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in den
vom
W. Freiherrn von Hammerstein,
großherzogl. Meklenb. Strelitzschem Staatsminister.
W er in die Tiefen grauen Alterthums zurücksehen will, muß sich nicht scheuen, die Gegenstände des alltäglichen Lebens mit besonders aufmerksamen Augen zu betrachten; sie werfen oft einen erhellenden Spiegel in die Tiefe hinab, den man in der von jenen fernen Zeiten so weit abliegenden Gegenwart kaum vermuthen sollte.
Schon Jacob Grimm hat darauf hingewiesen, daß es sich verlohne, Form und Benennungen der üblichen Festbrote einer Gegend zu beachten; sie würden gar oft eine Beziehung zur Mythologie des vor Einführung des Christenthums daselbst gesessenen Volksstammes ergeben.
Diesem Rathe folgend, habe ich die in Meklenburg üblichen Formen und Benennungen des Weißbrotes, welches ursprünglich hier sicher Festbrot war, erforscht. Ich bin dabei auf ein interessantes Ueberbleibsel aus Wendischer Zeit gestoßen. Es ist dies das kleine ovale, oben und unten etwas abgestumpfte und damit die Gestalt einer Puppe oder eines Menschen im Talar annehmende Weißbrot, welches in vielen Meklenburgischen Städten - bekannt ist es mir unter Andern in den Städten Neustrelitz, Malchin und Sternberg - unter der Benennung: Mike, in Gebrauch ist. Es ist dieses Brötchen anscheinend nur eine durch nun fast tausend
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Jahre christlichen Wesens hindurch gegangene Fortsetzung eines Wendischen Opfergebrauchs.
Helmold, im 12. Jahrhundert lebend, erzählt nämlich in seiner so viel Licht über das Wendenthum in Meklenburg und Holstein gewährenden Chronica Slavorum: bei den Polaben, den in Holstein, Lauenburg und dem Striche Meklenburgs zwischen Schwerin und der Elbe wohnenden Wendenstamme, sei der Gott Prove - der im linkselbischen Wendlande Perun genannte Donnergott - verehrt, und sein Priester habe die Benennung Mike geführt. Die Wenden brachten ihren Götzen, natürlich speciell zum Gebrauch und zum Unterhalt der bei den Götzen den Dienst verrichtenden Priester, Lebensmittel und vorzugsweise Brote dar. Es ist darüber nach Ausweis verschiedener sicherer Quellen gar kein Zweifel, und es ist sogar sicher, daß der noch jetzt allgemeine Name: Semmel, für das kleine Weißbrot sich aus diesen Opfern herschreibt. Semmelopfer brachten insbesondere die in Pommern wohnenden Wenden; eine Urkunde des Herzogs Mestwin von Pommern von 1294 befreiet gewisse Orte: ab omni jure slavico seu Pomeranico, scilicet - a Simila. Es kann nicht fehlen, daß in Pommern wie in Meklenburg die Lieferung von Semmeln an die Priester bei Einführung des Christenthums vielfach beibehalten wurde; die christliche Geistlichkeit ließ sich deren Uebertragung auf sie nur allzu gerne gefallen, und sah in Rücksicht auf die Annehmlichkeit der Sache auch gerne darüber hinweg, daß die Fortdauer des Wendischen Namens, mochte es nun eine Simila (Semmel) oder eine Mike sein, einen etwas starken Beigeschmack vom Heidenthum gab. So finden wir denn unter Andern in Meklenburg in Vietlübbe, Amts Plau, noch 1591 unter den Accidenzien des Pfarrers: vor Auffbieten eine Flasche Bier und einen Stutten (Semmel oder Waizenbrot), vgl. Jahrbücher V., B., S. 144; und wenn wir nicht bezweifeln können, daß der Name des Orts Vietlübbe auf ein Fanum des Wendischen Gottes Swantewit oder Gerowit schließen läßt, zumal auch die Endung -lübbe oder -lubbe eine Götterverehrung bekanntlich anzeigt, so möchte gerade in diesem Falle der Aufbietungs=Stuten oder =Semmel von dem hier betriebenen Wendischen Götzendienst sich herschreiben.
Auf diesem Wege wird sich das ursprünglich nur den Priestern gewordene Brot in Meklenburg so verallgemeinert haben, daß es unter dem Namen Mike fast in jeder Stadt zu Hause sein wird. Ja, selbst die Hof= und Reise=Ordnung
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der Herzoge Adolph Friedrich und Hans Albrecht vom 10. Juni 1609 constatirt den derzeitigen Gebrauch dieses Gebäcks durch die Anordnung, daß das Hofgesinde zur Mittagsmahlzeit unter Andern "drei Mieke Brodt" und Abends wieder "drei Mieke Brodts" empfangen soll. Für die Mythologie der Wenden in Meklenburg hat aber das Vorkommen der Miken in Sternberg, Malchin und Strelitz noch die interessante Bedeutung, daß der Wendische Gott Prove, dessen Verehrung zwar bei den Polaben - also westlich von Schwerin - gewiß war, nun auch mit ziemlicher Sicherheit als bei den Warnern, den Redariern und Tolensern verehrt anzunehmen ist.
Vielleicht führen auch die Benennungen noch anderer ursprünglicher Festbrote auf weitere Spuren für die Wendische Mythologie. So ist es schon jetzt von Interesse, daß in dem Lüneburgischen Wendlande es einen Semmel gab und noch giebt, den die Wendischen Einwohner Pageleitz oder Pogeleetz nennen; der Name führt sich hier wohl, da im Serbischen das g des Lüneburgischen Wendlandes stets kh ist, auf das Serbische Pokhlebetwo, Brotdienst, Schmeichelbrot, zurück und findet die Wurzel in Khleb, Brod, Khlebica: Laib Brot. Auch ist zu beachten, daß noch heute die Lausitzischen Wenden bozi Khleb, Gottesbrot, sagen, welchen das pogeleetz der Lüneburgischen Wenden sehr wohl entsprechen kann.
In den Strelitzischen Städten giebt es ein Brot in Form eines platten Fladens, welches man Pamel oder Pomel 1 ) nennt; der Ursprung ist noch nicht klar; Mjeln ist Mehl, Melk, grobes Mehl, Wumelk, ausgemahlenes Mehl, Pomjelu, Nachmehl, letztgewonnenes Mehl; hierin möchte die Quelle zu finden sein; es ist aber auffallend, daß ein schon im Mittelalter wüst gewordenes Dorf bei Wesenberg Pomel hieß und daß auf diesem Platze ein jetzt in der großherzoglichen Sammlung zu Strelitz befindliches schönes bronzenes Opfergefäß gefunden ist, welches auf ein an dieser Stelle vorhanden gewesenes Fanum hinweiset. - Mögen Andere weiter