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VI.

Audacia,

Gemahlin des Grafen Heinrich I. von Schwerin,

von

G. C. F. Lisch.

D ie Geschichte von der Gefangennehmung des Königs Waldemar II. des Siegers von Dänemark durch den Grafen Heinrich I. von Schwerin ist eine weltgeschichtliche Begebenheit, und es giebt nur wenig Thaten, deren Kühnheit und Erfolg so bedeutend, deren Folgen so einflußreich gewesen wären bis auf den heutigen Tag. Schon lange hatten die Dänenkönige dahin getrachtet, die jetzigen deutschen Ostseeländer unter ihr Joch zu beugen, und waren nicht müde geworden, von allen Seiten her als Sieger in diese Länder einzudringen, bis sie deren Herrscher zur Huldigung nöthigten. Damit aber nicht zufrieden, strebten sie darnach, diese Länder auch in ihren Besitz zu bringen. Am sauersten scheint es ihnen aber in der jungen sächsischen Graffchaft Schwerin geworden zu sein, und doch begannen die Ereignisse, welche nach und nach eintraten, sich günstig zu gestalten. Schon lange hatten die Grafen Heinrich und Gunzelin von Schwerin dem Könige huldigen müssen. Nun mußten sie sich noch bequemen, im Jahre 1217 Gunzelins Tochter Ida dem unächten Sohne des Königs, dem Grafen Nicolaus von Halland, zur Ehe zu geben und für den Brautschatz die halbe Grafschaft Schwerin zu verschreiben. Darauf unternahm Graf Heinrich einen Zug in das gelobte Land. Da starb nicht allein sein Bruder Gunzelin, sondern auch der Graf Nicolaus von Halland, welcher einen jungen Sohn gleiches

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Namens hinterließ. Während nun die Grafschaft Schwerin unter der alleinigen Obhut der Gemahlin des Grafen Heinrich I. stand, fiel Waldemar II. in das Land und nahm als Vormund des jungen Grafen von Halland für den noch unerlegten Brautschatz der Mutter desselben nicht nur die halbe Grafschaft mit dem halben Schlosse Schwerin in Besitz ,sondern benahm sich auch mit Gewalt ("per violentiam") als Herr des ganzen Landes, Nach einer Urkunde vom 28. Februar 1221 ließ der König das "halbe Amt" Schwerin durch den Grafen Albert von Orlamünde in Besitz nehmen, mit dem Befehle, dasselbe in seinem Namen zu verwalten; jedoch mochte der König auch dem Grafen Albert nicht trauen: daher ließ er sich von diesem fest versprechen und verbürgen, die Grafschaft Schwerin zu jeder Zeit auf Anforderung des Königs an diesen zurückzugeben. Diese Besitznahme ist ohne Zweifel die Gewaltthätigkeit, welche nach alten Berichten der König Waldemar gegen die Gräfin von Schwerin geübt haben soll.

Als nun der Graf Heinrich im Jahre 1222 von seinem heiligen Zuge heimkehrte und sein Land so zerrissen und entfremdet sah, als keine Vorstellungen und Bitten bei dem Könige fruchteten, ihm die Regierung seines Landes wieder abzutreten, nahm der Graf am 7. Mai 1223 den König Waldemar II. und dessen ältesten Sohn Waldemar, der auch schon gekrönt war, in deren eigenem Lande gefangen 1 ) und brachte sie in sichern Gewahrsam in den Grafschaften Schwerin und Danneberg, bis der Graf seinen Willen durchgesetzt hatte. Ganz Europa war erstaunt über diese unerhörte That und spaltete sich in Partheien für und gegen den König; es ward Jahre lang verhandelt, es ward mancher blutige Kampf ge kämpft, der Papst bot alle Mittel auf, die gefangenen Könige aus der schweren Haft zu erlösen; aber Graf Heinrich war nicht der Mann, der sich irgendwie überreden oder beugen ließ. Erst nach der siegreichen Schlacht bei Bornhövd am Marien=Magdalenen Tage (22. Julii) 1227, in welcher der für die Geißelstellung seiner Söhne freigelassene, aber wortbrüchig gewordene König ein Auge verlor und sein Neffe, Herzog Otto


1) Seit dieser Zeit erst scheinen sich die Grafen von Schwerin "von Gottes Gnaden" genannt zu haben; wenigstens erscheint auf den Siegeln dieser Titel seit dem Jahre 1224, aber bis zum Jahre 1219 noch nicht. Auch in den Urkunden scheint dieselbe Regel zu herrschen. Die Grafen von Schwerin, als vom Herzoge Heinrich dem Löwen eingesetzte Grafen, scheinen in der Annahme dieses Titels noch sehr schüchtern gewesen zu sein; aber nach Gefangennehmung ihrer Lehnherren von Dänemark und Braunschweig traten sie schon selbstbewußter auf.
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von Braunschweig, auch gefangen ward, nachdem schon 1225 in der Schlacht bei Mölln des Königs Schwestersohn, der Graf Albert von Orlamünde und Nordalbingien, auch in die Gefangenschaft nach Schwerin geführt war, fügten sich die Dänen, und im Jahre 1230 ward der letzte Aussöhnungsvertrag geschlossen. Die Folge der verschiedenen Siege und Verhandlungen war, daß die Dänen alles, was früher zum deutschen Reiche in den Ostseeländern gehört hatte, wieder abtreten und große Summen zahlen mußten. Diese Verträge haben bis heute Wirksamkeit und Gültigkeit gehabt. Der kühne und feste Graf Heinrich von Schwerin starb im Jahre 1228, wahrscheinlich im Monate Februar; aber seine Gemahlin hielt noch bis in den Herbst 1228 den Herzog Otto von Braunschweig und die drei jüngern Söhne des Königs Waldemar bis zum Jahre 1230 in Gefangenschaft; man muß diese Festigkeit der Gräfin und deren Räthen zuschreiben, da ihr Sohn Gunzelin noch minderjährig gewesen zu sein scheint und die meklenburgischen Fürsten sicher noch minderjährig waren. Dies sind einige kurze, abgerissene Andeutungen über den Gang der Hauptbegebenheiten.


In dieser ganzen Geschichte tritt die Gemahlin des Grafen Heinrich I. von Schwerin als eine bedeutende Persönlichkeit auf, indem sie in den verschiedenen Verträgen über diese Angelegenheit wiederholt genannt wird, wenn auch leider nie mit ihrem Namen. In dem Vertragsversuche vom 24.September 1223 wird festgestellt, daß wenn der Graf Heinrich von Schwerin mittlerweile sterben würde, seiner Gemahlin und seinen Söhnen und Erben, auch seinen Verwandten und Freunden Alles gehalten werden solle, was verabredet sei. Für seine Befreiung aus drittehalbjähriger Gefangenschaft mußte der König nicht nur bedeutende Lösung zahlen und alle Eroberungen abtreten, sondern auch die schimpfliche Bedingung eingehen, den ganzen Kronschmuck der Königin, mit alleiniger Ausnahme der Krone, dem Grafen auszuliefern, und dies dem Grafen Heinrich, seiner Gemahlin und seinen Söhnen, Verwandten und Freunden zu halten. Diese Bedingung ist ohne Zweifel zu Gunsten der Gräfin gestellt, und späterhin tritt noch lange die Gräfin als eine sehr bedeutende und wichtige Person auf.

Man hat daher natürlich viel nach dem Namen und der Herkunft der Gräfin geforscht und ihr eine ungewöhnliche

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Betheiligung in diesen Angelegenheiten zuschreiben wollen. Es waren früher nur sehr wenig Urkunden über die Gräfin bekannt. In einer Urkunde für das Kloster bei Stade vom Jahre 1218 wird des Grafen Heinrich Gemahlin Audacia genannt, in einer lübeker Urkunde ungefähr vom Jahre 1227 wird eine Gräfin Margarethe von Schwerin genannt. Man hat daher dem Grafen Heinrich von Schwerin zwei Gemahlinnen gegeben, von denen die erste Audacia, deren Tod man in das Jahr 1219 setzt, die zweite Margaretha gewesen sein soll, welche letztere also diejenige gewesen sein müßte, zu deren Zeit die dänische Geschichte gespielt hat.

Von großem Einfluß auf die meklenburgische Geschichte ist die aus den Urkunden geschöpfte handschriftliche meklenburgische Chronik des Archivars Chemnitz aus der Mitte des 17. Jahrhunderts gewesen, weil dieselbe in frühern Zeiten, als die Urkunden für die Geschichtsforscher noch nicht zugänglich waren, lange Zeit, auch noch von Rudloff, als Hauptquelle benutzt worden ist. Chemnitz sagt nun:

"Graff Heinrich zu Schwerin hat zwier geheuratet: Seine erste Gemahlinne hat geheißen Audacia, wes stames aber ondt von welchem hause sie gewesen, weiß man nicht; mit derselben hat er einen Sohn Guncelinum den dritten gezeugt. Diese ist anno christi 1219 gestorben. Seine andere Gemahlinne ist gewesen Margareta gebohrne von Schlawin, ob er aber erben mit derselben gehabt oder nicht ist nicht befindlich."

So vortrefflich nun auch Chemnitz oft den Inhalt von Urkunden wiedergiebt, so wenig ist ihm zu trauett, wenn er aus einzelnen Andeutungen geschichtliche Schlüsse zu ziehen unternimmt. Die Namen und Aufeinanderfolge der beiden Gräfinnen sind allerdings zwei Urkunden entnommen, welche aber zu einer solchen Bestimmung nicht ausreichten; das Todesjahr 1219 der Gräfin Audacia ist aber rein willkührlich erdacht, weil sie 1218 genannt wird und späterhin eine "Gräfin Margarethe von Schwerin" vorkommt. Alle diese Combinationen, welche nach Chemnitz immerfort als Wahrheit angenommen sind, haben aber keinen Grund, und müssen als unhaltbar zurückgewiesen werden. Bevor wir aber die Untersuchung hierüber aufnehmen, muß noch eine Geschichte berührt werden, welche sich durch alle älteren Geschichtswerke hindurch zieht.


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In allen älteren Geschichtswerken neuerer Zeit wird erzählt, daß der König Waldemar während des Kreuzzuges des Grafen Heinrich dessen Gemahlin Margarethe gewaltsam entehrt habe. Diese Sage wird im 16. Jahrhundert entstanden sein. In einer im hamburger Archive aufbewahrten dänischen Chronik ("Chronologia rerum danicarum incerti authoris"), welche um das Jahr 1579 zusammengetragen; im 18. Jahrhundert benutzt und von Lappenberg im Archiv für schlesw. holst. lauenb. Geschichte, II., 1834, S. 227 (vgl. S 189 und 198) gedruckt ist, heißt es S. 233:

"A. d. MCCXXXIII. Waldemarus secundus et Waldemarus tertius filius in Lithoe, loco Holsatiae maritimo, capti ab Henrico comite, (cujus uxorem per mariti absentiam adulterarat rex pater), in arcem Daneburgum, vel ut alii existimant Suerinum deportantur, ubi triennium fere detenti sunt."

und S. 235 zum Jahre 1227 bei der Schlacht von Bornhövd:

"sic deo Waldemari adulterium et perjurium ulciscente."

Westphalen Mon ined. I. p.1298, führt aus einer alten ptattdeutschen Chronik folgende Stelle über des Königs Frevelthat an:

"Darumme dat de konic des graven sine moder geunehret hadde de wile dat de grafe tho dem hilligen grave was."

Es findet sich aber in keiner alten Chronik oder Urkunde irgend eine Andeutung über eine solche Gewaltthat, welche sich auch gar nicht wahrscheinlich machen läßt, und es ist mehr glaublich, daß sie aus einer falschen Auslegung des Vertragsentwurfes vom Jahre 1223 entstanden ist, da in derselben ge sagt wird, daß der König "der Mutter der Gräfin die Güter zurückgeben solle, welche er gewaltsam ("per violentiam") genommen und in Besitz habe". Wegen des Mangels an aller Begründung haben denn auch alle neuern Geschichtschreiber diese ganz unverbürgte Gewaltthat ganz fallen lassen. Man kann die von dem Könige gegen die Gräfin verübte Gewaltthätigkeit nur darauf beziehen, daß derselbe während des Grafen Abwesenheit die halbe Grafschaft Schwerin in Besitz nahm und am 28. Februar 1221 dem Grafen Albert von Orlamünde und Nordalbingien zur Verwaltung und Regierung übergab, also einen zweiten Regenten neben dem Grafen Heinrich einsetzte und dadurch die Gräfin vielfach bedrückte.


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Zur Erkenntniß der Geschichte der beiden genannten Gräfinnen Audacia und Margaretha ist es unerläßlich, die über dieselben redenden Urkunden im Folgenden zu beleuchten und zu prüfen.


Die erste Urkunde, in welcher die Gräfin Margarethe sicher genannt wird, ist die Urkunde, durch welche der Graf Heinrich von Schwerin der Stadt Lübek die Zollfreiheit schenkt (vgl. Urk. der Stadt Lübek, I., S. 53, Nr. 42, auch früher gedruckt in Ungnaden Amoen., p. 659). Diese Urkunde ist nicht datirt. Dem Originale ist zwar von jüngerer Hand die Jahreszahl 1231 hinzugefügt; diese Vermuthung kann aber nicht richtig sein, da der Graf Heinrich im Jahre 1228 starb. Die Herausgeber des lübeker Urkundenbuches haben daher nach dem Vorgange von Ungnaden die Jahreszahl 1227 angenommen. Diese Jahreszahl wird auch richtig sein; denn der Graf wird den Lübekern diese Zollfreiheit wahrscheinlich entweder nach dem Vorgange der jungen Herren von Meklenburg, welche gleich nach dem Tode ihres Großvaters Borwin I. der Stadt Lübek eine gleiche Vergünstigung ertheilten, im Jahre 1226, oder nach der Schlacht von Bornhövd im Jahre 1227 gegeben haben. Dieses Privilegium bezeugt nun "die Frau Margaretha Gräfin von Schwerin und Gunzelin des Grafen Heinrich Sohn":

"domina Margareta comitissa de Zwerin, Gunzelinus filius noster."

Hier wird zwar die Margarethe eine Gräfin von Schwerin genannt; aber es ist wohl zu merken, daß der Graf Heinrich sie nicht seine Gemahlin nennt, wie er den Gunzelin seinen Sohn nennt. Wäre Margarethe die Gemahlin Heinrichs gewesen, so würde er sie auch ohne Zweifel so genannt haben, da dies in sehr vielen Urkunden jener Zeit herkömmlich ist. Diese Urkunde ist die einzig sichere Original=Urkunde, welche freilich die Margarethe nennt, sie aber nicht als Gemahlin Heinrich's bezeichnet.

Eine andere Urkunde, welche die Margarethe als Gemahlin Heinrich's bezeichnet, ist nicht ganz so sicher. Am 23. Junii 1227 überließ der Graf Heinrich von Schwerin dem Johanniter=Orden das Dorf Moraas (gedruckt in Jahrb. I., S. 202, früher, in Buchholz Brandenb. Gesch. III., Beil. 47), und zwar "mit Bewilligung seiner Gemahlin Margarethe und seiner Erben Gunzelin und Helmold":

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"de consensu vxoris mee Margarete et heredum meorum Guncelini et Helmoldi."

Hier wird nun freilich ganz bestimmt gesagt, daß Margarethe Heinrich's Gemahlin sei. Dagegen ließe sich nur einwenden, daß die Urkunde nicht mehr im Originale, sondern nur in einer Beglaubigung des Fürsten Heinrich von Meklenburg vom Jahre 1311 vorhanden ist. Es wäre möglich, daß, wie es häufig vorkommt, der Name der Gemahlin ursprünglich im Originale gefehlt hätte und von jüngerer Hand willkührlich eingetragen wäre. Dies läßt sich jetzt aber nicht mehr entscheiden.

In einer dritten Urkunde vom 16, Februar 1228 schenkt der Graf Heinrich dem Dom=Capitel zu Schwerin die Freiheit des Dorfes Medewege, und dies bezeugen "seine Gemahlin die Gräfin Margarethe und sein Sohn Gunzelin"

"Margareta comitissa uxor nostra, Guncelinus filius noster."

Hier wird also wieder gradezu Margarethe Heinrich's I. Gemahlin genannt. Die Urkunde ist aber nur in einer Abschrift aus dem Ende des 16. Jahrhunderts bekannt (gedruckt in Lisch Meklb. Urk. III., S. 76). Ohne Zweifel nimmt nach dieser Urkunde Hederich in seine handschriftlichen Annalen, sicher nach dem Original auf:

"Guncelinus III. filius Henrici et Margarethae circa annum 1228."

Stiftungsurkunde des Klosters Zarrentin, ist aber nur in einer flüchtigen Abschrift aus dem 16, Jahrhundert vorhanden und der Name der Gräfin nur mit dem Anfangsbuchstaben bezeichnet, welcher aus mehreren willkührlichen, nicht zu erklärenden Perpendikulairstrichen besteht, welche sich eben so gut Diese Urkunde ist am Tage vor dem Tode des Grafen Heinrich ausgestellt, da er sicher im Jahre 1228 starb und sein Sterbetag im Todtenbuche des holsteinschen Klosters Uetersen, nach einer Original=Urkunde des Klosters ungefähr vom Jahre 1235, am 17. Februar eingetragen war.

Wenn also Heinrich's Gemahlin wirklich Margarethe hieß, so ist es außer allem Zweifel, daß sie bei seinem Tode lebte und seine letzte Gemahlin gewesen sein muß.

Rudloff Mekl. Gesch. II., S, 29 sagt: "die Gräfin Margarethe überlebte ihren Gemahl noch lange hernach (1246, November 1)", und will dies durch die Urkunde des Klosters Zarrentin von diesem Datum beweisen. Diese Urkunde, die erste oder Stiftungsurkunde des Klosters Zarrentin, ist aber nur in einer flüchtigen Abschrift aus dem 16. Jahrhundert vorhanden und der Name der Gräfin nur mit dem Anfangsbuchstaben bezeichnet, welcher aus mehreren willkürlichen, nicht zu erklärenden Perpendikulairstrichen besteht, welche sich eben so gut durch A , als durch M. deuten lassen.

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Da nun die Gräfin Margarethe in diesen Urkunden nur in den Jahren 1227 und 1228, bis zum Tode des Grafen, genannt wird, so dürfte man unter den herrschenden Umständen der Wittwe des Grafen nicht einen andern Namen beilegen, als den der ausdrücklich genannt wird.


Dagegen erscheint bald und lange Zeit nach dem Tode des Grafen Heinrich als dessen Wittwe eine Gräfin von Schwerin, welche wiederholt in klaren Original=Urkunden Audacia, und deren Sohn Gunzelin genannt wird. Es giebt über diese Gräfin eine lange Reihe von Urkunden, welche früher nicht beachtet sind, weil sie größten Theils kein Datum haben und dem Inhalte nach für zu unbedeutend gehalten wurden; es sind vorherrschend Aufnahmserklärungen in die Fraternität oder Gemeinschaft verschiedener naher und entfernter Klöster, welche schon seit dem 16. Jahrhundert als papistischer Unfug bei Seite geworfen und zum Theil mit protestantischen Spottglossen bezeichnet sind: unter der allgemeinen Rubrik von alten Ablaßbriefen ward denselben keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Dazu kam, daß diese Urkunden zum größten Theile nicht datirt sind und die Bestimmung der Zeit ihrer Ausstellung früher bei dem Mangel an lebhaftem Gelehrtenverkehr und an ausgedehnter Urkundenforschung äußerst schwierig, ja fast unmöglich war. Es giebt wenigstens 12 Urkunden, welche über die Gräfin Audacia mit großer Bestimmtheit sprechen. Diese Gräfin Audacia muß eine sehr bekannte, fromme und thätige Frau gewesen sein, da sie so lange Zeit mit vielen, oft entfernten Klöstern in der engsten Verbindung stand; und da sich die Aeußerungen frommer Stiftungen an den verschiedensten Orten und Zeiten so oft wiederholen, so scheint ein Irrthum über ihre Person nicht möglich zu sein; überdies wird sie von verschiedenen Seiten so genau bezeichnet, daß eine Verwechselung undenkbar ist. Sie erscheint in Urkunden seit dem Jahre 1228 und ausdrücklich mit ihrem Namen seit 1235 bis zum Jahre 1271, und soll nach der Chronik erst im Jahre 1287 gestorben sein, so daß sie ihren Gemahl 60 Jahre überlebte! Sie wird in dieser Zeit fünf Male mit voll ausgeschriebenem Namen Audacia genannt und vier Male mit dem Anfangsbuchstaben A. ihres Namens bezeichnet; als ihr verstorbener Gemahl wird vier Male der Graf Heinrich von Schwerin und als ihr lebender Sohn der Graf Gunzelin bezeichnet; zum Unterschiede wahrscheinlich von ihrer Schwiegertochter wird sie drei Male die ältere Gräfin genannt.

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Rudloff Mekl. Gesch. II., S. 27, hält die Audacia für die erste Gemahlin des Grafen Heinrich, welche nach seiner Ansicht "noch 1218" lebte. "Gleichwohl" erscheint es ihm, S. 28, Note, wunderbar, daß sie noch 1241 lebte und endlich erst im Jahre 1287 starb, während, nach S. 29, die Gräfin Margarethe auch ihren Gemahl noch lange, bis 1246, überlebt haben soll.

Um in der Darstellung möglichst sicher zu gehen, wird es nöthig sein , die einzelnen urkundlichen Zeugnisse aufzuzählen und zu prüfen.

Merkwürdig ist es, daß des Grafen Heinrich Gemahlin, mag sie nun Margarethe oder Audacia geheißen haben, in den letzten Zeiten seines Lebens eine ungewöhnliche Rolle in der Welt gespielt zu haben scheint.

Als am 16. Februar 1227, kurz vor dem letzten entscheidenden Kampfe gegen die dänische Uebermacht, der Herzog Albert von Sachsen dem Grafen Heinrich von Schwerin die Belehnung mit seinen Landen erneuerte, verlieh er die Lande "dem Grafen, seiner Gemahlin und ihren Erben" ("comiti memorato, uxori sue ac heredibus eorumdem"). (Vgl. Orig. Guelf. III., Praef, p. 59, und Pötker Samml. St. 2, S. 14.) Eben so bestätigt im Jahre 1228 der Herzog Otto von Braunschweig nach dem Tode des Grafen Heinrich bei seiner Entlassung aus der Gefangenschaft "dem Grafen Gunzelin, seiner Mutter und Schwester" ("G. comiti Zwerinensi et matri sue et sorori") die Güter, welche des Grafen Vorfahren von den Herzogen von Braunschweig zu Lehn getragen haben (vgl. Jahrb. XXV., S. 154). Und am 3. December 1228 verlangt der Papst Gregor IX. von der Wittwe des Grafen Heinrich ( " nobili mulieri relicte quondam H, de Zuerin") die Freilassung der von ihr noch gefangen gehaltenen Fürsten. (Vgl. Orig. Guelf. IV., Praef. p. 90.)

1) Eine gleiche Stellung nimmt die Gräfin ein, als sie im Jahre 1231 (oder 1232) in einer merkwürdigen und wichtigen Urkunde der Aebtissin Osterlinde von Quedlinburg zuerst genannt wird. Die Aebtissin Osterlinde bezeugt der Gräfin von Schwerin und ihrem Sohne Gunzelin ("comitisse de Zucrio et filio suo Guncelino"), daß sie dieselbe mit der Vogtei Soltau und den andern Gütern, welche des Grafen Vater (,.pater eiusdem") von der Abtei zu Lehn gehabt habe, belehnen wolle, sobald sie sich persönlich dazu stellen könnten. Die Urkunde 1 ) ist nicht datirt und der Name Osterlinde ist nur


1) Vgl. Urk, Samml. Nr. I.
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mit dem Anfangsbuchstaben O bezeichnet; dieser kann aber nur Osterlinde bezeichnen, da im 13. Jahrhundert keine ander Aebtissin in Quedlinburg ist, deren Name mit einem O anfängt; Osterlinde regierte aber nur 1231 - 1232. Daher kann die Gräfin von Schwerin, welche hier nicht mit Name genannt wird, nur die Wittwe (Audacia) des Grafen Heirich I. sein. Man hat aus den Worten dieser Urkunde, daß die "Gräfin und ihr Sohn die Güter, welche der Vater besessen" ("comitissa de Zuerin et filius suus Gunzelinus - bona, quae pater eiusdem dinoscitur tenuisse",), zu Lehn, empfangen könne, wohl schließen wollen, daß hier von dem Vater der Gräfin die Rede sei, indem man das Wort "eiusdem" auf die Gräfin bezog; es ist aber ohne allen Zweifel auf den Grafen Gunzelin zu beziehen und der Vater desselben darunter zu verstehen, also der Graf Heinrich I. von Schwerin, so daß die Stelle so übersetzt werden muß, daß

"die Gräfin von Schwerin und ihr Sohn Graf Gunzelin die Vogtei in Soltau mit den andern Güter, welche der Vater desselben von der Abtei bis dahin zu Lehn getragen, zu Lehn empfangen könne."

Man hat ferner bei der Erklärung unter der guedlinburgischen Vogtei Soltau die Schirmvogtei über die ganze Abtei Quedliburg verstanden, und da diese in der Zeit 1183-1237 erweißlich in den Händen der Grafen von Falkenstein war, schließen zu müssen geglaubt, die Gräfin von Schwerin sei eine geborne Gräfin von Falkenstein gewesen. Diese Erklärungen sind aber alle falsch. Die Grafen von Schwerin waren nicht Besitzer eines Theiles der Schirmvogtei der Abtei, sondern Lehnträg der Abtei Quedlinburg gehörenden Vogtei (des Amtes) Soltau, welche schon der Kaiser Otto I. im Jahre 937 der Abtei schenkte und welche aus der Stadt und dem Hofe Soltau (westlich von Uelzen) und 16 umliegenden Bauerschaften und andern Einkünften und Gütern bestand; vgl. von Hammerstein's Besitzungen der Grafen von Schwerin, zu Regeste 53-56, S. 100 und 117. Es war bisher unbekannt, daß die Grafen von Schwerin im Besitze von Soltan gewesen waren. Der Minister von Hammerstein entdeckte (a. a. O. Regeste 52 - 56, S. 57 flgd.), daß die Abtei Quedlinburg im Jahre 1304 die Vogtei Soltau, so wie die Grafen von Schwerin sie besaßen, an das Dom=Capitel zu Verden verkaufte, so daß die Grafen von Schwerin fernerhin das Lehn von dem Dom=Capitel zu Verden empfangen sollten. Am 15. Februar 1321 verkauften die Grafen von Schwerin auch das Lehn der Vogtei, welches die Grafen seit alter Zeit von der Abtei Qued=

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linburg gehabt hatten, an das Dom=Capitel zu Verden und wiesen die Lehnleute an dasselbe (vgl. Sudendorf's Hannov. Urkundenbuch I., S. 196), Damit kam der ganze Besitz aus den Händen der Grafen von Schwerin. Das Dom=Capitel zu Verden verkaufte im Jahre 1479 die Vogtei Soltau wieder an den Herzog Heinrich den jüngern von Braunschweig=Lüneburg. Die Grafen von Schwerin waren also sicher in älterer Zeit Besitzer der Vogtei Soltau, und die Urkunde der Aebtissin Osterlinde von 1231 - 1232 beweiset, daß schon der Graf Heinrich I., also vor 1228, Besitzer der Vogtei war, welche hiernach muthmaßlich schon der erste Graf Gunzelin I. besessen hatte. Daher mag es auch wohl kommen, daß schon im Jahre 1174 die Aebtissin Adelheid von Quedlinburg den Grafen Gunzelin I. von Schwerin zu den "Magnaten des Landes" ("magnatibus terrae") zählt (vgl. von Hammerstein a. a. O. Regeste 2, S. 32).

Aus diesen wiederholten Belehnungen der Gräfin und ihres Sohnes scheint sicher hervorzugehen, daß der Graf Gunzelin, der einzige männliche Sproß des Hauses, im Jahre 1231 noch minderjährig war, wie auch die vier Herren von Meklenburg zum Theile noch unter Vormundschaft standen. Als am 30. October 1230 die Fürsten von Meklenburg,oder vielmehr deren Vormundschaft unter dem Vormundschaftssiegel ihre Schwester Margarethe dem jungen Grafen Gunzelin verlobten (vgl. Rudloff Urk. Lief. Nr. V., S. 19), ward ausdrücklich bestimmt, daß der eben volljährig gewordene Fürst Johann von Meklenburg Vormund des Grafen Gunzelin sein solle (" tutor comitis erit"). Dies stimmt auch ganz dazu, daß der Graf in diesen Jahren in Lehnsgeschäften immer mit seiner Mutter erscheint. Man hat diese Stelle wohl anders deuten wollen und gemeint, unter dieser Bevormundung ("tuitio") müsse eine Schirmherrschaft verstanden werden; aber die Grafen von Schwerin, als solche, bedurften nicht der Schirmherrschaft der meklenburgischen Herren, und diese waren jeder selbst nicht kräftiger und älter, als der junge Graf; da dieser immer von seiner Mutter geführt wird, so kann hier nur von einer Altersvormundschaft die Rede sein, welche wohl mehr von den gewiegten Vormundschaftsräthen der meklenburgischen Fürsten, als von diesen selbst ausgeübt ward.

2). Nicht lange darnach tritt die Gräfin Audacia in ein helleres Licht Das Nonnenkloster Uetersen in Holstein war im Jahre 1235 gestiftet. Diesem neu gestifteten Kloster schenkte die Gräfin A. noch zur Zeit des ersten Propstes Gottschalk und der ersten Priorin Elisabeth, also sicher nicht lange nach

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dem Jahre 1235, einen Kelch, und das Kloster nahm dafür ihren verstorbenen Gemahl Grafen H einrich, den Befreier Holsteins, in die Fraternität auf und trug dessen Namen und Sterbetag unter dem 17. Februar (XIV., kal, Martii, mit Rücksicht auf das Jahr 1228) in den Kalender des Klosters ein 1 ). Anßerdem nahm das Kloster auch die Gräfin selbst, ihren Sohn Gunzelin und ihre Tochter Mechthild' eine Gräfin von Gleichen, in die Fraternität auf. Die Gräfin Audacia wird hier von einem Kloster, welches ohne Zweifel ganz sichere Kenntniß von dem Hause der Grafen von Schwerin hatte, genan als die Wittwe des Grafen Heinrich und als die Mutter des Grafen Gunzelin bezeichnet; und hatte eine bisher unbekannte Tochter Mechthild, welche ungefähr 10 Jahre nach dem Tode des Grafen Heinrich schon veirathet war. Die Gräfin Audacia wird in dieser Urkunde die ältere Gräfin ("senior comitissa") genannt, wie sie auch späterhin öfter wegen ihres Alters so genannt wird. Es ist aber in Rücksicht auf die vorliegende Urkunde ungewiß, ob sie im Gegensatze zu ihrer Tochter oder zu ihrer Schwieger tochter die ältere Gräfin genannt wird; im letztern Falle wäre ihr Sohn Gunzelin schon um das Jahr 1235 vermählt gewesen.

3) Die Gräfin Audacia hatte aber außerdem noch vier Töchter. Die Gräfin war nach den Beziehungen zu vielen Klöstern eine sehr fromme, angesehene Frau. Sie hatte aber auch das Franziskanerkloster zu Schwerin gebauet Dies wird in Detmar's lübischer Chronik ausdrücklich zum Jahre 1287 von ihr berichtet : "de int Zwerin buwede dat closter der barvoten brodere". Die Stiftung geschah im Verhältniß der Verbreitung des Ordens sehr früh; es ist nicht wahrscheinlich , daß schon ihr Gemahl der Graf Heinrich das Kloster sollte gebauet haben, da bei seinem Leben der Franziskanerorden erst in seiner ersten Entwickelung stand. Es ward aber schon bei seinem Leben Geld dazu gesammelt, indem ein Dritttheil von den Opfergaben zu dem im Jahre 1222 von dem Grafen Heinrich dem Dome zu Schwerin geweiheten Heiligen Blute zum Bau eines Klosters, des nachmaligen Franziskanerklosters zu Schwerin, bestimmt ward (vgl. Jahrb. XIII., S. 153). Die Gräfin Audacia wird daher sicher als Erbauerin des Klosters anzusehen sein. Dies wird auch durch eine Urkunde vom 24. April 1236 bestätigt, durch welche der Minister des Franziskanerordens für Deutschland zu Erfurt den


1) Vgl. Urk. Samml. Nr, III,
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Brüdern in Schwerin die Erlaubniß giebt, der Gräfin und ihren vier Töchtern auf ihren Wunsch die Beichte zu gewähren , die Sacramente zu ertheilen und das Begräbniß auf ihrem Kirchhofe zu gönnen 1 ). Dies geschah ohne Zweifel ausnahmsweise mit Rücksicht darauf, daß die Gräfin die eigentliche Gründerin des Klosters war. Als Stifterin ward sie späterhin, nach Deitmar's lübischer Chronik, auch "im Chore desselben Klosters begraben".In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts wird das Begraben in den Kirchen noch nicht allgemein Sitte gewesen sein. Die Stiftung des Klosters zu Schwerin hängt wahrscheinlich mit der Vermählung ihrer einen Tochter mit einem Grafen von Gleichen zusammen. Der Franziskaner=Minister Johannnes sagt in der Urkunde zu Erfurt, daß die Gräfin mit ihren vier Töchtern zu ihm gekommen sei ("accessit ad nos") und ihm ihre Bitte vorgetragen habe. Die Grafen von Gleichen wohnten aber bei Erfurt und hatten ihr Begräbniß in dem Kloster auf dem Petersberge vor Erfurt; vgl. Mooyer Nekrolog des Klosters auf dem Petersberge vor Erfurt, im Bericht der deutschen Gesellschaft zu Leipzig, 1840, S. 22. Daß die Gräfin noch 4 Töchter, außer der Mechthild, hatte, läßt sich wohl nicht bezweifeln, da der Franziskaner=Minister sagt, daß die "Gräfin Audacia mit ihren 4 Fräulein'' ("cum IIII eius domicellis") zu ihm gekommen sei und er diesen "Damen" (" predictis dominabus" ) die erbetene Gunst gewährt haben wolle. Unter diesen "domicellae" (Fräulein) sind unverheirathete Damen zu verstehen, welche in jüngern Zeiten "Fräuchen" (vrouchen) genannt wurden; die Gräfin hatte also im Jahre 1236 noch 4 unverheirathete Töchter, da Mechthild zu jener Zeit wahrscheinlich schon vermählt war; es ist aber auch möglich, daß die Urkunde des Klosters Uetersen nach dem 14. September 1236 ausgestellt ist und Mechthild damals noch nicht vermählt war.

4) Wahrscheinlich gingen einige von den Töchtern der Gräfin in Klöster, da im 13. Jahrhundert gewiß sehr viele Nonnenklöster von fürstlichen Vorsteherinnen regiert wurden, wenn ihr Vatersname und ihre Herkunft in diesem Jahrhundert auch nur selten genannt werden. Daher mag es denn auch wohl gekommen sein, daß das entfernte Kloster Harste bei Osnabrück, welches hier nur höchstens 1232-1246 bestand, um das Jahr 1240 den Grafen Gunzelin und dessen


1) Vgl. Urk. Samml. Nr, II.
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Mutter Audacia in die Fraternität aufnahm 1 ).In dieser Urkunde wird die Gräfin nur mit dem Anfangsbuchstaben A. ihres Namens genannt.

5) Im Jahre 1240 tritt die Gräfin Audacia in der Grafschaft handelnd auf, indem sie am 28, December 1240 (nicht 1241, da das Jahr mit Weihnacht begann,) der Pfarre zu Retgendorf 2 Hufen in dem ihr gehörenden Dorfe Retgendorf schenkte 2 ). In dieser Urkunde, welche noch in einem Original=Transsumte vorhanden ist, wird sie mit vollem Namen als " Audacia Gräfin von Schwerin, Mutter des Grafen Gunzelin" ("nobilis domina Audacia comitissa Suerinensis, mater comitis Guncelini",) bezeichnet.

6) Am 25. Junii 1246 schenkte der Graf Gunzelin dem Kloster Reinfelden die Freiheit der Dörfer Lübesse und Uelitz, und Zeugin dieser Schenkung war seine Mutter Audacia ("Audacia mater nostra"). Wenn nun auch die Form dieser Urkunde, wie vieler anderer Urkunden des Klosters Reinfelden, falsch ist, so wird sich doch gegen den Inhalt der Urkunde nichts Erhebliches einwenden lassen.

7) Von nicht größerem Gewicht ist die Urkunde vom 1.November 1246, durch welche die Gräfin mit ihrem Sohne Gunzelin (? "comitissa filiusque eius G. comes in Zuerin") dem Kloster Zarrentin den ersten Grundbesitz schenkt und das Kloster stiftet. In dieser nur in einer flüchtigen Abschrift vorhandenen Urkunde wird die Gräfin nur mit dem Anfangsbuchstaben ihres Namens genannt, welcher aber mit einigen senkrechten Strichen so undeutlich geschrieben ist, daß sich eben so gut ein A., als ein M. herauslesen läßt. Rudloff hat daher in seiner Meklenb. Geschichte II., S. 29, ohne allen Zweifel Unrecht, wenn er den Namen Margarethe herauslesen und schließen will, daß die "Gräfin Margarethe ihren Gemahl noch lange überlebt" habe.

8) Als der Graf Gunzelin am 27. September 1248 demselben Kloster Zarrentin das Dorf Schönlo und 4 Hufen in Holthusen überwies, that er dies zugleich mit seiner Mutter ("simul cum matre nostra"), welche jedoch nicht mit Namen genannt wird.

9) In einer datirten Original=Urkunde des rügenschen Cistercienser=Mönchsklosters Neuen=Camp (jetzt Franzburg in Vorpommern), welches in Meklenburg sehr viele Besitzungen erwarb und gewiß mit allen Verhältnissen und Personen sehr


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. IV.
2) Vgl. Rudloff Urk. Lief. Nr. IX., S. 31.
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vertraut war, wird aber die Gräfin Audacia ganz bestimmt und klar bezeichnet. Am 6. Januar 1258 ertheilte dieses Kloster der "Gräfin Audacia von Schwerin" ("Audatie comitisse de Zwerin") und ihrem "verstorbenen Gemahle Grafen Heinrich" ("Heinrico comiti viro vestro iam defuncto") die Fraternität 1 ).

10) Auch das nahe an die Grafschaft Schwerin grenzende Nonnenkloster Rehna nahm die Gräfin Audacia und alle die Ihrigen, lebende und gestorbene, um das Jahr 1260 in die Fraternität auf und nennt sie in der Original=Urkunde 2 ) "die ältere Gräfin von Schwerin" ("domina A. comitissa senior de Zverin'').

11) Das große Cistercienser =Mönchskloster Eldena oder Hilda bei Greifswald hatte auch die "ältere Gräfin von Schwerin" ("illustri femine comitisse seniori seu maiori in Zuerin") in die Fraternität aufgenommen und die Gräfin dem Kloster bei dieser Gelegenheit einen Kelch versprochen. Als nun die Mönche um das Jahr 1264 ihr neu erbauetes Kloster bezogen ("nouum nostrum monasterium nunc intrauimus" ), erinnerten sie die Gräfin an ihr Versprechen 3 ) und boten ihr einen besondern Altar in der Klosterkirche an.

12) Auch das Kloster Neumünster in Holstein, nahe bei dem Schlachtfelde von Bornhövd, ertheilte um das Jahr 1265 der "verwittweten Gräfin Audacia" ("domine A. cometisse quondam Zwerinensi") und ihrem verstorbenen Gemahle Heinrich und dem jüngst verstorbenen jüngern Grafen Heinrich ( "pierecordationis comitibus defunctis Henrico seniori et H. juniori" ) die Fraternität 4 ).

13) Die Gräfin Audacia lebte lange; es wird urkundlich bezeugt, daß sie sicher noch im Jahre 1267 lebte. Am 18. August 1267 bewilligten Gunzelin und sein Sohn Helmold Grafen von Schwerin den Geistlichen des Landes Wittenburg das Gnadenjahr und die Befugniß der freien Testamentserrichtung, machten dabei jedoch zur Bedingung, daß die Geistlichen jährlich an den Sterbetagen der Grafen von Schwerin in Wittenburg zusammenkommen und das Gedächtniß derselben feiern sollten, namentlich an dem Sterbetage des verstorbenen Vaters des Grafen Gunzelin, des Grafen Heinrich, und seines verstorbenen Sohnes Heinrich ("in anniuersario patris


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. V.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. VI.
3) Vgl. Urk. Samml. Nr. VII.
4) Vgl. Urk. Samml. Nr. VIII.
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nostri comitis H. defuucti, necnon et filii nostri H. bone memorie" ) und eben so nach dem Tode "sein er noch lebenden Mutter" ("similiter post decessum matris nostre adhuc uiuentis").

14) Und wirklich lebte die Gräfin Audacia noch länger, indem um das Jahr 1270 das Kloster zum Heil. Kreuz bei Braunschweig in Anerkennung der vielen guten Werke der Gräfin, nach Bericht der "geistlichen Frau Armgard" (vielleicht einer Tochter der Audacia?), der "Gräfin Audacia von Schwerin" ("cometisse Audatie in Zwerin") die Fraternität ertheilte und dieselbe auch der Seele ihres "verstorbenen Gemahls ( "anime domini Heinrici mariti uestri") zu Theil werden ließ 1 ).

15) Die Gräfin Audacia soll nach Detmar's lübischer Chronik erst im Jahre 1287 gestorben sein und ward im Chore des von ihr gestifteten Franziskanerklosters in Schwerin (an der Stelle des jetzigen Collegiengebäudes) begraben. Detmar sagt: "In deme sulven iare (1287) do starff de erbare vrowe "audacia, ene grevinne to zwerin, en moder greven gunselines van zwerin, de in dersulven stad buwede dat closter der barvoten brodere, vnde is begraben in dem chore dessulven closters." - Diese Nachricht war zuerst beim Jahre 1270 in acht Reihen in die Chronik so eingetragen, wie sie hier mit getheilt ist, ist aber beim Jahre 1270 ausradirt und dem Jahre 1287 eingefügt. - Es ist also wohl ziemlich sicher, daß die Gräfin Audacia erst im Jahre 1287 gestorben ist, obgleich urkundliche Nachrichten darüber gänzlich fehlen.


Nach diesen rein urkundlichen Nachrichten ist es nun unzweifelhaft, daß die Wittwe des Grafen Heinrich I. von Schwerin und die Mutter des Grafen Gunzelin III. Audacia hieß, und nach Chroniken von des Grafen Tode 1228 bis 1287, oder nach sichern Original =Urkunden von 1230 bis 1270, also wenigstens 42 Jahre, nach der Chronik gegen 60 Jahre lang, ihren Gemahl überlebte. Es läßt sich durch nichts bestreiten, daß die den Grafen Heinrich überlebende Gemahlin Audacia hieß und daß sein Sohn Gunzelin war, welcher eben so bestimmt wieder ein Sohn der Audacia genannt wird


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. IX,
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Da nun die Audacia zwei Söhne und wenigstens vier Töchter hatte, von denen die eine schon im Jahre 1236 verheirathet gewesen zu sein scheint, so muß Audacia mit dem Grafen Heinrich schon zu der Zeit vermählt gewesen sein, als sich der Kampf mit dem Könige Waldemar von Dänemark entwickelte.


Hiemit scheint eine Urkunde vom Jahre 1218 übereinzustimmen. Am Sonntage Jubilate (6. Mai) 1218 schenkten 1 ) der Graf Heinrich von Schwerin und seine Gemahlin Audacia ( "Hinricus comes Swerinensis, necnon Audacia eiusdem comitis vxor") dem Benedictinerkloster von Stade eine jähr liche Hebung von 9 Scheffeln Erbsen und 12 Schillingen aus drei Hufen in Vellahn, und am 6. März 1327 bestätigte 2 ) der Graf Gunzelin VI, diese von seinen Vorfahren, nämlich dem Grafen Heinrich und dessen "Gemahlin Audacia", gemachte Schenkung. Nach der Urkunde vom Jahre 1218 machte der Graf Heinrich diese Schenkung aus Verehrung gegen das von ihm "daselbst" dargebrachte heilige Blut des Herrn ("ob reurenciam sacri cruoris dominici per nos ibidem oblati " ). Ich habe in den Jahrbüchern S. 320 und 165 annehmen zu müssen geglaubt, daß man diese Stelle auf das berühmte, im Jahre 1222 von dem Grafen Heinrich dem Dome zu Schwerin dargebrachte Heilige Blut beziehen müsse. Die Bezeichnung durch das "daselbst (ibidem) dargebrachte Heilige Blut" ist aber etwas dunkel, da in der Urkunde diesem Ausdrucke keine andere Ortsbezeichnung voraufgeht, als der Name Schwerin in dem Titel des Grafen ("comes Swerinensis"). Aber eine solche entfernte Beziehung läßt sich wohl schwerlich rechtfertigen; vielmehr könnte man sich veranlaßt fühlen, den Ausdruck auf den ganzen Inhalt der Urkunde, auf Stade, zu beziehen und anzunehmen, daß der Graf auch nach Stade ein Heiliges Blut geschenkt habe; es würde auch sonst schwer zu erklären sein, warum er gerade in Stade eine Stiftung sollte gemacht haben, um das Heilige Blut in Schwerin zu verehren. - Da nun auch bis dahin allgemein angenommen ward, daß der Graf Heinrich zwei Gemahlinnen gehabt habe, von denen die erste Margaretha, welche noch im Jahre 1222 gelebt haben soll, die zweite Audacia genannt wird, so schien


1) Vgl. Jahrb. XIII., S. 319.
2) Vgl. Jahrb. XIII., S. 324.
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es mir sehr wahrscheinlich, daß das Datum dieser wichtigen Urkunde falsch sei und daß man 16. April 1228 statt 6. Mai 1218 lesen müsse, um so mehr, da nach der Bestätigungsurkunde des Grafen Gunzelin VI. vom 6. März 1327 die Original=Schenkungsurkunde damals schon durch Alter ver gangen war.

Aber da die Bezeichnung des Aufbewahrungsortes des Heiligen Blutes in dieser Urkunde sehr dunkel ist, auch schon im Jahre 1220 ein "Sacrament Jesu Christi" im Dome zu Schwerin aufbewahrt ward (vgl. Jahrb. XIII., S. 315), vorzüglich aber da die Gräfin Audacia längere Zeit vor dem Tode des Grafen Heinrich mit demselben vermählt gewesen sein muß, so liegt kein dringender Grund vor, an der Ausstellung der Urkunde für Stade im Jahre 1218 zu zweifeln, und man muß einstweilen dieses Datum als ächt betrachten. Dazu kommt noch, daß der Graf Heinrich wahrscheinlich schon am 17. Februar 1228 starb. Wenn aber diese Urkunde aller Wahrscheinlichkeit nach ächt und im Datum sicher ist, so würde die Gräfin Audacia als Gemahlin des Grafen Heinrich bis wenigstens in das Jahr 1218 zurückreichen.


Nach diesen urkundlichen Ausführungen würde die Gräfin Audacia sicher von 1218 - 1270, also 52 Jahre, oder nach der Chronik gar bis 1287, also 69 Jahre, als Gemahlin und Wittwe des Grafen Heinrich gelebt haben. Nimmt man die Angabe der lübeker Chronik, daß die Gräfin Audacia erst im Jahre 1287 gestorben sei, als richtig an, so würde die Gräfin wenigstens 90 Jahre alt geworden sein. Da aber in der Chronik bei der Angabe ihres Sterbejahres radirt ist und dasselbe ursprünglich in das Jahr 1270 gesetzt gewesen ist, so mag dieses, in Uebereinstimmung mit dem letzten urkundlichen Auftreten der Gräfin, das richtigere sein. Und in diesem Falle würde die Lebensdauer der Gräfin auf 70 bis 80 Jahre anzuschlagen sein.


Wenn nun die Gräfin Audacia als Gemahlin des Grafen Heinrich von Schwerin gesichert ist, so ist die Frage nach der Margaretha, welche desselben Grafen Gemahlin gewesen sein soll. Die Gräfin Audacia erscheint in zahlreichen Originale=Urkunden gleich nach dem Tode des im Jahre 1228 verstorbenen

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Grafen Heinrich als dessen Wittwe und als Mutter des Grafen Gunzelin sehr lange Zeit, sicher 1230-1270; es scheint auch keinem Zweifel unterworfen zu sein, daß Audacia schon 1218 des Grafen Gemahlin war. Es ist ohne Zweifel sicher, daß der Graf sie als Wittwe bei seinem Tode hinterließ. - Die Gräfin Margarethe erscheint dagegen nur in zwei Urkunden aus den beiden letzten Lebensjahren des Grafen, 1227-1228, von denen die letzte am Tage vor dem Tode des Grafen ausgestellt ist, und diese beiden Urkunden sind nur in Abschriften vorhanden. Eine dritte im Originale vorhandene lübeker Urkunde, ungefähr vom Jahre 1226, nennt nun zwar die Margarethe, aber nicht als Gemahlin des Grafen, sondern nur als "Gräfin von Schwerin", obgleich in derselben Urkunde der Graf Gunzelin als " Sohn des Grafen Heinrich" bezeichnet wird. Da in derselben Urkunde Heinrich den Gunzelin seinen Sohn nennt, so würde er ohne Zweifel die Margarethe seine Gemahlin genannt haben, wenn sie es gewesen wäre.


Ich trage daher kein Bedenken, anzunehmen, daß die Gräfin Margarethe gar nicht des Grafen Heinrich Gemahlin war und daß der Graf Heinrich nur eine einzige Gemahlin Namens Audacia hatte, und daß damit alle Fabeln, welche die ältern Geschichtschreiber mit lebhaften Farben ausmalen, in nichts zusammenfallen. Dagegen wird die Gräfin Audacia fortan als eine hervorragende Persönlichkeit in ein viel helleres Licht treten.


Von großer Wichtigkeit für die ganze Begebenheit ist die Beantwortung der Frage, woher die Gemahlin des Grafen Heinrich von Schwerin, welche nach den voraufgehenden Darstellungen nur Audacia gewesen sein kann, stammte.

In dem Vertragsentwurfe vom 24. September 1223 wird "die Mutter der Gemahlin des Grafen Heinrich von Schwerin eine Frau von Zlawin" genannt ("mater uxoris H. de Zwerin domina de Zlawin").

Diese wird eine ostpommersche Fürstin gewesen sein. Die Geschichte der Fürsten von Ostpommern ist noch sehr dunkel, jedoch ist sie in den neuesten Zeiten doch so viel urkundlich bearbeitet, daß sie sich einigermaßen übersehen läßt; vgl. die Uebersichten von Quandt in den Baltischen Studien, XVI.,

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1, 1856, S. 97 flgd. und 2, 1857, S. 41 flgd. Im Jahre 1178 treten hier zuerst zwei Brüderpaare hervor, Sambor und Mestwin (wahrscheinlich Subislavs, † 1178, Söhne), Grimislav und Martinus, von denen Sambor in Danzig, Mestwin in Belgard residirte. Sambor hatte 1178 mehrere Kinder, namentlich einen Sohn Subislav. Mestwin hinterließ vier Söhne, Swantopolk († 1266), Wartislav, Sambor und Ratibor. Die jetzigen Kreise Schlawe, Stolp, Rummelsburg, Bütow u. s. w. erwarb erst Swantopolk zu der ostpommerschen Herrschaft (vgl. Ouandt a. a. O. 1, S. 98 flgd.). Von dieser Burg Schlawe, welche in den ältesten Zeiten oft Slawena, Schlawena oder Z1awin genannt wird, wird nun die Mutter der Gräfin ihren Titel führen; es ist aber auch möglich, daß sie von dem westlichen Theile von Ostpommern, von Kassubien, zu welchem Zlawena gehörte, betitelt war, da auch der westliche Theil des Landes Slawinia, d. i. Wenden, genannt wird (vgl. Quandt a. a. O., 2, S. 63 flgd.). Wenn sich nun auch noch nichts beweisen läßt, so ist es doch mehr als wahrscheinlich, daß die "Frau von Zlawin" eine ostpommersche Fürstin war. Diese wird dieselbe sein, welche um das Jahr 1221 unter der Bezeichnung "Dominade Zlauene" als Zeugin in einer pommerschen Urkunde (Dreger Cod. Pom., p. 99) aufgeführt wird, und es ist nicht unmöglich, daß sie die "Dobroslava de Slauna" war, welche 1200 als eine Schwester des Boguslav von Schlawe genannt wird (vgl. Dreger p. 67 und Rosegarten Cod. Pom. I., p. 193). Dies wird zunächst durch die Rolle, welche sie in der dänischen Angelegenheit spielt, wahrscheinlich gemacht.

In dem Vertragsentwurfe vom 24. September 1223 wird auch festgesetzt,

"daß der Mutter der Gemahlin des Grafen Heinrich von Schwerin, der Frau von Zlawin, die ihr rechtmäßig gehörenden Güter und die Erbschaft, welche der König von Dänemark bis dahin mit Gewalt besetzt und in Besitz gehalten hatte, wieder zurückgegeben oder ihr für ihr Erbe zum Ersatz 2000 Mark gezahlt werden sollen,"
("Item matri uxoris comitis H. de Zwerin, domine de Zlawin, dominus imperator et dominus rex bona et hereditatem suam ad ipsam de iure spectantia, que rex Dacie hactenus per violentiam occupata detinuit, restitui facient aut pro ipsa hereditate in restaurum ei duo milia marcarum persoluent").

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Dasselbe wird in dem Vertrage über die Freilassung des Königs Waldemar vom 4.Julii 1224 bestimmt:

"Item rex matri uxoris comitis Heinrici terram eius restituet vel duo milia marcarum dabit."

Das Land, welches der König Waldemar der Schwiegermutter des Grafen entrissen hatte, wird nun ohne Zweifel in den südlichen Ostseeländern zu suchen sein, und es stimmt zu unserer Annahme, daß der König um das Jahr 1210 auch die Burg Danzig mit deren und andern ostpommerschen Ländern in Besitz genommen hatte. Die angedeutete Herkunft der Frau von Slavinien wird dadurch nicht wenig unterstützt, daß ihre eine Enkelin, Tochter der Audacia, eine Gräfin von Gleichen war. In Pommern werden 1267 ein Graf Heinrich von Gleichen und dessen Sohn Heinrich und Töchter genannt (vgl. Dreger Cod. Pom., p. 525, Gruber Orig. Liv., p 250) und der Bischof Hermann von Camin (1249-1288) wird auch ein Graf von Gleichen gewesen sein. Andere Grafen von Gleichen wohnten in jener Zeit in Dänemark (Neue Zeitschrift des thüring. sächs. Vereins, I., H. 3, 1832, S. 29 flgd.). Ein Graf Ernst von Gleichen erscheint öfter bei dem Könige Waldemar von Dänemark und dem Grafen Albert von Orlamünde und kommt noch im Jahre 1263 in einer doberaner Urkunde als Zeuge vor. Dieser könnte der Graf Ernst III. von Gleichen sein, über den die Fabel von seinen beiden Frauen erzählt wird, welche erst am Ende des 15. Jahrhunderts entstanden ist, wahrscheinlich nach einem Leichensteine, auf welchem der Graf Sigesmund I. († 1494) mit seinen beiden Frauen, die er hinter einander hatte, abgebildet ist.

Volle Bestätigung scheint die Herkunft der Frau von Schlawin durch die Vermählung des Grafen Helmold II. von Schwerin zu erhalten. Nachdem sich der Graf im Jahre 1287 mit der Prinzessin Margarethe von Süderjütland vermählt hatte, ward in ihm das Gewissen darüber rege, daß er mit seiner Gemahlin im vierten Grade verwandt sei, und suchte deshalb die päpstliche Dispensation, welche er auch fand (vgl. Schlesw. Holst. Lauenb. UB. I., S. 515 - 517). Dieser Grad der Verwandtschaft führt ebenfalls wieder auf Ostpommern als die Heimath der Gräfin Audacia, zurück, nach folgenden Stammtafeln:

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Stammtafel

Diese Stammtafeln werden durch die Abstammungen der Fürsten von Ost=Pommern und Rügen nach den Forschungen von Fabricius in den beiden, seinen Urkunden des Fürstenthums Rügen Th. III. am Ende beigegebenen Stammtafeln unterstützt.

So scheint es denn keinem Zweifel unterworfen zu sein, daß des Grafen Heinrich I. von Schwerin einzige Gemahlin Audacia und diese eine Tochter einer ostpommerschen Fürstin war.

In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts waren die Grafen von Schwerin noch weiter mit den ostpommerschen Fürsten verwandt, indem die beiden meklenburgischen Fürsten Pribislav von Richenberg mit den pommerschen Fürsten verwandt waren (vgl. auch Quandt a. a. O. II., S. 64 flgd.), Pribislav's I. Schwester Margarethe aber wieder an den Grafen Gunzelin III. von Schwerin vermählt war.


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So wichtig nun auch die hier gebotenen urkundlichen Zeugnisse sein mögen, so kann die vorstehende Darstellung doch nur als Andeutung dienen, daß noch ungemein viel für eine Sache, welche geschichtlich äußerst wichtig ist, gethan werden kann. Die Forschungen greifen aber so weit, daß sie die Arbeiten eines tüchtigen Gelehrten auf lange Zeit allein in Anspruch nehmen können, Es sollten hier aber die Zeugnisse aufgerufen werden, ohne welche eine tiefere Forschung unmöglich ist.

Die Sache ist schon früher in Bedenken gezogen, aber wegen Mangels an Urkunden nicht zum Schlusse gebracht. In der Monatsschrift von und für Meklenburg, Jahrg. II., 1789 Stück 1, S, 59, findet sich eine Abhandlung über die Gemahlin des Grafen Heinrich I. von Schwerin von B(ouchholt)z. Bouchholtz fühlt alle die Schwierigkeiten, welche nach den frühern Annahmen zu überwinden waren, sehr genau und kommt zu dem Schlusse, daß der Graf Heinrich nicht mehr als eine Gemahlin gehabt habe und daß die Gräfin Audacia oder Margaretha eine und dieselbige Person sein müsse, daß aber vielleicht Margaretha der Taufname der Gräfin, Audacia aber ein ehrender Beiname derselben Gräfin gewesen sei. Er hält dafür, daß die Frau von Zlawin eine vornehme Dame, Frauenzimmer von slavischer oder wendischer Abkunft und die Gemahlin, Audacia also die Tochter und Erbin eines einheimischen vornehmen Edelmannes gewesen sei, und daß das Dorf Slavikestorpe (jetzt Schlagsdorf) in der Pfarre Retgendorf' welche Audacia nach der Urkunde vom 28. December 1240 so sehr begünstigte, von der Frau von Zlawin den Namen erhalten habe, da dieses Dorf ohne Zweifel der alte Rittersitz des Vaters der Audacia und das erste und vornehmste unter den Gütern in der diesen Frauen gehörenden Pfarre Retgendorf gewesen sei. Diese Ansichten sind als solche, welche ohne Urkundenmittel vorgebracht sind , allerdings ganz geistreich, lassen sich aber unter keiner Bedingung halten und bedürfen keiner Widerlegung. - Eben so unhaltbar sind viele andere Erfindungen, z. B. von der Scheidung des Grafen von seiner entehrten Frau und einer darauf eingegangenen zweiten Vermählung. Die Geschichte der Margarethe ist allerdings noch dunkel genug, so sehr auch das Leben der Audacia an Klarheit gewonnen haben mag.


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Urkunden.


Nr. I.

Die Aebtissin Osterlinde von Quedlinburg verspricht, die Gräfin von Schwerin und ihren Sohn Guncelin persönlich mit der Vogtei Soltau belehnen zu wollen, und verheißt denselben einstweilen den ungestörten Besitz der Güter.

(1231 - 1232.)

O. dei gratia Quidelingeburgensis abbatissa omnibus hoc scriptum audituris salutem in domino. Recognoscimus et presentibus litteris protestamur, quod nos dominc comitisse de Zuerin et filio suo comiti Guncelino aduocatiam totam in Saltowe cum aliis bonis, que pater eiusdem ab ecclesia nostra iuste dinoscitur tenuisse, cum ad nos presentialiter uenire potuerint, porrigere tenebimur in feodo et eis ad hoc teneri bona promittimus uoluntate, indulgentes eisdem, ut medio tempore libere possideant illa bona et ipsis utantur quiete, donec se nostro conspectui representent, predictum a nobis feodum recepturi. Et ne ulla super hiis possit dubietas exoriri, presentes litteras sigillo nostro signatas prefatis personis ad cautelam transmisimus habundantem.

Auf Pergament, in einer cursivischen Minuskel des 13.Jahrhunderts, im H. Archive zu Schwerin. Das Siegel ist von dem Pergament streifen abgefallen.
Die quedlinburger Aebtissin O. war Osterlindis, welche nach Erath Codex diplomaticus Quedlinburgens., Frankf. 1764, Fol., 1231-1232 regierte. Noch im Jahre 1231 (indictione tertia) war Kunigunde Aebtissin (vgl. Erath Nr. LI.). Aber schon am 1. August 1231 (indictione IV.) erscheint "Osterlindis" als Aebtissin (vgl. Erath Nr. LII., p. 152) und ferner im Jahre 1231

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noch zwei Male (vgl. Erath Nr. LIII. und LIV.) Sie erscheint zuletzt am 1. und 12. März 1232 (vgl. Erahth Nr. LV. und LVI.). Im Jahre 1233 (indictione sexta) war schon Gertrud Aebtissin, welche auch 1234 und 1236 vorkommt. Eine andere Aebtissin, deren Namen mit D anfängt, findet sich im 13. Jahrhundert in Quedlinburg nicht. Die Urkunde muß also 1231 - 1232 ausgestellt sein.


Nr. II.

Der Minister des Franziskanerordens in Deutschland gestattet der Gräfin Audacia von Schwerin und ihren vier Fräulein (Töchtern) Beichte, Abendmahl, letzte Oelung und Begräbniß im Franziskanerkloster zu Schwerin.

D. d. Erfurt. 1236. April 24.

Dilectis in Christo fratribus in Zwerin frater Jo., fratrum minorum Teutonie minister, salutem et eterna diligere toto corde. Accessit ad nos domina no bilis comitissa de Zwerin nomine A. cum IIII or eius dom icellis, rogans humiliter, ut post earum obitum optata eis a nobis concederetur in fratrum cimiterio sepultura, confessionem peccatorum suorum apud ipsos peragere et dominici corporis communionem pecipere, necnon et in unctionis sacramento se per ipsos desiderans premuniri. Cum igitur tam pie uoluntati benigno sit succurrendum consilio, rogamus et monemus attentius, quatenus predictis dominab us, dum tempus incubuerit necessarium, auctoritate nostra desiderata beneficia impendatis, dum tamen domini episcopi Zwerinensis litteram super hiis negotiis obtentam uobis potuerint demonstra[re]. Datum in Erphordia, anno domini M°CC°XXX°VI°, VIII. kalendas Maii.

Auf einem sehr kleinen, 4 1/2 Zoll langen und 2 1/2 Zoll breiten Pergamem, in einer sehr kleinen Cursivschrift des 13. Jahrhunderts, im H. Archive zu Schwerin. An einer dünnen Schnur von ungebleichten leinenen Fäden hängt ein parabolisches Siegel von geläutertem, auf der Oberfläche grünlichem Wachs. Im Siegelfelde steht auf einer Consele das Bild Johannis des Täufers, welcher ein Agnus Dei in den Armen hält; an jeder Seite der Figur steht eine heraldische Lilie. Umschrift:

Umschrift

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Nr. III.

Das Kloster zu Uetersen in Holstein dankt der ältern Gräfin A(udacia) von Schwerin für einen geschenkten Kelch und verleiht ihr, ihrem Sohne G(uncelin), Grafen von Schwerin, ihrer Tochter Mechthild, einer Gräfin von Gleichen, und ihrem verstorbenen Gemahle H(einrich) die Fraternität und die Versicherung von Fürbitten und Gedächtnißfeiern.

(1236.)

Venerabili et dilecte in Christo domine A. seniori cometisse in Zverin G. prepositus, E. priorissa totusque conuentus ancillarum Christi in Vtersten cum sincero affectu deuotas in Christo orationes. Pro affectu simul et dono, in calice misso nobis demonstrato, gra tiarum actiones multimodas vestre referimus donationi, cum deuotione deum omnium retributorem bonorum exorantes, ut in eterna uita hanc uicissitudinem vobis recom penset. Nos uero quod possumus fauoris vestre dignacioni ostendentes, dominum H. comitem Zverinensem bone memorie, vestrum quondam maritum, in nostram recepimus plenariam fraternitatem, nomen ipsius defuncti in nostro kalendario asscribentes XIIII kal. Martii, vt eidem in missis, vigiliis ceterisque orationibus et operibus bonis diebus continuis et annis singulis tanquam sororibus nostre congregationis mortuis faciamus. Preterea vos et dominum G. comitem Zverinensem, filium vestrum, et dominam Mechtil dem, filiam vestram, comitissam de Geligen, in eandem fraternitatem et easdem recepim us orationes, quamdiu uixeritis, et dum de vestra vel filii seu filie vestre morte constiterit nobis, que prescripta sunt de communi[on]e, uobis volenti animo et corde deuoto faciemus.

Auf Pergament, in einer etwas unsichern Minuskel des 13. Jahrhunderts, im H. Archive zu Schwerin. An einem aus der Charte geschnittenen Pergamentstreifen hängt aus geläutertem Wachs ein rundes Siegel mit dem Brustbilde der Jungfrau Maria mit dem Christkinde auf dem linken Arme und der Umschrift:

Umschrift

Ueber das Kloster Uetersen handeln: Falk Samml., aus den schlesw. holstein. Anzeigen, Tondern, 1824, Bd. 3, Heft 2; Seestern=Pauly Beitr. z. Kunde der Gesichte etc. . des Herzogthums Holstein, Schleswig, 1825, Bd. II, Nr. I, S. 440 flgd.; Kuß die

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vormaligen Nonnenklöster Cistercienser=Ordens in Holstein, in Falk Neuem staatsbürgerl. Magazin, Bd. II, Heft 3 flgd., S. 799 flgd. Am ausführlichsten ist aber gehandelt in Grube Otiis Jersbecensibus, einer Handschrift der schlesw. holstein. patriotischen Gesellschaft, worüber Seestern=Pauly ausführliche Nachricht giebt. Hier nach ward das Kloster Uetersen im Jahre 1235 gestiftet, und Gottschalk, früher Pastor in Crempe, 1235 von Heinrich v. Barmstedt, Stifter des Klosters, zum Propst berufen, welcher noch 1240 lebte; von da an bis 1315 fehlen Nachrichten über die Pröpste. Als Priorin wird 1235 Elisabeth genannt; bis 1328 fehlen Nachrichten über die Priorinnen. Am 10. Februar 1239 ward noch "Gadescalcus de Utersten prepositus" genannt in Schlesw. Holst Lauenb. Urk. Samml. I, S. 469, Nr. III. Die vorstehende Urkunde wird also in die Zeit bald nach dem Jahre 1235 fallen.


Nr. IV.

Das Kloster Harste bei Osnabrück verleiht dem Grafen G(uncelin) von Schwerin und dessen Mutter A(udacia) die Fraternität und bestimmt die Zahl der für beide festgesetzten guten Werke

(1240.)

Nobilibus ac dilectissimis in Christo, domino G. co miti Zvverinensi et domine A. matri sue, C. prepositus, M. abbatissa totusque conuentus sancte Marie uirginis in Harst orationum suarum perpetuam deuotionem. Nobilitati uestre tenore presentium innotescat, quod nos benigni tati uestre nobis exhibite condigne regratiari cupientes, in nomine domini in plenam uos collegimus fraternitatem, deuotissime deprecantes, ne hoc spirituale munus, quod summum in hac uita iudicamus, parui pendatis, quia scimus, tam in uita, quam in morte uobis maxime profuturum. Hec sunt orationes, que pro uobis uiuis fiunt a nostro conuentu: omni quarta feria specialis missa et omni sexta feria septem psalmi penitentiales, et duo psallteria singulis annis, exceptis aliis ora tionibus. Pro defunctis uero: in die primo deposicionis defuncti per totum annum integrum incipitur psalterium et singulis diebus finitur, et quelibet nostrum IIII or psalteria, et omni secunda feria missam defunctorum canimus. Duobus diebus ante Mathei incipimus tricenarium, in quo per totum ordinem decem psalteria leguntur, et quolibet die tres prebende dantur pauperibus, et quolibet die

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missa pro defunctis cantatur, usque ad festum Luce et omni sabbato psalterium incipitur et in eadem ebdomada legitur cum disciplinus corporalibus, exceptis aliis laboribus spiritualibus, qui pro eis fieri consueuerunt.

Auf einem kleinen Pergament in einer gedrängten, festen Minuskel, im H. Archive zu Schwerin. An einem Pergamentstreifen hängt ein parabolisches Siegel von grünem Wachs, von dem jedoch schon der obere und der untere Theil fehlt. Im Siegelfelde ist eine sitzende Figur der Jungfrau Maria mit dem Christkinde auf dem linken Schooße zu erkennen und von der Umschrift nur an der rechten Seite:

Umschrift

Das Kloster Harste, jetzt Haste, nahe bei Osnabrück, soll im Jahre 1232 von Giselbert von Harste gestiftet und im Jahre 1246 in das stille Thal von Rulle, einige Stunden von Osnabrück, verlegt sein, und führte seitdem den Namen Rulle. (Vgl. Westfäl. Beitr. 1777, S 45.). (Nach Müller's Gesch. von Ravensberg,1839, S. 42.). Nach der Sage ward das Kloster zu Harste durch einen Unglücksfall in Asche gelegt und deshalb "im Jahre 1244 nach Rulle verlegt und unter dem Propst Conrad, seligen Andenkens, und der Aebtissin Mechthilde bestätigt, daneben auch mit ein em sonderlichen Privilegio vom Papste Alexander bestätigt." ( Vgl. Die drei Legenden vom Kloster zu Rulle, in Mittheil. des histor. Vereins zu Osnabrück, Jahrg. I, 1848,S. 267.). Die vorstehende Urkunde wird also zwischen 1232- 1244 ausgestellt sein, da in dieser Zeit noch die erste Stiftung zu Harste genannt wird. Vgl. Möser's sämmtl. Werke, VII, III,146 f1gd , Sandhof Antistitum Osnabr. eccl. res gestae I, p. 267 , wo auch Conrad und Mechthild vorkommen.


Nr. V.

Das Kloster Neuen=Kamp ertheilt der Gräfin Audacia von Schwerin und ihrem verstorbenen Gemahle Heinrich die Fraternität.

D. d. 1258. Januar 6.

Nobili domine Audatie comitisse de Zwerin frater A. dictus abbas Noui Campi orationum suarum par ticipium cum salute. Exigente pie deuotionis affectu, quem habetis ad ordinem nostram et specialiter ad domum nostram, concedimus uobis et Heinrico comiti, uiro uestro iam defuncto, fraternitatem et plenam participationem omnium bonorum in domo nostra, que fiunt ibi ad honorem dei et beate uirginis Marie in uigiliis, ieiuniis, missis et orationibus, facientes uos istorum et

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omnium bonorum participes et consortes. Datum anno domini M°CC°LVIII, in epiphania domini.

Auf einem kleinen, schmalen Pergament in einer kleinen, engen Minuskel, im H. Archive zu Schwerin. An einem, aus der Charte geschnittenen Pergamentstreifen hängt ein parabolisches Siegel von geläutertem Wachs mit dem Bilde eines stehenden Abtes; Umschrift

Umschrift

Nr. VI

Das Kloster zu Rehna verleiht der Gräfin A(udacia) von Schwerin die Fraternität.

(1260-1261.)

Nobili matrone et dilecte domine sue A. comitisse seniori de Zverin C. dei gratia prepositus, priorissa totumque capitulum ancillarum Christi in Rene orationes in domino perpetuas' assiduas et denotas. Benignitatis vestre circa nos beninolentiam deo gratam et nobis expertam multociens humiliter amplectentes, in nostram uos et vestros, uinos et defunctos, fraternitatem suscipi-mus, orationum nostrarum et omnium spiritualium laborum nunc et semper uos participes facientes. Sane quia coram deo de uobis ualde presumimus, vestris etiam nos orationibus commemdamus , orantes pariter et optantes, quatinus hoc mutuum caritatis et nobis et vobis eternam proficiat ad salutem: et hoc, sicut vestra dilectio fieri postulauit, sub sigillo ecclesie presentibus protestamvr.

Auf Pergament, in einer festen Minuskel, im H. Archive zu Schwerin. An einem Pergamentstreifen hängt das parabolische Klostersiegel von geläutertem Wachs. Im Siegelfelde sind zwei Baldachine: links sitzt die Jungfrau Maria mit dem Christuskinde auf dem linken Schooße und einem Lilienstengel in der rechten Hand, rechts steht die H. Elisabeth; Umschrift:

Umschrift

Der Propst C(onrad) erscheint in den Urkunden des Klosters Rehna 1260 - 1261; vgl. Jahrb. XX., S. 346.


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Nr. VII.

Das Kloster Hilda (Eldena bei Greifswald) fordert von der ältern Gräfin (Audacia) von Schwerin den bei Verleihung der Fraternität von ihr dem Kloster versprochenen Kelch und bietet ihr einen besondern Altar an.

(1264.)

Venerabili et illustri femine comitiss seniori seu maiori in Zuerin frater R. dictus abbas in Hilda totusque conuentus ibidem ad sua beneplacita affectum beniuolum cum orationibus in Christo deuotis. Vestre benignitatis excellentie tenore presentium cupimus declarare, quod calicem, quem nobis pollicebamini, cum uobis fraternitatem conferremus plenariam, nondum recepimus, de die in diem exspectantes, ut uestrum promissum in hac parte compleatur, quia valde necessarium ad diuinum peragendum officium hunc habemus. Ceterum vestre ingenuitati pandere curauimus, quod nouum nostrum monasterium nunc intrauimus et in eo diuina rite die noctuque persoluimus, in quo certe monasterio si uobis altare speciale uolueritis assignari, nobis preparamenta sacerdotalia integra cum calice pretaxato per exhibitorem presentem transmittatis, vt in hiis ad honorem dei vestrique memoriam cotidie diuina valeant celebrari; pro quibus omnibus non solum hic honorem in terris habebitis, verum etiam gloriam et mercedem apud altissimum, cum vnicuique secundum sua opera restituet in futuro. Valete in domino Jesu Christo.

Diese Urkunde, im H. Archive zu Schwerin, ist auf einem 6 Zoll langen und 3 Zoll breiten Pergament in einer stumpfen Cursivschrift des 13. Jahrhunderts geschrieben. Das Pergament ist einmal nach der Breite und vier Male nach der Lange zu einem Briefe zusammengefaltet und hat auf der Rückseite die Aufschrift:

vener, comitisse
in Zuerin.

An einem aus der Charte geschnittenen Pergamentstreifen hängt das Siegel des Abtes aus geläutertem, weißem Wachs in elliptischer Form. Im Siegelfelde steht das ganze Bild des Abtes mit dem Stabe in der rechten Hand und einem Buche auf dem linken Arme; Umschrift:

Umschrift

Der Abt R. ist "Reginarus abbas de Hilda", welcher 1264 vorkommt; vgl. Fabricius Rügensche Urkunden, III, S. 183.


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Nr. VIII.

Das Kloster Neumünster verleiht der Gräfin A(udacia) von Schwerin und den schon verstorbenen Grafen Heinrich, dem ältern und dem jüngern, die Fraternität.

(1264-1268.)

Religiose et in Jhesu Christo dilecte domine A. cometisse quondam Zwerinensi Jo. dei gratia prepositus, P. prior totusque conuentus Nouimonasterii in Holsacia salutem presentem et eternam. Exigente pie deuotionis affectu, quem ad nostram habetis ecclesiam, sicut experimentis euidentibus est probatum, concedimus uobis tam in vita, quam in morte fraternitatem et specialem participationem in missis, orationibus, ieiuniis, abstinentiis, vigiliis ceterisque bonis operibus, que per nos in presenti et per posteros nostros in futuro operari dignabitur clementia saluatoris. Preterea, sicut uestra desiderat serenitas, eandem gratiam conferimus pie recordationis comitibus defunctis Henrico seniori et H. juniori. In cuius rei signum litteram hanc cum appensione sigilli nostri uobis duximus destinandam, petentes vestris bonis actionibus apud deum similiter adiuuari.

Auf Pergament in einer kleinen Minuskel, im H. Archive zu Schwerin. An einem, aus der Charte geschnittenen Pergamentstreifen hängt ein verletztes, anscheinend rundes Siegel von geläutertem Wachs. Im Siegelfelde ist ein sitzendes Marienbild mit dem Christkinde auf dem linken Schooße und einer Lilie in der rechten Hand. Von der Umschrift sind nur die letzten Buchstaben vorhanden:

Umschrift

Der Propst Johannes von Neumünster erscheint 1266 - 1268, vgl. Schlesw. Holstein. Urk. Buch I, S. 211-212, aber auch schon 1261, nach Falck Staatsbürgerl. Magazin, Bd. IX. Da nun der jüngere Graf Heinrich im Jahre 1263 noch lebte und vor 1274 starb, so wird die Urkunde ungefähr 1264-1268 ausgestellt sein.
Neumünster liegt nahe bei Bornhövd.


Nr. IX.

Das Kloster zum Heil. Kreuz bei Braunschweig ertheilt der Gräfin Audacia von Schwerin und ihrem verstorbenen Gemahle die Fraternität.

(1270.)

Venerabili ac in Christo dilecte domine cometisse Audatie in Zwerin B. dei gratia prepositus et H. ab-

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batissa totumque capitulum dominarum Sancte Crucis prope Brvneswic orationum suarum et omnium benefactorum participationem. Ut dulcissimam uestram caritatem debita nobis obligemus uicissitudine et sanctarum orationem vestrarum et elemosinarum ceterarumque uirtutum, quibus diuulgata estis, que nos intelleximus experte a religiosa domina Ermengardi, secundum petitionem vestram conferimus vobis plenam fraternitatem congregationis nostre. Cupimus uos participes fieri omnium laborum et quarumcunque spiritualium actionum, que per dei gratiam in conuentu nostro fieri consueuerint. In no mine patris et filii et spiritus sancti. Hec omnia contulimus anime domini Heinrici, mariti uestri, orantes pro anima eius et pro vobis, tam viuam, quam mortuam.

Auf Pergament in einer festen Minuskel, im H. Archive zu Schwerin. Die am Schlusse, nach der Segensformel, für den Grafen Heinrich hinzugefügte Formel ist in einer großen, dicken Minuskel und mit anderer Dinte geschrieben. An einem Pergamentstreifen hängt ein parabolisches Siegel von ungeläutertem Wachs. Es sind von demselben jedoch nur noch drei Stücke vorhanden: in dem obern Theile des Siegelfeldes ist ein großes, gleicharmiges, schwebendes Kreuz; die Stücke des untern Theils verrathen eine knieende menschliche Figur. Von der Umschrift ist noch zu erkennen:

Umschrift

Zur Zeitbestimmung dieser Urkunde theilt der Herr Archivrath Schmidt zu Wolfenbüttel folgendes mit. Der Propst B(arthold) und die Aebtissin H(ildeburg) des Klosters zum Heil. Kreuz bei Braunschweig kommen zuerst in einer Urkunde des Klosters vom 2. Mai (in crastino b. apost. Phil. et Jac.) 1271 neben einander vor:

"Bertoldus prepositus s. Crucis, Hildeburgis abbatissa et uniuersus conuentus."

In der Zeit von 1282 - 1288 werden schon der Propst Barthold und die Aebtissin Adelheid, im Jahre 1290 der Propst Johann und die Aebtissin Gertrud zusammen genannt. Dies sind die einzigen Nachrichten, welche sich im braunschweigischen Landes=Haupt=Archive hierüber finden. Die Urkunden dieses dicht vor Braunschweig belegenen Klosters sind unvollständig und Copial= und Memorienbücher fehlen gänzlich. Nach diesen Nachrichten muß die Urkunde um 1270 und vor 1282 ausgestellt sein.

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