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7.
Die übrigen Schwerine Meklenburgs und der Nachbarschaft.

Außer den bisher beschriebenen Schwerinen soll es noch eine oder vielleicht zwei Oertlichkeiten in Meklenburg geben, welche diesen Namen führen, worüber ich aber zur Zeit nicht genauer unterrichtet bin. Am meisten Aufmerksamkeit scheint der Schwerin bei Lütgendorf im heutigen ritterschaftlichen Amte Lübz zu verdienen, da die ganze Umgebung desselben mit den beschriebenen Heiligthümern dieses Namens wiederum eine auffallende Aehnlichkeit hat. Nur wenige Ruthen nördlich von dem ziemlich bedeutenden Jabelschen See, welcher seinen Ablauf südlich in den Kölpin=See hat, liegt die südliche Spitze des bei weitem kleineren Leppinschen Sees, dessen Wasser nördlich durch den kleinen Wirkhagen= und Borg=See, und weiter durch den langgestreckten Tiefsee bei Alt=Gartz und den Düstersee bei Lütgendorf, endlich durch die Peenesümpfe in den großen Malchiner See abfließt. Diese lange Seekette wird im Alterthum mit einzelnen geringen Abweichungen die Grenze der Gaue Nord=Malchow (Zaretze) und Waren gebildet haben, welche beide zu dem Schweriner Bischofssprengel gehörten, wogegen in politischer Beziehung Malchow sicher einen Theil der Herrschaft Moritz bildete. Waren aber mit größerer Wahrscheinlichkeit ursprünglich zu der Herrschaft Tholense zu rechnen ist, obwohl sich die Frage nicht mit Sicherheit entscheiden läßt.

Westlich von dieser langen Seekette, dem Tiefsee und dem Düstersee gerade gegenüber, liegen parallel mit diesen

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die durch die Nebel gebildeten und miteinander verbundenen Wasserbecken des Kratzer=, Cramoner=, und Orth=Sees, welcher letztere zugleich einen kleinen, aus einer Niederung nahe am Düstersee entspringenden und von Osten nach Westen fließenden Bach in sich aufnimmt. In gleicher Richtung fließt von hier ab nach einer rechtwinklichen Wendung die Nebel durch den Hohen=Wangeliner= und Linstower= in den Krakower=See, und bildet bis zu ihrer Mündung in den letztern die Grenze zwischen den Sprengeln der Bisthümer Schwerin und Camin, welche zugleich mit der Völkergrenze der Herrschaften Moritz (Gau Zaretze) und Circipanien zusammenfällt.

Der zwischen diesen beiden Seeketten liegende Raum, welcher nach Norden durch den gedachten kleinen Orthbach, nach Süden durch waldige Höhen abgeschlossen ist, und etwa 1/8 Quadratmeile umfaßt, bildet eine völlig dorflose Fläche, welche zu den hart an den Seeufern liegenden Dörfern gehört, und zwar zum bei weitem größeren Theile zu Lütgendorf und Alt=Gaarz an dem Düster= und Tiefsee. Namentlich hat Lütgendorf eine ausgedehnte Feldmark, welche jetzt in zwei Hälften getheilt ist, von denen die nördliche Hälfte zu dem Ritterhofe am Düstersee, die südliche zu dem Kirchdorfe am Tiefsee gehört. Diesem Ritterhofe Lütgendorf gegenüber liegt nun mitten in dem Düstersee eine Insel, welche auf der Wibekingschen Karte die Burginsel heißt und auf welcher auch ein Burgwall gezeichnet ist, die aber von den Bewohnern dieser Gegend der Schwerin genannt werden soll. Leider ist mir diese Nachricht, die ich für sicher halten darf, erst während des Druckes der gegenwärtigen Abhandlung zugegangen, so daß ich keine eigenen Forschungen darüber anstellen konnte und nicht einmal mit Sicherheit anzugeben vermag, ob die Insel wirklich zu der Feldmark Lütgendorf, oder zu dem am entgegengesetzten Seeufer liegenden Sophienhof gehöre 1 ). Ich muß daher weitere Forschungen vorbehalten, welche namentlich auch über die Pfarre zu Lütgendorf zu erstrecken sein werden, unter welchem, für eine so große Feldmark sehr auffallenden Namen, ich fast die alte Pfarre Martinsdorf vermuthen mögte, die nach dem Grenzvertrage zwischen den Bischöfen von Schwerin und


1) Nach der Karte scheint die Insel grade in der Scheidelinie zu liegen. Die Grenze war aber früher vielleicht streitig, da auch der nördlich von der Insel gelegene Theil des Sees der Streitsee genannt wird.
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Camin vom 6. März 1260 1 ) im Lande Malchow lag und demzufolge als zu dem Bisthume Schwerin gehörig anerkannt ward. Der Name Martinsdorf kommt nämlich seitdem nicht wieder vor, der Ort ist aber sicher in unsrer Gegend zu suchen, da das Land Malchow nur hier auf einer kurzen Strecke zwischen dem Malchiner und dem Krakower See mit dem Bisthum Camin grenzte, weßhalb die Vermuthung nahe liegt, daß der Name der Orte Kirch= und Hof=Lütgendorf ehemals vollständig Groß= und Klein=Martinsdorf gelautet habe. Der heilige Martin, mit dessen Fest der Winter beginnt, ist aber gleich dem heiligen Nicolaus in der deutschen Sage oft der Stellvertreter des heidnischen Kriegsgottes Wodan, was wiederum zu unsrer Tempelburg vortrefflich passen würde. Auch Gaartz am Tiefsee scheint bedeutungsvoll. Der wendische Name entspricht dem böhmischen hraz: Damm, vielleicht eine Contraction aus Garditz, böhm. hradec, eine kleine Burg, die Deminutivform von gard, böhm. hrad: Burg 2 ). Das würde an die Vorburg am Mönchteich bei Röbel erinnern. Endlich mag vorläufig auf den Namen eines Gehölzes bei den Quellen des gedachten Orthbaches aufmerksam gemacht werden; dies Gehölz ist auf der Karte als der Wald am "Kreuz=Remel" bezeichnet.

Noch weniger weiß ich von dem zweiten, hier vorläufig nur einfach zu verzeichnenden, angeblichen Schwerin an der obern Warnow. Eine Waldung in der Gegend von Holzendorf oder Müsselmow soll nämlich gleichfalls den Namen Schwerin oder Schweriner=Wald führen. Das ist alles, was ich zur Zeit über die Oertlichkeit erfahren konnte. Die Gegend scheint keine der Eigenthümlichkeiten der übrigen Schwerine zu besitzen, und die zweite mir überlieferte Form des Namens scheint einige Zweifel an der Alterthümlichkeit und Aechtheit desselben wohl zu rechtfertigen.

Sicherer sind in dieser Beziehung unsre Nachrichten über dem gleichfalls als Wald bezeichneten Schwerin bei Lübeck, hart an der meklenburgischen Grenze. Lisch hat schon im Jahre 1840 3 ) darauf aufmerksam gemacht, daß auf einer Original=Karte des Mathematikers Tilemann Stella ungefähr aus dem Jahre 1560, welche im hiesigen Archive aufbewahrt wird, am rechten Ufer der Trave vor der Stadt Lübeck eine


1) M. U. B. II, Nr. 857 und 858.
2) Vgl. Cod. Dipl. Pomer. I, p. 662 und p. 464, wonach der Ort Gardist, Gaarz bei Greifswalde in einer Urk. v. 1241 als antiquum castrum bezeichnet wird.
3) Jahrb. V, S. 225.
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bedeutende Waldung gezeichnet sei mit der Beischrift: "der Schwerin, ein Walt". Dieser Wald bedeckte den ganzen Raum innerhalb des Halbkreises, den die Trave zwischen Lübeck und Schlukup bildet, und in welchem auch das Dorf Israelsdorf liegt. Seitdem hat das Lübecker Urk. B. ältere, wenngleich nur gelegentliche Nachrichten aus dem Anfange des 14. Jahrhunderts über diese Oertlichkeit gebracht, die interessante Aufschlüsse geben. In einer Aufzeichnung über die Verfolgung und Tödtung von Straßenräubern während der Zeit des Vogtes Lütke Konrad zu Lübeck, 1300 - 1320, wird z. B. die Tödtung zweier Verbrecher bei dem Schwerin berichtet, welche zur Nachtzeit ein Pferd von der Weide gestohlen hatten. Ferner wurden bei Klein=Schwerin drei Kerle getödtet, welche bei Nachtzeit 4 Pferde von der Schönboker Weide gestohlen hatten und bei dem Einsiedlerhofe über die Trave geschwommen waren, und noch in einem andern Falle wurden 4 Räuber ohne Zweifel aus ähnlichen Gründen bei Schwerin getödtet 1 ). Ebenso wird in einer Aufzeichnung von 1305 - 1307, sowie in einer Berechnung der Wiesenpächte im Osten der Stadt von 1307, und dem Kämmereibuche von 1316 - 1338 einer Stadtwiese bei Schwerin gedacht, welche beziehungsweise mit 1 und 4 Mark Pacht berechnet wird 2 ). Wenn die Herausgeber (im Index) diesen Schwerin bestimmt als den Wald bei Israelsdorf bezeichnen, so ist das gewiß vollkommen richtig, da die aufgezeichneten Verfolgungen der Straßenräuber sich nicht über die nächste Umgebung der Stadt hinaus erstreckten, und die bezüglichen Wiesen ja ausdrücklich als im Osten der Trave, d. h. auf dem rechten Ufer gelegen, bezeichnet werden, also grade dort, wo nach der Tilemannschen Karte der Wald dieses Namens lag. Hätte es hier zugleich einen bewohnten Ort, Dorf (villa) oder Hof (curia) gegeben, so würde dies, wie in andern


1) Lüb. U. B. II, Nr. 401, p. 351: a. "II malefactores apud Swerin fuerunt interfecti, qui spoliaverunt equum vnum in pascua tempore nocturno". - b. "III. fuerunt interfecti apud parvam Swerin, qui IV. equos spoliauerunt tempore nocturno in pascua Schoneboke et apud curiam eremiti transnatauerunt". - c. "III. apud Swerin fuerunt interfecti".
2) Lüb. U. B. II, 2. Nr. 1093, p. 1036: "Reimerus messor tenetur IV. marc. de prato prope Swerinsam". - Nr. 1095, p. 1043: "In parte orientali Trauene: Pratum sub Swerine soluit IV marc.: Segebode Crispin et Hildemarus". - Nr. 1098. p. 1065, Note 52; Census pactorum: "Prata ad orientem: - - Sub Swerina Henricus Traueman dat vnam marcam".
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ähnlichen Fällen, ohne Zweifel ausdrücklich hinzugesetzt sein; Wiesen und Weiden aber werden dem Schwerin im Allgemeinen bestimmt als bei und in (sub) demselben gelegen entgegengesetzt. Es ist also der Wald selbst gemeint. Andererseits ist speciell von dem kleinen Schwerin die Rede, was noch einen zweiten großen voraussetzt, so daß wir es mit zwei bestimmt begrenzten Waldungen zu thun haben, die nach Westen von der erwähnten Krümmung der Trave eingeschlossen werden, deren östliche Grenze ich aber nicht zu bestimmen vermag. Interessant ist ferner, daß die Wiesen und Weiden des Waldes, wie sich aus den ersten Aufzeichnungen ergiebt, zu Anfang des 14. Jahrhunderts vorzugsweise als Pferdeweide benutzt wurden, und der Raub dieser Thiere zur Nachtzeit ohne Umstände mit dem Tode bestraft ward. Nicht minder interessant ist die Erwähnung des Einsiedlerhofes an der Trave in der Nähe von Schönbok. Dieser Ort scheint dem Kloster Reinfeld gehört zu haben, da die Stadt nach einer Aufzeichnung von 1338 für die Besserung des Weges im Schoneboke 10 Mark an das Kloster zahlte. An andern Stellen werden die Dörfer Padeluchge, Schonenbok und Slucop zusammen genannt 1 ). Schonebok ist also das heutige Schönenböck bei Padelügge auf der linken Seite der Trave und der Einsiedlerhof lag nach einer Mittheilung von Lisch auf der Stelle des heutigen Vergnügungsortes Einsegel am Ufer des Flusses nahe unterhalb der Stadt Lübeck. Zu erwähnen ist endlich noch, daß die Tilemannsche Karte gleichfalls hart am linken Ufer der Trave, in der Nähe der Fähre auf der Straße nach Travemünde, eine Wiek verzeichnet, was auf eine alte Burg hinweiset. Nach allem diesen scheint es mir sicher, daß wir es auch hier wirklich mit einem wendischen Heiligthume zu thun haben. Stand dasselbe etwa mit der berühmten wendischen Burg Buku, Bucowicz, der Residenz des Königs Kruto und Heinrichs des Obotriten, dem Kern der deutschen Hansestadt Lübeck, in Zusammenhang? Diese, und viele andere Fragen, die sich aufdrängen, muß ich der Forschung der Lübecker Freunde der Alterthumskunde zur Beantwortung überlassen.

Weiter entfernt liegen uns die brandenburgischen Dörfer Schwerin im Reg.=Bez. Potsdam, 3 1/2 M. nordwestlich von Beeskow, und ebendaselbst 5 M. südsüdöstlich


1) Lüb. Urk. B. II, 1. Nr. 679, p. 631. - II, 2. Nr. 1093. 2, p. 1038 u. 3, p. 1041. - II, 2. Nr. 1098, p. 1069 u. 1071.
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von Teltow, obwohl sie gleichfalls noch zum Gebiete der Ostsee=Wenden gehören. Ebenso die Dörfer Zwirenz in der Waldung Stubnitz auf Jasmund und Zwirnitz in Pommern, 1 1/2 M. von Polzin, deren Namen der Adjectivform Zwiriniza sc. obora, d. i. Thiergehege, genau entsprechen 1 ). Ganz außerhalb unsers Gesichtskreises aber liegt die polnische Stadt Schwerin an der Warta in dem heutigen Reg.= Bez. Posen.


1) Cod. Dipl. Pom. I, p. 69. Das Dorf Schwerin im Regierungsbezirk Stettin, 2 3/4 M. südlich von Regenwalde, ist dagegen das von unsern Grafen von Schwerin gegründete Neu=Schwerin im Lande Doberen. Jahrb. XI, 89.