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Mittelalterliche Altäre in den Kirchen zu Rostock.

Die Kirchen Rostocks sind ohne Zweifel sehr reich an alten Kunstwerken gewesen. Jetzt ist sehr wenig davon übrig, namentlich seitdem die neuern Restaurationen manches ehrwürdige Denkmal vernichtet haben. Die beiden Hauptkirchen Rostocks, die Jacobi= und die Marien=Kirche, sind in den letzten Jahren so gründlich restaurirt, daß, es ist kaum glaublich, auch nicht die geringste Spur von alten Werken der Kunst und des Gewerbes in ihnen zu finden ist; in der Jacobi=Kirche sind sogar alle alten Leichensteine geebnet. Und um diese Moderni=

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sirung ganz zu vollenden, hat man die ganzen Kirchen, an Wänden, Pfeilern und Gewölben mit demselben blendenden Weiß ausgetüncht und neue Fenster von weißem (d. h. farblosem) Glase eingesetzt. Dadurch verschwinden die großartigen Formen dieser Kirchen so sehr, daß man sie kaum bemerkt; früher bezeichneten doch noch die dunkelgrauen Rippen, die seit der abscheulichen Ausweißung der Kirchen ein fast nothwendiges Uebel waren, einigermaßen die Verhältnisse des Baues. Jetzt aber verschwimmt der ganze Bau in ein leeres Nichts und die Masse des Lichts, welches durch die colossalen, farblosen Fenster auf die schneeweißen Wände und Gewölbe strömt, ist fast unerträglich. Weiter können wir nun nicht kommen, und deshalb ist Hoffnung auf eine baldige Rückkehr zum alten, naturgemäßen Styl zu hoffen.

Viel Interessantes bewahrt noch die Nicolaikirche, welche bis jetzt von einer solchen totalen Ausräumung verschont geblieben ist, wenn auch ihr Gestühle viel von der Oelfarbe zu leiden gehabt hat.

Eben so bewahrt auch die Kirche des Klosters zum Heil. Kreuz viel Interessantes, obgleich sie sehr verfallen und unsauber gehalten ist.

Uebrigens verfuhr man schon in alten Zeiten in Rostock etwas unsanft mit den alten Denkmälern, wobei jedoch zu berücksichtigen ist, daß man bald etwas Gutes wieder schuf. Das ganze Fundament des im 14. Jahrh. erbaueten, prachtvollen südlichen Kreuzflügels der Marienkirche ist mit Leichensteinen aus dem 13. und 14. Jahrh. bekleidet.

Das genauere Studium der rostocker Kirchen erfordert viel Zeit und Mühe. Es soll hier für jetzt nur auf einige ausgezeichnete Eigenthümlichkeiten aufmerksam gemacht werden, um die Kunde davon zu bewahren und zu verbreiten.

Der Altar der Nicolai=Kirche

ist ein prachtvolles, schönes Schnitzwerk, mit guten Malereien, etwa aus dem Anfange des 15. Jahrh. und gehört zu den besten im Lande.

Auf diesen Altar hat man einen kleinen Altar von gleicher Arbeit gesetzt; ohne Zweifel stand dieser einst in einer Nebencapelle.

Der Altar in der Kloster=Kirche zum Heil. Kreuz

ist dem Altare in der Nicolai=Kirche sehr ähnlich, wohl eben so gut und eben so alt. Neben dem Altare steht ein

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Tabernakel,

aus geschnitztem und vergoldetem Eichenholz gearbeitet, mit Figuren geziert, äußerst sauber und schlank, dem berühmten Tabernakel in der Kirche zu Doberan sehr ähnlich, vielleicht noch schlanker in den Formen, jedoch nicht völlig so hoch.

Diese Kunstwerke gehören zu den bedeutendsten im Lande. Was die vorzüglichsten alten Altäre, d. h. aus dem 14. und 15. Jahrhundert, betrifft, so steht der doberaner ganz einzig und groß da. Ihm folgt wohl der reiche Altar in der S. Georgen=Kirche zu Wismar; neben ihm stehen die beiden erwähnten rostocker Altäre. Der Styl ist sehr verschieden; der wismarsche ist reicher, jedoch schwerer, - die rostocker sind etwas einfacher, aber leichter und freier gehalten. Der im großherzoglichen Antiquarium zu Schwerin aufbewahrte Altar aus der Kirche zu Neustadt, wohin ihn die Lübecker schenkten, ist ein Meisterwerk ohne Gleichen.

Das rostocker Tabernakel steht dem doberaner ganz nahe. Ein kleines Tabernakel steht noch in der Kirche zu Hanstorf bei Doberan.

Die Nicolai=Kirche zu Rostock

besitzt noch viele schöne Schnitzwerke an den Kirchenstühlen mit alten, würdigen Heiligenbildern, Wappen u. dgl., einige Glasmalereien, einen alten metallenen Taufkessel u. s. w.

Von hohem Interesse ist ein altes Heiligenbild, welches noch in seiner alten Umgebung erhalten ist. In dem nördlichen Kreuzflügel, wahrscheinlich einem Theile der alten Kirche, ist eine mit Thüren verschlossene Wandnische im Rundbogen, welche noch ganz mit alter Wandmalerei von Ornamenten bedeckt ist. In dieser Nische steht ein Heiligenbild in Lebensgröße: ein mit einem langen Gewande ganz bekleideter, bärtiger Heiliger ist an Armen und Füßen (die Füße neben einander) mit eisernen Ringen an ein Kreuz geheftet. Vielleicht soll diese Figur den Apostel Petrus darstellen und hat früher auf dem Kopfe gestanden, da der H. Petrus mit dem Kopfe nach unten gekreuzigt sein soll.

Auch das geschnitzte und bemalte Bild eines werleschen Fürsten in Halbrelief, dem Anschein nach aus dem 14. Jahrhundert stammend, welches früher in der Dominikaner=St. Johannis=Klosterkirche stand, ist gegenwärtig in der Nicolaikirche aufgestellt und verdient eine sorgfältige Untersuchung. Der Schild, den die Figur hält, ist der fürstlich=werlesche, mit dem Ochsenkopfe ohne Halsfell. Vgl. Rostock. Wöchentl. Nachr. und Anz. 1752. Stück 40-41.

G. C. F. Lisch.

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