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Die Spitze im Schilde
adeliger Familien.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


Die jetzige Familie Behr=Negendank in Neu=Vorpommern und Meklenburg, in welcher sich die im Mannesstamme erloschene Familie Negendank fortsetzt, ebenso die jetzige Familie v. Plüskow, in welcher die ebenfalls im Mannesstamme ausgestorbene alte Familie gleichen Namens fortgepflanzt ist, führen jetzt und auch sonst in den Zeiten der neuern Geschichte im Schilde eine quer gelegte sogenannte Spitze, d. h. ein spitzwinkliges, gleichschenkliges Dreieck, welches sich mit der Basis an den einen, mit der Spitze an den andern Schildesrand lehnt, und zwar mit drei Farben: golden, silbern, roth, so daß jede der drei Abtheilungen des also getheilten Schildes eine andere Farbe hat. Es war die Richtigkeit dieser Eintheilung und der Farben wohl schon hin und wieder bezweifelt; denn wenn die Spitze eine Wappenfigur ist, mit welcher der Schild belegt ist, so kann die Schildfläche sachgemäß nur Eine, der ganze Schild also nur zwei Farben haben.

Die Herausgabe des Meklenburgischen Urkunden=Buches, welches auch die ältesten Siegel in getreuen Abbildungen aufnimmt, gab Veranlassung zu umfassenden Forschungen, als die ältesten Siegel der Familie Negendank zur Untersuchung und Abbildung kamen.

Siegel

Das Ergebniß der Forschung war, daß die Annahme von der Belegung des Schildes mit einer Spitze unrichtig ist. Die ältesten Negendankschen Siegel im Staats=Archive zu Schwerin sind die Siegel der Brüder Eckhart und Dethlev Negendank, Ritter, vom 17. Dec. 1329 (vgl. Meklb. Urk.=Buch VIII, Nr. 5102), von denen das Siegel des Ritters Dethlev hieneben ab=

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gebildet 1 ) ist. Hiernach führen in alter Zeit die Negendank

einen quer getheilten Schild, welcher unten wieder schräge getheilt ist, ohne Belegung mit Wappenzeichen,

sondern nur in den verschiedenen Abtheilungen verschieden gefärbt: daher die jetzigen und auch die früheren drei Farben des Schildes. Aus dieser Schrägetheilung des untern Schildestheiles ist irrthümlich die Spitze entstanden.

Im Allgemeinen läßt sich über diesen Schild sagen, daß der obere Theil nicht grade immer die Hälfte, sondern häufiger nur ungefähr ein Drittheil beträgt, also eigentlich mehr ein "Schildeshaupt" bildet, wahrscheinlich um den Abtheilungen mehr gleichen Raum zu geben, daß die Schrägetheilung bald eine linke, bald eine rechte, eine gewisse Schrägetheilung also nicht immer Regel ist und daß sich die Schraffirung, welche bekanntlich nur eine Bezeichnung der Farbe ist, sich auf verschiedenen Siegeln auf den verschiedenen Theilen des Schildes findet, endlich daß die theilende Querlinie nicht immer ganz grade ist, was allerdings zu Irrthümern führen konnte. Aber nie ist in alter Zeit eine Spitze quer auf die Mitte des Schildes gelegt.

Genau so gebildet sind im Schweriner Archive z. B. ein Siegel vom 12. Aug. 1347 und andere Siegel an jüngeren Urkunden, sowie in den Sammlungen des Vereins mehrere gute Siegel aus dem 15. Jahrh. Im Archive der Stadt Wismar ist das älteste Negendanksche Siegel vom 15. Juni 1347 das des Knappen Eckhart, auf dem die Verschiedenheit der Farben aller drei Felder bezeichnet ist: das obere ganz mit kleinen, das mittlere mit einer Ranke, das untere leer;

aus jüngeren Zeiten kommen viele Siegel in diesem Archive vor. In der Kirche zu Proseken bei Wismar, der Pfarrkirche der meisten alten Negendankschen Landgüter, kamen neben vielen alten Wandmalereien unter der Kalktünche auch mehrere alte Negendanksche Wappen zum Vorschein, so z. B. auf der Nordwand des Chores wenigstens 4 Schilde, auf dem Gewölbe der südlichen Kappe das ganze Wappen mit Schild und Helm (mit dem geharnischten Bein) und dabei die Inschrift: Umschrift Alle diese Wappen 2 ), in den


1) Diese Abbildung ist ein Geschenk des Herrn Regierungs=Präsidenten Grafen Behr=Negendank auf Semlow.
2) Nach den Mittheilungen des Herrn Dr. Crull zu Wismar, welcher diese Wappen vor der jüngsten "Renovirung" der Kirche gezeichnet hat.
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oben angegebenen Farben, waren genau so, wie das oben abgebildete Siegel, d. h. ebenfalls mit einer horizontalen Linie.

Gleichen Schild mit den Negendank hat die jetzt ausgestorbene alte Familie von Plüskow, nämlich einen Schild quer getheilt und in der untern Hälfte schräge getheilt, bald rechts, bald links. Die ältesten Siegel sind die der Knappen Vicke, Lüdeke und Henneke Pluschowe, Brüder, an einer Ratzeburger Urkunde im Archive zu Neustrelitz 1 ), auf denen in dem untern Abschnitt eines schräge rechts, zwei schräge links getheilt sind. Die Quertheilungslinie ist auf zwei Siegeln freilich nicht ganz horizontal, wodurch das Bild sich allerdings etwas einer Spitze nähert; dennoch kann ich die Zeichnung nicht für eine Spitze anerkennen, da sich kein regelrechtes gleichschenkliges Dreieck darin erkennen läßt. Im Archive der Stadt Wismar sind 5 Siegel der von Plüskow aus den Jahren 1436, 1465 (2) und 1496(2) vorhanden 2 ), welche alle horizontal quer getheilt sind, bald rechts, bald links, so daß der unten anstoßende Nebenwinkel auch ein rechter Winkel ist.

Gleichen Schild hatte auch die ausgestorbene Familie von Parkentin, aus dem Lauenburgischen stammend, welche unter dieser und unter der Namensform Berkentin oder Barkentin auch in Meklenburg ansässig war. Milde in seinen "Siegeln des Mittelalters", Heft 5, Taf. 9, Nr. 135 und 136, hat zwei schöne Siegel aus dem Lübeker Archive abgebildet, deren Schilde sehr klar und bestimmt horizontal quer und in der untern Hälfte schräge rechts getheilt sind; auf dem Siegel Nr. 135 sind die drei Farben durch verschiedene Zeichnungen angedeutet: oben durch Puncte in der Schraffirung, in der Mitte durch ein leeres Feld, unten durch Schraffirung ohne Puncte; auf dem Siegel Nr. 136 ist allein das mittlere Feld schraffirt. Milde beschreibt diesen Schild ganz richtig, indem er S. 87 flgd. sagt, daß "die frühern Familienmitglieder den Schild quer, unten wieder schräge rechts theilten".

Gleichen Schild haben einige alte holsteinsche Adelsgeschlechter, deren Siegel bei Milde in seinen "Siegeln des Mittelalters" abgebildet sind. In Heft 7, Taf. 16, Nr. 242, steht das Siegel des Emeke Sten, welches ebenfalls


1) Nach den Mittheilungen des Herrn Archivraths, Pastors Masch zu Demern, welcher auch Staniolabdrücke einzusenden die Güte gehabt hat. Masch ist mehr geneigt, die Figur für eine Spitze zu halten.
2) Nach den Mittheilungen des Herrn Dr. Crull zu Wismar.
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quer getheilt ist, jedoch sehr hoch, und unten schräge rechts getheilt ist. Hiezu sagt aber Milde S. 165, abweichend von der Blasonirung des Schildes der Parkentin, daß auf dem Schilde eine Spitze quer rechts liegt. Aehnlich ist das Wappen der von Ratlow, abgebildet bei Milde a. a. O. Heft 6, Taf. 10, Nr. 137-139, wenn auch die Bildung, auf Nr. 137 mehr einer Spitze gleicht.

So scheint es, daß alle diese Familien in alter Zeit sicher einen quer und unten schräge getheilten Schild zum Wappen haben und daß die Spitze auf dem Schilde ein Mißverständniß jüngerer Zeiten ist.

Möglich und sogar wahrscheinlich ist es, daß alle diese Familien mit demselben Schilde ursprünglich stammverwandt sind, da auch ihre alten Gütersitze nicht sehr weit von einander liegen. Und so ist es leicht möglich, daß die Stammväter der Familien Negendank und von Plüskow aus Holstein nach Meklenburg bei der Germanisirung dieses Landes eingewandert sind.