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Von
W. v. Schultz,
Oberst im Großherzoglichen Meklenburg=Schwerinschen Militär=Departement.
Einleitung.
N ach mannigfachen Verschiebungen in der Gruppirung der Großmächte hatte sich die allgemeine politische Lage Europas im Frühling des Jahres 1756 so gestaltet, daß die Kaiserinnen von Oestreich und Rußland ihren ursprünglichen Plan, den König von Preußen noch in diesem Jahre mit Krieg zu überziehen, aufgegeben, den Angriff aber definitiv auf das kommende Frühjahr verabredet hatten. Zu gleicher Zeit hatte Oestreich mit Frankreich ein Defensiv=Bündniß abgeschlossen - 1. Mai -, welches die letztgenannte Macht verpflichtete, Oestreich, falls es angegriffen würde, mit 32,000 Mann zu Hülfe zu kommen. Zu Weiterem hatte sich König Louis XV. vorläufig nicht herbeilassen wollen, doch hoffte man in Wien mit voller Bestimmtheit, daß es der Geschicklichkeit des Grafen Starhemberg in Versailles gelingen werde, mit Hülfe der Marquise Pompadour den König zu bewegen, im nächsten Frühjahr dem Offensiv=Bündnisse der beiden Kaisermächte mit dem ganzen Gewicht seiner Streitkräfte beizutreten.
Von diesen Plänen wurde König Friedrich II. um die Mitte des Juni auf das Genaueste unterrichtet; theils durch die Berichte seiner Diplomaten und Generale, theils durch die zwischen den Höfen von Wien, Petersburg und Dresden gewechselten Depeschen, welche ihm ein erkaufter Secretair des östreichischen Gesandten in
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Berlin und der sächsische Kanzlist Mentzel abschriftlich übermittelten, theils aber auch durch vertrauliche Briefe "von hoher Hand" aus Petersburg. 1 ) Der König ersah aus allen diesen im Wesentlichen gleichlautenden Mittheilungen mit völliger Sicherheit, daß er im Frühjahr des Jahres 1757 gegen eine überwältigende Uebermacht zu kämpfen haben werde, aber auch, daß er, wenn er sich entschlösse, sofort das Schwert zu ziehen, in diesem Jahre nur die Armeen Oestreichs und Sachsens, und auch diese nur unvollkommen gerüstet, gegen sich im Felde finden würde.
König Friedrich schwankte keinen Augenblick. Nachdem er dem englischen Gesandten Mitchel, als dem Vertreter der einzigen Macht, von welcher ein Bündniß für Preußen zu erhoffen war, seinen Plan enthüllt und auf dessen dringende Vorstellungen vor dem Losschlagen zwei, jedoch vergebliche Sommationen an die Kaiserin Maria Theresia gerichtet hatte überschritten seine völlig kriegsbereiten Colonnen am 29. August die sächsische Grenze und hiermit begann der gigantische Kampf, welcher fast 7 Jahre lang die gesegneten Fluren des deutschen Vaterlandes zum Kriegsschauplatz für die Heere aller Großmächte Europas machte. -
Die Lage Meklenburgs bei Ausbruch des Krieges.
Während so die Kriegswetter von allen Seiten heraufzogen, hatte im Herzogthum Meklenburg=Schwerin am 31. Mai 1756 Herzog Friedrich den Thron seiner Väter bestiegen.
Es war eine schwere Zeit für die meklenburgischen Lande, als dieser edle, pflichtgetreue Fürst, welchen sein Volk "den Frommen" beigenannt hat, die Zügel der Regierung in seine Hände nahm. Wenn der Ausbruch eines Krieges zwischen zwei Großmächten schon an und für sich eine mißliche Situation für ein kleines Land schafft, welches durch seine geographische Lage in der Machtsphäre beider oder auch nur eines der kriegführenden Staaten liegt und eine strikte Neutralität oft beim besten Willen nicht aufrecht zu erhalten ist, so war die Lage Meklenburgs beim Ausbruch des Krieges zwischen Preußen und Oestreich eine im höchsten Grade gefahrdrohende, weil der Krieg mit der gewaltsamen Besitznahme des
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Staates eines anscheinend gänzlich unbetheiligten Reichsgliedes durch die preußische Armee begann und dadurch dem deutschen Kaiser eine Handhabe gegeben wurde, die Angelegenheit als einen Friedensbruch innerhalb des deutschen Reiches anzusehen und vor das Forum des Regensburger Reichstages zu bringen. Dort mußte jeder, auch der kleinste und friedlichste Staat Farbe bekennen und konnte durch Majoritätsbeschluß gezwungen werden, sich activ an einem Kriege zu betheiligen, an dessen Entstehen er nicht die allermindeste Schuld trug. Dazu kam, daß Herzog Friedrich von Meklenburg sich bei seiner Thronbesteigung in Folge der von Preußen gegen sein Land wegen der Werbestreitigkeiten ausgeübten Gewaltthätigkeiten thatsächlich fast im Kriegszustande mit seinem mächtigen Nachbar befand und die Stimmung zwischen den beiden Regierungen eine hochgradig erbitterte war. Zwar hatte der Herzog, dessen Charakter=Grundzug die aufrichtigste Friedensliebe war, nach seinem Regierungsantritt unverzüglich Schritte gethan, um die widrigen Werbestreitigkeiten beizulegen und seinen fortgesetzten Bemühungen war es auch Anfang August dieses Jahres gelungen, einen Vertrag zustande zu bringen; allein, da der König sich weigerte, den Vergleich in der Fassung, in welcher derselbe zwischen den beiderseitigen Comitialgesandten in Regensburg, dem Freiherrn von Plotho und dem Baron Teuffel von Pürkensee abgeschlossen war, zu ratificiren, so waren, als der Krieg zwischen Oestreich und Preußen ausbrach, die Zwistigkeiten nicht nur nicht beigelegt, sondern die langjährigen gespannten Beziehungen zwischen beiden Fürstenhäusern hatten an Schärfe erheblich zugenommen. Man hatte das Spiel, welches Preußen mit Meklenburg getrieben, am Schweriner Hofe jetzt völlig durchschaut. Der Freiherr von Plotho hatte den Vertrag, welcher die meklenburgischen Forderungen fast ausnahmslos zugestand, abschließen müssen, um zu verhindern, daß die, wie man sich in Berlin nicht verhehlen konnte, durchweg begründeten Beschwerden über die bei Gelegenheit der preußischen Werbungen in Meklenburg verübten Gewaltthaten, welche die Schweriner Regierung im Februar und März dieses Jahres bei Kaiser und Reich vorgebracht hatte, bei der Reichsversammlung in Regensburg zum Diktamen gebracht wurden. Geschah dies, so war, da das Haus Oestreich über eine erdrückende Stimmenmehrheit im Reichstage frei verfügte, ein gegen das Kurfürstenthum Brandenburg gerichtetes Reichsgutachten, und demnächst die Reichsexekution leicht herbeizuführen, welche König Friedrich nun seinerseits nicht abgewartet, sondern durch einen raschen Angriff beantwortet haben würde. Einen wesentlich anderen Verlauf würden dadurch allerdings die Ereignisse nicht genommen haben,
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denn im August, als der König die Ratificirungen des Vertrags verweigerte, war die Eröffnung des Feldzugs bei ihm festbeschlossene Sache. Aber es war in den Augen Europas doch ein Unterschied, ob König Friedrich den Krieg als Reichsfürst begann, welcher Gewalt und Unrecht gethan und sich nun gegen Kaiser und Reich auflehnte, oder ob er als Herrscher einer Großmacht das Schwert zog, um eine Provinz zu vertheidigen, welche er allerdings erst vor kurzem erobert, aber deren Besitz ihm durch die Friedensschlüsse von Breslau und Dresden feierlich zugesprochen war. Lediglich aus diesem Grunde hatte der König den für Meklenburg so günstigen Vertrag abschließen lassen, mit der bestimmten Absicht, demselben durch Verweigerung der Ratifikation keine bindende Kraft beizulegen.
In Meklenburg dagegen hatte man die Sache ganz anders aufgefaßt. Von Ministern und Diplomaten liegen Briefe bei den Akten, in welchen über den abgeschlossenen Vertrag als über einen erfochtenen Sieg triumphirt wird. Um so größer war die Enttäuschung und Erbitterung der Regierung, als man sich so gründlich getäuscht sah, und ganz frei wird Herzog Friedrich von diesem Gefühle auch nicht gewesen sein.
Dazu kam beim Herzog ein tief eingewurzeltes Mißtrauen gegen die Absichten des Königs von Preußen und die lebhafte Befürchtung, selbst ein Opfer seines gewaltthätigen Nachbars zu werden. Was hatte er von einem mächtigen König, dessen Schwadronen mitten im tiefsten Frieden sein Land von einem Ende zum anderen durchzogen hatten, um sich Rekruten zu holen und welcher höhere Beamte und die Pächter seiner Domainen als Missethäter auf die Festung Spandau hatte bringen lassen, beim Ausbruch eines Krieges zu erwarten, welcher ganz Europa in Flammen zu setzen drohte? Konnte seinem Lande nicht dasselbe Schicksal bereitet werden wie Sachsen, welches der König, wie der Herzog annahm, ohne Grund überfallen hatte?
Für die meklenburgische Regierung gab es drei Wege, welche sie einschlagen konnte, wenn der Kaiser den Einfall der Preußen in Sachsen zur Reichssache machte: sie konnte sich auf Seite Oestreichs stellen, sie konnte mit Preußen gehen oder sie konnte endlich für eine Vermittelung durch das Reich stimmen, wie es mit anderen Reichsständen Meklenburg=Strelitz that, welches durch dies Verfahren die Leiden des Krieges fast ganz von seinen Grenzen fern hielt. Wäre die Schweriner Regierung nur den oben geschilderten Gefühlen der Gereiztheit, des Mißtrauens und der
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Furcht gefolgt, so würde sie dem Baron Teuffel in Regensburg dieselbe Rolle zugewiesen haben, wie sie dem Comitial=Gesandten, welcher die Stimme von Meklenburg=Strelitz führte, von der dortigen Regierung zu Theil wurde. Dadurch würde aber die Schweriner Regierung sich das Wohlwollen des Wiener Hofes und seiner Verbündeten völlig verscherzt haben. Und dies Wohlwollen glaubte man in Schwerin schlechterdings nicht entbehren zu können, denn man knüpfte dort an den glücklichen Ausgang des Krieges eine Hoffnung, deren Erfüllung für das Land von hervorragender Wichtigkeit war.
Im Jahre 1735 hatten die hannöversch=braunschweigischen Executionstruppen, sowie diejenigen preußischen Regimenter, welche König Friedrich Wilhelm I. im Jahr 1733 in Meklenburg hatte einrücken lassen, das Land geräumt. Beiden Staaten waren aber, weil der Herzog=Administrator Christian Ludwig nicht im Stande gewesen war, die Executionskosten zu zahlen, 12 Aemter verpfändet worden und zwar 8 an Hannover 1 ) und 4 an Preußen. 2 ) Später hatte der Herzog wiederholt versucht, die Aemter auszulösen, hatte dies aber nicht erreichen können, trotzdem er die volle Summe mit Zinsen offerirte. Jetzt schien die Gelegenheit günstig. Siegten Oestreich und seine Bundesgenossen und ging die Schweriner Regierung mit ihrer Simme in Regensburg den noch schwankenden evangelischen Reichsständen mit gutem Beispiel voran, secundirte überhaupt alle Pläne des Kaiserhauses, so war anzunehmen, daß der Wiener Hof als Gegenleistung dem Herzog Friedrich beim Friedensschluß die 4 an Preußen verpfändeten Aemter sicher, vielleicht auch die 8 an Hannover verpfändeten wieder verschaffte.
Die Regierung ging aber in ihren Hoffnungen noch weiter; sie gedachte sich das Herzogthum Sachsen=Lauenburg, welches jetzt der Krone Hannover gehörte und auf welches das meklenburgische Fürstenhaus einer alten Erbverbrüderung zu Folge Anrecht zu haben glaubte, beim Friedensschlusse durch anderweitige Entschädigung Hannovers zu verschaffen, und die Stadt Wismar mit den Aemtern Poel und Neukloster, welche im westfälischen Frieden an Schweden abgetreten war, wieder zu erlangen.
Dies waren die Gefühle, die Wünsche und die Hoffnungen Herzog Friedrichs und seiner Räthe, als im September des Jahres 1756 die Nothwendigkeit an sie herantrat Farbe zu bekennen und
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sich für Oestreich oder für Preußen zu entscheiden. Wir sehen aus Allem, daß der Herzog nicht, wie manche Geschichtsschreiber demselben vorgeworfen haben, lediglich von Haß und Rachsucht geleitet, in verblendetem Leichtsinn handelte, als er in die erste Linie derer trat, welche gegen Preußen Front machten, sondern daß er nach einem wohl überlegten Plane verfuhr, dessen Chancen er nach allen Richtungen hin mit seinen Räthen auf das Sorgfältigste geprüft hatte.
Der Herzog verkannte die Gefahren, welche seine Stellungnahme gegen den mächtigen Nachbar im Gefolge haben konnte, keineswegs und es ist wohl denkbar, daß er nicht so unbedingt den Rathschlägen seiner Minister gefolgt wäre und nicht so hartnäckig an dem gefaßten Entschlusse festgehalten hätte, wenn nicht seine ganze Sinnes= und Gemüthsart in vollem Einklang mit dem gewesen wäre, was ihm die Räthe seiner Krone als vortheilhaft für das Ansehen seines Hauses und das Wohl des Landes dargestellt hatten. Herzog Friedrich war ein frommer und gottesfürchtiger Herr, welcher sich täglich in ernsten Betrachtungen und eifrigen Forschungen in der Bibel die schweren Pflichten, welche Gott auf seine Schultern gelegt hatte, vor Augen führte. Er haßte Gewalt und Unrecht, und Blutvergießen, selbst in dem gerechtesten Kriege, widerstrebte dem Fürsten auf das Aeußerste. Bei solcher Sinnesart war es erklärlich, daß dem Herzog der Krieg, den Friedrich der Große zur Eroberung Schlesiens unternommen hatte, als schwere Versündigung gegen Gottes Gebot erschienen war, und als nun derselbe König in Sachsen einfiel, ohne Grund wie er annahm, da er die hervorragende Thätigkeit König Augusts für die Coalition gegen Preußen nicht kannte, erblickte er in Friedrich II. wiederum den Störer des europäischen Friedens und stand mit seinem Herzen voll und ganz auf der Seite Oestreichs und seiner Verbündeten. Da seine religiöse Ueberzeugung billigte, was ihm sein Verstand als vortheilhaft für das Wohl seines Landes hinstellte, wurde ihm sein Entschluß nicht altzu schwer.
Eine andere Frage ist es freilich, ob der Weg, den die Regierung einschlug, im gegebenen Augenblick auch wirklich der Staatsklugheit gemäß war. Auch hier können wir nicht so unbedingt in den Tadel derer einstimmen, welche dem Herzog vorwerfen, er habe durch seine Parteinahme gegen Preußen das unsägliche Elend, welches über Meklenburg hereinbrach, allein verschuldet, wir finden im Gegentheil diesen Vorwurf hart und ungerecht, denn der so Urtheilende versetzt sich nicht in die Zeit und die Lage der handelnden
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Personen, was doch jeder gerechte Kritiker thun soll, sondern urtheilt einzig und allein nach dem Erfolg. Und wie war denn im September 1756 die politische Lage in Europa? Der König von Preußen, welcher sich wohl in zwei Feldzügen als tüchtiger Heerführer gezeigt hatte, aber noch keineswegs, wie nach dem 7jährigen Kriege, als weltbewegendes Genie von ganz Europa angestaunt wurde, war im zweiten schlesischen Kriege nur mit großer Mühe und unter enormen eigenen Verlusten der östreichischen Armeen Herr geworden. Nun sollte er den vereinten Heeren Rußlands, Oestreichs, Frankreichs und wahrscheinlich auch Schwedens die Spitze bieten, ohne Bundesgenossen, denn auf Englands Hülfe, welches unter dem energielosen Ministerium Newcastle im Seekriege gegen die Franzosen Schlappe auf Schlappe erlitt, konnte man mit Sicherheit nicht rechnen. War es unter diesen Umständen dem Herzog und seinen Räthen als politische Kurzsichtigkeit zuzurechnen, wenn sie an den Sieg der übermächtigen Coalition glaubten und auf die Seite der mächtigen Freunde traten, von denen sie sich Schutz gegen einen gewaltthätigen Nachbar und außerdem gewichtige Vortheile versprachen?
Eins müssen wir hier noch erwähnen, um die unbedingte Fügsamkeit der meklenburgischen Regierung unter den Willen Oestreichs zu erklären. Seit der Thronentsetzung der beiden Herzöge während des dreißigjährigen Krieges und der Suspension Carl Leopolds von der Regierung im Jahr 1728, hatte sich die kaiserliche Autorität in Meklenburg so fühlbar gemacht, wie in keinem anderen Staate des Deutschen Reichs. Während der langen Administration des Landes unter Herzog Christian Ludwig regierte sogar der Kaiser durch den Reichshofrath, welcher wiederum mit den meklenburgischen Ständen in enger Verbindung stand, in so unumschränkter Weise, daß er sich dem Herzog Friedrich sehr ungnädig bezeigte, als dieser die Werbestreitigkeiten mit Preußen, welche sein Vorgänger bereits bei Kaiser und Reich anhängig gemacht hatte, durch einen Vertrag gütlich zu begleichen suchte, weil dem Kaiser dadurch die Gelegenheit genommen wurde, den König von Preußen in den Augen Europas eclatant ins Unrecht zu setzen. "Wenn man so wankelmüthig in Schwerin ist, wird Kaiser und Reich auch nicht eine Hand zur Hülfe rühren, wenn es dem König wiederum gefallen wird, seine Schwadronen in Meklenburg einfallen zu lassen", hatte der Graf Coloredo gedroht. Nur mit Mühe war es dem Herzog durch eine eigne Abschickung nach Wien gelungen, den Kaiserlichen Unwillen, vor dem man zitterte, zu besänftigen. Dies war im August 1756 geschehen und die drohende Kaiserliche Ungnade
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noch in so frischer Erinnerung in Schwerin, daß im Ministerrathe die Frage, ob man sich der Machtsphäre des Kaiserlichen Willens entziehen könne, immer mehr in den Hintergrund trat, wohl aber eifrig erörtert wurde, welche Vortheile das Land aus einer bedingungslosen Hingabe an das Haus Oestreich ziehen könne.
Der Reichstagsbeschluß vom 17. Januar 1757.
Am 29. August 1756 hatte die preußische Armee die sächsische Grenze überschritten und bald darauf Dresden besetzt. Der Kurfürst von Sachsen hatte sein Land verlassen und sich mit einer Klageschrift und mit der Bitte um Hülfe an Kaiser und Reich gewandt. Daraufhin war vom Kaiser "aus obristrichterlicher Machtvollkommenheit" durch den Reichshofrath jenes Dehortatorium vom 13. September 1756 erlassen, durch welches der Kurfürst von Brandenburg ermahnt wurde, "von seiner Gewaltthat gegen Sachsen und von seiner sträflichen Empörung gegen das Reich abzulassen". Diesem Dehortatorium waren in rascher Reihenfolge Monitoria, Excitatoria, Exhortatoria und Prohibitoria an sämmtliche kreisausschreibende Fürsten gefolgt, "sie sollten sich in die Verfassung setzen, daß sie dem bedrängten Kurlande Sachsen Hülfe leisten und das deutsche Vaterland vor schwerem Schaden bewahren könnten"; endlich ein Avokatorium, in welchem "alle brandenburgischen Generale, Offiziere und Soldaten vom Kaiser ihres Fahneneides entbunden und aufgefordert wurden, die Reihen ihres Kurfürsten zu verlassen". Durch diesen Schritt des Kaisers war der Krieg des Königs von Preußen gegen Oestreich zu einer Reichsangelegenheit gemacht, und sämmtliche Reichsstände mußten darauf gefaßt sein, da an eine Nachgiebigkeit Preußens nicht zu denken war, in nächster Zeit auf dem Reichstage zu Regensburg ihr Votum abgeben zu müssen, ob für oder wider Oestreich.
Am Schweriner Hofe hatte man seinen Entschluß gefaßt und wurde in dieser Gesinnung noch durch den Bericht des Comitialgesandten in Regensburg, des Baron Teuffel von Pürkensee, bestärkt.
Baron Teuffel war ein kluger, gelehrter, in der Verfassung und dem Herkommen des Reichs wohlbewanderter Diplomat, eng liirt mit den Kaiserlichen Ministern in Regensburg und persona gratissima am Wiener Hofe. Er hatte es mit großer Geschicklichkeit verstanden, die im August dieses Jahres eingetretene Trübung
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der Beziehungen zum Kaiserhofe, im persönlichen Verkehr mit beiden Majestäten, sowie mit dem Kanzler Grafen Kaunitz, zu beseitigen, und gehörte mit Leib und Seele jener Partei an, welche in dem engsten Anschluß an das Haus Oestreich das Heil des deutschen Vaterlandes erblickte und Preußen als den Erzfriedensstörer in Europa so recht von Herzen haßte. Obwohl Protestant, war er stets an der Spitze derjenigen evangelischen Reichsstände zu finden, welche einen einstimmigen Beschluß des corpus evangelicorum zu hindern suchten, wenn derselbe gegen Oestreich gerichtet war. Sein persönliches Verhältniß zu dem preußischen Comitialgesandten, dem Freiherrn von Plotho, war ein besonders gespanntes, seit er den bekannten, für Meklenburg so überaus günstigen Vertrag zur Beilegung der Werbestreitigkeiten mit demselben abgeschlossen hatte, sich hinterher aber gründlich düpirt sah, als der König die Ratifikation dieses Vertrags verweigerte.
Schon am 25. September berichtete der Baron Teuffel, daß demnächst ein Kaiserliches Commissionsdekret, in welchem die Reichsexekution gegen Preußen wegen seines Einfalles in Sachsen und Böhmen gefordert würde, zum Diktamen in der Reichstagsversammlung gebracht werden solle und bat um Instruktion. Der Gesandte beklagte "das horrible Anwachsen der Macht Preußens" und warnte dringend, doch nicht freiwillig den Hals unter das Joch zu beugen. "Ich zweifle auch keineswegs", schloß der Bericht, "daß Eure Durchlaucht, da doch der Kurfürst von Sachsen der Erste gewesen, der Eure Durchlaucht in den Werbestreitigkeiten so kräftig soutenirt, Eure Herzogliche Durchlaucht mich jetzt instruiren werden, per omnia die kursächsische Sache zu unterstützen."
Als der Herzog an diese für sein fürstliches Haus, wie sein Land gleich folgenschwere Entscheidung herantrat, standen ihm drei durch Klugheit und Kenntnisse gleich ausgezeichnete Männer als Berather zur Seite: der Minister und Geheime=Raths=Präsident Graf von Bassewitz, der Vicekanzler Baron von Dittmar und der Geheime=Rath Johann Peter Schmidt. Während Letzterer sich vorwiegend den Verwaltungsangelegenheiten des Landes widmete, lag es dem Vicekanzler ob, die Verhandlungen mit den fremden Regierungen zu führen, sowie die Instruktionen für den Comitialgesandten in Regensburg und die Geschäftsträger an auswärtigen Höfen, deren Zahl sich bei Ausbruch des Krieges auf zwei beschränkte, Berlin und Wien, zu bearbeiten. Da nun in dieser Periode die auswärtigen Angelegenheiten die Herzogliche Regierung ganz besonders in Anspruch nahmen, und der Leiter derselben hervoragende diplomatische Geschicklichkeit und staatsmännische Einsicht besaß, so war
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es erklärlich, daß Letzterer den größten Einfluß auf den Herzog gewann und als die Seele des meklenburgischen Geheimen=Raths=Collegium betrachtet werden muß. Die sehr zahlreich bei den Acten liegenden Briefe, Exposés, Pro Memorias und theoretischen Streitschriften sind alle eigenhändig von dem Vicekanzler verfaßt und sind, was Gedankenfülle, logische Schlußfolgerung und Klarheit der Diktion betrifft, als wahre Meisterstücke der Staatskunst zu betrachten; bekunden aber auch einen solchen Feuergeist und sind so scharfen und schneidigen Inhalts, daß der Graf Bassewitz seine klar besonnene und ruhiger erwägende Feder mitunter einsetzen muß, um zu weitgehende Maßregeln, welche sein heißblütiger College in Vorschlag bringt, zu bekämpfen oder doch zu mildern. So entstanden oft bogenlange Dispute zwischen den beiden scharfsichtigen Ministern, welche aber nie zu einem Conflict führten - wenigstens nicht bis zur Mission Dittmars nach Wien -, da beide Minister principiell auf demselben Standpunkte standen und nur in der Wahl der Mittel zu Zeiten auseinander gingen. Die Entscheidungen des Herzogs fielen fast immer im Sinne Dittmars aus, und so kann man wohl die Behauptung aufstellen, daß die schlimme Wendung, welche der Lauf der Ereignisse für das Land nahm, dem Einfluß dieses hervorragenden, aber leidenschaftlichen Staatsmannes beizumessen ist.
Schon Anfang October platzten in Regensburg die Geister in einem Vorposten=Scharmützel auf einander. Das kurmainzische Directorium hatte der Geschäftsordnung entgegen eine Sitzung der Reichstagsversammlung während der Ferien, welche bis Ende October währten, angesetzt. Der kurbrandenburgische Comitialgesandte protestirte hiergegen auf das Lebhafteste und suchte die evangelischen Gesandten zu bewegen, die Sitzung nicht zu besuchen. Da ihm dies bei Einigen derselben gelang, Andere aber der Ferien wegen abwesend waren, so traf es sich, daß in der Versammlung, außer den katholischen Reichsständen, welche sämmtlich zu der Sitzung herbeigeeilt waren, von den evangelischen nur der meklenburg=schwerinsche Gesandte anwesend war. Der Baron Teufel wurde dieserhalb von allen Seiten freudig beglückwünscht und konnte seiner Regierung berichten, daß sein Verhalten von den kaiserlichen Ministern ungemein wohl aufgenommen und lobend nach Wien berichtet sei. Alle Zeitungen Deutschlands und Europas aber durchlief die Kunde, daß sich der Herzog Friedrich von Meklenburg=Schwerin an die Spitze der evangelischen Feinde des Königs von Preußen gestellt habe. Den König berührte diese entschiedene Stellungnahme Meklenburgs um so unangenehmer, als er bisher noch gehofft hatte,
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einen für ihn ungünstigen Beschluß des Reichstags, welcher den Reichskrieg gegen ihn zur unmittelbaren Folge haben mußte, dadurch abzuwenden, daß es ihm gelang, die Stimme aller evangelischen Reichsstände für sich zu gewinnen. Zwar war die Mehrzahl der katholischen Stände, welche zweifelsohne unisono gegen ihn stimmen würden, noch immer eine erdrückende, aber wenn der König der Stimmen des corpus evangelicorum sicher war, so konnte er eine itio in partes beantragen und dadurch jeden bindenden Beschluß hindern.
Ueber die Anwendbarkeit dieser itio in partes war man in der Reichstagsversammlung sehr verschiedener Ansicht. Die Fassung des §. 52 des Westfälischen Friedens, über welchen bei den Friedensverhandlungen lange und lebhaft gestritten worden war, ließ es Einigen unzweifelhaft erscheinen, daß die itio in partes nur in religiösen Angelegenheiten zulässig sei, Andere aber - zu diesen gehörte auch der Baron Teuffel -, legten den Paragraphen so aus, daß die itio in partes auch bei Abstimmungen über politische Dinge anzuwenden sei, der Beschluß aber nur in dem Falle Gültigkeit haben solle, wenn derselbe einstimmig gefaßt wurde. Da sich nun der Einfall des Königs von Preußen in Sachsen und Böhmen auf das religiöse Gebiet nicht füglich verlegen ließ, so kam für Preußen Alles darauf an, sämmtliche evangelische Stimmen zu gewinnen. In diesem Sinne bemühten sich der Freiherr von Plotho und die allerdings wenig zahlreichen Freunde Preußens in Regensburg; zunächst aber erging eine Circular=Note an sämmtliche Reichsstände, in welcher der König erklärte, er führe lediglich Krieg mit der Kaiserin von Oestreich und den Durchmarsch durch Sachsen habe er nur unternommen, um nach Böhmen zu gelangen; gänzlich falsch sei es, wenn das kaiserliche Commissionsdekret ihm die Absicht imputire die Reichsverfassung umstürzen zu wollen. "Preußen hat doch noch immer vor dem Riß gestanden", schloß das Schreiben, "wenn es die Erhaltung der Prärogative und Freiheiten der Reichsstände gegolten hat!"
Die sehr kräftige Sprache dieser Circular=Note scheint ihre Wirkung auf die evangelischen Reichsstände nicht gänzlich verfehlt zu haben; wenigstens zögerten ihre Gesandten, mit ihrer Ansicht und mit ihrem Votum ans Licht zu treten.
Auch die meklenburgische Regierung, ohnedies stutzig gemacht durch den Eclat, welchen die Anwesenheit ihres Gesandten in der oben erwähnten Feriensitzung gemacht, beeilte sich dem Baron Teuffel zu schreiben - 1. November -, er solte ja vorsichtig und
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mit allem erdenklichen Menagement vorgehen und sich zuvor nach der Instruction der anderen unparteiischen Stände erkundigen, auch zu erforschen suchen, wie diese die preußische Circularnote zu beantworten gedächten. Man wolle in Schwerin nicht der Erste oder gar der Einzige sein, der die Kastanien für Oestreich aus dem Feuer hole. Für den Baron Teuffel war es aber keine leichte Sache, die Collegen auszuforschen, welche ebenso wie er, zur Belustigung der katholischen Gesandten, welche aus ihrer Instruction kein Hehl zu machen hatten, bis an den Hals zugeknöpft dahergingen, sich wandten und krümmten und Verstecken spielten.
Auf der anderen Seite drängten die kaiserlichen Minister die Gesandten ungestüm auf die Abgabe ihrer Voten, besonders den Baron Teuffel, wohl weil sie wußten, daß dieser sich gern drängen ließ. Aber nicht allein in Regensburg, auch von Wien aus setzte man den Hebel an. Der Hofrath Edler von Schmidt, welcher Meklenburg in Wien vertrat, berichtete, der Reichs=Minister, Vicekanzler Graf Coloredo, habe ihm die feste Ueberzeugung ausgesprochen, daß der Herzog, in dessen Landen doch die brandenburgischen Gewaltthätigkeiten begonnen und noch im frischen Andenken sein müßten, standhaft zu Kaiser und Reich stehen würde; man könne dagegen fest überzeugt sein, daß der Kaiser nichts gegen die evangelische Religion unternehmen würde. Graf Coloredo betonte Letzteres ganz besonders, da ihm wohl bekannt war, daß dem frommen Herzog die Aufrechterhaltung des Glaubens seiner Väter noch mehr am Herzen liegen würde, als die Sicherheit von Kaiser und Reich.
Ganz ohne Besorgniß war übrigens auch der Baron Teuffel nicht. Er stellte den kaiserlichen Ministern in dringlicher Weise die gefährliche Lage vor, in der Meklenburg sich dem übermächtigen Nachbar gegenüber befände. Aber die östreichischen Diplomaten beruhigten ihn, die russischen und französischen Heere ständen schon an der Grenze, der König sei unrettbar verloren; auch brauche ja der Herzog seine Truppen nicht zu stellen, aber stimmen müsse er unter allen Umständen mit dem Kaiser. Der Gesandte berichtete dies nach Schwerin und schloß: "Die Kaiserlichen sprechen in einem sehr hohen Ton; Gott gebe, daß der Ausgang damit übereinstimme; ich fürchte, es werden noch mehrere Staaten das Schicksal Sachsens theilen!"
Am 12. November erhielt der Baron Teuffel endlich seine Instruktion, zu welcher er selbst den Entwurf eingesandt hatte: Meklenburg stimme Allem bei, was der Kaiser infolge der Exekutionsordnung zur Wiederherstellung des Friedens im Reich proponiren
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werde und es wäre nöthig, daß die Kreise ihre Contingente um das dreifache vermehrten - armatura ad triplum - und in marschfertigen Zustand setzten; "insofern die Zustände es erlaubten", hatte die Regierung vorsichtig hinzugesetzt. Da aber der Gesandte zum Schluß wieder auf die Instruction vom 1. November verwiesen wurde, welche Vorsicht und Abwarten empfahl, so blieb seine Verlegenheit dem täglichen Drängen des kaiserlichen Principal=Commissars, des Fürsten Thurn und Taxis, gegenüber genau dieselbe. In heller Verzweiflung schickte er noch an demselben Tage einen Kurier nach Schwerin mit der dringlichen Bitte um bestimmte Instruction. Er solle sich nicht vor anderen Ständen äußern, schrieb er, die katholischen hätten sich aber Alle erklärt, gegen Preußen stimmen zu wollen und von den evangelischen hüte sich Jeder mit der Sprache herauszugehen. "Nach welchen Ständen soll ich mich denn nun richten?" schloß der Gesandte. "Die Kaiserlichen sagen, das Rescript Euer Durchlaucht vom 1. November sei doch unmöglich anders zu verstehen, als daß ich mich nach der Majorität richten solle. Fällt die Entscheidung, ehe ich Antwort habe, muß ich so stimmen". Man sieht, der Baron Teuffel war völlig in den Händen der Kaiserlichen.
Aus der mit umgehendem Kurier einlaufenden Antwort seiner Regierung, er solle gemäß der Instruction vom 12. November votiren, nahm der Gesandte die Veranlassung, den Fürsten Thurn und Taxis wegen Abgabe seines Votums völlig zu beruhigen und wiederum durchlief die Kunde Regensburg, der Herzog von Meklenburg=Schwerin habe sich an die Spitze der Feinde Preußens gestellt.
In Regensburg zweifelte Niemand mehr daran, daß die bevorstehende Entscheidung im Sinne Oestreichs ausfallen würde. Dennoch gaben die mit Preußen befreundeten Staaten die Hoffnung nicht auf, durch eine Reichs=Vermittelung die gegen Preußen beabsichtigte Execution abwenden zu können. Im November versuchte der Herzog Friedrich zu Sachsen=Gotha die evangelischen Stände durch ein Circularschreiben für diese Absicht zu gewinnen und im December schrieb die hannöversche Regierung nach Schwerin, sie hätte gehört, der Herzog wolle ganz anders votiren, als die übrigen evangelischen Stände; sie bäte, Seine Durchlaucht möge doch keine heftige, offenbar das Unglück vermehrende Mittel unterstützen, sondern für friedliche Vermittelung stimmen. Beiden Regierungen wurden höflich ausweichende Antwortschreiben übersandt.
Auch die preußische Regierung versuchte eine directe Verständigung mit Meklenburg herbeizuführen. "Wir hoffen", schrieben
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die Geheimen Etatsräthe Graf von Podewils und von Finkenstein am 27. December nach Schwerin, "daß Meklenburg so votiren wird, wie es nach den noch kürzlich erneuerten Hausverträgen und im Interesse der evangelischen Sache zu erwarten ist. Es würden Eure Durchlaucht hierdurch dem Könige ein ganz besonderes Merkmal Ihrer Freundschaft geben".
Die herzogliche Regierung erwiderte kurz und kühl, ihr Gesandte sei bereits instruirt, versicherte dabei aber, daß seiner Durchlaucht reichsfürstlich =patriotische Gesinnung in dieser Sache nie von der besonderen Hochachtung Seiner Majestät getrennt werden würde.
An demselben Tage ließ der Herzog nach Wien melden, er würde allemal so votiren, daß er dadurch des kaiserlichen Allerhöchsten Beifalls und Schutzes sich würdig mache.
Die Nachricht, daß Meklenburg=Schwerin auf die Seite der katholischen Stände treten würde, durchlief wiederum alle Zeitungen. Der Altonaer Merkur schrieb, daß alle evangelischen Stände preußisch gesinnt seien, mit Ausnahme Meklenburgs, und dem Reichspostreuter, welcher ebenfalls in Altona erschien, wurde dieselbe Nachricht mit folgendem Zusatz mitgetheilt: "Der Freiherr von Plotho hat gesprächsweise an den Orten, wo man Preußen entgegen ist, erklärt, er werde ruhig abwarten, wie sie votiren und ob sie Preußen als Reichsfeind erklären würden; thäten sie dies, könne man seine Majestät nicht verdenken, wenn Sie diejenigen Stände, welche sich feindselig wider Sie darstellten, auf demselben Fuße nähme, als sie sich seiner Majestät zu erkennen gegeben hätten".
Diese officiöse Warnung, aber auch unverhohlene Drohung allarmirte den Schweriner Hof sehr, änderte aber nichts in seinen Entschlüssen.
Am 10. Januar 1757 fand die Abstimmung über das kaiserliche Commissionsdecret im Reichstage statt. Seit Menschengedenken hatten diese an öde, unfruchtbare Langweiligkeit gewöhnten Räume eine so wild erregte Versammlung nicht gesehen. Lange währte es bis das Directorium die Ruhe soweit hergestellt hatte, daß die einzelnen Gesandten ihr oft recht ausführliches Votum zu Protokoll geben konnten. Denn anstatt, wie Viele geglaubt, sich dem allgemeinen Sturm zu beugen, wich der Freiherr v. Plotho nicht einen Zoll zurück und hörte nicht auf, mit weithin schallender Stimme und so drohenden Gebärden, daß mancher ältere Herr besorgt seine Nähe mied, gegen dies Verfahren zu protestiren, welches gegen die Reichsverfassung und gegen die Wahlcapitulation verstoße.
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Am 17. Januar wurde das in allen drei Collegien - der Kurfürsten, der Fürsten und der Städte - mit großer Majorität gefaßte Reichsgutachten, "daß gegen Preußen mit der Reichsexecution vorzugehen sei und daß die Reichsstände ihre Contingente in dreifacher Stärke in marschfertigen Stand setzen sollten" publicirt. Dafür hatten die Katholiken und von den Evangelischen Meklenburg=Schwerin, Pfalz=Zweibrücken, Brandenburg=Anspach, Holstein=Gottorp, Schwarzburg und Darmstadt gestimmt; die übrigen evangelischen Stände unter Führung Hannovers hatten sich für eine friedliche Vermittelung des Reichs ausgesprochen.
Aus dem Bericht des Baron Teuffel über diese Sitzung ersehen wir, welch großer Jubel über den errungenen Sieg im Lager der Kaiserlich Gesinnten herrschte. Der Gesandte rieth seiner Regierung, die freudige Stimmung des östreichischen Hofes auszunutzen und in Wien streng vertraulich an die Rückgabe der hypothekarisch an Preußen verpfändeten Aemter zu erinnern. "Das Tempo ist jetzt günstig", schloß der Bericht, "da Eure Durchlaucht soeben durch Dero Votum dem Kaiser einen so großen Dienst erwiesen haben; aber ganz secret muß es geschehen, sonst könnte es uns wie Sachsen ergehen, wo man auch das Fell der Bären schon getheilt hatte, ehe derselbe noch erlegt war."
Die Folge des Reichstagsbeschlusses war, daß der Freiherr von Plotho auch schriftlich seinen Protest zum Dictamen bringen wollte. Es kam hierüber zu den heftigsten Auseinandersetzungen mit dem kurmainzischen Directorium, denn das preußische Promemoria war so derb gehalten und die Ausdrücke gegen Kaiser und Reich so anstößig, daß manche Gesandten schon darüber zu Rathe gegangen waren und bei ihren Regierungen angefragt hatten, ob sie dasselbe nicht dem Freiherrn von Plotho zurückschicken sollten. Es bestand nämlich am Reichstage die Sitte, daß alle Schriftstücke, welche in der Versammlung zum Dictamen gebracht werden sollten, vorher den einzelnen Gesandten zur Kenntniß ins Haus gesandt wurden.
Bei Gelegenheit des Dictamens dieses Protestes kam es zu einer äußerst stürmischen Scene im Kurfürsten=Collegium. Als der Freiherr anfing zu dictiren, erhob das Directorium Einsprache; der Protest sei zu lang, ob denn der Herr Gesandte verlange, daß man 24 Stunden lang seine Schmähungen anhören solle? Plotho dictirte unbeirrt weiter. "Wenn der Herr Gesandte nun nicht aufhöre, sehen sich alle Mitglieder des Collegiums, auch der Secretair veranlaßt, den Saal zu verlassen!" rief erregt der Vorsitzende. Mit einem Achselzucken und einer Miene, welche sein schmerzliches
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Bedauern hierüber ausdrückte, fuhr Plotho fort zu dictiren und und dictirte so lange, bis er mit dem kurbraunschweigischen Gesandten allein das Feld behauptete. Aehnliche Scenen waren nicht selten; Friedrich II. verstand es die richtigen Männer auf den richtigen Platz zu stellen. Scharf und schneidig wie Seidlitz bei Roßbach mit dem Schwert, führte der Freiherr v. Plotho in Wort und Schrift die Sache seines Königs am Regensburger Reichstage.
Schwer beleidigte aber der preußische Gesandte in diesem Dictamen, welches bald darauf gedruckt in alle Welt ging, den Herzog Friedrich von Meklenburg und seinen Comitialgesandten. Den Letzteren hatte er einen reichskundigen Partisan des kaiserlichen Hofes genannt, der nicht ermangelt hätte, seine Durchlaucht seinen Privatabsichten gemäß zu dem abgegebenen Votum zu verleiten und wenn man zugleich andere bekannte domestique Umstände des Herzogs - derselbe war beim Reichshofrath in Wien wegen der von Herzog Carl Leopold contrahirten Schulden verklagt -, weshalb er den kaiserlichen Hof oder vielmehr dessen Reichshofrath zu fürchten hat, betrachtete, so sähe wohl ein Jeder ein, daß das meklenburgische Votum kein reichssatzungsmäßiges freies, sondern ein parteiisches, wenn nicht gar animoses genannt werden müsse."
Baron Teuffel fühlte sich tief beleidigt. "Ich will das Benehmen des Freiherrn von Plotho mit genereusem Stillschweigen übergehen", sagt er in seinem Bericht, "denn es ist unanständig; wenn die Argumente fehlen, nimmt man zum Schmähen und Lästern seine Zuflucht." Um aber die teuflische Bosheit des preußischen Gesandten in das rechte Licht zu stellen, schickt er ein in Wien auf denselben erschienenes Pasquill ein, betitelt:
Kydyrefnisacton (?), ein Höllengedicht mit dem Motto:
Flectere si nequeo superos, Acheronta movebo, dessen letzter Vers hier Platz finden möge:
"Hier sah man Pluthos Hand nach jener Feder langen,
Um die sich schon zur Zier zehn Vipern schwangen,
Prinz Griphael gab sie der wohlgeklau'ten Faust
Und Plutho schrieb, daß Kiel und Blatt gesauft.
Er unterschrieb den Namen Plutho so erhitzet,
Daß noch anstatt des "U" ein "O" dort sitzet." -
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Der erste Vertrag mit Frankreich vom 1. April 1757.
Als die herzogliche Regierung im November 1756 ihren Comitialgesandten instruirt hatte, voll und ganz für die kaiserlichen Propositionen einzutreten, war sie, wenn sie auch öffentlich geltend machte, mit ihrer nach Pflicht und Gewissen vollzogene Abstimmung den Rechtsboden der Reichsgesetze nicht verlassen zu haben, doch darauf gefaßt, das Schicksal Sachsens zu theilen, wenn der weitere Verlauf der Kriegsereignisse dem Könige die freie Verwendung seiner Streitkräfte gestatten würde. Sie ergriff daher mit Freuden die Gelegenheit, die sich ihr darbot, um sich den Schutz einer auswärtigen Großmacht zu sichern. Am 12. November schickte König Louis XV. von Frankreich, als Garant des Westfälischen Friedens auftretend, seinen Residenten am niedersächsischen Kreise, den Sieur de Champeaux, welcher seinen Wohnsitz in Hamburg hatte, an den Schweriner Hof, "als Dolmetscher der Gefühle Seiner Majestät und in dem festen Vertrauen, daß der Herzog, der so eifrig für das Wohl des Deutschen Reiches besorgt sei, willig dazu beitragen werde, Recht und Gesetz in demselben wieder herzustellen."
Der Gesandte wurde mit offenen Armen in Schwerin aufgenommen und die Vorbesprechungen nahmen einen günstigen Verlauf. Am 10. Januar 1757 - dem Tage der verhängnißvollen Abstimmung in Regensburg - übergab derselbe der herzoglichen Regierung seinen ersten Vertragsentwurf.
So geheim aber auch die Verhandlungen geführt wurden, dieselben kamen doch bald in die Oeffentlichkeit; König Friedrich wurde zu gut durch seine Diplomaten bedient. Im März wurde dem Altonaer Reichpostreuter aus dem Haag geschrieben, "daß man in Schwerin beschäftigt sei, eine weitläufige Deduction von den Forderungen des Herzogs aufzustellen, daß Frankreich in wichtigen Unterhandlungen mit dem Schweriner Hofe stehe und gewillt sei, dem Herzog soviel Geld zu zahlen, daß er die an Preußen und Hanover verpfändeten Aemter wieder einlösen könne".
Dieser Artikel erregte in Schwerin große Bestürzung. Wenn nach den Satzungen des Westfälischen Friedens auch jedem deutschen Staate zustand, Traktate mit auswärtigen Mächten abzuschließen, sofern dieselben nicht gegen Kaiser und Reich gerichtet waren, so konnte es auf der anderen Seite doch keinem Zweifel unterliegen, daß derjenige Staat, gegen welchen eine solche Allianz geschlossen
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wurde, das Recht hatte, die Verbündeten seiner Feinde auch seinerseits als Feinde zu behandeln. Dieser französische Vertrag war daher verhängnißvoll für Meklenburg, denn er gab dem Könige von Preußen das formelle Recht in die Hand, dasselbe als im Kriegszustande mit sich zu betrachten. Dabei machte es keinen Unterschied, ob dieser Vertrag defensiver oder offensiver Natur war, ob der Herzog von Meklenburg seine Truppen zur Armee des Königs von Frankreich stoßen ließ oder ob er die Operationen desselben nur indirect unterstützen half. Die Regierung war sich der Gefährlichkeit ihres Verfahrens auch völlig bewußt; erschreckt gab sie sofort ihrem in Altona stationirten Postmeister den Auftrag, den Redacteur des Reichspostreuters zu veranlassen, die gefahrdrohende Nachricht zu widerrufen. Dies geschah in einer der nächsten Nummern der Zeitung, aber mit der Geheimhaltung des abschließenden Bündnisses war es vorbei.
Am 1. April wurde folgender Vertrag von Mr. de Champeaux, den meklenburgischen Ministern Graf Bassewitz und Baron Dittmar und dem Kammer=Präsidenten von Both unterzeichnet:
Art. I. Der Herzog verspricht den Feinden des
Königs von Frankreich und dessen Verbündeten,
nämlich der Kaiserin=Königin und deren
Alliirten, weder direct noch indirect Hülfe an
Truppen, Rekruten
. zu gewähren.
Art. II. Der Herzog verpflichtet sich in Befolgung des Reichstagsbeschlusses vom 17. Januar 1757 seine Stimme und seinen Beistand nicht zu dem Zweck abzugeben, um aus dem gegenwärtigen defensiven Kriege einen Religionskrieg zu machen oder die Beschlüsse des Reichs zu durchkreuzen, noch sich dem Einmarsch fremder Truppen zu widersetzen, welche der König als Garant des Westfälischen Friedens und als Bundesgenosse der Kaiserin=Königin nach Deutschland senden wird, um die Unruhen im Reiche zu stillen.
Art. III. Der Herzog verspricht den Truppen des Königs und seiner Alliirten freien Durchzug durch seine Lande gegen Bezahlung in den Etappen.
Art IV. Der König und der Herzog verpflichten sich gegenseitig ihre Deserteure auszuliefern.
Art. V. Dagegen verspricht der König seine guten Dienste zur Wiedererlangung der 12 Aemter, welche von Meklenburg an Preußen und Hannover verpfandet sind und von diesen Mächten zurückbehalten werden.
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Art. VI. Wenn in Folge dieses Vertrages die Lande des Herzoges während des gegenwärtigen Krieges angegriffen werden sollten, verpflichtet sich der König, die wirksamste Hülfe zum Schutz und zur Vertheidigung dieses Landes zu leisten.
Art. VII. Der Vertrag soll so lange währen, bis der Friede in Deutschland hergestellt ist.
Art. VIII. Es soll ein unverletzliches Stillschweigen über diesen Vertrag beobachtet werden.
Art. IX. Der Vertrag soll spätestens 6 Wochen nach der Unterzeichnung ratificirt werden.
In einem dem Vertrage beigefügten Separat=Artikel wurde gesagt, der König und der Herzog wären einverstanden, daß, wo in dem Vertrage von den Feinden Seiner Allerchristlichen Majestät und seiner Alliirten die Rede sei, unter diesen die Könige von England und Preußen zu verstehen wären.
Der Vertrag wurde am 19. April zu Versailles durch Louis XV. - gegengezeichnet Bouillé - und am 29. April von Herzog Friedrich ratificirt.
Im Mai wurde eine Abschrift dieses Tractats unter dem Siegel des tiefsten Geheimnisses dem Hofrath Schmidt und dem Baron Teuffel zur Mittheilung an die kaiserlichen Minister übersandt. Als Mr. de Champeaux bald darauf nach Versailles abreiste, wurde demselben ein Schreiben mitgegeben, in welchem der Herzog dem Könige von Frankreich in den verbindlichsten Ausdrücken auch dafür dankte, daß seine Güte ihm die Freundschaft und den Schutz der Krone Schweden verschafft habe.
Die Verhandlungen in Regensburg über die Gestellung der Contingente und die Bewilligung der Römer - Monate.
Nachdem die Stände des Reichs die Reichsexecution gegen den Kurfürsten von Brandenburg und die Marschbereitschaft der Contingente beschlossen, kam es darauf an dieselben zu bewegen, die Gestellung der dazu nöthigen Truppen und Gelder zu bewilligen. Am 26. Februar ging ein kaiserliches Commissionsdecret
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beim Reichstage ein, welches forderte, die Contingente in dreifacher Stärke zu Roß und zu Fuß bis Ende März zu gestellen und zur Errichtung einer Operationskasse 30 Römer=Monate einzuzahlen. Der Baron Teuffel fügt seinem desfalsigen Berichte den guten Rath bei, "in den sauren Apfel zu beißen und die Gelder - die Rate für Meklenburg betrug 12000 Kaisergulden - zu bewilligen; dies sei vielleicht ein gutes Mittel, um von der Stellung der Truppen entbunden zu werden. "Hoffentlich ist Friede", schließt der Gesandte sehr optimistisch seinen Brief, "ehe eine Reichsarmee zusammenkommt".
Wenn der Gesandte mit dieser Aeußerung hätte andeuten wollen, daß es sehr lange währen würde, bis die Reichsarmee schlagfertig dastände, so würde er nicht Unrecht gehabt haben. Abgesehen von den hannoverschen, braunschweigischen und den Truppen des Landgrafen von Hessen=Cassel, welche offen auf Seite Preußens standen, befanden sich die Mehrzahl der Contingente der deutschen Staaten in einem erbärmlichen Zustande; die Widerwilligkeit der Stände, das Geld für die Römer=Monate aufzubringen und die Furcht, sich bei allzugroßer Willfährigkeit die Feindschaft Preußens zuzuziehen, war so groß, daß es für den kaiserlichen Principal=Commissar in Regensburg keine leichte Sache war, die Comitialgesandten zu einer Beschlußfassung zusammenzubringen. Die Monate März und April vergingen den Kaiserlichen in dem vergeblichen Bemühen, die Reichsstände zu bewegen, ihre Gesandten mit Instruction zu versehen. Es zeigte sich bei dieser Gelegenheit der gänzliche Verfall des Deutschen Reiches so recht im grellsten Lichte.
Inzwischen hatte die herzogliche Regierung im März ihre Wünsche wegen Wiedererlangung der verpfändeten Aemter sowohl in Wien beim Vice=Kanzler Graf Coloredo, als auch in Regensburg beim kaiserlichen Principal=Commissar zur Sprache bringen lassen. Es war dies eine willkommene Handhabe für den Wiener Hof, den Herzog zu drängen, bei der Bewilligung der Römer=Monate die Führerschaft unter den evangelischen Ständen zu übernehmen. Auch ein anderes, unter diesen Umständen für Meklenburg odiöses Geschäft muthete man der herzoglichen Regierung zu. Es war nämlich Hessen=Darmstadt auf dem Reichstage durch keinen eigenen Gesandten vertreten und da kein Gesandter aus dem corpus evangelicorum die Vertretung dieses Staates, welcher sich durch feindselige Gesinnung gegen Preußen ganz besonders hervorgethan hatte, übernehmen wollte, so wurde Baron Teuffel unaufhörlich bestürmt, die hessische Stimme in der Reichsversammlung
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mit zu führen. Die Regierung sträubte sich lange, denn man wollte den König nicht unnöthig reizen, allein die kaiserlichen Gesandten erklärten den meklenburgischen Comitialgesandten rund heraus, wenn der Herzog nicht mehr patriotischen Eifer zeige, dann würde auch die kaiserliche Resolution in Betreff seiner Wünsche sehr mager ausfallen. Dies Argument unterstützte Baron Teuffel in einer langen Depesche, die mit der energischen Mahnung schloß: "Eure Durchlaucht müssen durchaus optiren, welche Partei Sie nehmen wollen, die preußische oder die kaiserliche, auf beiden Achseln läßt sich nicht tragen. Meines Erachtens kann die Wahl nicht schwer fallen, aber es gehört fermeté dazu. Sollten Eure Durchlaucht aber anderer Ansicht sein, ist es besser, wenn Eure Durchlaucht gar keinen Comitialgesandten hier haben, dann wird der Kaiserhof nicht so gar direct disgustirt, wiewohl es allemal übel angesehen werden wird." Der Herzog bewilligt hierauf Beides, die Römer=Monate und die Vertretung des hessischen Gesandten.
Endlich im Mai gelang es auch die übrigen Stimmen für die kaiserlichen Propositionen zusammenzubringen, aber die Gestellung der Truppen und die Einzahlung der Gelder vollzog sich mit unglaublicher Langsamkeit. Erst die Schlacht bei Kollin brachte die Truppenbewegungen in rascheres Tempo. In Regensburg jubelte man um so lauter über diese unvermuthete Wendung, als man dort bereits angefangen hatte, um die eigene Sicherheit besorgt zu werden. Der kühne Streifzug des Oberst von Mayer nach Franken schreckte manche Reichsstände von der Gestellung ihrer Truppen ab und drohte dem Reichskrieg noch vor seinem Beginnen ein klägliches Ende zu bereiten; die preußischen Husaren streiften bis vor die Thore Regensburgs und allarmirten die dortige Diplomatenwelt aufs Aeußerste. Um diese Zeit kam der Kammerherr, Oberst von Montgelas, welchen der Kurfürst von Bayern in das Lager von Prag zu König Friedrich gesandt hatte, um die Abberufung des Oberst von Mayer aus seinem Lande zu bewirken, zurück und verweilte einige Tage in Regensburg. Baron Teuffel traf in einer Abendgesellschaft beim Fürsten Thurn und Taxis mit demselben zusammen. Der Oberst wußte nicht genug zu erzählen, wie schnöde und verächtlich er vom Könige abgefertigt sei; "Sie haben keinen Begriff, meine Herren", sagte er zu den erregten Gesandten, welche ihn in dichtem Kreise umgaben, "mit welcher hauteur und arrogance die preußische Majestät mich - mich den Abgesandten des Kurfürsten behandelte!" » » Je me fiche de tous petits princes de l'empire « « waren seine Worte, » » je leurs ferai voir, ce que c'est de se frotter contre le roi de
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Prusse. Je finirai cette affaire, que j'ai si glorieusement commencé à la pointe de mon épée; je me moque de tous les conclusum et Reichsgutachten de la Diette et je ferai bien un jour décamper tous ces Messieurs de Ratisbonne! « «
Bei diesen Worten waren Manche der alten Herren, welche ihr langjähriges behagliches Stillleben in Regensburg so jäh bedroht sahen, erschrocken zurückgefahren und hatten Befehl gegeben, mit dem Packen der Koffer zu beginnen, aber - ganz in der Stille, damit nicht der Nachbar davon erfahre und seinem Hofe Bericht erstatte.
Da war die Freudenbotschaft von Kollin gekommen. Alle Besorgnisse waren verschwunden; man beglückwünschte sich, schüttelte einander die Hände und drehte dem Baron Plotho, dem mancher vorsichtige Diplomat bereits wieder ein freundliches Gesicht gezeigt hatte, stolz den Rücken. Der Kurfürst von Brandenburg war ja verloren, unwiederbringlich verloren! "Es ist probabel", schreibt Baron Teuffel nach Schwerin, "daß man noch in diesem Jahre die Friedenssonne in dem deutschen Vaterlande wieder scheinen sieht"; und schloß höhnend: "Nach einer so decisiven Victoria wird sich jeder Reichsstand nunmehr wohl von selbst pressiren, seine Truppen marschiren zu lassen!"
Und so geschah es auch. Anfangs August war die Reichsarmee in einer Stärke von 30000 Mann bei Fürth versammelt und in die Operationscasse ein Kriegsschatz von 219352 Fl. 48 Kr. und 3 1/3 Pf. (!) eingezahlt. Zum Oberbefehlshaber dieses auserlesenen Kriegsvolks hatte der Kaiser den Prinzen von Hildburghausen ernannt.
Die Lage Preußens nach der Schlacht bei Kollin und die Pläne der Coalition.
Der Tag von Kollin war der Anfang einer Reihe von Unglücksfällen, die Preußen Schlag auf Schlag trafen. Die nächste Folge war die Aufhebung der Belagerung Breslaus und der verlustreiche Rückzug aus Böhmen gewesen. Vergeblich hatte der König in der Lausitz Halt gemacht und dem Prinzen von Lothringen und dem Feldmarschall Daun die Schlacht angeboten. Im Nordwesten Deutschlands war der Herzog von Cumberland dem Marschall d'Estrées unterlegen und die mit den Franzosen unter
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Soubise vereinte Reichsarmee rückte von Süden heran. Es war die höchste Zeit, der Letzteren einen Schlag beizubringen, und zu dem Ende marschirte der König, den Herzog von Bevern mit dem General von Winterfeld in der Lausitz zurücklassend, am 20. August nach Thüringen ab.
Auf dem Marsche dorthin traf ihn eine Unglücksnachricht nach der anderen: daß Hannover mit der Kaiserin=Königin unterhandle; daß der Feldmarschall von Lehwaldt bei Groß=Jägerndorf von den Russen geschlagen sei (30. August); der Abschluß der Convention von Zeven (8. September); der Abmarsch der Franzosen nach dem Halberstädtischen und der Tod seines Freundes Winterfeld in dem Treffen bei Moys (7. September). Auch von Norden her drohte Gefahr; die Schweden hatten am 12. September die Peene überschritten und waren bis Pasewalk vorgedrungen. Der Weg in das Herz der preußischen Monarchie stand ihnen offen.
Der meklenburgische Gesandte am Berliner Hofe, der Geheime Rath von Hövel berichtet uns von der Stimmung, welche zu dieser Zeit in Berlin herrschte. Viele Familien der Hauptstadt, darunter die ansehnlichsten preußischen Vasallen wollten Berlin verlassen und in Meklenburg Zuflucht nehmen. Sie fragten Hövel, ob der Herzog ihnen wohl den Aufenthalt in seinem Lande gestatten würde? Sie wüßten zwar, das Seine Durchlaucht groß, weise und christlich dächten, allein er habe doch gar zu Widriges früher von ihrem Monarchen erfahren. Ihnen wurde die Antwort, daß Meklenburg allen ehrlichen Leuten, namentlich in betrübten Zeiten offen stehe. "Die Gemüthsverfassung des Königs", schloß der Gesandte seinen Bericht "soll an Tiefsinnigkeit grenzen und hier sieht sich Alles fast bis an die Grenzen der Verzweiflung gebracht".
Nach dem Siege von Kollin trugen sich die Feinde des Königs mit den weitgehendsten Plänen. Während die Reichsarmee die Preußen aus Sachsen treiben sollte, fiel dem Herzog von Richelieu, welcher seit dem 4. August den Marschall d'Estrées im Obercommando der französischen Armee ersetzt hatte, die Aufgabe zu, sich an der Elbe festzusetzen und Magdeburg zu belagern. Demnächst sollte dieser Marschall, nachdem der König von Frankreich die durch die Auflösung der Cumberlandschen Armee in ihr Land zurückgesandten hessischen und braunschweigischen Contingente - 18000 Mann - in seinen Sold genommen, diese Truppen zu den Schweden in Pommern stoßen lassen. Diese nur aus Protestanten bestehende Armee sollte unter einem französischen
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Obergeneral operiren und zur Verabredung der gemeinsamen Operationen war der Marquis von Montalembert Ende October in das schwedische Hauptquartier gesandt worden.
Der 2. Vertrag mit Frankreich vom 1. December 1757.
Ein Blick auf die Karte genügt, um den hohen Werth würdigen zu können, welchen die Minister Louis des XV. unter diesen Umständen darauf legen mußten, in Meklenburg festen Fuß zu fassen. Der Vertrag vom 1. April hatte den französischen Truppen nur das Recht des freien Durchmarsches gegeben; das genügte jetzt nicht mehr, man mußte Plätze in Händen haben, welche man befestigen und dauernd mit Truppen besetzen konnte, man mußte, wie der Comte de Bernis sich auszudrücken beliebte "Herr des Landes Meklenburg sein". Weitere Verhandlungen in diesem Sinne anzuknüpfen, wurde Mr. de Champeaux mit Vollmachten versehen und Anfang November wiederum nach Schwerin geschickt.
Der Gesandte fand am Schweriner Hof im Ganzen ein günstiges Terrain für seine Aufträge. Mit lebhafter Freude und weitgehenden Hoffnungen hatte man hier die Waffenerfolge der Alliirten begrüßt, namentlich das Vorrücken der Fanzosen an die Elbe und der Schweden über die Peene. Auf der anderen Seite verschloß man sich aber auch nicht den ernsthaftesten Befürchtungen. Die Sprache des preußischen Comitialgesandten in Regensburg war eine geradezu bedrohliche geworden und als ein sicheres Merkmal einer feindseligen Gesinnung sah es der Herzog an, daß der König von Preußen es unterlassen hatte, ihm den im Juni erfolgten Tod seiner Mutter anzeigen zu lassen. Allerdings widerstrebte es dem Gefühl Herzog Friedrichs sein Land durch fremde Truppen besetzen zu lassen und so vielleicht zum Schauplatz eines blutigen und verheerenden Krieges zu machen, und deshalb hatte der französische Unterhändler so leichtes Spiel, wie der Hof von Versailles es geglaubt, in Schwerin nicht. Erst als der Baron Dittmar in einem sehr ausführlichen Promemoria die Nothwendigkeit der Einräumung eines festen Platzes in Meklenburg an die Franzosen bewiesen hatte, willigte der Herzog ein, stellte aber als Gegenleistung sehr hohe Forderungen - zahlbar allerdings erst beim Friedensschlusse -. » Si j'avais Lauenburg et Wismar avec mes douzes baillages par le moyen de Mr. l'Envoyé, cette acquisition vaudra à
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Mr. l' Envoyé deux cents milles livres «, hatte der Herzog, um Mr. de Champeaux willfähriger zu stimmen, eigenhändig unter den Vertragsentwurf, welcher dem Gesandten zur Abänderung zurückgeschickt worden war, geschrieben.
In diese weitaussehenden Pläne der Coalition fuhr wie ein Donnerschlag die Nachricht von der Schlacht bei Roßbach hinein. Selten hat ein Waffenerfolg eine so große moralische Wirkungssphäre gehabt, wie dieser Sieg Friedrich des Großen. Am 5. November wurde die Schlacht geschlagen und schon am 9. desselben Monats schrieb der Marschall von Richelieu dem schwedischen Oberbefehlshaber, daß ihm nunmehr eine Cooperation mit der schwedischen Armee völlig unthunlich erschiene. Allerdings trug zu dieser Entmuthigung des Marschalls der Umstand nicht wenig bei, daß er zu dieser Zeit bereits wußte, daß die hannoverschen Truppen die Convention von Kloster Zeven demnächst brechen würden und daß er sich dann schwerlich an der Elbe werde behaupten können.
Die französischen Minister waren indeß anderer Ansicht. Sie hofften noch immer, daß die Convention von Kloster Zeven, wenigstens was die braunschweigischen und hessischen Truppen anbeträfe, zur Ausführung kommen und es ihnen dann gelingen würde, diese Truppen in französischen Sold zu nehmen. Geschah dies, so konnte sich der Herzog von Richelieu, trotz der Niederlage der Reichsarmee, sehr wohl an der Elbe behaupten. Derselben Ansicht waren auch die meklenburgischen Minister und so nahmen die Verhandlungen ihren Fortgang.
Am 1. December 1757 wurde von dem Grafen von Bassewitz und dem Baron Dittmar ein zweiter Traktat mit Mr. de Champeaux folgenden Inhalts abgeschlossen, welcher nur eine Erweiterung (développement) des ersteren sein sollte:
Art. I. Der Herzog verspricht für den Fall, daß die französische Armee nach Brandenburg oder Pommern vordringt, Stadt und Festung Dömitz dem König von Frankreich oder dem Kaiser und Reich in Verwahrung zu geben, jedoch soll der französische Commandant dem Herzog von Meklenburg als Eigenthümer dieses Platzes den Eid leisten; auch willigt derselbe ein, daß französische Truppen die an Preußen und Hannover verpfändeten Aemter während des Krieges besetzen und dieselben für die Sache des Reichs benutzen.
Art. II. Dagegen verspricht der König von Frankreich, seine Truppen nicht aus den meklenburgischen Plätzen herauszuziehen,
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ohne den Herzog davon zu benachrichtigen, und dieselben zurückzugeben, wenn Letzterer beabsichtigt, die Städte und Aemter durch seine Truppen besetzen zu lassen.
Art. III. Dem Könige soll es freistehen, Dömitz und die übrigen besetzten Plätze des Landes mit Befestigungen zu versehen, um dieselben zu sichern und vor Ueberrumpelungen zu schützen.
Art. IV. Für den Fall, daß die Ereignisse des Krieges ungünstig ausfallen und die Festung Dömitz von den Truppen des Königs von Preußen eingenommen würde, verspricht der König nur unter der Bedingung Frieden zu schließen, daß der Platz oder sonstige ihm abgenommene Gebietstheile dem Herzog von Meklenburg wiedergegeben werden. Auch verheißt der König seine guten Dienste zu dem Ende, daß der Kaiser beim Friedensschluß sein Versprechen wegen Schadloshaltung des Herzogs erfülle.
Art. V. Der König verpflichtet sich, beim Friedensschluß den Herzog in denselben mit einzubegreifen und nach Abschluß des Friedens, um den Herzog gegen das Uebelwollen der demselben feindselig gesonnenen Mächte sicher zu stellen, eine Defensiv=Allianz mit Meklenburg und Schweden einzugehen, welche den Zweck hat, im Falle eines Angriffs diese Staaten sicher zu stellen.
Art. VI. Für den in Artikel IV angenommenen Fall verspricht der König, beim Friedensschluß seinen ganzen Einfluß anzuwenden, damit dem Herzog die 12 Aemter gegen Zahlung der Pfandsumme von Preußen und Hannover zurückgegeben werden.
Art. VII. Nehmen die Kriegsereignisse aber einen günstigen Verlauf, verspricht der König, sich die 12 Aemter abtreten zu lassen und sie an Meklenburg zurückzugeben, unter der Bedingung, daß der Herzog für den Dienst des Königs in Deutschland . . .
Jahre lang 1000 Mann Fußvolk unterhält, welche jedoch niemals gegen Kaiser und Reich, noch in einem Religionskriege gegen die protestantischen Höfe verwendet werden dürfen.
Art. VIII. Wenn die Feindseligkeit mit dem Kurfürsten von Hannover wieder beginnen sollte, verspricht der König, sobald der Lauf der Ereignisse es gestattet, die 8 an Hannover verpfändeten Aemter, sowie das Fürstenthum Sachsen=Lauenburg besetzen und dem Herzog unter den im vorigen Artikel aufgeführten Bedingungen unvorzüglich übergeben zu lassen, gegen die weitere Verpflichtung des Herzogs, ein zweites 1000 Mann Fußvolk für den Dienst des Königs zu unterhalten. Erlauben aber die Verhältnisse eine Besetzung Lauenburgs nicht, so verheißt der König, beim Friedens=
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schluß seine guten Dienste, um die Rechte des Herzogs auf dies Fürstenthum anerkennen und in Kraft treten zu lassen.
Art. IX. Der König verpflichtet sich mit seinen Bundesgenossen, den König von Preußen zu veranlassen, gerechte Ansprüche, welche der Herzog an diesen Monarchen hat, zu erfüllen, auch den Vertrag über die Werbestreitigkeiten vom 1. August 1756 zu ratificiren.
Art. X. Der König verspricht zu bewirken, daß der Kaiser, die Kaiserin von Oestreich und der König von Schweden diesem Vertrage beitreten.
In zwei Separat=Artikeln heißt es weiter:
Art. I. Der König von Preußen hat sich vor mehreren Jahren widerrechtlich einiger meklenburgischer Dörfer bemächtigt und dieselben mit der Besitzung eines seiner Vasallen in Pommern vereinigt. Da es nun nicht in der Absicht Schwedens liegen kann, diese Dörfer zu behalten, wenn es die brandenburgische Provins Pommern erobert haben wird, so verspricht der König von Frankreich, sein Möglichstes zu thun, um Schweden zu bewegen, daß es die Dörfer an Meklenburg zurückgiebt.
Art. II. Da der Herzog geltend gemacht, daß es für ihn sehr vortheilhaft sein würde, in den Besitz der Stadt Wismar und der Aemter Poel und Neukloster zu gelangen und daß hieraus Vortheile für den König durch Abschluß eines Handels= und Schifffahrtsvertrages mit Frankreich, welchen der Herzog sich verpflichten würde, abzuschließen, sich ergeben könnten, verspricht der König, seinen ganzen Einfluß aufzuwenden, um Schweden zu bewegen, gegen Erlangung anderer Vortheile dem Herzoge von Meklenburg Wismar und die genannten Aemter abzutreten. Dagegen würde der Herzog seinen Ansprüchen auf Schweden, Dänemark, das Kurhaus Sachsen, sowie auf zwei Kanonikate in Halberstadt und Magdeburg zu Gunsten der Krone Schweden entsagen. -
Dieser zweite Traktat mit der Krone Frankreich, von "Champeaux, Dittmar und Bassewitz" unterzeichnet, ist im Schweriner Archiv aufbewahrt, eine Ratifikations=Urkunde findet sich aber daselbst nicht vor. Trotzdem ist es sicher, daß eine beiderseitige Ratificirung stattgefunden hat. Daß Herzog Friedrich, welcher sich große Vortheile von dem Vertrag versprach und über den Abschluß hoch erfreut war, denselben sofort ratificirt und nach Versailles geschickt hat, geht aus den Akten zur Genüge hervor. Aber auch der König von Frankreich hat den Vertrag ratificirt. Es
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liegen nämlich zwei Briefe des französischen Ministers des Innern, des Grafen von Bernis, vor, welche dies bestätigen. Am 22. December 1757 schreibt derselbe an den Gesandten am Wiener Hofe, dem Grafen von Stainville: "Unser Vertrag mit dem Herzog von Meklenburg ist am 1. d. M. unterzeichnet und Seine Majestät hat ihn ratificirt"; und am 19. Februar des folgenden Jahres an Mr. de Champeaux: "Da der Herr Marschall von Richelieu keine hinlänglich sichere Gelegenheit gefunden hat, die Ratification der Vertrags nach Schwerin zu senden, hat er mir dieselbe zurückgeschickt. Bemerken Sie dem Herzog von Meklenburg, daß die Verzögerung der Unterhandlung nur daher kommt, daß man ein Geheimniß nicht aufs Spiel setzen wollte, welches dem König von Preußen einen Vorwand geben würde, die Excesse, welche er in dem Herzogthum Meklenburg begeht, zu rechtfertigen, daß aber Seine Durchlaucht diese Ratifikation so betrachten möchte, als ob er sie wirklich in Händen hätte, und daß ich sie nur mit einer völlig sicheren Gelegenheit abschicken würde."
Trotz jahrelanger, vielfacher Bemühungen seiner Minister ist diese Ratifikation aber niemals in die Hände des Herzogs gelangt; der französische Hof suchte und fand stets Ausflüchte, denn in Wahrheit, er wollte denselben nicht ratificiren. Nach dem Rückzuge des Marschalls von Richelieu hinter die Aller und der Capitulation der französischen Besatzung in Harburg (30. December) war der Vertrag wenigstens vorläufig völlig gegenstandslos geworden, und da man im französischen Hauptquartier, angesichts des traurigen Zustandes der Armee, allen Ernstes den Rückzug an den Rhein in Erwägung zog, war es der Klugheit nicht angemessen, unter diesen Umständen sich durch die Ratificirung des Vertrags schwerwiegende Verpflichtungen für die Zukunft aufzuerlegen, ohne dafür greifbare Vortheile für die Gegenwart zu erlangen. Aus diesem Grunde, nicht aber, weil es ihm nicht möglich gewesen wäre, das Document auf sicherem Wege nach Schwerin zu schaffen, hat der Marschall von Richelieu in richtiger Würdigung der Interessen seines Souverains den ratificirten Vertrag zuerst wohl auf eigene Verantwortung zurückbehalten, dann aber auf Befehl seiner Regierung zurückgesandt.
Auf diese Weise hat der zweite mit der Krone Frankreichs abgeschlossene Traktat niemals rechtsgültige Kraft erlangt. Fünf Jahre lang ließ sich die Schweriner Regierung durch die wälschen Ränke und Lügen hinhalten und die Geduld der meklenburgischen Staatsmänner; wird nur dadurch einigermaßen erklärlich, daß König Louis an Meklenburg monatlich 25000 Livres zahlte welche Summe er
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dem Herzog in einem Briefe vom 4. Februar 1758 "aus freien Stücken" bewilligte, zu welchem er sich aber, um den Herzog stets in der Hand zu behalten, niemals fest verpflichtet hatte. Wir kommen auf die Verhandlungen mit Frankreich später zurück.
Erste Invasion der Preußen.
Seit dem Schreiben der Grafen Finkenstein und Podewils an den Herzog Friedrich vom 27. December 1756 hatte ein geschäftlicher Verkehr zwischen der preußischen und der meklenburgischen Regierung überall nicht mehr stattgefunden. Der Geheime Rath von Hövel war zwar auf seinem Posten in Berlin geblieben, schwebte dort aber völlig in der Luft. Von der preußischen Regierung erhielt er keinerlei Mittheilungen und die Gesandten der fremden Mächte mieden seine Nähe. Infolgedessen erfuhr er von den diplomatischen Verhandlungen, welche zwischen Berlin und den auswärtigen Höfen schwebten und welche Letztere untereinander pflogen, so gut wie nichts. Seine nicht allzuhäufigen Berichte an die herzogliche Regierung bringen nur Klagen über seine Isolirung und durchaus unverbürgte Nachrichten über den König und die Armee. Der einzige Gesandte, dem er mitunter sein Herz ausschütten konnte, war der dänische, doch auch dieser benahm sich sehr zurückhaltend ihm gegenüber, wie es ihm von seinem Hofe, welcher die strikteste Neutralität inne gehalten wissen wollte, vorgeschrieben war.
In Schwerin war man sich wohl bewußt, daß der König über die Stellungnahme der meklenburgischen Regierung am Reichstage im hohen Maaße erzürnt, ja geradezu feindselig gegen Meklenburg gesinnt war. Wenn auch dem Herzog keine directe Mittheilungen vom Könige zugingen, so wurden ihm doch manche Aeußerungen desselben hinterbracht, die ihn mit lebhafter Sorge erfüllten und als der Berliner Hof es unterließ, ihm den im Juni des Jahres 1757 erfolgten Tod der Königin=Mutter anzuzeigen, empfand er dies als eine ihm zugefügte absichtliche Kränkung und als einen Avis, daß zwischen den beiden Fürstenhäusern das Tafeltuch entzwei geschnitten sei. Nimmt man hierzu das Benehmen der Minister und der Berliner Hofkreise gegen den Geheimen Rath
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von Hövel und die drohende Sprache des Freiherrn von Plotho, welcher Jedem, der es hören wollte, sagte, man möge sich in Schwerin vor des Königs Zorn hüten, so lag es auf der Hand, daß der Herzog wohl Grund hatte, das Schlimmste zu fürchten. Dieser Stimmung begegnen wir auch in allen Depeschen an die meklenburgischen Gesandten in Regensburg, Wien und Berlin, in der Correspondenz mit den auswärtigen Höfen und in den zahlreichen Artikeln, welche die Regierung in die Altonaer Zeitungen einrücken ließ. In allen diesen Schriftstücken wurde wieder und immer wieder betont, daß man sich stets bemüht habe, als loyaler Reichsfürst seine Pflicht zu thun, daß man niemals die Grenzen der strengsten Neutralität überschritten habe, noch überschreiten werde. Man hatte das Gefühl, sich wegen seiner Haltung Preußen gegenüber entschuldigen zu müssen, um drohendes Unheil abzuwenden. Daneben lief aber das freudige Gefühl, das Preußens Niederlage unabwendbar und daß man bald am Ziel seiner Hoffnungen sein würde.
Ende September 1757 gestalteten sich die Verhältnisse günstiger für den König von Preußen. Auf Veranlassung der Großfürstin Katharina von Rußland, welche wie Jedermann in Petersburg an eine nahe Auflösung der Kaiserin Elisabeth glaubte, führte der Feldmarschall Apraxin, unter dem Vorwande, die Truppen in Feindesland nicht mehr ernähren zu können, seine Armee über die Memel zurück. Der Augenblick, den Friedrich II. lange ersehnt hatte, war da: die Schweden über das Meer zu jagen und - Abrechnung mit dem Herzog von Meklenburg zu halten.
Der Abmarsch der Armee, welche der Feldmarschall Lehwaldt gegen die Russen befehligt hatte, geschah aber nicht sofort; der König hatte Befehl gegeben, dieselbe bei Marienwerder zu concentriren, damit sie von dort nach der Elbe und den Marken in Marsch gesetzt werde. Als aber dort die Verhältnisse sich günstiger gestalteten, befahl er den Abmarsch nach Pommern, und Anfang December stand die Armee in und um Stettin in der Stärke von 24 Bataillonen und 50 Eskadrons == 25000 Mann.
Während der Feldmarschall Lehwaldt das Gros der Armee in 2 Colonnen auf Demmin und Anclam vorrücken ließ, entsandte er den General=Lieutenant Prinz von Holstein mit 5 Bataillonen und 30 Eskadrons in die rechte Flanke der Schweden. Derselbe überschritt die Peene bei Verchen und Malchin, um eine Aufstellung bei Dargun zu nehmen und nun ergoß sich der Strom der preußischen Invasion in die meklenburgischen Lande.
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Bevor wir auf die Schilderung der Ereignisse eingehen, wollen wir einen Blick auf den damaligen Stand der meklenburgischen Truppen werfen.
Das Commando über das Contingent führte der General=Major von Zülow, welcher zugleich Chef des in Schwerin garnisonirenden Infanterie=Regiments Alt=Zülow war. Dies Regiment war 6 Compagnien stark und hatte einen Etat von in Summe 630 Köpfen. Nach Abzug der Beurlaubten, Kranken und Commandirten bleiben aber nur 396 Mann zum Dienst; 2 Compagnien des Regiments, unter dem Befehl des Capitain von Wendtland waren nach Güstrow detachirt.
In Rostock stand das Regiment Jung=Zülow, unter dem Befehl des Obersten von Zülow, welcher zu gleicher Zeit Commandant der Stadt war. Dasselbe zählte 5 Compagnien und sollte 500 Köpfe stark sein, hatte aber nach Abzug der Beurlaubten u. s. w. nur 283 Mann zum Dienst. Die Besetzung der Festung Dömitz bestand in dem Alt=Dömitzer Infanterie=Bataillon, 2 Compagnien stark; der Etat des Bataillons war 168 Köpfe, zum Dienst waren jedoch nur 84 zum Theil invalide Mannschaften verfügbar.
Außerdem bestand noch eine Leibgarde zu Pferde unter dem Befehl des Oberst von Barssen, 36 Reiter und einige unberittene Mannschaften stark. Chef dieser Leibgarde, welche in Schwerin in Garnison stand, war der Erbprinz, Herzog Ludwig zu Meklenburg.
Von den beiden Infanterie=Regimentern waren Commandos von je 1 Officier und 24 Mann in verschiedenen Städten des Landes postirt, so in Bützow, Sternberg, Grabow, Malchin und Neustadt. Diese kleinen Detachements hatten den Zweck gehabt, die Einwohner gegen die Gewaltthätigkeiten der preußischen Werber und die Streifereien der Ziethen=Husaren zu schützen. Da aber der Herzog auf das Peinlichste jeden Widerstand mit den Waffen in der Hand gegen preußische Truppen vermeiden wollte, hatte ihr Verbleiben in den kleinen Städten unter den jetzigen Umständen keinen Zweck mehr. Der Herzog ordnete daher auch den Abmarsch derselben in ihre Garnisonen an, als der Detachementsführer in Malchin ihm gemeldet hatte, daß am 8. December eine Schwadron vom schwarzen Husaren=Regiment Ruesch seine Thorwachen bei Seite gedrängt und trotz seines Protestes mit der Versicherung durch die Stadt geritten sei, sie kämen als Freunde und das Land hätte nichts von ihnen zu befürchten. Ehe jedoch der Befehl zum Abmarsch nach Malchin gelangt war, hatte der Officier nunmehr
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seine Instruction, keine fremde Truppen in die Stadt zu lassen, gewissenhafter befolgend, die Stadtthore Tag und Nacht geschlossen gehalten, und war dadurch fast täglich in ärgerliche Conflikte mit den preußischen Truppen gerathen, deren Verkehr untereinander von einem Ufer der Peene zum anderen, er in empfindlicher Weise erschwerte. Wiederholt hatten ihm preußische Officiere, welche den Uebergang bei Malchin gesperrt gefunden hatten und nun gezwungen waren einen weiten Umweg zu machen, durch seine eigne Schildwachen die gröbsten Complimente und Drohungen sagen lassen und als er endlich am 15. December abmarschirte, sah er sich bald von einem Trupp Husaren umringt, welche seine Leute entwaffneten, ihm den Degen abnahmen und zum Rückmarsch nach Malchin zwangen. Hier begegnete ihm der commandirende preußische Officier, der Major Graf Dohna, sehr höflich, gab ihm seinen Degen zurück und sagte, er habe ihm nur mittheilen wollen, daß er Malchin als Uebergangspunkt für seine Truppen nicht entbehren könne; jetzt könne er seinen Marsch fortsetzen und da seine Leute wohl ermüdet wären, würde er sich erlauben, ihnen ihre Tornister und Gewehre bis Teterow fahren zu lassen.
Dieser so harmlos verlaufene Vorfall hatte die traurigsten Folgen für den unglücklichen Lieutenant. In Rostock angekommen, wurde er arretirt und auf Befehl des Herzogs vor ein Kriegsgericht gestellt. Letzteres verurtheilte ihn zur Cassation wegen kriegsordnungswidrigen Verhaltens, weil er nicht Gewalt mit Gewalt vertrieben und sich eine kurze Strecke von dem ihm unterstellten Commando entfernt hatte 1 )
Inzwischen hatte sich in rascher Folge der Strom der preußischen Invasion über die Städte und Dorfschaften der Ostgrenzen Meklenburgs ergossen. Von Malchin über Neukalen, Dargun, Gnoien bis Sülze und Marlow waren alle Ortschaften dicht mit Einquartierung belegt. Mann und Pferd lebten auf Kosten der Bevölkerung, auch mußten zum Theil recht hohe Douceurgelder an die Befehlshaber gezahlt werden. Doch hielten die Truppen die beste Disciplin, da die Lieferungen von den herzoglichen Beamten, welche in das Hauptquartier des Prinzen befehligt waren, ordnungsmäßig auf die Gemeinden vertheilt wurden
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Die Regierung hatte sich zuerst mit der Hoffnung geschmeichelt, daß die preußischen Truppen nur einen Durchmarsch durch Meklenburg beabsichtigten, um an die Schweden zu gelangen; als aber aus den verschiedenen Aemter die beweglichsten Klagen über das gebieterische Auftreten der preußischen Befehlshaber einliefen, als sogar die herzoglichen Kassen in den Post= und Steuerämtern mit Beschlag belegt wurden und der Feld=Kriegs=Commissar von Kleist weit größere Lieferungen ausschrieb, als zum unmittelbaren Bedarf der Truppen nothwendig waren, gewann man in Schwerin die Ueberzeugung, daß es auf eine dauernde Besetzung des Landes abgesehen und daß dies die Antwort des Königs auf die Abstimmung in Regensburg und das Bündniß mit Frankreich sei. Nach den Vorgängen in Dresden mußten die Minister um die persönliche Sicherheit des Herzogs besorgt sein und riethen ihrem Herrn, das Land zu verlassen und eine Zuflucht in Lübeck zu suchen. Kurz vor dem Weihnachtsfeste verließ Herzog Friedrich mit seiner Familie seine Residenz Ludwigslust; es begleiteten ihn die Minister und seine nächste Umgebung. Der Erbprinz Ludwig blieb in Schwerin zurück, aber nicht zur Uebernahme der Regierungsschäfte, welche von Lübeck aus weiter geführt wurden.
Ende December ging das Detachement des Prinzen von Holstein, kleinere Commandos zur Beitreibung der Lieferungen in Meklenburg zurücklassend, bei Beestland über die Trebel. Durch das Erscheinen dieser Truppen, deren Husaren=Schwadronen keck bis Triebsees und Grimmen streiften, in der rechten Flanke der schwedischen Armee, sowie durch das gleichzeitige Vorrücken des Feldmarschall Lehwaldt auf Demmin, wurde der schwedische Oberbefehlshaber, der Feldmarschall Ungern, zu jenem übereilten Rückzuge genöthigt, welcher erst in Stralsund und auf der Insel Rügen endete. Am 10. Januar wurde Stralsund von einem Theil der preußischen Truppen blockirt, während das Gros derselben hinter der Einschließungslinie Cantonnements bezog. Das Detachement des Prinzen von Holstein blieb theils in Pommern, theils rückte es in das Meklenburgische, um zur Eintreibung der Contributionen und Lieferungen, welche inzwischen dort im großartigen Maaßstabe ausgeschrieben waren, zur Hand zu sein. Das Kriegs=Commissariat des Lehwaldtschen Armeecorps war in Verlegenheit, an welche Adresse es seine Ausschreibungen richten sollte, da der Herzog mit seinen Ministern das Land verlassen hatte, ohne für eine Stellvertretung zur Weiterführung der Regierungsgeschäfte gesorgt zu haben. Es wandte sich daher durch die Vermittelung des Kloster=Hauptmanns von Levetzow auf Teschow an den zweiten Factor
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der meklenburgischen Gesetzgebung, an den engeren Ausschuß der Ritter= und Landschaft zu Rostock und theilte diesem seine Forderungen schriftlich mit (5. Januar). Diese bestanden in:
2500000
4368 9282 8220 202380 23616 |
Reichsthaler,
Wispel Mehl, Wispel Roggen, Wispel Hafer oder dafür 5480 Wispel Roggen, Centner Heu und Schock Stroh. |
Das Geld war zahlbar in 3 Raten bis zum 21. Februar; das Getreide und die Fourage sollte bis zum 1. Februar vollständig geliefert sein; Alles bei Strafe sofortiger scharfer Execution. Der Engere Ausschuß wurde ersucht, die Repartition auf die herzoglichen Domänen, die Städte und die Ritterschaft auf das Schleunigste vorzunehmen.
Da Gefahr im Verzuge war, so sandten die Mitglieder des Engeren Ausschusses, der Gewalt weichend, sogleich Deputirte in das preußische Hauptquartier, um das Nähere mündlich zu ordnen, schrieben aber zugleich an die Regierung 1 ) und baten um Absendung eines herzoglichen Commissars, da ihnen der Hufenstand der Domainen nicht bekannt sei.
Bei einem unbefangenen Beurtheiler kann wohl kaum ein Zweifel darüber bestehen, daß das Verhalten des Engeren Ausschusses durchaus loyal und sachgemäß war. Gewiß war es dem Wortlaute des Erblandgrundvergleichs 2 ) nach ein ungesetzliches, denn die Ritter= und Landschaft hatte nicht das Recht, sich in Unterhandlungen mit dem preußischen Befehlshaber einzulassen, ohne von der Regierung dazu autorisirt zu sein; aber ebenso gewiß setzte auch der Erblandgrundvergleich voraus, daß es überhaupt eine Regierung in Meklenburg gab, und das war, da dieselbe vor dem Feinde nach Lübeck geflohen, factisch nicht der Fall. Wie sollte der Engere Ausschuß anders handeln, zumal die erste Geld=Rate - 840000 Thaler - schon nach 20, die erste Getreide=Lieferung nach 7 Tagen fällig war?
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Die herzogliche Regierung, welche es schon sehr übel vermerkt hatte, daß die Stände sich auf dem letzten Landtage der Bewilligung der Römer=Monate gegenüber so widerwillig gezeigt hatten, war aber anderer Ansicht. "Ihr kehrt ja an dem §. 322 des Erblandgrundvergleichs das Unterste zu Oberst", schrieb sie empört über die Bereitwilligkeit der Stände, die preußischen Forderungen zu bewilligen, an den Engeren Ausschuß und warf demselben in dem überaus scharfen Rescript "große Unbedachtsamkeit, Uebereilung, Leichtfertigkeit und gefährliche Hinaussicht" vor.
Ganz so böse, wie es nach diesen Ausdrücken den Anschein hat, war übrigens das herzogliche Schreiben nicht gemeint. Dasselbe war nämlich nicht allein an die Adresse des Engeren Ausschusses gerichtet, sondern war zugleich darauf berechnet, durch den Baron Teuffel zur Kenntniß der kaiserlichen Gesandten in Regensburg gebracht zu werden und sollte dazu dienen, die Nachrichten der Altonaer und Hamburger Zeitungen, welche übereinstimmend meldeten, daß der Herzog eine Convention mit Preußen abgeschlossen und sich zu großen Lieferungen verpflichtet habe, als unwahr hinzustellen.
Während die ständischen Deputirten im preußischen Hauptquartier zu Greifswald die enormen Forderungen herabzuhandeln suchten, erwuchs der Regierung eine große Sorge aus der Gefahr, in welcher die meklenburgischen Garnisonen in Schwerin, Rostock und Güstrow schwebten. Es war offenbar durch die Umstände geboten, dieselben beim Heranmarsch der preußischen Truppen an einem Orte zu vereinigen; dadurch wären dieselben wenigstens gegen den Handstreich kleinerer Truppencorps gesichert gewesen. So aber waren die Truppen täglich dem Schlimmsten ausgesetzt.
Die meklenburgischen Befehlshaber empfanden ihre unerträgliche Lage lebhaft und bestürmten den General von Zülow mit Bitten, ihnen doch wenigstens klare und bestimmte Befehle zu verschaffen, wie sie sich einem Angriffe der Preußen gegenüber verhalten sollten. Eine solche Instruction zu geben, war aber für den Vice=Kanzler Baron Dittmar nicht leicht. Von Widerstand und Gebrauch der Waffen gegen die preußischen Truppen wollte der Herzog durchaus nichts wissen; er mochte für seine Krone fürchten, wenn er den König noch mehr reizte; auf der anderen Seite wollte er verhindern, daß seine Soldaten überwältigt und wie die sächsischen in die preußische Armee gesteckt würden; dazu war aber erforderlich, daß sie sich vertheidigten, wenn sie angegriffen wurden.
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Diesen beiden Anforderungen suchte der Vicekanzler dadurch gerecht zu werden, daß er die Truppenführer instruirte, "sie sollten einem andringenden Feinde gegenüber eine feste Haltung annehmen und alle Vorkehrungen zur Vertheidigung treffen; griffe der Feind dann aber wirklich an, sollten sie um Capitulation und freien Abzug nach Schwerin anhalten."
Die Commandeure waren außer sich über diese Instruction, welche ihnen Ehre und Reputation rauben mußte. Der Capitain von Wendtland richtete sofort die dringende Bitte um Abänderung der Befehle an seinen Regimentschef: "Wie soll ich in einer völlig offenen Stadt, wo der Feind über den gefrorenen Stadtgraben in Regimentsfront in die Stadt einmarschiren kann, mit kaum 90 Mann eine feste Haltung annehmen, wenn ich nicht Feuer geben lassen darf!?"
Der General von Zülow schloß sich den Ausführungen seiner Untergebenen in allen Stücken an und wies namentlich darauf hin, daß auch in Schwerin ganz ähnliche Verhältnisse seien. Ihm wurde die kurze Antwort: er solle nach den gegebenen Befehlen handeln.
Die schwierige Lage der Truppen wurde noch dadurch erhöht, daß die Civilbehörden in Rostock und Güstrow entschieden üblen Willen zeigten.
In Güstrow erhielt der Bürgermeister (Spalding) eine officielle Benachrichtigung durch das Feld=Kriegs=Commissariat, daß in nächster Zeit preußische Truppen in Güstrow einrücken würden. Dies verschwieg er dem Capitain von Wendtland, der die Function eines Stadt=Commandanten ausübte, schickte aber eine Staffette an den Herzog nach Lübeck mit der Bitte, dem Hauptmann die Vertheidigung der Stadt zu untersagen. Der Capitain von Wendtland erfährt dies unter der Hand; auf das Aeußerste indignirt, stellt er den Bürgermeister zur Rede, erhält aber die kühle Antwort, daß bei einer Vertheidigung ja die Stadt unglücklich werden könne! Der Hauptmann meldete den Vorfall nach Schwerin, dort fand man aber die Fürsorge des Bürgermeisters für die ihm anvertraute Stadt ganz in der Ordnung. Die Zeiten und Anschauungen ändern sich; heutzutage würde man das Benehmen des pflichtvergessenen Bürgermeisters mit dem Namen Landesverrath bezeichnen!
Ende Januar erschien der Oberst von Froideville mit 10 Eskadrons Schorlemer=Dragoner vor den Thoren Rostocks und bat, ihm den Durchmarsch durch die Stadt zu gewähren; er hatte
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den Auftrag, Wismar zu besetzen und dort Contributionen zu erheben. Nachdem er sein Ehrenwort gegeben, nichts Feindseliges gegen die Garnison unternehmen zu wollen, gewährte der Commandant, Oberst von Zülow, seine Bitte; doch gestattete er den Durchmarsch nur schwadronsweise und ließ sein Regiment unter das Gewehr treten. Der preußische Oberst verabschiedete sich von dem Commandanten, welcher ihm das Geleite bis an das Thor gegeben, auf das Höflichste mit den respectabelsten Empfehlungen für den Herzog.
Ernster gestalteten sich die Dinge für Rostock, als der Prinz von Holstein zur Armee des Prinzen Ferdinand von Braunschweig abmarschirte und vom Könige den Befehl erhalten hatte, auf dem Marsche dorthin, wenn irgend thunlich, die Garnisonen von Rostock, Güstrow und Schwerin aufzuheben.
Am 5. Februar, Morgens 9 Uhr, ließ der Prinz, von Ribnitz kommend, seine Regimenter - Prinz von Holstein=Gottorp und Graf Finkenstein=Dragoner, die schwarzen Husaren Ruesch und die gelben Husaren Malachowsky = 20 Eskadrons - auf der Wiese vor dem Petrithor aufmarschiren und den Commandanten auffordern, ihm die Stadt zu übergeben. Zu gleicher Zeit waren die Schwadronen des Oberst von Froideville, von Wismar zurückkehrend, vor dem Kröplinerthor angelangt. Der Oberst von Zülow schickte den Major von Plessen zum Prinzen mit Gegenvorstellungen, allein Letzterer erklärte "kurz und hautement", er habe bestimmte Ordre vom Könige, Die Stadt zu besetzen. Der Major von Plessen, dessen feste Haltung bei dieser Unterhandlung besonders gerühmt wird, erklärte darauf, in diesem Falle würde die Garnison sich vertheidigen und kehrte in die Stadt zurück.
Hier hatte der Commandant alle Maßnahmen zur Vertheidigung getroffen; die Thorwachen waren verstärkt, die Truppen versammelt, und der Magistrat war ersucht worden, der Garnison die Benutzung der Stadtgeschütze zu erlauben. Diese Bitte schlug aber der Magistrat, welcher vor wenigen Tagen ebenfalls in Schwerin gebeten hatte, dem Commandanten die Vertheidigung zu verbieten, rundweg ab. Für die Praxis war die Versagung der Geschütze gleichgültig, denn ernstlich konnte Niemand daran denken, die alten Kanonen, welche seit vielen Jahren nicht mehr gebraucht waren und deren Munition und Ladezeug von der denkbar traurigsten Beschaffenheit war, sofort gegen den Feind zu verwenden; allein dieser Vorfall zeigte den üblen Willen, von dem auch dieser Magistrat beseelt war, in hellem Lichte.
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Als nun der Prinz 100 Dragoner absitzen ließ und diese mit schußfertigem Karabiner im Arm gegen das Thor anrückten, hielt der Commandant, seiner Instruction gemäß, den Moment für gekommen, auf freien Abzug zu capituliren. Der Major von Plessen ritt nochmals zu dem Prinzen hinaus und schlug einen 48stündigen Waffenstillstand vor, während dessen die Befehle des Herzogs von Lübeck eingeholt werden sollten; der Prinz bestand aber auf sofortiger Uebergabe. Nach längeren Unterhandlungen wurde die Stadt, gegen freien Abzug der Garnison mit allen Ehren, den preußischen Truppen übergeben. Letztere besetzten sofort die Thore und das Regiment marschirte am nächsten Tage nach Bützow ab.
Unmittelbar nach der Capitulation hatte der Oberst von Zülow den Major von Plessen mit der Meldung des Geschehenen nach Lübeck gesandt. Nach zwei Tagen traf derselbe wieder in Bützow ein mit dem Auftrage des Herzogs das Regiment nach Schwerin zu führen. 1 )
Da der Major unterwegs in Erfahrung gebracht, daß der Prinz von Holstein sich mit seinem Corps nach Schwerin in Marsch gesetzt und er die Befürchtung hegte unterwegs mit seiner Truppe aufgehoben zu werden, beschloß er sich mittelst Nachtmarsches durch die preußischen Regimenter durchzuschleichen. Demzufolge brach er noch in derselben Nacht von Bützow nach Sternberg auf.
Der Major übernahm das Commando des Regiments unter schwierigen Verhältnissen. Die Disciplin war durch die Aufregung der letzten Tage, sowie durch reichlichen Branntweingenuß in der bedenklichsten Weise gelockert worden. Dazu kam, daß durch den Wechsel im Commando bei den Leuten die Befürchtung laut geworden war, der Major habe den Auftrag, sie in die Hände der Preußen zu liefern. Die Mannschaft fing an im Gliede laut zu murren, und als nach 1/2stündigem Marsch der zum Recognosciren vorausgesandte Officier die Meldung brachte, er sei zwischen Husaren= und Dragoner=Patrouillen gerathen, welche bei seinem Erscheinen sofort Miene gemacht hätten, die umliegenden preußischen Marschquartiere zu allarmiren, ertönte in den Reihen des Regiments der laute Ruf: "Man will uns verrathen!"
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Welcher Führer, und sei er der tüchtigste, behält seine Truppe noch in der Hand, wenn das ominöse Wort "Verrath" gefallen ist?! Der Major sah sich gezwungen, das Regiment nach Bützow zurückzuführen. Hier angekommen, legte er die Compagnien in Alarmquartiere, konnte aber trotz der angestrengtesten Bemühungen seiner Officiere nicht verhindern, daß die Mannschaften die traurigsten Excesse, ja sogar Plünderungen von Kaufmannsläden begingen.
Am nächsten Morgen 9 Uhr gelang es dem Major von Plessen seine Leute zum Abmarsch zu bewegen. Als das Regiment sich der Sternberger Burg näherte, sah er lange Colonnen Cavallerie sich auf Sternberg zu bewegen, während 4 Schwadronen Dragoner und Husaren neben dem Wege aufmarschirt waren. Bei diesem befand sich der Prinz von Holstein mit seinem Stabe.
Der Major von Plessen, welcher nicht einen Augenblick im Zweifel war, daß es auf eine Gefangennahme seines Regiments abgesehen sei, marschirte neben dem Wege auf und formirte Karree. Alles kam darauf an, dem Feinde durch die Annahme einer festen Haltung - seiner einzigen Vertheidigungswaffe! - zu imponiren. Ritten die preußischen Schwadronen zur Attacke an, war er, da er sich nicht vertheidigen durfte, gezwungen, in der unrühmlichsten Weise das Gewehr zu strecken.
Es währte nicht lange, da sprengte der Adjutant des Prinzen, der Capitain von Pfuhl, heran: der Prinz habe gehört der Major wolle in Sternberg Quartier nehmen, er beabsichtige dasselbe; laut gegebener Parole solle dem Regiment nichts Feindseliges geschehen. Der Major schickte den Capitain von Boddeck mit einem Gegencompliment zum Prinzen: er wolle nicht lästig fallen und bäte ihm anzugeben, welche Orte die Herren Preußen nicht zu belegen gedächten? Als unter diesen auch die Stadt Warin genannt wurde, beschloß der Major, dorthin abzumarschiren, was zu gleicher Zeit den Vortheil bot, die nicht zugefrorene Warnow zwischen sich und die Preußen zu bringen. Als das Regiment abmarschirte, entstand unter den preußischen Schwadronen eine lebhafte Bewegung; der Commandeur derselben eilte herbei und meldete, der Prinz habe ihm befohlen, sich dem Herrn Major als Sauvegarde zur Verfügung zu stellen, falls es in Sternberg und Umgegend Quartier zu nehmen gedächte. Da Letzterer nicht einen Augenblick zweifelhaft war, daß die Preußen sein Regiment in ihrer Mitte haben wollten, um es während der Nacht in den Quartieren aufzuheben, verbat er sich bestimmt jede Begleitung und erreichte Warin Nachmittags 5 Uhr. Dort legte er seine Mannschaften in
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Alarmquartiere dicht am Thor und versperrte die Straßen durch eine Wagenburg. Am nächsten Tage marschirte er weiter; da ihm aber gemeldet wurde, daß die Landstraße von preußischen Reitern wimmle, bog er auf Viecheln ab und marschirte über den See nach Schwerin, woselbst er Abends 7 Uhr mit todesmüden Leuten ankam. Auf dem Marsche waren 48 Mann desertirt.
Wenn wir uns die fast gleichzeitig gegen die Güstrower Garnison in Scene gesetzte Expedition vergegenwärtigen, so ist es trotz der gegentheiligen Versicherungen des Prinzen von Holstein wohl als sicher anzunehmen, daß es auf eine Gefangennahme des Regiments während des Marsches abgesehen war. Der König war sehr unzufrieden, daß man das Regiment hatte entkommen lassen; der Herzog aber belobte hocherfreut den Commandeur auf das Schmeichelhafteste, dessen Festigkeit und geschicktes Benehmen die Truppe vor Gefangenschaft bewahrt hatte.
Gleich nachdem Herzog Friedrich die Kapitulation von Rostock erfahren, hatte. er dem Hauptmann von Wendtland den Befehl gesandt, sofort nach Schwerin abzumarschiren. Aber schon war es zu spät, der Prinz von Holstein hatte nach der Besetzung Rostocks, während er selbst auf Schwerin marschirte, den General Graf Finkenstein mit dem Dragoner=Regiment gleichen Namens nach Güstrow abrücken lassen, um die dortige Garnison aufzuheben.
Der Capitain von Wendtland war nach den Vorgängen in Rostock - 5. Februar - jeden Augenblick darauf gefaßt, die Preußen vor den Thoren Güstrows erscheinen zu sehen. Am 7. kamen preußische Dragoner=Officiere aus den umliegenden Dörfern in die Stadt, um Einkäufe zu machen und ein Güstrower Beamter, der Abends von Schwaan kam, hatte dort einen preußischen General getroffen, welcher ihn sehr erstaunt gefragt hatte, ob denn die Garnison noch in Güstrow sei und ob sie denn nicht endlich machen wolle, daß sie herauskäme!? Der Capitain Wendtland verbrachte die Nacht vom 7. auf den 8. angekleidet in seinem Zimmer; ebenso seine Officiere; die Thorwachen waren verstärkt, Pikets bereit gestellt und der Befehl gegeben, die Thore bei Tag Nacht geschlossen zu halten.
Am nächsten Morgen, gleich nach der Reveille, als der Unterofficier der Schnoien=Thorwache das Thor und beide Schlagbäume - gegen den Befehl - geöffnet hatte und in die Wachstube zurückgekehrt war, kam von der Nebelbrücke her eine Kutsche angefahren. In derselben saßen der Hof= und Landgerichts=Secretair
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von Schöppfer, welcher in dem Dorfe Lüssow (1/2 Meile von Güstrow) wohnte und neben ihm mit gespannter Pistole 2 preußische Dragoner=Officiere, während ein Dragoner hinten auf dem Trittbrett stand und 3 Dragoner zu Fuß folgten. Schöppfer war in der verwichenen Nacht durch den General von Finkenstein und dessen Adjutanten, den Lieutenant von Humboldt, gezwungen worden, die Kutsche anspannen zu lassen und mit nach Güstrow zu fahren; das ganze Regiment folgte in einiger Entfernung unter Beobachtung äußerster Stille und wurde hinter den Scheunen an der Nebelbrücke verdeckt aufgestellt.
Als die Schildwache an der äußeren Barriere die ihr wohlbekannte Lüssower Kutsche, welche fast täglich in Güstrow aus= und einpassirte, herankommen sah, rief sie, ohne genauer in den Wagen hineinzusehen, den Unterofficier der Thorwache zum Examiniren heraus, ließ aber die Kutsche durch beide Schlagbäume bis dicht an das Thor heranfahren. Der Unterofficier, rasch herbeieilend, durchschaute die Sachlage sofort und rief mit lauter Stimme: "Verrath, wir sind verrathen! Thor zu!" Barrieren zu!" Aber von dem Pallaschhiebe eines Officiers getroffen, taumelte er zu Boden; den Schildwachen wurden die Gewehre weggerissen und die Mannschaften der Thorwache durch eine Abtheilung Dragoner, welche mit Aexten versehen in der Nähe versteckt war, schnell bewältigt. Dann sprengten auch schon die 5 Schwadronen in vollem Rosseslauf heran, jagten durch die Stadt, entwaffneten die übrigen Thorwachen und griffen die Mannschaften theils auf der Straße, theils in ihren Ouartieren auf. Der Adjutant des Grafen Finkenstein eilte mit einigen Reitern in die Wohnung der Capitains und nahm ihm den Degen ab; ebenso erging es den übrigen Officieren, dem Lieutenant von Hobe und den Fähnrichs von Kriritz und von Wendtland. 1 )
Zum General von Finkenstein geführt, bat Capitain von Wendtland vergebens um freien Abmarsch mit seinen Compagnien, indem er sich auf die Rostocker Vorgänge berief. "Die Garnison ist viel zu schwach, um freien Abzug prätendiren zu können!" antwortete der Graf. Den Officieren wurden ihre Degen zurückgegeben und gestattet abzureisen, wohin sie wollten; die Mannschaften aber, 80 an der Zahl, wurden auf Wagen gesetzt und in das Hauptquartier des Prinzen von Holstein nach Zibühl geschickt,
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welcher die tüchtigsten für das Dragoner=Regiment auswählte und den Rest zur preußischen Armee nach Sachsen schickte.
Am Abend langte ein Kurier aus Lübeck an, welcher den Befehl zum Abmarsch brachte; Wendtland konnte denselben nur mit seinen Officieren ausführen. In Schwerin angekommen, ließ der General von Zülow ihn als Arrestanten auf die Schloßwache setzen und im April wurde er auf Befehl des Herzogs vor ein Kriegsgericht gestellt.
Die Mitglieder des letzteren fanden in dem meklenburgischen Kriegsrecht keinen Paragraphen, welcher auf dem vorliegenden Fall Anwendbarkeit hatte; denn der von "dem Aufgeben oder der schlechten Vertheidigung eines Platzes" handelnde paßte nicht, weil dem Hauptmann von Wendtland ausdrücklich verboten war, Güstrow gegen einen Angriff mit den Waffen zu vertheidigen. Man mußte daher, wie es die Kriegsartikel in diesem Falle vorschrieben, "nach Billigkeit, Recht und wohlhergebrachtem Kriegsgebrauch" das Urtheil sprechen. Infolgedessen wurde der Hauptmann, weil er, wahrend er sich im Uebrigen als ein braver und umsichtiger Officier benommen, als ihm am 7. Abends die völlig glaubwürdige Nachricht geworden, daß sich preußische Truppen in der Nähe von Güstrow befänden und offenbar Etwas gegen die Garnison im Schilde führten, nicht seine gesammte Mannschaft während der Nacht unter den Waffen gehalten und auch bei Tage keine Officierpikets aufgestellt habe, zu einem dreiwöchigen Arreste verurtheilt.
Der Baron von Dittmar war außer sich über diesen milden Spruch des Gerichts; er erklärte denselben dem facto et juri ungemäß. "Ein Rostocker Kriegsrecht", so schloß er seinen Bericht an den Herzog, "cassirt einen Lieutenant, der sich einen lapsus judicii zu Schulden kommen ließ, der aber nicht einen Mann verloren hat und jetzt läßt man einen Capitain durch, der 100 Mann vernachlässigt und in seinem ganzen Commando nicht mehr Verstand an den Tag gelegt hat, als man von dem dummsten Musketier verlangen kann!" Indessen bestätigte der Herzog das Urtheil, dem Capitain von Wendtland aber wurde aufgegeben, unverzüglich seinen Abschied einzureichen.
Am 11. Februar 1758 meldeten die Patrouillen der Leibgarde, daß in sämmtlichen Dörfern der Umgegend von Schwerin preußische Cavallerie einquartiert sei. Es waren dies die Schwadronen des Prinzen von Holstein, welcher zur Armee des Prinzen Ferdinand von Braunschweig abmarschirte. Dieselben rückten aber am nächsten Tage weiter, nachdem der Prinz seinen Adjutanten
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nach Schwerin gesandt, um den Herzog Ludwig von Meklenburg zu becomplimentiren, eine Höflichkeit, welche Letzterer noch an demselben Tage durch Absendung seines Kammerjunkers von Vietinghoff hatte erwidern lassen.
Nach dem Abzuge des Prinzen übernahm der Oberst von Froideville den Oberbefehl über die preußischen Truppen in Meklenburg und sandte nun unvorzüglich eine Abtheilung Dragoner ab, um Schwerin zu blockiren.
Der Herzog, auf das Lebhafteste um das Schicksal seiner Truppen besorgt, schickte dem General von Zülow genau dieselben Verhaltungsbefehle, welche die Rostocker und Güstrower Truppen gehabt hatten, jedoch mit dem Hinzufügen, der General solle mit Kanonen und Musketen schießen lassen, wohlgemerkt aber - wenn der Feind schwächer sei, als die Garnison.
Es dürfte von Interesse sein, hier einen Blick auf den damaligen Zustand der Festung und Stadt Schwerin zu werfen, welche der General von Zülow gegen einen Handstreich des Feindes schützen sollte. (Siehe den Plan.)
Die Festung Schwerin, auf der Schloßinsel gelegen, war ein Erdwerk von unregelmäßiger Form, in dessen Mitte das Schloß lag und stand durch zwei hölzerne Zugbrücken mit der Stadt und dem Schloßgarten in Verbindung.
Von der Stadt war nur die Westseite befestigt, d. h. diejenige Linie, welche jetzt die Kaiser Wilhelm=Straße bildet. Ungefähr da, wo jetzt die Schloßstraße in die letztgenannte Straße einmündet, lag eine Mühle und vor derselben das Mühlenthor. Vor diesem Thore befand sich eine Bastion, an welche sich links, also nach dem Burgsee zu, ein kleines Scheerenwerk anschloß. Die Mühlenthor=Bastion oder Batterie wurde durch eine Courtine mit der Schmiedethor=Bastion verbunden, welche vor dem Schmiedethor, d. h. da lag, wo die Schmiedestraße in die Kaiser Wilhelm=Straße mündet. Die Courtine wurde durch ein vor derselben liegendes Ravelin gedeckt. Die ganze Länge der Festungswerke, welche völlig verfallen und ohne Pallisadirung waren, betrug circa 250 Meter. Von der Stadt waren dieselben durch ein schmales Gewässer getrennt, den Fließgraben, welcher den Burgsee mit dem Pfaffenteich verband und auch die Festungsgräben speisen sollte. Ueber zwei Brücken gelangte man aus der Stadt auf die Wälle. über eine dritte von da aus in das Ravelin und eine vierte vermittelte den Verkehr aus dem Ravelin mit der Vorstadt, dem
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jetzigen Marienplatz, Rostockerstraße u. s. w. Die Gräben waren völlig versumpft und boten, da sie infolgedessen nicht aufgeeist werden konnten, in dem überaus kalten Winter des Jahres 1757/58 kein Hinderniß dar.
Außer diesen Befestigungen sperrte ein Erdwerk in Form einer Flasche den Spielthundamm, 1 ) welcher von der Schelfstadt 2 ) zur Bischofsmühle und von da auf die Landstraße nach Wismar führte. Dies Werk, ebenfalls verfallen und ohne Pallisaden, war aber von dem Kläterberge 3 ) so vollständig eingesehen, daß es gegen Geschützfeuer nicht gehalten werden konnte. Im Uebrigen war die Stadt gänzlich offen und da die Seen von Anfang Februar bis Mitte März dergestalt zugefroren waren, daß die Eisdecke die schwersten Lasten trug, war die Stadt von allen Seiten einem überraschenden Angriff ausgesetzt.
In Schwerin waren jetzt die beiden Regimenter von Zülow vereinigt, 9 schwache Compagnien, nicht mehr als 550 Bajonette und die Leibgarde, welche aber nur dadurch auf 36 Berittene hatte gebracht werden können, daß Privatleute aus patriotischer Gesinnung ihre Karossiers zum Dienst für die Truppe hergegeben hatten. Den flinken preußischen Cavalleristen gegenüber waren diese ungewandten Reiter, auf schweren, nicht wendigen Pferden, in einer gänzlich hülflosen Lage und nicht immer gelang es ihnen, wenn sie einmal über den Schloßgarten hinaus patrouillirten die schützende Zugbrücke wieder zu erreichen.
Geschütze waren genug vorhanden; es standen 22 metallene Kanonen größeren und kleineren Kalibers auf den Wällen, allein die Munition war nicht fertig und das Ladezeug in der traurigsten Verfassung. Vor allem aber mangelte es an Bedienungsmannschaft; für sämmtliche Geschütze waren nur 6 aus Sachsen engagirte Konstabler disponibel und der General trug Bedenken, aus den Regimentsstücken feuern zu lassen, in der Besorgniß, die Lafetten möchten den Stoß der Pulverladung nicht aushalten.
Der General von Zülow - er zählte 70 Jahre und war gichtbrüchig - that sein Möglichstes, die Vertheidigung zu organisiren. Er ließ Geschützbänke anschütten und Pallisaden setzen. Das Schloß und die Mühlenthorbatterie wurde mit je 1 Compagnie,
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die Spielthunschanze mit 1 Officier und 30 Mann besetzt. Der schwere Wach = und Arbeitsdienst ermüdete die Mannschaften ganz außerordentlich, doch waren die Leute willig und guten Muthes, trotzdem sie wegen der im ganzen Lande herrschenden Theurung nicht satt zu essen hatten.
Es darf uns nicht Wunder nehmen, daß der General, welcher sich nicht verhehlte, daß es trotz aller Sorgfalt eine Unmöglichkeit für ihn war, einen geschickt ins Werk gesetzten Handstreich zu verhindern, in sehr gedrückter Stimmung war. Er schilderte dem Herzog die Schwierigkeiten seiner Lage in den grellsten Farben und schloß seinen Bericht: "Es fehlt Alles zur Defensive; ich bitte daher Eure Durchlaucht dringend, mich und die braven Leute nicht zu exponiren und uns abmarschiren zu lassen, so lange es noch geht."
Ein Abmarsch der Schweriner Garnison war nämlich schon vor der Blockade in Erwägung gezogen worden, und der General hatte die Regimenter in Marschbereitschaft setzen müssen. Die Blockadetruppen würden den Abmarsch auch jetzt nicht gehindert haben, denn sie waren nur wenige Eskadrons stark. Der Plan war aber wieder aufgegeben worden, weil man nicht wußte, wohin man die Truppen bringen sollte.
Von der Blockade selbst ist nicht viel zu sagen; sie verlief sehr harmlos. Kleinere Patrouillen ritten dicht an die Festungswerke heran, neckten die Besatzung und schossen mitunter auf die Schildwachen, welche dann das Feuer erwiderten; wenn sich ganze Schwadronen zeigten, wurde wohl auch die Garnison allarmirt. Verwundungen sind während der ganzen Dauer der Blockade nicht vorgekommen. Dabei waren die preußischen Postirungen so locker, daß fortgesetzt Lebensmittel in die Stadt gebracht werden konnten und der Verkehr mit dem Hofe in Lübeck nicht einen Augenblick unterbrochen wurde. Dennoch war die Angst und der Schrecken der Einwohner groß, da täglich Nachrichten aus der Umgegend einliefen, mit welcher Härte die preußischen Dragoner die ausgeschriebenen Contributionen beitrieben und die jungen Leute als Rekruten fortschleppten, und viele Bewohner Schwerins verließen mit ihren Familien und ihren Werthsachen die Stadt.
Der Vicekanzler suchte auf alle Weise die Zuversicht des Generals zu heben. Er rieth ihm, den Schelfwerder wohl zu beobachten und den See täglich 20 Fuß breit aufeisen zu lassen; "sonst sehe ich vorher," schrieb er. "daß nächstens einige Eskadrons von Hohen=Viecheln her eindringen und der Sache ein gar kläg=
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liches Ende bereiten werden:" Und als der General erschreckt meldete, daß nun auch 2 Bataillone preußischer Infanterie in Rostock eingerückt seien 1 ) und demnächst vor Schwerin erscheinen würden, erhielt er zur Antwort: "Was liegt daran?! Zwei Bataillone vor der Stadt und zwei in derselben, ist partie égale!"
Am 25. Februar ließ der Commandeur der Blockadetruppen, der Major von Hirsch, vom Regiment Schorlemer=Dragoner, die Garnison auffordern, sich zu Kriegsgefangenen zu ergeben. Der General von Zülow erwiderte, er habe Befehl von seinem Herzog sich bis auf den letzten Mann zu wehren. Als hierauf der Parlamentair bemerkte, daß in den nächsten Tagen Infanterie und Artillerie vor der Stadt ankommen werde und auf die Macht seines Königs hinwies, schickte der General den Fähnrich Köpcke mit einem preußischen Passirschein versehen, zur Meldung nach Lübeck. Schon am nächsten Tage konnte dem Major von Hirsch die Antwort des Herzogs mitgetheilt werden: Er wisse nicht, daß er im Kriege mit dem Könige von Preußen begriffen sei und könne nicht glauben, daß seine Majestät sich seiner Uebermacht bedienen sollte, um die Residenz eines minder mächtigen Reichsfürsten zu überfallen; der General solle strikte nach seiner Ordre handeln.
Indessen war man in Lübeck ernstlich besorgt Verschiedene Schreiben an den General von Zülow, vom Herzog unterschrieben, aber nicht abgesandt, liegen bei den Acten und geben Zeugniß von der Verlegenheit und Unschlüssigkeit der Regierung. Während ein Schreiben dem General befiehlt, sich bei Nacht mit der Garnison nach Dömitz durchzuschleichen, schreibt ihm das zweite vor, nach Wismar zu marschiren, um sich von dort zu Schiff nach Stralsund unter schwedischen Schutz zu begeben, und in dem dritten wird er aufgefordert sich bis auf den letzten Mann zu wehren. Endlich wurde ein viertes Schreiben mit dem Befehl abgesandt: schlimmsten Falles sollten, wenn der Feind der Garnison keinen freien Abzug gewähren wolle, die Regimenter aufgelöst werden und Jeder solle sich retten, so gut er könne.
Da keine Infanterie bei dem Blockadecorps eintraf, so änderte sich während des Monats März vor Schwerin nichts. Endlich am 13. April verbrannten die preußischen Feldwachen bei Ostorf, Neumühle und Lankow ihre Hütten und die dort aufgehäuften Faschinen, und das Blockade=Detachement marschirte nach Rostock
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ab, nachdem sich der Major von Hirsch brieflich in der harmlosesten Weise von der Welt der Huld des Herzogs angelegentlichst hatte empfehlen lassen. In der Freude seines Herzens belobte der Herzog den General von Zülow wegen seines geschickten Verhaltens und ließ den Mannschaften ein Geldgeschenk "zur Ergötzlichkeit" auszahlen. Im Mai verließen die preußischen Truppen Meklenburg gänzlich und marschirten nach Schwedisch=Pommern ab.
Am 18. Juni hob der General Graf Dohna, welcher nach der Abberufung des Feldmarschalls Lehwaldt Anfang März den Oberbefehl über die preußischen Truppen in Pommern und Meklenburg übernommen hatte, auf Befehl des Königs die Blockade von Stralsund auf und marschirte mit seinem ganzen Corps ostwärts gegen die Russen ab, welche sich in langsamen Märschen der Weichsel näherten, nachdem er die festen Plätze an der Peene, mit Ausnahme von Fort Peenemünde aufgegeben hatte. Zur Beobachtung gegen die Schweden ließ er an der Peenelinie nur einen Officier mit einem Husaren=Detachement und einige Frei=Compagnien aus Stettin zurück.
Meklenburg athmete erleichtert auf. Zahlreiche preußische Truppen hatten gerade nicht dauernd im Lande gelegen; aber die Beköstigung derselben, die ungeheure Menge Getreide und Fourage, welche das Land außerdem in die Magazine hatte liefern müssen, und die zwangsweise Gestellung von Pferden hatte störend in Handel und Wandel eingegriffen und die Preise aller Lebensmittel sehr erheblich in die Höhe getrieben. Durch die mit schonungsloser Härte vorgenommene Rekruten=Aushebung war Furcht und Schrecken unter den Einwohnern erzeugt, und die jungen Leute waren scharenweise über die Grenze geflohen.
Es hatte sich sehr bald herausgestellt, daß es für das Land schlechterdings unmöglich war, die kurzen Lieferungstermine inne zu halten. Der Feld=Kriegs=Commissar, General von Kleist, führte aber eine sehr energische Sprache und drohte mit scharfer, rücksichtsloser Execution. Um dies Unglück vom Lande abzuwenden, war zwischen Ersterem und dem Engeren Ausschusse ein neues Abkommen wegen der Zahlungstermine getroffen und in Rostock eine Casse eingerichtet worden, in welche die Aemter, die Städte und die Ritterschaft ihre Quoten einzuzahlen hatten und welche dann das Geld an das Feld=Kriegs=Commissariat abführen sollte: die Landes=Receptur=Casse. Ganz ohne Execution ging es freilich auch so nicht ab. Zuerst wurden die Executionen durch meklenburgische Soldaten auf Requisition dieser Casse beigetrieben; als aber diese
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Mannschaften öfter durch preußische Streifpartieen aufgehoben und als Rekruten weggeführt wurden, gaben die Preußen selbst die Commandos und da ging es dann oft sehr summarisch her.
Der Herzog beklagte sich in seiner Klageschrift an den Käiser und auch dem Engeren Ausschuß gegenüber bitter, daß die Vertheilung der Contribution und der Lieferungen nicht der Verfassung des Landes gemäß, sondern zum Nachtheil seiner Domainen geschehen sei. Während die Ritterschaft und die Städte von den geforderten 2500000 Thalern zusammen die Hälfte zahlen sollten, wurde den herzoglichen Domänen allein die andere Hälfte auferlegt. 1 ) Dazu kam noch, daß der General von Kleist nachdrücklich darauf bestanden hatte, daß die an Preußen und Hannover verpfändeten 12 Domänen von jeglicher Abgabe, sei es Geld, seien es Naturalien, befreit seien sollten. Der General von Kleist schreibt auch dem Engeren Ausschusse ausdrücklich, der König habe befohlen, "daß die Noblesse des Landes in jeder Beziehung soulagirt werden solle". Der Herzog sollte an Geld und Gut dafür büßen, daß er sich bei der Abstimmung über die Römermonate so bereit hatte finden lassen, und der Ritterschaft Meklenburgs sollte eine Anerkennung dafür zu Theil werden, daß sie auf dem Landtage des verflossenen Jahres der Bewilligung der Gelder für die Reichsarmee so hartnäckigen Widerstand entgegengesetzt hatte. Und diese ungerechte Vertheilung der Kriegslasten blieb auch dann von Bestand, als man sich preußischerseits überzeugt hatte, daß es für das Land unmöglich sei, die volle Contributionssumme zu zahlen und letztere auf 1000000 Thaler mit dem Engeren Ausschusse behandelt hatte. Die Stimmung der Regierung gegen den Engeren Ausschuß wurde hierdurch nicht verbessert; wenn sie sich auch sagen mußte, daß das preußische Kriegs=Commissariat die entscheidende Stimme hatte, so nahm sie es doch sehr übel, daß die Vertreter der Ritter= und Landschaft der ungerechten Vertheilung der Kriegslasten so bereitwilligst beigestimmt hatten. Es machte sich immer fühlbarer, welchen Fehler die Regierung begangen hatte, als sie, dem ersten Sturm weichend,
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außer Landes gegangen war. Indessen mußte sie gute Miene zum bösen Spiele machen und wies die verschiedenen Aemter an, die Einzahlungen direct an die Recepturcasse einzusenden. Hierdurch gerieth aber die herzogliche Renterei 1 ) in solche Geldverlegenheit, daß sie oft nicht wußte, wie sie die allernothwendigsten Zahlungen, z. B. die Löhnung der Truppen u. s. w., leisten sollte. Von den Beamten Gelder zu erhalten, war unmöglich geworden; diese gehorchten dem preußischen Befehlshaber, der Gewalt über sie hatte, mehr als den Befehlen des Herzogs, welcher sie nicht schützen konnte. So kam es denn vor, daß die Regierung ihren eigenen Beamten das vorräthige Geld mit Gewalt abnehmen ließ, wie z. B. im Amte Heidhof bei Dömitz.
Hier hatte der Amtmann zur Nedden 2400 Thaler bereit, welche am nächsten Tage nach Rostock abgeführt werden sollten. Da aber zu derselben Zeit der Commandant Major Hertrich dringend Geld gebrauchte, um die von Allem entblößte Festung Dömitz nothdürftig in Vertheidigungszustand zu setzen, so wurde er von Lübeck aus angewiesen, sich in aller Stille des Geldes zu bemächtigen. Dies geschah, wurde aber von dem dazu commandirten Hauptmann mit so großer Ungeschicklichkeit ausgeführt, daß der Commandant von Dömitz nur die Hälfte der Summe erhielt und allen Akteurs in dieser nicht sehr erquicklichen Comödie die größten Unannehmlichkeiten erwuchsen. Der Oberst von Froideville, welcher schon am nächsten Tage Kunde von dem Vorfall erhielt und in den allerheftigsten Zorn gerieth, citirte den unglücklichen Amtmann nach Rostock, wo sich derselbe wegen Verraths zu rechtfertigen hatte; dem Major Hertrich wurde gedroht, es solle Stadt und Festung Dömitz mit Feuer und Schwert verheert werden, wenn er das gestohlene Geld nicht sofort herausgebe und der Hauptmann wurde auf Veranlassung des Vicekanzlers Dittmar wegen seines kopflosen Benehmens in Untersuchung gezogen. Das Geld aber wurde von der Commandantur auf Befehl des Herzogs an die Receptur=Casse eingeschickt.
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Die 1. und 2. Offensive der schwedischen Armee im Jahre 1758 und Rückkehr des Herzogs nach Ludwigslust; Kriegsschaden des Jahres 1758.
Einem sofortigen Vorrücken der schwedischen Armee über die Peene stand im Juni des Jahres 1758 nichts weiter entgegen, als ihre eigene Unfähigkeit zu kriegerischen Unternehmungen.
Mit 16000 Mann war der Feldmarschall Ungern=Sternberg im Jahre 1757 bei Stralsund gelandet und ohne Widerstand zu finden bis Pasewalk und Prenzlau vorgerückt. Als aber das Lehwaldtsche Corps von der Weichsel heranmarschirte, hatte der schwedische Oberbefehlshaber am 12. November sofort den Rückzug angetreten, hatte an der Peenelinie einen kurzen Halt gemacht und war dann in unrühmlicher Eile bis Stralsund und Rügen zurückgewichen. Hier ging das Obercommando an den Generallieutenant von Rosen über, nachdem Feldmarschall Ungern den wegen Kränklichkeit erbetenen Abschied erhalten hatte. Die schwedische Armee war durch Krankheiten aller Art, welche eine beispiellos schlechte Verpflegung, die Ueberhäufung der Festung mit Mannschaften und der harte Winter hervorgerufen hatten, derart geschwächt, daß sie bei Beginn des Frühjahrs 1758 nur 7000 Waffenfähige zählte. Der Reiterei fehlten 1000, der Artillerie und den Trains 1400 Pferde; der Rest war theils unbrauchbar, theils durch Futtermangel entkräftet. Es währte bis zum Juli, daß die Regimenter durch Einstellung der Reconvalescenten und durch Ankunft von Verstärkungen aus Schweden auf eine Effectivstärke von 16000 Mann gebracht und die Offensive wieder aufgenommen werden konnte. Gegen die Mitte des Juli war die Armee an die Peene vorgerückt und besetzte Demmin und Anclam, einige Tage später auch das Fort Peenemünde. Der Oberbefehl war wiederum in andere Hände übergegangen; an die Stelle des wegen geschwächter Gesundheit sich zurückziehenden Generals v. Rosen trat der General=Lieutenant Hamilton.
Während dieser Zeit ereignete sich in Rostock ein Vorfall, welchen wir hier erwähnen wollen, weil er dazu beitrug, den Zorn, den der König gegen Herzog Friedrich hegte, zu erhöhen und die Maaßnahmen der Preußen beim Wiedereinrücken in Meklenburg zu verschärfen.
Anfang Juli 1758 rückte der schwedische Oberst=Lieutenant Graf von Löwenhaupt an der Spitze von 400 Mann Fußvolk
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und 400 Reitern in Rostock ein und eröffnete dem Engeren Ausschusse, er habe von seiner Regierung den Auftrag, zu verhindern, daß die von den Preußen ausgeschriebenen Contributionsgelder weiter bezahlt würden, sowie die in der Landes=Receptur=Casse befindlichen Summen in Beschlag zu nehmen; denselben Auftrag habe der Officier, welcher mit 70 Mann in Güstrow eingerückt sei, woselbst sich eine Filiale der Receptur=Casse befand.
Das Begehren des schwedischen Befehlshabers erregte unter den Mitgliedern des Engeren Ausschusses die höchste Bestürzung. Man erwiderte, die ursprüngliche, ganz unerschwingliche Forderung der Preußen von 2500000 Thalern sei mit der größten Mühe soeben auf eine Million herabgehandelt worden; wenn nun die Zahlungen stockten, seien beim Wiedereinrücken der preußischen Truppen die schlimmsten Folgen für das Land zu befürchten; auch hätten Letztere ja noch die Geißeln der Ritterschaft in Händen. Da der Graf Löwenhaupt aber bestimmt auf seiner Forderung beharrte, wandte sich der Engere Ausschluß an den Herzog, welcher im Juli von Lübeck in seine Residenz gurückgekehrt war, und Letzterer erreichte durch die Vermittelung des Mr. de Champeaux und des französischen Militair=Bevollmächtigten im schwedischen Hauptquartier, des Marquis von Montalembert, daß der Oberst=Lieutenant Löwenhaupt mit seinem Detachement Rostock verließ; aber nicht ohne auf Befehl des Generals Hamilton zwei Mitglieder des Engeren Ausschusses, den Oberst=Lieutenant a. D. von Drieberg und den Bürgermeister der Stadt Rostock Mantzel in das schwedische Hauptquartier abzuführen, weil der Engere Ausschuß sich geweigert hatte, einen eidlichen Revers zu unterschreiben "keinerlei Gelder oder Lieferungen, unter welchem Vorwande es auch sei, an den König von Preußen abzuschicken."
Die meklenburgischen Herren wurden im schwedischen Hauptquartier sehr freundlich behandelt, nur warf ihnen der General Hamilton ihr unpatriotisches Benehmen auf dem vorjährigen Landtage vor und erklärte, er würde, wenn die Receptur=Casse ohne sichtbaren Zwang Gelder an Preußen abführe, sich die gleiche Summe von Meklenburg zahlen lassen.
Unter diesen Umständen hielt es der Herzog für geboten, der Gewalt zu weichen und der Receptur=Casse die Weisung zu ertheilen, vorläufig die Zahlung der Contributionsgelder an Preußen einzustellen. Es waren bis dato gezahlt worden: 542258 Thaler.
Im Hauptquartier des Grafen Dohna wohin die meklenburgischen Contributionsgelder abgeführt werden mußten, zweifelte
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Niemand daran, daß der Herzog die Schweden ins Land gerufen habe, um sich der lästigen Zahlungen zu entledigen. Der Hauptmann a. D. von Vegesack, welcher im Auftrage des Engeren Ausschusses in Berlin stationirt war, um dort die Gelder von Rostock in Empfang zu nehmen, wurde sofort nach Frankfurt a. O. gerufen, vom Grafen Dohna sehr hart angelassen und mit der höchsten Ungnade des Königs bedroht, welcher in einigen Tagen mit der Armee dort erwartet wurde. Bestürzt eilte Vegesack nach Berlin zurück um dort die fällige Quote aufzuleihen; allein er mußte nach Rostock melden, daß er vergeblich hohe Provision und enorme Zinsen geboten; seit dem Einrücken der Schweden in Rostock wolle ihm in Berlin Niemand einen Thaler leihen.
Die meklenburgischen Stände waren sehr erzürnt über diese Affaire, von der sie nur Unheil für das Land vorhersahen; wie sie denn überhaupt sehr wenig mit der ganzen preußenfeindlichen Richtung der Politik des Herzogs übereinstimmten. Der Engere Ausschuß schrieb einen sehr schroffen Brief an die Regierung: "Warum sie denn die Schweden ins Land gerufen!? Nun sage der König, er habe ein Recht mit Meklenburg umzugehen, wie seine Feinde - die Russen - mit seinen Landen gethan, zumal da der Herzog ihm nun auch noch das bisher neutral gewesene Dänemark auf den Leib zu hetzen versuche." Die Regierung erwiderte - etwas kleinlaut -, sie habe die Schweden nicht gerufen, ließ aber das Verbot der Zahlungen bei Bestand.
Herzog Friedrich war nach dem Abmarsche der preußischen Truppen mit seinen Ministern und seinem Hofe vorläufig noch in Lübeck geblieben; erst als die Schweden Mitte Juli 1758 die Peene überschritten, war er nach Ludwigslust zurückgekehrt. Mit schwerer Sorge im Herzen hatte er sein Land verlassen; mit freudiger Hoffnung auf bessere Zeiten kehrte er zurück, denn die Chancen begannen wieder ein günstigeres Aussehen zu gewinnen. Von Osten her nahte die mächtige Hülfe der Russen, und die Schweden schickten sich an, in das Herz der preußischen Monarchie einzudringen. Im Lande aber gab es für die Regierung viel Arbeit; vor Allem galt es der aufgeregten und verschüchterten Bevölkerung Vertrauen einzuflößen und die vielfach gelockerten Bande der bürgerlichen Ordnung wieder zu befestigen.
Von den herzoglichen Truppen blieb die Leibgarde und das Regiment Alt=Zülow, bei welchem letzteren die beiden in Güstrow gefangenen Compagnien neu errichtet waren, in Schwerin in Garnison, während das Regiment Jung=Zülow nach Güstrow verlegt
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wurde, jedoch mit der Instruktion für den Commandeur, nach eigenem Ermessen nach Schwerin abrücken zu dürfen, wenn ernstliche Gefahr drohe. Den Compagniechefs wurde aufgegeben, ihre Compagnien durch Werbung im Lande schleunigst zu completiren, jedoch sollte jede gewaltsame Werbung den Officieren bei Strafe der Cassation untersagt sein.
Im October d. J. gerieth die Regierung mit der Stadt Rostock in Conflict, welcher ein Einschreiten der bewaffneten Macht zur Folge hatte.
Rostock hatte während der preußischen Invasion mehr als die übrigen Ortschaften des Landes durch Einquartierung und Naturallieferungen zu leiden gehabt, und verlangte daher bei der Aufbringung der preußischen Contributionsgelder besonders berücksichtigt zu werden. Als nun die Schweden die Abführung der Gelder aus der Receptur=Casse an Preußen verboten und den Bürgermeister als Geisel mitgenommen hatten. hielt sich der Magistrat nicht mehr für verpflichtet, die auf Rostock fallende Quote weiter zu entrichten und verweigerte hartnäckig jede weitere Zahlung, "die ja keinen Zweck mehr habe." Als infolgedessen ein Officier mit 30 Mann nach Rostock gesandt wurde, um die Zahlung executorisch beizutreiben, erwachte der alte hanseatische Trotz, die Stadt schloß ihre Thore und verweigerte dem Commando den Einmarsch. Der Officier war gezwungen, sich mit seinen Leuten in der Vorstadt einzuquartieren.
Die Regierung war aber keineswegs gesonnen, diese Auflehnung der Stadt hinzunehmen. Der Generalmajor von Zülow erhielt Befehl, mit seinem ganzen Regiment nach Rostock zu marschiren und die Execution auszuführen. Am 4. November ließ der General seine Compagnien zu gleicher Zeit gegen das Stein= und das Kröpeliner=Thor vorrücken und drohte mit ungesäumter Gewalt. Hierauf ließ es indessen der Magistrat nicht ankommen und öffnete die mit Stadtsoldaten und bewaffneten Arbeitern besetzten Thore. Bis zum 15. December blieb das Regiment in der Stadt, wurde dann aber nach Schwerin zurückgezogen, weil die Annäherung der preußischen Truppen ein längeres Verbleiben gefährlich erscheinen ließ. Um aber factisch das Besatzungsrecht nicht aus den Händen zu geben, wies die Regierung den General von Zülow an, den Hauptmann Michel Kredewahn mit seinen Invaliden aus Sülze und Ribnitz heranzuziehen und ihnen die Stadtschlüssel sowie die Thorwachen zu übergeben.
Die Lasten, welche den meklenburgischen Landen durch die Invasion der preußischen Truppen von Ausgang December 1757
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bis zum Juli des Jahres 1758 auferlegt wurden, waren sehr erhebliche. Freilich wurden von den geforderten Millionen in Wirklichkeit nur 542258 Thaler baar bezahlt, aber die Schäden und Kosten, welche das Land an Korn =, Fourage =, Pferde= und Vie=Lieferungen, an Executionskosten, Durchmärschen und Einbuße durch unbestellte Felder zu erleiden gehabt hatte, beliefen sich auf 1252346 Thaler, so daß der Gesammt=Schaden 1794604 Thaler betrug. Außerdem wurden 1556 Menschen gewaltsam als Rekruten weggeführt.
Die Beschwerdeschrift des Herzogs von Meklenburg; Verhandlungen und Streitschriften in Regensburg.
Wir haben gesehen, daß der Freiherr von Plotho durch die schneidige Art seines Auftretens und durch die Rücksichtslosigkeit seiner Ausdrucksweise, mit welcher er die Interessen seines Königs vertheidigte, alle preußenfeindlichen Reichsstände auf das Aeußerste gereizt hatte. Man hatte gehofft, er würde nach dem Reichstagsbeschluß vom 17. Januar 1757 Regensburg verlassen; allein weit entfernt, freiwillig das Feld zu räumen, trat er kampfeslustiger und schroffer auf denn je. Da ward denn von verschiedenen Seiten die Frage aufgeworfen, ob es zulässig sei, daß der Baron Plotho, da sein König sich mit Kaiser und Reich im Kriegszustande befinde, überhaupt noch an den Sitzungen des Reichstages theilnehmen dürfe? Auch der meklenburgische Comitialgesandte wurde von seiner Regierung aufgefordert, sich über diesen Punkt zu äußern. Baron Teuffel berichtete, der brandenburgische Gesandte sei deshalb noch nicht aus Regensburg entfernt, weil nur die Reichsexecution gegen den König von Preußen erkannt, derselbe aber noch nicht durch die Reichsacht zum Reichsfeind erkärt sei.
Von einer so milden Auffassung der Sache wollte der Baron Dittmar aber schlechterdings nichts hören. "Der Herr Gesandte muß gründlich belehrt werden!" schrieb er und verfaßte zu dem Ende ein Promemoria, in welchem mit großer dialectischer Schärfe der Beweis geführt wurde, daß der Krieg gegen den König von Preußen keine Reichsexecution, sondern ein wirklicher Reichskrieg und folglich der König ein Reichsfeind sei. "Aus
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diesem Princip kann man ihm in unserem Interesse mehr beikommen!" fügte er erläuternd hinzu.
Die Denkschrift des Vicekanzlers wurde im Beisein des Herzogs im Ministerrathe verlesen und berathen. Der Graf Bassewitz äußerte sein lebhaftes Bedenken und fragte, ob es nicht gerathener sei, dergleichen theoretische Abhandlungen einem anonymen Schriftsteller zu überlassen, als dieselben, mit Seiner Durchlaucht Unterschrift versehen, durch den Gesandten in Regensburg der Oeffentlichkeit zu übergeben? Und ob nicht das Odium, welches sich der Herzog dadurch zuziehen würde, daß er die Feindschaft gegen Preußen weiter treibe, als selbst Oestreich und Sachsen es thun, nicht gar zu groß sein würde? Es ist ein bemerkenswerthes Zeichen für die Stimmung des Herzogs, daß trotz der sachgemäßen und staatsklugen Auseinandersetzungen des Grafen Bassewitz dies Schriftstück, welches nichts Anderes bewirken konnte, als die Erbitterung des Königs zu steigern, ohne in der Sache das Geringste zu nutzen, an den Baron Teuffel zur Bekanntmachung in Regensburg abgesandt und außerdem eine Abschrift in französischer Sprache - diese allerdings ohne Unterschrift des Herzogs und ohne Datum - dem Mr. de Champeaux zum beliebigen Gebrauch übergeben wurde.
Der Graf Bassewitz sah die Sache so ernst an, daß er bat, daß sein abstimmiges Votum bei den Acten aufbewahrt bleiben möge, als Beweis für spätere Generationen, daß die Frage im Ministerrathe nach allen Richtungen hin erwogen und beleuchtet sei.
Währenddessen war die preußische Invasion erfolgt und als die meklenburgische Regierung sah, daß es nicht auf einen bloßen Durchmarsch, sondern auf eine dauernde Occupation des Landes abgesehen war, hatte sich dieselbe mit einer ausführlichen Beschwerdeschrift und mit der dringenden Bitte um Hülfe an den Kaiser gewandt.
In Wien kam diese Klage sehr gelegen. Durch die officiellen Verhandlungen am Reichstage konnte man dem entrüsteten Europa ein neues Beispiel vor Augen führen, wie schnöde der Kurfürst von Brandenburg von neuem Recht und Gesetz mit Füßen getreten habe. Dem Herzog aber war es mehr um werkthätige Hülfe durch östreichische Truppen oder deren Alliirten zu thun, als den ganzen wirkungslosen Apparat von Kaiser und Reich in Regensburg für sich in Bewegung gesetzt zu sehen. Die Besetzung seines Landes hatte ihm zur Genüge gezeigt, wie gefährlich es sei, stets an der
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Spitze der Feinde des Königs von Preußen zu marschiren. Der Herzog verhielt sich daher anfangs ablehnend, als der Kaiser ihn unter der Hand durch verschiedene Kanäle bearbeiten ließ, die Sache dem Reichshofrath zu übergeben. So vergingen mehr als zwei Monate, ohne daß die Regierung Antwort oder Hülfe erhielt. Man fing an, in Schwerin ungeduldig zu werden: "Wenn der Kaiser uns im Stiche läßt," schrieb Baron Dittmar an den Hofrath Schmidt, "müssen wir wider Willen die Wege ergreifen, die unserer Stellung und Sicherheit die nächsten sind."
Der Vicekanzler zielte auf eine Verständigung mit Preußen ab, ernstlich war aber diese Drohung nicht gemeint; im Gegentheil, als sich beim Abzuge der Preußen aus Meklenburg das Gerücht verbreitet hatte, es sei die Räumung des Landes in Folge einer zwischen dem König und dem Herzog abgeschlossenen Convention geschehen, hatte die herzogliche Regierung dies überall, namentlich aber in Wien und Versailles lebhaft in Abrede nehmen lassen und versichert, daß man wie bisher treu zu Kaiser und dessen Verbündeten stehen werde. Deshalb vermied auch der Hofrath Schmidt bei seinen Vorstellungen in Wien alle Schroffheit und am Ende mußte man doch seine Zustimmung geben, daß die Sache durch den Reichshofrath in Fluß kam.
Darüber war aber viel Zeit vergangen und erst am 11. September kam ein kaiserliches Hofdecret in der Reichstagsversammlung zum Dictamen, welches die Klagen des Herzogs Friedrich, ein Mandat an den Kurfürsten von Brandenburg, seine Truppen aus Meklenburg herauszuziehen, und ein Protectorium an den König von Dänemark enthielt, in welchem Letzterer als Herzog von Holstein aufgefordert wurde, die Preußen aus Meklenburg mit Gewalt zu vertreiben.
Das kaiserliche Mandat an den Kurfürsten von Brandenburg wurde dem Herzog Friedrich zur Beförderung an seine Adresse eingehändigt und von diesem durch die Post an den König von Preußen ins Lager befördert. Nach Verlauf von 4 Wochen langte in Schwerin ein Packet mit der Hamburger Post an, welches an die meklenburgische Regierung adressirt war: in demselben lag uneröffnet das Mandat des mächtigen deutschen Reichs, auf welches man so große Hoffnungen gesetzt hatte.
Auch das "kaiserlich=oberst=richterliche" Protectorium gelangte nicht an seine Adresse. Es ist ein Irrthum, wenn angenommen wird, der König von Dänemark sei dem kaiserlichen Befehle ungehorsam gewesen; der König hat in Wirklichkeit das Protectorium niemals gesehen. Wir kommen hierauf zurück.
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In der Reichstagsversammlung beschäftigte man sich demnächst damit, die Reichsarmee operationsfähig zu machen. Im Frühling 1758 war die Letztere, welche auf 30000 Mann gebracht werden sollte, kaum 12000 Mann stark, und stand bei Bayreuth. Aber auch von diesen 12000 Mann war nur 1/3 gut bewaffnet, 1/3 hatte unbrauchbare Musketen und 1/3 war gänzlich ohne Waffen. In der Operationscasse befanden sich kaum 13000 Gulden und schon hatte der Wiener Hof Vorschüsse geben müssen, um die laufenden Ausgaben zu decken. "Es ist ein recht scandalöses Spectakel, die Reichsarmee. Es sieht dort confus und toll aus!" schrieb Baron Teuffel. Für die kaiserlichen Gesandten in Regensburg war es unendlich schwer, die Reichsstände zur Bewilligung der Matrikular=Beiträge zu bewegen. Wo es galt gegen Preußen zu votiren, fand sich leicht eine Majorität, aber zahlen wollte Niemand, selbst die meklenburgische Regierung sträubte sich lange, bis es endlich Dittmars Einfluß gelang, die Bedenklichkeiten des Herzogs zu besiegen. "Wenn Eure Durchlaucht gegen die Bewilligung der Gelder stimmen und Oestreich siegt, so verlieren Eure Durchlaucht beim Friedensschlusse jeglichen Anspruch auf kaiserliche Hilfe!" argumentirte der Vicekanzler. Am 28. August bewilligte die Reichsversammlung 20 Römermonate mit großer Mehrheit, aber nicht ohne heftigen Protest seitens des Baron Plotho. "Der König, mein Herr wird Jeden für einen öffentlichen Feind Preußens ansehen, der für die Bewilligung der Römermonate stimmen wird!" hatte er mit drohender Gebärde und mit lauter Stimme seinem Votum hinzugefügt. Der Baron Teuffel schrieb seiner Regierung: "Plothos Votum ist ein unanständiges, der deutschen Freiheit zuwiderlaufendes Votum! Es ist der crasseste Despotismus!"
An diesen Verhandlungen im Reichstage knüpften sich noch andere wichtige. Der Kaiser hatte Mandate an den Kurfürsten von Hannover, den Herzog von Sachsen=Gotha, den Landgrafen von Hessen=Cassel und den Grafen zu Lippe=Bückeburg erlassen und zum Dictamen in der Reichsversammlung gebracht, welche diese Fürsten ermahnte, von ihrer Verbindung mit dem Kurfürsten von Brandenburg abzulassen. Ferner nahm der Kaiser, da sich der Kurfürst von Brandenburg vor Kaiser und Reich nicht gestellt hatte, das Achtsverfahren nunmehr allen Ernstes in Angriff. Dasselbe wurde am 11. September in Form eines Contumacialverfahrens beim Reichstage eingeleitet.
Es ist die Behauptung aufgestellt worden, Meklenburg habe im Reichstage für die Achterklärung gegen Preußen gestimmt. Ganz so verhält sich indessen die Sache nicht.
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Zu einer Abstimmung in den 3 Collegien über das Achtsverfahren ist es überhaupt nicht gekommen. Es war nämlich in der Wahlcapitulation des Kaisers ausdrücklich bestimmt, daß bei eintretendem Achtsverfahren gegen einen Reichsstand vor der Verhandlung im Plenum, eine aus Ständen beiderlei Religion zu gleicher Anzahl bestehende Reichscommission niedergesetzt werden und daß, wenn dies nicht geschehen, die Achtserklärung null und nichtig sein sollte. Dies Verfahren aber hatte der Kaiser nicht beliebt; deshalb trat nun das corpus evangelicorum zusammen und die Majorität desselben legte am 29. November 1758 Verwahrung gegen das verfassungswidrige Verfahren ein. Eine kleine Minderheit, mit Meklenburg=Schwerin an der Spitze, stimmte gegen die Einlegung dieses Protestes, somit indirect allerdings für die Achtserklärung.
Am Kaiserhofe war man im hohen Grade aufgebracht über die Opposition der evangelischen Reichsstände. Da aber alle Bemühungen der kaiserlichen Gesandten, den Beschluß des corpus evangelicorum rückgänging zu machen, scheiterten, beschränkte sich der Wiener Hof darauf, ein Commissionsdekret an die Reichstagsversammlung zu richten, in welchem die Rechtsgültigkeit des Beschlusses der evangelischen Stände bestritten wurde, da eine itio in partes nur in Religions=nicht aber in politischen Sachen statthaft sei.
Gegen dies kaiserliche Dekret erhob sich ein gewaltiger Sturm unter den evangelischen Reichsständen. Von verschiedenen Seiten wurden Streitschriften gedruckt, um die Ansicht der kaiserlichen Regierung zu widerlegen. Selbst der französische Gesandte mischte sich hinein und rieth den Kaiserlichen, die Sache nicht weiter zu treiben. Baron Teuffel berichtete seiner Regierung ausführlich und bewies in einer sehr gründlichen und gelehrten Abhandlung über die betreffenden Paragraphen des Westfälischen Friedens, daß die evangelischen Stände zwar das jus eundi in partes in causis politicis hätten, aber daß der Beschluß derselben in diesem Falle nur dann Gültigkeit habe, wenn derselbe einstimmig gefaßt sei, während in Religionssachen eine einfache Majorität genüge. So verlief die mit so vielem Eclat gegen den Kurfürsten von Brandenburg in Scene gesetzte Achtscomödie langsam im Sande akademischer Abhandlungen.
Während in der Reichstagsversammlung in erbitterter Weise gestritten wurde, bekämpften sich auch außerhalb derselben die Diplomaten in Schmäh= und Streitschriften. Man erstaunt schier ob
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der Menge der äußerst voluminösen Abhandlungen pro et contra Preußen, welche aus officieller Feder herstammend in Berlin, Regensburg und Wien gedruckt und in den Handel gegeben wurden. Da wurden die Sünden und Missethaten der Häuser Habsburg, Hohenzollern und Hannover bis in die grauen Vorzeiten hinein verfolgt und jede Blöße schonungslos dargelegt.
Anfangs October veröffentlichte der Baron Plotho eine mit seinem Namen unterzeichnete Denkschrift: die Antwort Preußens auf die Klageschrift, welche die meklenburgische Regierung an den Kaiser gerichtet hatte. Er führte dem Herzog sein ganzes Schuldregister vor: seit seinem Regierungsantritte sei derselbe trotz der erst vor 4 Jahren erneuerten Hausverträge stets feindselig gegen den König aufgetreten; er habe ein Bündniß mit Frankreich geschlossen und Preußen dadurch den Krieg mit Schweden auf den Hals gezogen; er habe die schwedische Armee mit allen Subsistenzmitteln versehen, die Ausfuhr des Getreides aus Meklenburg aber verboten zum größten Schaden seiner Ritterschaft, lediglich um den Ueberfluß den Schweden zu Gute kommen zu lassen; im Reichstage habe er durch seine Abstimmungen seinen bösen Willen gegen Preußen gezeigt, nachdem er sich geweigert, den Vertrag zu ratificiren, welchen die beiderseitigen Bevollmächtigen in Bezug auf die friedlichen Werbungen der preußischen Truppen in Meklenburg abgeschlossen hätten. Sodann wies der Gesandte die Beschuldigungen der meklenburgischen Regierung mit großer Schärfe theils als übertrieben, theils als unwahr zurück; 2 1/2 Millionen Thaler Contribution seien niemals gezahlt, 8000 Rekruten niemals gefordert worden und die verlangten Lieferungen seien dem gesegneten und kornreichen Lande durchaus "proportionirlich" gewesen. Der König würde aber darnach das Schicksal "der Provinz" erleichtert haben, wenn nicht das mehr als feindliche Betragen, die Infraction der Hausverträge und die widrige Gesinnung Seiner Durchlaucht sich dies selbst zugezogen, trotz der nachdrücklichen Vorstellungen des Königs und seiner Alliirten. "Die Alliirten des Wiener Hofes," schloß der Baron Plotho, "saugen die occupirten Länder ganz anders aus, wie der König Meklenburg. Wie wird Hessen=Cassel gemißhandelt durch die Intendanten Foullon und de la Porte des Marschalls Soubise! Warum soll es einem Reichsstand und seinen Alliirten erlaubt sein zu sengen, brennen, plündern und rauben und dem anderen nicht?! Uebrigens ist Meklenburg jetzt geräumt, also der ganze Lärm post festum."
Die meklenburgische Regierung blieb die Antwort nicht schuldig; noch in demselben Monat erschien aus der Feder des Vicekanzlers
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eine Rechtfertigungsschrift. Um dieselbe möglichst weit zu breiten, wurde dieselbe in 3000 Exemplaren - zum Theil in französischer Sprache - gedruckt und an alle europäischen Höfe, aber auch an die Altonaer Zeitungen versandt, von wo man dieselbe unentgeltlich beziehen konnte.
Mit seltener dialectischer Schärfe und Gewandtheit widerlegte Baron Dittmar, Punkt für Punkt die preußischen Beschuldigungen. Er that dar, daß der Herzog sich niemals feindselig gegen den König von Preußen gezeigt und daß er in Regensburg nur für die Wiederherstellung der Ruhe im Reiche gestimmt habe. "Ist das nicht seiner Durchlaucht Recht als freier Reichsstand?!" Den Vertrag über die Werbungsstreitigkeiten habe der Herzog factisch ratificirt, aber der König habe anstatt dem Tractate durch seine Namensunterschrift Gültigkeit zu verleihen, willkürlich einen Artikel zugefügt, den der Herzog aus Rücksicht auf Kaiser und Reich nicht habe ratificiren können; die Bitte um Aufhebung des Kornausfuhrverbots habe der Herzog abgeschlagen, weil im Lande selbst Kornmangel gewesen; unwahr sei es aber, daß man den Schweden Korn verkauft.
Die Wirkung der Rechtfertigungsschrift war eine durchschlagende, selbst in der preußischen Hauptstadt, wie der Hofrath von Hövel von dort an seine Regierung berichtet: "Nun kann ich das Haupt doch wieder frei erheben und man zeiht mich nicht mehr, wie bisher, der Unverschämtheit, wenn ich den preußischen Beschuldigungen widerspreche."
Aber es gab einen Punkt, der nicht wegzuläugnen war: das französische Bündniß. Dies fühlte auch der Vicekanzler, denn er gab sich in seinem Exposé ganz besondere Mühe, das Recht Meklenburgs, nach Gefallen Allianzen mit auswärtigen Mächten abschließen zu dürfen, zu beweisen. "Es ist eins der größten ständischen Kleinodien, welche der Westfälische Friede uns gebracht hat!" schrieb er. Von der Befugniß aber des Königs von Preußen, welche ihm das Völkerrecht unzweifelhaft verlieh, nämlich, den Verbündeten Louis XV. als seinen Feind behandeln zu dürfen, war allerdings nicht die Rede.
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Die Mission Baron Dittmars nach Wien.
Als die meklenburgische Regierung sich durch ihre Abstimmung im Januar 1757 mit voller Entschiedenheit auf die Seite Oestreichs gestellt hatte, war sie sich der Gefahr voll bewußt, welche ihr drohte, wenn die Waffen Friedrichs II. siegreich waren. Sie hatte mit Freuden die Hand ergriffen, welche ihr der König von Frankreich entgegenstreckte, in dem Gefühl daß Kaiser und Reich allein gänzlich ohnmächtig seien, Hülfe und Schutz zu gewähren, sie suchte aber trotz dem feste Anlehnung auch an das Haus Oestreich. Der Baron Teuffel, vertraut mit den Verhältnissen am Wiener Hofe, war der Ansicht, daß man zu dem Ende einen Abgesandten an den Kaiserhof schicken müsse. Dies bestätigte auch der Vicekanzler Graf Coloredo, an welchen sich Baron Teuffel vertraulich gewandt hatte. Derselbe schrieb, man sei in Wien bereit, einen Tractat mit dem Herzoge abzuschließen, wenn Letzterer sich verpflichten wolle, sowohl im Reichstage, wie überall im kaiserlichen Interesse zu handeln. Der Herzog beschloß jedoch vorsichtigerweise in der Sache nicht weiter vorzugehen, bis sich das Kriegsglück zu Gunsten Oestreichs entschieden habe. Als am 18. Juni 1757 die Schlacht bei Kollin geschlagen und Böhmen von den Preußen geräumt war, riethen ihm seine Minister dringend, nun nicht mehr zu zögern. Infolgedessen richtete der Herzog - am 29. Juni - zwei gleichlautende Schreiben nach Wien, an die Kaiserin=Königin und an den Kaiser - an Letzteren nur, um seine Ergebenheit gegen Kaiser und Reich zu betonen -, in welchen er alle seine Wünsche in Bezug auf die verpfändeten Aemter, auf Lauenburg, Wismar mit Poel und Neukloster und in Bezug auf völlige Entschädigung, wenn er etwa wider Erwarten in den Krieg hineingezogen werden sollte, den östreichischen Majestäten dringend ans Herz legte.
Wir erwähnten bereits, daß der Herzog, nachdem im December 1757 die preußischen Truppen in Meklenburg eingefallen waren, am 18. Februar 1758 eine Beschwerdeschrift beim Kaiser eingereicht hatte und wodurch diese Angelegenheit so sehr verzögert wurde.
Im April 1758 theilte die meklenburgische Regierung dem Kaiser den Abschluß des zweiten Vertrags mit Frankreich (vom 1. December 1757) mit, was in Wien mit großer Befriedigung aufgenommen wurde und am 19. Mai 1758 ließ der französische
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Gesandte am Kaiserhofe, Mr. de Stainville durch Mr. de Champeaux den Herzog ersuchen, in Wien Schritte zu thun, damit der Kaiser sowohl, wie die Kaiserin von Oestreich dem zwischen Frankreich und Meklenburg abgeschlossenen Tractate beitrete. Hieraufhin richtete der Herzog - 30. Mai - wiederum zwei Schreiben an den Kaiser und an die Kaiserin=Königin, obwohl es ihm nicht leicht wurde, diesen Schritt zu thun, da er es bitter empfunden hatte, daß seine Schreiben vom 29. Juni vorigen Jahres, also fast ein Jahr lang, ohne Antwort geblieben waren. Ehe aber diese Schreiben an ihre Adresse gelangten, lief in Schwerin endlich - am 30. Mai - die längst erwartete Antwort Maria Theresias ein - wohl auf Veranlassung des französischen Gesandten -, daß sie beim etwaigen Friedensschlusse das Interesse des Herzogs nicht aus den Augen verlieren würde. Als nun einige Monate später der französische Minister Bernis dem Schweriner Hofe mittheilen ließ, daß die Kaiserin=Königin dem zweiten französischen Tractate beizutreten wünsche und als der inzwischen zum Herzog von Choiseuil erhobene Mr. de Stainville schrieb, er erwarte nunmehr mit Bestimmtheit die Ankunft eines bevollmächtigten Ministers in Wien, dessen Schritte zu unterstützen er den Befehl habe da entsandte der Herzog den Baron Dittmar mit ausgedehnten Vollmachten an den östereichischen Hof.
Die Entsendung des Vicekanzlers fand statt, als Louis XV. durch den Sturz Bernis und durch die Berufung Choiseuil=Stainville's zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten seinen Entschluß kund gethan hatte, den Krieg gegen den König von Preußen mit aller Energie fortzuführen. Es darf uns daher bei dem heißblütigen Charakter des Baron Dittmar nicht Wunder nehmen, wenn der Minister mit dem größten Eifer ans Werk ging und sich mit den hochfliegendsten Plänen trug. Noch vor seiner Abreise setzte er dem Herzog in einem ausführlichen Memoire auseinander, daß Meklenburg nach der Invasion außer den Aemtern Lauenburg und Wismar völlige Schadloshaltung werden müsse. Ja, er ging sogar soweit, von dem geringen Gebiet, welches die Coalition, dem Theilungsvertrag vom 1. Mai 1757 gemäß, dem König von Preußen noch lassen wollte, die Priegnitz für Meklenburg zu fordern, wogegen aber der besonnene Graf von Bassewitz so entschieden Protest erhob, daß von dem abenteuerlichen Project im Ministerrath nicht ferner die Rede war.
Der Baron Dittmar galt von der Zeit der Werbungsstreitigkeiten her dem Könige von Preußen als die Seele des Preußenhasses in Meklenburg; er fand es daher für gerathen allen unliebsamen
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Begegnungen mit preußischen Streifparteien aus dem Wege zu gehen und reiste über Bremen, Holland, Schwaben und Bayern nach Wien. Am 18. December 1758 in der östreichischen Hauptstadt angekommen, wurde er in der Antrittsaudienz sehr huldvoll empfangen. Maria Theresia äußerte sich sehr theilnehmend über das dem Herzog widerfahrene Unrecht und entließ den Minister thränenden Auges mit den Worten: "Gott wird endlich dem Gerechten beistehen!"
Der Baron Dittmar hatte in Wien zwei von einander getrennte Verhandlungen zu führen. Seine Instruktion lautete zunächst den Beitritt der Kaiserin von Oestreich zu dem französisch=meklenburgischen Bündniß vom 1. December 1757 zu betreiben und demnächst eine Declaration des Kaisers herbeizuführen, welche dem Herzog seine Ansprüche auf die Aemter u. s. w. und volle Entschädigung zusicherte. Daneben sollte der Minister noch beim Reichshofrath erwirken, daß die Gläubiger, welche die vom Herzoge Carl Leopold contrahirten Schulden bei diesem Gerichtshofe eingeklagt hatten, mit ihren Forderungen abgewiesen würden.
Leicht war es nicht, selbst für den gewandtesten Diplomaten, am östreichischen Hofe eine Sache rasch zum Abschluß zu bringen. Im Januar 1759 reichte der Vicekanzler eine Denkschrift ein und erst im Mai nach endlosen Verzögerungen und Vorverhandlungen übersandte der Bevollmächtigte Maria Theresias der Staatskanzler Graf Kaunitz, dem Baron Dittmar einen Vertragsentwurf, welcher in Schwerin sofort unverändert angenommen wurde. Am 29. Mai wurde der Vertrag in Form "einer Convention zur Aufrechterhaltung der deutschen Reichsgrundverfassung abgeschlossen und von Kaunitz und Dittmar unterzeichnet.
Während in dem ersten Artikel dieses Tractats beide Theile einander aufrichtige Freundschaft und Einverständniß gelobten, verhieß der Herzog in den Artikeln 2 - 6 für sich und seine Nachkommen im Wesentlichen nichts Anderes, als dem Erzhause treu, hold und gewärtig sein zu wollen. Dagegen versprach die Kaiserin=Königin in den Artikeln 7 - 9 dem Herzog das Beste seines Landes nach Möglichkeit zu fordern, beim Friedensschlusse ihm Ersatz und Entschädigung zu verschaffen und die Waffen nicht eher niederzulegen, als bis seine etwa vom Feinde in Besitz genommenen Lande wieder geräumt seien. Der wichtigste aber war ein besonderer und geheimer Zusatzartikel. In demselben trat Maria Theresia dem französisch=meklenburgischen Tractate vom 1. December 1757 in Allem und Jedem bei. Der Baron Dittmar mußte die größte Vorsicht anwenden, um diesen Vertrag, den man beiderseits streng
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zu secretiren beschlossen hatte, ungefährdet nach Schwerin zur Ratification gelangen zu lassen. Die Chifferschrift, in welcher die Correspondenz des Gesandten mit seinem Hofe geführt wurde, war bei einem Staatsvertrage nicht anwendbar und es lag die Gefahr nahe, daß derselbe preußischen Streifparteien in die Hände fiel. Deshalb schickte er das Aktenstück in einer Kiste, worin künstliche italienische Blumen verpackt waren und die er mit einem doppelten Boden hatte versehen lassen, nach Hamburg an einen Kaufmann und dieser, der selbst nichts von dem Inhalt wußte, sandte die Kiste als Postpacket nach Schwerin.
Der Vertrag wurde in Schwerin durch den Herzog am 3. und von Maria Theresia am 29. August 1759 ratificirt.
Der Vicekanzler machte sich nun sofort an die Erfüllung auch des zweiten Theiles seines Auftrags, mit dem Kaiser über die Entschädigung zu paktiren.
Wenn zu den Verhandlungen mit dem Grafen Kaunitz Zeit und Geduld gehört hatte, so bedurfte Baron Dittmar, um bei den Bevollmächtigten des Kaisers zum Ziele zu gelangen - Geld. Der Hofrath Schmidt hatte, um die Bedenklichkeiten - rationes dubitandi - des Grafen Coloredo und einiger Reichshofräthe zum Schweigen zu bringen, die sofortige Uebersendung von 2000 Dukaten für unumgänglich nothwendig erachtet. "Die solidesten Systemate und Allianzen," schrieb der Baron Dittmar. "müssen durch Geld unterhalten werden, wie bei allen großen Maschinerien die Freiheitsräder natürlicherweise geschmiert werden müssen." Eine so große Summe sogleich aufzubringen war aber bei der gänzlichen Erschöpfung der herzoglichen Kassen völlig unthunlich. "Baares Geld kann ich nicht geben," schrieb der Herzog an Dittmar, "wenn aber die genannten Personen es fertig bringen, mir die 12 Aemter, Lauenburg, Wismar mit Poel und Neukloster zu verschaffen, will ich ihnen zusammen eine jährliche Pension von 14000 Gulden lebenslänglich geben." Inzwischen hatte es aber die diplomatische Geschicklichkeit des Baron Dittmar doch erreicht, eine formelle Agnitionsakte zu den beiden französisch=meklenburgischen Tractaten in Form einer kaiserlichen Declaration herbeizuführen, welche in 3 Artikeln verhieß, dem Herzog beim Friedensschlusse eine Entschädigung und Rückgabe der 12 Aemter, sowie eine Anwartschaft auf Lauenburg, Wismar u. s. w. zu verschaffen.
Diese Declaration wurde, da sie kein eigentlicher Staatsvertrag war, vom Kaiser nicht unterschrieben, sondern nur mit dem kaiserlichen Siegel versehen, auch nur von den östreichischen
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Bevollmächtigten, dem Grafen Coloredo und dem Freiherrn von Borié, am 30. Juni 1759 unterzeichnet.
Ganz ohne Versprechungen von baarem Gelde scheint aber der meklenburgische Minister diese Declaration nicht erreicht zu haben, denn im December desselben Jahres übersandte ihm der Herzog die zur Bestechung der Reichshofräthe verlangten 2000 Dukaten. 1 )
Der Herzog hatte erreicht, was er sehnlichst erstrebt. Zwei mächtige Staaten und außerdem das Oberhaupt des deutschen Reichs hatten sich feierlich verpflichtet, seine Ansprüche beim Friedensschlusse zu vertreten. Das waren glänzende Aussichten, wenn nur dem sehr künstlichen Gebäude der Verträge das Fundament nicht gefehlt hätte - die Ratification des zweiten französischen Tractats. Ohne letztere war der Vertrag selbst und die auf demselben basirenden mit dem Hause Oestreich und dem deutschen Kaiser abgeschlossenen Tractate völlig ohne Werth.
Der Baron Dittmar war sich dessen völlig bewußt und richtete, als er die kaiserliche Declaration einsandte, an seine Regierung die dringende Bitte, nunmehr die Ratification des zweiten französischen Vertrags zu beschleunigen. Der hieran sich knüpfende Briefwechsel des Gesandten mit seinem Hofe macht einen eigenthümlichen Eindruck. In jedem Briefe drängt die Regierung ihren Minister die Ratification durch den französischen Gesandten in Wien bewerkstelligen zu lassen und dieser schließt keine Depesche ohne die Frage, ob denn Mr. de Champeaux noch nicht im Besitze der Ratification sei? Es gehörte viel Perfidie seitens des Versailler Hofes und eine seltene Schulung seiner Diplomaten dazu, um den Herzog und seine Räthe mit meisterhafter Gewandtheit 5 Jahre lang hinzuhalten, daß sie die Hoffnung auf französische Hülfe niemals ganz aufgaben und dadurch bewogen wurden, ihrer bisherigen Politik treu zu bleiben.
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Fortsetzung der diplomatischen Verhandlungen mit Frankreich.
Im Winter des Jahres 1757/58 hatte Herr von Champeaux, welcher dem Herzog nach Lübeck gefolgt war, auf Befehl seines Hofes die Unterhandlungen wieder aufgenommen. Unter allerlei Ausflüchten, warum die Ratification des zweiten Vertrages zur Zeit nicht thunlich sei, suchte er den Herzog zum Abschluß eines dritten Tractats zu bewegen. Der Gesandte einigte sich indessen mit den meklenburgischen Ministern nicht, - hatte auch wohl nicht die Instruktion, dies zu thun -, vielmehr nahmen die ausgetauschten Communiqués einen sehr erregten Charakter an. "Champeaux verlangt von uns," bemerkt Dittmar, "daß wir unterschreiben und damit aufhören, treue Diener unseres Herrn zu sein." 1 ) Durch eine beschwichtigende Erklärung Champeaux wird die Sache beigelegt, aber ein Vertrag kommt nicht zustande.
Ganz ohne praktischen Nutzen sind übrigens diese Verhandlungen für Meklenburg nicht gewesen. In einem Schreiben vom 5. Februar verheißt König Louis XV. dem Herzog, wohl um denselben bei gutem Muth zu erhalten, ohne dafür Gegenleistungen zu fordern, zum Unterhalt der herzoglichen Truppen eine monatliche Subsidienzahlung von 25000 Livres. Diese Gelder liefen nicht immer regelmäßig ein und hörten um die Mitte des Jahres 1760 gänzlich auf. Wirklich gezahlt ist von Frankreich, laut Empfangsquittungen vom Februar 1758 bis zum Mai 1760, also für 28 Monate, die Summe von 700000 Livres.
Diese Subsidiengelder, durch welche der König die meklenburgischen Stände, welche wegen der weiteren Folgen der preußenfeindlichen Politik des Herzogs, die sie nicht billigten, andauernd in Sorgen waren, zu beruhigen und willfähriger zu machen glaubte, flossen übrigens nicht aus französischen Kassen, sondern wurden in den unglücklichen deutschen Ländern erpreßt, welche die französischen Truppen besetzt hielten. Es schreibt nämlich der Herzog von Choiseuil an Mr. de Champeaux am 3. Juni 1759: "Ich ermächtige Sie, dem Herzoge zu sagen, daß im nächsten Winter die Contributionen in Feindesland erheblich vergrößert und die Ueberschüsse zu Gunsten Meklenburgs verwendet werden sollen. Seine Majestät
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hofft, daß es gelingen wird, durch diese Erklärung die Besorgniß der meklenburgischen Stände, sich im nächsten Winter einer neuen Invasion ausgesetzt zu sehen, zu beseitigen."
Dem edelmüthigen Herzen Herzog Friedrichs war es im höchsten Grade betrübend, aus dieser Quelle Entschädigung zu beziehen. Auch hatte er erst vor kurzem, als der französische Gesandte in Regensburg den Baron Teuffel gefragt hatte, ob es dem Herzog genehm sein würde, wenn seine Regierung Baden und Nassau auf demselben Fuß nähme, wie Preußen die meklenburgischen Lande? indignirt antworten lassen: ein so odieuses Mittel zur Abwendung der preußischen Gewaltthätigkeiten verbitte er sich ernstlich. Indessen nahm er die Gelder, denn die Noth im eigenen Lande war ihm die nächste.
Im Sommer 1759 war Mr. de Champeaux nach Versailles gereist, um nämlich Bericht zu erstatten und Instruktionen für weitere Verhandlungen einzuholen. Im November kehrte er nach Schwerin zurück und brachte ein Memoire mit, in welchem die Ratifikation des zweiten Vertrags verheißen wird, wenn der Herzog einen Vertrag, dessen Entwurf er gleichzeitig vorlegte, abschließen wolle. Diesen Entwurf schickte der Herzog an den Baron Dittmar nach Wien zur Begutachtung, mit dem Bemerken, daß er Bedenken trage, denselben abzuschließen, da er die Rechte und Vortheile, welche die beiden ersten Tractate ihm einräumten, abzuschwächen scheine. Der Vicekanzler erklärte sich mit dieser Auffassung völlig einverstanden und der Herzog gab Mr. de Champeaux in einem Gegen=Memoire den Wunsch zu erkennen, daß die weiteren Verhandlungen zwischen dem französischen Botschafter und Baron Dittmar in Wien geführt werden möchten.
Anfang März 1760 erhielt Letzterer den entsprechenden Befehl; allein schon Ende des Monats berichtete er seinem Hofe, der französische Botschafter 1 ) habe. ihm erklärt, sein Hof werde Entschädigungsverbindlichkeiten, diese hatte die meklenburgische Regierung in ihrem Gegen=Memoire gefordert, nicht früher eingehen, bis die französischen Waffen glücklich sein würden; deshalb sei ein Tractat mit Frankreich jetzt unmöglich.
Hierdurch geriethen die Verhandlungen völlig ins Stocken. Graf Choiseuil erklärte ohne weitere Instructionen zu sein und Mr. de Champeaux, vom Grafen von Bassewitz lebhaft gedrängt,
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sich über die meklenburgischen Gegenvorschläge auszusprechen, kam endlich mit der Erklärung heraus, daß sein Hof ihm befohlen habe, erst dann die Verhandlungen wieder aufzunehmen, wenn die Kaiserin=Königin wiederum der kaiserlichen Declaration vom 30. Juni 1759 formell beigetreten sein würde.
Von neuem begann Baron Dittmar seine Verhandlungen mit dem Grafen Kaunitz mit unermüdlicher Geduld. Dieselben währten fast ein ganzes Jahr und endlich am 1. December 1760 konnte er seiner Regierung eine Acte von höchst zweifelhaftem Werth zustellen, in welcher der Staatskanzler im Namen Maria Theresias seinen Beitritt zu der kaiserlichen Declaration erklärte. Als aber trotz dieser Accessionsacte die Verhandlungen mit Frankreich keine Fortschritte machten, beschloß der Herzog auf Anrathen des Mr. de Champeaux, seinen Comitialgesandten in Regensburg, den Baron Teuffel, an den Versailler Hof zu senden, um dort weiter zu verhandeln.
Wir wollen hier, um den Zusammenhang in der Erzählung nicht zu unterbrechen, die diplomatischen Unterhandlungen mit Frankreich zu Ende führen.
Den ersten Impuls zur Absendung eines Gesandten nach Versailles hatte der Baron Dittmar gegeben, als er sah, daß man durch die Verhandlungen mit den französischen Gesandten in Wien und Schwerin keinen Schritt weiter kam und er hatte sich selbst zu dieser Mission angeboten. Da aber der Herzog der Ansicht war, der Dienste des Vicekanzlers in Wien nicht entbehren zu können, so zog er es vor, seinen Comitialgesandten in Regensburg nach Versailles zu schicken.
Der Baron Teuffel wehrte sich, so lange er konnte, gegen eine Mission, deren Mißerfolg er voraus sah. Von der Urgirung der Ratification des Vertrags vom 1. December 1757 rieth er unter allen Umständen ab. "Die Sache sei in Frankreich nachgerade adiös geworden." Er scheint der einzige meklenburgische Staatsmann gewesen zu sein, welcher sich von der französischen Hülfe nichts versprach; er rieth dringend von der Mission ab. Nichtsdestoweniger wurde dieselbe in Schwerin beliebt; man ging aber auf die Ideen des Gesandten insoweit ein, daß ihm aufgegeben wurde, "am Versailler Hofe nicht von der Vergangenheit, sondern nur von der Gegenwart und Zukunft zu sprechen." Seine Instruktion lautete unter einem fremden Namen incognito nach Versailles zu reisen und dort den Abschluß des von Champeaux vorgelegten dritten Vertrags, mit den Abänderungen, welche die Schweriner
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Regierung in Bezug auf Entschädigungsansprüche gemacht hatte, zu erwirken; ferner in einem geheimen Separat=Artikel festzusetzen, daß der Herzog von Broglio, wenn seine Armee so weit vorgedrungen sein würde, das Herzogthum Lauenburg und die zwölf Aemter für den Herzog besetze.
Als der Baron Teuffel Anfang September in Versailles anlangte, fand er Mr. de Champeaux ebenfalls dort vor, aber Unterstützung konnte ihm derselbe nicht gewähren, denn er war ein in Ungnade gefallener Mann. Er war es gewesen, welcher den Herzog beredet hatte, einen Gesandten nach Versailles zu schicken, und das hatte ihm sein Minister, der durchaus nicht gesonnen war, bei dem damaligen Stand der politischen Angelegenheiten neue Verbindlichkeiten einzugehen, so übel genommen, daß er sogleich seinen Abschied erhalten hatte und es noch fraglich war, ob er Pension bekommen würde. Vertrauenerweckend war dieser Anfang gerade nicht, indessen ging der Baron Teuffel frischen Muths an die Arbeit.
Choiseuil empfing den Abgesandten des Herzogs sehr freundlich und zuvorkommend. Er bedauerte, daß der unglückliche Verlauf der Ereignisse die Ratificirung des zweiten Traktats unmöglich gemacht; der Herzog solle beim Friedensschluß ganz besonders berücksichtigt werden, aber wie? sei eine pure Unmöglichkeit zu sagen, das hänge lediglich von den Ereignissen ab; Champeaux habe sich auf Negocen eingelassen, zu welchen er keine Ordre gehabt; Versprechungen zu machen sei unmöglich; "aber," fügte der Minister mit französischem Pathos hinzu, "es ist nicht die Art der Krone Frankreichs seine Alliirten im Stich zu lassen!"
Als Baron Teuffel sodann fragte, ob man nicht geneigt sei, jetzt den dritten von Frankreich entworfenen Tractat abzuschließen nur mit Hinzufügung eines ganz unverfänglichen Artikels? erwiderte Choiseuil: "Nein, wir müssen das Ende der Campagne abwarten; lassen Sie es sich noch einige Monate bei uns gefallen, ich möchte nicht gerne, daß Sie abreisten, ohne Etwas erreicht zu haben."
"Wie es denn mit den Subsidien stehe?" "Ohne Zweifel sollen diese bezahlt werden," antwortete der Herzog, "aber es ist unmöglich die Termine innezuhalten, wir haben so viele Depensen."
"Eure Durchlaucht sehen, wie es steht; brüskiren läßt sich nichts, man muß abwarten. Ich habe genug von dieser Mission abgerathen," berichtete Teuffel nach Schwerin.
Bei der nächsten Unterredung war der französische Minister kühler und zurückhaltender; er ging sogar zu Vorwürfen über:
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"warum der Herzog denn nicht seine Truppen zu den Schweden stoßen lassen und selbst für die Vortheile kämpfen wolle, die er verlange!?" Endlich ward der Franzose unverschämt; als von den Subsidiengeldern die Rede war, sagte er: "Seine Majestät hat sich zu keinen Subsidien verpflichtet; was der König zahlt, giebt er dem Herzog als ein Gnadengeschenk - un gratuit - aus générosité."
Der Baron Teuffel bat den Herzog, ihn aus Paris abzuberufen; dies geschah im November 1761, 1 ) nachdem auch der Kaiser den Wunsch ausgesprochen, daß der Gesandte auf seinen Posten nach Regensburg zurückkehren möge; jedoch wurde er angewiesen, von dort aus die Verhandlungen mit dem französischen Hof fortzusetzen. Letztere beschränkten sich aber lediglich auf die Auszahlung der rückständigen Subsidien. Im Februar 1762 schrieb er an den östreichischen Gesandten in Paris, den Grafen Starhemberg: wenn Frankreich nun nicht zahle, sähe sich der Herzog genöthigt, seine 3000 Mann starken Truppen abzudanken, welche dann sämmtlich in den hannoverschen Dienst treten würden. Mit einer vertröstenden Antwort, die hierauf erfolgte, erreichten die Verhandlungen mit Frankreich völlig ihren Abschluß.
Es ist ein kunstvolles Gewebe von Perfidie und Niedertracht, welches uns die französischen Verhandlungen zeigen. Recapituliren wir: Zuerst verleitete der König von Frankreich den Herzog Friedrich zum Abschluß des Tractats vom 1. April 1757, welcher demnächst zu dem zweiten Vertrage vom 1. December desselben Jahres führte. Letzterer räumte dem König große Vortheile ein, namentlich den, sich durch Uebergabe der Festung Dömitz an der Elbe festsetzen zu können. Als die französische Armee sich Ende 1757 von der Elbe zurückziehen mußte und der Plan mit den Schweden und demnächst mit den Russen zu cooperiren, aufgegeben wurde, schickte der Marschall Richelieu den vom König ratificirten Vertrag, welchen er dem Herzog übergeben sollte, seinem Hofe zurück. Von diesem Augenblick an haben die französischen Staatsmänner nicht mehr die Absicht gehabt, dem zweiten Vertrag eine verbindende Kraft zu verleihen. Dies hinderte sie jedoch nicht, weiter zu verhandeln. Unter den verschiedensten Ausflüchten hielten sie den Herzog und seine Räthe hin. Zunächst sollte die Schweriner Regierung einen Vertrag mit Maria Theresia und dem deutschen Kaiser schließen, durch welchen beide Monarchen dem französisch=meklenburgischen
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Vertrage beizutreten erklärten. Dies geschah, aber die Ratification des zweiten französischen Tractats, ohne welche die beiden Wiener Verträge null und nichtig waren, erfolgte nicht. Dann legte Champeaux einen neuen Vertragsentwurf in Schwerin vor und machte den Abschluß eines dritten Tractats von der Beitrittserklärung Maria Theresias zu der Declaration abhängig, welche zwischen ihrem Gemahl, dem Kaiser, und dem Herzog von Meklenburg stipulirt war. Auch dies geschieht, aber wieder dasselbe Ränkespiel, der Abschluß des Vertrags erfolgt nicht.
Endlich reißt dem Herzog die Geduld, nachdem er sich vier Jahre lang hat täuschen lassen. Er schickt einen Abgesandten nach Paris, auf Anrathen Mr. de Champeaux. Dies ist dem französischen Minister im höchsten Grade unbequem; Champeaux fällt in Ungnade. Der Herzog von Choiseuil, anfangs höflich und zuvorkommend, wirft bald die Maske ab und beendet die Verhandlungen in brüsker Weise.
Der Grund für das französische Verhalten liegt auf der Hand. Häufige Gerüchte waren aufgetaucht, der Herzog wolle sich Preußen in die Arme werfen; dies wollte man verhindern, um nicht die werthvolle Stimme Meklenburgs in Regensburg einzubüßen und sich auf alle Fälle die in dem Vertrage vom 1. December 1757 stipulirten Vortheile zu sichern.
Auffallender ist das Benehmen des Wiener Hofes. Die Kaiserin=Königin und der Kaiser traten durch drei Staatsverträge dem französisch=meklenburgischen Tractat bei, obgleich ihre bevollmächtigten Minister, die Grafen Kaunitz und Coloredo genau wußten, daß derselbe, weil nicht ratificirt, ohne alle rechtsverbindliche Kraft war. Spielten sie dieselbe Komödie wie die französischen Staatsmänner, oder wurden auch sie dupirt wie die meklenburgischen?
Die zweite Invasion der Preußen im
December 1758;
der Herzog
begiebt sich nach Altona.
Die im Juli des Jahres 1758 begonnene Offensive der Schweden endete matt, wie sie begonnen, ohne Berlin zu erreichen, bei Neu=Ruppin und Fehrbellin. Mitte December führte der General von Lantinghausen, welcher für den in Ungnade abberufenen General Hamilton den Oberbefehl übernommen hatte, die schwedische
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Armee hinter die Peene zurück. Ihm gegenüber, zu schwach zum Angriff, stand der General Manteuffel, welcher mit einem Detachement von 5000 Mann vom Dohnaschen Corps dem Rückzuge der Schweden gefolgt war.
Inzwischen hatten sich zu Ende des Jahres 1758, trotz der bei Hochkirch - am 14. October - erlittenen Niederlage, die Verhältnisse sehr günstig für den König von Preußen gestaltet. Die Russen waren über die Weichsel, die Franzosen - nur der Marschall Soubise verblieb bei Frankfurt a. M. - über den Rhein zurückgegangen; der König hatte sich in Sachsen behauptet und Schlesien befreit. Dadurch war der General Graf Dohna mit seinem Corps - 24 Bataillone und 31 Eskadrons, ca. 13000 Mann - disponibel geworden und wurde nun nach Vorpommern geschickt, um die Schweden zu schlagen und in Schwedisch=Pommern und Meklenburg die Winterquartiere zu beziehen.
Am 20. December traf Graf Dohna über Wittstock bei Stavenhagen ein. Um den schwierigen Angriff auf die Peenelinie zu vermeiden, beabsichtigte er die Schweden in ihrer rechten Flanke zu umgehen, während der General Manteuffel dieselben in der Front an der Peene beschäftigen sollte. Zu dem Ende marschirte er über Gnoien und Sülze vor, fand aber die Trebel= und Recknitz=Uebergänge überall so sorgfältig bewacht und verschanzt, daß es ihm erst bei Dammgarten gelang, den Recknitz=Paß, welcher übereilt geräumt wurde, zu forciren.
Wiederum, wie im Winter 1757/58, war das Schicksal der schwedischen Armee in die Hände des preußischen Oberbefehlshabers gegeben und wiederum versäumte es der Graf Dohna, die günstige Gelegenheit zu benutzen. Anstatt von Dammgarten geradeswegs dem General Lantinghausen in den Rücken zu marschiren - was er an der Spitze von 13000 Mann ohne Gefahr wagen konnte - manövrirte er die Recknitz aufwärts, um die verlorene Verbindung mit seinem Unterbefehlshaber wieder aufzusuchen, die er denn auch am 6. Januar glücklich bei - Greifswald herstellte. Währenddessen war aber der General Lantinghausen unbehindert nach Stralsund und Rügen entkommen. Der General Dohna schloß nun die Festung Stralsund durch einen Truppen=Cordon ein und bezog Winterquartiere in Schwedisch=Pommern und dem angrenzenden Theile Meklenburgs.
Beim Einmarsch der preußischen Truppen in Meklenburg - Mitte December - waren die herzoglichen Beamten der Grenzämter und Deputirte der Ritterschaft ins Hauptquartier beordert
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und ihnen dort von dem Chef des Feld=Kriegs=Commissariats, dem General von Stutterheim, der Befehl ertheilt, nicht allein die Truppen zu verpflegen, sondern auch große Mengen von Getreide und Fourage in das Magazin nach Treptow zu liefern. Auch als Graf Dohna in Schwedisch=Pommern eingerückt war, hörten die Lieferungen für die Verflegung der Truppen nicht auf, so daß die Ortschaften an der Grenze völlig ausgesogen wurden. In Malchin war eine Feldbäckerei etablirt und von da mußten die Gemeinden das Brot, oft 12 Meilen weit nach Pommern hineinfahren. Dabei gingen die Gespanne in den schlechten Wegen zu Grunde; viele Pferde wurden aber auch von den preußischen Truppen zurückbehalten.
Am 10. Januar 1759 erging ein neues Ausschreiben zu einer großen Korn= und Fourage=Lieferung in die Hauptmagazine zu Havelberg und Demmin, welche fast um die Hälfte größer war, als die im vorigen Jahr verlangte, und sich in Geld berechnet nach einer Taxe des preußischen Commissariats, auf ca. 2000000 Thaler belief.
Hierzu kommen noch die Rückstände aus dem verflossenen Jahre. Wir wissen, daß von der auf 1000000 Thaler behandelten Contribution nur 542258 Thaler wirklich gezahlt waren; das geforderte Korn und die Fourage war ebenfalls nur zum Theil geliefert und der Rest zu Gelde berechnet worden. Diese Rückstände waren, als die Preußen Meklenburg verlassen hatten, wiederholt unter den heftigsten Bedrohungen mit Verwüstung und Verheerung eingefordert worden, aber auf Befehl des Herzogs nicht geliefert. Jetzt wurden sie mit unnachsichtiger Strenge durch preußische Commandos, welche in die Städte und Dörfer geschickt wurden, eingetrieben und hierbei ging es selten ohne Gewaltthätigkeiten und harte Behandlung der Einwohner ab. Durch dies Verfahren sowie durch Inanspruchnahme einheimischen und auswärtigen Credits seitens der Landesbehörden, flossen die Gelder reichlicher, so daß im März 1759 die Summe von 1300000 Thalern an die preußischen Kassen abgeführt werden konnte.
Am 27. Januar 1759 verlegte der Graf Dohna sein Hauptquartier nach Rostock und rückte daselbst mit drei Bataillonen Infanterie ein. Der Hauptmann Michael Kredewahn, welcher mit seinen Invaliden die Besatzung Rostocks bildete, kam nicht dazu, den feierlichen Protest gegen den Einmarsch, wie ihm von seiner Regierung befohlen war, bei dem preußischen Befehlshaber einzulegen; beim Erscheinen der feindlichen Colonnen stießen preußische Offiziere, welche schon am Tage vorher in Rostock angekommen waren,
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die wachhabenden Invaliden einfach bei Seite, entrissen ihnen die Schlüssel und öffneten das Thor.
Das Land litt schwer unter den Lieferungen der verschiedensten Art. Die Kaufleute mußten Tuch und Leinewand für den Bedarf der Truppen unentgeltlich hergeben; hunderte von Pferden mußte das Land stellen in natura oder in Geld. Zwar sollten diese Gelder auf die noch zu zahlende Contribution in Anrechnung gebracht werden, aber da die Rückstände und die neuen Forderungen so enorm hoch waren, daß das Land sie unmöglich zahlen konnte, war dies auch nur eine scheinbare Erleichterung. Wurden die Pferde oder an ihrer Statt das Geld nicht gezahlt, so nahmen die preußischen Remonte=Commandos die Pferde, wo sie dieselben fanden, so in Basedow 15, in Remplin 26, in Varchentin 9 Stück und von den Domänen wurden 300 Pferde zur Bespannung der Geschütze und Colonnen abgeholt.
Die Stadt Rostock litt besonders unter der Einquartierung; 3 Bataillone und zahlreiche Pferde mußten unentgeltlich verpflegt werden und die Winter=Douceurgelder für die Offiziere allein betrugen 2000 Thaler. Außerdem mußte die Tafel des commandirenden Generals reichlich versorgt werden.
Nichts war aber empfindlicher und schrecklicher für das Land, als die gewaltsame Aushebung der Menschen. Graf Dohna gab zwar gleich nach seinem Einmarsch in Meklenburg dem Engeren Ausschuß die bündigste Versicherung, daß, wenn für jedes der unter seinem Commando stehenden 15 Bataillone 1000 Thaler, also in Summe 15000 Thaler Werbegelder gezahlt würden, das Land von jeglicher Rekrutenstellung befreit sein sollte. Er erbot sich, wenn man seinem Worte nicht trauen wolle, die diesbezügliche Ordre des Königs vorzulegen. So sehr auch das Land schon durch die übrigen Forderungen mitgenommen war, wurde doch zur Aufbringung dieser Summe Anstalt gemacht und nach und nach waren schon 11000 Thaler gezahlt worden.
Aber auch dies Opfer schützte das Land auf die Dauer nicht. Wir wissen aus der Geschichte des 7jährigen Krieges, daß der König den General Dohna angewiesen hatte, den Bedarf an Menschen und Pferden für den Feldzug des Jahres 1759 nicht allein für sein Corps, sondern auch für die Armee des Prinzen Heinrich von Preußen in Sachsen aus Schwedisch=Pommern und Meklenburg zu entnehmen. Hierzu hatte man aber viele tausend Rekruten nöthig und es stellte sich heraus, daß die Werbung für Geld völlig unzulänglich war. Schon im Februar fingen die preußischen Truppen an, hie und da Leute von den Heerstraßen
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mit Gewalt wegzunehmen; systematischer wurde die Sache aber erst betrieben, als strengere Befehle vom Könige einliefen. In einem Schreiben wurde dem Engeren Ausschusse angezeigt der König habe befohlen, die Rekrutenlieferung im Meklenburgischen zu beschleunigen und fördersamst 8000 Rekruten auszuheben; "Seine Majestät will diese Intention ohne alle Einwendung und Raisonniren erfüllt wissen," schloß das Schreiben, "sonst wird man zuletzt zugreifen und ohne Ansehen der Person Alles, wie es sich vorfindet und zum Dienste des Königs einigermaßen tüchtig ist, nehmen."
Diesem Schreiben folgte sofort eine Unternehmung gegen die Residenz Schwerin, wohin die meklenburgischen Truppen bei der Annäherung des Dohnaschen Corps zusammengezogen waren. Die Stärke der beiden Infanterie=Regimenter belief sich jetzt in 11 Compagnien auf in Summa 675 Bajonette. Da der Herzog keinen Augenblick daran zweifelte, daß die Aufhebung seiner Truppen fest beschlossene Sache war, hatte er schon im Januar angeordnet, daß ihm jede Bewegung der preußischen Truppen im Lande durch reitende Boten aus den Aemtern gemeldet werden sollte. Als daher der Generalmajor von Kleist, welcher die in Meklenburg cantonnirenden preußischen Truppen - 6 Bataillone und 7 Schwadronen - befehligte, den Major von Kleist mit 3 Bataillonen Infanterie, einigen Schwadronen und 8 Geschützen in aller Stille von Rostock absandte, um die meklenburgischen Truppen aufzuheben, befahl der Herzog dem General von Zülow sich mit den Truppen auf den Kaninchenwerder, einer kleinen Insel im Schweriner=See, zurückzuziehen und sich dort auf das Aeußerste zu vertheidigen. Der Herzog für seine Person begab sich mit seiner Gemahlin, den Ministern und einem kleinen Gefolge nach Hamburg und von da nach Altona.
Am 15. März erschien der Major von Kleist vor Schwerin, ließ seine Geschütze auf das Schloß richten, in welchem sich der Erbprinz Ludwig mit seiner Familie befand und forderte die Garnison auf, die Waffen zu strecken. Der General von Zülow hielt den an ihn abgeschickten Offizier so lange hin, bis sich seine Truppen in die bereit liegenden Fahrzeuge begeben hatten. Der Major Kleist ließ zwar das Feuer auf die Böte während der Ueberfahrt eröffnen, welches vom Kaninchenwerder aus erwidert wurde, aber der großen Entfernung wegen wurde auf beiden Seiten keine Wirkung erzielt. Darauf nahm er Stadt und Schloß in Besitz, ließ die Häuser durchsuchen und alle diensttauglichen Leute als Rekruten fort transportiren; selbst ansässige, verheiratete Bürger und die
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herzoglichen Diener wurden nicht verschont. Sogar Prinz Ludwig wurde bedroht, falls er den Herzog nicht bewege, die Truppen auszuliefern. Der Herzog verweigerte dies aber standhaft, und der Major verließ nach zehntägigem Aufenthalt die Stadt.
Einige Zeit darauf kam nochmals ein preußisches Detachement nach Schwerin und führte aus dem Zeughause und von den Wällen 22 metallene Geschütze 1 ) mit sich fort. Ein gleiches Schicksal traf kurz darauf die Stadt Rostock, der ebenfalls sämmtliche Geschütze - 29 an der Zahl - genommen wurde. Am 8. April rückte der General Zülow mit seinen Regimentern wieder in Schwerin ein.
Nach dieser verunglückten Razzia auf die meklenburgischen Truppen wurde die Rekrutenaushebung von den preußischen Befehlshabern mit verdoppelter Energie betrieben. Schon von Schwerin aus wurden einzelne Commandos zur gewaltsamen Aushebung der Menschen abgeschickt und nach dem Abmarsch von dort wurden diese noch vermehrt. Man nahm, was man fand, sogar alte Leute und Jungen. Handel und Wandel lag gänzlich darnieder. Die Mühlen standen still und man hatte Mangel an Brod, weil weder Müller noch Bäcker vorhanden waren. Alles, was nur gesunde Gliedmaßen hatte, verkroch sich in Waldungen und Moräste, wo Viele vor Hunger und Kälte umkamen. Manche liefen aus Angst vor den Werbern ins Wasser und ertranken vor den Augen ihrer Verfolger. Viele Tausend aber entwichen aus der Heimath, besonders nach Hamburg und Lübeck, wo sie blieben und so das Land noch mehr entvölkerten. Man schonte selbst die Fuhrleute nicht, welche die ausgeschriebenen Naturalien in die preußischen Magazine brachten. Der General von Kleist ging sogar soweit, daß er Gutsbesitzern, welche sich zur Stellung der von ihren Gütern verlangten Rekruten erboten und von ihm Sauvegardebriefe gegen die gewaltsame Wegführung der Menschen erhalten hatten, ihre Unterthanen einen Tag nach Ertheilung des Sauvegardebriefes wegnehmen ließ. Alle diese Uebel machten die Gelderpressung und sonstigen Grausamkeiten, welche bei diesem Menschenraub von Offizieren und Gemeinen, sowie von den auf Execution liegenden Proviant=Commissaren vorgenommen wurden, völlig unerträglich. 2 )
Mit dem Anfange des Monats Mai trafen die preußischen Truppen Vorbereitungen, die meklenburgischen Lande zu verlassen. Der General Dohna, welcher seine Regimenter in Meklenburg an
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Menschen und Pferden völlig completirt und in einen mustergültigen Zustand gesetzt hatte, wurde vom König gegen die Russen, welche von Polen im Anmarsch begriffen waren, abberufen. Am 15. Mai hob er die Einschließung Stralsunds auf und marschirte über Stettin nach Stargard in Pommern ab. Die unter General von Kleist bisher in Meklenburg gestandenen 6 Bataillone und 7 Schwadronen blieben auf Befehl des Königs zur Beobachtung der Schweden in Vorpommern zurück und bezogen ein Lager bei Bartow, die Cavallerie als Vorposten gegen die Peene vorgeschoben. Vor dem Ausmarsch aber forderte der Chef des Feld=Kriegs=Commissariats, der General von Stutterheim, Deputirte von den herzoglichen Domainen und den Städten nach Demmin, um mit ihnen über die geschehenen Lieferungen Abrechnung zu halten und nahm, um die Zahlung der noch restirenden Gelder sicher zu stellen, mehrere Beamte und Pächter als Geiseln mit nach Stettin.
Rückkehr des Herzogs nach Meklenburg; Vermehrung der meklenburgischen Truppen; 2. Offensive der schwedischen Armee i. J. 1759; Kriegsschäden des Jahres 1759; Streifereien der Preußen in Meklenburg im Winter 1759/60; Ankunft des Generals von Stutterheim in Meklenburg im Januar 1760.
Nach dem Abmarsch der preußischen Truppen kehrte der Herzog aus Altona in sein Land zurück. Von den meklenburgischen Truppen blieb das Regiment Alt=Zülow und die Leibgarde in Schwerin, dem Regiment Jung=Zülow wurden als Garnison die Städte Grabow, Neustadt und Crivitz zugewiesen. Sodann wurde, da, wie wir weiter unten sehen werden, die Höfe von Wien und Versailles durch den jetzt in Wien befindlichen Vicekanzler Dittmar in den Herzog dringen ließen, seine Truppen zwecks thätiger Mitwirkung am Kriege zu vermehren, am 10. Juni ein neues Bataillon errichtet. Zu demselben wurde als Stamm die dienstbrauchbare Mannschaft des Dömitzer Garnison=Bataillons abgegeben und außerdem 2 Compagnien des Regiments Jung=Zülow, welches Letztere wiederum 2 neue Compagnien errichtete. Zum Commandeur dieses
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Bataillons welches Güstrow als Garnison erhielt und am 30. Juni dort einrückte, wurde der Oberst von Both ernannt. Als Besatzung der Festung Dömitz mußten die beiden Infanterie=Regimenter soviel Mannschaften abgeben, als dem dortigen Garnisons=Bataillon entnommen waren. Da diese Regimenter ihre sämmtlichen alten und invaliden Leute nach Dömitz schickten, ist es erklärlich, wenn der Commandant der Festung, der Major von Hertrich, nach Schwerin meldete, daß er bei einem etwaigen Angriffe die Festung nicht 24 Stunden halten könne.
Wiederum hatte die schwedische Armee in Stralsund und auf Rügen in den engen Cantonnements bei schlechter Verpflegung durch Krankheiten schwer gelitten. Im Frühjahr verhinderten häufige Stürme die regelmäßige Zufuhr von Proviant, sowie Ersatz an Mannschaften und Pferden und so kam es, daß die Armee nur auf den Etat von 12000 Mann gebracht werden konnte, und noch längerer Zeit der Erholung in der Umgegend von Stralsund bedurfte, um selbst gegen das schwache Detachement Kleist offensiv verfahren zu können. Der General Lantinghausen begnügte sich damit, seine Cavallerie gegen die Peene vorzuschieben und erst als die Truppen des General Kleist nach der Schlacht bei Kunersdorf (12. August) vom Könige theils zu der von ihm befehligten Armee nach Fürstenwalde, theils nach Sachsen gegen die Reichsarmee abberufen waren, rückte er auch mit dem Gros der Armee bis an die Peene vor.
Mitte August begann der schwedische Oberbefehlshaber seine Offensivbewegungen. Während er mit dem Gros langsamen Marsches gegen die Ukermark vorrückte, besetzte der General Fersen mit einem Detachement von 4000 Mann die Oderinseln Usedom und Wollin und vereinigte sich dann wieder mit der Hauptarmee, welche die ihr entgegen getretenen Stettiner Garnison=Bataillone über die Uker zurückgedrängt hatte, bei Pasewalk am 1. October. Der General Lantinghausen hatte sich durch das geschickte Benehmen der Stettiner Truppen derart imponiren lassen, daß er sich in 6 Wochen - vom 21. August bis zum 1. October - nur 13 Meilen weit vorwärts bewegt hatte, ohne daß ihm ein Gegner, wenigstens nicht in nennenswerther Stärke gegenüberstand. Bei Pasewalk erreichte die schwedische Offensive völlig ihr Ende und gerade in dieser Zeit wäre ein rascher Vormarsch dringend geboten gewesen. Niemals während des siebenjährigen Krieges befand sich Friedrich II. dem Rande des Abgrundes näher, als nach der Kunersdorfer Niederlage und der Kapitulation von Dresden. Preußens Sache schien verloren. Da rettete den König dreierlei: die wunderbare Elasticität seines Geistes,
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die Geschicklichkeit, mit welcher sein Bruder Heinrich ihm den Rücken gegen Daun in Schlesien deckte und - es ist dies der Krebsschaden jeder Koalion - die Uneinigkeit der russischen und östreichischen Heerführer. Schon Mitte September war der König imstande, den General Manteuffel abzuschicken, um die Schweden zurückzutreiben.
Das Corps Manteuffel - Corps d'Armée hieß zu jener Zeit jede, selbst die kleinste, aus allen 3 Waffen zusammengesetzte und unter einem selbstständigen Befehlshaber stehende Truppe - war gering an Zahl; es zählte ca. 4500 Mann und bestand aus 8 Bataillonen Infanterie, welche in Berlin und Stettin aus Reconvalescenten des früheren Dohna'schen Corps 1 ) formirt waren, und aus dem Detachement des Obersten von Belling, welches von den beiden Frei=Bataillonen Hordt, 5 Schwadronen Belling=Husaren und 5 Schwadronen Meineke=Dragoner gebildet wurde. Das Corps war klein, was aber demselben an Zahl abging - es stand ein Preuße gegen 4 Schweden - ersetzte die Tüchtigkeit der Führer. Der Commandirende war einer der energischsten und unternehmendsten Generale aus der Schule des großen Königs, und Oberst Belling war ein so schneidiger und verschlagener Husar, wie je einer im Sattel gesessen. Kühn, listig, unermüdlich, wich er nie von dem einmal gefaßten Vorhaben ab, bis er es ausgeführt. Heute dem Feind in der rechten Flanke erscheinend, allarmirte er morgen die linke und trug noch an demselben Tage den Schrecken weithin auf die Verbindungslinie des Feindes; wenn aber der Gegner besorgt den Blick nach rückwärts wandte, donnerten die leichten Feldstücke Bellings in der Front, um eben so rasch wieder zu verschwinden. Jede Blöße des Feindes erspähte der scharfsinnige Husar und wußte sie auszubeuten. Dabei kam es ihm besonders zu statten, daß er als Lieutenant und Rittmeister viele Jahre lang beim Ziethen=Husaren=Regiment in Parchim in Garnison gestanden und Land und Leute bei den Streifereien während der Werbestreitigkeiten und bei dem intimen Verkehr, welchen die Husaren=Offiziere mit dem meklenburgischen Adel pflogen, gründlich kennen gelernt hatte. Er war das Musterbild eines Führers im kleinen Kriege. Seinem Husaren=Regimente, welches erst vor kurzem errichtet war, hatte er verstanden, den ihn beseelenden Geist einzuhauchen; diese vortreffliche Truppe versagte ihrem Führer nie. In dem Frei=Regiment Hordt, dessen ausgezeichneter Commandeur soeben von den Kosaken gefangen genommen war, besaß er eine für den kleinen Krieg nicht minder verwendbare Truppe. Diese beiden Truppentheile zeichneten sich bis
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zur Beendigung des Kriegs auf dem schwedischen Kriegsschauplatze in so hervorragender Weise aus, daß Friedrich der Große in seinen späteren Schriften ihrer als epochemachend im kleinen und Parteigängerkriege mit dem höchsten Lobe erwähnt.
Der General Manteuffel war bei Beginn seiner Operationen gänzlich auf die Regimenter Bellings und die 20 Geschütze, welche seinem Corps zugetheilt waren, angewiesen, denn seine Infanterie entbehrte völlig des innern, festen Halts und war vorerst noch nicht vor dem Feinde zu verwenden. Dem Oberst Belling fiel daher die Aufgabe zu, mit seinem Detachement als Avantgarde den Feind zum Rückzuge zu zwingen.
Aus den überaus langsamen Bewegungen der schwedischen Armee während des August und September, also zu einer Zeit, wo die Niederlage des Königs bei Kunersdorf so überaus günstige Chancen bot, kann man den Schluß ziehen, daß die Pläne des General Lantinghausen überall nicht weiter gingen, als, den bestimmten Befehlen seiner Regierung gemäß, mit der Armee in Feindesland zu überwintern. Aber auch dieseAbsicht mußte der schwedische Oberbefehlshaber aufgeben, als das Manteuffel'sche Corps vor seiner Front erschien. Von allen Seiten von den Belling'schen leichten Truppen umschwärmt, welche ihre Streifzüge sogar in seinem Rücken bis Demmin ausdehnten, und denen er nicht einen einzigen Mann brauchbarer, leichter Cavallerie entgegenzusetzen hatte, wurden seine Fouragirungen verhindert und ihm nicht allein die Zufuhren, sondern auch die Nachrichten von außen her abgeschnitten. Seine Offensivstöße, welche er machte, um sich Luft zu verschaffen, waren daher matt und glichen den Bewegungen eines Blinden, welcher, ohne Kenntniß der Außenwelt, sich unsicheren Schrittes mit dem Stecken weiter tastet. Dazu kam das beängstigende Gefühl, daß die Operationen auf den übrigen Kriegsschauplätzen bald aufhören und der König überlegene Streitkräfte nach Pommern senden würde. Die Stockholmer Regierung gab seinen dringenden Vorstellungen nach und genehmigte den Rückzug. Am 6. November führte der General Lantinghausen die Armee hinter die Peene zurück, an derem rechten Ufer sich die preußischen Truppen postirten. Da aber der General Manteuffel Befehl vom Könige hatte, die Winterquartiere in Feindes Land zu nehmen und ihm die Cantonnements für seine Truppen in Meklenburg zu gefährdet erschienen, weil die sämmtlichen Pässe über die Grenzgewässer in schwedischen Händen waren, griff er Ende Januar 1760 in Verein mit einem Theil der Stettiner Garnison die Schweden an, um sie nach Stralsund hineinzuwerfen. Dieser Versuch mißlang indessen der Uebermacht des Feindes gegen=
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über gänzlich und beide Teile behielten während des Winters ihre früheren Stellungen zu beiden Seiten der Peene bei. Für den General Manteuffel, welcher bei einem nächtlichen Ueberfall der Schweden in Anclam gefangen genommen war, übernahm der General von Stutterheim den Oberbefehl über die preußischen Truppen.
Es ist nicht recht ersichtlich, wie weit die Rückstände an Contribution und Natural=Lieferungen aus den Jahren 1758 und 1759 an Preußen gezahlt worden sind. Nach einer specificirten, zu den Akten liegenden Berechnung geht hervor, daß die gesammten Kriegsschäden, welche Meklenburg im Jahre 1759 erlitten, 1892997 Thlr. betragen und zwar an Contributionsgelder 233 478, an Douceur und Tafelgeldern für die Generäle und Offiziere 421059 und an Getreide= und Fourage=Lieferungen 1238460 Thlr. Zu Rekruten wurden in diesem Jahre 1690 Menschen gewaltsam ausgehoben.
Als sich im October 1759 die preußischen Truppen der meklenburgischen Grenze näherten, waren als Vorboten einer wiederholten Invasion vom Königlichen Feld=Kriegs=Commissariat Schreiben an die Verwaltung der herzoglichen Domänen, an die Ritterschaft und die Städte ergangen, in welchen in der bedrohlichsten Weise die Abtragung der Rückstände, die zu sehr hohen Summen angewachsen waren, gefordert wurde. Da nun nach den Resultaten der bisherigen Kriegsführung, welche jedesmal nach einer kurzen, matt im Sande verlaufenden Offensive mit einem Rückzuge der schwedischen Armee nach Stralsund endete und Meklenburg völlig in die Hände der Sieger gab, eine dritte Invasion zu befürchten war, entschloß sich die Regierung, so ungern sie dies auch that der falschen Auslegung wegen, welche eine solche Handlungsweise bei den Mächten der Coalition erfahren konnte, mit dem preußischen Oberbefehlshaber in Unterhandlung zu treten, unter dem ausdrücklich ausgesprochenen Vorbehalt "ihrer sonstigen Reichsfürstlichen Befugnisse und der Gewalt weichend." Es wurde der Assessor von Storch aus Güstrow, welcher viele Bekannte unter den preußischen Offizieren hatte, nachdem ihm preußischerseits freie Rückkehr zugesagt war, in das Hauptquartier des General Manteuffel gesandt. Hier kam nach langen Verhandlungen ein Vergleich dahin zustande, daß sich die herzogliche Regierung dahin verpflichtete, wenn kein Mann der preußischen Truppen die Grenze überschritte und auch sonst die meklenburgischen Lande von allen weiteren Leistungen verschont bleiben würde, von Ende Januar an, so lange die königlichen Truppen an der Grenze stehen würden, jede Woche 10000 Thlr. an das Kriegs=Commissariat zu zahlen. Diese Verpflichtung wurde
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von der Regierung auf das Genaueste erfüllt, trotzdem von den preußischen Truppen viele Streifereien in das meklenburgische Gebiet ausgeführt wurden. Eine ganz andere Gestalt nahmen aber die Dinge an, als Ende Januar 1760 der General von Stutterheim das Commando des Manteuffel'schen Corps übernommen hatte
Der General von Stutterheim war Adjutant des Königs und als solcher in den Jahren 1757 und 1758 dem Feldmarschall Lehwaldt und später dem Grafen Dohna beigegeben gewesen, mit dem speciellen Auftrage, für den raschen Fortgang der Lieferungen und besonders der Rekrutirung in den meklenburgischen Landen Sorge zu tragen. Diese Geschäfte hatte er aber nach Ansicht des Königs so lässig betrieben, daß derselbe im hohen Grade unzufrieden mit seinem Adjutanten war. Der König hatte jetzt auch nur sehr ungern das Commando über das Corps in die Hände Stutterheims gelegt, mit welchem derselbe einem dreifach überlegenen Feinde den Einmarsch in das preußische Gebiet verwehren sollte, aber er konnte seine besonders tüchtigen Generäle auf den wichtigeren Kriegsschauplätzen nicht entbehren und zwei Feldzüge hatten ihm gezeigt, daß die Schweden die mindest gefährlichen seiner zahlreichen Feinde seien.
Der General hatte die gemessensten Befehle vom Könige, die Lieferungen und Rekrutirungen in der schärfsten und rücksichtslosesten Weise zu betreiben. Er konnte sich daher durch die Abmachungen seines Vorgängers mit der meklenburgischen Regierung nicht gebunden erachten und erließ sofort Ausschreibungen zur Abtragung der Rückstände und zur Gestellung von 1000 Rekruten. Das Commissariat begann, die Gelder exekutorisch beizutreiben und der Assessor von Storch, welcher nunmehr das Hauptquartier verlassen wollte, wurde mit Arrest bedroht und mußte einen eidlichen Revers ausstellen, sich auf Erfordern sogleich wieder zu gestellen. Alle diese Forderungen und Exekutionen lieferten aber ein nur wenig befriedigendes Resultat, weil dieselben in diesem Jahre nicht systematisch und mit Ordnung betrieben werden konnten; daran verhinderte die ins Mecklenburgische abgeschickten preußischen Detachements die Stellung der schwedischen Armee.
Diese, im Winter in jeder Weise vortrefflich retablirt, deckte ca. 17000 Mann stark die pommersche Grenze von Dammgarten, Triebsees, Loitz, die Peene entlang bis Wolgast und war somit jeden Augenblick in der Lage, die Requisitions=Commandos, welche bei der Schwäche des preußischen Corps nur in geringer Stärke abgesendet werden konnten, aufzuheben. Es entspann sich im Winter und Frühjahr ein kleiner Krieg in Meklenburg, und den Belling'schen Husaren gelang es trotz ihrer großen Gewandtheit und Findigkeit
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nicht immer, der an Zahl so sehr überlegenen schwedischen Cavallerie zu entgehen; so wurde Anfang März das gesammte preußische Feld=Kriegs=Commissariat mit seiner Husaren=Eskorte in Parchim gefangen genommen.
Die diplomatischen Verhandlungen mit Dänemark; Convention mit Schweden; erster Marsch der meklenburgischen Truppen nach Rügen.
Bevor wir in der Erzählung der kriegerischen Ereignisse fortfahren, müssen wir unseren Blick auf die diplomatischen Verhandlungen, welche die meklenburgische Regierung mit dem dänischen Hofe anknüpfte, lenken.
Wie schon früher erwähnt, hatte sich Herzog Friedrich nach dem ersten Einrücken der preußischen Truppen in Meklenburg, kurz vor Weihnachten 1757, nach Lübeck begeben. Da es jedoch zweifelhaft war, ob er dort den nöthigen Schutz finden würde, richtete er im Februar des folgenden Jahres ein Schreiben an den König von Dänemark und bat um ein Asyl für sich und sein Gefolge in der Festung Rendsburg. In einem eingehenden, sehr verbindlichen Schreiben gab König Friedrich von Dänemark dem Herzog sein königliches Wort, daß er nicht allein in Rendsburg, sondern wo er wolle in des Königs Landen den erbetenen Schutz finden würde. Obgleich der Herzog keinen Gebrauch von diesem Versprechen machte, so benutzte er diese Gelegenheit, freundschaftliche Beziehungen mit dem dänischen Königshause anzuknüpfen, um so mehr, als er durch das am 21. August 1758 vom Kaiser dem Könige von Dänemark übertragene Protectorium auf den Schutz dieses Monarchen angewiesen war. Im September schickte der Herzog seinen Schloßhauptmann, den Baron von Forstner, mit einem Dankesschreiben und dem Auftrage nach Kopenhagen, "sich um die Zuneigung des Königs und die Freundschaft des Ministers, Grafen Bernstorf," welcher aus Meklenburg gebürtig und dort angesessen war, zu bemühen. Nach der noch in demselben Monat erfolgten Rückkehr des Baron Forstner beschloß der Herzog einen ständigen Gesandten an dem dänischen Hofe zu accreditiren und wählte hierzu den Geheimen Legationsrath von Lützow, welcher am 6. October zu
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Schloß Frederiksborg vom König in Gegenwart des Oberhofmarschalls Grafen Moltke und der drei Minister sehr gnädig empfangen wurde. 1 )
Der Hauptauftrag des Baron Lützow bestand darin, das kaiserliche Protectorium, welches, wie schon erwähnt, nicht vom Kaiser direct an die dänische Regierung, sondern an den Herzog von Meklenburg zur weiteren Veranlassung gesandt war, officiell in Kopenhagen zu insinuiren. Da man aber in Schwerin genau wußte, daß der König von Dänemark streng neutral bleiben wollte, war dem Gesandten die äußerste Vorsicht anempfohlen und das Protectorium ihm gewissermaßen als ultimo ratio mitgegeben worden. Jedenfalls aber sollte er von demselben nicht ohne Einverständniß der Gesandten Oestreichs und Frankreichs Gebrauch machen.
Die Gesandten dieser Mächte sondirten zunächst den Grafen Bernstorf vertraulich und fanden, daß die Uebergabe des Protectoriums dem dänischen Hof sehr unangenehm sein würde und daß er äußersten Falls nichts weiter an Truppen stellen würde, als das holsteinsche Contingent. Sie riethen infolgedessen dem Baron Lützow dringend, von dem Protectorium dem dänischen Minister gegenüber nichts zu erwähnen.
Der Graf Bernstorf erkannte das Menagement des Herzogs von Meklenburg sehr an und als einige Tage darauf der Baron Lützow in der ersten Unterredung, die er mit dem dänischen Minister hatte, die Frage aufwarf, ob der König nicht vielleicht einige dänische Regimenter, welche in Holstein an der Grenze ständen, in Meklenburg zum Schutz des Landes einrücken lassen möchte, ging Graf Bernstorf lebhaft hierauf ein.
Der meklenburgische Gesandte hatte diesen Vorschlag gethan, ohne hierzu von seinem Hofe autorisirt zu sein; er erfuhr deßhalb auch die Mißbilligung des Herzogs, welcher fürchtete, daß die Anwesenheit der dänischen Truppen den König von Preußen noch mehr reizen und den Kriegstrubel im Lande vergrößern möchte. Indessen ging er nach näherer Ueberlegung doch auf den Plan ein, wollte aber von einer Besetzung Rostocks, welche dänischerseits vorgeschlagen war, schlechterdings nichts wissen. Es mochte den meklenburgischen Staatsmännern denn doch bedenklich erscheinen, außer Wismar auch die zweite Hafenstadt des Landes fremden Händen zu übergeben.
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Aber auch der Graf Bernstorf erhob nachträglich Schwierigkeiten, er stellte die Bedingung, daß die Höfe von Wien und Versailles eine Schadloshaltung Dänemarks garantiren sollten, wenn dem dänischen Hofe aus der Besetzung Meklenburgs ein Krieg mit Preußen oder sonstiger Nachtheil entstehen würde. Da der dänische Minister aber mit der sehr auf Schrauben gestellten Erklärung, welche beide Höfe auf den Bericht ihrer Gesandten eingesandt hatten, sich nicht zufriedengestellt erklärte und außerdem die preußischen Truppen - es war Ende des Jahres 1758 - überall freie Hand hatten, zerschlug sich das ganze Projekt.
Der Baron Lützow hatte gethan, was in seiner Macht lag, um den Grafen Bernstorf zu einer Sinnesänderung zu bewegen. In häufigen Unterredungen hatte er ihm das Elend des Landes in den beweglichsten Ausdrücken geschildert. Der Minister war wohl aus seiner sonst sehr reservirten Haltung herausgetreten, er hatte tiefes Mitgefühl gezeigt, sogar Thränen vergossen. Aber Alles, was Lützow erreichen konnte, war gewesen, daß der Graf versprach, durch Herrn von Ahlefeldt, den dänischen Gesandten in Berlin, Vorstellungen bei der preußischen Regierung thun zu lassen.
Unterdessen waren die preußischen Truppen zum zweitenmale - December 1758 - in Meklenburg eingerückt. Der Herzog schrieb außer sich an seinen Gesandten in Kopenhagen: auf einen Wink des dänischen Hofes habe man das Protectorium fallen lassen, und nun werde man schnöderweise im Stiche gelassen! Er solle jetzt versuchen, für die auf's Aeußerste gefährdeten meklenburgischen Truppen ein Asyl in Dänemark in der Weise auszuwirken, daß dieselben beim Einrücken der Preußen über die dänische Grenze gehen und beim Abmarsche derselben wieder in ihre Heimath zurückkehren könnten.
Graf Bernstorf erklärte sich bereit, die meklenburgischen Truppen aufzunehmen, verlangte aber, daß dieselben während der ganzen Dauer des Krieges der Krone Dänemark gewissermaßen in Verwahrung gegeben und dem Könige einen Eid des Gehorsams schwören sollten. Ging der Herzog auf diese Pläne ein, so gab er alle Hoheitsrechte über seine Truppen - mit alleiniger Ausnahme des Rechts, dieselben besolden zu dürfen - aus der Hand und that definitiv seinen Entschluß kund, an dem Kampfe gegen Preußen activ nicht theilnehmen zu wollen, wozu ihn Oestreich und Frankreich unablässig zu bewegen suchten. Damit wäre aber auch jede Hoffnung auf Entschädigung an Land und Geld beim Friedensschlusse verloren gewesen. Der Herzog lehnte deshalb die Vorschläge des dänischen Ministers ab (16. Februar 1759).
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Unterdessen hatte Graf Bernstorf wiederholt freundschaftliche Vorstellungen in Berlin thun lassen, aber nur die von vielen Freundschaftsversicherungen begleitete Antwort erhalten, der König sei nur aus dem Grunde in Meklenburg eingerückt, um den Schweden die meklenburgische Kornkammer zu verschließen.
Der Schweriner Hof gab aber dennoch die Hoffnung nicht auf, durch dänische Vermittlung Hülfe zu erlangen. Er beauftragte seinen Gesandten, den Grafen Bernstorf um den Abschluß eines Defensiv=Bündnisses anzugehen. Auch hierauf ging der dänische Minister bereitwilligst ein, aber wiederum nur unter der Bedingung, daß die Höfe von Wien und Versailles sich bereit erklärten, Dänemark beizustehen, wenn dasselbe dieses Bündnisses wegen von Preußen angegriffen würde. Da durch die Gesandten Oestreichs und Frankreichs eine solche Erklärung nicht zu erlangen war, wurde der Baron Dittmar in Wien beauftragt, vom Grafen Kaunitz eine entsprechende Instruktion für den Grafen Dietrichstein 1 ) zu erwirken. Dittmar sprach aber umgehend die dringende Bitte aus (10. April 1759), durch diesen Nebenauftrag doch das Hauptnegoce, welches jetzt im guten Fluß sei, nicht stören zu wotlen. Als nun (1. Mai) Baron Lützow berichtete, der Graf Bernstorf habe ihm vertraulich - die dänische Regierung wollte dem Herzog ungerne einen officiellen Abschlag geben - gesagt, daß er bestimmt wisse, der König von Preußen könne Meklenburg nicht entbehren und er würde den als Feind ansehen, der ihn dort stören würde, beschloß der Herzog, seinen Gesandten aus Kopenhagen abzuberufen. Auf Anrathen des östreichischen und französischen Gesandten wurde der Baron Lützow Anfang Juni von seiner Regierung angewiesen, seine Unterhandlungen zu sistiren und auf Urlaub nach Meklenburg zurückzukehren.
Den Mächten der Coalition, welche gehofft hatten, durch Uebertragung des Protectoriums an den König von Dänemark, auch diesen Staat zur Theilnahme an dem Kriege gegen Preußen zu bewegen, kam die Abreise des Baron Lützow von Kopenhagen sehr ungelegen. Herr von Champeaux erhielt den Auftrag, das dringende Ansuchen an den Herzog zu stellen, den Gesandten auf seinen Posten zurückkehren zu lassen. Infolgedessen begab sich Letzterer im August 1759 nach Kopenhagen zurück, mit der Instruktion, die früheren Verhandlungen wieder anzuknüpfen, wiederum mit dem kaiserlichen Protectorium in der Tasche. 2 )
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Es begann nun dasselbe diplomatische Spiel bis in den Herbst hinein. Als aber die schwedische Armee Miene machte, sich über die Peene zurückzuziehen, mußte die meklenburgische Regierung ernstlich daran denken, ihre Truppen in Sicherheit zu bringen, denn die Insel im Schweriner See konnte Letzteren keinen Schutz gewähren, wenn Frostwetter eintrat. Die Regierung knüpfte daher durch die Vermittelung des Herrn von Champeaux und des französischen Gesandten in Stockholm, Verhandlungen wegen Gewährung eines Asyls für die meklenburgischen Truppen an. Am 29. October 1759 wurde mit dem General Lantinghausen eine Convention des Inhalts abgeschlossen, daß dem Herzog gestattet wurde, seine Truppen nach der Insel Rügen überzuführen, mit der Befugniß, dieselben zurückzurufen, wenn es ihm beliebte und unter der Bedingung, daß dieselben unter keinen Umständen sich activ am Kriege gegen Preußen betheiligen sollten.
Der Abschluß dieser Convention war sehr geheim gehalten worden, auch vor Baron von Lützow. Als Letzterer dieselbe (Anfang November) dem Grafen Bernstorf mittheilen mußte, war dieser außer sich: Wünschenswertheres hätte dem König von Preußen gar nicht passiren können, nun habe er einen Vorwand, das arme Meklenburg ganz zu vernichten. "Der Graf," berichtet Lützow, "war über das Unglück seines Vaterlandes so gerührt, daß er Thränen vergoß und sich gar nicht wieder erholen konnte." Bald aber wurde es Baron Lützow fühlbar, daß der Vertrag mit Schweden seine Position am dänischen Hofe unhaltbar gemacht hatte. "Die National=Eifersucht zwischen Schweden und Dänemark ist zu groß," berichtete er nach Schwerin. Auch der König, welcher sich sonst überaus gnädig gegen den Gesandten gezeigt hatte, wurde kalt in seinem Benehmen; der Hof folgte seinem Beispiele und Lützow war froh, als der Herzog ihm (Mai 1760) erlaubte, eine Badereise nach Pyrmont anzutreten.
Als der General Lantinghausen Anfang November 1759 sich hinter die Peene zurückgezogen hatte, hielt der Herzog seine Truppen im Lande nicht mehr für sicher und befahl dem General Zülow, nach Rügen abzumarschiren. Am 13. November rückten die meklenburgischen Regimenter in Stralsund ein und wurden am 15. und 16. nach der Insel übergeschifft. Die Stärke derselben betrug 49 Offiziere und 896 Mann.
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Im stummen Gehorsam rückten die Truppen nach ihrem Zufluchtsort in der Fremde ab, aber in den Aufzeichnungen der Offiziere lesen wir, wie tief gedemüthigt diese wackeren Männer waren, als sie unrühmlichen Abschied von der Heimath nehmen mußten, für welche zu kämpfen ihr Beruf war, und zu deren Vertheidigung sie freudig bereit gewesen wären, ihr Herzblut zu verspritzen.
In Schwerin waren als Besatzung 100 Mann zurückgeblieben, Halbinvaliden, welche den Befehl hatten, bei Annäherung des Feindes nach der Festung Dömitz zu marschiren. Von der Leibgarde wurden, als der Herzog sich mit seiner Begleitung im November nach Lübeck begab, die Pferde im Lande untergebracht, die Waffen, die Montirungsstücke, das Sattel= und Zaumzeug in Kisten verpackt nach Lübeck in Sicherheit gebracht. Die Leibgardisten wurden für die Dauer der Invasion in Civilkleidern nach Hamburg, Altona und Lübeck beurlaubt mit der Weisung, sich dort Arbeit zu suchen.
Die allgemeine Kriegslage 1760; dritte Offensive der schwedischen Armee 1760; Vermehrung der meklenburgischen Truppen; Zug des Generals von Werner nach Meklenburg; der Herzog begiebt sich nach Lübeck; Verhandlungen mit General von Landtinghausen; Rückkehr des Herzogs; Kriegsschaden des Jahres 1760.
Das Kriegsjahr 1760 drohte für Friedrich den Großen verderblich zu werden. Maria Theresia war entschlossen, Alles daran zu setzen, dem verhaßten Gegner den Todesstoß zu geben. Mit 120000 Mann unter Daun und Laudon und mit 60000 Russen begannen die Alliirten ihre Operationen. Dieser Uebermacht konnte König Friedrich nur 90000 Mann, zum Theil von recht zweifelhaftem Werthe entgegenstellen.
Es war daher dem König nicht möglich, den General Stutterheim an der Peene zu verstärken. Wir haben gesehen, daß dieser
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General der ca. 17000 Mann starken schwedischen Armee mit nur 5000 Mann gegenüberstand, und daß von diesen Truppen nur die beiden Bataillone des Freiregiments Hordt und die Cavallerie völlig kriegstüchtig, die 8 Bataillone Infanterie aber, neu formirt, noch in der Ausbildung und Ausrüstung begriffen waren. Von einem nachhaltigen Widerstande gegen einen energischen Vormarsch der Schweden konnte also nicht die Rede sein.
Den Herzog hatten die günstigen Berichte, welche der Baron Dittmar über den unverminderten Kriegseifer am Wiener Hofe abgestattet, in die hoffnungsvollste Stimmung versetzt. Auch von den schwedischen Operationen versprach er sich in diesem Jahre den vollständigsten Erfolg. Auf Anrathen Dittmars sandte er, schon im Winter, den Oberst=Lieutenant von Glüer vom Regimente Alt=Zülow als Militair=Attaché in das Hauptquartier des Generals Lantinghausen nach Greifswald. Auf diese Weise wurde nicht allein der Herzog in jedem Augenblick über den Fortgang der Operationen unterrichtet, sondern es setzten auch seine aus authentischer Quelle stammenden Mittheilungen seinen Gesandten in Wien in den Stand, durch den Grafen von Choiseuil 1 ) auf den Marquis von Havrincourt 2 ) und durch diesen auf die Stockholmer Regierung einwirken zu können, wenn der schwedische Oberbefehlshaber ein gar zu langsames Tempo anschlug.
Im Frühling dieses Jahres fand, ebenfalls auf Anrathen des Baron Dittmar, wiederum eine Vermehrung der meklenburgischen Truppen statt. Dieser scharfsichtige Staatsmann war, als er den leitenden Ministern und den Botschaftern in Wien persönlich näher getreten war, zu der festen Ueberzeugung gekommen, daß alle Tractate, Declarationen und Accessionsacte völlig nutzlos und nicht im Stande wären, dem Herzog auch nur ein Dorf seiner verpfändeten Aemter oder einen Thaler Entschädigungsgelder zu verschaffen, wenn sich derselbe nicht entschließen könne, mit den Waffen in der Hand seine Rechte geltend zu machen. Der Kanzler Kaunitz und der Graf Coloredo sprachen sich bei jeder Gelegenheit in diesem Sinne aus, ebenso die fremden Gesandten. Diese Reden fielen bei dem kriegerisch gesonnenen meklenburgischen Vicekanzler auf überaus günstigen Boden. Schon während der Werbungsstreitigkeiten mit Preußen hatte er stets den energischsten Maßregeln das Wort geredet, jetzt wollte er offenen Kampf bis aufs Messer mit dem Gegner, der ihm seit langen Jahren verhaßt war. "Man giebt
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mir hier überall zu verstehen," berichtet Dittmar im April 1760, "daß es für Eure Durchlaucht nicht sowohl auf Abschluß weiterer Tractaten ankomme, sondern auf das Glück der Waffen. Mein Rath ihr die Truppen zu vermehren, etwa bis auf 4000 Mann, und dann, sobald sich die Gelegenheit bietet, die zurückverlangten Aemter zu besetzen."
Um sich für alle Fälle vorzubereiten, hauptsächlich aber wohl, um den alliirten Mächten seinen guten Willen zu zeigen, der hie und da stark bezweifelt wurde, schritt der Herzog zur Vermehrung seiner Truppen. Aus dem Bataillon von Both wurde ein Regiment gemacht und dasselbe, ebenso wie die beiden Regimenter von Zülow, auf 8 Compagnien gebracht. Dies ergab für die Infanterie eine Stärke von 1425 Köpfen.
Die 3 Regimenter hatten den Winter auf Rügen zugebracht, in schlechten Quartieren und schlecht verpflegt, und waren, als die Schweden im Sommer 1760 ihre Offensive begannen, nach Rostock abmarschirt, woselbst sie am 16. Juni eintrafen und vorläufig verblieben, weil sich in der Gegend von Dargun preußische Cavallerie=Patrouillen gezeigt hatten, eine Dislocirung in die verschiedenen Garnisonsstädte also noch nicht rathsam erschien.
Die Cavallerie wurde in diesem Frühjahr ebenfalls vermehrt. Der Commandeur der Leibgarde zu Pferde, der Oberst von Barssen, formirte im April aus den 28 berittenen Gardisten eine Compagnie Cavallerie in Goldberg, unter dem Befehl des Rittmeisters von Oldenburg in der Stärke von 4 Officieren und 86 Reitern. Zu gleicher Zeit wurde eine Schwadron Husaren unter Befehl des Majors von Bader in der Stärke von 3 Officieren und 65 Mann errichtet und nach Teterow in Garnison gelegt. Beide Schwadronen hatten den Befehl, sich bei Annäherung der Preußen auf Stralsund zurückzuziehen.
Um den schwedischen Obergeneral, welcher, unentschlossenen Charakters und schwerfällig in seinen Dispositionen, im Juli noch unverrückt hinter der Peene stand, zu rascherem Handeln anzuspornen, sparte der Herzog keine Artigkeiten und Gefälligkeiten. Als er in Erfahrung gebracht, daß der General ein Liebhaber von schönen Gemälden sei, sandte er ihm zwei werthvolle Huchtenbergs und ließ ihm durch Oberst=Lieutenant von Glüer andeuten, daß noch weitere Präsente von Werth folgen würden.
In unserer Zeit würde es ein mißlicher Auftrag für einen Militair=Bevollmächtigten sein, einem commandirenden General derlei Andeutungen auszurichten. Allein wir dürfen nicht den
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Maßstab von heute anlegen, sondern müssen uns in die Anschauungen der Zeit, die wir zu schildern versuchen, hinein versetzen. Der Geist dieser Zeit fand aber nichts Anstößiges darin, wenn Obersten und Generäle sich in Feindesland für ihre Person "Douceurgelder" auszahlen ließen oder von fremden Fürstlichkeiten "Ergötzlichkeiten von 1000 Pistolen" (Louisd'or) und mehr als Geschenk annahmen, während den an der Spitze der Armeen stehenden Feldherren oder den Ministern Tonnen Goldes 1 ) angeboten und ausgezahlt wurden, um sie zu bewegen, ihren Einfluß in der gewünschten Richtung zur Geltung zu bringen. Die Annahme dieser Gelder, sofern nicht geradezu eine grobe Pflichtwidrigkeit dafür gefordert wurde, sah man nicht als Bestechung an und wurde Niemandem verdacht. Es muß aber doch wohl recht schwer gewesen sein, die richtige Grenze innezuhalten und zu unterscheiden, ob die gezahlten Summen lediglich in der Absicht gegeben wurden, um Jemand in der Ausübung seiner Pflicht eifriger zu machen, oder ob sie verheißen wurden, um etwas zu erreichen, was den Empfänger, wenn auch nicht gerade in Conflikt mit seinem Pflichtgefühl brachte, ihn aber doch verleiten konnte, das Wichtige über dem Unwichtigen zu versäumen, ein Fall, der beispielsweise eingetreten sein würde, wenn der General Lantinghausen sich durch die Geschenke des Herzogs von Meklenburg hätte bewegen lassen, sein Hauptaugenmerk, anstatt auf die Offensive gegen Berlin, auf die sorgfältige Beschützung der meklenburgischen Grenzen zu richten. Die Hauptgefahr aber einer solchen Geschenkpraxis lag darin, daß nicht ganz sichere Charaktere in Versuchung geführt wurden, für Geld geradezu gegen ihre Pflicht zu handeln. Hierfür liefert uns die Geschichte des vorigen Jahrhunderts zahlreiche Beispiele; auch in unserer Geschichtserzählung fanden wir drei Fälle in denen Personen durch je 500 Louisd'or und durch 100 Thaler bestochen wurden, ihr Pflicht bis über die Grenze des Landesverraths hinaus in gröblicher Weise zu verletzen.
Als der General von Lantinghausen sich Anfangs August anschickte, seinen Vormarsch zu beginnen, kannte er die Stärke und die Stellung des Gegners vollständig. Die meklenburgische Regierung hatte dem Assessor von Storch den Befehl gegeben, genaue Erkundigungen über die preußischen Truppen an der Grenze einzuziehen und darüber nach Schwerin zu melden. Diese Berichte wurden in das schwedische Hauptquartier an den Oberst=Lieutenant von Glüer gesandt.
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Eine derartige Correspondenz der Regierung mit ihrem Militair=Bevollmächtigten war nicht ohne Gefahr. Schon die Anwesenheit Glüer's im schwedischen Hauptquartier war mit den Begriffen einer strengen Neutralität nicht vereinbar, denn nach dem Brauche damaliger Zeit sandte man Offiziere nur in das Hauptquartier einer verbündeten Macht. Und nun das regelmäßig organisirte Kundschaftswesen! Wurde die Correspondenz aufgefangen, so konnte sich der Herzog nicht mehr beklagen, von Preußen als Feind behandelt zu werden, und wurde Herr v. Storch mit seinen Agenten ergriffen, so wurden sie nach Kriegsrecht sammt und sonders als Spione gehängt.
Für den schwedischen Oberbefehlshaber waren die Mittheilungen der Schweriner Regierung von hohem Werthe, da er bei der großen Ueberlegenheit der preußischen leichten Truppen nicht im Stande war, auch nur einigermaßen zuverlässige Nachrichten über die Stellung des Feindes zu erlangen und, was für ihn besonders wichtig war, rechtzeitig in Erfahrung zu bringen, wann der König von Preußen etwa unvermuthet Verstärkungen an den General Stutterheim schickte. Er ließ daher dem Herzoge seinen verbindlichsten Dank ausdrücken und ihn bitten, mit den Berichten möglichst oft fortzufahren.
Endlich - am 12. August - waren die viele Monate langen Vorbereitungen soweit gediehen, daß der General Lantinghausen dem Herzoge mittheilen konnte, die Armee werde in den nächsten Tagen aufbrechen; zugleich bat er um Lebensmittel für seine Truppen, so lange dieselben meklenburgisches Gebiet passiren würden. Infolgedessen wurde der Ober=Amtmann Brandt als Marschcommissar nach Greifswald geschickt, dem General Lantinghausen aber übersandte der Herzog in der Freude seines Herzens eine kostbare, mit Diamanten besetzte und mit seinem Bildniß versehene Tabatiére als Präsent und wünschte ihm den göttlichen Segen zu seinen Unternehmungen.
Wir beabsichtigen den Feldzug dieses Jahres etwas detaillirter zu behandeln, einmal, weil die Gefechte mehrfach auf meklenburgischem Boden geführt worden sind, dann aber auch, weil uns das Kriegstagebuch des Oberst=Lieutenant von Glüer, welches mit Sachkenntniß und Genauigkeit geführt ist, und manches in den Geschichtswerken bisher nicht Erwähnte vor Augen führt, vorgelegen hat.
Der General Lantinghausen beschloß, um den schwierigen Angriff auf die Peenefront zu vermeiden, den linken Flügel des Feindes zu umgehen und so dessen Rückzug auf Berlin zu bedrohen. Zu dem Ende ließ er den General Ehrenswärd mit
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3000 Mann bei Anclam demonstriren, er selbst ging am 17. August über die Trebel und marschirte auf Malchin, nachdem die Avantgarde unter dem General von Fersen schon Tags zuvor diesen Fluß bei Volckersdorf überschritten hatte.
Der General Stutterheim, in Ungewißheit über den Angriffspunkt der Schweden, hatte den Oberst Belling von Krukow nach Demmin gesandt, während er selbst mit dem Gros zur Verstärkung seines rechten Flügels von Krien gegen Medow vorrückte.
Die Tete der schwedischen Avantgarde bildete das Husaren=Regiment des Grafen Sparre und vor der Spitze der Husaren ritt in ächt französischer Prahlerei der französische Militair=Bevollmächtigte, der Marquis von Caulaincourt Diesmal sollte dem Franzosen sein Uebermuth schlecht bekommen. Als die Bellingschen Husaren erschienen und sofort zur Attacke vorgingen, commandirte der schwedische Offizier: "Rechts um, Kehrt!" Diese einfache Bewegung wurde aber von seinen Leuten so ungeschickt ausgeführt, daß sich dieselben gegenseitig umritten und der Marquis, welcher nicht mehr ausweichen konnte, mit seinem Pferde in den Knäuel der am Boden liegenden Pferde und Husaren hineinstürzte. Der schwedische Offizier half ihm zwar rasch wieder aufs Pferd, hierbei überschlug sich dasselbe aber und der Marquis ward gefangen, als er sich vergeblich bemühte, sein Pferd zu besteigen.
Dieser an und für sich unwichtige Vorfall erhält dadurch Bedeutung, daß Herr von Caulaincourt mit seinem Feuereifer die Seele der Vorwärtsbewegung der Armee war und nun der General Lantinghausen, sich selbst überlassen, mit einer Behutsamkeit und Unentschlossenheit vorrückte. welche die seiner drei Vorgänger noch übertraf.
Als der Oberst Belling dem General Stutterheim bestimmte Meldung von der feindlichen Umgehung machte, beschloß Letzterer die Peenelinie aufzugeben. Er räumte Demmin und Anclam am 19. August und ging über den Kavelpaß auf der Pasewalker Straße zurück.
Der General Lantinghausen war mit dem Gros der Armee über Dargun marschirt und lagerte am 19. bei Malchin. Tags darauf vereinigte er sich mit seiner Avantgarde und schlug am 21. sein Hauptquartier in Schmarsow auf. In dieser Stellung blieb die Armee bis zum 25. "Um sich auszuruhen," sagt Glüer in seinem Tagebuch.
Dem Oberst Belling blieb kein Schritt der feindlichen Armee verborgen. Seine Reiterei war überall; ein Zug Husaren blieb
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sogar in den Wäldern bei Malchin versteckt und durchstreifte die Gegend im Rücken des Feindes. Als der Oberst sah, daß der Feind ihm nicht folgte, rückte er sofort wieder bis Friedland vor und besetzte den Landgraben. Am Kavelpaß wurde der Major von Kalkstein mit 2 Compagnien und 2 Geschützen postirt.
Am 25. August setzte die schwedische Armee ihren Vormarsch fort, in eigenthümlicher Marschordnung, ohne Avantgarde, in vier auf gleicher Höhe neben einander marschirenden Colonnen; jeder Colonne gingen reitende Jäger und Husaren vorauf. Die Armee rückte bis Iven, das Detachement Ehrenswärd bis Thurow vor. Am Abend überfiel Oberst Belling die Vorposten und nahm den Rittmeister von Silfverskiold, dessen Vedetten abgesessen waren und die Annäherung der Preußen infolgedessen nicht bemerkt hatten, mit 30 Husaren und Jägern gefangen. Auch auf dem rechten Flügel gelang den Preußen ein kecker Streich; der Major von Knobelsdorf vom Freiregiment Hordt überfiel mit 2 Compagnien und 1 Kanone in der Nacht vom 26. auf den 27. den Major von Platen, welchen General Ehrenswärd zur Deckung seiner Verbindung mit Anclam mit 180 Husaren und Jägern in Woserow postirt hatte und nahm ihm 30 Gefangene ab.
Am 27. August ließ der General Lantinghausen den Kavelpaß durch den Oberst Graf Sparre forciren. Der Major von Kalkstein zog sich nach kurzer Kanonade auf das Gros in Friedland zurück und nun nahm der Oberst Belling Stellung hinter dem Mühlbach bei Gahlenbeck. Das Gros der schwedischen Armee aber blieb bis zum 29. unbeweglich hinter dem Kavelpaß stehen.
Nach den Vorgängen der beiden letzten Feldzüge ist man nicht berechtigt, besonders schnelle und kühne Operationen von der schwedischen Armee zu erwarten, aber die schneckenartige Langsamkeit, mit welcher der General von Lantinghausen seine Truppen nicht vorwärts marschiren, sondern kriechen läßt, wäre schlechterdings nicht zu verstehen, wenn uns nicht die Correspondenz des Oberst=Lieutenant von Glüer Aufschluß verschaffte.
Der General Lantinghausen scheute sich, das coupirte Terrain jenseits Friedland zu betreten, um so mehr, als ihn seine Cavallerie gänzlich ohne Nachrichten über den Verbleib des Feindes ließ. "Der General läßt dringend bitten," schreibt Glüer am 28. August an den Herzog, "ihm von Zeit zu Zeit zuverlässige Nachrichten über die Preußen zu schicken, um convenables contremesures treffen zu können; über Demmin ist der Weg zur Armee frei." Also schon 10 Tage nach Eröffnung des Feldzuges, als dessen Ziel
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ihm seine Regierung die preußische Hauptstadt gesteckt hatte, war der schwedische Oberbefehlshaber mehr darauf bedacht, feindliche Angriffe abzuwehren, als selbst die Offensive zu ergreifen. Indessen waren es nicht die geringen Streitkräfte des Generals Stutterheim, deren Stärke er genau kannte, welche seine Offensive hemmten, es waren Motive anderer Natur. Das Wort "Gegenmaßregeln" weist darauf hin, daß er zögerte, den schwachen Gegner über den Haufen zu werfen und rücksichtslos vorzudringen, weil er bei jedem Schritte vorwärts die Blitzesschnelle fürchtete, mit welcher Friedrich der Große gewohnt war, Verstärkungen an einem besonders gefährdeten Punkte unvermuthet auftreten zu lassen. Umgangen, abgeschnitten und vernichtet zu werden, war das Schreckbild, welches den General nicht mehr verließ und welches seine Bewegungen lähmte.
Die herzogliche Regierung, welche sich der Unvorsichtigkeit ihres Verfahrens bewußt geworden und peinlich bemüht war, wenigstens den Schein der striktesten Neutralität aufrecht zu halten, ging auf die Bitte des Generals nicht ein; vielmehr wurde Glüer angewiesen, solche Schreiben, deren Wegnahme für die meklenburgische Sache von den widrigsten Folgen sein könne, nicht der Post anzuvertrauen, überhaupt aber derartige Anträge des schwedischen Generals sofort abzulehnen und sich derselben in seinen Berichten zu enthalten. Die preußischen Husaren machten in der That die Gegend im Rücken der schwedischen Armee so unsicher, daß der Oberst=Lieutenant seinen nächsten Bericht - 4. September - nicht mehr über Demmin - der Haupt=Etappe der Armee! - sondern über Anclam, Greifswald und Triebsees per Staffette schicken mußte.
Am 28. August marschirte die Schwedische Armee bis Boldekow, dicht am Kavelpaß; Graf Sparre rückte mit der Avantgarde gegen Neumühle vor. Bei Friedland stieß derselbe auf den Oberst Belling, welcher mit einigen Schwadronen eine Recognoscirung ausführte. Dies führte zu einem lebhaften Cavalleriegefecht bei Lübbersdorf, in welchem die Preußen der Uebermacht weichen mußten und von ihrer Infanterie bei Neumühle aufgenommen wurden. Bei diesem Gefecht nahmen die preußischen Husaren den schwedischen Junker von Blücher, den späteren preußischen General=Feldmarschall, gefangen.
Am 30. passirte die Armee den Kavelpaß und ging in zwei Colonnen auf der Straßburger und Pasewalker Straße vor, der General Ehrenswärd marschirte auf Ferdinandshof. Am 31. bezog die Armee ein Lager bei Straßburg,
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Der General Stutterheim zog sich, der Uebermacht gegenüber und weil seine rechte Flanke durch den General Ehrenswärd bedroht war, hinter die Uker zurück und besetzte Liepe, Pasewalk und Prenzlau, das Gros dahinter Rollwitz.
Durch den Uebergang auf das rechte Ukerufer gab der General Stutterheim dem Feinde zwar den Weg auf Berlin völlig frei, aber, da er auch den Auftrag hatte, Stettin gegen einen combinirten russisch=schwedischen Angriff zu decken, so erreichte er durch diese Bewegung beide Zwecke: er schützte Stettin direct, Berlin aber indirect durch die Einnahme einer Flankenstellung. Um eine etwaige Absicht des Feindes auf Berlin rechtzeitig zu erfahren, mußte Oberst Belling auf dem linken Ukerufer die Uebergänge des sumpfigen Abschnittes bei Taschenberg besetzen.
Am 3. September ließ der General Lantinghausen durch seinen General=Adjutanten von Wrangel mit 15 Eskadrons die preußischen Vorposten über die Uker zurückwerfen; General Ehrenswärd nahm an demselben Tage Pasewalk nach kurzem Kampf. Das schwedische Hauptquartier blieb bis zum 5. bei Werbelow.
Der General Stutterheim ging bis Bitkow zurück; Prenzlau blieb mit 3 Compagnieen Hordt unter Major von Below besetzt, dahinter als Repli das Detachement Belling. Es konnte nicht in der Absicht des Generals liegen, Prenzlau ernstlich zu vertheidigen, da die Ukerlinie durch die Einnahme Pasewalks und durch den Anmarsch des Generals Ehrenswärd in der rechten preußischen Flanke völlig unhaltbar geworden war; er beabsichtigte nur, den Feind möglichst lange aufzuhalten.
Der General Lantinghausen ließ, ehe er zum Angriff gegen Prenzlau schritt, die Stadt auffordern, mit der Drohung, dieselbe zu beschießen, wenn sie nicht unverzüglich übergeben würde, und daß den Major die Verantwortung treffen würde, wenn die Stadt in Flammen aufginge. Major von Below ließ antworten, wenn der General das thue, so handele er gegen den Kriegsgebrauch und er würde in dem Falle 4 gefangene, blessirte schwedische Offiziere in das erste brennende Haus tragen und dort verbrennen lassen. Obgleich man im schwedischen Hauptquartier höchlichst entrüstet über diese unverschämte Antwort war, wie Glüer berichtet, sah man doch von einer Beschießung ab und ließ die Infanterie zum Angriff vorgehen. Nach sehr hartnäckiger Gegenwehr wurden die Preußen aus der Stadt geworfen - 6. September -.
Mit der Einnahme der Stadt Prenzlau erreichte die schwedische Offensive ihr Ende. Der General Lantinghausen rückte zwar am
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9. noch bis Röpersdorf vor (was den General Stutterheim veranlaßte, noch an demselben Tage nach Zehdenick aufzubrechen, um sich dem Marsche des Feindes auf Berlin vorzulegen) ging aber sogleich wieder nach Prenzlau zurück und bezog zwischen dieser Stadt und Güstrow ein verschanztes Lager. Der General Ehrenswärd wurde nach Pasewalk zurückgesandt, um der Armee die Verbindung mit der Peene zu sichern, welche durch die Stettiner Garnison gefährdet erschien. In dieser Stellung beschloß der schwedische Obergeneral, den weiteren Verlauf der Ereignisse auf den großen Kriegstheatern abzuwarten.
Das Kriegsjahr 1760 begann nicht günstig für die preußischen Waffen. Am 29. Juni hatte der Feldzeugmeister Laudon an der Spitze von 40000 Mann das Corps des Generals Fouqué, welchem mit 15000 Mann die Vertheidigung Schlesiens übertragen war, bei Landshut vernichtet und am 26. Juli die Festung Glatz nach kurzem Kampfe erstürmt. 1 ) Im August gestalteten sich die Dinge günstiger. Der General Tauentzien behauptete Breslau und den vereinten Bemühungen des Prinzen Heinrich, welcher die Mark und Pommern gegen die Russen vertheidigen sollte und des Königs, der aus Sachsen herbeieilte, gelang es, die Vereinigung der Russen und Oestreicher zu hindern. Dann warf der glänzende Sieg des Königs über Laudon bei Liegnitz die Oestreicher gänzlich in die Defensive zurück - 15. August -.
Endlich im September machte die russische Armee Ernst. Der Feldmarschall Soltykoff, welcher nur durch die bestimmtesten und wiederholten Befehle der Kaiserin Elisabeth von gänzlicher Unthätigkeit abgehalten wurde, war erkrankt und sein Nachfolger im Commando, der General Fermor, ließ sich zur Belagerung Colbergs und im Vereine mit einem östreichischen Corps zu einer Unternehmung auf Berlin bewegen. Am 19. September rückte die russische Armee an die Oder vor und am 9. October hielt der General Tottleben seinen Einzug in Berlin. Es ist ein beredtes Zeugniß für die planlose Kriegführung der Alliirten, daß dieselben dem schwedischen Oberbefehlshaber von dem Zuge nach Berlin, welcher bereits am 25. September fest beschlossen war, nicht früher Nachricht gaben, als bis das russisch=östreichische Corps Berlin wieder verlassen hatte, d. i. am 12. October. In welche schlimme Lage hätte der General Lantinghausen gerathen müssen, wenn er
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der östreichischen Aufforderung, eiligst auf die preußische Hauptstadt zu marschiren, Folge gegeben hätte!
Als der General Lantinghausen in die Stellung von Prenzlau zurückgegangen war, hatte der Oberst Belling seine Vorposten bis hart an das schwedische Lager vorgeschoben. Durch Verstärkungen an leichter Cavallerie - der König hatte dem Corps 450 Reconvalescenten und zwar 250 Plettenberg=Dragoner und 200 Ziethen=Husaren überwiesen - war der Oberst völlig Herr der Situation geworden. Die schwedische Cavallerie durfte sich überhaupt nicht mehr außerhalb des Lagers sehen lassen und zu den Fouragirungen mußten stets größere Detachements von gemischten Waffen verwendet werden. Der General Lantinghausen erfuhr daher von den Ereignissen vor Colberg nur gerüchtweise, tappte überhaupt völlig im Dunkeln, da seine rückwärtigen Verbindungen oft tagelang durch die preußischen Streifparteien unterbrochen waren. Im schwedischen Lager verbreiteten sich die widersprechendsten Nachrichten, bald sollte ein preußisches Corps vom rechten Oderufer her in Stettin eingerückt sein, bald der General Stutterheim einen großen Theil seiner Truppen zum Entsatze von Colberg detachirt haben.
Um sich hierüber Aufschluß zu verschaffen, ordnete der schwedische Oberbefehlshaber für den 22. September eine Rekognoscirung in der Richtung auf Greifenberg an, verbunden mit einer größeren Fouragirung in Fredersdorf und Umgegend. Die Rekognoscirung führte der Oberst Graf Putbus mit 300 Husaren und Jägern, die letztere sollte der Oberst Graf Sparre mit 3 Bataillonen Infanterie und 1 Cavallerie=Regiment decken. Glüer giebt uns eine ausführliche Schilderung des Verlaufes dieser Expedition, welche wir, da sie uns in klarer Weise den Unterschied zwischen der preußischen und schwedischen Kriegsführung veranschaulicht, hier kurz wiedergeben wollen.
Als Oberst Putbus das Dorf Polssen, 1/2 Meile westlich von Fredersdorf passirt hatte, erhielt er aus dem Dorfe Schmiedeberg Kanonenfeuer. Er machte Halt und ließ den Grafen Sparre ersuchen, ihm Infanterie nachzuschicken, um das Dorf angreifen zu können. Da letzterer ihm aber antworten ließ: "Ich bin da, um die Fouragirung zu decken, Sie, um zu rekognosciren, treffen Sie danach gefälligst für sich Ihre Dispositionen!" trat Graf Putbus seinen Rückzug an. Aber schon war es dazu zu spät.
Oberst Belling hatte durch seine Vedetten frühzeitig den Abmarsch der schwedischen Detachements aus dem Lager erfahren und danach seine Dispositionen getroffen. Er schickte 2 Eskadrons seines
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Regiments und die Eskadron Ziethen=Husaren nach Schmiedeberg mit dem Auftrage, sich in den Waldungen, welche sich bis um und hinter Polssen erstreckten, in's Versteck zu legen. Schmiedeberg ließ er durch 1 Eskadron Plettenberg=Dragoner mit 1 Geschütz besetzen.
Sobald Oberst Putbus seinen Rückzug antrat, attackirten ihn die Dragoner aus dem Dorfe heraus und zwangen ihn, Front zu machen. In demselben Augenblick eilten aber 2 der in den Wäldern versteckten Schwadronen im vollen Rosseslauf von beiden Seiten herbei, während die dritte aus Polssen debouchirte und ihm den Weg völlig verlegte. Die schwedischen Schwadronen wurden völlig zersprengt, der Oberst nebst 7 Offizieren gefangen und 180 Reiter vom Pferde gehauen. Erst bei Fredersdorf setzte Oberst Sparre der preußischen Verfolgung ein Ziel.
Von diesem Tage an bis zum 3. October erfuhr der General Lantinghausen absolut nichts vom Feinde; von den preußischen Befehlshabern aber wurde derweilen ein Plan gefaßt, welcher der schwedischen Armee den Untergang zu bereiten drohte.
Friedrich der Große hatte dem soeben von seiner Wunde genesenen Prinzen Eugen von Würtemberg 1 ) den Oberbefehl gegen die Schweden übertragen. Am 30. September traf der Prinz im Hauptquartier zu Zehdenick ein. Er brachte 1 Bataillon Reconvalescenten und sechs Zwölfpfünder mit sich. Außerdem war der General von Werner, welcher soeben die Russen von Colberg vertrieben hatte, vom Könige befehligt, gegen die Schweden zu marschiren. Derselbe passirte Stettin mit seinem Corps am 2. October und bezog Quartiere zwischen der Festung und Löckenitz.
Schon vor der Ankunft des Prinzen hatte der General von Stutterheim mit dem Gouverneur von Stettin, dem Herzog von Bevern, einen Angriffsplan verabredet und zur Ausführung desselben nur die Ankunft des Werner'schen Corps abgewartet. Der Prinz billigte den Plan und bestimmte den 3. October zum Beginn der Operationen.
Der Oberst Belling, verstärkt durch 1 Bataillon Infanterie, erhielt den Befehl, das schwedische Lager über Gollmitz in der Front anzugreifen, während das Gros unter General Stutterheim von Templin über Boizenburg gegen den rechten Flügel des Feindes dirigirt wurde, in der Weise, daß das Dorf Gollmitz den Vereinigungspunkt Beider bilden sollte. Der Major von Knobelsdorf, einer der kühnsten und geschicktesten Offiziere im Parteigängerkriege,
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wurde beauftragt, sich mit 3 Compagnieen Hordt und 200 Husaren, mit welchen er bei Boizenburg gestanden und seine Vorposten bis Gollmitz vorgeschoben hatte, durch die Waldungen von Schönermark zu schleichen, die Taschenberger Defileen im Rücken des Feindes zu besetzen und sämmtliche Brücken abzubrechen. Der General Werner endlich sollte durch die Wälder des Randow=Baches über die Uker gehen und sich dem Feinde an den Defileen von Ferdinandshof vorlegen.
Aus dieser hochgefährlichen Lage befreite den schwedischen Oberbefehlshaber nicht eigenes Verdienst, sondern die Gunst der Ereignisse.
Am 3. October hatten sich die preußischen Colonnen schon vor Tagesanbruch in Bewegung gesetzt und der Prinz war bereits zu Pferde gestiegen, als ein Kurier des Königs ihm den Befehl brachte, sofort aufzubrechen, um die Hauptstadt gegen die Russen und Oestreicher zu schützen. Der Prinz marschirte eiligst mit dem Gros des Stutterheimschen Corps in der Richtung auf Berlin ab und ließ nur den Oberst Belling mit 2 Bataillonen Hordt, seinem Husaren=Regiment und 90 Plettenberg=Dragonern gegen die Schweden zurück.
Den General Werner hatte der Befehl des Prinzen, daß der ganze Angriff aufgegeben werden sollte, nicht mehr erreicht. Derselbe hatte sich ebenfalls mit Tagesanbruch auf der Straße Stettin=Torgelow in Bewegung gesetzt. Mit Einschluß der Truppen, welche ihm der Herzog von Bevern für die Expedition zugetheilt hatte, war sein Corps - 6 Bataillone Infanterie, 2 Frei=Compagnieen, 9 Eskadron Husaren und 1 Eskadron Dragoner - ungefähr 3000 Bayonette und 1200 Säbel stark.
Am 2. October Abends hatte der General Ehrenswärd in Erfahrung gebracht, daß an demselben Tage ein preußisches Corps, von Colberg kommend, durch Stettin gerückt und bei Löckenitz Quartier genommen habe. Um nähere Erkundigungen einzuziehen, schickte der General am 3. mit Tagesanbruch den Major von Platen mit 200 Mann Infanterie und 100 Husaren auf Löckenitz zur Rekognoscirung vor. Der Major besetzte mit seiner Infanterie Löckenitz, von wo die von der Stettiner Garnison gegebenen Vorposten soeben abmarschirt waren, um an der Expedition des General Werner theilzunehmen und trabte mit den Husaren auf der Straße von Stettin vor. Bald stießen seine Seitenpatrouillen mit den preußischen Vortruppen zusammen, welche auf Torgelow marschirten. Der General Werner, welcher seinen Marsch entdeckt sah und über=
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dies in dem sehr coupirten, waldigen Terrain einen Feind in seiner linken Flanke nicht unbeachtet lassen konnte, griff die schwedischen Husaren an und warf dieselben mit großem Verlust auf Löckenitz zurück. Hier wurden die preußischen Husaren durch das Feuer der schwedischen Infanterie abgewiesen, letztere aber, als sie sich auf der Pasewalker Straße zurückzog, durch die Husaren festgehalten und von der herbeigeeilten preußischen Infanterie nach tapferster Gegenwehr, nachdem sie die letzte Patrone verschossen, gefangen genommen.
Der General Werner war ein sehr entschlossener Mann. Seine Anwesenheit in der Flanke des Gegners war entdeckt; von einem Verlegen des Rückzugs bei Ferdinandshof konnte nicht mehr die Rede sein, da die Schweden Ferdinandshof auf der geraden Straße nach Anclam viel früher erreichen konnten, als er auf den Waldwegen der Randow. Er gab daher ohne Zaudern den bisherigen Plan auf und griff den General Ehrenswärd bei Pasewalk an.
Um den Besitz der Stadt, welche von den Schweden verschanzt und auf das Hartnäckigste vertheidigt wurde, entspann sich ein 7stündiger, äußerst blutiger Kampf, welcher bei Einbruch der Dunkelheit und nachdem dem General Werner die Nachricht von dem Abmarsche des Prinzen von Würtemberg zugegangen war, mit dem Rückzug der Preußen endete. Es war das verlustreichste Gefecht während des ganzen schwedischen Krieges. Die Preußen verloren 10 Offiziere und 240 Mann, führten aber 6 eroberte Geschütze, incl. der beiden bei Löckenitz erbeuteten, mit sich; die Schweden büßten incl. der Gefangenen 24 Offiziere und 500 Mann ein; der General Ehrenswärd war verwundet.
Am 3. October Morgens, als sich die preußischen Colonnen von allen Seiten bereits in Bewegung gesetzt hatten, wußte der General Lantinghausen von Alledem nicht das Geringste. Unbegreiflicherweise hatte er aus Pasewalk keinerlei Meldung erhalten, weder von dem Eintreffen des preußischen Corps bei Stettin, noch von der beabsichtigen Recognoscirung seines Unterbefehlshabers gegen Löckenitz. Ein Zufall enthüllte ihm aber bald die Anwesenheit des Prinzen von Würtemberg und den geplanten Angriff.
Der General Lantinghausen hatte am 2., Abends, den Oberst=Lieutenant Siegroth mit 2 Bataillonen und 1 Cavallerie=Regiment abgeschickt, um den ihn besonders lästigen Major von Knobelsdorf bei Gollmitz aufzuheben. Um diese Expedition vor den überall streifenden preußischen Husaren=Patrouillen geheim zu halten, mußte
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das Detachement aus dem Anclamer Thor die Stadt verlassen und auf weitem Umwege durch meklenburgisches Gebiet in den Rücken des Feindes auf Boizenburg marschiren. Zur Unterstützung dieses Angriffs rückten 2 andere kleine Colonnen, die eine direct gegen Gollmitz, die andere gegen Kröchelndorf aus dem Lager vor.
Der Major Knobelsdorf, im Begriff seinen Marsch nach den Taschenberger Defileen anzutreten, entdeckte den Anmarsch dieser beiden feindlichen Colonnen frühzeitig und zog sich auf den Oberst Belling zurück, welcher bereits im Anmarsch auf Gollmitz begriffen war; dem Prinzen aber, von dessen Abberufung er noch nichts erfahren hatte, meldete der Major direct schriftlich, daß er in Folge der Angriffsbewegung des Feindes seinen Marsch auf Taschenberg aufgegeben habe. Diese Meldung, welche er nicht auf der Straße Prenzlau=Templin, sondern über Boizenburg absendete, von wo her er den Prinzen mit dem Gros in Anmarsch glauben mußte, fiel in die Hände des Oberst=Lieutenants Siegroth und hierdurch erfuhr der schwedische Oberbefehlshaber die Gefahr seiner Lage. Er rief sofort die ausgesandten Truppen ins Lager zurück, und als bald darauf auch die Nachricht von dem ernstlichen Angriff auf Pasewalk einging, schickte er eiligst 4 Bataillone über Pasewalk nach Anclam voraus und zog sich in der Nacht nach Werbelow zurück, woselbst er ein Lager bezog.
Der Oberst Belling hatte die Nachricht von der Abberufung des Prinzen erhalten, als er im Anmarsch auf Gollmitz den von dort zurückgehenden Major von Knobelsdorf aufgenommen hatte. Um den Abmarsch des Prinzen dem Feinde zu verbergen, blieb er langsam im Vorrücken und ließ die beiden schwedischen Colonnen, welche bis Kröchelndorf gelangt waren, durch den Major von Knobelsdorf angreifen. Als aber der Oberst=Lieutenant Siegroth von Boizenburg her in seiner linken Flanke erschien, brach er das Gefecht ab und zog sich auf Templin zurück. Dort erfuhr er durch seine Patrouillen, daß schwedische Truppen nach Pasewalk abzögen und daß die Armee Anstalten treffe, das Lager abzubrechen. Sofort marschirte er, um den Rückzug des Feindes zu beschleunigen, mit seinem ganzen Detachement links ab und traf am folgenden Tage in Woldegk ein. Von hier entsandte er den Major von Knobelsdorf auf Rothenmühle, direct in den Rücken des Feindes, während seine Husaren bis an die Peene streiften und Kuriere und Transporte abfingen.
Der Plan des Obersten, den Feind durch Bedrohung seiner rückwärtigen Verbindungen zum Verlassen des preußischen Gebiets
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zu zwingen, mißlang. Der General Lantinghausen blieb unbeweglich bei Werbelow im Lager und entsandte den General Arnfeldt mit 4 Bataillonen und mehreren Schwadronen nach Straßburg, um den Major Knobelsdorf abzuschneiden. Es gelang indessen der großen Wachsamkeit und Geschicklichkeit des Letzteren den Feind zu täuschen und glücklich nach Woldegk zurückzugelangen. Strasburg blieb von den Schweden besetzt.
Der Oberst Belling zog sich hierauf nach Prenzlau zurück, woselbst am 9. October auch der General Werner, nachdem er die Stettiner Compagnien dem Herzog von Bevern zurückgeschickt hatte mit seinen Truppen eintraf - gerade zu der Zeit, als Berlin den Russen und Oestreichern seine Thore geöffnet hatte.
Die Detachements Werner und Belling 1 ) bestanden zusammen aus nicht mehr als 2000 Bajonetten, 1600 Säbeln und den Bataillonsgeschützen. Beide Führer pflogen in Prenzlau Rath, was zu thun sei.
Mit ihren geringen Streitkräften dem vierfach stärkeren Gegner im offenen Kampfe entgegenzutreten, lag außer aller Frage. Wenn der General von Lantinghausen mit seiner ganzen Armee vorwärts ging, konnten die preußischen Befehlshaber ihm den Marsch auf Berlin nicht verwehren. Es war indessen fraglich, ob der schwedische Oberbefehlshaber von der Gefahr, welche Berlin bedrohte, bereits unterrichtet war. Seine völlig unterthätige Haltung mußte sie in der Annahme bestärken, daß dies nicht der Fall war und hierauf bauten sie ihren Plan. Sie beschlossen, die Berliner Straße völlig freizugeben und durch Expeditionen, welche sie an den verschiedensten Stellen und mit möglichstem Eclat im Rücken des Feindes ausführten, Letzteren zum Rückzuge und zur gänzlichen Räumung des preußischen Gebiets zu veranlassen. Schlimmsten Falles waren sie immer noch in der Lage, bei der wohlbekannten Schwerfälligkeit und Langsamkeit des schwedischen Hauptquartiers, den Feind bei seinem Marsche auf Berlin einholen und zum Stehen bringen zu können. Es ist die Frage, ob die beiden kühnen Husaren diesen immerhin verwegenen Entschluß gefaßt haben würden, wenn sie gewußt hätten, daß am Tage ihres Abmarsches von Prenzlau - am 12. October - ein östreichischer Rittmeister, vom General Lascy aus Berlin abgeschickt, sich über Straßburg und Friedland
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in das schwedische Hauptquartier durchgeschlichen und dem dort befindlichen östreichischen Militair=Bevollmächtigten, dem General von Medniansky, die Nachricht von der Capitulation der preußischen Hauptstadt - 8. October - gebracht hatte, mit der dringlichen Aufforderung an den General Lantinghausen nun auch seinerseits unverzüglich auf Berlin zu marschiren. Es war schlechterdings nicht anzunehmen, daß der schwedische Oberbefehlshaber dieser lockenden Versuchung, mit so leichter Mühe seine Fahnen in der feindlichen Hauptstadt entfalten zu können, widerstehen würde. Aber die Schrecknisse des 3. October, welche ihn veranlaßten, das Lager von Prenzlau eiligst zu räumen, hatten ihm den letzten Rest von Thatkraft gelähmt und seinen Blick völlig nach rückwärts gewendet. Unentschlossen blieb er bei Werbelow stehen; und als Deserteurs aussagten, daß Oberst Belling in der Gegend von Straßburg und beim Kavelpaß stehe, und er bald darauf durch gefangene preußische Husaren erfuhr, daß General Werner in das Meklenburgische gegangen war, gab er jeden Gedanken an Offensive endgültig auf, und trat am 17. October den Rückzug hinter die Peene an.
Die beiden preußischen Corps=Führer hatten sich bei ihrem Abmarsche von Prenzlau getrennt. Oberst Belling wandte sich gegen die rechte Flanke des Feindes und postirte sich dem schwedischen Detachement in Straßburg gegenüber. Von hier entsendete er den Major Knobelsdorf auf die Pasewalk=Friedlander Straße, um die Verbindung des Feindes über den Kavelpaß zu bedrohen. General Werner aber eilte in rapiden Märschen in den Rücken des Feindes. Schon am 13. stand er in Treptow und erließ von dort an demselben Tage ein Manifest an den Engeren Ausschuß - die herzogliche Regierung in Schwerin ignorirte auch er völlig -, in welchem er den Ständen und Unterthanen "des Distrikts von Meklenburg=Schwerin ankündigte, daß sie nunmehr gänzlich unter königlich=preußischer Botmäßigkeit ständen, also sonsten nirgends Parition zu leisten hätten." Zugleich verlangte er, daß Deputirte an das Feld=Kriegs=Commissariat gesendet werden sollten, zur Beschaffung von 800000 Thaler Contribution, von 2000 Remonten und einer ungeheuren Menge von Lebensmitteln und Fourage. Alles bei Ankündigung ungesäumter Beitreibung durch Feuer und Schwert. Bald darauf rückte der General in Meklenburg ein und nahm sein Hauptquartier in Neukalen. Durch ausgesandte Cavallerie=Commandos wurde das Manifest in allen umliegenden Ortschaften durch Maueranschlag bekannt gemacht. Diese Commandos erpreßten überall unter den heftigsten Drohungen und Thätlichkeiten alles Geld, was von dem ohnehin schon aufs Aeußerste in
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Anspruch genommenen Einwohnern mit Hervorsuchung des letzten Hellers aufzubringen war. Die herzoglichen Steuer= und Postkassen wurden geleert und die Beamte angewiesen, alle eingehenden Gelder an das Kriegs=Commissariat einzuzahlen. Ganze Dörfer wurden völlig ausgeplündert, die Unterthanen bis auf den Tod geprügelt und die unerhörtesten Excesse begangen. 1 )
Am 20. October rückte ein Commando Husaren und Dragoner in Rostock ein. Der commandirende Major forderte, abgesehen von den vorhin erwähnten 800000 Thaler, allein von der Stadt 200000 Thaler, von welcher Summe ihm als Abschlagszahlung 15000 Thaler sofort ausgezahlt wurden. Um eine Sicherheit wegen der an das Land gestellten Forderungen zu haben, ließ General Werner ein Mitglied des Engeren Ausschusses, den Oberst=Lieutenant a. D. von Drieberg auf Granzow, als Geisel in sein Hauptquartier bringen.
Nachdem dieseAngelegenheiten geregelt waren, allarmirte der General sämmtliche schwedische Posten an den Trebelpässen und stand vor den Thoren Triebsees, als er die Nachricht erhielt, daß seine mit viel Lärm und Ostentation betriebenen Streifzüge die beabsichtigte Wirkung gehabt hätten. Die schwedische Armee befand sich, wie wir wissen, seit dem 17. October im vollen Rückzuge. Nun machte der General Kehrt und führte seine Truppen ins Meklenburgische zurück, um denselben bei den Fleischtöpfen des Landes die verdiente Erholung von den übergroßen Strapazen zu gewähren; hier blieb er bis Ende October. Als der General Lantinghausen zu dieser Zeit das preußische Gebiet gänzlich geräumt hatte, erhielt Werner Befehl nach dem rechten Oderufer abzumarschiren, um dort gegen die Russen verwendet zu werden. Dem Oberst Belling mit seinem schwachen Detachement von 2 Bataillonen Hordt, 5 Eskadrons Husaren und 1 Eskadron Dragoner fiel somit die Aufgabe zu, während des Winters die schwedische Armee in Schach zu halten. Er postirte je 1 Bataillon Infanterie in Anclam und Demmin, während er mit seiner Cavallerie die sehr ausgedehnten Flußlinien bewachte.
Der Schweriner Hof war durch das Erscheinen des Generals Werner in die äußerste Bestürzung versetzt. Soeben war man durch die Nachricht, daß 40000 Russen und Oestreicher siegreich in die preußische Hauptstadt eingerückt waren, in einen Taumel von Freude versetzt und unmittelbar darauf erließ der preußische General in Treptow jenes Manifest, welches mit unzweideutigen
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Worten den Herzog seiner Krone zu berauben drohte. Und dazu die Excesse und Gewalthätigkeiten, mit welchen die Truppen ihre Forderungen eintrieben! "Bisher," schrieb die meklenburgische Regierung, "betrugen sich die Preußen disciplinirt, die Wernerschen Regimenter aber betragen sich wie ein Haufen ausschweifender Marodeurs, die unter keinem Commando stehen!"
Der Herzog war bei dem Einmarsche Werners in seiner Residenz geblieben und hatte einen Kammersecretair an den General abgeschickt, um denselben zu bewegen, von der feindseligen Behandlung des Landes eines völlig neutralen Reichsfürsten abzustehen, mit dem Hinzufügen, "sonst sehe sich Serenissimus in die unangenehme Lage versetzt, von dem einem jeden Privatmann zustehenden Recht, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben, Gebrauch zu machen." Der herzogliche Beamte war im preußischen Hauptquartier verlacht worden, und der General hatte es nicht für nöthig gehalten, eine Antwort zu ertheilen. Als der Letztere bald darauf von Triebsees nach Meklenburg zurückkehrte, hielt sich der Herzog im Lande nicht mehr für sicher und ging nach Lübeck, wo er bis zum Abmarsch des Wernerschen Corps verblieb.
Zu gleicher Zeit hatte der Herzog den Oberst Glüer beauftragt, die Ansicht des Generals Lantinghausen darüber einzuholen, ob es sich wohl empfehle, starke Patrouillen gegen die marodirenden feindlichen Commandos auszusenden, um Gewalt mit Gewalt zu vertreiben, hatte, aber, gleichsam erschrocken über die Kühnheit eines solchen Gedankens, hingefügt, an einem Angriff auf preußische Truppen dürften dieselben aber unter keinen Umständen theilnehmen.
Der General Lantinghausen, in der übelsten Stimmung ob des verlorenen Feldzuges, war wenig geneigt, mit dem meklenburgischen Militair=Bevollmächtigten, so hoch angesehen derselbe auch persönlich bei ihm war, die allerdings nicht leichte Frage, wie man es anzufangen habe, zu kämpfen, ohne seine Waffen zu gebrauchen, akademisch zu erörtern. Auf seine dringenden Verstellungen erhielt Glüer stets dieselbe Antwort, zuletzt in Gegenwart des ganzen Hauptquartiers: "Die Absendung der meklenburgischen Patrouillen hat keinen Sinn! Wenn ich die Lande Ihres Herzogs schützen soll, so muß derselbe seine Truppen zu meiner Armee stoßen lassen; die Krone Schweden will kein neutrales Land schützen, wenn dessen eigener Landesherr nicht um seinen Thron kämpfen will. Lassen Sie Ihre Truppen bis Rostock vorrücken und ich sende Ihnen sofort 3 Infanterie=Regimenter mit der nöthigen Cavallerie und Artillerie zu Hülfe." Diesen Worten des
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Oberbefehlshabers stimmten die anwesenden fremdherrlichen Militair=Bevollmächtigten zur großen Freude Glüers in lauter und demonstrativer Weise bei.
Der Herzog beeilte sich den gerechten Unwillen des Generals Lantinghausen zu besänftigen; er trüge kein Bedenken seine Truppen an der Vertheidigung des Landes theilnehmen zu lassen; deshalb habe er auch dem General von Zülow befohlen, in Dammgarten - dorthin hatte sich Letzterer beim Einmarsche des Generals Werner zurückgezogen - stehen zu bleiben; 2 Eskadrons ständen à portée diesseits der Trebel; ob der General aber nicht Malchin besetzen wolle, dann schütze er gleichzeitig Meklenburg und die Lande seines Königs; in diesem Falle wolle der Herzog sofort Rostock besetzen.
Der General Lantinghausen antwortete auf die Vorschläge der meklenburgischen Regierung mit keiner Sylbe, dagegen machte er seiner Verstimmung durch die bittersten Klagen Luft; warum seine Truppen ihr Blut vergießen sollten für einen Fürsten, der seine Soldaten hinter der schwedischen Front in Sicherheit brächte und der nicht einmal ein Bundesgenosse seines Königs sei? Dessen Unterthanen ihr Korn lieber umsonst den Feinden seines Herrn zuführten, anstatt es den Freunden desselben für baares Geld zu überlassen, während der Widerspenstige Magistrat zu Rostock durch schwedische Offiziere mit Gewalt habe gezwungen werden müssen, in der Stadt ein Patent affichiren zu lassen, durch welches die meklenburgische Bevölkerung zur Erfüllung ihrer Pflicht gegen ihren Landesherrn ermuntert werden sollte.
Der Herzog beeilte sich, dem Wunsche des schwedischen Oberbefehlshabers in Bezug auf die Korn=Lieferungen zu entsprechen, denn es eröffnete sich Anfang November eine neue Conjunktur, welche der preußischen Herrschaft in Pommern ein Ende zu machen drohte, wozu aber die Mitwirkung der Schweden dringend erforderlich war - es war die Hülfe der Russen.
In den ersten Kriegsjahren hatten die Operationen der russischen Armeen regelmäßig damit ihren Abschluß gefunden, daß dieselben sich im Herbst hinter die russischen Grenzflüsse zurückgezogen und erst im Sommer des nächsten Jahres wieder auf dem Kriegsschauplatz erschienen waren. Aber nicht so in diesem Jahre.
Die Czarin Elisabeth war es müde geworden, ihre Feldherrn unter den verschiedensten Vorwänden ihren Befehlen entgegenhandeln zu sehen. Dem Feldmarschall Soltykow war bei Beginn des Feldzugs des Jahres 1760 befohlen, mit den Armeen in Pommern zu über=
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wintern und diese Befehle hatte die Kaiserin, deren leidenschaftlicher Haß gegen den König von Preußen mit den Jahren zunahm, dem Feldmarschall Buturlin, welcher im November den Oberbefehl an Stelle Soltikows übernommen hatte, auf das Bestimmteste wiederholt.
Die Generäle Czernitscheff und Tottleben hatten bei der Annäherung des Königs am 12. October Berlin eilfertig verlassen und waren nach Frankfurt a. O. marschirt, um sich dort mit der Hauptarmee zu vereinigen. Letztere ging jedoch, da die Gegenden zwischen der Oder, Warthe und Weichsel völlig verwüstet waren, im November über den letztgenannten Fluß in die Winterquartiere. Der Oberbefehlshaber ließ indessen, um den Befehlen der Kaiserin nicht ungehorsam zu sein, die Corps der Generäle Czernitscheff und Tottleben in der Gegend von Cöslin zurück. Von hier aus streiften die Kosaken weit in die Ukermark hinein, bis Templin und einige Meilen von Neubrandenburg, so daß Oberst Belling, als er der abziehenden schwedischen Armee folgte, sich bewogen fand, den Lieutenant Memerti mit 20 Husaren als Beobachtungsposten in Prenzlau stehen zu lassen. Dies Commando war Anfang November von den Kosaken aufgehoben worden.
Auf diese Thatsachen baute der Herzog Friedrich seine Hoffnung, den General Werner, welcher am 29. October aus Meklenburg abmarschirt war, zwischen zwei Feuer bringen und vernichten zu können. Er bat den General Lantinghausen dringend, sich doch diese günstige Gelegenheit nicht entgehen zu lassen und mit der Armee vorzurücken.
Im schwedischen Hauptquartier war man aber nichts weniger als kriegerisch gesonnen. Der Commandirende erwiderte, weder der russische Oberbefehlshaber, noch der schwedische Militär=Bevollmächtigte im dortigen Hauptquartier habe ihm eine Mittheilung von den russischen Operationen gemacht. Daraus müsse er schließen, daß die Russen sich nicht in Vorpommern festsetzen, sondern nur brandschatzen wollten, sonst würden sie wohl versuchen, Stettin und Küstrin wegzunehmen. Er wolle sich hüten, über die Peene vorzugehen und seine Armee auf das Spiel zu setzen; ihm sei es nur zu deutlich in der Erinnerung, daß die Russen und Oestreicher an eben dem Tage - 12. October - wieder abmarschirt seien, als er in Berlin hätte eintreffen können. Zum Glück hätte der östreichische General es ihm damals noch vertraulich geschrieben, daß die Russen in Berlin nicht Stand halten würden. Gleichzeitig wiederholte der General nochmals sehr dringend die Bitte, der Herzog möge seine Truppen sich in Rostock festsetzen lassen; er
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wolle in diesem Falle 2 Bataillone Infanterie und 3 Eskadrons zu ihnen stoßen lassen.
Zu dieser Bitte bewog den schwedischen Oberbefehlshaber aber nicht die Rücksicht auf den Schutz des herzoglichen Gebiets, sondern der Wunsch, eine starke Postirung in Meklenburg zu haben, welche geeignet war, die Etappenstraße über Rostock und Wismar nach Holstein, wo die schwedische Regierung sämmtliche Remonten für die Armee ankaufte, zu decken. Der Herzog glaubte aber jetzt auf diese Bitte um so weniger eingehen zu können, als er in Betreff der Verpflegung der an den Grenzen stehenden preußischen Truppen mit dem Befehlshaber derselben in Verhandlung getreten war.
Nach dem Abmarsche der Wernerschen Truppen - Ende October 1760 - war der Herzog in seine Residenz zurürckgekehrt. Kaum aber war dies geschehen, so ließ der Oberst Belling durch Vermittlung des Hof= und Justizraths von Altrock 1 ) der Schweriner Regierung mittheilen, daß ihm von Seiner Majestät dem Könige die meklenburgischen Lande als Winterquartiere angewiesen seien und er berechtigt sei, freie Verpflegung für seine Truppen und Douceurgelder zu fordern; mit einem Pauschquantum von 100000 Thlr., zahlbar binnen 14 Tagen, außer der Naturalverpflegung seiner Truppen, wolle er zufrieden sein, hatte er hinzugefügt.
Die Schweriner Regierung war nicht abgeneigt, auf ein solches Abkommen einzugehen, indessen schien ihr die Summe gar zu hoch gegriffen. Sie sandte daher den Hofrath Altrock und den Major a. D. von Lowtzow, welcher mit dem Oberst Belling von der Zeit her, als Letzterer beim Ziethen=Husaren=Regiment in Parchim in Garnison gestanden hatte, eng befreundet war, nach Demmin, um mit dem Oberst in Verhandlung zu treten. Das Aeußerste aber, was die Abgesandten erreichen konnten, war, daß Letzterer mit der täglichen Lieferung von 2500 Portionen und Rationen und 417 Thlr. an baarem Gelde, vom 24. November bis zu dem Termin, an welchem die preußischen Truppen das Land verlassen würden, zufrieden sein zu wollen erklärte.
Man war genöthigt, diese Forderung zuzugestehen und zwar um so mehr, als schon aufs Neue aller Orten die größesten Excesse und Plünderungen, Geld=Erpressungen und Mißhandlung der Unterthanen begangen wurden und Oberst Belling ausdrücklich erklärt hatte, diese Unregelmäßigkeiten nicht abstellen zu können, wenn nicht
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durch die genannten Lieferungen und Zahlungen seinen Truppen der nöthige Unterhalt verschafft würde.
Unter diesen Umständen glaubte der Herzog von einer Verlegung schwedischer Regimenter nach Rostock absehen zu müssen, da der Oberst Belling, dessen bewiesene große Mäßigung und chevalereskes Benehmen vom Schweriner Hofe sehr gerühmt wird, dies mit Recht als einen Bruch des geschlossenen Uebereinkommens angesehen haben würde.
Wie unangenehm und peinlich wurde daher der Herzog durch die Nachricht berührt, daß ein Gefecht zwischen den Schweden und Preußen stattgefunden und daß sich meklenburgische Truppen an demselben betheiligt hatten. Die Sache verhielt sich folgendermaßen:
Als das Werner'sche Corps in Meklenburg einmarschirte, war der General von Zülow mit den meklenburgischen Truppen, welche in und um Rostock gestanden hatten, über die schwedische Grenze gerückt und hatte vorläufig bei Redebas Cantonnements bezogen 1 ) die Husaren=Eskadron aber und die Compagnie Cavallerie hatte er zu Sülze und Marlow postirt, mit dem Auftrage, durch Absendung von Patrouillen dem Marodiren und den Excessen der preußischen Streifcommandos zu wehren. Dieser Befehl hatte die Kampflust der meklenburgischen Offiziere, welche vor Begierde brannten, sich nach dem demüthigenden Versteckspielen auf Rügen endlich im offenen Kampfe mit dem Gegner messen zu können, mächtig geweckt. Der schwedische Oberbefehlshaber scheint diese Stimmung geschickt für seine Zwecke benutzt zu haben, denn als am 13. November der (schwedische) Major von Schwartzer mit einem Detachement von 200 Infanteristen und 300 Reitern von Triebsees aus entsandt wurde, um dem Major von Schulenburg, welcher vom Oberst Belling mit 150 Husaren zum Abfangen eines schwedischen Remontetransports in die Gegend von Wismar abgeschickt war, entgegenzutreten, hatte sich der Major von Baader bereden lassen, mit 100 Mann, welche er aus seiner Husaren=Schwadron und der Compagnie des Rittmeisters von Oldenburg ausgesucht hatte, unter Annahme der schwedischen Feldzeichen an der Expedition theilzunehmen.
Die Unternehmung nahm ein übles Ende. Oberst Belling, dessen Husaren nicht die geringste Bewegung unter den feindlichen
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Truppen entging, eilte von Demmin aus mit 300 Husaren, 60 Dragonern und 1 Compagnie Hordt den Schweden nach und nahm bei Tessin die feindliche Infanterie, welche der Major Schwartzer als Rückhalt daselbst hatte stehen lassen, gefangen. Letzterem gelang es indessen, glücklich zu entkommen, indem er den Oberst täuschte und den Major Schulenburg, welcher ihm bei Kamin (bei Lage) den Rückweg verlegen wollte, über den Haufen warf.
Am schlimmsten war der meklenburgische Major daran. Nach seiner Angabe wurde er beim eiligen Rückzug der Schweden einfach in Schwaan, wohin er befehligt war, vergessen. Der Rückweg an die schwedische Grenze war ihm verlegt, ihm blieb nichts Anderes übrig, als nach Schwerin zu marschiren. Anfangs wurde er sehr ungnädig vom Herzog empfangen und mit Kriegsrecht bedroht; als er aber einen Brief des Oberst von Glüer aus dem schwedischen Hauptquartier vorzeigte, aus welchem hervorging, daß der General Lantinghausen ihn zu dem unvorsichtigen Schritt verleitet und daß der Major im guten Glauben gewesen sei, im Sinne seines Kriegsherrn zu handeln, verzieh ihm der Herzog. Aber er war wegen der üblen Folgen besorgt. Der Rittmeister von Oldenburg meldete von Sülze, daß die preußischen Husaren seine Leute mit Karabinerschüssen begrüßt hätten und Oberst Belling hatte zu einem befreundeten Gutsbesitzer geäußert: "Nun des Herzogs Truppen gegen den König meinen Herrn dienen und auch schon auf meine Leute gefeuert haben, will ich künftig ganz anders mit Meklenburg verfahren!" Der General Lantinghausen, verdrießlich wegen der verunglückten Expedition äußerte sich Glüer gegenüber sehr ungehalten, daß der Herzog sich so hartnäckig weigere, seine Truppen mitkämpfen zu lassen.
Es war dies die letzte Unterredung, welche der Oberst mit dem schwedischen Oberbefehlshaber hatte; zur Ersparung der Kosten 1 ) mußte er sich während des Winters bei demselben beurlauben und kehrte nach Schwerin zurück. Bald darauf, mit einem Auftrage des Herzogs an den Commandanten von Dömitz geschickt, wurde er unterwegs von dem Major von Zülow vom Belling'schen Husaren=Regiment 2 ) aufgegriffen und nach Stettin gebracht. Hier wurde er bis zum Friedensschlusse inhaftirt gehalten. Eine Ranzionirung gegen Erlegung von 600 Thlrn., welche ihm der Oberst
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Belling im folgenden Jahre - 1761 - hatte antragen lassen, genehmigte der Herzog des nahe erwarteten Friedensschlusse wegen nicht.
Nach der eben erzählten Affaire trat völlige Waffenruhe zwischen den schwedischen und preußischen Truppen ein. Belling verlegte sein Hauptquartier in das Meklenburgische nach Prebberede; die Infanterie hielt Anclam und Demmin besetzt, die Husaren lagen in und um Lage, kleinere Commandos in Tessin, Sülze und Ribnitz.
Das Jahr 1760 war für Meklenburg, verglichen mit den beiden ersten Kriegsjahren, sehr günstig verlaufen. Die gesammten Schäden und Kosten betrugen nicht mehr als 135240 Thlr.; nur ein Rekrut wurde gewaltsam weggenommen. Aber mit dem Beginn des kommenden Jahres begann für das schwergeprüfte Land eine Zeit der Noth, gegen welche alle Bedrückung der früheren Jahre nur ein Kinderspiel zu nennen war.