zurück zur Metadatenansicht auf dem Dokumentenserver
zurück
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen [ Seite 153 ] zur nächsten Seite zur letzen Seite
Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

II.

Caspar Calovius

und

des Andreas Mylius Genealogie

der Herzoge von Meklenburg,

von

G. C. F. Lisch.


I m Jahre 1599 erschien:

Chronica oder Erster Ankunfft vnd Herkommen der Hertzogen zu Meckelenburgk etc. . von Ehrn Casparo Calovio, Diener am Worte des Herrn, Midenwaldensis, trewlich aus vielen alten Historien vnd Geschichten mit allem Fleiß zusamenen gezogen. Gedrucket zu Leiptzig, bey Abraham Lamberg, Anno MDIC.

Diese meklenburgische Chronik, welche früher oft unter des Calovius Namen als ein selbstständiges Werk betrachtet ward, ist bekanntlich nichts weiter, als ein Abdruck der Genealogie des herzoglichen Rathes M. Andreas Mylius. Die Schamlosigkeit, mit welcher dieses Werk unter fremdem Namen in den Druck gegeben ward, ist kaum zu begreifen, wenn man nicht den Menschen mit der frechen Stirne kennt. Daß dieser Abdruck ein Diebstahl ist, läßt sich gar nicht bezweifeln, da das von A. Mylius verfaßte, eigenhändig geschriebene und dem Herzoge Johann Albrecht im J. 1571 eigenhändig dedicirte Original noch im großherzoglichen Archive zu Schwerin 1 ) aufbewahrt wird.

Bis auf den Herzog Johann Albrecht ist der Abbruck wörtlich nach der Abschrift besorgt, welche Caspar Calovius hatte, auch mit allen Fehlern. So z. B. ist als des Herzogs


1) Einen authentischen Abdruck der Genealogie nach einer Handschrift des A. Mylius vom J. 1593 gab zuerst Gerdes in seiner Sammlung meckl. Urk. S. 212 flgd. Vgl. oben S. 99.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 154 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Albrecht des Schönen Geburtsjahr das Jahr 1456, statt 1486, angegeben; denselben Fehler oder eine Undeutlichkeit hatte auch das Exemplar, nach welchem Gerdes seinen Abdruck unter des A. Mylius Namen besorgte. Von Johann Albrecht an hat aber C. Calovius überall geändert, theils gekürzt, theils weiter ausgeführt und fortgeführt.

Das Plagiat ist längst entdeckt, jedoch ist noch nicht bekannt, was Caspar Calovius für ein Mensch war und wie er zu der Handschrift kam. Caspar Calovius nennt sich auf dem Titel einen "Diener am Worte des Herrn, Midenwaldensis". Gerdes S. 213 sagt, daß man von Caspar Calovius die "Hamburgische Bibliotheca historica, Zweite Centuria, Leipzig, 1716, S. 284 nachlesen könne". Hier steht aber gar nichts weiter, als was auf dem Titel steht, nämlich daß "Caspar Calovius, Midenwaldensis, wie er sich genennet, ein Prediger irgendwo in Meklenburg das Manuscriptum Mylianum in die Hände bekommen". Die gedruckten Werke lassen also völlig im Stiche. - Aus dem Titel läßt sich schließen, daß er ein Prediger aus Mittenwalde gebürtig war. Nach den Archiv=Acten war er ein unstäter, schwelgerischer, ränkesüchtiger Mensch, der sich fast immer heimathlos umhertrieb. Einen Hauptanhaltspunct giebt der Umstand, daß er 1588-89 Pastor zu Müsselmow, zwischen Schwerin, Crivitz und Brüel, war. Kurz vorher war er sicher Pastor zu Perlin, Wittenburg und Pokrent gewesen.

Nach Pokrent war er wahrscheinlich von Drey=Lützow gekommen. Um Martini 1585 war Israel Pentze als Pastor nach Pokrent gekommen, aber schon Weihnacht d. J. gestorben, nachdem er nur einige Predigten gehalten hatte. Ihm folgte im J. 1586 Caspar Calovius, welcher das Amt noch im Nov. 1587 verwaltete.

Im Jahre 1588 erhielt C. Calovius die damals noch existirende Pfarre zu Müsselmow, deren Patron Bernd v. Plessen war. Dieser hatte ihn versuchsweise auf ein Jahr angenommen. Calovius betrug sich hier aber auch unordentlich. Gegen seines Patrons Verbot hatte er sich "des Krügens und Bierzapfens übernommen und sich oft toll und voll gesoffen". Deshalb entließ ihn Berend v. Plessen. Calovius, der sich nun "jetziger Zeit dienstloser Pastor" und "exul Christi" nennt, wandte vor, daß er keine Lust habe, länger unter Berend v. Plessen zu dienen, und zog mit seiner Frau und fünf kleinen Kindern nach Schwerin, wo er sich "ohne einen Pfarrdienst armselig und kümmerlich" erhielt. Michaelis 1589 war ihm schon ein anderer Pastor im Amte gefolgt. Am 19. Dec. 1589 klagte er bei dem Herzoge, daß B. v. Plessen ihm noch mehrere Einkünfte schuldig sei und

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 155 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

nicht entrichten wolle; er habe das Amt nicht länger behalten wollen, überdies sei ihm von einem "Clemens Knesebeck in nachtschlafender Zeit Gewalt" angethan und er deshalb von Müsselmow gezogen. Der Herzog befahl dem B. v. Plessen, ihm das Schuldige zu leisten, B. v. Plessen erwiderte aber, er habe ihn nothgedrungen entlassen müssen und ihm das Seinige vollständig geleistet, da er nur auf ein Jahr angenommen gewesen sei und nicht mehr als die laufenden Hebungen des Jahres beanspruchen könne. Uebrigens "habe er es zu Perlin, Wittenburg und Pokrent und an mehreren andern Orten so gemacht, daß er nicht lange habe verharren können". Damit war die Sache zu Ende.

Am 21. Febr. 1590 war er noch als "in exilio" in Schwerin. Seitdem verschwindet er aber aus der Kirchengeschichte Meklenburgs.

Dieses Pfarramt, welches C. Calovius einige Zeit verwaltete, läßt vermuthen, wie er zu dem Besitze der Handschrift des A. Mylius kam. Mylius hielt sich damals viel auf seinem Landgute Gädebehn auf, welches zur Pfarre Crivitz gehört, die an die Pfarre Müsselmow grenzt. Ohne Zweifel lernten beide sich schon kennen, als Calovius Pastor zu Müsselmow war. Vielleicht erhielt er die Handschrift auch erst in seinem "Exile" in Schwerin, wohin er vielleicht gezogen war, um die Protection des A. Mylius zu gewinnen. Die Vermuthung, welche Franck A. u. N. M. XI, S. 83, bei der Betrachtung, wie C. Calovius zu der Handschrift des A. Mylius gekommen sein möge, aufstellt, aber selbst bezweifelt, daß nämlich C. Calovius ein Schwiegersohn des A. Mylius gewesen sei, ist ohne allen Grund und gegen die Geschichte.

Nach dem im J. 1594 erfolgten Tode des A. Mylius sann C. Calovius in seinem Exil auf Erwerbsquellen und benutzte dazu auch die Genealogie des A. Mylius, deren verschiedene Ausgaben sein abentheuerliches Leben bezeichnen.

Nach Gerdes a. a. O. soll zuerst "zu Lübeck 1699" eine Ausgabe erschienen sein, welcher "hernach" 1600 zu Leipzig eine andere Ausgabe folgte. Hierin steckt ohne Zweifel ein Fehler. Die erste Ausgabe erschien nicht 1699, sondern 1599, und zwar nicht zu Lübeck, sondern zu Leipzig, wo auch die zweite Ausgabe erschien. Dieser Druckfehler und Irrthum des Gerdes ist aber in andere Geschichtsbücher übergegangen.

Es existiren wirklich zwei verschiedene Ausgaben.

Die erste Ausgabe, wie es scheint, führt den Titel:

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 156 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Chronica
Oder
Zeitbuch
Der Durchleuchtigen, Hochgebornen Fürsten
vnd Herren, der Hertzogen zu Meckelnburg etc. .
aus alten Historien vnd Geschichten fleissig
zusammen gebracht
Durch
Ehrn Casparum Calouium [Midenwald.],
Diener am Wort des Herrn
zu Wittenborg.
Gedrucket zu Leipzig bei Abra=
ham Lamberg, Anno 1599.

und ist auf der Rückseite des Titelblattes dedicirt:

Zu Ehren vnd sonderlichen
Wohlgefallen,
Den Ehrbaren, vornehmen, Hochwolweisen
Herren Bürgemeistern vnd Rath, der weit=
berühmbten Stadt Rostock, meinen großgünstigen
Herren vnd mechtigen Befürdern.

Diese Ausgabe ist mit schwabacher Schrift gedruckt und unterscheidet sich dadurch wesentlich von den übrigen Ausgaben.

Man sieht aus diesem Titel, daß Calovius sich 1599 wieder zu Wittenburg aufhielt, dort aber wohl nicht Pastor war, indem er dies wohl ausdrücklich gesagt haben würde, wenn es der Fall gewesen wäre. Zugleich ergiebt sich aber aus dem Titel, daß er damals auch nicht Prediger zu Mittenwalde war, sondern daß sich der Titel "Midenwaldensis" nur auf seinen Geburtsort beziehen kann.

Die zweite Ausgabe hat den Titel:

Chronica
Oder
Erster Ankunfft
vnd Herkommen der Hertzogen zu Meckelnburgk
vnd von andern J. F. G. denckwirdigen Geschichten.
Von
Ehrn Casparo Calovio, Diener am Worte
des Herrn, Midenwaldensis, trewlich aus
vielen alten Historien vnd Geschichten mit
allem Fleiß zusammen gezogen.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 157 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Zu Ehren vnd sonderlichem
Wohlgefallen
den Ehrbaren vnnd Wolweisen
Herren Bürgemeistern vnd Rath der
Stadt Welßnack, Meinen großgünstigen
befürderlichen Herren etc. .
Gedrucket zu Leiptzig, bey Abraham Lam=
berg, Anno MDIC.

Diese Ausgabe, ebenfalls vom J. 1599, ist ganz mit modernen oder gewöhnlichen Fractur=Lettern gedruckt und stimmt in Seiten und Zeilen nicht zu der ersten Ausgabe, ist also von ganz anderm Satz und daher in jeder Beziehung eine ganz andere Ausgabe. Beide Ausgaben sind aber sicher von demselben Jahre 1599. - Die verzierte Einfassung der Seiten ist aber in beiden Ausgaben gleich.

Von dieser zweiten Ausgabe existirt ein Abdruck ohne Dedication vom J. 1600 mit einem andern Titel:

Chronica
Oder
Erster Ankunfft
vnd Herkomenen, der Hertzogen
zu Meckelnburgk, und von andern
J. F. G. denckwirdigen
Geschichten.
Von
Ehrn Casparo Calovio, Diener am Worte des
Herrn, Midenwaldensis, trewlich aus vielen
alten Historien vnd Geschichten, mit allem
Fleiß zusammen gezogen.
Gedruckt zu Leiptzig, bey Abraham Lam=
berg, Anno 1600.

Dies scheint die Ausgabe für den Buchhandel gewesen zu sein. Die Ausgaben mit den Dedicationen an die Magistrate zu Rostock und Wilsnack scheinen nur zum Zweck der Dedication besondere Titel erhalten zu haben. Auffallend ist es jedoch, daß in demselben Jahre 1599 zwei ganz verschiedene Ausgaben veranstaltet wurden. Calovius veranstaltete diese Ausgaben mit den Dedicationen ohne Zweifel nur darum, um sich irgendwo unterzubringen. Vielleicht gab er, um sich zu empfehlen, die ersten Abdrücke vom J. 1599 nur in wenig Exemplaren aus (Punkt fehlt) Der Abdruck von 1600 scheint für das große Publicum bestimmt gewesen zu sein. Uebrigens ist es möglich, daß sich noch andere Dedicationsausgaben finden.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 158 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Eigentlich kann man aber nur von zwei Ausgaben von 1599 reden, welche zwar dem Inhalte nach gleich, dem Satze nach verschieden sind.

Wahrscheinlich kam der Druck dieser Genealogie sehr willkommen, da sie die erste gedruckte und deutsch geschriebene Geschichte von Meklenburg war.


Im großherzoglichen Archive zu Schwerin wird nun noch eine Handschrift aufbewahrt, welche den Titel führt:

Genealogia
oder

Ankunft des Fürstlichen Hauses von Mecklenburgk, lang vor der Geburth Christi von dem ersten Könige Anthyrio an biß auff damahls regierende Hertzoge zu Mecklenburgk, etwan zusammen gelesen durch den Hochedlen und Hochgelehrten Herren M. Andream Mylium, Frstl. Mecklen=

burgischen Hoffraht,
Ehmahlen

unter der Titul: Chronica oder Erste Ankunfft und Herkommen der Hertzogen zu Mecklenburgk und von andern J. F. G. denckwürdigen Geschichten von Ern Casparo Calovio, Diener am Worte des Herren, Midenwaldensis, treulich aus vielen alten Historien und Geschichten mit allem Fleiß zusammengezogen, schon anno MDC zu Leipzig durch Abraham Lambergk zum

Druck befördert worden,
Nun aber

mit noch viel andern Historien, sampt Verzeigniß der Städte, Aempter, Klöster vnd Wassern biß auff den Tod Hertzog Carols vermehret und annotiret

durch
Martinum Majum, Pastorn zu Grantzin.

Von diesem Pastor Martin Majus oder Mege zu Grantzin ist auch nur wenig bekannt. "Martin Mege Belgrensis" (aus Belgern (?) an der Elbe im Lande Meißen) ward Ostern 1578 statt des wegen seines strafbaren und ärgerlichen Lebens und seiner Untüchtigkeit im Amte entlassenen Pastors Jeremias Maas als Pastor zu Grantzin bei Boizenburg eingeführt. Aber auch M. Mege ward mit der Zeit so anstößig, daß er bei dem Herzoge Ulrich in Ungnade und bei der Gemeinde in Verachtung kam und endlich flüchtig werden mußte. Ihm folgte Ostern 1589 Conrad Hauswalius, oder Hauswall, Hauswalt, der sich späterhin, z. B. 1635, mit seinem Sohne Johann

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 159 zur ersten Seite zur vorherigen Seite

Hauswedel schreibt. Dieser ward als Capellan nach Boizenburg versetzt, wo er später Pastor ward. Um Ostern 1591 bewilligte der Herzog die Bestellung des Bartholomäus Fetzelius. Aber im J. 1592 war Joachim Wanckelmuth, ein Grabower, Pastor zu Grantzin als Nachfolger des Hauswedel und erscheint als Pastor noch im J. 1598.

Es ist übrigens erschrecklich zu sehen, welche Menge wilder und untüchtiger Prediger im letzten Viertheil des 16. Jahrh. auftauchen und wie eine nicht geringe Zahl derselben ein wahres Landstreicherleben führt. Es ist wahrscheinlich, daß zuerst die Begeisterung der Reformation und darauf das Beispiel und die Sorgfalt des Herzogs Johann Albrecht, dem Lande vorherrschend die tüchtigsten Leute aus der Fremde zuführte, daß aber mit dem beginnenden Verfall der Cultur und dem Ueberhandnehmen der Zänkereien, beim Mangel tüchtiger Landeskinder, die Masse untauglicher Menschen aus der Fremde nachdrängte und die Kirche in große Gefahr brachte. Das Beispiel hat wiederholt in Meklenburg die Lehre gegeben, wie gefährlich es sei, wenn einmal die Cultur eines fremden Landes in die Mode kommt, den ungehinderten Zuzug der Masse zu gestatten; so annehmbar die Ersten, Tüchtigen zu sein pflegen, so unbrauchbar und schädlich pflegt der Rest zu sein.

Martin Mege war also nur 1578-1591 Pastor zu Grantzin. Auf dem Titel wird er nach 1600, nach der Herausgabe der Genealogie durch Calovius, noch Pastor zu Grantzin genannt. Ob er zurückgekehrt und wieder angenommen, ob der Titel erst später aus der Erinnerung hinzugefügt sei, läßt sich nicht bestimmen.

Was nun die Arbeit betrifft, so hat Mege, oft zum Nachtheil, viel daran geändert. Zuerst hat er die mythischen Könige, welche A. Mylius weggelassen hatte, nach Marschalk wieder vorangesetzt, hat überall im Styl geändert, hinzugefügt und ausgelassen und die letzten Herzoge umgearbeitet, so daß die Form der ursprünglichen Arbeit sehr gelitten hat.

Vielleicht war ein Thomas Majus oder Meje, seit 1636 Pastor zu Döbbersen, ein Sohn des Martin Mege.

Vignette