zurück zur Metadatenansicht auf dem Dokumentenserver
zurück
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 284 zur nächsten Seite zur letzen Seite
Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

III.

Mirislawa, Fürstin von Wenden,

im

Stiftscapitel zu Quedlinburg.

Vom

Geheimen Archivrath v. Mülverstedt ,

Staats-Archivar zu Magdeburg.


D er fromme kirchliche Sinn, der das Mittelalter auszeichnet, äußerte sich bei den Fürstenhäusern und dem hohen Adel Deutschlands auch in der Gründung von Klöstern und geistlichen Stiftungen verschiedener Art. Dabei waltete aber auch ganz besonders die Absicht vor, durch die Existenz eigener Haus= und Familienstifter oder =Klöster, die unter dem beständigen Patronat der Stifter und ihrer Nachkommen und in einer gewissen Abhängigkeit von ihnen verblieben, hier nicht allein für die aus der Welt scheidenden Mitglieder des Hauses eine gesonderte letzte Ruhestätte an einem vornehmlich geheiligten Orte und im Laufe der Zeit inmitten ihrer Verwandten zu erlangen, sondern auch den Söhnen und Töchtern des Hauses, welche Neigung oder Bestimmung ihrer Eltern oder Verwandten dem geistlichen Leben und Stande zuführte, oder die ohne Aussicht auf Vermählung oder Succession in das väterliche Erbe blieben, einen Sitz stiller Zurückgezogenheit und eine geistliche Zufluchtstätte oder eine Versorgung für das Leben zu sichern, auch ihnen die Gelegenheit zu geben, eine Laufbahn zu beginnen, die sie zur Erlangung standesmäßiger geistlicher Würden, ja zu einer

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 285 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Machtstellung führen konnte, welche die auswärtigen Beziehungen ihres Hauses in Staat und Kirche mehr oder minder zu fördern im Stande war. Es giebt kein altdeutsches Fürsten= oder Grafengeschlecht, welches nicht ein Haus= und Familienkloster, wenn nicht gegründet, so doch aufs Reichste begabt hätte, um solche Beziehungen zu demselben zu erlangen, welche die Erreichung der obigen Zwecke ermöglichten. Der niedere Adel folgte hier und dort nach Vermögen diesem Beispiele; aber in viel höherem Maße betheiligte er sich an dem allgemeinen Streben des Mittelalters, seine Söhne und Töchter in Stifter und Klöster eintreten zu lassen und sie dem geistlichen Stande zu widmen. In dieser Beziehung herrschte beim niederen und hohen Adel, bei den regierenden und Fürstenhäusern Deutschlands kein Unterschied im Norden und Süden, im Osten und Westen. Gleichviel, ob sie von deutscher oder Undeutscher Herkunft waren, pflegten sie alle, oft in begeistertem Streben, das Wohl der christlichen Kirche durch reiche Spenden aller Art. So giebt die Geschichte Zeugnisse genug von dem werkthätigen Christenthum getaufter edler Wendenfürsten und Dynasten, sowie ihrer Nachkommen. Wie der Fürst des Havellandes Pribislaw=Heinrich bis an seinen 1150 erfolgten Tod im Verein mit seiner Gemahlin Petrissa, nachdem beide die Wahrheiten der erlösenden Heilskirche erkannt, mit unerschütterlicher Hingebung für die Neubegründung und dauernde Befestigung des nur noch dem Namen nach bestehenden Hochstifts Brandenburg wirkte und dem kühnen Förderer und Vertheidiger des Christenglaubens in der Ostmark, Albrecht dem Bären, ihm die Wege ebnend, sein Land als eine Erbschaft überlieferte: so wetteiferten die Nachkommen des edlen Fürsten Pribislaw von Meklenburg, der sein Haupt zuerst gläubig zur Taufe gebeugt, in Wohlthaten gegen das Hochstift Schwerin und andere Gotteshäuser, in Begabung von Stiftern, Kirchen und Klöstern.

Auch sie und ihre Nachbaren, die gleich ihnen aus edlem wendischem Blute entsprossenen Pommernfürsten 1 ), sehen wir nicht hinter ihren Standesgenossen aus deutschem Stamme im übrigen Deutschland zurückstehen, weder in der äußer=


1) Anastasia, die Gemahlin Herzogs Bogislaw I., begab sich 1235 in das von ihr gegründete Kloster Marienbusch bei Treptow a. R. und starb hier 1240. Herzog Wartistav II., Sohn Swantibors, gründete 1187 das Kloster Colbatz; Jutta, Herzogin von Pommern, befand sich 1299 im Kloster zu Wollin und 1323 als Priorin zu Crummin.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 286 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

lichen Pflege gottgeweihter Stätten, noch in dem Bestreben, Söhne und Töchter dem Dienste der Kirche zu weihen. Und von Letzteren entsagten wohl manche freiwillig der Welt und leisteten geistliche Gelübde für ein nur frommen Uebungen geweihtes Leben der Zurückgezogenheit in stillen Klostermauern. Ein solcher Sinn führte nicht nur Töchter des meklenburgischen Fürstenhauses, sondern auch einige seiner Söhne in die strengen Mönchsorden: Heinrich († nach 17. März 1291) und Bernhard († nach 24. Aug. 1309) v. Werle, die dem Dominicanerkloster in Röbel angehörten; aber größer war die Zahl der Fürstinnen, welche ihr frommer Sinn nach einfachen Jungfrauenklöstern zog, statt in die prächtigen Stifter weltgeistlicher Chorfrauen: die Aebtissinnen des Klosters Ribnitz, Beatrix (bis 1395, † 1399) und Euphemia († 1398), deren Schwester Constantia gleichfalls ein Glied des Klosterconvents war. Ebenso viele Töchter aus dem fürstlichen Zweige in Wenden (Werle) zeigen sich in gleichen Verhältnissen: eine Tochter des 1337 verstorbenen Fürsten Johann II. von Güstrow (Anna) als Nonne in Dobbertin (1344), Mirislawa, eine Tochter des Fürsten Bernhard von Werle († 1379?), als Klosterfrau in Eldena, endlich Rixa, eine Tochter des Fürsten Johann III., 1392 als Priorin zu Dobbertin, deren Nichte Agnes im Jahre 1402 als Conventualin zu Malchow, wo auch ihre Base gleiches Namens 1449 im Convent sich befand.

So waren es fast nur heimathliche 1 ) Klöster, welche sich die Töchter des meklenburgischen Fürstenhauses für ihr geistliches Leben erkoren, nicht glänzende Stifter freiweltlicher Chorfrauen, hochangesehen durch kaiserliche Privilegien und päpstliche Gnadenbriefe, durch reichen Besitz an Land und Leuten und durch das Vorrecht, sich nur den Sprößlingen des hohen deutschen Adels vom Fürsten=, Grafen= und Herrenstande zu öffnen.

Aber auch die Söhne des meklenburgischen Herrscherhauses sehen wir während des Mittelalters nicht als Cannoniker solcher hohen Stiftskirchen, an denen es in ihrer Heimath und in den nächsten Nachbarlanden gebrach. Die Dom=Capitel von Ratzeburg, von Brandenburg und von Havelberg waren vom mönchischen Orden der Prämonstatenser, und die hohen Stiftskirchen von Schwerin, Cammin und Lübeck


1) 1241 bis etwa 1205 war in nicht ferner Nachbarschaft Elisabeth, eine Tochter des Fürsten Heinrich Borwin I., Aebtissin zu Wienhausen bei Celle.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 287 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

waren weder durch ein Vorrecht für den Geburtsstand ausgezeichnet, noch durch die Vorzüge des Alters, der Privilegien oder des Reichthums, wie dies alles die Cathedrale von Halberstadt und die Metropolitankirche von Magdeburg besaßen.

Im 13. und 14. Jahrhundert wurden aber doch die zum geistlichen Stande bestimmten Fürstensöhne von Meklenburg - aus leicht erklärlichen Gründen - mit Pfründen in den Hochstiftern ihrer Heimath und deren nächster Umgebung providirt; so sehen wir Nicolaus, den Sohn des Herzogs Johann I., als Domherrn und Scholasticus zu Schwerin und als Domherrn zu Lübeck, zuletzt als Dompropst beider Stifter, seinen Bruder Hermann (1265, 66) als Scholaster zu Schwerin. Aus dem Hause Werle=Güstrow erscheint Fürst Barnim als Domherr und Dompropst zu Cammin bis 1333. 1 )

Aber wir ersehen doch aus zwei Fällen während des Mittelalters, daß das meklenburgische Fürstenhaus bestrebt war, seine Söhne und Töchter in jene auswärtigen großen und reichen Stifter aufgenommen zu sehen, welche allein dem hohen Adel geöffnet waren.

Beide Fälle sind bereits bekannt. Ein Sohn des durch besondere Neigung für den geistlichen Stand ausgezeichneten Fürstenhauses Werle (auch nicht selten von Wenden, de Slavia genannt), das sich mit einem der Söhne des Fürsten Heinrich Borwin II. vom Stammhause Meklenburg abgezweigt hatte, der Fürst Günther, erscheint in den ersten Jahren des 14. Jahrhunderts als Besitzer einer Domherrnstelle des Erzstifts Magdeburg neben seiner Pfründe zu Güstrow. Ueber ihn haben wir unter Abbildung seines interessanten, dem Mekl. Urk.=Buch Bd. V, Nr. 3281 entlehnten Siegels in den Magdeburgischen Geschichtsblättern IV, S. 457 - 471 gehandelt. Welche Ursachen für seinen Eintritt in das seinem Geburtsrange angemessene Capitel der hohen Stiftskirche von Magdeburg wirksam waren, wird sich kaum noch erkennen lassen. Es kann sein, daß noch in seinen letzten Lebensjahren Erzbischof Erich, der Brandenburger, seine Rezeption ins Auge gefaßt hatte, oder daß der Einfluß des einst gleichfalls jenem Metropolitanstift als Domherr angehörenden Erzbischofs Johann von Riga (1295-1300), eines geborenen Grafen v. Schwerin und entfernten Verwandten Günthers, seine Aufnahme vorbereitete, daß die Mutter, aus dem Erzstift Magdeburg in mehr als einer Beziehung nahe=


1) Er starb als Mönch zu Colbatz in Pommern.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 288 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

stehenden Geschlecht der Grafen v. Lindow seinen Eintritt forderte, oder endlich, daß der Papst dem durch gute Eigenschaften für den Dienst der Kirche vielversprechenden Fürsten Günther, der anscheinend noch vor Erlangung seiner Magdeburgischen Präbende zum Bischofe von Camin postulirt gewesen sein soll 1 ), durch Verleihung der Magdeburgischen Pfründe eine besondere Gnade und weiteren Vorschub leisten wollte. Ist die Urkunde von 1312, die ihn als Ritter nennt [ 2 ), ächt, so hat sich die geistliche Laufbahn Günthers als weltliche geendigt.

Das zweite Beispiel, daß ein dem geistlichen Stande sich widmendes Mitglied des meklenburgischen Fürstenhauses nicht ein heimathliches Kloster wählte, gab die Fürstin Mirislawa, oder wie sie in den uns bekannten Urkunden auch heißt, Myrislawa von Wenden. Es war dies auch natürlich, da sie nicht einem mönchischen Orden angehören, sondern in ein freiweltliches Stift eintreten wollte, und es in Meklenburg Frauen=Collegiatstifter nicht gab. So konnte daher nur eins der großen, reich privilegirten Stifter von ihr auserkoren werden, wie sie am nächsten in Niedersachsen zu Quedlinburg und Gandersheim bestanden. In beiden Stiftern sollte das Capitel nur aus Mitgliedern des hohen Adels bestehen, und hier ist dies Gesetz bis zu ihrer Aufhebung beobachtet worden. Es ist keine alleinstehende Thatsache, daß eine meklenburgische, also weither stammende, Prinzessin in dem Stiftscapitel von Quedlinburg Aufnahme fand; im 17. und 18. Jahrhundert waren es Prinzessinnen der Häuser Pfalz, Hessen=Darmstadt, Holstein und Schweden, welche hier die Würde der Aebtissin bekleideten, und während des Mittelalters sehen wir nicht ausschließlich Angehörige dynastischer Geschlechter Sachsens - die von Jahrzehnt zu Jahrzehnt sich durch Erlöschen verringerten - im kaiserlichen freiweltlichen Stift auf der Burg zu Quedlinburg, sondern auch regierende und dynastische Häuser Thüringens, Meißens und


1) Meine Bemerkung in den Magdeburgischen Geschichts=Blättern IV, S. 469 in Betreff des Ausdruckes postulatus erfährt eine Beschränkung durch eine im Staats=Archiv zu Magdeburg (s. r. Stift Halberstadt IX, No. 35) befindliche Originalurkunde, ausgestellt zu Braunschweig am 28. Juli 1279 von Conradus Werdenis ecclesie postulatus. Auch 1271 nennt er sich so, 1275 und 1281 postulatus et tutor, 1290 aber episcopus, siehe v. Hodenberg, Verdener Geschichtsquellen II, pag. 139, 146, 151 und 158.
2) Mekl. Urk.=Buch V, No. 3562.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 289 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Niedersachsens stellten ein ansehnliches Contingent zu den Reihen der Stiftsfrauen von Sanct Servaz: das herzogliche Haus Braunschweig, die Grafengeschlechter von Regenstein, Gleichen, Stolberg und Schauenburg, die Burggrafen von Kirchberg und Dohna, die Edlen Familien von Querfurt, Schraplau, Hackeborn, Hadmersleben, Suselitz, Tannrode, Krosigk, Reuß von Plauen, Schenken zu Tautenburg u. a. m., aber auch von weiter her, aus Böhmen, Baiern und vom Rheinstrom die Edelherren Berka v. d. Duba, die Grafen v. Ortenberg und v. Isenburg. Unter diesen Umständen kann es nicht befremden, wenn auch eine nordische Fürstentochter im hohen Stift von Quedlinburg Aufnahme suchte und fand, "Mirislawa von Wenden".

Unter den zahlreichen Urkunden des Stifts Quedlinburg, welche v. Eraths großartiges Werk schon vor mehr als hundert Jahren der Oeffentlichkeit übergeben hat, befinden sich drei aus den Jahren 1402, 1407 und 1411, welche unter den Chorfrauen des Stifts, und zwar auch mit mehreren Würden bekleidet, die Mirislawa v. Wenden [h] 1) erwähnen. Der Name, den dieses Mitglied des Quedlinburger Stifts=Capitels trägt, hat schon vor längerer Zeit in ihr eine Angehörige des meklenburgischen Fürstenhauses von der werlischen Linie erkennen lassen, wozu schon allein die Beschaffenheit des der wendischen Sprache angehörigen Taufnamens ausreichte, und der Umstand, daß nur jener Zweig des Hauses Meklenburg allein für ein Geschlecht vom hohen Adel mit dem Namen Wenden in Betracht kommen konnte. Denn der bekannten, sehr angesehenen, am 13. März 1595 erloschenen braunschweigischen Familie v. Wenden vom niedern Adel, die es mit diesem Namen allein noch gegeben hat, war eben ihres Standes wegen der Eintritt in das Stiftscapitel von Quedlinburg verschlossen. Aus historischen Aufzeichnungen oder Urkunden war aber die Zugehörigkeit der Canonissin Mirislawa zum meklenburgischen Fürstenhause und ihre Genealogie schon längst bekannt; denn in der Stammtafel des Hauses Werle oder Wenden, welche Rudloff seinem Pragmatischen Handbuch der Meklenburgischen Geschichte, Bd. II, Abthl. 3 und 4, S. 629 beigefügt hat, erscheint sie als Tochter des bereits vor dem 16. Octbr. 1395 verstorbenen Fürsten Johann VI. von Wenden zu Goldberg und Waren und seiner erst nach 1402 verstorbenen Gemahlin Agnes, einer Tochter des Fürsten

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 290 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Nicolaus IV. von Werle=Goldberg 1 ). Sie hat nach Rudloffs Angabe noch am 29. Novbr. 1436 zu Malchin gelebt 2 ). Ihren Namen empfing sie sehr wahrscheinlich von ihres Vaters Schwester Mirislawa, welche, wie oben erwähnt, Conventualin des Klosters Eldena war 3 ).

Es leuchtet ein, daß die wenigen Urkunden, welche bisher von Mirislawa durch den Druck bekannt gemacht worden sind, nicht ausreichen, ein Lebensbild von ihr zu geben oder eingehend ihre hauptsächlichsten Lebensschicksale darzustellen. Aber eine neu aufgefundene, unten folgende Urkunde erweitert doch die spärliche Kunde von der frommen wendischen Fürstentochter im Stiftscapitel von Quedlinburg.

Ebenso wie die Motive zum Eintritte der Fürstin Mirislawa von Wenden gerade in das Stift Quedlinburg dunkel sind, entbehren wir auch Nachrichten über den Zeitpunkt ihrer Aufnahme in dasselbe. Es mag sein, daß eine nicht gleich auf der Hand liegende Verwandtschaft mit einem Hause, aus welchem ein Mitglied dem Stift angehörte, sie bestimmte und ihrem Eintritt förderlich ward, oder daß allein ihr Verlangen maßgebend war, ihre geistliche Laufbahn in einem ihrem Stande angemessenen Stifte zu beginnen, wobei nur Quedlinburg oder Gandersheim in Betracht gezogen werden konnte. Wenn wir in der ältesten Mirislawa erwähnenden Quedlinburger Urkunde vom Jahre 1402 sie schon mit der Würde der Portenaria des Stifts bekleidet


1) Ihre Geschwister waren Nicolaus († 21. August 1408), Christoph, Fürst zu Wenden († 25. März 1420), Wilhelm, der jung starb, und Agnes, die 1402 und noch 1449 dem Kloster zu Malchow angehörte.
2) Nachdem mit dem Tode ihres Vetters Wilhelm das Werlische Fürstenhaus im Mannesstamme erloschen und das Land Wenden auf die Herzoge von Meklenburg übergegangen war, leistete "Mirislaw, van godes gnade fforstynne to Wenden vnde frochen to Werle etc.", in Anwesenheit der Wendischen Stände zu Malchin am 28. November (amme midweken vor sunte Andreas auende) 1430 Verzicht auf das Land Wenden zu Gunsten ihrer Vettern, der Herzoge von Meklenburg, und bekannte sich von diesen wegen ihrer Leibzucht befriedigt. An der Urkunde hängt ein rundes Siegel mit dem Werlischen Schild und Helm und mit der Umschrift:
Umschrift
3) Auch sonst kommt der Name Mirislawa bei Wendischen Herrscherfamilien vor, so bei einer Tochter des Herzogs Barnim I. von Pommern, die (vor 1290) mit dem Grafen Nicolaus (I.) von Schwerin=Wittenburg († 1323) vermählt war (sie starb 1327 oder 1328), und bei deren Tochter, welche sich 1327 mit dem Grafen Johann (III.) von Holstein=Plön vermählte. S. Wigger in Jahrb. XXXIV, S. 116, 122, 139.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 291 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

sehen, so war ihr Eintritt in dasselbe wohl sicher schon im letzten Jahrzehnte des 14. Jahrhunderts erfolgt, vielleicht aus Anlaß des Todes ihres Vaters, des Fürsten Johann (VI), dessen eine Urkunde vom 16. October 1395 als bereits verstorben erwähnt. 1 )

Jedenfalls wird Mirislawa während der Regierung der Aebtissin Ermegard, einer, gebornen Burggräfin v. Kirchberg, die vom Frühjahr 1380 ab dem Stifte vorstand und am 20. August 2 ) 1405 starb, in das Stiftscapitel eingetreten sein; eine Verwandtschaft derselben mit dem fürstlich wendischen Hause ist wenigstens aus Avemanns bekanntem Werke über die Burggrafen von Kirchberg nicht ersichtlich.

Die angeführte Urkunde vom Jahre 1402 3 ) ist ausgestellt von der Pröpstin Adelheid von Isenburg, der Unterpröpstin Mechthild v. Hackeborn und der Pförtnerin (Portenaria) Myritzlav von Wenden, und besagt nur, daß von ihnen 1 1/2 Hufen und ein Hof zu Rieder (im Anhaltischen) der Aebtissin Ermegard behufs Verwendung zu frommen Zwecken verkauft worden seien. Es bedarf für jeden Sachverständigen hier nicht der Bemerkung, daß die Benennung der Fürstin Mirislawa mit dem bloßen Prädicat von Wenden, nicht als domina, domicella oder princeps principissa) de Wenden, nur als hergebracht und gewöhnlich erscheint, indem die dortigen Stiftsmitglieder ihrer höheren Standesbezeichnung entbehrten. Denn es ist im Mittelalter Grundsatz, daß geistliche Personen ihren Familiennamen in Urkunden entweder ganz ablegen, oder wenn sie von demselben ein Standes= oder Würdenprädicat führen, dieses nicht gebrauchen, wie es zahllose Urkunden aller Gegenden, namentlich der Stifter Magdeburg, Halberstadt und Quedlinburg aus dem 12. bis 15. Jahrhundert erweisen. Es hängt dies sowohl mit dem Zweck und der Bedeutung des geistlichen Standes zusammen, als auch damit, daß z. B. die Führung des Grafentitels damals lediglich auf die Ausübung des Grafenamtes oder der Regierung hinweist.

Einen Beweis des hohen Ansehens, in welchem die werlische Fürstentochter sicherlich durch die Eigenschaften ihres Geistes und Herzens bei ihrer Aebtissin stand, bietet das Testament


1) Nach Mittheilung des Archivraths Dr. Wigger in Schwerin, dem ich auch noch einige andere Nachrichten über Mirislawa und ihre nächsten Verwandten zu verdanken habe.
2) Nach Andern in octava assumt. Mariae, also am 22. August; nach Winnigstedts Chronik in Abels Sammlung etc . S. 506, 507 starb sie am 23. August.
3) v. Erath, Cod. dipl. Quedl. p. 637. 638.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 292 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

derselben, welches sie im Gefühl ihres herannahenden Endes wenige Tage vor ihrem Tode, am 18. August 1405, errichtete. 1 ) Zu den Vollstreckerinnen ihres letzten Willens ernannte sie die Conventualinnen ihres Stifts Mechthild v. Hackeborn und Mirislawa von Wenden. Domherren und Stiftsfrauen von so hoher Abkunft, wie Mirislawa, durften sich ohne Nachtheil für ihr Amt und ihre Pfründe eines öfteren und längeren Urlaubs erfreuen, um in der Heimath bald Erholung auf den väterlichen Besitzungen zu suchen, bald des ersehnten Verkehrs mit den Familienmitgliedern zu pflegen, bald an den Angelegenheiten des Hauses und feierlichen Rechtsacten Theil zu nehmen. Die Urkunden der Erz= und Hochstifter lassen solche Absentien genug constatiren (wie im Speciellen auch bei Mirislawas Urgroßvaterbruder, dem Domherrn Günther von Magdeburg), und so war auch Mirislawa in der Sommerzeit des Jahres 1405 abwesend, wie die obige Urkunde angiebt, in welcher sie trotzdem ein Zeugniß des höchsten Vertrauens von ihrer Aebtissin empfängt. Ob Mirislawa damals noch das Pförtnerinnen=Amt des Stifts verwaltete, ist nicht ersichtlich, da diese Urkunde sie sowohl, als die 1402 mit der Würde der Unterpröbstin bekleidete Mechthild v. Hackeborn nur einfach als canonicae ecclesiae Quedlinburgensis bezeichnet. 2 )

Die dritte Urkunde, welche der Fürstin Mirislawa erwähnt, betrifft sie geradezu mit und ist bisher unbekannt gewesen. Wir geben sie hier nach dem im Staatsarchiv zu Magdeburg befindlichen Original 3 ) wieder. Sie ist am 10. September 1405, drittehalb Wochen nach dem Tode der Aebtissin Ermegard, ausgestellt, welche damals noch keine Nachfolgerin erhalten hatte; denn diese, Adelheid Gräfin v. Isenburg, war damals noch Pröpstin. Es handelt sich in der Urkunde um die durch (jedenfalls erkorene) Schiedsrichter, die Grafen Ulrich v. Regenstein und Heinrich v. Wernigerode, geschehene Beilegung von Zwistigkeiten, die zwischen der Pröpstin Adelheid und den "beiden Jungfrauen, der v. Hackeborn und der v. Wenden", gewährt hatten. Diese Streitigkeiten waren offenbar durch den Todesfall


1) v. Erath, Cod. Qedl. S. 641; hier ist wohl Miricsla ein Versehen für Miritsla.
2) Auch Fritsch, Geschichte des Stifts und der Stadt Quedlinburg I, S. 190 erwähnt die Mirislawa v. Wenden als Mitglied des Stiftscapitels, dem auch gleichzeitig Elisabeth Prinzessin von Braunschweig angehörte.
3) S. r. Stift Quedlinburg, B. II, Nr. 7.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 293 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

der Aebtissin und ihr Testament verursacht worden, für welches sie die beiden Stiftsfrauen zu Vollstreckerinnen ernannt hatte. Der Ausführung dieses Auftrages scheint Adelheid v. Isenburg Schwierigkeiten entgegengestellt zu haben, da sie sich allein als die natürliche Verweserin des Stifts betrachtete, um so mehr, als sie neben der Propstei bisher auch die dechaneiliche Würde bekleidete. Beide Aemter sollte sie aber sofort und noch vor der Neuwahl einer Aebtissin niederlegen. Namentlich hatte sie, abgesehen von andern Hindernissen, die Verabfolgung von Nachlaßstücken der verstorbenen Aebtissin zur Ausführung der letztwilligen Bestimmungen derselben den beiden Canonissinnen verweigert. Sogar die Schlüssel zur Bücherkammer und das Siegel des Stifts sollte die Pröpstin ihnen auszuhändigen gehalten sein, die danach selbst als Stellvertreterinnen der Aebtissin betrachtet wurden, so daß sie ihre Einwilligung zu geben haben sollten, wenn die Pröpstin etwa Veräußerungen des Stiftsguts vorzunehmen oder neue Conventsmitglieder zu recipiren beabsichtigte. Die beiden Grafen machten sich zur Gewährleistung für die Erfüllung dieses Testaments verbindlich. 1 )


1) Die Urkunde selbst lautet: Von der gnade goddes wie Olrik, greue to Reynstein, vnd Hinrik, greue to Wernigerode, bekennen in dissem apenen breue vor alle den, de one seen, horen edder lesen, dat we hebben gededinghet twisschen vnser vrouwen der prouestinne Alheide von Ysenborch,vuppe eyne syt, vnd der juncvrouwen von Hakeborne vnd von der Wenden, vppe de andern siten, alse vmme schelinghe vnd twidracht, de twisschen one an beydent siden vppgestan was, dat we de fruntliken vnd gütliken hengelecht hebben, et sy geistlik edder werlik, edder wur de twidracht vnd vnwille von gekommen sy. Vortmer so hebbe we gededinghet, dat de vorgenante vnse vrouwe de prouestinne schal von stund an vorlaten de prouestige vnd de dekenige, eyr dat eyn vrouwe edder ebdeschen des stiftes to Quedlinborg gekoren werde; vne we denne to der prouestige vnd dekenige gekoren vnd gesat werd, alse dat vore reyde vtgesproken is, den schal men darby laten by aller alden wonheit, vryheit vnd rechte, alse dat von alder to gewesen vnd gehort heft Ok so hebbe we gededinget twisschen disser benomeden vnser vrouwen der prouestinne: wat den juncvrouwen vorgenant gegheuen is von der erwerdigen vnser vrouwen Ermegarde, de eyn ebdisschen was vppe der borch, seliger dechtnisse, dat to der sulue horen mach vnd to festen edder memorien gelecht is, dat one dat schal rauklien volghen sunder jenigerleyen se ok ane hinder. Were ok, dat noch wat were vppe der benomden vnser vrouwen houe, dat se one gegheuen hedde, dat schelden se ok ane hinder darauff bringhen. Vortmer so schal de eyrbenante vnse vrouwe de prouestinne de slotele to dem sytere vnd to dem ingesegele von sek antworden in alle der (  ...  )
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 294 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Sehr bald nach diesem Vergleiche muß die Neuwahl einer Aebtissin erfolgt sein, wobei die Gräfin Adelheid v. Isenburg, welche die propsteiliche Würde 15 Jahre lang verwaltet hatte, erkoren wurde. Es beweist dies, daß schon unterm 16. November 1405 der Papst dem Bischof von Halberstadt den Auftrag ertheilte, die neugewählte Aebtissin zu weihen. Es ist dieser Zeitraum vom 10. Septbr. bis zum 16. Novbr. interessant für die Beurtheilung der Dauer der Botschaftsreise nach Rom und beweist, welchen Werth die römische Curie auf die schnelle Erledigung der Wahlangelegenheit bei einem so bedeutenden und hochangesehenen Stift legte. Vermuthlich wird die Weihe der neuen Aebtissin erst zu Anfang des Jahres 1406 stattgefunden haben. 1 )

Mit großer Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, daß gleichzeitig mit der Neuwahl der Aebtissin auch die Wiederbesetzung der damals vacanten Würden der Pröpstin und Dechantin des Stifts erfolgte. Die Wahl lenkte sich, wie zu erwarten war, auf die von der verstorbenen Aebtissin Ermegard so ausgezeichneten Conventsmitglieder Mechthild


(  ...  ) wise vnd mate, alse de vor gehat heft. Ok so en schal vnse vrouwe, de prouestinne vorgenannt, des goddeshuses gudere nicht vorsetten noch vorkopen sunder der vorgenanten twier juncvrouwen witschapp vnd willen vnd en schal ok neyne juncvrouwen in dat goddishus nemen ane ore witschapp vnd schal dat denne halden nach des goddeshuses sede vnd wonheit Dat alle disse vorschreuen dedinghe vnd jowelk artikel bysunder stede vnd gantz gehalten werde von vnser vrouwen, der prouestinne vorgenannt, dat loue we ergenante graue Olrik to Reynstein vnd graue Hinrik to Wernigerode disse benomeden twen juncvrouwen von Hakeborn vnd von Wenden. Würde one der ienich brok auer, dar willen we one truwelken to helpen, dat one de irfullet werde; dat loue we one stede vnd gancz tu holdene ane argelist Ouer dissen bedinghen vnd beuestinge sint geweßen: Hans von Clins, Heyne Czelinghes, Kone Eghardes vnd Hans Hagedorn, to der tid borgemester beydir stedd to Quedlinborg, Hans Heysen, Hans Czelingh Hanckel Boddeker, Jan Wittejan, Clauwes Hilwordes, Cord Greuen, Tile Hindernisse vnd Oltze Berndes, tu des suluen tid ratmanne. Des to orkunde vnd mere wissenheit hebbe we Olrik, greue to Reynstein, vnd Hinrik, greue to Wernigerode, vnd we Adelheid von Ysenborch, to der tid prouestinne, one dissen bref da[r] vpp gigheuen, besegelt mit vnsern ingesegeln angehenghet, nach Goddes begort verteynhundert jar darneist in dem vesten jare, des dornsdaghes neist vor vnser leuen vrouwen daghe natiuitates Marie. - [Siterium = buochkamere, Hoffmann, Sumerlaten.]
1) Aber doch wohl vor dem 12. März 1406, an welchem Tage Bischof Rudolf in Quedlinburg anwesend war. S. Janicke, Quedlinburger Urk.=Buch I, S. 222. 222; Schmidt, Urk.=Buch der Stadt Halberstadt II, S. 22. 23.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 295 zur ersten Seite zur vorherigen Seite

von Hackeborn und Mirislawa von Wenden. Die bekannten Canonissinnen waren damals zwei Schwestern Burggräfinnen zu Dohna, zwei Edelfräulein v. Dorstadt, eine Gräfin v. Gleichen und ein Fräulein Reuß v. Plauen. 1 )

Erst 1407 haben wir ein urkundliches Zeugniß über Mirislawa als Dechantin des Stifts Quedlinburg 2 ); aber wie lange sie diese Würde bekleidete, läßt sich nicht nachweisen. Es steht nur fest, daß sie noch 1411 als Dechantin fungirte. 3 ) Von ihrer Wirksamkeit in ihrem hohen Amte und ihrem Verhältnisse zur Aebtissin Adelheid, ihrer früheren Gegnerin, ist nichts bekannt. Daß sie noch 1417 die Dechanei besessen, wie Fritsch angiebt 4 ) ist nicht erweislich. Sie scheint, wie dies öfters vorkam, ihre Würde niedergelegt und sich in die Heimath zurückgezogen zu haben, wie dies nach der Urkunde, welche sie noch im Herbst 1436 zu Malchin ausstellte, anzunehmen ist. Im Jahre 1428 wird die Burggräfin Dorothea zu Dohna als Dechantin urkundlich genannt. 5 ) Die Aebtissin Adelheid entsagte ihrem Amte 1435 wegen Altersschwäche, starb aber erst im Jahre 1441.

 

Vignette

1) S. Kettner, Kirchen= und Stiftshistorie von Quedlinburg S. 85, und Fritsch a. a. O. I, S. 195.
2) v. Erath, 1. c. S. 648. Ihr Name ist in der Urkunde Myrizlaw geschrieben.
3) v. Erath, a. a. O. S. 654, Wo sie Mirisla heißt.
4) und Wahrscheinlich nach ihm Rudloff a. a. O. - Kettner 1. c. p. 85 hat sie im Jahre 1417 nicht.
5) Kettner a. a. O. S. 85 nennt zum Jahre 1435 nebst den oben genannten Stiftsfrauen auch Mirislawa als Portenaria, aber es ist dies nach den Urkunden bei Erath nicht bloß unerweislich, sondern auch in hohem Grade unwahrscheinlich, daß sie wieder und viel später mit einer viel niedrigeren Würde sich begnügt haben werde. - Mirislawa mochte im Jahre 1436, wo sie in Meklenburg erscheint wohl kaum das 60. Lebensjahr zurückgelegt haben.