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V.

Untersuchungen

zur

Bronzezeit in Meklenburg.

Von

Dr. Robert Beltz.


I. Kegelgräber von Tessenow.

(Katalog=Nummer des Großh. Antiquariums B, 100-140.)

D ie von der Elde aus nach Süden allmählich ansteigende sandige Gegend zwischen Parchim und Puttlitz hat schon eine Reihe von Fundgegenständen der Bronzezeit geliefert, und es sind bei Slate, Zachow, Marnitz, Sukow, Meyersdorf Hügelgräber dieser Periode (die sog. "Kegelgräber") aufgenommen worden. Es reihen sich dem jetzt eine Anzahl Fundstücke an, die Herr Albert v. Voß, jetzt zu Ludwigslust, auf seinem Gute Tessenow im Laufe der Jahre gesammelt und im Herbste 1882 in dankenswerthester Weise der Großherzoglichen Alterthümersammlung überwiesen hat. Die Gegenstände stammen aus einer Anzahl von Hügeln, welche auf dem Gebiete zwischen Tessenow und Mühlenberg zerstreut lagen; es waren Hügel von etwa 1 Mtr. Höhe, meist von einem Steinkranze umgeben; beobachtet ist, daß die gefundenen Urnen auf einem Steinpflaster standen und in Steine eingepackt waren.

Wie sich die Fundstücke auf die einzelnen Hügel vertheilen, ist nicht notirt worden; ich zähle sie daher nach Gegenständen auf.

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A. Gegenstände aus Bronze:

1) Ein Schwert in vier Stücken, 57 Cm lang; die Spitze und das Ende des Griffes fehlen. Die Griffzunge hat erhabene Ränder, der Griff war mit Nieten befestigt, von denen einige erhalten sind; die Klinge hat einen starken Grat und verbreitert sich nicht. Die Grundform ist die Frid. Francisceum XV, 3, und Lindenschmit, Alterthümer unserer heidnischen Vorzeit I, 3, 3, Fig. 4 und 5 abgebildete; doch ist von der Verbreiterung, welche diese Abbildungen zeigen, abzusehen.

2) Ein Schwert, in zwei Stücken, 40 Cm lang, also zu den kleineren gehörend. Die Griffzunge hat sieben Löcher zur Befestigung des Griffes, davon vier halbmondförmig gestellte am Griffansatz; erhaltene Reste beweisen, daß der Griff aus Holz war. Es gleicht i. A. dem eben erwähnten und stimmt genau mit dem bei Bastian und Voß, Bronzeschwerter des Berliner Museums I, 6 abgebildeten überein, dessen Fundort das benachbarte Putlitz ist.

3) Eine Lanzenspitze, 19 1/2 Cm lang. Die Spitze ist abgebrochen, aber erhalten. Sie hat einen ungewöhnlich starken Grat und keinen Schaftstil, sondern eine Zunge mit drei starken, nach der Mitte zu dünneren Nieten. Die Form siehe Frid. Franc. VIII, 3 (wo jedoch nur zwei Nieten) Bastian=Voß, l. c. IV, 1. Diese Form überwiegt bei uns in den Gräbern, wo sie sich neunmal (fünfmal mit zwei Nieten) findet, über die mit Schaftloch, die nur dreimal (in Friedrichsruhe, Tarnow und Sukow) vertreten ist. Umgekehrt findet sie sich in Moorfunden nie, wo die andere Form häufig ist. Aus diesem Verhältniß kann man folgern, daß die Form mit Schaftzunge die ältere ist.

4) Ein Messer mit nach unten gebogener Klinge, in zwei Stücke zerbrochen, 12 Cm lang. Der Griff ist durchbrochen, das Griffende wird von einem Ringe gebildet. Die Schneide selbst ist schmal und hat einen hohen Rand, unter dem eine Kerbe hinläuft. Diese Messerform ist der älteren Bronzezeit charakteristisch, erst in der jüngeren treten die Messer mit nach oben gebogener, geschweifter Schneide auf. Die untere Seite ist, wie immer bei den ähnlich geformten Sicheln und meist bei gleichen Messern, ganz flach und nicht bearbeitet. Wir haben acht ähnliche Exemplare, alle aus Gräbern. Abbildungen sehe man: Frid. Franc. XVI, 13, Montelius, Antiquités suédoises 114 (ohne Ring), Lindenschmit, Alterth. uns. heid. Vorz. I, 8, 4, Fig. 3 (aus Unterfranken, sehr ähnlich) und 12. Bastian und Voß, Br.=Schw. XVI, 25.

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5) Ein Messer von der Grundform des vorigen, doch schließt es nicht in einem Ring, sondern in leichter Rundung ab; der Rand ist niedriger; unvollständig erhalten.

6) Ein Messer mit leicht geschweifter Klinge und Griffansatz, schmal und flach, 1 Cm breit und ohne Griff 8 1/2 Cm lang. Auch diese Form ist sehr häufig, und aus ihr sind die breiten flachen Messer der jüngeren Bronzezeit hervorgegangen. Der Griff lief gewöhnlich in einen Pferdekopf aus; ich habe diese Form im vorigen Jahrbuch S. 262 besprochen. Abbildungen siehe: Frid.-Franc. XVIII, 2 und 3. Montelius, A. S. 115.

7) Ein gleiches Messer von 8 Cm Länge.

8) Zwei Reste eines gleichen Messers.

9) Der Ring zu einem Messer gleich Nr. 4.

10) Die Nadel einer Fibel von der in Meklenburg häufigsten Form. Das Ende hat zwei kleine parallele Querstangen, eine größere untere und eine kleinere obere. 14 1/2 Cm lang.

11) Eine zerbrochene Fibel mit gewundenem Bügel von 9 1/4 Cm Länge. Die Spiralplatten, welche den Bügel abzuschließen pflegen, sind verloren.

12) Eine gleiche Fibel von 7 1/2 Cm. Der Bügel besteht aus einer rhombischen Stange, die mit feinen Strichornamenten verziert ist.

13) und 14) Dürftige Reste einer gleichen.

Charakteristisch für diese hier weit überwiegende Fibelform (Abbildungen s. Fr.-Fr. XI, 3. Lindenschmit, A. u. h. V. III, 3, 1, Fig. 2) ist 1) der gewundene Bügel, 2) die mit zwei Querstangen versehene Nadel. Wir haben in unserer Sammlung 20 gleiche Exemplare, zum Theil allerdings sehr vergangen und in ihren einzelnen Gliedern nur durch die Analogie zu ergänzen. Es ist das begreiflich, da alle Exemplare, mit Ausnahme der ganz singulären Plauerhagener Riesenfibel, fein gearbeitet und klein sind, also durch die Oxydirung leicht zerstört wurden. Es schließen sich eng an diesen Typus diejenigen an, bei denen sich der gewundene Bügel verbreitert und allmählich zu einem länglichen Bande wird. Außer drei Uebergangsformen zeigen diesen Typus sieben Exemplare, denen noch drei fragmentarisch erhaltene sich anschließen. Die Verbreiterung hat einen natürlichen Grund darin, daß alle diese Fibeln größer sind. Die Entwickelung der Fibelformen ist ein Lieblingsthema der heutigen Archäologen, besonders der nordischen, und es läßt sich in der That an keinem Gegenstande der locale Unterschied innerhalb der Bronzecultur

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so überzeugend darstellen, wie hier. Scheint es doch sogar, daß eine speciell deutsche Form nachgewiesen werden kann, deren Verbreitungsgebiet mit dem der Germanen nach den römischen Quellen sich deckt. Hildebrand in seinem berühmten: Bidrag till spännets historia bildet eine der vorliegenden ähnliche Form als Typus A der nordischen Gruppe ab; doch unterscheidet sich diese im Norden häufige Form dadurch von der unseren, daß die Nadel in einem nach der Mitte zu sich verjüngenden Knopf endet, während die deutschen Exemplare fast durchgängig die zwei (oder drei) Querstangen haben (wie a. a. O. Typus D), also einem Doppelkreuze ähneln. Gegenüber Hildebrand (a. a. O. S. 34 und 40) und Montelius (Congrès de Stockholm, 1874, Compte rendu I, S. 425), welche in dem skandinavischen Typus A. die Grundform sehen, hat Undset, Etudes sur l'age de bronce I, S. 85 ff. mit siegreichen Gründen typologisch und geographisch die Originalität unserer Form, die er V, 1, VIII, 3 abbildet, behauptet. Seine genauen Nachweise constatiren, daß es eine Form ist, die von Westen her nach dem Norden gedrungen ist, wo sie der älteren Bronzezeit angehört. Wir haben also auch hier einen Beleg dafür, daß die älteren Typen der Bronzezeit auf westlichem Wege gekommen sind.

15) Nadel mit einfachem conischem Kopfe, ganz unverziert, 12 Cm lang; die Spitze ist abgebrochen. Abbildung einer ähnlichen Fr.-Fr. XXIV, 11. Nadeln dieses Typus finden sich in den Gräbern der älteren Bronzezeit gelegentlich und sind stets stark und gut gearbeitet; so im Glockenberge von Friedrichsruhe und in Leussow, aber auch in Moorfunden von Bützow und Pampow (s. u.).

16) Nadel mit profilirtem Kopfe. Die Nadel verdickt sich nach oben und ist hier durch starke parallele Querschnitte profilirt. Erhalten ist nur der obere Theil; die Patina ist heller und glänzender als bei den übrigen Gegenständen. Abbildungen: Fr.-Fr. XXIV, 18; Lindenschmit, A. u. a. h. V. I, 4, 4, 8; Groß, les Protohelvètes XXI, 53 (doch hat dieses Exemplar noch eine Platte). Wir haben gleiche aus Gräbern von Friedrichsruhe, Kremmin, Zachow und Slate, welche letzteren Fundorte Tessenow benachbart sind und überhaupt denselben Charakter tragen. Andere Nadeln, z. B. von Mölln und Gallentin, zeigen durch zartere Profilirung den Uebergang zur jüngeren Bronzezeit an.

17) Kleine vierseitige Stange, noch 5 Cm lang. Eine ähnliche ist in Goritz gefunden und Jahrb. XIX, 309 von Lisch als Schmalmeißel bezeichnet.

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18) Ein einfach geriefelter Halsring (torques) von der gewöhnlichen Form der älteren Bronzezeit, in zwei Stücke zerbrochen, 15 Cm. Durchmesser.

19) und 20) Zwei starke Armringe mit scharf abschneidenden, zusammenschließenden Enden. Die Ränder sind scharf nach oben und unten, gerundet nach innen und außen. Durchmesser: 8 1/2, resp. 7 1/2 Cm. Sie sind an der Außenseite mit Dreiecken aus Parallelstrichen verziert, wie das Frid.-Franc. XXI, 3 abgebildete Exemplar. Ihre eigene Form s. Frid.-Franc. XXI, 2.

21) Ein ähnlicher Ring von 8 Cm Durchmesser, mit Schräglinien verziert, ganz wie Fr.-Fr. XXII, 3.

22) Ein starker Handring von 7 1/2 Cm. Durchmesser. Die untere Seite ist völlig glatt, ein Beweis, daß mehrere Ringe über einander getragen sind. Er ist mit tief gehenden Querstrichen verziert, s. Fr.-Fr. XXII, 7.

23) Ein ähnlicher, aber zarterer Handring von 6 Cm Durchmesser, s. Fr.=Fr. XXII, 5. Die Patina ist zum Theil tief blau.

24) und 25) Reste von zwei Handringen aus 1 1/2 Cm breitem Blech mit schräger Linearverzierung; s. Fr.-Fr. XXII, 8.

Alle diese Formen sind häufig; ich kann daher auf eine Aufzählung analoger Exemplare verzichten, will aber bemerken, daß gerade die Hand= und Armringe ein Specificum der meklenburgischen Bronzezeit sind. Ich habe in keinem Museum so viele derartige Ringe gefunden, und nirgends scheinen sie ein so regelmäßiges Fundobject aus Bronzegräbern zu sein, - ein Umstand, der bei der Betrachtung der Bronzezeit, wo die locale Charakteristik eine Hauptaufgabe bildet, gewiß von Bedeutung ist.

26) Reste eines Fingerringes, aus Spiralwindungen bestehend, von denen vier erhalten sind; 2 Cm Durchmesser; s. Fr.-Fr. XXIII, 8.

27) Ein gleicher von drei Windungen, heller patinirt als der vorige.

28) Ein massiver Fingerring mit leichter, heller Patina, 2 Cm Durchmesser; ganz wie Fr.-Fr. XXIII, 10.

29) und 30) Reste von zwei Handbergen der bekannten Form, Fr.-Fr. XXIII, 15. Die Spiralscheiben haben 7 1/2 Cm Durchmesser und sind daher größer als gewöhnlich.

31) Ein kleiner Kegel aus dünnem Blech; wie Fr.-Fr. XXXII, 8. Diese Kegel erscheinen nur selten, ähnliche sind

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in Gädebehn und Retschow, ein kleinerer in Friedrichsruhe (Grab 9) gefunden; häufiger scheinen sie in der jüngeren Zeit zu werden, doch bietet unser Museum kein Beispiel.

32) Ein einfacher, unverzierter Doppel=Knopf, dessen eine Platte abgebrochen ist.

33) Ein Beschlag, wohl von einer Schwertscheide, aus Blech zusammengebogen, mit flüchtig eingekratzten Linien verziert, 1 3/4 Cm hoch, 5 Cm lang; die Patina ist glänzend und leicht.

34) Zusammengebrannte Reste, darunter die eines Ringes, dessen Gestalt im Einzelnen nicht zu erkennen ist.

B. Ein Spiralring aus doppeltem Golddraht von sechs Windungen, dessen Enden zusammengehämmert sind, 2 Cm Durchmesser. Ueber die Verbreitung und Form der Goldringe s. Jahrb. XLVII, S. 264 bei Gelegenheit der reichen Friedrichsruher Goldfunde.

C. Zwei Bernsteinperlen , beide kugelig und mit scharfen Rändern, gleich den Jahrb. XLVII, Tafel VI, 3 abgebildeten. Es erweitert sich damit die Reihe unserer Bronze=Gräber mit Bernsteinfunden (Alt=Sammit, Peccatel, Friedrichsruhe, Parchim) um Tessenow.

D. Thongefäße:

1) Eine größere Urne, ausgebaucht, ohne scharfen Bauchrand, mit geradem, ziemlich langem Halse; Höhe: 23 1/2 Cm, oberer Durchmesser 18 1/2, unterer 11 1/2 Cm, größte Bauchweite (in 1/3 Höhe) 80 Cm, Länge des Halses 10 Cm. Die Form s. Fr.-Fr. V, 1, 4, 5, und Montelius A. S. 258, doch hat die vorliegende, einen geraderen Hals. Sie gehört dem von Lisch (Jahrb. XI, S. 356) mit 1 bezeichneten Typus der älteren Bronzezeit an, unterscheidet sich aber von der großen Mehrzahl der Urnen durch ihre schwarze Farbe. Sie ist vollständig mit zerbrannten Knochen gefüllt.

2) Eine kleine zerbrochene Urne von feinerer Arbeit. Erhalten ist nur der Fuß und ein Theil des Bauches, wonach sie schüsselförmig gewesen zu sein scheint.

3) Eine kleine zerbrochene Urne, deren Dimensionen aber noch erkennbar sind, ausgebaucht und mit leise gebogenem Rande. Grundform Fr.-Fr. VI, 13. Oberer Durchmesser: 7 Cm, unterer: 5 Cm, Höhe: 8 Cm, größter Umfang (2/3 Höhe): 32 Cm.

4) Der Fuß einer großen schüsselförmigen Urne, 9 1/2 Cm Durchmesser. Die Urnenwände setzen in einem sehr stumpfen

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Winkel an und sind mit sehr kunstlos eingekratzten Zickzacklinien verziert. Dieses ist in der fein stilisirenden Bronzezeit etwas ganz Ungewöhnliches und findet nur in einem gleich geformten Gefäße von Zachow (s. o.) eine Analogie.

5) Eine große Anzahl Scherben, unter denen einige mit eingedrückten, tiefen Parallelstreifen verziert sind. Diese laufen nicht schräg um den Bauchrand, sondern stehen vertical oder horizontal, ebenfalls eine sehr seltene Verzierungsart. Siehe Jahrb. XI, S. 361. Fr. Fr. VI, 8.

Wir haben nach dem Obigen in den Tessenower Funden Repräsentanten der älteren Bronzezeit, wo Leichenbestattung (erwiesen z. B. durch die blaue Patina des Ringes No. 23) und Leichenbrand neben einander sich finden. Der Gesammtcharakter zeigt nichts Neues; eine große Gleichartigkeit haben die Tessenower Gräber besonders mit den benachbarten, z. B. denen von Zachow. Es liegt darin der Beweis einer gleichzeitigen sehr starken Besiedlung jener Gegend in der Bronzezeit.