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Die Malereien am Gewölbe der Kirche zu Gnoien.

Von Dr. F. Crull.

Nachdem an den Gewölben des Chores der Teterowschen Kirche ausgedehnte Malereien entdeckt worden waren, kamen solche auch in dem Chore der Kirche zu Gnoien zum Vorscheine, welche gleichzeitig einem Umbaue unterzogen wurde. Auch hier besteht der Chor, der dem älteren Uebergangsstile angehört, aus zwei Jochen, welche aber nicht quadratisch, sondern länglich rechteckig sind und durch einen Gurtbogen 1 ) getrennt werden. Wie in Teterow sind aber auch hier beide Gewölbe bezüglich der Malerei nicht gleich behandelt, nur daß die abwechselnd grünen und grauen Krabben, welche die Rippen begleiten, sich auf dem einen wie auf dem anderen finden.

Die vier Kappen des östlichen Gewölbes zeigen je eine Halbfigur, Kniebilder, von denen die auf der östlichen und der westlichen Kappe von einer aus Grau und Grün, getrennt durch Weiß, längsgestreiften schildförmigen Umrahmung eingefaßt sind, deren untere Spitze auf die Schildnath stößt, während der obere Rand auf die Rippen schneidet und gegen den Scheitel des Gewölbes eingezogen ist. Dieser obere Rand ist in gleicher Weise auch auf den seitlichen Kappen angeordnet, so daß ein von den Rippen durchschnittener Vierpaß gebildet wird, welcher ein Blatt=Ornament in Grün und Roth von höchst alterthümlicher Stilisirung einschließt.

Der Rahmen auf der östlichen Kappe enthält die Halbfigur Christi, der, angethan mit einem grauen Kleide und einem rothen und gelben Mantel, die Rechte segnend erhebt und in der Linken ein geschlossenes Buch hält. Der mit einem rothen Kreuze belegte Nimbus ist vergoldet. Neben den beiden Seiten des Hauptes stehen auf gelben Scheiben die Buchstaben. A und Ω in der bekannten mittelalterlichen Form.


1) Die Bemalung des Gurtbogens und der Rippen war bei der Entfernung der Tünche völlig zerstört und ist bei der Restauration ergänzt.
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In der Umrahmung auf der westlichen Kappe sieht man die Mutter des Herrn, gekrönt mit goldener Krone, in grünem Gewande und mit einem über den Kopf gezogenen Mantel von Violet mit Gelb. Sie hält die Linke auf der Brust, und in der Rechten ein Spruchband mit der Legende:

A V e M A RI A   S R A c I A

Auf der nördlichen Kappe ist Johannes der Täufer angebracht, der in der Rechten sein Attribut hält, eine schüsselförmige Scheibe, auf der das Lamm Gottes mit der Siegesfahne, in der Linken aber ein Spruchband, auf dem - von rechts her - geschrieben steht: JOh A NN e S B A P t IS t A , während das Lamm auf der Scheibe umgeben ist von den Worten: e c c e . A N S NVS. D e I. QVI. t OLLIS

Den Platz diesem gegenüber nimmt eine weibliche Figur ein, in grauem Gewande und mit einem über den Kopf gezogenen Mantel, welche die Linke etwas erhebt und in der Rechten ein Spruchband hält. Leider war die Inschrift auf demselben gänzlich verloschen, und ist es daher, und weil auch ein Attribut mangelt, unmöglich zu bestimmen, wen das Bild vorstellen soll. Es lag zwar nicht ferne an Elisabeth, die Mutter Johannes des Täufers, zu denken; allein diese wird in den gangbaren Verzeichnissen der Heiligen als solche nicht aufgeführt und ist namentlich auch in Meklenburg in Einzeldarstellung noch nicht beobachtet. Einstweilen hat man die Figur als Mariens Mutter, die h. Anna, gedeutet. Uebrigens sind deutliche Spuren vorhanden gewesen, daß an dieser Stelle zuerst ein bärtiger Kopf hat ausgeführt werden sollen.

Auch den Scheitel des vorderen, des westlichen Gewölbes umgiebt eine Rosette, welche aber hier nicht aus Blattwerk besteht, sondern aus verschlungenen Grotesken mit Ranken dazwischen; auch ist dieselbe nicht von einem Vierpasse eingeschlossen.

Auf der südlichen Kappe ist die Verkündigung dargestellt. Rechts steht der Engel in grün und rothem Gewande, die Rechte, über deren Spitze die Taube innerhalb eines Nimbus sich herabläßt, erhebend und in der Linken ein Spruchband haltend; Maria, grün und roth bekleidet, sitzt auf einem Thronstuhl; sie erhebt, das Haupt etwas gesenkt, die Rechte, ein Spruchband berührend, staunend und erschreckt, während sie in der Linken eine Laute hält. Die Legenden der Spruchbänder waren verloschen.

Die westliche Kappe enthält die Geburt Christi. Maria liegt der Länge nach ausgestreckt auf einem Lager unter einer Decke und umfaßt den Kopf des in Windeln in einer

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kastenförmigen Krippe liegenden Jesuskindes. Zu ihren Füßen sitzt der heilige Nährvater Joseph, mit einem Judenhute auf dem Kopfe, und hinter der Krippe sehen Esel und Rind herüber. Rechts von diesen zeigt sich ein Hirte, und über Marias Haupte steht der Stern.

Eine Kreuzigung nimmt die nördliche Kappe ein. Das Kreuz ist gelb und mit grauen Kanten versehen. Die Enden sind gleichfalls grau, mit einem gelben Vierpasse belegt und mit vier Knöpfen besetzt. Christus, der einen blaugrauen Schurz um die Lenden hat, hält das Haupt ziemlich stark geneigt. Der Körper ist etwas gebogen, und die Füße sind aufeinander geheftet 1 ). Zu Füßen des Kreuzes ist ein Schädel mit Gebeinen angebracht. Zu beiden Seiten stehen auf Bodenstücken Maria und Johannes der Evangelist in trauernder Haltung, jene in weißem Gewande mit roth und grünem Mantel, dieser in grauem Kleide und grünem Mantel.

Auf der östlichen Kappe sieht man in einer aus Grau, Weiß, Grün und Roth hergestellten Mandorla, an welche sich in Dreiviertelkreisen die Sinnbilder der Evangelisten anschließen, die Krönung der Mutter Gottes.

Diese Bilder sind auf Veranlassung des Herrn Bauraths Krüger durch Herrn Michaelsen in Wismar wieder aufgemalt worden.

Wenn der Chor auch entschieden dem früheren Uebergangsstile angehört, so läßt sich doch die Zeit seiner Erbauung urkundlich nicht nachweisen. Da es aber sicher ist, daß die Kapelle des heiligen Blutes in Doberan 1248 dedicirt und die S. Marienkirche in Parchim 1278 consecrirt wurde, welche beide gleichfalls den Uebergangsstil zeigen, so geht daraus hervor, daß derselbe von rund 1240 bis 1280 der in Meklenburg herrschende war, wenn dies auch nicht die genauen Grenzpunkte sein mögen. Und wenn wir dann finden, daß der Bischof Hermann von Kammin, der Ordinarius, am 23. Juni 1257 eine Urkunde über eine am Tage vorher in Dargun geschehene Verleihung in dem bei dieser Gelegenheit zuerst genannten Gnoien ausgestellt hat, so konnte es sehr wohl sein, daß er behufs Consecration der Kirche dorthin gereist


1) Die Füße neben einander finden wir in den meklenburgischen Kunstdenkmälern nur auf dem dritten Ratzeburger Capitelsiegel, welches 1259 zuerst vorkommt. (M. U.=B. 849.) Da das zweite 1256 zuletzt erscheint (ebd. 775), so wird jenes zwischen 1256 und 1259 angefertigt sein. Die nächstälteste Darstellung der Kreuzigung bei uns, deren Entstehungszeit sicher ist, ist von 130 1/7 (ebd. 3153), und zeigt diese die Füße bereits auf einander.
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wäre 1 ). Ob aber die Malereien so alt sind, ist bislang nicht zu entscheiden. Sie sind auf den frischen Putzgrund aufgetragen; aber es ist eben so wenig wahrscheinlich, daß man die Gewölbe alsbald, sondern erst nach Verlauf kürzerer oder längerer Frist mit Putz versehen habe, als es nothwendig ist, daß die Gewölbe sofort ausgeführt worden sind. In der Kirche selbst, welche als dreischiffige Hallenkirche angelegt ist, ist das allem Ansehen nach auch nicht geschehen, sondern hat man erst im 14. Jahrhunderte achteckige Pfeiler aufgeführt und mittelst dieser das Gewölbe der nunmehr zweischiffigen Hallenkirche hergestellt. Auch in Teterow, für dessen Malereien wir die Mitte des 14. Jahrhunderts als Entstehungszeit anzunehmen Gründe hatten, mag das Gewölbe später eingespannt sein; doch liegt in Gnoien zwischen Erbauung des Chores und Einwölbung desselben auf keinen Fall ein so langer Zwischenraum wie dort, da der Gurtbogen zwischen den Gewölben und die massiven, schlechthin halbcylindrischen Rippen entschieden auf das 13. Jahrhundert, und zwar auf den Uebergangsstil, die vorgothische Zeit hindeuten. Wenn es dann endlich unwahrscheinlich ist, daß das Gewölbe nicht sofort verputzt wäre, so darf man wohl schließen, daß die Bemalung desselben in das dritte Viertel des 13. Jahrhunderts falle, etwa gegen oder um 1270 zu datiren sei 2 ). Die Ornamente stimmen sehr wohl zu dieser Zeit, und was das Figürliche anlangt, so dürfte auch von daher Nichts entgegenstehen. Es ist noch nichts Handwerksmäßiges in den vier Gestalten, welche von dem östlichen Gewölbe herunterschauen. Sie sind von einer Würde, die keine conventionelle ist, und wiederum frei von der Starr=


1) Beim Abbruche des Altars stellte sich heraus, daß derselbe nicht mehr der ursprüngliche war, und fand sich daher keine Consecrationsurkunde in demselben vor.
2) Man könnte versucht sein, aus der Form der Buchstaben Folgerungen für die Entstehungszeit der Bilder abzuleiten; allein das ist nicht thunlich, da schon die Technik des Grabstichels - und Siegel geben die einzig zu Gebote stehenden datirten Schriftproben - eine völlig andere ist als die des Pinsels, und zudem die verschiedenen Formen auch auf den Siegeln langhin neben einander vorkommen. e findet sich schon 1189 (M. U.=B. 147), N noch 1310 (ebd. 3369), T schon 1173 (ebd. 111), t schon 1231 (M. U.=B. 387) und noch 1318 (ebd. 3995), dagegen kommt allerdings das L mit aufwärtsgezogenem Horizontalbalken nur im 13. Jahrhunderte vor, 1230 - 1300 (ebd. 370. 381. 463. 612. 2035. 2627), und die einer 2 annähernd gleiche Form desselben Buchstabens ist mir nur noch auf dem Siegel der Stadt Kröpelin begegnet, und zwar auf einem Abdrucke desselben vom Jahre 1306 (ebd. 3116). Merkwürdig ist das Q in dem Worte QVI welches einem I mit zwei Oesen am oberen Ende gleicht.
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heit der Bilder, welche aus der byzantinisch=romanischen Periode auf uns gekommen sind; und wenn auch die Gruppenbilder des vorderen Gewölbes den Figuren des östlichen an Adel und Correctheit nachstehen - sie sind jedenfalls von verschiedenen Händen -, so zeigen sie doch dieselbe Unbefangenheit wie diese. Auffallend an den Bildern beider Gewölbe ist der theils unbeholfene, theils gänzlich mangelnde Anschluß an die Architektur. Er ist ausgeführt oder versucht bei den Figuren des Heilandes und Mariens auf dem hinteren Gewölbe, und auf dem vorderen ist die Vertheilung auf die Fläche wenigstens bei den Darstellungen der Verkündigung, der Kreuzigung und der Krönung Mariens nicht unvollkommen. Durchaus aber mangelt er bei der Darstellung der Geburt Christi, und völlig ohne Verbindung schauen die Halbfiguren des Täufers und der ihm gegenüber ausgeführten Heiligen vom Gewölbe herab; sie sehen aus wie Skizzen auf einem Papier. Daß man diesen Mangel bei der Restauration der Bilder nicht verbessert hat, entspricht entschieden den gesunden Principien einer solchen. Die Ausführung anlangend, so ist überraschend, daß wir die Bilder nicht bloß in kräftigen Konturen finden, die mit den Localfarben ausgefüllt sind - das ist nur bei den Fleischtheilen der Fall -, sondern daß auch schon eine, wenn auch geringe Modellirung in den Gewändern angebracht ist; doch versichert der restaurirende Maler mit größter Entschiedenheit auch in diesem Punkte mit absoluter Bescheidenheit vorgegangen zu sein.

Die Bilder, vor allem das des Johannes Baptista, sind an sich von Bedeutung, ganz besonders werthvoll aber für die heimische Kunstgeschichte. Möchten sie zusammen mit den bereits wieder zu Tage gelegten im Dome zu Schwerin, in der Kirche zu Lohmen und in der Kapelle des h. Blutes zu Doberan - letztere beide vom Herrn Professor Andreä in Dresden restaurirt - und den Teterowschen dazu beitragen, daß die anderwärts noch unter der Tünche verborgenen zu neuem Leben erweckt werden.