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Wendengräber von Cörlin

in Pommern.

Bei dem Eisenbahnbau in Hinterpommern wurden in der Gegend von Cörlin beim Eröffnen einer Kiesgrube aus Privateigenthum im J. 1858 die unten beschriebenen, werthvollen Alterthümer gefunden, welche der Herr Bau=Conducteur Langfeldt aus Güstrow, der bei dem genannten Eisenbahnbau als Baubeamter fungirt, von dem Besitzer geschenkt erhielt und unserm Vereine wieder zum Geschenke machte. Wenn auch der Unverstand der Arbeiter viel verdorben hat, so ist es doch noch möglich gewesen, diesen Fund zu bestimmen.

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An einem Berge in der Gegend von Cörlin wurden ungefähr 30 menschliche Gerippe gefunden, welche ungefähr 3 bis 4 Fuß tief in der Erde lagen; leider ist nicht mehr zu ermitteln gewesen, wie sie lagen. Es wurden jedoch ungefähr 30 menschliche Schädel gezählt, neben welchen viele menschliche Gebeine lagen.

Neben diesen Gerippen wurden folgende ziemlich gut erhaltene Alterthümer gefunden.

Zwei große silberne Ringe, von ungefähr 3 Zoll hamb. Maaß innerm Durchmesser der Oeffnung und ungefähr 3/8 Zoll Dicke. Die Ringe sind von dünnem Silberblech, hohl und an der innern Seite zusammengelegt; die Arbeit ist sehr gut. Diese Ringe lagen an der Seite von Schädeln, theils rechts, theils links, und hatten an den Schädeln einen Grünspanabdruck hinterlassen, gehörten also wohl zum Kopfschmuck. Diese Ringe sind geöffnet, an einem Ende abgestumpft, verjüngen sich ein wenig nach dem andern Ende hin, laufen hier dünne aus und sind zu einem Haken umgebogen. Eben so sind alle andern Ringe eingerichtet.

Zehn silberne Ringe von mittlerer Größe, von ungefähr 3 Zoll Weite. Diese Ringe sind von massivem, rundem Silberdrath von ungefähr 1/10 Zoll Dicke. Sie haben die Größe der Armringe für das Handgelenk. Diese Ringe haben dieselbe Einrichtung wie die beiden großen Ringe: sie sind geöffnet, an einem Ende alle abgestumpft, am andern Ende abgeplattet und zu einem doppelten Haken umgebogen. - Außerdem fanden sich noch zwei verbogene Bruchstücke von ähnlichen Ringen. Diese Ringe lagen zerstreut umher und es konnte über ihre Lage am Körper nichts ermittelt werden.

Zwei kleine silberne Ringe von ungefähr 3/4 Zoll Weite und 1/7 Zoll Dicke. Diese Ringe haben einen Kern von viereckigem Kupferblech und sind mit Silberblech sehr geschickt so umkleidet, daß sie rund sind. Auch diese Ringe sind so gebildet, wie die übrigen; sie sind nämlich geöffnet und an einem Ende abgestumpft und am andern Ende abgeplattet und zu einem doppelten Haken umgebogen.

Ein dünner ringförmiger Silberdrath, der an einem Ende zu einer Oese gewunden und am andern Ende zu einem Haken umgebogen ist. Auf diesen Drath sind 13 Glasperlen von verschiedener Größe gezogen: 3 sind hellbernsteinfarbig oder von Bernstein, 2 hellblau, 2 dunkelgrün mit eingelegten rothen Zickzacklinien, 1 kalkweiß, 5 dunkelgrau mit eingelegten weißen Linien verschiedener Zeichnung. Diese Perlen sind sämmtlich geschmackvoll.

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Ein eisernes Messer, 3 1/2 Zoll in der Klinge und gegen 3 Zoll im Griffe lang. Der Griff trägt Spuren von Holzbekleidung.

Eine silberne Spitze, von Silberblech, gut 1 Zoll lang, ist wahrscheinlich der Endbeschlag der Messerscheide.

Eine Klinge von einer eisernen Schere von alter Form (wie jetzt die Schaafscheren), wie es scheint.

Auf einen Theil dieser Schere ist an einer Seite ein Stück Leinewand, ungefähr 1 Quadratzoll groß, festgerostet, so daß das Gewebe sehr deutlich zu erkennen ist.

Nach diesen Alterthümern, ihrer Form und Bearbeitungsweise und den Metallen, aus welchen sie gearbeitet sind, so wie daraus, daß die Leichen schon unverbrannt begraben sind, läßt sich schließen, daß die Leichen in der allerersten Zeit des Christenthums begraben sind.

Dies scheint auch eine Münze zu bestätigen, welche bei diesen Alterthümern gefunden ist.

Die Münze dieses Gepräges ist schon wiederholt der Gegenstand der Aufmerksamkeit der Forscher 1 ) gewesen. Die Münze ist zweiseitig und zeigt auf der Vorderseite einen lockigen, bärtigen Kopf (Christus), neben welchem die beiden Hände mit den deutlichen Wundenmalen in die Höhe gerichtet sind, und auf der Rückseite ein rundes Thor mit drei Thürmen, von denen der mittlere mit drei Zinnen, die beiden andern mit einem Kuppeldache bedeckt sind; in dem Thorbogen steht ein Zeichen, das nicht erkennbar ist. Im J. 1843 ließ B. Köhne in seiner Zeitschrift für Münz =, Siegel= und Wappenkunde, Jahrg. III, Taf. VII, Nr. 10, eine Münze dieser Art abbilden und setzte sie nach Breslau, weil ihm kein ganz deutliches Exemplar vorlag. Späterhin ward ein kleiner Fund solcher Münzen gemacht, von dem gute Exemplare in den Besitz des Assessors Dannenberg zu Berlin kamen. Nach diesen berichtigte Köhne im Kataloge der "Reichelschen Münzsammlung in St Petersburg", Th. IV, Abth. 2, 1842, Vorrede, S. 2, gedruckt 1846, sogleich seine Ansicht und setzte die Münze nach Pommern. Das königliche Münzcabinet zu Berlin und die Sammlung des Herrn Grafen von Schlieffen besitzen auch gute Exemplare. Die Münzen tragen in der Hauptumschrift die Namen der pommerschen Herzoge Bugeslav oder Bugeslav


1) Ich verdanke die Hauptforschungen über diese Münze unserm thätigen und theilnehmenden correspondirenden Mitgliede F. W. Kretschmer zu Berlin.
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und Kasimar und in der Umschrift der Rückseite den Namen einer Burg, einer Stadt oder eines Stiftes. Eine ähnliche, bei Köhne a. a. O. Taf. VII, Nr. 9, hat auf der Rückseite den Namen Perenncelave (Prenzlau). Ein anderes Exemplar hat die Namen BVDIZL A V K A Z e M e R und auf der Rückseite den Namen SCS IOH A N e S, des Schutzheiligen der bischöflichen Kirche zu Camin. Außerdem finden sich Exemplare mit den Namen der Städte Camin, Demmin und Stettin, von welchen einige den Namen des Herzogs Bogislav I. von Pommern († 1188) haben, mitunter mit dem Titel R e X.

Unsere Münze hat nach unserm vorliegenden Exemplare, nach Beihalt anderer Exemplare, folgende Inschrift, wie Kretschmer lieset und nach andern Exemplaren ergänzt:

Vorderseite: [B]VGECLOF [F : ECTS :]

Rückseite: SEL A FI . [K A STR]V M .

Ich lese auf der Münze deutlich:

Vorderseite: VGECL[O] . . . . .

Rückseite: SEL A . . . . . . V M .

Kretschmer nimmt, gewiß mit Recht, an, daß Selafi kastrum die hinterpommersche Burg Slauene, Slawe oder Schlage sei, welche in alten Zeiten eine Hauptburg war, und daß Bugeslav ein pommerscher Herzog Bugeslav von Slawe sei, der um das Jahr 1200 vorkommt.

Nach diesen Mittheilungen wird es unzweifelhaft sein, daß die Münze eine pommersche ist und in das Ende des 12. Jahrhunderts fällt. Ueber die alten pommerschen Fürsten vgl. man Quandt in Baltischen Studien, Jahrg. XVI, Heft 2, 1857, S. 56 flg. und 60 flgd.

Hiernach scheint es zweifellos zu sein, daß die Begräbnisse aus der Zeit der Einführung des Christenthums in Pommern stammen, aber noch die wendische Kunstbildung zeigen.

G. C. F. Lisch.