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:
Ueber
die letzten Nachkommen
des Fürsten
von
G. C. F. Lisch.
D as große Dunkel, welches früher auf der Geschichte des unglücklichen Hauses des Fürsten Pribislav I. von Richenberg, des jüngsten Sohnes des Fürsten Heinrich Borwin II. ruhte, ist erst durch die umfassenden Forschungen 1 ) des Vereins für meklenburgische Geschichte aufgehellt worden. Ohne diese hier wieder vortragen zu wollen, können wir jetzt noch einen guten Stritt weiter gelangen, indem ich die letzten, bisher unbekannten Nachkommen dieses Fürstenhauses nachzuweisen im Stande bin.
Pribislav I. war bei seines Vaters frühem Tode minderjährig und gelangte nach der Hauptlandestheilung von 1229 erst um das J. 1238 nach erlangter Volljährigkeit zum Besitze seiner Herrschaft. In einen heftigen Kampf mit dem kriegerischen Bischofe Rudolph I. von Schwerin gerathen, mußte er im J. 1256 sein Land verlassen und sah sich im J. 1270 genöthigt, dasselbe seinen Verwandten ganz abzutreten 2 ). Pribislav I. war zwei Male vermählt: das erste Mal wahrscheinlich mit einer ungenannten Tochter des Herzogs Barnim I. von Pommern (1244), welche vor 1261 gestorben war, das zweite
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Mal, seit 1261, mit des edlen Herrn Richard von Friesack Tochter 1 ). Nachdem er sein Land verlassen hatte, zog er sich nach Pommern zurück und erhielt hier durch den Einfluß der Verwandten seiner Gemahlin die Herrschaft Wollin, welche wahrscheinlich die Brautgabe seiner Gemahlin war, und starb hier nach dem J. 1270 2 ).
Pribislav I. hatte wenigstens drei Kinder, zwei Söhne gleiches Namens Pribislav, wahrscheinlich aus jeder Ehe einen, und eine Tochter.
Von den Schicksalen der in den Urkunden nicht mit Vornamen genannten Tochter 3 ), welche vielleicht das älteste Kind Pribislavs I. war und in jüngern Nachrichten Margarethe genannt wird, ist nichts bekannt geworden.
Der eine von den beiden Söhnen, wahrscheinlich der ältere aus erster Ehe, Pribislav II., erscheint 1273 und 1276 als Herr von Wollin, also als Nachfolger seines Vaters und seiner Mutter im Besitze, und starb vor dem J. 1289 4 ), ohne, wie es scheint, Erben zu hinterlassen.
Der andere von den beiden Söhnen, Pribislav III., wahrscheinlich aus der zweiten Ehe seines Vaters mit der Edlen von Friesack, ward schon im J. 1269 mit des Herzogs Mestwin II. von Hinter=Pommern Tochter Katharina vermählt 5 ). Mestwin II. war ein schwacher Fürst, der mit seinem Bruder Wartislav in verwickelte Streitigkeiten und Kämpfe gerieth und in seiner Noth die Markgrafen von Brandenburg zu Hülfe 5 ) rief, von denen er sich aber nicht leicht befreien konnte. Er sah sich am 1. April 1269 genöthigt, den Markgrafen seine Länder zu übertragen, wogegen diese sich verpflichteten, ihm eine Leibrente zu zahlen und seiner Gemahlin und seinen Kindern die Güter als Lehn zurückzugeben, mit Ausnahme des Landes Belgard, das sich die Markgrafen zur freien Verfügung vorbehielten. Zu gleicher Zeit hatten die Markgrafen eine Tochter des Herzogs verlobt; es leidet keinen Zweifel, daß diese die später mit Vornamen genannte Katharine ist, welche dem wendischen Fürsten Pribislav III. vermählt ward. Wahrscheinlich hatten die Markgrafen von Brandenburg diesem das Land Belgard zum Brautschatze
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seiner Gemahlin übergeben 1 ), da sie zu ihm, als einem Enkel des Edlen Richard von Friesack in der Mark, wahrscheinlich in nähern Verhältnissen standen; denn Pribislav wird in der Folge Edler Herr von Belgard genannt. Es ist oft nicht ganz bestimmt zu ermitteln, welches Belgard gemeint sei, und öfter darüber Bedenken erhoben; es ist aber in der neuesten Zeit ermittelt 2 ), daß Pribislav zuerst Belgard an der Persante in Pommern=Stettin besaß, welches ihm die Herzöge von Westpommern vielleicht als Ersatz für das ihm nach seines Bruders Tode angefallene Wollin gegeben hatten. Gewiß ist, daß er später Herr von Belgard an der Leba in Hinterpommern 2 ) ("einer jetzt verfallenen Burg unweit Lauenburg") war, welches er ohne Zweifel von seinem Schwiegervater Mestwin II. als Brautschatz seiner Gemahlin erhalten hatte. Nach dem Jahre 1284 erscheint Pribislav auch als Herr von Daber ("Pribislav von Wenden, Herr des Landes Daber", nach seinem Siegel). Mestwin II. starb in der Mitte des Jahres (1. Julii ?) 1295 3 ) und sein Land ward nach seinem erblosen Tode der Zankapfel und die Beute der Nachbaren, welche aus verschiedenen Gründen Ansprüche daran machten. Pribislav von Wenden verlor damit als Landesherr alle seine Besitzungen; am 12. Julii 1295 wurden bei einer Ländertheilung die Besitzungen den westpommerschen Herzogen überwiesen, ohne daß von Pribislav die Rede war. Er verschwindet schon seit 1291 aus der Geschichte Pommerns.
Der mächtige deutsche Orden 4 ) rückte immer weiter gegen Westen vor, eroberte im J. 1308 Danzig, Dirschau und Schwetz, fand im J. 1309 die Brandenburger wegen der Erbschaft Mestwins ab, erwarb dadurch das Land Lauenburg und kaufte dazu im J. 1329 von den Söhnen des pommerschen Marschalls Henning Bere das Land Bütow, welches dieser im J. 1321 von dem Herzoge Wartislav IV. von Pommern geschenkt erhalten hatte.
Durch alle diese verwickelten politischen und kriegerischen Begebenheiten verlor Pribislav jeden landesherrlichen Besitz, wenn ihm auch Privatbesitz oder Leibrenten gegönnt wurden.
Ungefähr zwanzig Jahre nach dem Tode seines Schwiegervaters erscheint Pribislav III. plötzlich im Mai des J. 1311
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wieder auf dem Turniere zu Rostock unter den Lebendigen und darauf im Sommer des J. 1316 bei den Fürsten vor den Mauern der empörten Stadt Stralsund 1 ). Dies ist das letzte Mal, daß Pribislav, welcher der letzte seines Stammes gewesen sein soll, genannt wird.
Es ist allgemein angenommen, daß Pribislav im J. 1315 gestorben und mit ihm die Linie Richenberg=Parchim ausgestorben sei. Das doberaner Nekrologium 2 ) sagt:
"Pribizlaus secundus dei gratia dominus in Richenberg obiit anno domini M tricentesimo XV".
Die um das J. 1370 abgefaßten doberaner und parchimschen Genealogien 3 ) sagen ausdrücklich, daß mit dem jüngern Pribislav der Stamm erloschen sei:
"Pribizlauus exul factus in Pomerania cum vnico filio suo, nomine Pribizlauuo, stirps sua deleta est".
und die um dieselbe Zeit verfaßte Reimchronik des E. v. Kirchberg redet eben so: "sy starben also toren da, keynen erben lieszen sy yn na, alsus virstarb ir beider stam, daz von yn nymant vorder quam".
Nicht allein hieraus, sondern auch aus allen andern geschichtlichen Gründen glaubt Beyer 4 ), da die Geschichte nichts von Nachkommen unsers Fürsten wisse, "mit Sicherheit schließen zu dürfen, daß er mindestens keine Söhne hinterlassen habe".
Und doch verhält sich die Sache ganz anders, als bisher berichtet und angenommen ist. Das königsberger Archiv bewahrt eine merkwürdige Urkunde 5 ), welche über die Familie und das Leben des Fürsten Pribislav (II.) III. ein ganz neues Licht verbreitet. In dieser Urkunde tritt noch am 1. Januar 1312 der Fürst über Besitzverhältnisse handelnd in Hinterpommern auf. Er wird in der Urkunde Primico genannt; dies ist ohne Zweifel Pribislav, der schon früher öfter Pribico genannt wird; die Namensform Pribico oder Pribeco ist nämlich eine gewöhnliche Diminutivform des Namens für Knappen oder jüngere Männer des Namens Pribislav. Die Umwandlung der Form Pribico in Primico wird allein Folge einer verschiedenen Aussprache des Namens sein. Denn
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es ist nicht zu bezweifeln, daß die Urkunde unsern Fürsten Pribislav meint, da sie ihn zu genau bezeichnet, als daß man einen andern darunter verstehen könnte.
"Am 1. Januar 1312 verpfändete zu Pelplin der edle Mann Herr Primico , ein hochgeborner Fürst, wenn auch ohne namhaften Titel von einem Lande oder Landestheile, mit Genehmigung seiner Gemahlin Katharine und seiner Kinder, seines Sohnes Mestwin und seiner Tochter Lutgart , dem deutschen Orden den (fischreichen) See Malscha (bei Preuß. Stargard 1 ) südlich von Danzig), so daß dieser Eigenthum des Ordens ward, wenn Primico ihn innerhalb eines Jahres nicht einlösen würde".
("nobilis vir dominus Primico, princeps generosus, licet nullius terre vel provincie celebri nomine tituletur, una cum uxoris sue Katharine ac suorum liberorum, filii sui Mestwini et filie sue Luchardis, consilio et assensu, - - lacum, qui Malsche vulgariter dicitur, situm in terra Pomeranie, - - obligavit" 2 ).
Es gehen aus dieser Urkunde, welche zu einer Zeit ausgestellt ward, als Pribislav III. nach andern Nachrichten noch lebte, folgende geschichtliche Thatsachen hervor.
1) Pribislav lebte nach der Urkunde noch im J. 1312 und hielt sich mit seiner Familie in Hinterpommern auf. Er hatte bis dahin "Land zum Besitze behalten, da er 1312 in dem seit 1309 unter dem Deutschen Orden stehenden Pomerellen noch Besitzungen und Regalien, aber nicht mehr ein geschlossenes Gebiet oder eine bekannte Feste besaß, wovon er sich betiteln konnte. Belgard mag in den Wirren nach Mestwins Tode in die Gewalt des Landesherrn gekommen sein; die Besitzungen werden einzeln, wie jener See, verkauft oder verpfändet sein, um den Unterhalt zu gewinnen; der etwanige Rest fiel 1315 bei seinem erblosen Tode an den Deutschen Orden" 3 ).
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2) Pribislavs Gemahlin Katharine, Mestwins II. Tochter, lebte noch am 1. Januar 1312, indem sie mit ihrem Sohne und ihrer Tochter zu der Verpfändung des Sees Malscha ihre Zustimmung gab, woraus hervorgeht, daß es ihr zugebrachter Besitz oder Erbtheil war, den ihr Gemahl verpfändete.
3) Pribislav hatte am 1. Januar 1312 einen Sohn Mestwin, welcher ohne Zweifel von seinem mütterlichen Großvater Mestwin II. den Namen trug. Von seinen Schicksalen ist bis jetzt gar nichts weiter bekannt geworden.
4) Pribislav hatte am 1. Januar 1312 auch eine Tochter Lutgart, von welcher bis jetzt ebenfalls nichts weiter bekannt geworden ist. Woher diese den Namen Lutgart trug ist nicht zu bestimmen; möglich ist es, daß ihre väterliche Großmutter, die Edle von Friesack, den Vornamen Lutgart hatte, den sie von dieser erhielt. In der meklenburgischen Fürstenfamilie führte des ältesten Bruders Pribislavs, des Fürsten Johann I. des Theologen von Meklenburg, Gemahlin den Namen Lutgart. Von Mestwins II. von Hinterpommern Gemahlinnen konnte Pribislavs III. Tochter nicht ihren Vornamen führen, da diese Euphrosine (1276) und Sulislawa (1293) hießen 1 ).
Der Stammbaum der Familie Richenberg=Parchim gestaltet sich jetzt also folgendermaßen:
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Anlage.
Der Fürst Pribislav, aus dem Hause Richenberg-Parchim, verpfändet dem Deutschen Orden den See Malscha, unter Einwilligung seiner Gemahlin und seiner Kinder, vor dem Abte zu Pelplin.
D. d. Pelplin. 1312. Januar 1.
Nach dem Originale im Archnive zu Königsberg.
Noverint universi presencium inspectores, quod nos frater Gotfridus, abbas de Polplin, per religiosissimum eximiarumque virtutum virum ac dominum nostrum dilectum fratrem Karolum generalem ordinis fratrum domus Theut. hospitalis sancte Marie Jerosolymitani rogati, quatenus, ad maiorem rei memoriam ac noticiam, paginam sigillo nostro signatam conficere ac dare vellemus super obligacione cuiusdam stagni seu laci, qui videlicet lacus Malsche vulgariter dicitur, siti in terra Pomeranie, quem lacum nobilis vir dominus Primico, princeps generosus, licet nullius terre vel provincie celebri nomine titnletur, una cum uxoris sue Katharine ac suorum liberorum, filii sui Mestwini et filie sue Luchardis, consilio et assensu, dicto reverendo viro domino Karolo generali prefati ordinis pro triginta marcis denariorum monete Thorunensis obligavit, sub condicionibus et pactionibus subnotatjs, ita sane, quod si prelibatus dominus
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Primico pecuniam suprascriptam infra anni circulum et diem non exsolverit, qui scilicet annus a tempere date sibi pecunie pretaxate computabitur, videlicet a die circumcisionis nunc preterito, anno incarnacionis inspecto, sicut in datis et actis inferius est subscriptum, extunc predicto domino Primiconi et uxori vel liberis suis prefatum lacum redimere non licebit, sed dictus honorabilis vir dominus Karolus generalis ordinis suprascripti vel alius vices eius gerens, prout sapientibus visum fuerit, quantum predictus lacus carior esse potuerit, eidem domino Primiconi addere tenebitur super pecuniam prenotatam, et sic extunc dictus lacus cum omni iure, quod prefatus dominus Primico in ipso lacu habere potuit vel habere videbatur suique heredes, ad dictum venerabilem virum dominum Karolum suique ordinis professores transibit, cum omnibus utilitatibus proprietatis iure, a dictis fratribus perpetuo possidendus: in huius igitur rei evidenciam ad preces supradicti reverendi viri Karoli generalis ordinis memorati, quia hec omnia et singula erpresse cognovimus, presens scriptum dedimus sigilli nostri ac quorumdam fratrum nostrorum testimonio roboratum. Testes sunt frater Johannes de Dolin, prior, frater Nicolaus de Culmen, frater Wernerus Cancer, frater Hinricus, magister conversorum, frater Gerwinus et alii quam plures fratres nostri. Datum et actum in Polplin, anno domini M. CCC. duodecimo, in die circumcisionis eiusdem domini nostri Jhesu Christi.
Nach dem Originale im k. preußischen Archive zu Königsberg, mit dem wohlerhaltenen Siegel des Abtes, mitgetheilt von dem Herrn Archiv-Director, Prof. Dr. Voigt zu Königsberg.