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Steinzeit in Griechenland.
In Italien war die Steinzeit schon seit mehrern Jahren gesichert. In den neuesten Zeiten ist es unzweifelhaft geworden, daß die Cultur dieser Periode über das ganze Land verbreitet gewesen ist. Virchow sagt hierüber in seinem Berichte über den internationalen archäologischen Congreß zu Bologna in der Sitzung der Berliner Gesellschaft für Anthropologie am 11. November 1871: "Im Verlaufe der letzten zwei Jahre ist eine ganz unglaubliche Masse von Gegenständen aus der Steinzeit in Italien gesammelt worden. - - Wenn man z. B. für den Nachweis einer Steinwerkstätte verlangt, daß nicht bloß die Splitter und die rohen Producte, sondern auch die daraus gefertigten Instrumente in der Reihenfolge ihrer Ausarbeitung beigebracht werden, so ist das an einer ganzen Reihe von Stellen in Italien in der vorzüglichsten Weise geschehen, und zwar an weit auseinander liegenden Stellen."
Auch aus Griechenland sind Stimmen über Funde aus der Steinzeit vernommen, welche die Annahme gerechtfertigt erscheinen lassen, daß es in den ältesten Zeiten auch hier nicht anders gewesen sei, als sonst in fast ganz Europa. Es ist hierüber vor einigen Jahren eine kleine wichtige Schrift in griechischer Sprache mit Abbildungen erschienen, unter dem Titel:
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(Beobachtungen über die vorhistorische Archäologie in der Schweiz und Griechenland, von George Finlay. Athen, 1869.) (22 Seiten und 4 Tafeln Holzschnitte.) Gewidmet ist diese Schrift dem Pfahlbauentdecker Professor Dr. Ferdinand Keller zu Zürich.
Finlay berichtet zunächst vorzüglich über die Schweizerischen Pfahlbauten und knüpft daran Untersuchungen der Schriftstellen griechischer Schriftsteller über Pfahlbauten, und berichtet dann über einzelne Funde steinerner Alterthümer in Griechenland.
Von großem Werthe sind die Abbildungen, welche uns genau dieselben Geräthe vor Augen führen, welche in den Ostseeländern, namentlich in Meklenburg, gefunden werden.
1) Vor allen ist eine durchbohrte Streitaxt (Fig. 3) aus "dunklem Serpentin", mit grader Bahn, gefunden zu Tanagra, merkwürdig, welche in jeder Hinsicht genau mit den ältesten Streitäxten der meklenburgischen Steinzeit übereinstimmt.
2) Genau dieselbe Gestalt und Bearbeitungsweise zeigen die spanförmigen Messer (Fig. 8 und 9), aus Obsidian, gefunden in Gräbern auf der Insel Jos.
3) Eben so stimmt ein Bruchstück eines kleinen an der Küste von Attika gefundenen Obsidian=Blockes überein, von dem kleine Späne abgesplittert sind (Fig. 10), grade so wie sie in Meklenburg aus Feuerstein gefunden sind, - nicht "sehr geschickt gearbeitet" ("very skilfully worked"), wie Finlay meint.
4) Die kleinen (Meißel=)Keile aus schwarzem Feuerstein ("black petrosilex", πετροχαλιξ) aus Böotien (Fig. 4 und 5) gleichen ganz den sonst gefundenen, ebenso
5) ein kleiner Keil (Fig. 6) aus "reinem Kupfer", gefunden auf Euböa.
6) Kleine spitzige Bruchstücke von spanförmigen Messern aus Obsidian (Fig. 14 und 15), welche wohl zu Pfeilspitzen gebraucht wurden, und von Finlay aus einem Tumulus zu Marathon ausgegraben wurden, wie schon vielfach berichtet ist, und eben so ein gleiches Stück aus Argos, gleichen ganz den häufig in den Ostseeländern gefundenen Feuersteinsplittern.
7) Merkwürdig ist ein großer in Böotien gefundener Keil (Fig 1 und 2) aus grünlich=grauem Diorit ("of a greenish gray stone said to be diorite"), welcher überall geschliffen ist und von der gewöhnlichen Form der Feuerstein=
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keile in den Ostseeländern im Einzelnen abweicht. Es ist aber genau ein solcher Keil, von demselben Gestein, derselben Form und derselben Arbeit, wie ein in dem "Wolfsburg" genannten Torfmoor bei Wismar, nahe an der Ostseeküste gefundener (vgl. unten).
In den neuesten Zeiten sind weitere Berichte über Finlays Bestrebungen bekannt geworden. In der Sitzung der Berliner Gesellschaft für Anthropologie am 24. Junii 1871 wird Folgendes mitgetheilt. "Herr Bastian theilt folgenden Brief des Dr. G. Hirschfeld aus Athen mit. Hier in Athen existiren zwei Sammler (von Steininstrumenten), wohl auch die einzigen in Griechenland, der Engländer George Finlay und der Botaniker Th. v. Heldreich. Seit der Zeit, da Finlays Brochure geschrieben wurde, ist seine Sammlung erst bedeutend geworden. Sie besteht jetzt aus fast 300 Nummern. Die Instrumente bestehen in Beilen, Meißeln, Hämmern; zwei Exemplare sind durchbohrt, um einen Stiel aufzunehmen, eins davon stammt aus Gythion. Das Material ist am häufigsten rother und schwarzer Kieselschiefer; dann kommen vor: Serpentin, Diorit, Nephrit, Granit, Porphyr, Oligist. Fundorte sind hauptsächlich: Euböa (Kumi), Attika, Böotien (Tanagra, Dombrena am Helicon); Peloponnes: Gythium, Sikyon, Korinth, Epidauros; Makedonien: Athos; Thessalien. Finlay hat seine Sammlung für einen Engländer, der über den ganzen Gegenstand schreibt, kürzlich selber beschrieben. Herr v. Heldreich, der Finlay's Sammlung meist hat zusammenbringen helfen, besitzt etwa 20 Steine. Auch in Smyrna existirt ein Sammler, der Herr v. Gunzenbach; man findet auch dort herum dergleichen Steine, und das Volk nennt sie ebenfalls Donnerkeile."
Höchst merkwürdig sind die zu gleicher Zeit mit G. Finlay's Schrift bekannt gewordenen Entdeckungen des Geologen F. Fouqué auf der Insel Therasia im griechischen Archipel, über welche er in einem Artikel in der Revue des deux mondes vom 15. October 1869 unter dem Titel: "Ein vorhistorisches Pompeji" berichtet, einem Artikel, welcher in einem kurzen Auszug aus der Kölnischen Zeitung auch in die Meklenb. Anzeigen, 1869, No. 281, Beil., und in die Meklenb. Zeitung, 1869, No. 282, Beil., übergegangen ist. Therasia ist eine der vulkanischen Inseln bei der berühmten Insel Santorin, deren vulkanische Bewegungen noch in Thätigkeit sind. Hier lagern aus den ältesten Zeiten mächtige Schichten von vulkanischem Tuff. Unter einem Lager fand man nun
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beim Abräumen tief unten auf dem Urboden Reste von menschlichen Wohnungen von Lava=Blöcken, und in denselben ein menschliches Skelet, Gerippe von Schafen und Ziegen, große Thongefäße zur Aufbewahrung von Früchten, ein steinernes Weberschiffchen, eine Pfeilspitze und eine Säge aus Feuerstein, abgespaltene spanförmige Messer aus Obsidian u. s. w. Dies Alles deutet ebenfalls auf die Steinperiode, welche auch hier der nordischen ähnlich ist. Hoffentlich lassen sich ausführlichere Darstellungen mit Abbildungen erwarten.
G. C. F. Lisch.