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II. Kegelgräber von Bollbrücke.

[K.=Nr. B, 141-144.]

Herr stud. jur. L. Krause in Rostock berichtet im Zusammenhang mit seiner obigen Abhandlung (IV) über Hügelgräber im Hütterwohld bei Doberan Folgendes:

"An der Nordostecke des Hütterwohldes, einer auf der Schmettau'schen Karte von 1788 noch nicht als Wald bezeichneten Stelle, liegen in einer jungen Fichtenschonung acht ziemlich große Hügelgräber. Die Grabhügel, welche sich sämmtlich deutlich über die sie umgebende Bodenfläche erheben, haben ungefähr die Gestalt eines oben abgerundeten Kegels mit kreisrunder Basis, jedoch sind vier derselben nicht mehr ganz vollständig. Denn von dreien, die unmittelbar an der Holzkante liegen, ist beim Ziehen des Grenzgrabens zwischen Wald und Acker an der Ostseite ein Theil abgestochen, während vom vierten, an welchem der Hohenfelder Kirchsteig unmittelbar vorüberführt, an der Südseite Lehm abgefahren ist; aus diesem letzteren Grabe sind auch vom Bollbrücker Holzwärter Herrn Franke die Steine herausgebrochen, wovon auf der Nordseite des Hügels noch eine Vertiefung sichtbar ist. Der Umfang der Grabhügel wechselt zwischen 45 und 85 Schritten und beträgt bei den vier nur noch theilweise vorhandenen, so weit sie eben noch vorhanden sind, 85, 72

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(das ganze Grab, dessen Umriß sich noch erkennen läßt, hatte 80), 64, 60 und bei den noch unversehrten 75, 66, 50 und 45 Schritte. Die Höhe der Gräber variirt ungefähr zwischen 1 Mtr. und 4 Mtrn, und zwar ist das von 85 Schritt Umfang auch das höchste und das von 45 Schritt Umfang das niedrigste. Die Entfernung der einzelnen Gräber von einander wechselt zwischen 4 und 100 Schritten".

"Am 19. Juni 1881 untersuchte ich mit meinem jüngeren Bruder und mehreren Kameraden das eine dieser Gräber, von 50 Schritt Umfang und 2 Mtrn Höhe, und zwar stachen wir von der Spitze aus ein ziemlich großes viereckiges, etwa 1,30-1,50 Mtr. tiefes Loch in dasselbe hinein. Der Grabhügel besteht aus lehmigem, gelbem Sande, über welchem sich stellenweise eine dünne, aber äußerst feste dunkelbraune Lehm= und Thonschicht dicht unter der Grasnarbe hinzieht. Etwa 70 Cm unter der Spitze des Grabes lag eine angerostete eiserne Kartoffelhacke, welche wohl bei dem der neuen Fichtenansäung vorhergegangenen Kartoffelbau in den Grabhügel hineingekommen war. Denn nach Abholzung des früheren hohen Fichtenbestandes wurden dort Kartoffeln und dann Hafer gebaut, und darauf die neue Fichtenschonung angelegt. Ungefähr 6-10 Cm tiefer als die Hacke, also 76 bis 80 Cm unter der Spitze des Grabhügels, lagen sechs ziemlich große, unbehauene, gewöhnliche Feldsteine fast wie ein Fünfeck neben einander, und unmittelbar unter diesen, 1, 15 Mtr. unter der Spitze des Grabes, stieß man auf eine 5-10 Cm dicke schwarze Schicht aus Asche und Holzkohle, in welcher sich auch Urnenscherben und Knochenstückchen fanden; und zwar lagen dieso beiden letzteren hauptsächlich unter den beiden nordöstlichsten Steinen. Sonstige Alterthümer wurden nicht gefunden".

"Die Urne war schon vollständig zerfallen, ja zum größten Theile schon ganz vergangen, so daß sich nur noch zehn meist kleine Scherben vorfanden. Diese theilweise auch schon etwas verwitterten Reste der Urne sind 1/2 - 1 1/4 Cm dick und bestehen aus gebranntem, mit Steingruß vermischtem Thon, und zwar aus einer äußeren röthlichen und einer inneren graubraunen, zum Theil etwas eisenhaltigen Schicht. Unter den Scherben befinden sich zwei zusammengehörende Stücke vom Urnenrande, aus denen man erkennen kann, daß die Urne eine Oeffnung von ungefähr 45 Cm Umfang und 14 Cm Durchmesser gehabt hat. Auch scheint die Urne in der Mitte einen ziemlichen Bauch von etwa 17 Cm Durch=

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messer gehabt zu haben. Die größte Scherbe, eins der beiden schon genannten Randstücke, ist 5 -9 Cm hoch und 6-10 Cm breit. Dieselbe ist 3 1/2 Cm unter dem oben etwas abgerundeten Urnenrande mit einem 1/4-1/2 Cm hohen und 1-1 1/2 Cm breiten vertikalen Kranze mit halbmondförmigen, 1/2-1 Cm breiten und 1/2-1/4 Cm tiefen Kerben verziert. Jedoch ist dieser erhöhte Kranz schon ziemlich verwittert, so daß er nur noch 6 Cm lang vorhanden ist, obgleich die Scherbe an dieser Stelle eine Breite von 9 1/2 Cm hat. Die übrigen Scherben sind nicht verziert. Der Boden scheint nach den vorhandenen Resten innen und außen völlig platt gewesen zu sein". -

Auch Verfasser war auf jene Hügel durch Herrn Candidaten Hermann Penckow aufmerksam gemacht worden und folgte gerne einer Einladung von dessen Schwager, Herrn Carl Diestel, damals Pächter auf Althof, mit seiner Hülfe eine Ausgrabung vorzunehmen. Mit dankenswerthester Bereitwilligkeit gestattete die Rostocker Forstbehörde (Herr Controleur Bölte) die Ausgrabung. Besonderer Dank aber gebührt Herrn Diestel, der nicht nur durch persönliche Theilnahme die Arbeiten förderte, sondern auch die beträchtlichen Arbeitskräfte gestellt hat; auch Herr Holzwärter Franke in Bollbrücke hat die Untersuchung wesentlich unterstützt und sich durch Bergung der gefundenen Urnen Anspruch auf warmen Dank verdient. Die Ausgrabungen fanden vom 28. bis 31. März d. J. statt.

Erster Grabhügel.

Zuerst wurde ein Hügel in Angriff genommen, dessen Ränder sich scharf vom ursprünglichen Boden abhoben und der sich deutlich als aufgetragen erwies. Er lag auf ebenem, leise nach Norden geneigtem Terrain und war aus dem Sande des umliegenden Bodens aufgeschichtet; oberhalb der Steinsetzung im Innern des Hügels war die Erde bedeutend fester, und es schien, als wäre der Grabbau mit einem Ueberzuge aus sandhaltiger Lehmerde umkleidet worden, ehe der Erdmantel darüber aufgetragen war. Der Hügel hatte eine Höhe von etwa 5 Mtrn, und das scheint die ursprüngliche Höhe gewesen zu sein; der Umfang betrug 75 Schritte.

Die Aufgrabung ergab: Auf dem Urboden war ein runder Steindamm aufgebrückt, bestehend aus mittelgroßen, an den Rändern, besonders im Westen und Osten, aber recht beträchtlichen Steinen. Auf diesem Damme standen neben

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einander zwei Grabbauten mit ovaler Grundfläche, beide etwa 4 Mtr. in westöstlicher, 3 Mtr. in nordsüdlicher Richtung lang. Die Wände derselben waren aus mittelgroßen Steinen in einer Höhe von ca. 2 1/2 Mtrn aufgeschichtet; die Grabkammer selbst war zusammengestürzt, und daher Genaueres über ihre Anlage nicht zu ermitteln. Beim Wegräumen der Steine fand sich ein Granit mit muldenförmiger Aushöhlung, eine sog. Quetschmühle, in der Mitte zerbrochen. Dieser Umstand sowie seine Lage bezeichnen deutlich, daß er nicht als Beigabe dem Bestatteten mitgegeben war, sondern als Baustein gedient hat. Er reiht sich damit den Jahrb. XII, S. 420 aufgeführten Steinen aus der Lübzer Gegend an, wo man öfter zerbrochene Quetschmühlen zwischen den Steinen der Grabbauten aus Kegelgräbern gefunden hat 1 ).

Der Boden der südlichen Grabkammer war bedeckt mit Feuersteinsplittern, die glänzend weiß und an der Oberfläche gesprungen waren, ein Beweis, daß sie dem Feuer ausgesetzt gewesen sind. Solche Feuersteine sind in Hünengräbern mehrmals gefunden, z. B. in Prieschendorf (Jahrbücher II B, S. 27), Brüsewitz (Jahrb. V, S. 23), Kuppentin (Jahrb. X, S. 268), Molzow (Jahrb. X, S. 265), Alt=Samit (Jahrb. XXX, S. 118) u s. w., doch scheinen sie dort meistens die Unterlage des Brandplatzes gebildet zu haben, während in unserem Falle keine Spur von Brand vorhanden ist. Ihr Vorkommen in Kegelgräbern ist meines Wissens noch nicht beobachtet, der Zweck entzieht sich sicherer Deutung. - Ganz im Westen des Grabes, wo bei beerdigten Leichen der Kopf der Leichen zu liegen pflegt, stieß man auf einen Haufen menschlicher Gebeine, die stark vergangen waren und offenbar einem unverbrannt beigesetzten Körper angehört hatten. Der Raum, auf dem sie lagen, war zu klein, als daß der Todte liegend hätte bestattet sein können; er wird sitzend oder noch wahrscheinlicher kauernd beigesetzt sein. Von Beigaben fand sich keine Spur.

In der anschließenden nördlichen Grabkammer standen ziemlich in der Mitte, zwischen kleinere Steine verpackt, zwei Urnen, leider durch den Druck der Steine zertrümmert, so daß ihre Form sich nur nach einzelnen größeren


1) Ueber den durch fünf Beispiele belegten Gebrauch, im Grabe selbst solche Steine niederzulegen, s. Lisch, Jahrb. XVIII, 250 und XX, 288; neuerdings habe ich in Pogreß und Walsmühlen noch drei solche Quetschmühlen gesehen, welche zwischen den Steinen ausgenommener Kegelgräber gefunden waren.
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Scherben einigermaßen bestimmen läßt. Demnach war die größere, aus grobem Thon mit Granitgruß vermengt, von der in den Gräbern der Bronzezeit gewöhnlichen Form, geringer Ausbauchung und weiter Oeffnung, der Bauchrand abgerundet (s. Lisch, Jahrb. XI, S. 356); die kleinere war feiner geschlemmt, die Oberfläche geschwärzt und die Rundung eleganter, auch hatte sie einen Henkel. In der größeren lag als einzige Beigabe ein Handring von Bronze, offenbar mit den Knochen aus der Asche des Scheiterhaufens gesammelt; denn er war blasig aufgesprungen und zeigte einen rothbraunen Kern, eine Wirkung des Feuers. Er hat eine Breite von 5 Cm und ist mit schraffirten Linien verziert, wie gewöhnlich unsere Handringe der Bronzezeit; doch läßt sich bei dem Zustande der Erhaltung nichts Genaueres angeben.

Zweiter Grabhügel.

In südöstlicher Richtung, etwa 18 Mtr. vom vorigen entfernt, lag ein zweiter Hügel, von 75 Schritt Umfang und ca. 3 1/2 Mtrn Höhe. Derselbe enthielt nur ein Grab, aber von seltener Regelmäßigkeit und vortrefflicher Erhaltung. Auf einem Steinpflaster von etwa 2 Mtrn Länge und 3/4 Mtrn Breite war der Todte beerdigt, liegend in west=östlicher Richtung; die Ränder des Steinpflasters waren zu einer aus mittelgroßen, aufgeschichteten Steinen hergestellten Mauer erhöht, die am Fuß= und Kopfende besonders stark war. Nach oben war diese muldenartige Grabkammer durch eine Bohlenlage abgeschlossen gewesen. Letztere war vergangen, und die nachsinkende Erde hatte den Hohlraum erfüllt. Zahlreiche Reste vermodernden Holzes füllten den letzteren; der Leichnam selbst dagegen war fast gänzlich vergangen, nur ganz geringfügige Knochenreste und die dunklere Färbung der Erde bezeichneten seine Lage. Am östlichen Ende, wo man die Füße erwartet, fand sich als einzige Beigabe eine kleine bronzene Nadel.

Dritter Grabhügel.

Dem vorigen glich fast völlig der darauf in Angriff genommene Hügel. Er lag in 30 Mtr. Entfernung, hatte einen Umfang von 75 Schritt und eine Höhe von etwa 4 Mtrn. Bei der Aufgrabung stieß man schon 70 Cm unter der Oberfläche auf einen mächtigen Stein, der auf seiner Stelle belassen und ringsum frei gegraben wurde. Dabei zeigten sich noch mehrere Steinblöcke, die nach ihrer völligen

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Skizze zum dritten Grabhügel
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Freilegung folgendes Bild abgaben (s. beifolgende Skizze, die ich der Güte des Herrn Stud. Krause verdanke) 1 ):

Von starken Granitblöcken wird ein Raum von etwa 3 1/2 Mtrn Länge und 1,45 Mtrn Breite gebildet, der nach Osten offen, nach Westen durch einen Block abgeschlossen ist. Die nördliche Grenze wird gebildet von drei auf der hohen Kante nebeneinander stehenden Steinen (1-3 der Skizze), die durch Lehm und kleinere Steine zu einer Art Mauer von 3 Mtrn Länge verbunden sind. (Ein dahinter liegender (4) kleinerer Stein hängt direct nicht damit zusammen.) Die südliche besteht aus vier Steinen, von denen nur einer, der mittlere (6), an Form und Aufstellung denen der nördlichen Mauer gleicht. Nach Osten zu liegen zwei massigere Blöcke (7 und 8), von denen der eine (8) durch eine Unterlage von kleineren Steinen in seiner Lage gehalten wurde. Besonderes Interesse bietet der südwestlich an 6 sich anschließende Block (5). Derselbe liegt platt auf dem Boden und hat eine Höhe von 88 Cm, eine größte Breite (in west=östlicher Richtung) von 126 Cm. Die Oberfläche ist nach Osten geneigt und bedeckt mit einer Anzahl kleiner Vertiefungen, etwa 22 insgesammt, die in unregelmäßiger Weise hauptsächlich das westliche Ende einnehmen, und zwar so, daß die kleineren um die größeren herumliegen. Ich habe diese Vertiefungen gleich bei der Aufdeckung für "Schalen" gehalten, wie sie zuerst in Dänemark, dann aber auch im nördlichen Deutschland sehr oft auf den Decksteinen von Hünengräbern beobachtet sind. Man schreibt denselben eine symbolische Bedeutung zu, muß es aber begreiflicher Weise der Phantasie überlassen, welche Rolle sie beim Opfern, Weissagen oder sonst gespielt haben. Diese Deutung ist angegriffen (von Dr. Hofmeister), und eine natürliche Entstehung der "Schalen" behauptet, wobei auch auf das Vorkommen einer ähnlichen Vertiefung auf Stein 6 hingewiesen ist. Ich habe nun auf einer skandinavischen Reise ein besonderes Augenmerk auf die als "Schalensteine" bezeichneten Granitblöcke gerichtet und muß allerdings zugeben, daß die Schalen derselben meist tiefer und mit schärferen Rändern versehen, also überzeugender waren als bei unserem Exemplar. Doch fehlte es auch an gleich flachen


1) Ich habe über die Bollbrücker Ausgrabungen in einem für das größere Publikum berechneten Artikel der "Mecklenb. Anzeigen" 1883, Nr. 145 berichtet. Ebendort, Nr. 45, hat Herr Dr. Hofmeister in Rostock die Resultate einer Nachprüfung dieses dritten Hügels mitgetheilt, die ihn zu einer von der meinen abweichenden Anschauung geführt haben. Meine obige Darstellung sucht eine Vereinigung der Gegensätze.
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nicht; und andererseits habe ich, obwohl ich viele Hunderte frei liegender Granitblöcke daraufhin angesehen habe, nirgends anders solche Vertiefungen gefunden, als eben auf den Decksteinen mehrerer meklenburgischer Hünengräber. Ich muß also an der Deutung jenes Blockes als "Schalenstein" festhalten. - Den westlichen Abschluß der Anlage bildet ein starker liegender Block (9). Der eingeschlossene Raum war theilweise mit einem aus mittelgroßen Geschiebsteinen gebildeten Pflaster versehen; Alterthümer fanden sich innerhalb desselben nicht. Der ganze Bau gleicht einem zerstörten Hünengrabe, und es ist ein Verdienst des Herrn Dr. Hofmeister, dieses im Einzelnen durchgeführt zu haben. Ganz ungewöhnlich ist nun für Meklenburg, daß ein solches Grab 1) auf einem künstlichen Hügel errichtet, 2) mit einem Erdmantel bedeckt ist. Die unterirdischen Steingräber von Nesow (Jahrb. XXX, S. 131) und Tankenhagen (Jahrb. XXXVII, S. 193) lagen auf ebenem Boden, und nur das von Blengow (Jahrb. XXX, S. 193) scheint ebenfalls auf einem aufgetragenen Hügel gestanden zu haben. Sonst stehen diese Steinkisten stets frei auf natürlichem Boden. Ferner sind die zu einem vollständigen Grabe gehörigen Steine nicht mehr vorhanden. Eine Steinkiste, die nach oben mit Bohlen abgeschlossen wäre, ist ohne jede Analogie, auch fehlt der östliche Schlußstein (8 als solchen anzusehen kann ich mich nicht entschließen, da derselbe, wie erwähnt, in seiner jetzigen Lage durch kleinere Steine gehalten wird). Ferner ist die Lücke zwischen 9 und 6 unausgefüllt, da 5 (selbst angenommen, der Block hätte aufrecht gestanden) viel zu unregelmäßige Seiten hat. Es ist also nicht möglich, mit dem vorhandenen Material das Grab zu construiren; und wir müssen annehmen, daß bei der Zerstörung mehrere Steine entfernt sind. Ob 5 als Deckstein gedient hat, wage ich nicht zu entscheiden; augenblicklich scheint die Entfernung der nördlichen und südlichen Wand zu groß dazu. Doch weist der für die jetzige Oeffnung zu kleine Schlußstein 9, ferner die geringere Entfernung von 3 und 7 darauf hin, daß die Breite durch Verschiebung von 6 vergrößert ist, und dann könnte allerdings 5 über 1 und einem zwischen 6 und 9 befindlichen Steine gelegen haben. Es erhebt sich nun die Frage: wann ist dieses Hünengrab zerstört? Gegen eine Ausräumung in neuerer Zeit spricht erstens der Umstand, daß offenbar einige Steine seitlich verschoben sind, also zur Zeit der Zerstörung das Ganze entweder freigestanden hat oder doch freigelegt ist; zweitens, daß darüber ein Hügel errichtet ist, der genau die Form der Kegelgräber der Bronze=

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zeit zeigt, wie sie in nächster Nachbarschaft zahlreich auftreten. Drittens aber, und das ist der Hauptgrund, zeigte sich in der Höhe der oberen Kante der Steine eine Aschenschicht von etwa einem Finger Stärke, die außerhalb der Kammer von der nördlichen Wand (1 bis 3) nach der östlichen Oeffnung sich hinzog. Diese Asche beweist, daß, als die Zuschüttung des alten Steingrabes fertig war, hier eine Verbrennung stattgefunden hat. Hier am östlichen Ende standen auch in freier Erde neben den Steinen, aber nicht zu Füßen derselben zwei Urnen (αundβ), leider ganz zerbrochen. Sie hatten auffallend starke Wände und als Inhalt Asche und Knochen, aber so wenig, daß es die Reste eines verbrannten Menschen nicht sein können. Nach ihrer Stellung gehören sie nicht dem Hünengrabe an, sondern sind entweder bei der Zuschüttung der Anlage oder noch später hineingesetzt worden. - Demnach nehme ich an, daß das Hünengrab ursprünglich frei gestanden hat, daß dasselbe schon in der Bronzezeit in seiner Form gestört und ein kegelförmiger Hügel darüber geschüttet worden ist. Daß der Steinsetzung damals irgend eine rituelle Bedeutung zugeschrieben ist, läßt sich ja nicht beweisen, ist aber mit Rücksicht auf den "Schalenstein" wahrscheinlich. Möglich ist es immerhin, daß das Volk der Bronzezeit an einer von der älteren Landesbevölkerung geweihten Stelle eine Art Heroenkultus getrieben, und dann aus unbekannten Gründen dieselbe verschüttet habe; praktisch möchte es sich aber empfehlen, bis auf Weiteres den Platz lieber als "zerstörtes Hünengrab" denn als "Opferplatz" zu bezeichnen.

Vierter Grabhügel.

Sodann wurde mit Nichtberücksichtigung von drei kleineren dazwischen liegenden ein ca. 75 Mtr. entfernter, südlich gelegener Hügel in Angriff genommen, der an Größe und Umfang die bisherigen noch überragte. Auch dieser Hügel bot eine unerwartete Grabanlage dar. Schon 65 Cm unter der Erddecke nämlich stieß man auf Steine, und nach der Freilegung des Baues ergab sich, daß dieselben den Mantel einer kreisrunden Steinsetzung von ca. 1 1/2 Mtrn Höhe und gleichem Durchmesser bildeten. Es waren meist Sandstein= und Granitplatten, die neben, resp. auf einander gestellt waren und durch kleinere Steine in ihrer Lage gehalten wurden. Der Cylinder war nach oben offen und mit Erde gefüllt, doch lagen einige große Steine auf der Erddecke. Bei der Wegräumung ergab sich, daß den Boden des Cylinders ein Steindamm bildete, und auf diesem im Westen

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neben einander vier in Steine sorgsam verpackte Graburnen standen. Südlich von dieser Anlage zog sich halbmondförmig eine bankartige Schichtung aus mittelgroßen Steinen hin. Auch diese Baulichkeit ist räthselhaft. Es ist für uns ganz ohne Analogie, daß Urnen in einer runden, aufgeschichteten Steinsetzung beigesetzt sind; die Analogie der alt=italischen Grabformen, wo brunnenartige Vertiefungen im Felsen hergestellt und als Gräber benutzt sind, hilft uns nicht weiter. Auch die Annahme, die Urnen seien später von einer nachfolgenden Bevölkerung in den fertigen Hügel eingesetzt, ist unzulässig, da das nur mit Zerstörung des Baues möglich gewesen wäre. Eigenartig in der Bronzezeit ist es auch, daß derselbe nicht auf dem Urboden, sondern auf einem etwa 2 1/2 Mtr. hoch aufgeschichteten Hügel aufgeführt ist. Sollten wir auch hier eine Cultusanlage, einen Altar etwa, vor uns haben, in dem gläubige Pietät die Reste der Verstorbenen am Besten geborgen glaubte?

Die Urnen waren zum Theil durch den Druck der Steine zertrümmert; doch ist es gelungen, sie wenigstens so weit zusammenzusetzen, daß über ihre Form kein Zweifel sein kann. Sie waren gefüllt mit Knochen und Asche. Wir zählen sie in der Richtung von Süden nach Norden auf.

1) Scharfer Bauchrand in 3/5 Höhe; der obere Theil biegt sich leise ein und endet in einem geraden Halse. Höhe: 16 1/2 Cm, oberer Durchmesser: 16 Cm, unterer: 12 1/2 Cm, größter Umfang (am Bauchrande): 68 Cm., Grundform: Frid.-Franc. V, 9 und 11; Jahrb. XI, S. 357. Daß diese Urnenform bei uns der jüngeren Bronzezeit 1 ) angehört, beweist das gänzliche Fehlen derselben in den unzweifelhaft alten Gräbern und das häufige, fast regelmäßige Auftreten in den jüngeren, z. B. zu Ludwigslust, Meiersdorf, Perdöhl, Vietlübbe, Marnitz und Grabow.

2) An Gestalt der vorigen sehr ähnlich. Höhe: 17 Cm, oberer Durchmesser: 16 1/2 Cm, unterer: 9 1/2 Cm, größter Umfang: 64 Cm. Auf den Knochen fand sich ein Fingerring von dünnem Bronzedrahte.

3) Urne seltener Art: ohne Bauchrand, mit leise gebogenen Wänden; besonders selten ist ein 2 1/2 Cm unterhalb des Randes herumlaufender, aufgesetzter Kranz von kleinen


1) Was ich unter "jüngerer" Bronzezeit verstehe, habe ich im vorigen Jahrbuch, S. 293 ff., auseinandergesetzt und hoffe ich noch genauer darlegen zu können.
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Erhöhungen. Höhe: 22 1/2 Cm, oberer Durchmesser: etwa 15 Cm, unterer: 11 Cm., größter Umfang (etwa 1/2 Höhe): 60 Cm. Eine Abbildung dieser Form findet sich in unseren Publicationen nicht; am nächsten kommt ihr Frid.-Franc. V, 6, doch hat das dortige Exemplar einen Bauchrand. Lisch erwähnt sie kurz als seltenere Form in seiner Abhandlung über Grab=Urnen (Jahrb. XI, S. 365). Aehnlicher ist Montelius, Antiquités suédoises 261. Auch diese Form gehört unzweifelhaft der jüngeren Bronzezeit an. Finden sich Urnen, die der Cylinderform sich nähern, auch schon in älteren Gräbern, z. B. zu Rakow und Kläden, so haben diese doch noch Andeutungen des Bauchrandes, der hier schon völlig fehlt. Besonders aber ist die wulstartige Randverzierung der älteren Bronzezeit ganz fremd. In der Schweriner Sammlung zeigt sie nur ein Exemplar, unbekannten Fundorts; dagegen habe ich sie in den skandinavischen Museen, besonders in Stockholm, mehrfach bemerkt und stets in Begleitung jüngerer Bronzen.

4) Ohne Bauchrand, aber mit runder Wandfläche, mit geradem Rande. Höhe: 15 Cm, oberer Durchmesser: 14 Cm, unterer: 8 1/2 Cm, größter Umfang (1/2 Höhe): 58 Cm. Von den Urnen der älteren Bronzezeit (s. Jahrb. XI, S. 356) unterscheidet sich diese Form durch das gerade Aufsteigen des Halses, von den charakteristischen der jüngeren durch Fehlen des Bauchrandes. Es ist eine seltene Uebergangsform, der reineren Form der ersten beiden nahe verwandt. Auf den Knochen lag ein bronzener Fingerring von 2 1/2 Cm Durchmesser. Auch diese unscheinbaren Ringe gehören der jungen Bronzezeit an. Von den entsprechenden Ringen der älteren Zeit (Frid.-Franc. XXIII, 9-11; s. auch oben bei Tessenow) unterscheiden sie sich dadurch, daß diese platter sind und gegossen zu sein scheinen, während unser Exemplar aus Bronzedraht so hergestellt ist, daß die Enden zusammengehämmert sind und daher einen kleinen Wulst bilden. Aehnliche sind in Sembzin (Jahrb. XIX, S. 311), Lelkendorf (Jahrb. II, B, S. 43) und Kuppentin (Jahrb. X, S. 292) gefunden.

Stimmen also die Bollbrücker Funde sowohl in der Art der Beerdigung (Graburnen) als der Ausstattung (dürftige Beigaben von Bronze) mit den Gräbern der jüngeren Bronzezeit überein, so unterscheiden sie sich wesentlich von ihnen durch ihre Anlage. Nach unserer bisherigen Erfahrung müßte man diese bedeutenden Hügel der älteren Bronzezeit zurechnen, da die jüngere nur niedrige Hügel aufweist. Auch ist die Beerdigung, wie wir sie im ersten und zweiten Hügel

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fanden, der jüngeren Zeit fremd. Unmöglich ist es demnach nicht, daß wir die Gräber der beiden auf einander folgenden Perioden hier neben einander haben, und es würde ein solches Nebeneinander für die Erkenntniß des Zusammenhangs zwischen ihnen von großer Wichtigkeit sein. Doch berechtigt das bisher vorhandene Material noch nicht zur Aufstellung einer abschließenden Meinung.