zurück zur Metadatenansicht auf dem Dokumentenserver
zurück
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 203 zur nächsten Seite zur letzen Seite
Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

Höhlenwohnung von Pölitz aus der Steinzeit.
(auf dem "Sippenberg").

Die von mir sogenannten "Höhlenwohnungen" welche in den Jahrbüchern schon oft behandelt sind, sind ehemalige, auf dem festen Lande angelegte, kreisrunde Gruben von ungefähr 4 Fuß Tiefe unter der Erdoberfläche, die zur Zeit der Bewohnung mit einem kegelförmigen Strohdache überdeckt gewesen sein werden, welches auf dem Rande der Grube stand. Diese "Höhlen=" oder "Grubenwohnungen" dienten den Menschen der ältesten Vorzeit zum Schutze gegen schlechtes Wetter und zur Verrichtung der schwereren Arbeiten für die Feld= und Hauswirthschaft, während die Pfahlbauten in den nördlichen Ländern wohl nur als Zufluchtsörter und Burgen zum persönlichen Schutze dienten. Beide Arten von Ansiedelungen werden in Gegenden, wo Wasser war, wohl immer neben einander gelegen haben und von der einen Art wird sich wohl ziemlich sicher auf das Vorhandensein der andern schließen lassen. Die Wasser der Pfahlbauten sind jetzt aber meistentheils schon Torfmoore und Wiesen, und die letztern zu Weiden, sogar schon zu Ackerland geworden.

Die "Höhlenwohnungen" sind aber sehr schwer zu entdecken. Es ist unmöglich, auf den weiten Ackerflächen Norddeutschlands darnach zu graben. Sie können nur durch Zufall entdeckt werden und werden nur durch die wissenschaftliche Theilnahme der Grundbesitzer erkannt, namentlich bei dem seit einiger Zeit entdeckten und angewandten Drainiren feuchter Aecker, da die Drainsgräben lange Strecken Landes durchschneiden und grade reichlich so tief gezogen werden, als die Fußöden der Höhlenwohnungen zu liegen pflegen, nämlich 4 bis 5 Fuß tief.

Der Herr Gutsbesitzer Pogge auf Pölitz bei Lalendorf hat nun auf seinem Gute Pölitz im Monat Mai 1868 beim Drainiren wieder eine solche Höhlenwohnung entdeckt, welche hier beschrieben und beurtheilt werden wird, und zwar nach den vom Herrn Pogge gütigst mitgetheilten

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 204 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Beschreibungen und Beobachtungen und den von ihm an den Verein eingesandten Fundstücken.

Auf dem Felde des Gutes Pölitz, in der Richtung nach Strisenow, links von dem Wege nach Strisenow, liegt ein ungefähr 30 Fuß hoher, strenge lehmiger Berg, der "Sippenberg", dessen Spitze eine runde Kuppe bildet. Am Fuße des Berges liegen mehrere Wiesen, welche jetzt Acker geworden sind, namentlich im Süden die "Sippenwiese", eine längliche Wiese, ungefähr 60 Quadratruthen groß. Da der Sippenberg wegen nicht durchlassenden Untergrundes sehr naß ist, so ließ Herr Pogge an einer der nassesten Stellen im Lehm am östlichen Abhange von Norden nach Süden, von der Spitze bis zur Sippenwiese 4 Fuß tief einen Drain legen. Beinahe auf der Kuppe auf der Ostseite derselben, ging der Drainsgraben ungefähr 1/2 Fuß tief unter der Erdoberfläche; hier durchgruben die Arbeiter beim zweiten Spatenstich eine schwarze Masse, welche anscheinend von verbranntem und verkohltem Holz herrührte; diese Schicht war 12 Fuß lang (oder im Durchmesser) und ungefähr 1 bis 1 1/2 Fuß dick. Diese Kohlenschicht wird das verbrannte und eingestürzte Strohdach der ehemaligen Höhlenwohnung sein.

Einige Fuß weiter stießen die Arbeiter in gleicher Tiefe von 1/2 Fuß auf einen großen Stein, welchen die Pflugspitze beim Beackern berührt haben muß. Nachdem der längliche Stein frei gelegt war, zeigte es sich, daß er künstlich von Menschenhänden gelegt, 3 bis 4 Kubikfuß groß und unten abgeflacht und oben abgerundet war. Dieser große Stein lag auf den 4 Ecken des Randes auf 4 kleinern Steinen ("größern Kopfsteinen") oder Pfeilern und die Seitenwände zwischen diesen 4 Trägern waren mit kleinern Steinen ausgefüllt. Es fanden sich auch röthliche gebrannte, starke Lehmstücke mit Stroheindrücken ("Klehmstaken"), welche an den Seiten dieser Steinsetzung gelegen zu haben scheinen und wahrscheinlich von einer äußern Lehmbekleidung derselben herrühren.

Nachdem der große Stein durch zwei Arbeiter aus dem Wege gewälzt war, zeigte es sich, daß der Raum unter demselben mit Lehm, welcher wohl im Laufe der Zeiten hineingeschlämmt ist, und mit Topfscherben gefüllt war. Der Arbeiter am Drainsgraben, in der irrigen Meinung, Ziegelschutt vor sich zu haben, hackte nun die ganze Stelle mit einer großen Hacke durch, wodurch alles durch einander gewühlt und vieles zerbrochen ward. Als nun Herr Pogge darüber hinzukam und in wissenschaftlicher Einsicht, zuerst

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 205 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

den Fund für ein Grab haltend, sogleich die Fundstücke erkannte, ließ er die Stelle rund umher tief frei graben und fand nun eine runde Vertiefung von ungefähr 4 Fuß Durchmesser, welche mit den unten aufgeführten Alterthümern und mit Lehm gefüllt war.

Von Bedeutung ist die Bemerkung des Herrn Pogge, daß diese Stelle früher tiefer in der Erde gelegen hat, da die Kuppe im Laufe der Zeiten schon bedeutend herunter geackert ist. Sie wird ursprünglich also mit dem Fußboden der Grube wohl ungefähr 4 Fuß tief unter der alten Erdoberfläche gelegen haben.

Die Alterthümer, welche Herr Pogge dem Verein übersandt hat, sind folgende.

1) Sehr viele Topfscherben von vielen dickwandigen Wirthschafts= d. h. Koch= und Aufbewahrungs=Töpfen, in den Wandungen bis voll 1 Zoll dick, stark mit zerstampftem Granit durchknetet, auf den Außenflächen gelblich und roth gefärbt, also dem Feuer ausgesetzt gewesen. Von 4 Töpfen sind Randstücke vorhanden. Zwei Randstücke haben Henkel. Alle sind einfach von Formen und ohne Verzierungen. Nach allen Zeichen waren die Gefäße keine Begräbnißurnen, da diese stets feiner und sauberer und oft verziert sind. Nach dem ganzen Charakter gehören diese Gefäße aber der Steinzeit an.

2) Viele zusammen= und krummgedrückte Topfscherben. Dies ist eine Erscheinung, welche sonst noch nie und nirgends beobachtet ist. Mehrere lange, starke Wandstücke von Töpfen sind nämlich durch äußern Druck nach innen dicht zusammen geklappt oder gedrückt, und nicht zerbrochen. Dies geht sicher daraus hervor, daß die Außenflächen an den Biegungsstellen vielfach zerborsten, die Innenflächen zusammengeschrumpft sind. Die Töpfe müssen also bei der Zerstörung der Grubenwohnung entweder noch nicht gedörrt oder sehr wasserhaltig und weich gewesen sein (Wassertöpfe).

3) Zwei und wahrscheinlich einige kleinere Bruchstücke von Geräthen von seltener Form, wie sie sonst noch nie beobachtet sind. Die Geräthe sind quer durchbrochen und etwa zur Hälfte vorhanden Sie sind nicht rund, sondern länglich und sehr dick (1 Zoll), namentlich am abgerundeten Ende, und gleichen ganz dem Hackenende eines weiblichen Schuhes. Es wäre nicht unmöglich, daß es Thonschuhe, ähnlich den Holzschuhen, gewesen sind, wenn auch nicht zum Gehen, doch beim Sitzen und Stehen. Ein anderer Zweck läßt sich kaum errathen.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 206 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

4) Mehrere Thierknochen.

5) Einige Feuersteinsplitter oder Messer, von denen eines sicher durch Menschenhand geschlagen ist.

6) Ein Reibstein aus sehr feinkörnigem, jungem Sandstein, von cylindischer Form, auf der Außenfläche regelmäßig abgerieben, 2 Zoll lang, 2 1/4 Zoll dick. Ein gewöhnlicher Mahlstein oder Kornquetscher, wie dergleichen häufig vorkommen, ist es nicht, da solche Steine immer eine kugelige Form haben und härter sind.

Von ganz besonderer Bedeutug sind aber zwei Erscheinungen, welche ebenfalls noch nicht beobachtet zu sein scheinen. Diese beiden Stücke haben sicher zwischen den Topfscherben in der großen Masse der Bruchstücke gelegen.

7) Das erste Stück ist ein runder Kuchen von sehr fettem Thon. Dies ist ein von Menschenhand sorgfältig geformter, am Seitenrande regelmäßig abgerundeter und auf den beiden Hauptflächen platt und grade gedrückter Kuchen, welcher genau die Form und das Ansehen eines kleinen holländischen Käses hat, gegen 4 Zoll dick und über 8 Zoll im Durchmesser. Leider ist nur ungefähr ein Viertheil des Ganzen vorhanden, 2 1/3 Pfund schwer, da der Kuchen mit dem Spaten durchstochen und der Rest zerbrochen und verworfen ist. Der Durchschnitt zeigt eine schwärzliche, glänzende, zähe Masse, welche sich speckig anfühlen und noch etwas schmieren läßt. Ich war daher stark versucht, das Stück wirklich für einen getrockneten, fetten Käse zu halten, welcher in Lehm gehüllt sich erhalten haben konnte, um so mehr, da das specifische Gewicht ungefähr dem eines festen Käses gleich ist. Ich sandte jedoch im gerechten Mißtrauen das Stück an unsern berühmten Freund Herrn Professor Dr. F. Keller zu Zürich, mit der Bitte, es mit andern gelehrten und erfahrenen Forschern zu untersuchen und zu bestimmen, da ich in Zürich gewiegte und sichere Auctoritäten erwarten durfte. Keller schreibt mir nun: "Ihrem Wunsche gemäß habe ich die mir überschickten Dinge Herrn Professor Heer, Herrn Wieser, unserm ausgezeichneten Mineralogen, und verschiedenen andern Naturforschern vorgewiesen und melde Ihnen, daß nach einstimmigem Urtheil aller dieser Herren das größere Stück (der Kuchen) eine erdige Substanz, nämlich fetter Thon ist, wie sich aus der chemischen Untersuchung im ersten Augenblick ergab." - Wenn ich mich nun auch bei diesem Anspruche völlig beruhigen kann, so hat der Fund doch seine große Merkwürdigkeit, da es

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 207 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

sich nun weiter fragt, wozu dieses sorgfältig geknetete und geformte Stück fetten Thons gedient haben mag. Wahrscheinlich war es Vorrath zur Ausbesserung der Töpfe. Bekanntlich sind alle Töpfe aus der Heidenzeit inwendig immer mit einer dünnen Schicht glatten und fetten Thons überzogen, wenn sie auch auf der Außenseite rauh und roh sind, ohne Zweifel um sie möglichst wasserdicht zu machen; auch giebt es Beispiele, daß schadhafte Töpfe mit andern Topf scherben vermittelst fettem Thons geflickt sind. Daher wird der zu Pölitz gefundene Thonkuchen ein Vorrath zur Bekleidung der innern Topfwände und zur Ausbesserung der Töpfe sein und ist gewiß deshalb sorgfältig aufbewahrt worden, weil sich Thon dieser Art nicht häufig findet.

8) Das zweite Stück ist ein flacher Kuchen von Schlacke, viereckig, länglich, 6 Zoll lang und breit, 1 1/2 Zoll dick, ähnlich einem Dachziegel. Es ist schwarz und brüchig gebrannt und sehr poröse, hin und wieder mit kleinen Lehmstücken beklebt. Es ist sehr leicht und schwimmt auf dem Wasser! Diesen "Fladen" hielt ich für verkohltes Brot. Ich schickte deshalb eine Probe ebenfalls nach Zürich. Keller schrieb mir nun: "Die andere Substanz, die Sie für Brot hielten, ist ganz positiv Schlacke." Hiebei kann ich mich aber weniger beruhigen, da der Begriff von Schlacke weit ist. Würde es Metallschlacke sein, so mußte es nach meiner Meinung im Wasser untersinken. Nun schwimmen aber abgeschlagene Stücke sicher im Wasser. Daher muß ich mich noch immer zu der Ansicht des Herrn Pogge neigen, daß diese Stücke "Inhalt der Töpfe" oder verkohlte Speisereste sind.

Von Stücken dieser Art, Fettlehmklumpen und Strohlehmstücke, sind beim Aufgraben mehrere verworfen.

Es ist nun die Frage, was diese ganze Stelle zu bedeuten hat 1 ). Ein Grab ist sie sicher nicht. Auch der Feuerherd der Grubenwohnung wird es nicht sein, da die Feuerherde immer frei auf dem Boden der Wohnungen liegen. An eine Art von Brennofen kann man auch wohl nicht gut denken. Ich glaube, daß die Stelle eine Art von Vorrathskammer neben der Höhlenwohnung gewesen und zur Sicherung mit einein großen Steine überdeckt und an


1) Der Herr Sanitätsrath Dr. Friederich in Wernigerode hat an zwei Stellen bei Altenrode in der Nähe von Wernigerode auch eine große Menge (über hundert) solcher vertiefter "Landwohnungen" entdeckt und in einer derselben auch einen ähnlichen Steinbau, wie der hier beschriebene, ist jedoch über die Bestimmung ebenfalls noch in Zweifel Vgl. Zeitschrift des Harzvereins I, Heft 1, 1868, S. 131.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 208 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

den Seiten mit kleinen Steinen und Strohlehmwänden gesichert gewesen ist.


Uebrigens berichtet Herr Pogge noch: "Aehnliche Stellen haben wir auf dem Felde von Pölitz beim Drainiren schon mehrere gefunden, von denen ich zwei genauer beobachtet habe: auf Anhöhen, in der Nähe kleiner "Wiesengründe, ungefähr 4 Fuß tief, auf dem Boden ein Lager runder, schwarz gebrannter Sammelsteine, darüber schwarze verkohlte Massen."


Diese Höhlenwohnung aus der Steinzeit steht mit den unten beschriebenen, später auf dem "Wehrkamp" zu Pölitz beim Drainiren entdeckten Ansiedelungen, welche ohne Zweifel der jüngsten Eisenzeit angehören, in gar keinem Zusammenhange.

Bei Gelegenheit der unten beschriebenen, weitern Nachgrabungen auf dem "Wehrkamp" im August 1868 (nach Gruben aus der Eisenzeit) ließ Herr Pogge, in Gesellschaft des zum Besuche dort anwesenden Herrn Literaten Stuhlmann aus Schwaan, auch auf dem "Sippenberge" an einer ändern Stelle noch weiter graben. Auch diese Stelle war nicht so tief, wie gewöhnlich; es fand sich 2 Fuß oberer "Abraum" und 1 Fuß "schwarze Masse", obgleich die eigentliche "fette Masse" fehlte. Dagegen zeigten sich in der Tiefe wieder

9) viele Topfscherben von verschiedenen Arten alter Töpfe, auch mit derben Knoten unter dem Rande verziert. Ferner wurden folgende Sachen gefunden:

10) zwei kleine Schleifsteine aus festem, grauem Tonschiefer, ungefähr 3 Zoll lang, an einer Seite glatt abgeschliffen;

11) zwei kleine Schleifsteine gleicher Art, noch nicht angeschliffen;

12) sechs scheibenartige Feuersteinsplitter, offenbar durch Menschenhand geschlagen;

13) ein Echinit, sehr regelmäßig und vollständig, jedoch auf der Oberfläche etwas abgerieben;

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 209 zur ersten Seite zur vorherigen Seite

14) ein Echinit, in der Form etwas verschoben und zerbrochen;

15) ein Stück harter Kreide;

16) ein Stück dünnen, gespaltenen jungen rothen Sandsteins, an einer Seite etwas geschwärzt.

17) Unter den Knochen befand sich ein merkwürdiges Stück, nämlich ein großer Ellenbogenknochen ("ulna") vom Hirsch, welcher zum Stechwerkzeuge vollständig zugespitzt und zugeschliffen ist. Diese Werkzeuge, welche von Natur außerordentlich gut in der Hand liegen, werden in den schweizerischen Pfahlbauten aus der Steinzeit sehr häufig gefunden, in Meklenburg aber hier zum ersten Male beobachtet; außer diesem großen Geräth fand sich

18) noch ein kleines Geräth derselben Art.

19) Bei den Topfscherben fanden sich auch viele Thierknochen, welche fast alle zerschlagen und gespalten und darin den Thierknochen der Pfahlbauten der Steinzeit gleich sind. Nach den Untersuchungen des Herrn Professors Rütimeyer zu Basel sind dies Knochen vom Rind, Schaf (auch Rippen vom Lamm) und Hausschwein (z. B. ein zerschlagener Unterkiefer mit Zähnen), "offenbar von einer menschlichen Wohnstätte herrührend".

G. C. F. Lisch.