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:
Ueber
von
W. Freiherrn von Hammerstein,
großherzogl. Meklenb. Strelitzscher Staatsminister.
K aum ist über eine Volksbenennung mehr phantasirt als über die der Obotriten. Shafarik leitet den Namen von dem Celtischen ambro her. Neuerlich hat Quandt (in den Baltischen Studien, Jahrgang 22, S. 283) sie auf obdre: Abgerissene, zurückführen wollen. Für die richtige Ableitung scheint Jacob Grimm, wenngleich er selbst dieselbe nicht gefunden hat, den Grund in seiner Etymologie für Avaren und Hunnen gelegt zu haben. Er sagt in seiner Deutschen Mythologie S. 493 Folgendes:
Das slovakische ober, böhmische obr, altpolnische obrzym, polnische olbrzym ist den Südslaven fremd und scheint nichts als Avarus, Abarus. Nestor nennt die Avaren: Obri (ed. Schlözer 2, 112, 117). Der graecus Avar in der Sage von Zisa ist wieder ein Riese. Da nun die Avari im Mittelalter = Chuni find, so entspringt die Benennung hûn genau wie obor aus dem Volksnamen Hun imd Avar.
Nun vergleiche man. In Kaiser Karls in Theodonis villa (dem so eben in anderer Weise capitulirt habenden Thionville oder Diedenhofen) im J. 805/6 erlassenen Capitulare heißt es: "de negotiatoribus, qui partibus Sclavorum "et Avarorum pergunt, quousque procedere cum suis negotiis debeant, id est partibus Saxoniae etc. Im
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weitern Verlauf werden Bardaenowic, Schezla und Magadoburg als die Orte genannt, bis wohin die negotiatores partibus Saxoniae vorgehen dürfen. Hiernach, insbesondere da es sich um Nachbarschaft der Sachsen, also keinenfalls um die erst viel später erscheinenden Avaren aus Ungarn handelt, unterliegt es keinem Zweifel, daß mit den Sclavis et Avaris die am rechten Ufer der Elbe wohnenden Wenden und Obotriten gemeint sind, und daß mit den Avaris dieselbe Völkerschaft bezeichnet wird, welche während der Carolingerzeit sonst in der Regel Abodriti, Abotriti, Abotridae, bei Aelfred aber Afdrede, in den Annal. Sangallens. Abatareni, bei Widukind Abdriti und in den Annal. Fuld., so wie bei Adam und Helmold Obodriti oder Obotriti genannt wird.
Aus der von Jacob Grimm gefundenen gleichen
Bedeutung von Hun und Avar und der darnach
zweifellosen Identität von Hunnen und Avaren
erklärt es sich aber auch, wie dieselben Leute,
welche Avaren, Afdrede, Abodriten den Sachsen
und Franken hießen, auch von den Sachsen
regelmäßig mit dem Namen Hunnen bezeichnet
wurden; darum in den Gegenden des linken
Elbufers, wo Sachsen und Wenden (Obotriten) sich
mischten, die häufigen Benennungen von
Feldorten: Hunnenwinkel, Hunnenfeld
., darum die bekannte Absage
Herzogs Bernhard Billung gegenüber dem um seine
Tochter werbenden obotritischen Häuptling: er
gebe seine Tochter keinem Hunde, wobei die
Lautähnlichkeit der Sächsischen Worte Hüne
(Riese) und Hund mitspielt; darum auch in
Angelsächsischen und Dänischen Quellen, selbst
bei Saxo Grammaticus, öfter die Bezeichnung der
Wenden als Huni.
Die Abstammung des Wortes Abotriten und Obotriten von Avar und Obr mit der Bedeutung: Riese, möchte danach einem Zweifel kaum noch weiter unterliegen; ob aber in den Avaren (Hunnen), welche lange nach der Zeit Karls des Großen von Ungarn her Deutschland bedrohten, und in den Obotriten Meklenburgs, die andern Völker ebenfalls Hunnen hießen, auch noch eine nähere Volksverwandtschaft bestand, was an sich bei dem Ursprung der Namen nicht gegeben erscheint, das muß unsern bedeutenderen Forschern in Slavischen Dingen zu ermitteln überlassen bleiben.