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III.

Die Hauptgottheiten

der

westwendischen Völkerschaften.

Vom

Archivrath Dr. Beyer zu Schwerin.


A ls ich im Jahre 1867 meine Abhandlung über die wendischen Schwerine veröffentlichte 1 ), hatte ich die Absicht, am Schlusse derselben einige Bemerkungen über die in den dort besprochenen Heiligthümern verehrten Gottheiten hinzuzufügen, was nur in Folge eines unerwarteten Zwischenfalles unterblieb. Es hat das die Folge gehabt, daß mir von verschiedenen Seiten, wenn auch nicht öffentlich, der Vorwurf gemacht worden ist, als ob ich alle slavischen Götter willkürlich und ohne Kritik durcheinander geworfen hätte. Dieser Vorwurf wird sich jetzt nach dem Druck der Abhandlung über die Grenzen der Redarier und die daran stoßenden Heiligthümer verstärkt wiederholen, weshalb ich es mir selbst schuldig zu sein glaube, zu meiner Rechtfertigung die Grundzüge meiner Ansichten über die Hauptgottheiten der westwendischen Völkerschaften in den Ostseeländern nördlich von der Elbe und Oder im Zusammenhange der öffentlichen Prüfung vorzulegen.

Wohl kaum ist über irgend ein mythologisches System mehr gefabelt, ja man darf sagen gefaselt worden, als über das slavische, und zwar am meisten von den gelehrten Slaven selbst. Man hat sich vorzugsweise nach Indien und Persien,


1) Jahrb. XXXII, S. 58 flgd.
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überhaupt soweit und so tief als möglich in die Ferne und in das Alterthum hinab gewendet, um Analogien für die Götterwelt eines in dem hohen Norden Europas in den einfachsten Verhältnissen lebenden Volkes zu suchen. Nun sind diese Götter allerdings nicht hier im Norden geboren worden, vielmehr stammt die gesammte Mythologie der alten und neuen indo=europäischen Völker zuletzt aus einer und derselben Wurzel, die jedoch in allen Ländern, wohin sie durch die Ausbreitung dieses Völkerstammes mit dessen Sprache selbst verpflanzt worden ist, frische eigenthümliche Zweige und Blüthen getrieben hat, in ihrem Grundstocke aber überall dieselbe geblieben ist. Anklänge an die Mythen der alten gemeinsamen Heimath finden sich daher bei allen Völkern dieser Gruppe, also auch bei den Slaven, aber bei ihnen nicht mehr, als bei den übrigen Völkern. Sicher hätte man daher besser gethan, sich zunächst in dem eigenen Hause etwas genauer umzusehen, und sich dann vor allen bei seinen nächsten Nachbaren Raths zu erholen, mit welchen die Slaven seit dem Anfang ihrer Geschichte, ja unzweifelhaft weit über alle Geschichte hinaus fortwährend in den engsten Verbindungen gestanden haben. Durch unbefangene Vergleichung der bei den Germanen in Sage und Schrift noch lebendig fortlebenden heimischen Götter würde man sich, zu Nutz und Frommen beider Völker, bald überzeugt haben, daß die Hauptgestalten des alten Götterstaates auf beiden Seiten der Grenze mit einander die größte Aehnlichkeit haben, ja geradezu identisch sind.

Indem ich daher der folgenden Darstellung einen solchen Vergleich der slavischen und germanischen Götterwelt zum Grunde lege, bemerke ich zum Voraus, daß ich den in meinen "Erinnerungen an die nordische Mythologie in Meklenburg 1 )" niedergelegten Ansichten im Großen und Ganzen bis heute treu geblieben bin, ja meine seitdem mit Vorliebe und Eifer fortgesetzten mythologischen Studien haben mich immer von Neuem von der Richtigkeit meiner damaligen Auffassung des Wesens der beiden Hauptgötter Othin und Thor vollkommen überzeugt, wenn gleich in Nebendingen Irrthümer aller Art, zuweilen recht komische, mit untergelaufen sind, weshalb es mein sehnlicher Wunsch ist, daß ich in meinem Alter Ruhe und Kraft finden möge, meine Ideen auf erweiterter Grundlage durchzuführen.


1) Jahrb. XX, 140 ff.
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Der Dualismus in der slavischen Mythologie.
Czernebog und Belbog.

Als besondere Eigenthümlichkeit der slavischen Mythologie wird namentlich der nach Helmold 1 ) strenge durchgeführte Dualismus in derselben hervorgehoben, und gerade hieraus deren nähere Verwandtschaft mit der Indischen gefolgert. Helmold, an den christlichen Gegensatz von Gott und Teufel anknüpfend, faßt die Bezeichnung einer der slavischen Gottheiten als Czernebog, d. h. wörtlich der schwarze, also finstere, zornige Gott 2 ), als rein ethischen Begriff, indem er demselben, den die christlichen Priester dem Volke vorzugsweise als den "Diabol" darzustellen pflegten, geradezu diesen Namen giebt, und ihn als das Prinzip des Bösen dem weißen, lichten, gütigen Gott Belbog, als dem Prinzipe des Guten, gegenüber stellt 3 ). Grimm bemerkt dagegen kurz, daß ihm dieser Dualismus weder durchdringend, noch ursprünglich zu sein scheine 4 ). Andererseits habe ich in meinen "Erinnerungen" nachzuweisen gesucht, daß ein ähnlicher Gegensatz auch in der germanischen Mythologie in weit größerer Schärfe hervortrete, als Grimm zugeben möchte. Weiter aber, als die Germanen nach dieser Auffassung, werden auch die Slaven nicht gegangen sein.

Sicherster Beweis dafür ist mir, daß in den einzelnen, von den ältern Berichterstattern überlieferten oder in Volkssagen fortlebenden Mythen weder Czernebog noch Belbog irgendwo persönlich oder handelnd hervortritt. Beide Namen sind ganz unzweifelhaft keine wirkliche Eigennamen eines bestimmten Gottes, sondern nur allgemeine Ausdrücke zur Bezeichnung der charakteristischen Eigenthümlichkeit der beiden höchsten Gottheiten, und so wenig schroff tritt der Gegensatz in der Wirklichkeit hervor, daß die Mythologen, wenn sie auch dies Verhältniß zugestehen, noch heute darüber


1) Helmold Chron. Slavor. I. c. 52: Est autem Slavorum mirabilis error: nam in conviviis et compotationibus suis pateram circumferunt, in quam conferunt non dicam consecrationis, sed execrationis verba sub nomine Deorum, boni scilicet et mali, omnem prosperam fortunam a bono Deo, adversam a malo dirigi profitentes, ideo etiam malum Deum sua lingua Diabol sive Zcerneboch i. e. nigrum Deum appellant.
2) Von poln. bog, serb. u. böhm. boh: Gott, und czerny, czarny oder czorny: schwarz, finster. (Gehört etwa das deutsche Zorn hierher?) Er wird auch geradezu Zlebog, Zlybog: der zornige, böse Gott genannt.
3) Von bialy, bely: weiß, hell. Helmold hat den Namen nicht; derselbe ist aber anderweitig beglaubigt. Auch kommt statt dessen Dobrebog: der gute Gott vor.
4) Grimm, deutsche Myth. 954, N.**
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streiten, welchem Gotte die eine und welchem die andere dieser allgemeinen Charakternamen gebühre, denn während einige unter dem Czernebog den Zwantevit verstehen, beziehen andere diesen Namen auf den Pierun, und umgekehrt den Namen Belbog, bald auf jenen, bald auf diesen. Vergleichen wir aber damit zunächst die uns näher bekannten germanischen Götter, so ist unverkennbar, daß der Name Czernebog seiner Bedeutung nach dem Othin entspricht. Wer anders könnte darunter verstanden werden, als der finstere Todesgott, der vor allem an Krieg und Jagd seine Freude hatte, der noch heute mit seinem wüthenden Heere oder der wilden Jagd nächtlich tobend durch die Lüfte Zieht, der Schrecken des Landmannes und des einsamen Wanderers, den schon der alte Germane als den Wuotand, den zornigen, wüthenden, faßte, und welcher auch hier nach dem Sieg des Christenthums vorzugsweise als der Teufel (Wodendüwel) galt, wogegen Thor, der lichte, gütige Donnergott, als Belbog fast in dem christlichen Gott der Liebe aufgegangen ist, obwohl den Christen natürlich die gesammten heidnischen Götter als Teufel erscheinen mußten!

Diese Uebereinstimmung der beiden Hauptgottheiten der Slaven und der Germanen ist aber durchgreifend, so daß dieselben in der That als identisch erscheinen. Wie Zwantevit (Czernebog) bei Helmold als Gott der Götter und Beherrscher des Himmels geschildert wird, von welchem alle übrigen abstammen, und ihm gegenüber gleichsam nur als Halbgötter angesehen wurden 1 ), so erscheint auch Othin als der Höchste und Mächtigste im Himmel und auf Erden, als Schöpfer der Welt und Vater der Götter und Menschen. Beide wurden als Gott der dunklen Nacht, die den Tag gebiert, als Gott des todesstarren Winters, der den Keim des warmen Lebens birgt, verehrt, beide galten daher als der geheimnißvolle Beschützer des der dunklen Erde anvertrauten Samenkorns, sowie der unterirdischen Schätze, zugleich aber auch als Beherrscher des wilden Meeres, beide waren im Besitze der übernatürlichen Zauberkraft und der Weissagung, beide konnten als Gott der Schlacht und des Sieges nur durch blutige Opfer versöhnt werden, und selbst Menschenblut war ihnen wohlgefällig, weshalb der Wolf, der Aar und der Rabe als ihre heiligen Thiere galten 2 ). Ja selbst in ihrer äußern


1) Helm. 1. 1. I, 52 Vgl. mit 83.
2) Rücksichtlich der Zwantevitsthiere vgl. man Annales Corbej a. 1114 über den Tribut in Wolfsfellen und Saxo Gr. XIV. über den Aar auf der Thorzinne Arkonas.
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Erscheinung als unsichtbare nächtliche Reuter auf weißem Rosse stimmen beide überein. - Eben so wenig ist aber in dem slavischen Perun, nicht bloß als eigentlichem Donnergott, sondern seinem ganzen Wesen nach als lichter gütiger Belbog, der nordische Thor zu verkennen, mit welchem er vielmehr eben so vollkommen übereinstimmt, als Gott des Lichtes und des Lebens, der die liebe warme Sonne scheinen läßt und das befruchtende Gewitter lenkt, der Gott der Fruchtbarkeit und des Erntesegens, der starke Gott der Natur, der Freund des Volkes, der den Frieden bringt und in den Herzen die Liebe keimen läßt, aber zugleich der strenge Wächter der Gerechtigkeit, vor dessen lichtem Himmelsauge keine Sünde verborgen bleibt, und dessen rächender Blitzstrahl des Verbrechers Haupt zerschmettert.

Nach dieser allgemeinen vergleichenden Zusammenstellung der beiden höchsten Gottheiten beider Völker wenden wir uns nunmehr zur speciellem Besprechung der einzelnen wendischen Götter, und zwar zunächst derjenigen, welchen die, in meinen gedachten frühern Abhandlungen geschilderten und hier noch weiter zu ermittelnden, großen National=Heiligthümer, deren nach Thietmar von Merseburg jede Herrschaft eins besaß, geweiht waren.


I. Czernebog.

Es ist nicht zu verkennen, daß diese Heiligthümer ihrer ganzen Anlage und Einrichtung nach im Wesentlichen sämmtlich übereinstimmen; überall der eigentliche Tempel des Gottes auf einer festen Burg, auf einer Insel oder Halbinsel in einem großen See oder Strom, überall derselbe Tempelgau mit dem heiligen Haine von größerm oder geringerm Umfange mit geschlossener, durch Wasser und Sumpf oder künstliche Gräben und Wälle geschützter Grenze, überall eine mehr oder weniger deutliche Hinweisung auf die Züchtung von Kriegsrossen oder wenigstens die Haltung eines heiligen weissagenden Hengstes, kurz überall die unverkennbare Bestimmung dieser ausnahmslos an der Landesgrenze befindlichen Anlagen zur Landesvertheidigung und kriegerischen Zwecken neben dem religiösen Kultus, welcher sich mithin auf eine Gottheit bezogen haben muß, die namentlich als Gott des Krieges und Verleiher des Sieges verehrt ward, wenngleich dadurch ihr göttliches Walten keineswegs erschöpft war. Das werden

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wir denn auch in der folgenden Untersuchung vollkommen bestätigt finden. Der Gott dieser Heiligthümer ist seinem Wesen nach überall derselbe und ist kein anderer als Czernebog, obwohl er fast von jeder kleinen Völkerschaft unter einem andern Namen verehrt ward, auch hierin dem hundertnamigen Othin der Nordgermanen vergleichbar.


1) Zwantewit oder Swaraviz zu Arkona.

Das weit aus bedeutendste und wichtigste aller dieser Heiligthümer ist anerkannt das zu Arkona 1 ) auf der Halbinsel Wittow, mit welchem wir deßhalb unsere weiteren Betrachtungen beginnen müssen. Merkwürdiger Weise ist aber über dessen Beschaffenheit, außer der Burg und dem innerhalb der hohen Wälle desselben stehenden hölzernen Tempel mit der kolossalen Bildsäule des Gottes, fast nichts bekannt. Saxo, der genau die Burg und den Tempel bei Gelegenheit ihrer Zerstörung durch die Dänen im Jahre 1168 beschreibt, schweigt über die nähere Umgebung derselben fast ganz. Nicht einmal des den Tempel unbezweifelt unmittelbar umgebenen heiligen Haines wird ausdrücklich gedacht, und gegenwärtig ist er völlig verschwunden, wie überhaupt die ganze Insel von Wald entblößt ist. Indeß spricht Saxo doch gelegentlich von einem Walde in der Nähe der Burg, in welchem das dänische Heer die nöthigen Bäume für die Belagerungsarbeiten fällte, aus welchen dann nach der Zerstörung der Burg die erste christliche Kirche erbauet ward. Bei der Gründung des Klosters Bergen im Jahre 1193 schenkte ferner der Fürst Jaromar demselben unter andern Gütern auch einen Hof in Withuy mit dem dazu gehörigen Eichenwalde, worunter wahrscheinlich Vitte zu verstehen ist 2 ). Endlich hat man auch zwischen Arkona und Putgarten, d. h. unterhalb der Burg, alte starke Baumstümpfe aufgefunden. Die Existenz des heiligen Haines ist also hier, wie in den ähn=


1) Der noch nicht erklärte Name wird slavisch Arkon oder Arkun, wie die Knytlingssage schreibt, gelautet haben. Das auslautende a ist die lateinische Endigung.
2) Mansionem in Withuy cum silva quercina, Cod. Pom. dipl. S. 170. Ueber den Ort vergleiche weiter unten. Gewöhnlich versteht man unter Withuy die ganze Insel, in welchem Falle aber auffallender Weise der Ort, worin der Hof lag, ganz ungenannt geblieben wäre, was bei keinem andern Orte geschieht.
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lichen Heiligthümern, erwiesen, aber der Umfang desselben wird schwerlich nachzuweisen sein. Es fehlt in der ganzen Umgebung durchaus an jeder markirten Naturgrenze, und von künstlichen Grenzmalen ist wenigstens bis jetzt keine Spur aufgefunden. Nur das Meer selbst erscheint nach allen Richtungen hin als Grenze! In der That fehlt es auch nicht an Andeutungen, daß die Herrschaft der Priester sich wirklich über die ganze Halbinsel erstreckte. Daß die wendischen National=Heiligthümer überhaupt außer dem Tempelschatze auch bedeutenden Grundbesitz hatten, ist im Allgemeinen schon anderweitig besprochen worden, dies gilt aber ganz besonders von Arkona, dessen Priester gleich den weltlichen Fürsten als selbstständige Territorialherren Land= und See=Kriege führten und Friedensverträge schlossen, wie namentlich aus dem Vertrage mit Dänemark von 1168 bestimmt hervorgeht 1 ). Zum Zwecke solcher kriegerischen Unternehmungen, bei welchen dem Heere das Feldzeichen des Gottes, die heilige Stanitza, vorauf getragen ward, hielt der Oberpriester, dessen Ansehen größer war als das des Königs, eine bedeutende Roßheerde (Stuterei), aus welcher zu jeder Zeit 300 Mann beritten gemacht werden konnten. Diese Mannschaft, die Saxo gewiß nicht ohne Absicht als eines den peregrinis entgegensetzt, blieb auch im Frieden im Dienste des Gottes, saß aber nicht auf der Burg, wo nur die Priester wohnten, muß also aus der jungen Mannschaft der umliegenden Dörfer ausgehoben worden sein, für welche sich die Priester in dem erwähnten Friedensschlusse den Dänen zur Heerfolge verpflichteten, und von jedem Joch Ochsen einen jährlichen Tribut von 40 Denaren verhießen. Muß man schon hiernach annehmen, daß wirklich die ganze kleine Insel als unabhängiges Tempelgut zu betrachten sei, so ergiebt sich das noch deutlicher aus der Betrachtung der dem Kloster Bergen, als der ältesten und fast einzigen größern christlichen Stiftung auf der Insel Rügen, zugewiesenen Dotalgüter auf Wittow, welche sicher alte Tempelgüter Arkonas waren, da in dem Friedensvertrage deren Abtretung an die christliche Kirche ausdrücklich bedungen ward 2 ). Diese Bedingung ist freilich nur sehr unvollständig und spät erfüllt worden, aber die inzwischen von den Fürsten eingezogenen


1) Saxo Gr. XIV. 834. Vgl. die Abhandlung über die Grenze der Redarier S. 43 und 64, 65.
2) Saxo Gr. 1. 1.: Quin etiam ut agros et latifundia Deorum in sacerdotiorum (Ed. prior: sacerdotum sc. christianorum) usus converterent.
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und nach und nach dem Kloster überwiesenen Dörfer lagen über die ganze Insel zerstreut. Im Jahre 1250 besaß dasselbe hier die Dörfer Dres (jetzt Nonnewitz) und Ciarb (Schwarbe) an der Nordküste der Insel und Nobin an der Ostküste, beide etwa eine Meile von Arkona entfernt, sowie das noch eine Meile weiter südlich an der Grenze der Schabe gelegene Triwolk. Auch der Bischof von Roeskilde besaß ein nahe am Südende der Insel gelegenes wittowsches Tafelgut, Bischofsdorf. Selbstverständlich ist ferner, daß das schon erwähnte Putgarten hart neben der Tempelburg, wovon es auch den Namen trägt (pod gard: unter der Burg), und Vitte Pertinentien der Burg waren, da sie nach der obigen Bemerkung innerhalb des eigentlichen heiligen Haines lagen. In dem Fischerdorfe Vitte, nach meiner Vermuthung das alte Withuy von 1193, noch jetzt durch den ergiebigsten Heringsfang auf der ganzen Insel berühmt, fand anscheinend schon in heidnischer Zeit im November ein auch von auswärtigen Kaufleuten zahlreich besuchter Fischmarkt statt, wo natürlich auch andere Waaren umgetauscht wurden. Er stand unter Aufsicht der Priester, welche auf denselben einen Waarenzoll erhoben 1 ). Vermuthlich stand hier auch die erste 1168 aus den Belagerungsmaschinen erbauete hölzerne Kirche, da das Kirchdorf Wittoya, dessen Priester noch 1240 urkundlich genannt wird, offenbar identisch mit Withuy ist 2 ). Auch Altenkirchen und Wiek, die einzigen Pfarren der Insel, werden mit Tempelgut dotirt sein. In der Kirche des ersten Dorfes ist bekanntlich ein steinernes, roh gemeißeltes Bild eingemauert, das von dem Volke für ein Bild Zwantevits gehalten wird, und Wiek war, wie sich aus dem Namen folgern läßt, vermuthlich der alte Hafen an der westlichen Küste.

Noch andere Oerter endlich scheinen schon durch ihren Namen ihre Eigenschaft als Tempelgut zu verrathen, wie Schmantewitz, gleichfalls im Süden der Insel, nach der sage früher Zwantewit genannt, wo auf einer großen Wiese 300 weiße Pferde des Gottes geweidet haben sollen 3 ). Ganz in der Nähe desselben aber, an einer sogenannten


1) Helmold 1.1. II, 12. Genannt ist der Ort, wo der Markt statt fand, nicht. Auch liegen auf Hiddensöe und Mönkgut gleichfalls Stranddörfer dieses Namens.
2) Cod. Pom. dipl. p. 600 sacerdos Martinus de Wittoya.
3) Der Reisegesellschafter durch Rügen, 1823, S. 51. Das Alter dieser Sage muß ich freilich dahin gestellt sein lassen. Eine Wurzel smant finde ich aber nicht. Wegen der Wiesen bemerke ich, daß es in dem nördlichen Theile der Insel an Wiesen fehlt.
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Wedde, einer schmalen, seichten Seebucht, liegt, in merkwürdiger Uebereinstimmung mit dieser Sage, der Ort Kontop, d. h. Pferdeschwemme, von kon: Pferd, und topiti: schwemmen. - Zu diesem Allen kommt endlich, daß die dänischen Berichte die Tempelburg zu Arkona stets als den Hauptort (urbs principalis) der Insel, diese selbst aber als Zubehör der Burg betrachten (insula oder provincia Archonensis) und dem zufolge die Bewohner der ganzen Insel die Archoner (Archonenses) nennen. Die Grenze dieser Provinz (fines Archonensium) reichte bis zu der Schabe, welche die Dänen durchstachen, um die erwarteten Hülfstruppen der Slaven abzuhalten 1 ). Doch kannte Saxo auch den Namen Wittow, denn die Form Vithora unserer Ausgaben ist gewiß nur aus Vithova verdorben, welche der ältesten slavischen Form Wytowy vollkommen entspricht 2 ). Beide Namen aber sind Adjective, bei welchen bzw. insula oder wustrow zu ergänzen ist, und weisen allem Anscheine nach direct auf den Namen des Gottes zurück: die Insel (Zwante) Vits.

Daß nämlich Zwantevit selbst es war, der in diesem Heiligthum verehrt ward, wird uns durch Helmold und Saxo ausdrücklich bezeugt, und denselben Namen giebt die Mehrzahl der Handschriften der nordischen Knytlingssage in einer nur wenig abweichenden Form 3 ), wogegen eine Handschrift derselben die Lesart Swaraviz bietet, die noch Berücksichtigung finden wird. Eine Charakteristik des Wesens dieser Gottheit ist so eben in allgemeinen Umrissen versucht worden. Aus der Schilderung Saxos ergiebt sich aber, daß dieselbe hier auf Arkona, wenn gleich keineswegs ausschließlich, doch vorzugsweise, als Siegverleiher verehrt ward, wie überhaupt sein Kultus gerade in dieser Eigenschaft am weitesten verbreitet gewesen zu sein scheint. Auch die böhmische Glosse in Wacerads mater verbor, von 1102 erklärt den Namen "Svatovit" durch Ares, bellum und später nochmals durch: Mavors 4 ). Das kolossale hölzerne Standbild des Gottes, von sauberer Schnitzarbeit, in seinem Tempel zu


1) Saxo Gr. XIV, 661. 751. 800. und a. a. O.
2) Saxo 1. 1. p. 830: insula Archonensis, quae Vithora dicitur. Velschow hält diesen Namen für danisirt durch Anhängung der Silbe ör, nach Analogie von Helsingör u. a., was mir sehr unwahrscheinlich ist. Wytowy kommt zuerst 1232 vor. Cod. Pomer. dipl. p. 439.
3) Saxo Gr. XIV, 814: Svantovitus. - Helmold I, 52, und II, 12: Zwantevith. - Knytlingasaga c. 122: Svantaviz.
4) Hanka antiquiss. vocabularia Bohem. Latina p. 3 u. 13.
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Arkona stellte ihn zwar unbewaffnet, mit geschorenem Haar und in einem kurzen, bis zu den Knieen reichenden Gewande dar, mit 4 nach allen Seiten, schauenden Köpfen als Symbol seiner Allwissenheit, in der Rechten ein aus verschiedenen Metallen gearbeitetes Trinkhorn mit Wein gefüllt, aus dessen Beschaffenheit der Oberpriester an seinem Jahresfeste nach der Erndte die größere oder geringere Fruchtbarkeit des kommenden Jahres weissagte; die gebogene Linke endlich trotzig in die Seite gestemmt. Neben ihm aber stand ein Sessel mit dem Zaume seines weißen heiligen Rosses, auf welchem er bei nächtlichen Kriegszügen unsichtbar an der Spitze seiner oben erwähnten stehenden Reiterschaar, gleichsam seiner Leibgarde ritt, wie man Morgens an dem schaumbedeckten Thiere erkannte. Sonst aber war dies Roß das eigentliche Orakel des Gottes, dessen Sprüche, vorzugsweise wiederum die Frage nach Krieg oder Frieden betreffend, von dem Priester in einer von Saxo genau beschriebenen Weise mittelst in die Erde gestoßener Lanzen, durch welche das Roß hindurch gehen mußte, erforscht wurden. Unter den übrigen göttlichen Insignien, die in dem Tempel niedergelegt waren, zeichnet sich vor allen das riesige Schwert mit einer kunstreich gearbeiteten Scheide aus edlem Metalle aus. An seinem Feste herrschte, nach Darbringung blutiger Menschen= und Thieropfer, bei übermäßigem Genusse von Trank und Speise, wilde Fröhlichkeit. Die Verächter seines Dienstes verfolgte er mit grausamer Rache, der höchste Lohn seiner Verehrer aber war der Sieg zu Lande und zur See 1 ).

Der Name Zwantevit scheint übrigens gleichfalls kaum wirklicher Eigenname, sondern gleich Czernebog nur eine allgemeine Bezeichnung des Wesens der höchsten Gottheit überhaupt zu sein, mag man nun das Wort als heiligen Seher oder als Sieger deuten, worüber die slavischen Sprachforscher noch streiten. Dem Sinne nach entsprechen beide Erklärungen dem von Helmold kurz und treffend gezeichneten Wesen des Gottes gleich vollkommen. Die Vergleichung mit den Götternamen Rugievit oder Rutvit, Porevit, Herovit oder Gerovit, anderer weniger beglaubigter zu geschweigen, läßt aber kaum zweifeln, daß die zweite Hälfte des Wortes,


1) Saxo Gr. p. 822 sqq. Er kennt nur das eine Fest nach der Erndte. Ein Hauptfest wird, wie das Julifest Othins, um Mittwinter gefeiert sein. - Helm. II, 12: Suantevit inter omnia numina Slavorum primatum obtinuit, clarior in victoriis, efficacior in responsis, - illum deum deorum esse profitentes. - Sacerdos nonnunquam hominem Christianum litare solebat. Cf. I, 6 und 52.
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Vit oder With, wie es sich gleichfalls geschrieben findet, zur Zeit unserer Quellen bereits die allgemeinere Bedeutung von Gott überhaupt angenommen hatte, etwa: der Wissende. Daneben aber führte unser Gott, wie beiläufig bereits bemerkt worden ist, nach einer Handschrift der nordischen Knytlingssage auf Arkona selbst auch den Namen Zwaraviz, der also hier nicht unberücksichtigt bleiben darf 1 ). Die dänischen Uebersetzer und Bearbeiter der Sage, und nach ihrem Beispiel auch die deutschen Forscher, haben freilich diese anscheinend der Autorität des Saxo widersprechende Lesart keiner Beachtung gewürdigt. Das war denn früher allerdings auch begreiflich genug, da der "Zwanteviz" der übrigen Handschriften, abgesehen von dem auslautenden z statt t oder th, hinlänglich verbürgt war, von der Existenz eines "Swaraviz" aber Niemand etwas ahnte. Seit aber die falsche Lesart Luarasici als Name der Tempelgottheit zu Riedegast (Rethra) bei Thietmar beseitigt, und statt dessen die Lesart Zuarasici der vollkommen klaren und deutlichen Handschrift gemäß in den Text aufgenommen ist, darf auch die Lesart Svaraviz der Knytlingssage nicht mehr stillschweigend bei Seite geschoben werden. Freilich hat die betreffende Handschrift unleugbar viele Fehler, aber auch viele Eigenthümlichkeiten und Zusätze, welche beweisen, daß dieser, erst mit c. 22 beginnenden mangelhaften, Abschrift ein selbstständiger Originaltext zum Grunde liegt. Gerade in unserm Falle ist aber ihre Lesart schwerlich durch bloßen Lese= oder Schreibfehler zu erklären, vielmehr scheint dieser Svaraviz zu Arkona mit Rücksicht auf den unverkennbar verwandten Zuarasici zu Rethra wohlberechtigt, seine Stelle neben dem vulgären Svanteviz zu behaupten.


2) Rugevit zu Carenz.

Wenden wir uns nunmehr zunächst zu den verwandten Gottheiten auf der Hauptinsel Rügen und der Halbinsel Jasmund, Rugievit und Tjarnaglofi, welche beide ausdrücklich als Kriegsgötter bezeichnet werden, und deren Identität mit Zwantevit auf Arkona nicht zu bezweifeln ist. Saxo bemerkt nämlich ausdrücklich, daß Zwantevit auch an andern Orten Tempel habe, deren Priester von gleicher


1) Formana Sögu XI. (Jomsvikinga ok Knytlingasaga p. 385, Not. 7. (Lesart der Papierhandschrift No. 19. Lit. C.)
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Würde, aber geringerer Macht seien 1 ). Er macht aber keinen derselben namhaft, auch ist uns sonst kein Tempel bekannt, wo Zwantevit unter diesem Namen verehrt worden wäre. Wir sind daher gewiß zu der Annahme berechtigt, daß sich jene Bemerkung auf das Wesen der Gottheit, nicht auf den Namen bezieht, in welcher Voraussetzung wir die bezeichneten Zwantevits=Tempel von geringerem Ansehen vorzugsweise unter den übrigen Heiligthümern der Insel zu suchen haben werden. Unter diesen ist das bedeutendste das zu Carenz, jetzt Garz, auf der Hauptinsel Rügen, wo in einer festen Burg 3 Tempel neben einander standen, die den 3 Hauptgottheiten des Landes, nach Saxo Rugievit, Porevit und Porenutius, geweiht waren, unverkennbar gleich der lettischen Götterdreiheit zu Romowe in Preußen, Pikollo, Perkunas und Potrimpos, der germanischen des Othin, Thor und Freyr in dem berühmten Tempel zu Upsala entsprechend. Hier haben wir es nur mit dem erstem zu thun, den Saxo als den Rügischen Mars bezeichnet. Sein Tempel war der größte, und das darin aufgestellte kolossale hölzerne Bildniß mit 7 Gesichtern an einem Haupte stellt ihn uns, gleich dem Zwantevit zu Arkona, wiewohl nach einer etwas abweichenden Symbolik, als den allsehenden, allwissenden Gott dar, der aber hier zugleich als der Lenker der Schlachten mit 8 Schwertern umgürtet war, das 9. entblößt in der Faust haltend. Der Name Rugiaevit, wie Saxo schreibt, bezeichnet ihn aber einfach als den Landesgott Rügens, im Gegensatze zu dem Zwantevit Arkonas, dem das ganze Wendenland tributbar war, in welchem Sinne er auch die Carenzer Götter überhaupt als privati dei, d. h. Provinzialgötter, dem publicum numen auf Arkona gegenüberstellt 2 ). Diese schon oft gegebene, aber von anderen wieder scharf getadelte Deutung des Namens 3 ) erhält noch gerade durch die abweichenden Namensformen der Knytlinga ihre volle Bestätigung. Hier wird er nämlich in demselben Sinne, aber in einer mehr slavischen Form Rinvit und in andern Handschriften Rutvit genannt, jenes von Ry, Rya, der verkürzte Name der Insel Ruya, letzteres an die Rutheni erinnernd, wie die Ruyaner gleichfalls genannt werden 4 ). - Ueber die Beschaffenheit und den Umfang des


1) Saxo Gr. XIV, 881 ff.
2) Saxo Gr. XIV, 826.
3) Schwenk, Mythologie der Slaven, der übrigens selbst keine bessere Erklärung weiß.
4) Knytlinga Saga 1. 1. c. 122.
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zu dem Tempel gehörigen Heiligthums und die Dotalgüter desselben ist bisher nichts bekannt. Da indeß der Fürst Jaromar von Rügen bei der Einnahme und Zerstörung der Tempelburg, wenige Tage nach der Zerstörung Arkonas, den mit der dortigen Priesterschaft abgeschlossenen Friedensvertrag auch für sich und die ganze Insel als verbindlich anerkennen mußte, so werden wir auch hier die später dem Kloster zu Bergen verliehenen Güter, soweit sie auf dem eigentlichen Rügen liegen, ganz oder größtentheils als alte Tempelgüter, und zwar vorzugsweise wohl als zu dem Tempel des Rugevit gehörig, betrachten dürfen. Dahin gehören namentlich Bergen selbst, slavisch Gora, mit dem Rugart (Rugigard), nebst dem benachbarten Godimoviz (heute Godimow) und Garmyn (Garmyz = Jarnitz?); ferner Guttin (Göttin), Melnow (Möln) und Siraf (Serow), im Kirchspiel Samtens, südwestlich von Bergen in der Nähe der Küste, wo auch ein Ort Rügenhof liegt; weiter Gargoliz (Zargelitz), Charwa (Carow), Zegozi oder Zegastiz, (i. e. taberna, etwa der Heidekrug in der Prora?), Lukobandiz (Luko, Bandiz? = Lubkow und Pantow?) und Dabiniz (Dabiuiz = Dumbsivitz?) im Kirchspiel Zierkow im Lande Streyer östlich von Bergen; endlich Lubanoviz (Lübitz), Wascharviz (Varskevitz, Vaschviz) und Suszina (Zessin) im Kirchspiel Trent nordwestlich von Bergen, der Insel Wittow gegenüber 1 ). Diese Vertheilung der Güter führt auf die Vermuthung, daß die drei Tempel der Burg Carenz nur einen gemeinschaftlichen Hain in der nächsten Umgebung der Burg hatten, ihre sonstige Dotation aber nicht in einem geschlossenen Gebiete, sondern in drei Gruppen gesondert lag, in welchem Falle die Gruppe um den Hauptort Bergen die des Rugevit sein mochte.


3) Czernoglowy auf Jasmund.

Unsere Kenntniß der Hauptgottheit der Halbinsel Jasmund verdanken wir wiederum ausschließlich der nordischen Knytlingssage. Sie giebt ihr den Namen Tjarnaglofi und bezeichnet sie ausdrücklich als den Siegesgott der Insel,


1) Cod. Pom. dipl. Nr. 448 Von 1250 mit den Anmerkungen der Herausgeber und deren Bestimmung der einzelnen Orte, die hier in Klammer mit kleinen Aenderunaen eingefügt ist.
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welcher gleich Zwantevit die Seinen persönlich zu Kampf und Sieg führte, ohne Zweifel zu Roß 1 ). Sein Bild stellte ihn mit weißem, "silbernen" Barte dar, also als Greis und anscheinend einhäuptig; sonstiger Attribute wird nicht gedacht. Sein Name aber, augenscheinlich von czerny oder czarny: schwarz, und poln. glowa, serb. hlowa, böhm. hlawa: Haupt abzuleiten, ist wörtlich das böhmische czernohlawy: Schwarzkopf. Nach der Analogie von Czernebog ist aber czarny natürlich in dem Sinne: finster, zornig zu nehmen, und glowa wird im Slavischen, wie das deutsche Kopf, sehr häufig und namentlich in Zusammensetzungen in der Bedeutung: Verstand, Sinnesart gebraucht, der Name Czarnoglowy ist also wie unser Starrkopf, Tollkopf u. s. w. gebildet und kennzeichnet den Gott als ein Wesen finstern, zornigen Gemüths, ist mithin nichts anders als Czernebog selbst.

Sein Tempel stand, wie unsere Sage hervorhebt, am längsten von allen auf den rügischen Inseln und ward erst 3 Jahre nach dem Falle der Burgen Arkona und Carenz, so wie eines andern Heiligthums auf Jasmund selbst, das erst später besprochen werden kann, zerstört. Er lag also nicht an den gewöhnlichen dänischen Heerstraßen, und schon deshalb wird sein Heiligthum kaum anderswo, als in der großen Buchenwaldung Stubbenitz am Ostufer der Insel zu suchen sein, wo ich nicht umhin kann, die berühmte Herthaburg für unsern Gott in Anspruch zu nehmen, nachdem dieselbe nach den neuesten Untersuchungen durch eine von dem preußischen Ministerium ernannte antiquarische Commission, der dawider erhobenen Zweifel ungeachtet, als eine alte heidnische Anlage anerkannt worden ist 2 ). Der mit alten Buchen bestandene Burgwall, bei dessen Anlage eine natürliche Erhöhung benutzt worden ist, liegt bekanntlich an einem kleinen, tiefen See oben auf dem schroff zum Meere abfallenden Kreidefelsen der Stubbenkammer, deren höchster Punkt mit einer freien, erhebenden Aussicht auf das nach Osten sich ins Unendliche ausdehnende Meer, der Königsstuhl genannt wird. Auf den übrigen 3 Seiten aber ist Burg und See


1) Knytlingasaga 1. 1. c. 122: "Sigrgodh" wofür eine andere Handschrift "höfudgodh" (Hauptgott) hat.
2) Nach mündlicher Mittheilung meines Collegen, des Geh. Archivraths Dr. Lisch, Mitglieds der gedachten Commission. Der Burgwall bei Werder in der Stubnitz ist dagegen nach dem Urtheil der Commission ein dänisches Lager, welches in diesem Falle auf Veranlassung der Belagerung der Czernoglovsburg angelegt sein dürfte.
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von dichtem Walde umschlossen. Der See hieß im Alterthum der Schwarze See, und wird noch heute vom Volke ausschließlich so genannt, wogegen gelehrte Forscher seit dem Anfange des 17. Jahrhunderts hier das von Tacitus beschriebene Heiligthum der mütterlichen Erdgöttin suchten, in Folge dessen See und Burg in neuerer Zeit durch die Gebildeten Herthasee und Herthaburg getauft worden sind.

Die daran haftenden alten Sagen weisen aber keineswegs auf die Frühlings= und Friedensgöttin des Tacitus oder eine entsprechende slavische Gottheit hin. Obwohl der heilige See fischreich war, wagte es nach einem Berichte aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts doch Niemand, ein Fahrzeug darauf zu bringen oder Netze zu stellen, aus Furcht, daß der "H. Nicolaus und sein Bruder" den Frevler strafen würden, wie der Heilige selbst einst dem erschrockenen Fischer, der wider das Verbot gehandelt hatte, unsichtbar aus dem Gipfel einer hohen Buche herab drohete. Da oben hing auch der Kahn. Nicolaus, dessen Fest in die Mitte des Winters fiel (6. Decbr.), ist aber neben Martin nach dem katholischen Heiligenkultus der Hauptstellvertreter des heidnischen Wodan, der z. B. in der Weihnachtszeit als Ruhklas geradezu die Rolle des Gottes spielt. In der That scheint auch unter seinem Bruder, so wunderbar das klingt, kein anderer, als der Teufel verstanden zu sein 1 ).

Die eigentliche Stubbenkammer, die der ganzen Oertlichkeit den Namen gegeben hat, ist eine umfängliche, fast ringsum von dem bröckelnden Kreideufer eingeschlossene Vertiefung hart an dem Königsstuhl, aus welcher nur ein enger, steiler Pfad durch zwei, gleich hohen Thorpfeilern fast isolirt stehende Felsenspitzen zum Meeresufer hinab führt. Diese Vertiefung ist vom Volke von jeher als eine Kammer betrachtet worden, welche nach der Sage in alten Zeiten als Schlupfwinkel der Seeräuber gedient haben soll, eine Sage, welche gleichfalls in das Heidenthum zurückzuweisen scheint, wo unsere Burg, gleich Arkona, sicher ein Hauptsitz der von dem nahen Hafen Sassenitz aus betriebenen Seeräuberei gewesen sein wird. Die weiteren daran geknüpften Einzelheiten aus dem 14. Jahrhunderte entbehren erweislich jeden historischen Bodens. Der Name Stubbenkammer ist in der ersten Hälfte gewiß nichts anders, als das altslavische stupa, unsere


1) Clüver, de antiquit. Germanor. I, c. 34. und II, c. 27. Der Fischer hatte auf "alle Teufel" geschimpft, als er seinen Kahn oben in dem Baume hangen sah, worauf der Heilige antwortete, nicht alle Teufel, sondern ich und mein Bruder allein haben das gethan.
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Stube, woran die deutschen Einwanderer die zweite Hälfte, Kammer, angehängt haben werden, ein Pleonasmus, welcher nur beweisen würde, daß beide Völker, unabhängig von einander, auf denselben, in der That überaus nahe liegenden Vergleich gekommen seien. Doch kann das Wort Kammer auch aus dem slavischen kamen: Stein, entstanden sein, in welchem Falle der ganze Name sich auf die Felsengruppe am Rande der stupa beziehen würde. Auch der Wald Stubnitz ist natürlich von der stupa abzuleiten, und das scheint dafür zu sprechen, daß dies der einfache slavische Name der Felsenkammer war 1 ).

Hierzu stimmt endlich auch die weitere Umgebung der Burg. Etwa 1/4 Meile nordwestlich davon entfernt liegt nämlich der wiesenreiche Hof Schwierenz, ein Name, welcher in der alten wendischen Form Zwiriniza gelautet haben wird, was gleichbedeutend mit Zwirin, Zwerina: Tiergarten ist, worunter man im Alterthum, wie ich in meiner Abhandlung über die wendischen Schwerine nachgewiesen zu haben glaube, ein Gehege zur wilden Pferdezucht verstand, die mit unsern National=Heiligthümern regelmäßig verbunden war, weshalb jener Name auch das Heiligthum selbst bedeutete. Diese Ansicht finden wir also auch hier bestätigt, und umgekehrt wird durch die Nachweisung der Zwiriniza auch meine Ansicht über die Bedeutung der Burg neu begründet und befestigt. Die Grenze des Heiligthums wird sich aber in dieser Richtung längs der Küste bis zu der äußersten Nordspitze derselben bei dem Dorfe Lohme erstreckt haben, welches wiederum zu der Dotation des weit entfernten Klosters Bergen gehörte, also altes Tempelgut war. Vielleicht war auch das Klostergut Babin, das jetzige, durch seinen heidnischen Opferstein bekannte Pfarrdorf Bobbin, wozu auch Lohme gehört, eine isolirte Pertinenz des Tempels, da das Heiligthum selbst größtentheils bewaldet und wenig angebaut gewesen sein wird.


1) Bei Herbord, vita Otton. epc. II, c. 24, heißt es von einem Gemache auf dem herzoglichen Hofe zu Julin: "Aedificium quoddam fortissmum trabibus et tabulis ingentibus comparatum, quod stupam vel pirale vocant". Pyrale ift ein heizbares Gemach. Auch vorher II, 16, ist von stupis calefactis die Rede. In den altböhmischen Glossarien wird das lateinische pila l. durch myesz, mziko, d. i. Ball, erklärt. 2. durch stupa, d. i. Stube, da pila, mittelalterlich jedes Local, insbesondere taberna heißt. Die neuerdings vorgeschlagene Erklärung des Namens Stubbenkammer durch stupjen-kamen: Stufenstein läßt die Waldung Stubnitz unberücksichtigt, und widerspricht auch dem Eindruck, den die schroffen Uferwande und spitzen Felsenpfeiler auf den Beschauer machen, durchaus.
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Der Burgwall am Schwarzen See, die viel besprochene und besungene Herthaburg, ist also hiernach ziemlich sicher als die Tempelburg des finstern Waldgottes Czernoglovy zu betrachten, und wird künftig, wenn man sie den germanischen Göttern, denen sie zu Tacitus Zeit geweiht gewesen sein wird, erhalten will, die Wodansburg zu nennen sein.


4) Triglaw zu Stettin.

Auf dem Festlande Rügen ist bis jetzt kein National=Heiligthum des Czernebog bekannt geworden, obgleich hier mehrere heidnische Burgwälle liegen, welche ehemals diese Bestimmung gehabt haben könnten, z. B. bei Triebsees 1 ) und die als sehr fest geschilderte Hauptburg der ersten pommerschen Herzoge zu Demmin (Timina) an der Pene. Unter den pommerschen Göttern an der Odermündung, über welche uns die Biographen des heiligen Apostels der Pommern, Bischof Otto von Bamberg, aus der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts ziemlich eingehende Berichte hinterlassen haben, ist dagegen mit voller Sicherheit der zu Stettin verehrte Triglaw hieher zu rechnen.

Nach meiner Auslegung dieser freilich nicht ganz klaren und theilweise selbst untereinander in scheinbarem Widerspruch stehenden Berichte bestand die alte, durch Natur und Kunst außerordentlich starke und fast unangreifbare Tempelburg aus drei neben einander liegenden und mit einander verbundenen hohen und steilen Wällen auf einer gemeinsamen natürlichen Anhöhe hart am Ufer der Oder. Auf der Landseite aber war dieselbe von einem Wallgraben mit mehreren zu ebener Erde befindlichen Thoren umschlossen, welcher die Burg von der Stadt trennte, so daß man frei um die erstere herumreiten konnte. Auf diesen Burgwällen standen 3 hohe hölzerne Tempel und andere öffentliche Gebäude, was dem ganzen Baue das Ansehen eines borstigen Schweinrückens verlieh und Burg und Stadt, wenigstens nach normännischer Interpretation, den Namen gegeben hat. Szczecin, wie die Stadt Stettin noch heute von den Polen genannt wird, bedeutet in diesem, an Zischlauten überreichen, slavischen Dialecte: die Borste, sorb. scec (davon scecizna: ein struppiger, borstiger Wulst), böhm. sstetin, weshalb die


1) S. die Abbildung im Anhang zu dem Cod. Pomer, dipl.
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Nordländer den Ort Burstaborg nannten 1 ). Ganz besonders zeichnete sich der mittlere dieser Wälle durch Höhe und Größe aus, und auf ihm stand auch nicht nur der Haupttempel des Gottes, sondern zugleich die Residenz des Fürsten, welche nach slavischer Sitte jedem Flüchtlinge als Asyl diente, und in welcher auch die christliche Mission bei ihrer Ankunft aus Wollin, unmittelbar von den Schiffen aus bei Nachtzeit und vom Volke unbemerkt, mit ihrem ganzen bedeutenden Gepäcke eine Zufluchtsstätte fand.

Der hölzerne Tempel selbst, dessen Wände mit reichem Schnitzwerke von tüchtiger Arbeit geschmückt waren, umschloß vor allem die kolossale Bildsäule des Gottes, welcher ausdrücklich als der höchste (summus paganorum Deus) bezeichnet wird, und hier nach einer im Vergleiche mit den Götzenbildern zu Arkona und Carenz abermals eigenthümlichen Symbolik als Beherrscher des Himmels, der Erde und der Unterwelt, wie seine Priester erläuterten, mit 3 Köpfen dargestellt war, was schon sein Name Triglaw ausdrückt. Ein goldenes Diadem, das bis unter die Augen hinabreichte, sollte nach eben dieser, durch unsern Berichterstatter vielleicht etwas christlich gefärbten Erläuterung, andeuten, daß der Gott es verschmähe, die Sünden der Menschen zu sehen. Näher liegt anscheinend der Vergleich mit dem breitkrempigen Hute des einäugigen Othin, so daß beide als den trüben Winter und die Nacht liebende, und zugleich als blinde Schicksalsgötter erscheinen würden, die ihre Gaben nicht nach Gerechtigkeit, sondern nach Gunst und Willkür vertheilten. Ein ähnliches kleineres Bild aus Gold, nebst einem dazu gehörigen Sessel oder Sattel (sella, vergl. weiter unten), hatten die Priester vor Ankunft der Mission auf die Seite geschafft. Es kam aber später dennoch in den Besitz des Bischofs, welcher dasselbe ausnahmsweise für sich selbst in Anspruch nahm und die abgelösten, mit einander verbundenen 3 Köpfe gleichsam als Siegestrophäe nach Rom sandte. - Außerdem ward in dem Tempel auch der Schatz des Gottes aufbewahrt, in welchen namentlich der Zehnte aller Beute aus den, sei es zu Lande oder zu See, unternommenen Kriegen


1) Knytlinga Saga c. 125 und Olaf Trygwesona Saga c. 269. Ebenso übersetzt die Knytlingssage den Namen Camin von kamen : Stein, durch Steinborg. Ueber die Eigenthümlichkeiten der Bauart unserer Burg vergl. namentlich Herbord, .Vita Otton. episc. Babenberg II, c. 26 u. 31; Ebbo, Vita ejd. II, c. 13 u. 27. III, c. 1. Mon. Priefl. Vita ejd. II, c. 7 u. 11. Saxo .Gr. XIV, p. 866 - 68 (Ed. Veltschow). - Ueber die abweichenden Ansichten Anderer s. Hering, Beiträge zur Topographie Stettins (Baltische Studien X, S. 8 ff.)
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floß, so wie endlich die heiligen Geräthe, unter welchen sich, außer silbernen Bechern und künstlich bearbeiteten Thierhörnern, welche als Trinkgefäße für die Fürsten und Edlen bei den Opferschmäusen dienten, namentlich auch größere goldene Schalen (crateres) befanden, welche zur Weissagung benutzt wurden, nämlich wie man voraussetzen darf, aus dem Blute des Opferthieres 1 ). - Auf dieser Höhe ward nach Zerstörung des Tempels die erste, dem H. Adelbert geweihete christliche Kirche erbauet, welche jedoch bald wieder untergegangen sein wird, da sie nach der zweiten Anwesenheit Otto's im Jahre 1127 nicht wieder vorkommt. Statt ihrer ward 1187 die Jacobi=Kirche außerhalb der Burg (extra castellum), 1236 aber auf einem Burgwalle, anscheinend auf dem Platze der S. Adelberts=Kirche, die S. Marien=Kirche gegründet, während auf dem zweiten nördlich angrenzenden Walle damals ein fürstlicher Hof stand 2 ).

In einem andern, demselben Gotte geweiheten Heiligthume, nördlich außerhalb des Burgwalles, befand sich, wie zu Arkona und Rethra, ein heiliges, von den Priestern sorgsam gepflegtes Roß, welches auch hier für das eigentliche Orakel des Gottes galt, und namentlich vor jedem Kriegs= oder Raubzuge zu Wasser oder zu Lande ganz in derselben Weise wie dort befragt ward, um den göttlichen Willen zu erforschen. Auch wird dasselbe hier wie dort in wichtigern Fällen von dem Gotte selbst bestiegen worden sein, um das Heer zum Siege zu führen, da dessen in dem Heiligthum aufbewahrten, mit Silber und Gold geschmückten Sattels ausdrücklich gedacht wird. Das Roß selbst aber, ungewöhnlich groß und stark, soll, wie versichert ward, von schwarzer Farbe gewesen sein, was im Hinblick auf die Schimmel Zwantewits und der unsichtbaren nächtlichen Teufelsreiter, jedenfalls sehr auffallend ist, weshalb ich einen leisen Zweifel nicht unterdrücken kann. Der Berichterstatter Herbord hat weder das Roß noch sein Heiligthum gesehen, die schwarze Farbe war aber für dies Teufelsthier nach christlicher Vorstellung vom Teufel, dessen Böcke, Hunde u. s. w. in der Sage gleichfalls schwarz zu sein pflegen, allerdings ebenso passend, als sie dem Wesen des heidnischen Gottes trotz seines Namens Czernebog, der übrigens mitgewirkt haben mag, widerspricht. - Herbord,


1) Vergl. die bei solchem Schmause umhergehende patera des Helmold (I. 52), in welche Gebetformel gemurmelt wurden.
2) Herbord 1.1. II, c. 30 - 31. Ebbo II, 13. III, c. 1. - Cod. Pomer. dipl. No. 61. p. 145 und Dreger Cod. dipl. Pomer, p. 467.
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dem der Prieflinger Mönch folgt, benennt dies Heiligthum mit einem einheimischen Worte: contina, welches er zugleich für templum, fanum überhaupt gebraucht, und namentlich alle 4 religiösen Anlagen Stettins darunter versteht. Auch um die Ableitung des Wortes ist er nicht in Verlegenheit. Es sei das lateinische continere, indem die slavische Sprache meistentheils (plerisque vocibus) mit der lateinischen übereinstimme. Nicht viel glücklicher scheint mir die neuere Ableitung aus dem poln. konczina: das Ende, daher die Spitze, konczaty: spitzzulaufend, also: ein spitzes, thurmartiges Gebäude. Dagegen habe ich, davon ausgehend, daß nur Herbord und der jüngere Prieflinger Mönch, welche nie einen Slaven reden gehört haben, diesen Ausdruck kennen, aber auch nur in dem Berichte über Stettin gebrauchen und zugleich die Einzigen sind, welche des Roßheiligthums gedenken, die Vermuthung gewagt, daß das Wort in Wahrheit eben nur dies letztere bezeichne, und von kon: Roß und dem veralteten tyn: Gehege, tynjm: zeunen, befestigen, also Roßgehege, Roßhagen, in dem Sinne von konina, konyczye: equiniea, abzuleiten sei 1 ). Auf jeden Fall setzt dies Heiligthum einen größern Hain voraus, da das Roß des Gottes, das durch keine Arbeit entweiht ward, natürlich nicht als das ganze Jahr im Stalle stehend gedacht werden kann, sondern passender Weideplätze bedurfte, auch nicht ohne Stuten gewesen sein wird.

In diesem Heiligthum, in welchem ohne Zweifel auch der heilige, neben einer Brücke, vermuthlich über den Wallgraben der Burg, stehende Nußbaum zu suchen sein wird, ward die zweite, den Aposteln Petrus und Paulus geweihete Kirche erbauet. Sie steht noch jetzt in einer Niederung längs der Oder im Norden der Anhöhe, auf welcher die Burg gestanden haben wird 2 ).


1) Vocabular. Rozkochany, Saec. XIV : tyn sepur (! von sepire). Hanka 1. 1. p. 91 u. 94 Palkowitsch, Böhm. W.=B. s. v. tyn. Vgl. die Grenzen der Redarier, S. 94.
2) Herbord 1. 1. II, c. 33. Ebbe III, c. 1 und c. 15. - Mon. Priefling, II. c. 17 und 13. - Herbord spricht von 4 Kontinen in der Stadt, aus den Zusamenhang geht aber hervor, daß er den Hain des heiligen Rosses mitrechnet, welcher natürlich außerhalb der Burg lag, wie Ebbo und der Prieflinger Mönch ausdrücklich angeben. Ebbo kennt daher, obwohl er anfangs gleichfalls von 4 Heiligthümern spricht, bei der genauern Beschreibung nur 3 innerhalb der Burg und den Roßhain außerhalb derselben. Der Prieflinger Mönch giebt nur 2 Heiligthümer an, betrachtet also die 3 Höhen der Burg als zusammengehörig (trifariam divisis municionibus) und den Roßhain als das zweite, von welchem er ausdrücklich bemerkt, daß es nicht weit davon gelegen habe und demselben Gotte geweiht sei.
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Auf den beiden oben erwähnten kleineren Hügeln neben der Haupttempelburg standen gleichfalls öffentliche Gebäude, aber von einfacher Bauart und weniger schmuckreich, worin sich nur Tische und Bänke befanden. Hier wurden an bestimmten Tagen und Stunden öffentliche Versammlungen gehalten, Trinkgelage gefeiert und Spiele angestellt, was sich vielleicht sämmtlich auf den Dienst des Triglaw bezieht, dessen Hauptfest voraussichtlich in den Winter fiel. Wenn aber, wie es scheint, die unmittelbar nach der Beschreibung der drei Hügel und ihrer Baulichkeiten erwähnte alte Eiche, unter deren reichbelaubten Zweigen eine frische Quelle hervorsprudelte, welche als ein göttliches Wesen verehrt ward, auf einen dieser Hügel, oder an dessen Fuße stand, so wäre dieser sicher als ein Tempel des Donnergottes zu betrachten, wenn er auch kein Bildniß hatte, sondern nur während des Winters als Dingstätte benutzt ward. In diesem Falle hätten wir denn natürlich, nach dem Vorbilde von Carenz, den dritten Hügel für das Heiligthum des Porevit zu nehmen 1 ).

Vor dem Tempel Triglaws auf dem mittlern Walle wird dann der geräumige öffentliche Marktplatz (forum publicum), mit einer hohen hölzernen Rednerbühne, gelegen haben 2 ), und um denselben herum der von 900 Hausvätern bewohnte Ort, deren Ländereien sich nach wendischer Weise hinter den Häusern befunden haben werden. Dieser ganze Ort mit Einschluß der Feldmark und vielleicht auch, nach dem Vorbilde der uns genauer bekannten Heiligthümer anderer Völker, noch verschiedener zum Tempel gehöriger Dörfer war nun rings von Sumpf und Wasser eingeschlossen 3 ), worunter wir theils die Oder, theils kleinere Gewässer und Sümpfe auf der Landseite zu verstehen haben werden, und in diesen Grenzbefestigungen sind dann gewiß auch die Thore zu suchen, von welchen in der Mehrheit ohne Angabe einer bestimmten Zahl geredet wird. Eins derselben, mit hohen und starken Pfeilern versehen, scheint jedoch über die gelegentlich erwähnte Brücke, vielleicht von der Burg aus, unmittelbar in den heiligen Hain des Rosses geführt zu haben.

Es bedarf keiner weitern Erörterung, daß diese Gottheit keine andere war, als die in den rügenschen Tempeln


1) Herbord. II, c. 32 a. E.
2) So verstehe ich den Ausdruck, daß der Tempel und die Adelberts=Kirche in media civitate, oder medio foro gestanden hätten.
3) Civitas stagno et aquis undique cincta. Herbord 1. 1. II, c. 5.
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verehrte, und daß auch das Heiligthum selbst in allen wesentlichen Punkten mit den sonst bekannten großen National=Heiligthümern übereinstimmte. Auch an einer angemessenen Dotation des Tempels wird es nicht gefehlt haben. Daß auch in Pommern solche Tempelgüter existirten, ist schon von Giesebrecht und andern mit Bezug auf die älteste Stiftungsurkunde des später nach Cammin verlegten Bisthums Wollin angenommen, indem man die dem Bischof überwiesenen 11 Burgen (castra), worunter auch Stettin, als Tempelburg betrachtet, mit welchen zugleich deren in der Urkunde bezeichneten Pertinentien mit überwiesen wurden. Dahin wird in Stettin namentlich das der Jacobi=Kirche 1187 verliehene bewaldete Grundstück (terra cum silva, venatione et piscatione) gehören, welches die Namen Clezkow und Gribin (Hüttenort und Pilzort) führte. Eines größern Tempelgaues innerhalb der Herrschaft (provincia) Stettin wird nicht gedacht. Die beiden Bäche, welche im Westen von Stettin aus mehreren nicht unbedeutenden Seen bei den Dörfern Sporenwolde, Brunn, Volkersdorf und Krekow im parallelen Laufe zu beiden Seiten der Stadt zur Oder herabfließen, würden eine sehr passende Grenze eines solchen Gaues gebildet haben.

Unter den übrigen Götzentempeln, welche uns durch die Mission des Bischofs Otto bekannt geworden sind, scheint nur noch derjenige zu Gützkow (Gozgaugia, Chozegowa) zu den Czernebog=Tempeln zu gehören. Er wird als außerordentlich groß und als ein Kunstwerk von wunderbarer Schönheit geschildert, so daß selbst Priester aus dem Gefolge Otto's dessen Erhaltung und Weihung zu einem christlichen Gotteshause befürworteten. Als er aber, dessen ungeachtet, zerstört und das kolossale Bildniß, gleichfalls von ausgezeichneter Arbeit, welches mehrere Joch Ochsen kaum zu ziehen vermochten, dem Feuer übergeben ward, erhob sich ein so ungeheurer dichter Mückenschwarm, daß er die Sonne fast verfinsterte, und zog, vor dem Kreuze des Herrn entweichend, über das Meer zu dem heidnischen Rügen. Dabei wird einer Brücke gedacht, über welche das Götzenbild geschleppt ward, wonach der Tempel auf einer Insel gestanden haben wird. Näheres erfahren wir weder über die Gottheit selbst, noch über sein Bildniß oder sein Heiligthum. Doch scheint das Vorbemerkte zu genügen, um in dem letztern das National=Heiligthum der kleinen Gaue an der Meeresküste zwischen den Grenzen des Festlandes Rügen, der Redarier, Ukrer und Pommern diesseits der Oder, welche zusammen in

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alter Zeit eine selbstständige Herrschaft gebildet haben werden, vermuthen zu lassen. - Die Heiligthümer zu Wollin und Wolgast gehören dagegen nach meiner Ueberzeugung anderen Mythenkreisen an, weshalb ich sie vorläufig übergehen muß.


5) Die Heiligthümer der Wilzen.

In dem ganzen Gebiete der verschiedenen brandenburgischen Wilzenstämme von der Grenze der pommerschen Herrschaft Stettin längs der Havel und Elbe südlich von den Liutizen und Obotriten, also namentlich in den Herrschaften der Ukrer, Rizener, Stoderaner, Brizaner, Linonen u. a. 1 ), wird bei den alten Chronisten nirgends einer slavischen Gottheit gedacht, welche zu dem hier besprochenen Mythenkreise gehören könnte. Auch die National=Heiligthümer dieser Völkerschaften auf brandenburgischem Gebiete sind zur Zeit nicht ermittelt worden, da dies in der Regel nur einheimischen Forschern gelingen wird, welche mit der erforderlichen Localkenntniß ausgerüstet sind oder ausreichende Verbindungen im Lande haben, und denen zugleich die Landesarchive zu dauernder Benutzung offen stehen. Den sehr schätzbaren topographischen Untersuchungen dieser Gegend durch v. Ledebur und Riedel lag namentlich unser Gesichtspunkt durchaus fern. Doch dürfte es in hohem Grade wahrscheinlich sein, daß die Heiligthümer der Stoderaner und Brizaner zu Havelberg und Brandenburg, den spätem Bischofssitzen dieser Gegend, zu suchen sind, das der Linonen aber zu Lenzen, wo 1066 der christliche Priester am Altare geopfert ward. Mit größerer Sicherheit glaube ich dagegen die Heiligthümer der Ukrer auf dem Konower Werder zwischen den Feldberger Seen und das der Rizener zwischen den Havelseen bei Krazburg, also beide in dem gegenwärtig noch zu Meklenburg=Strelitz gehörigen Grenzstriche gegen die liutizischen Redarier, nachge=


1) Ueber den verschiedenen Gebrauch der Namen Wilzen und Liutizen in unsern Quellen vergl. Wigger, zur Topographie der Slavenländer in den Meklb. Ann. S. 114 ff. Ich verstehe unter den Liutizen stets nur die 4 Völkerschaften der Redarier, Tholenzer, Zircipaner und Kissiner in dem heutigen Meklenburg, welche auch in den Quellen vorzugsweise mit diesen Namen belegt werden, und denen er auch nach meiner Ansicht ursprünglich allein gebührt.
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wiesen zu haben 1 ). Beide kleine Tempelgaue, die ich bereits ausführlich beschrieben habe, tragen so unverkennbar den eigenthümlichen Charakter der hier besprochenen wendischen National=Heiligthümer des Czernebog, daß sie hoffentlich als solche Anerkennung finden werden. Unter welchem besondern Namen aber diese Gottheit hier verehrt sein mag, wird wohl für immer dunkel bleiben.


6) Radegast=Zwarasici zu Rethra und die übrigen liutizischen Heiligthümer.

Auch das berühmte Redarische Heiligthum zu Rethra habe ich schon früher wiederholt und ausführlich besprochen, worauf ich mich hier einfach beziehen darf 2 ). Nur über das Verhältniß der dort verehrten Gottheit zu unserm Mythenkreise habe ich hier noch einige Worte hinzuzufügen. Wie wir oben (S. 125) gesehen haben, führte Zwantevit auf Arkona nach der Knytlingssage auch den Namen Svaraviz. Ebenso wird die zu Rethra verehrte Gottheit bekanntlich von Thietmar Zuarasici, von Adam von Bremen dagegen Redigast genannt. Da nun Redigast oder Radegast, wie Helmold ihn nennt, sonst als eine obotritische Gottheit genannt wird, so könnte man vermuthen, daß der Name nur nach obotritischer Interpretation auf den Gott zu Rethra übertragen worden sei. Allein der Umstand, daß auch dem Thietmar der Name "Riedegost" in unserm Heiligthume sehr wohl bekannt ist, wenn gleich er denselben nicht auf die Gottheit selbst, sondern nur dessen Tempel bezieht, und daß eine andere Oertlichkeit innerhalb des heiligen Haines bis auf heute vom Volke Radegast genannt wird, beweist vollkommen, daß dieser Name nicht blos bei den Obotriten, sondern auch bei den Liutizen in Gebrauch war. Andererseits ist auch der Name Zwarasici theils schon durch den Swaraviz der Knytlingssage, vor allen aber durch den Suarasi in dem Schreiben des slavischen Missionairs, Erzbischof Brun an den König Heinrich II. vom Jahre 1008 vollkommen gesichert, da dies Schreiben, worin der Verfasser den König vor dem Bündniß mit den heidnischen Redariern gegen den


1) Die Landwehren und Heiligthümer an den Grenzen der Redarier. Jahrb. XXXVII, 83 ff. und 104 ff.
2) Jahrb. XXXII, 134 ff. und XXXVII, 55 ff.
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christlichen Boleslav von Polen nachdrücklich warnt, offenbar ganz speciell auf den Götzendienst zu Rethra hinweist 1 ). Es folgt also, daß die dortige Gottheit wirklich unter dem doppelten Namen Radegast und Zwarasici verehrt ward, und weiter, da Zwarasici und Swaraviz augenscheinlich nur in der Form verschieden sind, daß auch Radegast zu Rethra und Zwantevit zu Arkona nur als verschiedene Namen derselben Gottheit genommen werden können 2 ). Dieser äußere Beweis für die Identität beider Götter war übrigens bei der vollkommenen Uebereinstimmung ihres Wesens und ihres Kultus in der That nicht erforderlich. Wie Zwantevit=Suaraviz erscheint auch Radegast=Zuarasici als echter Czernebog. Sowohl Thietmar als Adam erklären ihn ausdrücklich für den ersten und höchsten aller Götter, gleichsam den Götterfürsten (primus, princeps deorum). Sein goldenes Bildniß stand in der Mitte des Tempels, rund umher an den Wänden die kleineren Bilder der übrigen Götter. In denselben Sinne wird Radihost in Wacerads mater verborum 3 ), gleich dem höchsten Gotte der Gallier und Germanen seit Cäsar und Tacitus, dem römischen Mercur verglichen, während selbst Zwantevit einseitig nur als Mars bezeichnet ward. Auch das barbarische Menschen= und vorzugsweise Christenopfer ergötzte ihn nicht minder, als den Swantevit, wie schon der Erzbischof Brun, der ihn geradezu als den Teufel betrachtet, und Thietmar mit Nachdruck hervorheben, und ein halbes Jahrhundert später das Beispiel des Bischofs Johannes von Meklenburg beweist, dessen Haupt, nachdem er den grausamen Märtyrertod erlitten, als Siegestrophäre auf dem Altar des Radegast zu Rethra geopfert ward. Schon diese blutigen Opfer weisen zugleich auf seine Eigenschaft als Kriegsgott hin, welche auch dadurch Bestätigung findet, daß die heiligen Kriegsinsignien während des Friedens in seinem Tempel aufbewahrt wurden, wie durch Thietmar ausdrücklich bezeugt wird. Endlich finden wir auch zu Rethra dasselbe Orakel durch Loose und das heilige Roß des Gottes, wie zu


1) W. Giesebrecht, die Kaiserzeit, II, 602.
2) Der nahe liegende Zweifet, ob die in die neueste Ausgabe Adams (M. H. G. X. Scrr.) aufgenommene Namensform Zuarasici statt des Luarasici der ältern Ausgaben wirklich ganz sicher, oder ob nicht vielmehr Zuarasici oder gar Zuarasiti zu lesen sei, wird durch die mir auf meine Anfrage gefälligst gegebene bestimmte Versicherung des Herrn Oberbibliothekars, Hofrath Förstemann zu Dresden, daß sowohl das s als das c in der Handschrift Thietmars völlig unzweifelhaft sei, beseitigt.
3) Hanka 1. 1. p. 14. Mercurius a mercilbus est diotus; Radjhost.
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Arkona und Stettin. - Den Namen Radegast deutete schon Frenzelius und nach ihm Appendini und Schafarik als Kriegsfreund oder Kriegsführer (dux belli), von dem illyrischen rat: Krieg (wohl aus der Wurzel raz: Schlag) und gast oder gost: Leiter, Führer (praefectus). Die constante Schreibung der Namen Radegast, Raduir, Redarier und Rethra, die offenbar derselben Wurzel angehören, mit d oder th scheint dieser Vermuthung indeß zu widersprechen, wogegen die Ableitung von dem allen slavischen Dialecten gemeinsamen rad: Rath, radjm: rathen, womit auch rzad, rjad: ordo, rzadim, rjadowac: ordnen, daher regieren, herrschen, verwandt ist, sprachlich unbedenklich zu sein scheint, und zugleich einen sehr passenden Sinn geben würde. Der Name würde sich darnach auf die Weissagungskraft des Gottes beziehen, und ihn gleichsam als den himmlischen Rathgeber, als die Gottheit des Orakels darstellen, wobei daran zu erinnern ist, daß die Redarier als Inhaber der Woiwodschaft des Liutizischen Bundesstaates im Rathe der Völker eine ähnliche Stellung einnahmen, als Radegast im Rathe der Götter. Die Namen Zwarasici und Suaraviz stellen ihre Träger dagegen allerdings als Kriegsgötter dar, da swar oder swara, sorb. swada: Streit, Kampf bedeutet.

Das National=Heiligthum der Herrschaft Tholenze ist noch nicht aufgefunden. Vielleicht lag die Tempelburg auf dem noch nicht genau untersuchten Burgwall der Insel Schwerin, in dem Düstersee bei Lütgendorf (R. A. Lübz), wenn die Grenzen der Tholenzer sich soweit gegen Südwest erstreckt haben sollten. Sonst scheint auch die Lage von Treptow an der Tollense sich sehr gut zu einer solchen Anlage zu eignen. - Die Heiligthümer der Zircipaner und Kissiner werden wir dagegen nirgends anders als auf den von mir in der Abhandlung über die Schwerine gleichfalls besprochenen Tempelburgen von Bölkow bei Güstrow und Zwante=Wustrow zu suchen haben. Der Name der hier verehrten Gottheit ist wiederum nirgends genannt, wiewohl das Wesen derselben, wie ich schon früher nachgewiesen habe, aus der Beschaffenheit der Heiligthümer und aus den daran haftenden Volkssagen nicht zweifelhaft ist. Bei Bölkow glaube ich zugleich Spuren einer Opferstätte des unterirdischen Zwerges Puschaitis oder Putscaetus nachgewiesen zu haben, den Hüter der Schatzkammer des Gottes, der in Preußen und bei den benachbarten Völkern lettischen Stammes zugleich als Hüter des heiligen Haines,

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also überhaupt des Heiligthums und vertrauter Diener des Gottes der Großen und Edlen Markopolus, aufgefaßt ward. Daraus aber zu folgern, daß dieser Ober=Gott auch bei den Wenden unter diesem Namen verehrt worden sei, dürfte voreilig sein, da das geschilderte Verhältniß des Putscat und der Zwerge überhaupt zu Czernebog, unter welchen speciellen Namen derselbe auch verehrt werden mochte, natürlich überall dasselbe gewesen sein wird, und namentlich auch in Bezug auf Radegast, wie auf den germanischen Othin, in mehrfacher Weise hervortritt 1 ).


7) Radegast in den Obotritischen Schwerinen.

Daß auch die Gottheit der obotritischen National=Heiligthümer kein anderer war, als Radegast, folgt daraus, daß Helmold denselben bestimmt und ganz allgemein als den Gott der Obotriten nennt 2 ). Auch ist es gewiß nicht zufällig, daß sich gerade hier der Name wiederholt auch als Ortsname findet. Ueberhaupt ist Radegast der am meisten verbreitete Name dieser Gottheit, der auch den Böhmen und Mähren und Südslaven, höchst wahrscheinlich also bei den sämmtlichen slavischen Völkerschaften bekannt war, und als der wirkliche allgemeine Eigenname des Gottes zu betrachten sein dürfte. Was Helmold in der angeführten Stelle unmittelbar über die Thier= und Menschenopfer, überhaupt den Kultus der wendischen Götter hinzufügt, bezieht sich vorzugsweise auf Radegast, und stimmt ganz mit dem überein, was uns schon bei Besprechung der in den Heiligthümern der übrigen wendischen Völker verehrten Gottheit, namentlich zu Arkona und Rethra, bekannt geworden ist. Die einzelnen hieher gehörigen Heiligthümer, welche größtentheils noch heute den Namen Schwerin führen, sind folgende:


1) Vergl. über die hier erwähnten Heiligthümer namentlich Jahrb. XXXII, 129 ff., 65 ff. und 60 ff. Die Vergleichung des Markopol mit dem wilden Jäger Markolf auf den dänischen Inseln (S. 69), welcher auch der deutschen Sage nicht unbekannt ist, trifft in sofern zu, als Markolf entschieden dem Othinischen Mythenkreis angehört, sein Name aber ist ebenso entschieden von mark: Wald, Grenze und olf, ulf: Wolf abzuleiten Das Verhältniß desselben zu den ähnlich lautenden lettischen Markopol muß ich dahin gestellt sein lassen.
2) Helm. I, 52: Radegast deus terrae Obotritorum.
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1) In den ostobotritischen Herrschaften Müritz und Warnow: die Schwerine bei Röbel und dem Dorfe Schwerin, rücksichtlich derer ich mich wiederum auf meine frühere Untersuchung beziehen muß. Das Heiligthum der Kussiner ist noch nicht aufgefunden. Bei Neukloster, dem alten Kussin, glaube ich es nicht suchen zu dürfen, worauf ich unten zurückkomme. Vielleicht lag es bei Bützow (Butissowe), dem spätem Bischofssitze, mit einem wendischen Burgwall an der Warnow, wo auch die Namen Pustol, Drakenkrug und Parkow auffallen, oder bei Eikelberg und Görnow weiter aufwärts an der Warnow, wo gleichfalls ein großer Burgwall liegt, oder endlich in dem Gaue Zilazne (Zelesen) am Ostufer des Schweriner Sees mit der Burg Dobbin 1 ).

2) In den westobotritischen oder reregischen Herrschaften Mikilinburg (Wiligrod?) und Smelding: der Schwerin bei der heutigen Residenz und Konow bei Dömitz. In Betreff Schwerins bemerke ich hier nur noch, daß das Heiligthum mindestens die ganze Inselgruppe von Ostorf bis zum Schelfwerder, und vielleicht auch noch einen Theil des Festlandes etwa zwischen dem Neumühlschen Bache mit seinen 3 Förden 2 ) und der Aue umfaßt haben wird 3 ). - Der große Burgwall bei Konow, der alten Connoburg Smeldingorum, ist schon früher von Lisch genau beschrieben. Konow selbst liegt auf dem Wanzenberge (Gau Waningk), einer höchst merkwürdigen gebirgsartigen Landschaft mit einer Salzquelle in der Nähe des Dorfes und einem Braunkohlenlager. Auf dieser Höhe liegt nach der Schmettauschen Karte auch eine Steinburg, welche noch nicht genauer untersucht ist. Endlich hat sich gerade in dieser Gegend, in Konow selbst und den benachbarten Dörfern, die Sage von Fru Woden und ihrer wilden Jagd fast lebendiger, als irgend wo sonst im Lande erhalten 4 ).



1) Jahrb. IX, 404, und XV, 318. - Franck, A u. N. M. XXXIII, 232, u. Jahrb. IV, B, 93. - Jahrb. V, 123 ff.
2) Jahrb. XXXVII, 52 ff.
3) Für den rothen Festrock des Burggeistes haben die meklenb. Anzeigen vom 28. Octb. 1867 weitere Zeugnisse beigebracht, wobei angedeutet wird, daß ich den Ostorfer Bauern den Bericht über den weißen Mantel wohl nur in den Mund gelegt hätte. Dagegen kann ich versichern, daß ich selbst durch diese mir völlig neue Erscheinung des Geistes in hohem Grade überrascht war, was mich aber noch heute nicht abhält, dieselbe für die allein richtige und ursprüngliche zu halten.
4) Jahrb. XXVI, 204 ff. - XI, 123 ff. - VIII, 202 ff.
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8) Podaga und die Heiligthümer der Polaben und Wagrier.

Ratzeburg, die Hauptfeste der Polaben, liegt auf einer Insel in einem bedeutenden, überaus reitzenden See mit hohen, und theilweise noch jetzt bewaldeten Ufern, durch welchen die schiffbare Waknitz fließt, um sich bei Lübek mit der Trave zu vereinigen. Es kann nach der ganzen Lage der Insel, welche nach Westen mit dem lauenburger Ufer durch einen künstlichen Damm, nach Osten aber mit dem Ufer des alten Gaues Boitin durch eine lange hölzerne Brücke verbunden ist, kaum einen passenderen Ort zu einer Tempelburg unserer Gottheit geben. Gleichwohl scheint es bedenklich, eine solche in Wirklichkeit daselbst anzunehmen. Daß Helmold sie nicht kennt, vielmehr nur die Siwa als Landesgöttin bezeichnet, darf freilich nicht irre machen. Zu seiner Zeit waren die kriegerischen Heiligthümer der Wagrier und Polaben bereits zerstört. Die Schwierigkeit der Untersuchung liegt vielmehr in der Ungewißheit der Stellung dieser Völkerschaft überhaupt und die Ausdehnung ihrer Grenzen. Sie wird zuerst um die Mitte des 11. Jahrhunderts gleichzeitig mit ihrer Hauptburg Razisburg genannt, und reichte, wie schon der Name besagt, bis zur Elbe, wo wir früher die nun verschwundenen Smeldinger fanden, deren Gebiet aber schwerlich bis nach Ratzeburg hinauf gereicht hat. Es müssen hier also unter obotritischer Oberherrschaft Veränderungen in der Stellung der einzelnen Völkerschaften vorgegangen sein, vielleicht durch freiwillige Landestheilung der obotritischen Fürsten, wodurch die alten Grenzverhältnisse völlig verwischt sind, weshalb auch die späteren Grenzen der Grafschaft, sowie des Bisthums Ratzeburg nichts entscheiden können. Zu dem letztern, welchem das alte Polabenland zugewiesen ward, gehörte gleichwohl z.B. auch der alte obotritische Gau Schwerin, bis er später gegen Brezen umgetauscht ward. - Dagegen scheint es sicher zu sein, daß zur Zeit der Herrschaft Krutos weiter nördlich, wahrscheinlich auf Polabischem Gebiete, an der Stelle, wo heute die Stadt Lübek steht, ein slavisches Heiligthum gegründet ward. Hier hatte Kruto nach Helmold auf einer Insel in dem spitzen Winkel oberhalb des Zusammenflusses der Waknitz und Trave die Burg Bucu erbauet, deren Wälle Graf Adolf von Holstein 1140 zur Wiederherstellung der zerstörten Stadt Lübek benutzte 1 ). Die Lage dieser alten


1) Helmold 1. 1. I, 47, § 4.
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Burg ist durch andere Forschungen genau ermittelt. Hier interessirt uns nur die Umgebung derselben, aus welcher sich mit Bezug auf das Ergebniß unserer bisherigen Forschungen die ursprüngliche Bedeutung derselben als heidnische Tempelburg bestimmt ergiebt. Der Raum neben dieser Burginsel nach Osten und Nordosten jenseits der Waknitz und Trave, welcher von diesen Flüssen im scharfen Halbkreise umschlossen, und auf der offenen Seite des Bogens durch den in der Nähe der Waknitz entspringenden und bei der Schwarzen=Mühle in die Trave fließenden Bach begrenzt wird, ist nämlich der schon früher von mir beschriebene 1 ) Schwerin, ein von großen Wiesenflächen unterbrochener Wald, welcher noch im 14. Jahrhundert vorzugsweise als Pferdeweide benutzt, und auf welchem vielleicht sogar noch eine wilde Stuterei gehalten ward. Dieser Schwerin ist also auch hier unbedenklich als der heilige Hain der Tempelburg zu betrachten, deren Name Bukuburg vielleicht slavisch Bogugard lautete, d. h. Gottesburg. Ob dazu auch ein größerer Tempelgau gehörte, und ob sich derselbe in diesem Falle nordöstlich zwischen der Trave und der Maurine, oder südlich zwischen der Wakenitz und Steknitz ausgedehnt haben möge, müssen wir bei dem Mangel jeglichen Anhalts dahin gestellt sein lassen.

Mit noch größerer Sicherheit erkenne ich endlich in der uralten festen Burg Plön das National=Heiligthum der Wagrier. Auch sie liegt auf einer Halbinsel in dem nach ihr benannten großen und tiefen See an der Grenze gegen die nordalbingischen Sachsen, und spielte seit den ältesten Zeiten in der Geschichte der Wenden dieser Gegend eine hervorragende Rolle. Auch die wagrische Burg, welche der Herzog Hermann von Sachsen in dem Heereszuge gegen den aufrührerischen Grafen Wichmann, der die Slaven gegen die Sachsen aufwiegelte, im Jahre 967 eroberte, und worin er eine eherne Bildsäule des Saturn zerstörte, kann nach der Lage der Dinge kaum eine andere sein als Plön. Auch nach Helmold, dessen Pfarrort am Ufer des Sees lag, stand hier ein zu seiner Zeit freilich wiederum bereits zerstörter Tempel mit der Bildsäule eines Gottes, welcher unter dem Namen Podaga verehrt ward 2 ). Die Insel dieser Tempelburg war nun schon zu Helmolds Zeit durch eine lange Brücke mit einer kleinen abgesonderten Landschaft am West=


1) Jahrb. XXXII, 131 ff.
2) Widukind, Res gestae Sax. III, 69. - Helm. I, 83.
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ufer des Sees verbunden, welche schon hiedurch als Zubehör der Burg erscheint, und in der That seit Anfang der Geschichte noch zu dem Lande Wagrien gehörte 1 ). Von dem Plöner See und der denselben durchströmenden Swentine einer Seits, und dem bei Bornhövt entspringenden und von See zu See fließenden Bornbach bis zu seiner Vereinigung mit der Swentine bei dem Kloster Preez scharf begrenzt, hat dieselbe nur im Süden zwischen Bornhövt und dem mit dem Plöner See in Verbindung stehenden Stock=See einen offenen, aber von Sümpfen und kleinen Gewässern unterbrochenen Paß, an welchem wiederholt in blutigen Schlachten über das Geschick des Landes entschieden ist. Der Gau selbst aber führte schon bei Adam von Bremen und Helmold, ja wahrscheinlich schon zur Zeit Karls des Großen, den Namen Swentifeld, augenscheinlich aus dem slavischen swanty, swenty: heilig und dem deutschen Feld zusammengesetzt. Das letztere ist aber nur eine Uebersetzung des slavischen plan, plon: campus, campestre, mit dem Nebenbegriff unangebauet, wild. Swentyplon (richtiger Swentaplon): Heiligenfeld, ist also der Name des Heiligthums einschließlich der Tempelburg. Auch der Fluß Swentine, der schon bei Adam von Bremen vorkommt, verdankt diesen Namen dem Umstande, daß er in dem Heiligthume entspringt, so daß also nicht etwa umgekehrt der Gau nach dem Flusse benannt worden ist. Adam und Helmold nennen den Gau Swentifeld. Doch hat letzterer ein Mal auch schon die verlängerte Form Swentinefeld und der locus Sventana, wo Trafico 798 die Sachsen schlug (Einhard. ann. ad. h. a.), mag eben auch nichts anders sein. Nicht zu übersehen ist endlich, daß in diesem Gaue das alte und bedeutendste Kloster Wagriens, Preez, liegt 2 ).

Den Namen der in diesem Heiligthume verehrten Gottheit Podaga, deren Bildsäule weder Widukind noch Helmold näher beschreiben, pflegt man dem litauischen, anscheinend aber selbst noch wenig gesicherten, Podangis zu vergleichen und von dangas, lievisch tauga = Himmel und der Präposition po abzuleiten, also: unter oder aus dem Himmel, ein Name, welcher freilich so ziemlich allen Göttern gerecht


1) Diese Behauptung widerspricht der Ansicht aller bisherigen Forscher. Ich denke aber den Beweis, der eine besondere Abhandlung erfordert, künftig nicht schuldig zu bleiben.
2) Die älteste Form ist Porez, vom böhm. poricj, eigentlich am Fluß (po reka), daher die Aue, wohin auch der Name der Elbinsel Poregi, jetzt Parey, gehören wird.
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sein würde, noch mehr aber den Menschen. Dürfte man annehmen, daß Helmold in seinem vielleicht oberdeutschen Dialecte Podaga statt Potaga gesprochen habe 1 ), so würde zunächst an das böhm. tagjm, poln. taje, serb. tajic: geheimhalten, tajny: geheim, secretus, mysteriosus zu denken, das po aber in der nicht seltenen, bloß verstärkenden Bedeutung zu nehmen sein, also: der Geheimnißvolle, Unbegreifliche.


Ist die vorstehende Darstellung wenigstens in der Hauptsache zuverlässig, so sind damit die nationalen Heiligthümer, deren nach Thitmar jede wendische Völkerschaft eins besaß, in dem von mir bezeichneten Forschungsgebiete, zusammt des darin herrschenden Kultus, fast vollständig nachgewiesen. Nur einige wenige bleiben noch ungewiß. Dies Resultat ist mir selbst wahrhaft überraschend, und scheint eben dadurch zugleich an Bedeutung zu gewinnen, wenn ich daran erinnere, daß ich bei dem Beginne meiner Forschungen über die wendischen Schwerine keineswegs von Thietmars Nachricht ausging, und mir die Absicht, deren Richtigkeit zu erweisen, völlig fremd war. Vielmehr ward ich damals lediglich durch die Wahrnehmung geleitet, daß die verschiedenen Oertlichkeiten unsers Landes, welche jenen Namen führen, eine große Aehnlichkeit mit einander haben, und meine Absicht war daher nur, durch genauere Feststellung der Eigenthümlichkeit dieser Oertlichkeiten deren Bestimmung zu ermitteln. Diese Untersuchung ließ mich bald heidnische Tempelstätten in denselben erkennen, und erst nach Vollendung der Arbeit fiel es mir auf, daß die einzelnen so ermittelten Heiligthümer mit einer einzigen Ausnahme verschiedenen Völkerschaften angehörten. So ward es mir klar, daß ich ganz unabsichtlich eine ganze Gruppe der National=Heiligthümer des Thietmar entdeckt habe, was mich nun natürlich veranlaßte, den eingeschlagenen Weg mit Bewußtsein weiter zu verfolgen. Meine Entdeckungen sind also lediglich das Ergebniß sorgfältiger Localforschung an der Hand der alten Chronisten unseres Volkes 2 ). Die eine eben gedachte Ausnahme ist der


1) Helmold, der mit dem Bischof Gerold von Oldenburg, einem Schwaben, ins Land kam, war wenigstens kein Holsteiner. Er schreibt z. B. stets Sigeberg st. Segeberg, Schalkesburg st. Skalkesbora und so immer burg st. - borg. Auch die Form Plune statt Plone, wie der Name urkundlich stets lautet, kommt wohl auf Rechnung dieses Dialectes.
2) Die Handbücher der slavischen Mythologie haben mich dagegen sämmtlich im Stiche gelassen und eben so auch Shafariks slavische Alte= (  ...  )
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Krakower Schwerin, welcher gleich dem Schwerin am Plauer See in der Herrschaft Warnow zu liegen scheint. Vielleicht ist hier schon in vorhistorischer Zeit eine kleine selbstständige Herrschaft zwischen Warnow, Kussin, Circipanien und Tholenze untergegangen. Dagegen tritt jetzt eine andere Abweichung von Thietmars Satz hervor, indem wir bloß auf den rügischen Inseln, außer dem Festlande, 3 Heiligthümer unserer Gottheit fanden. Das erklärt sich aber vollkommen durch die besondere Stellung dieses Inselvolkes, welches nach Helmolds ausdrücklicher Bemerkung wegen seiner größern Vertrautheit mit den Göttern von allen Nachbaren gefürchtet ward 1 ).

Neben diesen großen National=Heiligthümern werden der höchsten Gottheit des Volkes natürlich auch an vielen anderen Orten einfache Opferaltäre oder andere Stätten seines Kultus gewidmet gewesen sein. Namentlich standen gewisse Berge, die der Sage nach in unterirdischen Höhlen reiche Schätze bewahrten, in näherer Beziehung zu diesem Gotte des Reichthums, dem Beherrscher der kunstreichen Zwerge, ja man betrachtete sie anscheinend als dessen Wohnort zu gewisser Jahreszeit. In Deutschland finden sich daher eine große Menge Othins= oder Wodansberge, und die verschiedenen Sagen von bergentrückten Helden und Königen, welche stets als im Besitze großer Schätze gedacht werden, find ursprünglich gewiß auf diese Gottheit zurückzuführen 2 ). Aehnliche Sagen finden sich in den slavischen Ländern. In Mähren z. B. trägt der höchste Berg des Landes den Namen des Gottes Radihost, und steht in dem Rufe, daß sich unter demselben geräumige, an Gold und Edelsteinen reiche, Höhlen befinden, welche die Wohnung eines göttlichen Wesens seien, dessen Freigebigkeit arme Bergbewohner, die sich zufällig in sein unterirdisches Reich verirrten, oft erfahren haben sollen. Der Name des Berges läßt keinen Zweifel darüber zu, wen wir unter diesen göttlichen Wesen zu verstehen haben. Eben so entschieden gehört hierher der Czernebog, ein


(  ...  ) thumstunde, ein Werk, welches nach meinem Urtheil überhaupt die Ansprüche in keiner Weise befriedigt, zu welchen man durch den eitlen Hochmuth, womit der Verfasser auf die deutsche Wissenschaft herabsehen zu können meint, wohl berechtigt ist.
1) Helmold I, 2: Rani, qui et Rugiani - metuntur propter familiaritatem Deorum, quos majori prae ceteris cultura venerantur.
2) Durch die neueste gründliche Untersuchung über die deutsche Kaisersage von Georg Voigt ist deren historische Entwickelung trefflich nachgewiesen, jedoch unbeschadet des mythischen Gehaltes derselben, für den der Verfasser weniger Verständniß hat.
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Berg bei Bautzen in der Lausitz, von den deutschen Bewohnern der Gegend der große Stein genannt, an welchem sicher noch Sagen haften, die mir aber unbekannt sind. In unserm Forschergebiete möchte ich den Rugard (Rugigard), der höchste Berg in der Mitte der Insel Rügen, hierher ziehen. Auf der Spitze desselben liegt ein Burgwall, von welchem jedoch ungewiß ist, ob er aus heidnischer Zeit stammt. Später soll auf demselben eine noch im 14. Jahrhundert von den rügischen Fürsten bewohnte Burg gestanden haben, die aber jedenfalls erst in christlicher Zeit erbaut sein kann. Auch stand hier in alter Zeit eine Kapelle, die gleich denjenigen auf Arkona sowie auf den Burgwällen zu Karenz und bei Sagard unmittelbar nach dem Sturze des Heidenthums errichtet sein wird. Sie gehörte den Nonnen des Klosters Bergen auf einem etwas tiefer liegenden Absätze des Rugard (claustrum de monte Rugiae), welche sie später abbrechen ließen; aber auch der Bischof von Roeskilde hatte Hebungen aus derselben. Nach allem diesen ist eine auf diesen Berg bezügliche heidnische Gottesverehrung nicht zweifelhaft, und der Name läßt zunächst an den Gott Rugivit denken, obwohl wir allerdings auch einen Donnersberg vor uns haben können. Der Name des Dorfes Parklitz an einem kleinen See, hart am Fuße des Berges, scheint sogar für diese Annahme zu sprechen. - Andere Namen von Bergen oder einzelnen Steinblöcken auf den rügischen Inseln, die vielleicht hierher zu beziehen sein möchten, sind Swante Gard, eine Höhe an der östlichen Küste von Mönchgut, auf welcher Insel am Görenschen Hövt auch ein Steinblock den Namen buhskahm, d. i. bogis kamen: Gottesstein führt. Andere heilige Felsblöcke: Swantekam liegen am nordwestlichen Strande bei Ruschwitz auf Jasmund, wo eine kleine Strecke landeinwärts an einem kleinen See nahe bei Bobbin auch ein Ort Schwentz liegt. Ferner die Berge Swantegore, jetzt Swantow auf Rügen und Swantich auf Hiddensoe. - In Meklenburg gehört der Petersberg bei Pinnow (im Amte Crivitz) sicher hierher, obgleich der Name mich früher verleitete, denselben für einen Donnersberg zu erklären, da der H. Petrus öfter die Stelle des Donnergottes zu vertreten pflegt. Der Berg hat eine bedeutende Höhe, mit getheilter Spitze und liegt völlig isolirt am Rande einer weiten, stufenförmig zu den Höhen bei Crivitz aufsteigenden Ebene, weshalb er weithin sichtbar ist. Auf der Südostseite liegt am Fuße des Berges ein kleiner, runder See, welcher vom Volke der Hilgen=See (heiliger See) genannt wird.

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Was ihn aber entschieden als einen Czernebogsberg kennzeichnet, das sind die Sagen des Volkes über die unter demselben wohnenden Zwerge oder Unterirdischen (Underirdschen), welche auch nach litthauischen und slavischen Mythen in einem nähern Verhältniß zu dem Czernebog gedacht wurden. Dieselben verkehrten früher freundlich mit den Menschen, namentlich in dem Pinnower Kruge, wo sie alles, was sie für ihre Wirtschaft forderten, baar bezahlten. Denn sie waren im Besitze großer Schätze und legten ihre Kinder in eine goldene Wiege. Aus diesem Berge soll auch das Petermännchen auf dem Schweriner Schlosse stammen, anscheinend eine jüngere Erfindung zur Erklärung des Namens jenes Wächters der Schatzkammer auf der Tempelburg. Beachtenswerth sind endlich auch die Sagen von einem untergegangenen Schlosse auf einer Insel des benachbarten Pinnower Sees 1 ).

Ein solcher Berg scheint ferner der oft besprochene Vitingsberg, die höchste Spitze des Sonnenberges, einer hochgelegenen großen Waldung bei Parchim, zu sein, den man gewöhnlich, aber weniger passend, auf den Donnergott Parkun zu beziehen pflegt. Die Sage von dem einst hier hausenden Räuberhauptmann Viting hat ohne Zweifel mythischen Kern. Wenn sich in Folge starken Regens nach langer Dürre oder aus andern Gründen wolkenartiger Nebel auf der Spitze des Berges lagert, sagt das Volk: "Viting bruet" und nimmt die Erscheinung als eine Vorbedeutung dauernden Unwetters, wie bei ähnlichen Wolkenbildungen um die Spitze des Kyffhäusers in Thüringen das Volk den dort hausenden Kaiser Rothbhart brauen läßt. Dieselbe Anschauung findet sich aber auch noch bei andern Höhen, z. B. bei der Schneekoppe des Riesengebirges, wenn mein Gedächtniß mich nicht täuscht. Auch die Sage, daß in dem "Vitings=Keller" große Schätze verborgen seien, war wenigstens in meiner Jugend vor 50-60 Jahren noch allgemein verbreitet, und die auf der Bergspitze befindliche Vertiefung mit einer durch den Auswurf der Erde gebildeten, wallartigen Randerhöhnng ist sehr wahrscheinlich das Werk von Schatzgräbern. An diese gewiß uralte "Vitssage", wenn meine Vermuthung richtig ist, ward dann in späterer Zeit die Sage von dem Räuber Viting angeknüpft, welcher durch den Verrath seiner Geliebten, die ihr Geheimniß dem Thorzingel klagt, und durch ausge=


1) Niederhöfer, Meklenb. Volkssagen I, 58. - Die Sage ist in ihren Hauptzügen noch jetzt lebendig im Volke.
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streuete Erbsen den Weg zu der Höhle bezeichnet, der Obrigkeit überliefert ward, ganz so, wie man in Lübek die Sage von Papedönken erzählt. Nach dieser Ansicht wäre also der Name Viting von dem Vitsberg entlehnt, wobei die Erinnerung an die seeräuberischen Wiethinger Adams von Bremen, welche ihrerseits wohl mit den Wikingern der Jomsburg identisch sind, mitgewirkt haben mag 1 ).

Unsicherer sind natürlich die aus einfachen Ortsnamen ohne sonstige unterstützende Momente zu ziehenden Schlußfolgerungen. Doch mag hier an Ortsnamen wie Schwantewitz in Pommern, Reg.=B. Stettin, Smantewitz (st. Schwantewitz?) auf Wittow, Swantewitz (jetzt Wantewitz) bei Großenhagen erinnert werden; ferner an die Insel Wittow selbst, Vietow bei Ribnitz, Vietow bei Wittenburg, Wietow bei Wismar, Vitegest, A. Güstrow, sowie bei Garz auf Rügen und bei Kamburg in Sachsen, Vitense bei Rehna, Vietlübbe bei Gadebusch und bei Plau, Vietlippe bei Grimmen in Pommern. Auch Vitings= und Wietings=Namen sind nicht selten in slavischen Ländern, z. B. Wieting und daneben ein Wietingsberg in Kärnthen und Wietingshof in Mähren, Vietingshof und Wietingshausen in Hannover. Die Wietingsbek bei Ratzeburg und der Wietingsstrang, ein Arm der Warnow bei Rostock, werden ihren Namen dagegen von dem Weißfisch erhalten haben, der in Meklenburg bekanntlich Wieting heißt. - In einer pommerschen Urkunde vom Jahre 1277 kömmt ein miles de Swaroviz vor 2 ), und Schwarfs bei Rostock ist anscheinend eine Contraction aus Swarawitz, Swarwitz, da z. B. auch Garwitz, Criwitz u. s. w. im Volksmunde Garvs und Crivs lauten. - Auch der Ortsname Radegast ist in allen slavischen Ländern nicht selten. In Meklenburg kommt er zwei Mal vor, bei Gadebusch, wo er zugleich auf den dort entspringenden Fluß übertragen ist, und bei Bukow. Auch in Wagrien liegt ein Radegastorp, jetzt Ragestorp genannt. Auch Radelübbe bei Hagenow ist hier zu erwähnen. Dagegen kommen die mehr localen Beinamen des Gottes: Rugevit, Czarnaglovi, Triglav und Podaga nicht als Ortsnamen vor 3 ). Die zahlreichen Teufelsnamen in Wäldern und Sümpfen, sowie die Sagen von nächtlichen Schimmelreitern, z. B. an dem Teufelsbach bei


1) Vergl. Cleemann, Chron. von Parchim, 12 und 576. Jahrb. VIII, B. 151. Niederhöfer a. a. O. I, 63 u. 98.
2) Oelrichs Verzeichniß der Dreierschen Urkundensammlung, S. 7.
3) Vgl. Klöden, die Götter des Wendenlandes. Märkische Forschungen, II.
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Friedrichsruh (alt Gömtow), die sich größtentheils auf Wodan oder Swantevit beziehen werden, kann ich hier nicht alle aufführen.

Einer besondern Besprechung bedarf hier schließlich noch der Umstand, daß den verschiedenen Gottheiten dieser Ordnung, trotz der völligen Uebereinstimmung ihres Wesens, in unseren Quellen bei dem Vergleiche derselben mit den römischen Göttern verschiedene Bedeutung beigelegt wird, indem namentlich Zwantevit, Rugevit, Czarnaglovi und Triglav dem römischen Mars gleichgestellt, oder doch einfach für Kriegsgötter erklärt, Radegast dagegen als Mercur und Podaga als Saturn aufgefaßt werden. Der Wechsel zwischen Mercur und Mars, welcher gerade so in Bezug auf den deutschen Wodan stattfindet, erklärt sich am leichtesten. Die Bedeutung desselben als Kriegsgott trat so entschieden und offen hervor, daß sie nicht verkannt werden konnte. Zugleich aber offenbarten sich in dem Kultus desselben so viele Eigenthümlichkeiten, die dem römischen Mars völlig fremd waren, und wenigstens äußerlich an den Mercur erinnerten, daß man sich gezwungen fühlte, die fremde geheimnißvolle Gottheit gleichsam zu spalten, und je nachdem in dem einzelnen Falle die Eigenschaften des Mars oder des Mercur mehr in den Vordergrund traten, ihm bald diesen, bald jenen Namen beizulegen. - Merkwürdiger dagegen ist, daß der Sachse Widukind, Zeitgenosse des Herzogs Hermann, die von diesem 967 zerstörte Bildsäule in dem Heiligthum zu Plön, das ich gleichfalls dem Zwantevit zugeschrieben habe, als ein Saturnsbild bezeichnet. Er beweist aber damit nach meiner Ueberzeugung nur eine unbefangenere Auffassung des Wesens der nordischen Götter und ihres Verhältnisses zu den römischen, als wir bei den Römern selbst und den römisch gebildeten fränkischen Annalisten zu finden gewohnt sind. Bekanntlich bestätigt Tacitus die auf höchst einseitiger Beobachtung beruhende Behauptung Cäsars, daß die Gallier den Mercur als höchste Gottheit verehrten, der Auctorität des großen Imperators und Eroberers Galliens sich beugend, auch für die Germanen, nachdem er die Uebereinstimmung der religiösen Anschauung beider Völker erkannt hatte. Seitdem galt dieser Satz bis auf unsere Zeit für unumstößlich, und ward dann auch auf die weiter östlich wohnenden Völker ausgedehnt 1 ). Gleichwohl erscheint mir diese Auffassung als


1) Popanek, Hist. gentis Slavor., beruft sich dafür p. 165 auf die Worte des Polybius: "Slavi Mercurium unum (Deum?) maxime (  ...  )
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grundfalsch. Wenn es erlaubt ist, den einheimischen Göttern römische gegenüberzustellen, - und es ist erlaubt - so entspricht Othin=Zwantevit vielmehr entschieden dem Saturn. Nur darf man nicht vergessen, daß der Kultus des Saturn in Griechenland und Rom durch den milderen, dem südlichen Himmel mehr entsprechenden, Zeusdienst früh fast verdrängt ward, und wohl überhaupt nur schwach entwickelt war. Während Othin sich in dem rauheren, conservativeren Norden in seiner vollen, ursprünglichen Herrschergewalt erhielt, ward Saturn nach der griechischen Sage durch den eigenen Sohn des Thrones entsetzt, worauf sich allerdings ein Theil der früheren Machtsphäre dieses Gottes auch auf seine Enkel, namentlich den Mercur, zum Theil auch den Mars vererbte 1 ). Dies erklärt jenes Mißverständniß, welches nur dadurch entschuldigt wird, daß der höchsten nordischen Gottheit unter den römischen Göttern des Cäsar und Tacitus keiner gleichzustellen war.

Was aber speciell die slavischen Götter betrifft, so finden wir allerdings in Wacerads mater verborum und den übrigen Glossarien Hanka's zwei oder gar drei besondere slavische Saturnnamen: Sytiwrat, Hladolet und Kirt, worauf man jedoch viel zu großen Werth gelegt hat, da keiner derselben bei irgend einer slavischen Völkerschaft in Sage, Lied oder Bild als wahre, lebende Gottheit hervortritt. Es sind das vielmehr lediglich Producte einer unseligen Uebersetzungsleidenschaft der Slaven, in Folge deren nicht nur die höheren Götter der alten Welt, wenn sich unter den wirklichen nationalen Gottheiten keine entsprechende finden wollte, bis auf Pan, Picus und Faunus herab, sowie die egyptischen Isis und Osiris, sondern auch die Syrenen, Nereiden, Dryaden u. s. w., ja selbst rein geographische Namen, wie Tiber, Nil und Euphrat, wenn deren Bedeutung nur irgend zu errathen war, sich gefallen lassen mußten, durch Uebersetzung kurzweg slavisirt zu werden. Die auf diese Weise entstandenen Saturnnamen beweisen daher vielmehr, daß es eben so wenig einen slavischen Saturn gab, als einen germanischen, wenn man sich nicht entschließen mag,


(  ...  ) celebrant, inventorem artium". Also genau wie Cäsar und Tacitus. Ich finde jedoch dies Citat, das ich nach Hanusch gebe, bei Polybius nicht.
1) Ist es doch in späterer Zeit auch in dem Norden ähnlich gegangen, indem man aus dem Wesen Othins nach dem antiken Muster noch einen besondern Kriegsgott Tyr abspaltete, der in Wahrheit kein anderer ist, als Othin selbst.
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mit Widukind den Zwantevit und Genossen, bzw. den Othin als solchen anzuerkennen. - Wahrhaft komisch ist die Erfindung des Sytiwrat, die gleichwohl am meisten Glück gemacht hat. Ich kann darin nichts anderes erkennen, als eine Art Sylbenräthsel auf das lateinische Saturnus, welcher Name in sat und turnus zerlegt und dann wörtlich übersetzt wird: sat, satis = syty, vielleicht in dem Sinne: müde, matt, und turnus = wrat, von dem poln. wrocic, serb. wrocec, böhm. wratjin: drehen, wenden (tornare, mittelalterlich turnare, franzöf. tourner), namentlich in dem Sinne: sich im Kampfe zur Flucht wenden, fliehen, gebräuchlich. Als Auflösung wird dann Saturn ausdrücklich als der vor Jupiters Waffen fliehende, besiegte Gott bezeichnet 1 ). Kann man deutlicher sein? Daß sich die Indoslavisten diesen neuen Gott nicht nehmen lassen würden, stand zu erwarten. Er gilt ihnen für den indischen Sohn der Sonne, Satyaurata, den Wischnu in Gestalt eines Fisches in der großen Weltfluth rettete, und demgemäß erklärt man den slavischen Namen durch ziti-wrad: Wiederkehr des Lebens 2 ); gewiß recht hübsch und geistreich, nur daß uns der Saturn, um den es sich doch eigentlich handelte, über diese völlig fremdartige indische Gesellschaft unversehens entschlüpft! Eine solche Gottheit ist selbst durch die Auctorität eines Grimm nicht aufrecht zu erhalten, der den Sytiwrat zu einem Siebdreher: sitowrat machen, und dem Raddreher Krodo kolowrat an die Seite stellen möchte 3 ). - Der Hladolet dagegen figurirt unter den übrigen Planetennamen als der Saturn, neben Jupiter: Kralomocz (mächtiger König, also als Nachfolger König Karls = Kral), Mars: Smrtonoss (der Todtbringende), Venus: Chtytel (die Begierde) und Mercur: Dobropan (guter Herr, oder nach Grimmes Deutung: Spender der Glücksgüter) 4 ). Bis jetzt ist es, soviel ich weiß, noch Niemandem eingefallen, diese astrologischen Erfindungen als echte slavische Götter zu betrachten. Nur mit dem Hladolet scheint man fast eine, durch nichts gerechtfertigte, Ausnahme machen zu wollen. Der Name, von hlad: Hunger, abgeleitet, ist allerdings besser gelungen, als die meisten andern, wenn man ihn als den hungrigen, gefräßigen (vorax tempus: Kronos)


1) Saturni filius: Sitivratow zin. - Saturnum pagani illum esse ajunt qui primus ab Olimpo venit, arma Jovis fugieus: Sytiwrat. Hanka 1. 1. p. 19.
2) Hanusch, slavischer Mythus, S. 116 ff.
3) Grimm, Myth. 228.
4) Hanka 1. 1. p. 54 und 165. - Grimm, Myth. p. 118.
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deuten darf. Vielleicht ist die Schlußsilbe als leto: das Jahr, zu nehmen, so daß hladolet Hungerjahr bedeutete, mit Bezug darauf, daß die Saturnjahre in der Astrologie als Jahre des Mißwachses galten. - Der Kirt endlich ist nicht ausdrücklich als Saturn bezeichnet. Man schließt dies nur daraus, daß Mercur Enkel des Kirt genannt wird 1 ). Näher scheint mir zu liegen, daß Atlas, Vater der Maja und mütterlicher Großvater Mercurs, gemeint sei, und daß durch diese Bemerkung nur die dämonische Abstammung des Gottes angedeutet werden sollte. Kirt, welches in dieser Form nicht als slavische Wurzel vorkommt, scheint nämlich für czrt oder czirt zu stehen, das in unsern Glossarien einfach durch daemon übersetzt wird, neuböhm. czert: Teufel, und vermuthlich zu krity se: occultare, gehört, wovon auch das altböhm. kirtice, neuböhm. krtice, poln. kret: Maulwurf, abzuleiten sein wird 2 ). Kirt wäre also ein verborgener Dämon der Unterwelt, an deren Pforte nach Hesiod der Atlas steht, und zur Strafe seiner Empörung gegen Jupiter den Himmel trägt. Möglich wäre auch, daß Radihost, als Gottheit des Berges dieses Namens, direct dem Bergriesen Atlas verglichen werden soll. - Auch Grimm's Versuch, den fast schon vergessenen Krodo der Bothoschen Chronik als germanischen oder slavischen Saturn wieder einzusetzen, zugleich aber dem römischen Saturn noch einen national=germanischen Sater an die Seite zu stellen, scheint mir völlig mißlungen zu sein 3 ). Wäre aber wirklich nachzuweisen, daß diese Götter jemals in unserm Volke gelebt hätten, so würde dadurch nur der othinische Mythenkreis erweitert werden.


II. Belbog.

Wie der Name Czernebog in dem nach ihm benannten Berge bei Bautzen (Budissin) bis auf unsere Tage sich erhalten hat, so lebt das Andenken des Belbog in dem Namen eines ehemaligen Klosters bei Treptow an der Mündung der Rega in Hinterpommern fort. Dasselbe ward schon 1170 auf einer angeblichen Insel gegründet, und mit 11


1) Mercurius: Radihost, wnuk Kirtow. Hanka 1. 1. p. 13.
2) Hanka 1. 1. p. 9, 27 u. 157, vgl. mit 140.
3) Grimm, Myth. 187 und 226-28.
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Dörfern in der Nachbarschaft dotirt, jedoch bald wieder verlassen und erst 1208 erneuert. Es liegt auf einem Hügel auf dem festen Lande, und unter der insula der Urkunde wird wie so oft nur ein durch natürliche Grenzen eingeschlossener Raum zu verstehen sein, welcher das alte Heiligthum des Gottes bildete. Auf diesem Hügel, welcher nach der bestimmten Angabe der Urkunde von 1208 nebst seiner Umgebung in alter, also heidnischer Zeit Belbuc (in spätern Urkunden Bealbug, Belbuk oder Belbog) genannt ward, scheint auch ein künstlicher Wall gelegen zu haben, da die Stifter den heidnischen Namen, freilich ohne Erfolg, mit dem christlichen Petersburg (Castrum S. Petri) vertauschten 1 ).

Im Uebrigen hat die Verehrung dieses lichten Sonnengottes, des Urhebers alles Guten, namentlich in unserm eigentlichen Forschergebiete bei den Westwenden bei weitem geringere Spuren zurückgelassen, als die des finstern und mehr gefürchteten, als geliebten kriegerischen Saturns der nordischen Völker. Diese Erscheinung findet ihre natürliche Erklärung theils in der einfacheren Beschaffenheit der hierher gehörigen Heiligthümer, theils in dem eigenthümlichen Charakter dieses Kultus, der sich mehr auf friedliches Familienleben der Masse des Volkes, als das von den Reichen und Mächtigen beherrschte öffentliche Leben bezog. Auffallend bleibt es indeß immer, daß z. B. Helmold dieses Gottes unter seinem eigentlichen Namen und in seinen Haupteigenschaften als Gott der belebten Natur überall nicht gedenkt. Gleichwohl ist es vollkommen sicher, daß dieser slavische Jupiter, gleich dem germanischen Thor, bei allen slavischen Völkern nächst dem Radegast den höchsten Rang einnahm, ja bei den östlichen Slaven nach Prokops Versicherung sogar als der höchste der Götter, der Beherrscher des Alls, verehrt ward 2 ), wobei freilich die Vorstellungen des Verfassers von dem griechischen Zeus mitgewirkt haben mögen. Aber auch Wladimir der Gr. sprach ihm nach Nestors Chronik bei der Ordnung des Götzendienstes in Kiew den ersten Rang zu, und als der Fürst später, zum Christenthum bekehrt, sein eigenes Werk zerstörte, traf sein Zorn wiederum zumeist den Perun, dessen Bild geschlagen und gemißhandelt, an den Schweif eines Pferdes gebunden und in den Strom geschleift ward.



1) Cod. Pom. dipl. No. 29, S. 70 u. No. 86, S. 205.
2) Procop, de bello Goth. I, 498. (Ed. Paris).
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1) Perun.

Der gewöhnliche und am weitesten verbreitete rein slavische Name des Belbog war nach russischer und polnischer Aussprache Pierun, in Böhmen und Mähren, sowie bei den Südslaven wie es scheint übereinstimmend Perun, neuböhmisch auch Peraun und Parom. Auch Wacerads mater verborum übersetzt das lateinische Jupiter einfach durch Perun und macht ihn zum Vater des Mercur, obwohl dieser ihm als Radihost der Vater aller Götter war. Daß er auch den Westwenden unter diesem Namen bekannt war, beweist vor allem die Uebersetzung des deutschen Donnerstag bei den Lüneburger Wenden durch perundân. Auch mehrere Ortsnamen dieser Gegenden weisen auf seine Verehrung hin, wie Pron nördlich von Stralsund an der Meeresküste, das in Urkunden des 13. Jahrhunderts Perun oder Peron, Pirun, Piron, hieß, und wo damals eine anscheinend schon aus der Heidenzeit stammende fürstliche Burg stand. Ferner Prohnstorf in Wagrien, im 13. Jahrhundert gleichfalls Peron, später Peronstorf genannt. Vielleicht gehören auch die meklenburgischen Dörfer Perow im A. Güstrow, Parum daselbst und bei Wittenburg, und Parin bei Klütz hierher, sowie Pernick bei Neukloster, das wir unten noch genauer besprechen werden. - Der Name ist vom böhmischen peru, poln. piore: schlagen, das lateinische ferio, abzuleiten und bezeichnet den Gott also zunächst als Jupiter fulgens. Dazu stimmt der slavische Name des Donnerkeils, z. B. böhm. skala oder strela paromowa, peraunowa. Auch sonst erscheint er vor allem als Donnergott und im Zusammenhange damit als Gott der Witterung überhaupt und der Fruchtbarkeit. Die ursprüngliche Bedeutung des Namens scheint aber bereits auf den allgemeinen Charakter Peruns als Licht und Feuergott hinzuweisen, denn peru bezeichnet auch das Schießen der Sonnenstrahlen und altpol, przik (mit Einschiebung des polnischen Nasallautes z, statt pryc, piryc) heißt glimmen, brennen. In der That ward der slavische Donnerer auch zu allen Zeiten entschiedener und bewußter zugleich als Feuer= und Sonnengott verehrt, wie bei den meisten übrigen europäischen Völkern der historischen Zeit. In seinem Heiligthum brannte ein ewiges reines Feuer (das deutsche Nothfeuer), dessen Erlöschen dem Priester desselben sichern Tod brachte. Die Sonne selbst aber führte den mythischen Namen Okopirnos, d. i. oko pioruna: Peruns Auge. Auch auf dem Sonnenstein bei Pirna wird Pirun, wie man aus Zusammenhaltung dieser Namen schließen darf, als Sonnengott verehrt sein.


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2) Turupith (Porenutios zu Carenz).

Außer diesem Hauptnamen ward der Gott, gleich Radegast, in seinen verschiedenen Heiligthümern auch unter besondern Localnamen verehrt. Das berühmteste dieser Heiligthümer ist aber wiederum die von Saxo geschilderte Drei=Tempelburg zu Carenz auf Rügen, deren schon im ersten Abschnitt gedacht ward, und wo sich auch ein Tempel des Donnergottes befand. Saxo giebt die Ordnung der Tempel nicht an. Er nennt den des Rugevit=Othin zuerst, weil er der größte war, und zuerst zerstört ward. Er stand vermuthlich in der Mitte zwischen dem angeblichen Porenutius=Thor zur Rechten und Porevit=Freyr zur Linken, nach der Ordnung der bekannten sächsischen Abschwörungsformel: Thunar, Voden, Saxnot, obwohl Saxo den Porenutius zuletzt nennt. Die Knytlingssage führt dagegen die 3 Götter unter theilweise abweichenden Namen und in anderer Ordnung: Rinvit (Ruthvit), Turupith, Porevit auf, gleichsam nach ihrer Rangordnung, wie sie auch von den Nordgermanen gewöhnlich beobachtet ward, z. B. in dem Tempel von Upsala nach Adam von Bremen: Voden, Thor, Fricco, in der Edda Snorr. 171: Othin, Thor, Freyr, und in der Edd. Saem. 85: Othin, Asabraga, Freyr; ja auch in dem Tempel zu Romowe in Preußen völlig entsprechend: Picollos, Percunas, Potrimpos. Klar ist aber unter allen Umständen, daß trotz dieser verschiedenen Ordnung unter dem Rinvit der nordischen Sage der Rugivit der Saxo, und unter den Puruvit der Sage Saxos Porevit zu verstehen ist, folglich der Porenutius des letzteren kein anderer sein kann, als Turupith. Gleichwohl scheint Porenuz bei den Südslaven ganz entschieden dem Freyr zu entsprechen, während in Turupith der lithauische Name des Donnergottes Tarapita unverkennbar ist. Saxos Porenutius scheint daher einfach auf einem Mißverständniß zu beruhen, und nur eine zweite latinisirte Form des Porenut=Porevit zu sein, wogegen der Verfasser der Sage sich auch hier, wie überall in seinen slavischen Nachrichten, durchaus zuverlässig erweist 1 ). Die erste Hälfte des Namens scheint mit dem slavischen tur, lateinisch taurus verwandt, wenn, wie man annimmt, die Grundbedeutung dieses Wortes "groß, stark" ist. Der Stier (Ur) war überdies auch bei den Slaven, wie bei allen andern Völkern, neben dem Bocke das Hauptopferthier des Donnergottes, das daher bei


1) Die Lesarten anderer Handschriften Turtupit und Turtuput sind offenbar Schreibfehler.
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dem vorzugsweise dieser Gottheit geltenden Frühlingsfeste eine große Rolle spielte. Der bekränzte und überhaupt mit Blumen und Band reichgeschmückte Pfingstochse, der auch bei uns bis in die neuere Zeit an diesem Feste feierlich durch die Straßen geführt ward, ist nichts anders als der heidnische Opferstier, und der böhmische Name des Pfingstfestes turice wird auf eben diese Sitte zu beziehen sein. Das Bildniß des Gottes in dem Tempel zu Carenz stellt ihn, wenn ich seine Attribute nach Saxos Angabe richtig deute, wiederum als Sonnengott dar. Er hatte 4 Gesichter an einem Haupte, worin ich die auf den Stand der Sonne hinweisenden 4 Himmelsgegenden, sowie die entsprechenden, von der Sonne abhängigen 4 Tages= und Jahreszeiten, zu erkennen glaube, zugleich als Symbol der 4 Lebensalter des Menschen. Ein fünftes Gesicht auf der Brust, dessen Stirn der Gott mit der Linken, das Kinn mit der Rechten berührte, ist dagegen sichtlich das Symbol der Sonne selbst. - In Betreff der Dotation des Klosters Bergen mit dem alten Carenzer Tempelgute, wovon ein Theil natürlich auch dem Turupith gehört haben wird, kann ich nur auf meine Bemerkungen über Rugevit im ersten Abschnitt verweisen. In den zahlreichen mit tur zusammengesetzten Ortsnamen ist dies Wort wohl, wenigstens größtentheils, auf den Ur, Stier, zu beziehen.


3) Pizamir oder Jasa auf Jasmund.

Die Knytlingssage, der wir unsere Kenntniß der Gottheiten der Halbinsel Jasmund ausschließlich verdanken, nennt uns daselbst neben dem Kriegsgotte Czernoglovi noch einen zweiten Pizamar, worin ich den Perun zu erkennen glaube, wenngleich das Wesen desselben nicht näher charakterisirt wird. Sein Name läßt uns wenigstens mit Sicherheit einen Gott des Friedens in ihm erkennen, denn die Endigung mar in den damit zusammengesetzten Personennamen entspricht bei den Nordländern stets dem slavischen mir, z. B. in Waldemar, st. Wladimir, Jaromar st. Jaromir und zahlreichen andern; mir aber bedeutet Friede, Versöhnung. Die erste Hälfte des Wortes piza ist dagegen nicht so sicher zu deuten. Am nächsten scheint das altpolnische und sorbische piecza: Sorge, dann Sorgfalt, Fürsorge zu liegen, wonach der Gott passend als Sorgenfried, oder Hüter,

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Beschützer des Friedens erscheinen würde. Sonst könnte etwa an poln. piecny, böhm. pecny: schön, lieblich, milde zu denken sein. Sein Heiligthum stand in der Stadt Asund 1 ), worunter die alte Burg Jasmund bei Sagard, dem heutigen Hauptort der Halbinsel mit einem Gesundbrunnen, zu verstehen ist. Im Jahre 1250 wurden dem Kloster Bergen nebst andern benachbarten Gütern auch die Kirchen zu Jasmund und Sagard als ältere Erwerbung durch eine Bulle des Papstes Innocenz bestätigt. Diese Jasmunder Kirche oder Kapelle hat ohne Zweifel dem kleinen später gegründeten deutschen Dorfe Capelle den Namen gegeben. Hier liegt nämlich noch heute ein hoher und 80 Schritt langer, aber anscheinend einfacher Wallrücken (im Gegensatze zu einer von Wällen umgebenen Burg, obwohl auch unser Wall jetzt "Borgwall" genannt wird), hart neben Sagard, welches durch seinen Namen (za gard d. i. hinter der Burg) selbst nur als Zubehör zu der Burg bezeichnet wird, und also mit dieser zusammen die alte Stadt Jasmund (Asund) bildete. Der Ort muß diesen Namen noch vor verhältnißmäßig nicht allzulanger Zeit geführt haben, da der Name der Meierei Klein=Jasmund im Kirchspiel Sagard nothwendig ein Groß=Jasmund voraussetzt. Die 1250 erwähnte Kapelle wird auf diesem Walle selbst, zu welchem noch heute ein früher von allen öffentlichen Abgaben befreites Haus gehört, gestanden haben, und nach der Zerstörung des heidnischen Tempels im Jahre 1168 an dessen Stelle erbaut sein. Sie war schon vor 1320 untergegangen, in welchem Jahre der Bischof von Roeskilde von dem gedachten Walle (fossato dicto Wal) nur noch 8 ßl. erhob 2 ). Daß dies die Stätte des Heiligthums des Pizamir sei, wird man um so weniger bezweifeln, als auch die übrigen dem Kloster Bergen als Dotation verliehenen Jasmunder Güter größten Theils unmittelbar neben Sagard liegen, und zu dessen Kirchsprengel gehören, namentlich Podprämizl (Promäusel), Blisekow (Blieschow) und Lancha (Lanken), die wir also als ehemaliges Tempelgut betrachten dürfen.

Aber auch der Ortsname Jasmund ist nicht ohne Bedeutung für unsere Untersuchung. Die Halbinsel heißt bei Saxo in der ersten Ausgabe Asmoda, wofür Stephanius


1) - hann var a Asund sva heitir ein stadir. Knytls. c. 122.
2) Vgl. Cod. Pom. dipl. No. 448, S. 902, und die in den Noten S. 905 gegebenen Nachweisungen.
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Jasmoda setzt. In der Form des Namens Asund der Knytlingssage wird das m hinter s nur versehentlich ausgefallen sein. Urkundlich wird sie zuerst 1232 Yasmunt, 1249 Yasmand, wie sie noch heute im gemeinem Leben heißt, und 1250 Yasmund genannt. In der Schlußsilbe wird daher der Vocal o der ursprüngliche sein, der bald in u, bald in a übergeht. Gerade die älteste Form mod weist aber darauf hin, daß das nasale n hinter o, wie in den slavischen Dialecten so häufig geschieht, erst später eingeschoben ist, weshalb ich das Wort zu poln. modle, sorb. modlic, böhm. modljm: beten, und dem davon abgeleiteten modia: Götzenbild, vielleicht auch Bethaus halte. Den ersten Theil des Namens leitet man, im Hinblick auf die glänzenden Kreidefelsen am Ostgestade der Insel, von jasny, böhm. gasny ab, d. i. leuchtend, glänzend, hell, heiter, böhm. gasam: heiter, froh sein. Jasa, Jasen ist aber auch der Name einer Gottheit, welcher aus eben dieser Wurzel abzuleiten ist, und Jasmod, Jasmond bedeutet daher wörtlich: Bild oder Tempel des Jase. Nach dieser Deutung wäre der Name des Heiligthums nicht etwa von dem der Insel, sondern umgekehrt, dieser von jenem entlehnt, wie Wittow unzweifelhaft seinen Namen von Zwantevit erhielt. Dies Verhältniß würde aber unserer Gottheit nicht nur an sich eine viel höhere Bedeutung verleihen, sondern auch die Identität derselben mit dem Jasa außer allem Zweifel setzen. Jasa, Jassen, auch Jessa und Jessen genannt, der glänzende, leuchtende Gott ist nun nach übereinstimmendem Zeugnisse der einheimischen polnischen und mährischen Schriftsteller kein anderer, als Belbog=Perun selbst 1 ). Für den Gebrauch dieses Namens bei den Westwenden hatten wir bisher kein Zeugniß, obwohl zahlreiche Ortsnamen darauf hinweifen, z. B. Jassenitz bei Stettin an der Odermündung, wo um 1291 ein Kloster Marienburg (claustrum montis S. Marie) gegründet ward; ferner Jassenitz bei Hagenow, Jessenitz bei Lübtheen und Jassewitz bei Grevismühlen in Meklenburg, sowie Jessenitz und Jessen bei Dessau, Wittenberg u. s. w.



1) Gagnini, Sarm. Europ. (1587) p. 89: Praeterea Jovem, quem illi (Poloni) Jessam nominant etc. - Dlugoss, Hist. Pol. I. 24: Appellabant autem Poloni Jovem Jessen. - Stredowsky, Sacra Movav. histor. und andere versichern, daß Jassen in Böhmen und Mähren als Sonnengott verehrt sei.
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4) Parkun in Meklenburg.

Der lettische Name des Donnergottes war Perkunas oder Parkunos, unter welchem er namentlich in dem Tempel zu Romowe in Preußen als der mittlere unter den drei Gottheiten des dortigen berühmten Heiligthums neben Pikollos und Potrimpos verehrt ward. Aber auch sonst war sein Kultus bei diesem eigenthümlichen Völkerstamme, der gleich den Rügen bei den Westwenden im ganzen Osten in dem Rufe einer besondern Vertrautheit mit den Göttern gestanden zu haben scheint, vielleicht am weitesten verbreitet. Ja, wenn nicht alles täuscht, war der Dienst desselben von Preußen aus unter dem einheimischen Namen selbst bis an die äußerste Grenze der wendischen Völker längs der Ostseeküste vorgedrungen, wo sich überhaupt mehrfache Spuren des preußischen Einflusses in religiöser Beziehung finden. Erinnerte doch selbst auf Rügen der Name unserer Gottheit Turupith an den lettischen Tarapiti. Ganz besonders aber weisen die Namen mehrerer meklenburgischer Ortschaften, bei welchen sich zugleich mehr oder weniger deutliche Spuren einer heidnischen Gottesverehrung finden, entschieden auf diese Gottheit hin 1 ).

Zu diesen Orten gehört namentlich die Stadt Parchim, die ehemalige Hauptburg eines gleichnamigen Gaues der Warnower an der Elde, dem alten Grenzflusse des obotritischen Reiches gegen die Wilzen, wo der schon in anderer Beziehung besprochene Sonnenberg schon früh auf die Vermuthung führte, daß hier einst ein Heiligthum der Sonnengottheit Parkunos oder Parkun gestanden und dem Orte den Namen gegeben habe. Die hoch gelegene und ausgedehnte Laubwaldung im Südwesten der Stadt kommt schon in dem ältensten Stadtbuche aus dem 14. Jahrhunderte unter dem Namen "Zunnenberg" vor; an welcher bestimmten Höhe innerhalb derselben dieser Name aber ursprünglich haften mochte, ist nicht bestimmt zu ermitteln. Dem Vitingsberge, die hervorragendste Spitze des ganzen Höhenzuges, an welchen mehrfach gedacht worden ist, habe ich oben S. 149 bereits einem andern Mythenkreise zugewiesen. Nächst ihm fällt die Höhe, auf welcher der heutige Gesundbrunnen liegt, hart am Ufer der Elde, die nach Osten eine freie, bedeutende Fernsicht darbietet, am meisten ins Auge. Die eisenhaltige, aus einem für unsere Gegend ungewöhnlich


1) Vgl. Jahrb. VI, 59 und XXXIII, 7.
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mächtigen Eisenerzstein hervorsprudelnde Quelle wird schon in der Stiftungsurkunde der Stadt von 1224-26 als Grenzmal der der Stadt verliehenen Weide am linken Ufer der Elde genannt 1 ). Am Fuße der Höhe ward vor einigen Jahren eine bronzene Schmuckdose mit einem offenen Armring von Gold und andern bronzenen Schmucksachen unter einem großen Felsblock sorgfältig versteckt gefunden, wogegen sich das kurz zuvor verbreitete Gerücht von einem im Sonnenberge gefundenen Götzenbilde nicht bestätigte 2 ).

Ganz entschieden aber spricht der Umstand, daß diese Höhe, sowie der ganze Sonnenberg in seinem jetzigen Umfange, nicht zu der alten Feldmark Parchim gehört, gegen die Vermuthung, daß hier die Tempelstätte des Parkun gestanden habe. Die alte Burg Parchim, sowie der dazugehörige Gau lag vielmehr am rechten Ufer der Elde, und ward durch diesen Fluß von dem Linonischen Gaue Brenz geschieden. Selbst bei der Gründung der Stadt ward derselben auf dem linken Ufer nur das eigentliche Flußthal bis zu den dasselbe umschließenden Höhen, also mit Ausschluß des jetzigen Sonnenberges, überwiesen, und erst bei der Gründung der auf einer Eldeinsel gelegenen Neustadt wird sie hier auch Ackerland (einen Theil der Feldmark Bök) erworben haben 3 ). Uebrigens hat die dortige Waldung nach der deutschen Colonisation ihre Grenzen bedeutend erweitert, da in dieser Gegend erst im 14. Jahrhunderte 5 wendische Dörfer, nämlich: Slepekow, Lübow, Klokow, Brokow und Primank untergingen, deren Feldmarken nunmehr ganz oder theilweise mit Wald bedeckt sind. Dagegen setzte sich der alte Urwald am rechten Flußufer fort, da in der Stiftungsurkunde der Stadt nicht nur der ganze Gau als wüst und unwegsam und des Teufels Diensten geweihet geschildert, sondern auch den Ueberresten der alten Bewohner ihr Eigenthum aus der Zeit des Heidenthums und des Waldbaues (a paganismo et cultura silvestri) bestätigt ward, was sich wenigstens vorzugsweise auf die zu der alten Burg gehörige Feldmark beziehen wird. Während daher später die Feldmarken der entfernteren von der Stadt erworbenen und niedergelegten Dörfer am linken Ufer der Elde allmählig bewaldeten, wird umgekehrt am rechten Ufer das Feld unmittelbar vor dem Thore der neuen Stadt sachgemäß ab=


1) Mekl. U.=B. Nr. 319: a tilia quadam (der heitige Lindenberg) usque ad fontem.
2) Jahrb. X. B, 280 und VIII. B. 151.
3) Vgl. Mekl. U.=B. Nr. 1598, Urk. v. 1282.d
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geholzt sein. Gleichwohl befindet sich hier noch heute unter dem allgemeinen Namen des Buchholzes eine bedeutende Waldfläche, welche in älterer Zeit höchst wahrscheinlich unter dem Namen des Sonnenberges mitbegriffen, oder vielmehr der eigentliche ursprüngliche Sonnenberg war, dessen Name auf den jenseits des Flusses liegenden Theil des Waldes erst nach dessen Einverleibung in die Stadtkämmerei überging.

Hier auf der Südseite der Stadt in deren nächster Umgebung, dem Brunnenberge gerade gegenüber, liegt nun eine noch bedeutendere, im Halbkreise von der Elde umflossene Höhe, welche auf breiter Grundlage zu einer frei liegenden, oben abgestumpften Spitze aufsteigt, gegen Süden aber steil in das Eldenthal abfällt. Diese Höhe, jetzt allgemein der Pathenberg genannt, hieß in älterer Zeit der Papenberg, obwohl hier in historischer Zeit keine Besitzungen der Kirche und Geistlichkeit bekannt sind 1 ). Wichtiger aber sind die Sagen, die ehemals an diesem Berge hafteten und mir aus meiner Jugend noch lebhaft in Erinnerung sind, zum Theil auch noch jetzt im Volke leben, wenngleich schwach und ohne Zusammenhang. Darnach wird die Höhe oft in Gestalt eines schwarzen Hundes vom Teufel umkreist, welcher zu gewissen Zeiten auf der Spitze derselben ein nächtliches Gericht hegt, an welchem namentlich auch die verstorbenen Rathsherren der Stadt, oder, wie andere sagen, nur die Ungerechten Theil nehmen. Andere wollen auch den reuterlosen Schimmel hier gesehen haben, wieder andere erzählen von einer schönen Frau, welche in dem nahen Walde in leichtem weißen Gewande mit aufgelöstem Haare durch lieblichen Gesang unschuldige Knaben zu verlocken suche. Am Fuße des Berges aber liegt stadtwärts ein vollkommen ebener, länglich viereckiger Platz, ungefähr 600 F. lang und 300 F. breit und ringsum durch Gräben befriedigt, welcher mit 14 Reihen etwa 150jähriger Eichen in Zwischenräumen von 20 Fuß regelmäßig bepflanzt ist, und zu welchem von dem alten Wege zum Slater Furt eine Eichenallee von gleichem Alter führt 2 ). Vor 50-60 Jahren hatte dieser Platz,


1) Den vollkommen deutlich geschriebenen Namen Papenberg habe ich z. B. vor etwa 30 Jahren aus einem Original=Kaufbriefe über ein hinter dem Berge gelegenes Ackerstück aus dem 17. Jahrhundert notirt.
2) Nach der Flurkarte von 1724 gehörte dieser Platz damals zu der sogenannten Freiheit, d. h. zur Gemeinweide, die ursprünglich alter Waldboden gewesen sein wird, auf welcher sich eine heidnische Stein= (  ...  )
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welcher jetzt als Turnplatz benutzt wird, noch den nun verschollenen Namen der Brautkammer und diente als Volksbelustigungsplatz, wo namentlich im Pfingstfeste Erfrischungs= und Würfelbuden aufgeschlagen wurden, zwischen welchen sich die Jugend mit Tanz und geselligen Spielen ergötzte. Hier wird daher in älterer Zeit am 3. Pfingsttage auch nach dem Vogel geschossen sein 1 ). - Auf der andern Seite des Berges endlich, nahe unterhalb der Mündung des Slater Baches, war eine schmale, anscheinend künstlich eingeschüttete Furt durch die Elde, sicher der älteste Uebergang über diesen Grenzfluß zur Vermittelung des Verkehrs zwischen der Burg Parchim mit denen von Brenz und Marnitz, welche drei Gaue bei dieser Furt zusammenstießen. Wenn daher irgendwo bei Parchim, so ist hier auf dieser Höhe das Heiligthum des Gottes zu suchen.

Noch bestimmtere Spuren eines Kultus des Parkun als Sonnengottes finden sich bei dem Dorfe Parkow, jetzt Parchow bei Bukow. Hier war schon in der ersten Zeit der Bekehrung der Wenden auf einer Erhöhung in tiefem Sumpfe, das rothe Moor genannt, wo auch heidnische Feuersteinwaffen gefunden worden sind, eine einsame Clause erbauet, an deren Stelle um 1210 ein Nonnenkloster unter dem Namen Sonnenfeld oder Sonnenkamp gegründet ward. Unmittelbar neben der alten Klosterstätte aber liegt eine zweite mit Buchen bestandene Anhöhe, auf welcher der Sage nach der Klostergarten gelegen haben soll, welche von jeher der Sonnenberg hieß. - Das Kloster stand indeß nicht lange an dieser Stelle, sondern ward schon 1219 nach dem Orte Kussin, nach welchem die ganze Herrschaft genannt ward, verlegt, jedoch unter Beibehaltung des alten Namens Sonnenkamp (campus solis), welcher später durch die im gemeinen Leben wohl von Anfang gebräuchliche Bezeichnung Neukloster verdrängt ward. Merkwürdiger Weise trägt nun auch hier wieder eine bedeutende Höhe hart neben dem Kloster den Namen Sonnenberg. Zwar ist es nicht unwahr=


(  ...  ) setzung mit dem gedachten mythischen Namen befinden mochte. Bald nach 1724 muß der Platz bepflanzt sein, da die Eichen vor 60 Jahren schon dieselbe Größe hatten, als heute, aber frischer und kräftiger waren. Forstverständige schätzen sie auf 150 Jahre.
1) Dies Vogelschießen war während des 30jährigen Krieges in Vergessenheit gerathen. Im Jahre 1623 ward die damals bekannte älteste Rolle von 1410 revidirt, und statt des angeblich heidnischen Vogels, hier wie überall im Lande, die Scheibe eingeführt, nach welcher nun zwischen den Stadtwällen, später aber eine Zeitlang auch unter dem Eichberge geschossen ward.
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scheinlich, daß derselbe nur von Parkow hierher mit übertragen worden sei, allein die ganze Lage des Ortes, namentlich die breite Höhe auf der Halbinsel Werder in dem bedeutenden Klostersee, ist durchaus zu einem heidnischen Heiligthum geeignet, das überdies bei dem Hauptorte der Herrschaft mit Sicherheit vorausgesetzt werden darf. Gleichwohl ist ein eigentlicher Burgwall, wie er zu den großen National=Heiligthümern des Czernebog, welche überdies stets Grenzburgen sind, nothwendig gehört, bisher nicht entdeckt worden, weshalb man annehmen muß, daß hier der Tempel einer andern Gottheit gestanden habe, und daß mithin der Name Sonnenberg der bezeichneten Höhe wirklich und ursprünglich gebühre. Diese Annahme scheint noch durch den Namen des an dem Kloster und dem Fuße des Sonnenberges vorüberfließenden, und gleich darauf in den See mündenden Bach Tepenitz unterstützt zu werden, da derselbe der Wurzel tepl: warm, heiß, angehören wird. Auch der Name Bukower Bach, den er etwas weiter hinauf führt, weist vielleicht auf bog: Gott, zurück, da ein Ortsname Bukow hier nicht existirt. Endlich ist auch der in der Nähe am Ufer dieses Baches gelegene Ort Pernik, Piernik beachtungswerth. Die älteste Form desselben ist Ponik mit einem kleinen v über dem o (ou), das später nie fehlende r fordert aber zu der Conjunktur heraus, daß dies v durch Irrthum des Schreibers aus der Abbreviatur für er entstanden, und also Peronek zu lesen sei, von Perun, der rein slavischen Form für Perkun 1 ).

Noch ein anderes Parkow liegt bei der Stadt Bützow und auch hier weist der Name einer benachbarten Höhe, der Freienstein, auf ein heidnisches Asyl hin. - Ferner wird zu diesen Parkunsorten in Meklenburg noch Parkentin bei Althof (Doberan) gehören, vielleicht auch Barkow, A. Plau, und a. m. - Auch außerhalb Meklenburgs finden sich dieselben und andere ähnlich gebildete Ortsnamen häufig, z. B. Parkow auf der Halbinsel Wittow, Parchim in der Altmark, Parkentin in Lauenburg u. s. w. Die Aufzählung solcher Namen, ohne genauere Erforschung der Oertlichkeit, die nur dem Inländer möglich ist, hat indeß keinen Nutzen.



1) Vgl. über die sorgfältige Untersuchung dieser Oertlichkeiten durch Lisch, Jahrb. III. B, 152 ff. und XXXIII, 3 ff.
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5) Prowe in Wagrien.

Bisher haben wir den Perun nur als Naturgottheit kennen gelernt. Seine ethische Bedeutung tritt vor allem in seiner Eigenschaft als Gott der Gerechtigkeit hervor, der die verborgene Sünde an das Licht brachte und den Verbrecher strafte, unter dessen Vorsitz deshalb auch das irdische Gericht gehegt ward. In dieser Eigenschaft ward der Gott nach Helmolds Bericht auch bei den Westslaven unter dem besondern Namen Prowe verehrt, dessen Form wiederum auf lettischen Einfluß hinzuweisen scheint, da die slavischen Dialecte den Vocal a statt o fordern würden. Sowohl bei den Polen und Sorben, als bei den Czechen heißt das Recht: prawo, und schon in Wacerads mater verborum wird jus humanum durch prawo übersetzt, im Gegensatze zu fas, lex divina: prauda 1 ). Helmold bezeichnet ihn als die Hauptgottheit des Gaues Oldenburg (Starigard) in Wagrien, dessen Heiligthum (fanum, sanctimonium totius terrae) sich etwa eine Tagereise von Oldenburg in einem Haine befand, dem einzigen in einer weiten Ebene, und 1156 durch den Bischof Gerold und dessen Gefolge, worin sich auch Helmold befand, eigenhändig zerstört ward. Der einfache Altar, ohne bildliche Darstellung des Gottes, stand unter uralten Eichen auf einem durch hölzerne, aber sorgfältig bearbeitete Palisaden befriedigten Raume, zu welchem zwei Pforten führten, der aber von niemandem als dem Priester und den Opfernden betreten werden durfte. Doch gewährte er auch dem Flüchtlinge in Todesgefahr ein sicheres Asyl. Die öffentlichen Gerichtstage, welche an jedem Montage, wie Helmold versichert, in diesem Heiligthume gehegt wurden, werden daher wohl in einem Vorhofe stattgefunden haben. In ihnen führte der Oberpriester des Gottes, welcher Mike genannt ward, und der Landesfürst den Vorsitz 2 ).

Nach dieser Schilderung kann man dies Heiligthum für nichts anderes halten, als für die der Gottheit geweihete Landes=Dingstätte. Solche heilige Dingstätten und Asyle werden auch der sogenannte Steintanz in dem Tarnower Forste bei Boitin 3 ), und die merkwürdige Steinsetzung bei Klopzow an der Müritz 4 ), sowie der schon erwähnte Freienstein bei Parkow in der Nähe von Bützow und der Frieden=


1) Hanka, 1. 1. p. 7 u. 12.
2) Helm. 1.1. I. c. 52, 69 und 83.
3) Jahrb. IV, B, 79 und VI, B, 68.
4) Archiv für Landeskunde XIV, 36.
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stein bei der Rostocker Fähre 1 ) gewesen sein. Auch unter den Abgöttern, welche Pribislav bei dem später so berühmt gewordenen Kloster Doberan zerstört haben soll, mag ein heiliger Eichenhain des Prowe zu verstehen sein, denn dob oder dub heißt Eiche, und der jetzt vor der Kapelle zu Althof (bei Parkentin) liegende Stein mit einer schalenförmigen Vertiefung, welcher in der Nähe gefunden ward, mag ein alter Opferstein sein 2 ). Auch außerhalb Meklenburgs, namentlich auf Rügen, finden sich solche Dingstätten und Opfersteine, welche größtentheils auf Perun=Prowe Bezug haben werden, in großer Zahl. Ortsnamen dagegen, welche auf eine Verehrung des Prowe hinweisen, sind mir nicht bekannt, denn das Provenau in Wagrien, dessen Bangert in seiner Ausgabe des Helmold zu c. 52 gedenkt, weiß ich nicht nachzuweisen.


Auffallend ist, daß sich in dem ganzen Gebiete der Westslaven, so viel mir bekannt geworden ist, kein Donnersberg findet, weder in deutscher noch in slavischer Sprache, da doch der in den Wolken thronende Donnerer hier so gut, wie bei andern Völkern vorzugsweise auf Bergspitzen verehrt sein wird. Wirklich scheinen auch verschiedene Höhen in Meklenburg, wie die Hoheburg bei Jabelitz und Schlemmin, der Wallberg bei Ilow, der hochgelegene Burgwall bei Zislow u. a., deren Beschaffenheit in unsern Jahrbüchern bereits beschrieben ist 3 ), als Peruns=Heiligthümer betrachtet werden zu müssen, obwohl in den Namen derselben keine Andeutung dieser Bestimmung liegt.

Auch von den Festen dieser Gottheit haben wir keine sichere Ueberlieferung. Gleichwohl dürfen wir voraussetzen, daß sein Hauptfest, außer dem ihm und den eigentlichen Frühlingsgottheiten gemeinschaftlichem Feste des wiederkehrenden Sommers, um die Sommersonnenwende (Mitsommer) gefeiert sein wird, weshalb sich unter den zahlreichen, zum Theil noch heute bekannten, unverkennbar heidnischen Ge=


1) Jahrb. VI. B, 77.
2) Jahrb. XXVIII, 43. Die Eiche, welche bei allen Völkern als der heilige Baum des Donnergottes galt, war auch bei den Slaven dem Perun geweihet. Wegen der heiligen Eiche bei Stettin vergl. oben S. 135. In der mater verbor, p. 20 heißt es: Silva Jovis quercum significat: dubrana.
3) Jahrb. VII. B, 176 ff. - IV. B, 79. - XVII. B, 3 ff.
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bräuchen und Aberglauben in Bezug auf das während des ganzen Mittelalters hochgehaltene Johannisfest auch manche slavische Elemente finden werden. Allem Anscheine nach ward dasselbe in der Neumondsnacht vor der Sonnenwende gefeiert. Als der Bischof Otto auf seiner ersten Missionsreise nach Pommern im Anfange Jun. d. J. 1124 Abends vor der Burg Pyritz anlangte, fand er das Volk aus der ganzen Umgegend in festlicher Aufregung, welche bei fröhlichem Gesang und Tanz die ganze Nacht hindurch fortdauerte, weshalb die Missionäre nicht wagten, sich der Burg zu nähern, sondern die Nacht hindurch heimlich in einem benachbarten Gehölze lagerten. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß dies Fest kein anderes, als das der Sonnenwende war, das aber nach der Zeitrechnung des Biographen Otto's gleichwohl nicht an diesem Tage selbst, sondern in der vorhergehenden Neumondsnacht gefeiert ward 1 ).


Die Besprechung einer dritten Gruppe jüngerer und geringerer Gottheiten, welche dem nordgermanischen Niordr und seiner Sippe entspricht, muß ich mir für eine andere Zeit und vielleicht auch einen andern Ort vorbehalten, da mir hier der Raum dazu fehlt, die Untersuchung auch Meklenburg speziell kaum berührt, also, strenge genommen, nicht hieher gehört. In diesen Kreis fallen namentlich der Porevit zu Carenz, Gerovit zu Wolgast, der Jutrobog in der Lausitz und die ungenannte Gottheit auf Julin. Eben so muß ich aus Mangel an Raum auf die Besprechung


1) Ueber das Fest sagt Herbord II, 14: Erat enim festus dies paganorum, quem lusu, luxu cantuque gens vesana celebrans vociferatione alta nos reddidit attonitos. Die Missionäre wagten daher nicht in illa nocte in turbam potu laeticiaque ferventem nos tam insolitos hospites advenire. Ueber die Zeit giebt Ebbo II, 5 an, daß sie nach 14tägigem Aufenthalte in Pyritz nach Camin aufgebrochen und dort am Johannisfeste (in nativitate S. Johannis baptistae), also am 24. Jun. a. St., angelangt seien, wogegen Herbord II, 17 den Aufenthalt zu Pyritz auf ungefähr 20 Tage (quasi 20 diebus) schätzt. Im Jahre 1124 fiel aber der Vollmond des Monats Mai, nach der gefälligen Berechnung des Herrn Schulraths Dr. Hartwig in Schwerin, auf den 29. Abends 11 U. 17. M. und der Neumond auf den 13. Juni a. St., oder den 20. u. St., also auf den Tag vor der Sonnenwende. Die Ankunft vor Pyritz wird also auf den 12. Juni fallen, wenn gleich dies nicht genau zu der angeblichen Ankunft in Camin am 24. Juni stimmt, wenn man daneben den 14tägigen Aufenthalt in Pyritz festhält.
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der weiblichen Gottheiten verzichten, und bemerke hier nur, daß die Siva die einzige ist, welche (durch Helmold) unter ihrem slavischen Namen als weibliche Gottheit in dem Gebiete der Westwenden bezeugt wird. In ihr, der Göttin des Lebens, ist die Gemahlin Peruns, also die germanische Sif, um so weniger zu verkennen, als Perun selbst bei den Südslaven, anscheinend unter dem Namen Siwa, verehrt ward. - Dazu kommt dann vielleicht noch die Fortuna des Wilh. von Malmsburg, die nach ihrem Embleme, dem die Fruchtbarkeit des kommenden Jahres verkündenden Trinkhorne, als ein weiblicher Swantevit, also als die Todesgöttin Morzana oder Dewa erscheint, wenn der Ausdruck Fortuna nicht etwa als die Schicksalsgottheit überhaupt, ohne Bezug auf das Geschlecht, zu nehmen ist, also als Swantevit selbst. Auch in den Sagen dieser Länder, namentlich in Meklenburg, erscheinen nur zwei Göttinnen, Fru Woden und Harke, beide unter deutschen Namen, von welchen aber wenigstens der letztere an so bestimmte Oertlichkeiten, Bergen, Seen und künstlichen Burgwällen, haftet, daß ihre Verehrung auch unter den Wenden, natürlich unter slavischem Namen, gesichert ist. Ihre Sagen laufen aber so häufig zusammen, daß es schwer ist zu sagen, ob sie ursprünglich identisch oder nur später vermischt sind. Ich neige mich zu der letztern Ansicht, und glaube in der Frau Harke die Siwa zu erkennen, die milde Erdenmutter des Tacitus.

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Nachtrag

zu der voraufgehenden Abhandlung über die Grenzen der Redarier 1 ).


Bei Gelegenheit der Besprechung des Burgwalles Radegast bei Penzlin S. 66 ward die Vermutung ausgesprochen, daß der in einer Urkunde von 1309 vorkommende Grapenwerder der heutige Hof Werder sei. Diese Vermuthung schlug fehl. Unter dem Grapenwerder versteht man noch heute eine auf allen Seiten von Sumpf umgebene hochgelegene Fläche nördlich von der Stadt, welche mit der äußersten Spitze den Lapitzer See berührt. Auf diesem Werder, am Ufer eines kleinen Bergsees, liegt der S. 60 und schon früher in den "wendischen Schwerinen" gedachte große, runde Burgwall, welcher auf älteren Karten "die alte Burg" oder alter Wall genannt wird. - Die "Radegast=Burg" oder "Berg" selbst liegt nicht südlich, sondern nördlich von dem Hofe Werder 2 ). Nach Rabe's Vaterlandskunde I, 398, soll erst der Vater des 1856 verstorbenen Freiherrn Ferdinand v. Maltzan, Joseph Christian Heinrich, diesem mit Holz gekrönten Walle den Namen Radegastberg gegeben haben, indem er vor der Halbinsel einen Park anlegen, den Wallberg durch Ziehung eines Canals ganz abschließen ließ, und auf diesem seinen Lieblingsplatze dem Radegast eine Bildsäule setzte. Der Freiherr Joseph succe=


1) Die Anregung zu den nachstehenden Verbesserungen und Ergänzungen verdanke ich wiederum dem Herrn Staatsminister Freiherrn von Hammerstein.
2) Gelegentlich bemerke ich, daß auch S. 60 Z. 1 v. o. Nordspitze st. Südspitze, und S. 63 Z. 2 v. u. Prilwitz st. Hohen=Zieritz zu lesen ist.
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dirte auf Burg Penzlin mit den Gütern Wustrow, Alt=Rehse, Werder u. s. w. im Jahre 1745 unter der Vormundschaft der Mutter, ward 1760 volljährig und starb 1806. Bis in seine Zeit wird denn allerdings die Erinnerung der durch den jetzt lebenden Freiherrn abgehörten Zeugen, selbst der 93jährigen Frau, nicht zurückgereicht haben, und ihre Aussage widerlegt also die gedachte Angabe über den Ursprung des fraglichen Namens nicht. Gleichwohl scheint es mir sehr viel glaubwürdiger, daß der Freiherr Joseph eben durch diesen Namen des Wallberges, dessen hohes Alter nicht blos durch die Directorialkarte, sondern vor allem durch seine Beschaffenheit selbst vollkommen verbürgt ist, zu der Errichtung der Bildsäule des Radegast veranlaßt worden sei, als daß er denselben zur Verherrlichung seiner eigenen in diesem Falle bis zur Narrheit wunderlichen Schöpfung erfunden haben sollte, wozu namentlich in der damals nach der Bekanntmachung der Sponholtzschen Götzenbilder im Jahre 1768 herrschenden Ansicht über die Lage der Tempelburg Rethra zu Prilwitz nicht die geringste Veranlassung liegt. - Die Ansicht des Verfassers der "Vaterlandskunde", daß der als ein "schwer passirbarer Hohlweg" beschriebene Paß auf der Straße nach Hohen=Zieritz die alte eiserne Pforte sei, ist ein Irrthum, der auf der Verwechselung dieser Pforte selbst mit dem darnach benannten Walde beruht, ein Irrthum, welcher jetzt in dieser Gegend allgemein herrscht. Von diesem Hohlwege ab ist die alte Landwehr noch jetzt auf beiden Seiten, nach dem Tollenser See und dem kleinen und großen Stadtsee hinab, in mehreren parallel laufenden Gräben und Wällen zu verfolgen.

Gelegentlich ist hier noch an die höchst charakteristischen Volkssagen in der Gegend von Penzlin zu erinnern. Darnach ist der Glaube an die wilde Jagd und das Erscheinen sonstiger Teufelsrosse hier noch heute allgemein verbreitet, namentlich an der jetzt sogenannten eisernen Pforte auf dem Wege nach Hohen=Zieritz und in der Schwanheide (am Wodensee und den Teufelsbrüchen), und eine Sage vom Grapenwerder berichtet sogar über den heidnischen Cultus in der Nachbarschaft dieser Gegend, wobei aber die Namen Rethra und Radegast natürlich moderne Zusätze sind 1 ).

Vignette

1) Niederhöfer a. a. O. II, 196 u. 241. - III, 10 u. 205.