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Begräbnißplatz von Pritzier.

Im Jahre 1842 ward auf dem Felde des Landgutes Pritzier ein großer Begräbnißplatz, aus der Eisenzeit, damals noch "Wendenkirchhof" genannt, aufgedeckt, dessen ganzer, reicher Inhalt in die Sammlungen des Vereins zu

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Schwerin kam; vgl. Jahrb. VIII, B, S. 58-75. Es wurden ungefähr 200 Urnen gefunden, von denen 40 erhalten und in die Sammlungen gebracht werden konnten. Die Leichen waren, wie immer in den Begräbnissen der Eisenzeit, alle verbrannt und die zerbrannten Gebeine in die Urnen gelegt, welche zugleich zahlreiche Alterthümer enthielten. Die meisten Alterthümer bestehen nun aus Eisen und sind stark gerostet und daher sehr unansehnlich. Jedoch finden sich dabei auch viele Gegenstände aus Bronze und mehrere aus Silber. Vorzüglich reich ist der Inhalt aber an Glas verschiedener Art. Diese Erscheinung war schon vor 30 Jahren sehr auffallend, konnte aber damals noch nicht genügend erklärt werden.

Nachdem in unsern nördlichen Gegenden zu Häven und an andern Orten unzweifelhafte Römergräber entdeckt waren (vgl. Jahrb. XXXV, S. 99 flgd.), konnte man an einem unmittelbaren Einfluß römischer Händler auf den Verkehr mit den einheimischen Völkerschaften nicht mehr zweifeln. Es ließ sich nachweisen, daß in den Brandgräbern der Einheimischen genau dieselben fremden Sachen gefunden waren, wie sie sich in den Römergräbern gefunden hatten, daß also höchst wahrscheinlich diese Sachen hier im Lande von den Römern an die Einheimischen verkauft worden seien.

Urne

Ich habe schon in den Jahrbüchern XXXV, S. 161, unter dem Titel "Weiterführung" vorläufig auf diese Erscheinung hingewiesen und namentlich eine Urne als Beweis beigebracht (S. 123), welche sich in beiden Begräbnißstellen in gleicher Form (mit geringen Abweichungen) gefunden hat. Seitdem habe ich die Alterthümer des Begräbnißplatzes von Pritzier wieder vorgenommen und im Einzelnen genauer durchforscht und dabei gefunden, daß sich die vollkommene Gleichheit mancher Gegenstände nicht wegleugnen läßt, beide Begräbnißplätze also wenigstens aus einer und derselben Zeit stammen müssen.

Die merkwürdigsten Gegenstände von Pritzier sind folgende:

1) Zu Pritzier ward ausnahmsweise viel Glas gefunden, namentlich eine Anzahl von weißen Glasgefäßen, welche

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aber alle durch den Leichenbrand verbogen, zusammen gefallen und zusammen geschmolzen sind. Das Glas selbst ist aber ohne Zweifel römisch. Nur ein Glasgefäß hat sich bei genauerer Beobachtung auch in der Form wieder erkennen lassen.

Römisches Glasfläschchen

Es ist dies ein kleines, dünnes Fläschchen von weißem Glase, welches durch den Leichenbrand nur wenig zusammen gebogen und gefaltet ist, sich aber noch erkennen läßt. Im Sommer 1870 fand ich das hieneben abgebildete römische Glasfläschchen bei dem Herrn Geheimen Archivrath Schmidt zu Wolfenbüttel, welcher dasselbe dem Verein geschenkt hat. Dieses Fläschchen stammt von Velletri und ist dem Fläschchen von Pritzier völlig gleich, welches also sicher römisch ist. Unter den zusammen geschmolzenen Pritzierschen Glasfläschchen befinden sich noch mehrere, welche diesem gleich gewesen sein werden. (Diese kleinen Glasfläschchen werden Salbenfläschchen (unguentaria) oder Medicinfläschchen gewesen sein und deuten auf einen ausgedehnten Handel mit künstlichen Flüssigkeiten, wahrscheinlich mit Salben; für Getränkflaschen sind sie viel zu klein.) Es giebt bekanntlich sehr viele kleine Glasflaschen, welche unter dem frühern Namen "Thränenfläschchen" bekannt sind. Diese sind aber in der Regel größer und anders geformt, als das Fläschchen von Pritzier, welches ziemlich eigenthümlich ist.

2) Zu Pritzier wurden auch sehr viele Glasperlen mit eingelegten Figuren aus verschiedenfarbiger Glaspaste gefunden. An dem römischen Ursprunge derselben ließ sich im Allgemeinen nicht zweifeln. Es ist nun aber unter den Pritzierschen Glasperlen eine gefunden, welche einer Hävenschen vollkommen gleich ist. Es ist dies genau dieselbe undurchsichtige, dunkelgrüne Perle, mit eingelegten gelben Sternen, welche der auf Taf. I, Fig. 10 abgebildeten Hävenschen Perle so durchaus gleich ist, daß sie von einem und demselben Menschen aus einem und demselben Tiegel gemacht sein muß. Dies ist wenigstens ein Beweis für die Gleichzeitigkeit. Ich möchte aber behaupten, daß die Pritziersche Perle von den Hävenschen Händlern an Pritziersche Leute verkauft ist.

3) Zu Häven sind mehrere römische Sachen gefunden, welche sonst im Lande nicht vorkommen. So ist z. B. ein silberner Gürtelring oder Beschlag gefunden, abgebildet zu Jahrb. XXXV, Taf. I, Fig. 8, vgl. S. 127, Nr. 31, welcher

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wahrscheinlich an einem Ende angenietet gewesen ist und mit dem Ringe in der Mitte über einen Haken am andern Gürtelende übergehängt ist. Genau dieselbe Knippe ist auch in dem Begräbnißplatze zu Pritzier von Bronze gefunden, wie sie hier unten abgebildet ist. (Auf der Unterseite ist durch

Gürtelring

das Niet noch ein Stückchen dünnes Bronzeblech befestigt.) Diese Gleichheit der Form eines Stückes, das sonst unter den zahlreichen gleichalterigen Alterthümern gar nicht vorkommt, deutet sicher auf einen Zusammenhang mit Häven.

4) Zu Pritzier wurden auch bronzene Eimerbänder gefunden (vgl. Jahrb. VIII, S. 65, Nr. 16 flgd.), wie an den hölzernen Eimern zu Häven (vgl. Jahrb. XXXV, S. 118, und Abbildung Taf. II, Fig. 16). Solche Bronzestreifen find fönst in einheimischen Gräbern nie gefunden.

5) Zu Pritzier ward ein Spindelstein aus grauem Sandstein gefunden, der mit concentrischen Reifen verziert ist, welche offenbar auf der Drehbank gedrechselt sind. Auch ein feiner gedrechselter Stift aus Knochen oder Elfenbein ward gefunden. Von gedrechselten Arbeiten giebt es aber in heimischen Gräbern keine Spur. Der Spindelstein muß also auch römische Arbeit sein.

6) Zu Pritzier ward ungewöhnlich viel gut gearbeitetes Silber gefunden, welches sonst wohl vorkommt, aber nicht so bezeichnend. So z. B. ein vernieteter Silberbeschlag, ähnlich wie die von Häven, eine silberne Spange ("Hakenfibel"), namentlich aber ein silberner "Siegelring" (vgl. Jahrb. VIII, S. 69 flgd.), ein höchst seltenes Stück.

Siegelring

Auch eine durchsichtige dunkelgrüne Glasperle hat einen eingeschmolzenen silbernen Henkel. Silberne Sachen solcher Art scheinen mir sicher römischen Ursprunges zu sein. Ich sehe mich daher veranlaßt, meine Ansicht aufrecht zu erhalten, daß die kleinen römischen Handelscolonien in Meklenburg ziemlich lebhaften Handel im Lande getrieben haben, da sich deutliche Spuren davon zeigen.

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Ganz ähnlich wird der große Begräbnißplatz oder das Urnenfeld von Perleberg bei Stade gewesen sein, welches in Krause's Archiv des Vereins zu Stade, II, S. 261 flgd. beschrieben ist. Leider ist die Aufgrabung nicht ruhig genug vorgenommen und der Inhalt in mehrere Sammlungen zerstreuet, daher die Beschreibung etwas summarisch gefaßt. Aber aus einzelnen Andeutungen geht hervor, daß auch hier römischer Handelseinfluß geherrscht hat, da sich mehrfach "zerflossene größere Glasmassen, kleine Stücke eines sehr leichtflüssigen lauchgrünen Glases, welche Reste zerschmolzener kleiner Gefäße zu sein scheinen, dunkelgrüne Flüsse mit außen eingebrannten Farbenzeichnungen, zer.schmolzene Glasbruchstücke von einem grünen Gefäß, sehr viele größere und kleinere zusammengesinterte Glasflüsse, meist von Perlen, musivische Perlen, Glasmosaik, braun mit gelben und weißen Streifen, Hefteln von Silber, Scheren von Eisen" und andere Dinge fanden, welche römische Fabrik verrathen. Auch eine Münze des Kaisers Gratian (375-385) ist in dem Funde vorhanden gewesen. Vollständige Römergräber sind hier aber auch nicht zum Vorschein gekommen.

Ganz ähnlich ist eine in den letzten Jahren aufgedeckte große Gräberstätte zu Gruneiken in Ostpreußen, auf der "Grenze von Litthauen und Masuren". Auch hier zeigten sich unverkennbare Spuren unmittelbaren römischen Einflusses, da sich nicht nur allerlei Glasperlen und eine römische Heftel, sondern öfter auch römische Münzen aus dem 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. in Urnen mit zerbrannten Gebeinen fanden. Im Allgemeinen ist dieser Begräbnißplatz auch dadurch merkwürdig, daß er wohl der östlichste ist, welcher mit den in den westlichsten baltischen Küstenländern gefundenen Begräbnißstätten gleich ist. (Vgl. über diese Gräberstätte: Virchow in den Blättern der Berliner Gesellschaft für Anthropologie etc. ., Sitzung vom 15. October 1870, S. 4 flgd.)