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Von Dr. F. Crull.
Aus der Beschreibung der Kirche zu Gnoien von Dr. Lisch im Jahrbuche von 1847 (XII, S. 462) ist bekannt, daß dieselbe dem 13. Jahrhunderte und dem Uebergangsstile
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angehört, daß das Schiff (im 14. Jahrhunderte) zu einem zweischiffigen gemacht ist, und daß der Thurm wahrscheinlich 1445 erbaut wurde. Derselbe Begründer unserer vaterländischen Archäologie erwähnt auch des Altarschreins dieser Kirche, giebt aber keine nähere Beschreibung desselben, weshalb eine solche hier nachträglich Platz finden möge.
Den mittleren Platz im feststehenden Haupttheile nimmt ein schönes geschnitztes Muttergottesbild ein, dem zwei schwebende Engel eine Krone über dem Haupte hielten - der eine Engel und die Krone fehlen -, während zwei andere die Laute spielend zu den Füßen der Hauptfigur sitzen. In die Hohlkehle des Rahmens sind unter Baldachine rechts die h. Barbara und Katharina, links die h. Dorothea und Agnes gestellt. An jeder Seite des Marienbildes sind zwei Compartimente über einander angeordnet und in jedem Flügel deren vier, welche geschnitzte Gruppen enthalten, die Mariens Leben (und die Kindheit Jesu) zur Anschauung bringen. Es sind folgende:
1: Mariens Seele wird in den Himmel genommen.
2: Mariens Geburt.
3: Maria ersteigt die fünfzehn Stufen des Tempels.
4: Mariens Vermählung.
5: Die Verkündigung.
6: Die Heimsuchung.
7: Christi Geburt.
8: Die Beschneidung.
9: Die Anbetung der h. drei Könige.
10: Die Darstellung Jesu im Tempel.
11: Die Flucht nach Aegypten.
12: Mariens Tod.
Das Bild, welches das letzte sein sollte, ist also versehentlich das erste geworden.
Jede Gruppe besteht aus zwei bis zwölf, durchschnittlich aus sechs Figuren, welche halbrund gearbeitet, überall gut angeordnet und von lebensvoller Bewegung, allerdings auch ziemlich realistisch gehalten sind; deutlich erkennt man, daß zwei verschiedene Schnitzer an dem Werke gearbeitet haben. Die Gruppen sind vorwiegend vergoldet und mit Farben
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staffirt. Auf den vergoldeten Hintergründen sind allenthalben je drei spitzbogige Nischen ausgespart und wie Fenster mit Rauten bemalt. Ueber jede Gruppe ist Rankenwerk in der Form eines Stichbogens gespannt.
Die Bilder auf der Südseite der inneren, sowie die auf den äußeren Flügeln sind bis auf einen unbedeutenden Rest auf dem inneren linken Flügel gänzlich zerstört. Man sieht jedoch noch, daß jeder dieser Flügel vier durch eine schöne Rankenbordure auf Goldgrund getrennte Abtheilungen enthielt, und erkennt in dem Erhaltenen, daß die beiden oberen Bilder die Dornenkrönung und Christus vor Pilatus, die beiden unteren aber Scenen aus dem Leben einer Heiligen darstellten; auf dem einen derselben nimmt eine Jungfrau einem Könige, der auf einem Thronsessel sitzt, die Krone vom Haupte, während der Vorgang auf dem zweiten unklar bleibt.
Auf der Predella waren die Anbetung der h. drei Könige und zu beiden Seiten ein paar Halbfiguren mit (unbeschriebenen) Spruchbändern gemalt gewesen; die Bemalung ist aber nahezu gänzlich zerstört, und zwar muß das schon früh geschehen sein, da man 1598 bereits eine Darstellung des Abendmahls darüber genagelt hat 1 ).
Das Werk gehört entschieden der Zeit um 1500 an und kann eher später als früher fallen, wie sich das aus dem in demselben offenbaren Realismus, aus dem entschiedenen Vorherrschen des vegetativen Ornaments und der Bildung des M in der Schrift um das Haupt der Maria ergiebt, welches einem H gleicht, von dessen wagerechten Balken zu Mitten noch ein senkrechter abgeht. Es gehört durchaus zu den werthvolleren Arbeiten dieser Art; und wenn es auch den Adel und die demuthsvolle Innigkeit älterer Werke vermissen läßt, so entschädigt es doch durch seinen Reichthum und das Lebensvolle der Vorgänge, wie denn auch eine ansprechende Lieblichkeit durchaus nicht fehlt.