucht, sondern auch gerne zu Wohnstätten gewählt haben, war nach Beobachtungen in unseren Nachbarländern längst bekannt, in Meklenburg aber bisher nur wenig beobachtet. Neuerdings sind mehrere solche Ansiedlungen im oder am Wasser untersucht worden, wo auf einer horizontalen Balkenschichtung, welche aus einem Pfahlroste oder auch auf einer natürlichen Sandbank ruhte, eine Kulturschicht mit demselben Inventar, wie wir es auf den Burgwällen kennen, sich fand. Schreiber dieser Zeilen hat vor einigen Jahren eine solche Wohnstelle in einer weiten Moorfläche bei Dummerstorf (bei Rostock) mit Unterstützung des Besitzers Herrn von Preen untersucht; und vor kurzem hat Herr Pastor Beyer über eine fast ganz gleiche, aus einer kleinen Insel im Hohen=Sprenzer See bei Dudingshausen berichtet und charakteristische Fundstücke eingesandt. Zu diesen wendischen Ansiedlungen gehört auch, soweit die Berichte ein Urtheil zulassen, die Kulturschicht auf der Fischerinsel bei Wustrow, die neuerdings zu so lebhaften Controversen Veranlassung gegeben hat. — Es ist oben erwähnt, daß wir eine wendische Urnenbestattung in Meklenburg nicht haben. Es war bisher überhaupt nur ein wendisches Grabfeld bekannt, die Skelettgräber in der Kiesgrube von Bartelsdorf bei Rostock, die gleich nach ihrer Entdeckung im Jahre 1862 von Lisch richtig bestimmt wurden, obwohl man erst später ein sicheres Kriterium für Wendisches gefunden hat, nämlich den "Schläfenring". Jetzt nun ist ein Grabfeld entdeckt, welches mit dem Bartelsdorfer in Anlage und Ausstattung fast völlig übereinstimmt, nämlich in Zehlendorf bei Kritzkow. Das Verdienst, die Aufmerksamkeit zuerst auf dasselbe gelenkt zu haben, gebührt dem Lehrer in Zehlendorf, Herrn Kreutzer. In einer Sandgrube war man mehrmals auf Skelette gestoßen, die theils von Steinen bedeckt waren, theils in Särgen beigesetzt (einige Sargnägel sind erhalten), in den Händen hatten sie eiserne Messer,
![]() ![]() |
Seite 6 |
![]() ![]() ![]() ![]() |
an den Schläfen saß ein Ring mit zurückgebogener Oese, zwei derselben hat Kr. dem Großh. Museum übergeben, beide von Bronce mit Silberbelag; zu Füßen standen einige Male Thongefäße. Unterzeichneter hat am 2. Oct. d. J. mit Herrn Pastor Beyer die Stelle besehen, und wir waren so glücklich, ein vollständiges Skelett ausgraben zu können, dessen Schädel tadellos erhalten ist, in der rechten Hand hielt der Beerdigte ein Messer mit hölzernem Griff. Es ist anzunehmen, daß das Grabfeld bei einer systematischen Ausgrabung uns noch weitere reiche Belehrung geben wird, und wir hoffen dann einen echten alten Wenden, aus seinen Gebeinen zusammengesetzt, ebenso drastisch vorführen zu können, wie das seit Kurzem mit unserem Wappenthiere in dem bos primigenius von Renzow des Großh. Museums gelungen ist.
Schwerin, 18. Oct. 1890.
Dr. R.
Beltz,
Vorstand der Abtheilung für vaterländische Alterhümer am Großh. Museum. |