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Schiff=Anker

und

Dorf Sasnitz auf Rügen.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


E s werden im Lande oft runde, scheibenförmige Steine von etwa 18 Zoll im Durchmesser und 3 bis 4 Zoll Dicke gefunden, welche in der Mitte ein rundes künstliches Loch haben.

Wenn diese Steine, namentlich paarweise, auf festem Lande gefunden werden und von festem Gestein (Granit) und auf der innern Fläche glatt abgerieben sind, so hat man wohl Veranlassung, sie für Handmühlensteine (vielleicht der Eisenzeit) zu halten.

Wenn diese Steine aber aus mürbem und blätterigem Gestein, z. B. leicht zu bearbeitendem Gneis oder Glimmerschiefer bestehen und dazu an Wasserufern und in zugewachsenen, nicht tiefen Mooren gefunden werden, so liegt es nahe, sie nicht für Mühlsteine zu halten. Man ist daher auf den Gedanken gekommen, Anker darin zu erkennen, ohne grade diese Annahme begründen oder wahrscheinlich machen zu können. Bei Warnemünde stand in der Ostsee früher ein altes Schiffswrack, in welchem mehrere hundert solcher Steine aus Glimmerschiefer lagen, welche nach und nach herausgeholt und verbraucht sind. Vgl. Jahrb. XXIX, S. 193.

Ich glaube jetzt den Gebrauch dieser Steine als Anker nachweisen oder doch sehr wahrscheinlich machen zu können, da ich die Originale entdeckt zu haben meine. Am östlichen Strande der Halbinsel Jasmund der Insel Rügen, am Rande des Stubbenitz=Waldes, südlich von der Stubben=

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kammer, unterhalb des Forsthofes Werder, am malerischen Kreidefelsen, liegt in reizenden Umgebungen ein kleines Fischerdorf Sasnitz, welches jetzt als Seebad viel besucht wird. Hoch über dem Strande erhebt sich ein mächtiges Kreidevorgebirge, der Hengst genannt, auf dessen Höhe eine uralte Tempel= oder Burgumwallung liegt, ein Arkona im Kleinen, welche von den Bewohnern der Sattel auf dem Hengst genannt wird, weil die Umwallung in einem Bogen Bogen von Schlucht zu Schlucht geht. So weit dieser Sasnitzer Strand geht, liegt an der Küste, theils im Wasser, theils auf dem Trockenen, eine große Reihe der mächtigsten Granitblöcke, wie sie auf einer Stelle selten gefunden werden. Diese Stelle muß einst eine mächtige Endmoräne der Eiszeit gewesen sein. Auch die Kreide dieser Strecke ("obere Kreide") scheint jünger zu sein; denn durch die Kreide ziehen wellenförmig in Bogen in fast gleichen Entfernungen von einander breite Streifen von fest zusammengepacktem, zertrümmertem, schwärzlichem Feuergestein. Der schmale Strand ist aber hoch mit kleinem, abgerundetem und abgeriebenen Feuersteingeröll bedeckt, wie der Heilige Damm bei Doberan 1 ). In diesen Umgebungen liegt an der Mündung eines Baches, des "Steinbaches", mit reizenden Ufern und an einem einigermaßen bequemen Zugange zum Meer das Dorf Sasnitz.

Hier am Strande im Meere haben sich die Fischer für ihre ziemlich großen Fahrzeuge (Schuten), welche für die Strandfahrt seetüchtig sind, kleine Hafen gebildet, indem sie aus den großen Granitblöcken vom Lande her in die See hinein Dämme oder Molen neben einander gebauet haben, zwischen denen je zweien immer eine Schute geschützt liegen kann.

Und diese Boote liegen noch heute am Lande "vor Anker" grade an solchen Ankersteinen, wie sie hier zu Lande gefunden werden. Es ist jedoch ein Unterschied zwischen den meklenburgischen und rügenschen Ankersteinen; denn die meklenburgischen sind durch Kunst hergestellt, die rügenschen sind Naturbildungen. Unter den unzählbaren Feuersteinen der Gegend von Sasnitz finden sich nämlich merkwürdiger Weise oft Stücke, welche von Natur die beschriebene Größe und Gestalt und von Natur in der Mitte ein großes, rundes, regelmäßiges Loch haben, so daß sie ohne alle Bearbeitung gebraucht werden können. Diese kleinen Häfen


1) Der Heilige Damm bei Doberan ist wahrscheinlich auch eine Endmoräne der Eiszeit.
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und Feuersteinanker sind gewiß uralte Einrichtungen, vielleicht Jahrtausende, seit der Steinzeit, alt und wohl die letzten Ueberreste einer uralten primitiven Schifferei. Diese Feuersteinanker sind sicher die Vorbilder der künstlich gearbeiteten. Man findet sie am Sasnitzer Strande nicht allein am Meeresufer als Anker in Gebrauch, sondern mancher Fischer hat bei seinem Hause einen gesammelten Vorrath wohl von einem Dutzend liegen. Auch vor dem Forsthofe an der Einfahrt in die Stubbenitz zur Stubbenkammer sind einige Prachtexemplare aufgestellt, alle, wie die Sasnitzer, wahre Museumsstücke.

Die kleinen Feuersteine mit einem natürlichen Loche werden in Sasnitz allgemein, wie auch in Meklenburg, zu brauchbaren Netzsenkern benutzt, welche in jüngern Zeiten aus gebranntem Thon nachgebildet wurden.

Sicher sind diese immer gleichen, ringförmigen Feuersteine Petrefacten. E. Boll sagt in seiner Schrift: "Die Insel Rügen", S. 81: "Zu den Amorphozoen oder Schwammkorallen mögen jene merkwürdigen ringförmigen Feuersteine gehört haben (Puggard nennt sie Spongia annulus), welche sich so häufig am Strande (der Halbinsel Jasmund) finden und von den Fischern zum Beschweren ihrer Netze gebraucht werden".

Auch die Sammlungen zu Schwerin haben jetzt sehr merkwürdige Exemplare aus Meklenburg erworben. Ein ausgezeichnet großes und regelmäßiges Exemplar ward in neuern Zeiten in der Gegend von Bützow bei den Eisenbahnarbeiten gefunden; ein zweites, großes, wenn auch kleineres Exemplar, welches noch ganz mit Kreide überzogen ist, ward im Herbste 1872 bei Schwerin auf der Paulshöhe bei dem Ausgraben der Kellerräume für die neue Brauerei in einer Tiefe von 28 Fuß im Diluvialsand gefunden.

Andern Nachrichten zufolge sollen zu Boltenhagen bei Klütz am Ostseestrande auch solche ringförmige Steine liegen.