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Granitkegel von Quast,

als

Sinnbild des phönizischen Sonnengottes.

von

G. C. F. Lisch.

Im Jahre 1864 ward zu Quast bei Lübtheen, im Kirchspiel Jabel, mitten in der großen Kieferhaide, welche seit alter Zeit den Namen Jabel Haide trägt, im südwestlichen Meklenburg, ein großer kegelförmiger Stein gefunden und von dem Herrn Förster Ehrenstein zu Quast dem Vereine geschenkt.

Granitkegel

Der Stein ward beim Suchen nach Feldsteinen zu Hausfundamenten im freien Felde im Sande gefunden und es ist keine Veranlassung vorhanden zu vermuthen, daß er von irgend einem Bau aus der historischen Zeit stammen sollte.

Derhieneben abgebildete Stein ist ein grobkörniger, jedoch sehr fester und dichter, weißer, schwarz gesprenkelter Granit und durch Kunst zu einem fast ganz regelmäßigen Kegel bearbeitet, 21 Zoll (50 Centimeter) hoch und in der am Rande etwas abgerundeten Basis ungefähr 9 Zoll (22 Centimeter) im Durchmesser, 58 Pfund schwer; der Kegel gleicht fast ganz einem Zuckerhut. Die Ober=

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fläche ist durch Schlagen und Reiben geebnet, aber nicht geschliffen; an einer Seite ist eine natürliche Bruchfläche zur Gestaltung benutzt. In Meklenburg, vielleicht in Deutschland, sind solche Steine bisher noch nicht beobachtet, auch ist keine Vermuthung vorhanden, daß sie in der Neuzeit zu häuslichen Zwecken sollten gedient haben. Bischof Münter zu Kopenhagen besaß ein Paar "konische Steine", welche aus dessen Nachlaß der als Sammler bekannte Oberst Sommer, Commandant des Schlosses Rosenburg in Kopenhagen, kaufte.

Ich trage daher kein Bedenken, diesen kegelförmigen Stein dem Heidenthum zuzuschreiben und ihn für ein Symbol der Gottheit zu halten. Diese Erklärung findet ihre Hauptquelle in der Geschichte des römischen Kaisers Heliogabalus. Heliogabalus, in Rom früher mit dem Namen Varius Avitus Vassianus, war der Enkel der Syrerin Mäsa, einer Schwägerin des Kaisers Septimius Severus, welche sich nach Antonin's Ermordung auf Befehl des Usurpators Macrinus von Rom wieder nach ihrer Heimath Emesa in Syrien hatte begeben müssen. Hier erreichte es das kluge und reiche Weib, daß ihr schöner Enkel Bassianus in seinem 13. Lebensjahre zum Oberpriester der Sonne erhoben ward, welche zu Emesa unter dem Bilde eines herabgefallenen Meteorsteines in einem großen Tempel verehrt ward. Der griechisch gebildete Name dieses syrisch=phönizischen Steines und Gottes, Heliogabalos, wird durch das syrische Wort Ela=gabal oder Al=Gebel (Έλαιαγάβαλος), erklärt, welches wörtlich "Gott bildet", Gottesbildung bedeutet, und war ein Symbol der schaffenden Gottheit. Nachdem Bassianus nach der Ermordung des Macrinus durch das Geld seiner Großmutter Kaiser geworden war, schrieb er seine Erhebung auf den Kaiserthron seiner Landesgottheit zu und seine abergläubische Furcht trieb ihn dahin, den Sieg des Gottes von Emesa über alle andern Gottesdienste der Erde zu erheben. Er befahl, den neuen Gott vor allen andern Göttern Eleäagabalus zu nennen (όυομάζειυ τέου δεόυ Έλαιαγάβαλου, Herodian V., 5, 7), nahm selbst den Namen Heliogabalus (mit dem griechischen Zusatze Helio =, d. i. Sonne) an, ließ den Stein nach Rom versetzen und der Gottheit einen prachtvollen Tempel erbauen und feierte demselben alljährlich mitten im Sommer große Feste, so daß zu seiner Zeit die Verehrung dieses Gottes alle andern verdrängte. Den Gott ließ er bei dem Feste auf einem goldenen, mit kostbaren Steinen reich besetzten Wagen aus der Stadt in einen in der Vorstadt erbaueten großen Tempel fahren.

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Herodian in seiner Lebensbeschreibung der römischen Kaiser, V., 3, 5 (Herodiani libri octo, ab Imm. Bekkero recogniti, 1855, L. V., c. 3, §. 5.) giebt eine ganz genaue Beschreibung dieses Steins; er sagt:

"Das Bild war nicht, wie bei den Hellenen oder Römern, vou Menschenhänden gemacht, die Gestalt einer Gottheit zeigend; sondern es ist ein sehr großer Stein, von unten her rund, in eine Spitze auslaufend; er ist kegelförmig von Gestalt und schwarz von Farbe, und es wird versichert, daß er vom Himmel gefallen sei.(λιδος δέ τις έστι μέγιστος, κάτωδευ περιψερ[Symbol: nicht zuordenbar wie r mit Strich]ςλήγωυ ές όξύτητα . κωυοειδές αιτφ δχημα, μελαιυά τε η χροιά . διιπετη τε αιτόυ ειυαι σεμυολογοισιυ)

Diese Beschreibung des Steines stimmt also ganz genau mit dem Granitkegel von Quast überein, nur daß dieser weiß von Farbe und schwarz gesprenkelt ist, während der Elagabal ganz schwarz gewesen sein soll.

Diese Beschreibung des Herodian wird auch durch Münzen als wahr bewiesen. Auf einigen seltenen Münzen des Kaisers Heliogabal steht auf der Rückseite als Symbol des von ihm angenommenen Namens ein solcher Sein, welcher mit einem Adler verziert ist. Eine solche Münze ist abgebildet in Mionnet de la rareté et du prix des médailles Romaines, Seconde édition, T. I., p. 343. Nach Eckhel III., S. 326 hat eine andere Münze auf der Rückseite ein Viergespann mit einem Wagen, auf dem derselbe Stein steht; Herr Archivrath Grotefend zu Hannover besitzt ein Exemplar dieser Münze in Silber. Die Abbildung des Steines auf diesen Münzen ist aber nicht ein spitzer Kegel, wie Herodians Beschreibung meldet und der Stein von Quast zeigt, sondern mehr ein oben abgerundeter Cylinder.

Die Sache ist auch schon von verschiedenen Gelehrten angeregt. Bischof Münter gab in Folge seiner Studien und seiner Beobachtungen im Norden die Schrift heraus: Religion der Karthager, Kopenhagen, 1821. Er schließt S. 62-67 ungefähr Folgendes. "Astarte, die zweite Hauptgottheit der Karthager war das empfangende und gebärende Princip der Natur, welches im Orient und in Griechenland unter den verschiedensten Namen verehrt ward Denn die Isis der Aegypter, die Astarte und Baaltis oder Beltis und Belene der Syrer, die babylonische Mylitta, die paphische Venus, die taurische und ephesische Diana, waren im

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Ganzen Ein Wesen mit der karthagischen Himmelsgöttin oder der Urania der Griechen. - - Ohne allen Zweifel war die Verehrung dieser Gottheit aus Tyrus oder aus Sidon, wo sie besonders angebetet wurde, nach Karthago "eingewandert. - - (S. 67.) Die älteste Kunstvorstellung finden wir in Paphos, wo das Idol eine lange Reihe von Jahrhunderten hindurch ein weißer konischer Stein war."

In den neuesten Zeiten hat z. B. Holmboe , Professor zu Christiania, die Sache behandelt (Traces de Buddhisme en Norvége, Paris, 1857, p. 57), indem er in diesen kegelförmigen Steinen, deren mehrere im Norden gefunden sind, wie schon der Titel seines Buches andeutet, Spuren des indischen Buddha=Dienstes zu erkennen glaubt. Die von ihm beschriebenen Steine sind aber mehr oben abgerundete Cylinder, als eigentliche Kegel. Auch in Meklenburg sind kleine an einem Ende abgerundete Cylinder gefunden, welche zwar alt sind, aber nach meiner Ansicht kein besonderes Gewicht für die Entscheidung der Sache haben.

Auch Nilson zieht die Sache in den Kreis seiner Untersuchungen (Die Ureinwohner des Scandinavischen Nordens. I. Das Bronzealter. Aus dem Schwedischen übersetzt. Hamburg. 1863), indem er eine pyramiden= oder kegelförmige Darstellung auf dem Kivikmonument für das symbolische Bild des Sonnengottes (Baal) erklärt (S. 43, 45, 60) und dabei auch die Erzählung Herodians zur Untersuchung zieht.

Es ist hier nicht der Ort, tiefer in das Wesen dieses Götzendienstes einzugehen. Nur das scheint mir sicher festzustehen, daß der Granitkegel von Quast eine sehr wichtige Bereicherung der Reihe dieser symbolischen Kegelsteine ist und jedenfalls große Aufmerksamkeit verdient.

Es ist ein Spiel des Zufalls, daß der Stein von Quast in der Nähe des Ortes Jabel gefunden ist und der eigentliche, reine Name der phönizischen Gottheit Gabal lautet. Ich darf jedoch den Ortsnamen Jabel nicht von dem syrischen Gabal, sondern wohl sicher aus dem Wendischen ableiten; denn in allen slavischen Dialekten, z. B. im Altslavischen, Böhmischen, Polnischen und heute im Oberlausitzischen, heißt gablon oder jablon: der Apfelbaum, und gablko, jabloko, gablkowy: der Apfel. In der Jabelhaide wohnten die letzten Wenden in Meklenburg.