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VI. Zur Rechtskunde.


Die eiserne Jungfer

auf dem Schlosse zu Schwerin.
Mit 3 Holzschnitten.

Es ist wohl selten etwas mehr im Munde des Volkes gewesen, als die "eiserne Jungfer", welche eine Hinrichtungs=Maschine des Mittelalters gewesen sein soll, ohne daß auch nur die geringste Spur von einer solchen Maschine oder eine schriftliche Nachricht darüber irgendwo aufzufinden gewesen wäre. Die "eiserne Jungfer" war bisher einem Gespenste gleich, das überall spukte. Ein Engländer Pearsall nahm es sich zum alleinigen Ziel, Ueberbleibsel von der "eisernen Jungfer" zu erforschen und machte zu dem Zwecke in den Jahren 1832 und 1834 weite Reisen durch Deutschland, deren Resultate er in der Archaeologia, London, Vol. 27, 1838, p. 229-250, niederlegte.

Die erste Spur fand Pearsall in Siebenkees Materialien zur nürnbergischen Geschichte, 1792, Bd. 2, S. 753, wo "aus einer Chronik berichtet wird: "Anno 1533 ist die eiserne Jungfer für die Maleficanten an der Froschthurm=Mauer gegen die 7 Zeilen aufgerichtet worden, so man öffentlich zu justificiren angestanden". Siebenkees erzählt nun weiter, an dem bezeichneten Orte habe ein eisern Bildniß, 7 Fuß hoch, gestanden, welches beide Arme gegen den Maleficanten ausgebreitet und ihn mit breiten Handsäbeln in Stücken gehauen habe. Jedoch wußte Siebenkees nichts mehr von dem Vorhandensein einer solchen Maschine. Pearsall reiste nach Nürnberg und erfuhr hier von dem Archivar Dr. Mayer, daß in einem Gewölbe in der Nähe der 7 Zeilen ehemals wirklich eine solche Maschine gestanden und er selbst noch einige Stücke von derselben gesehen habe; die Figur sei aber nicht mehr vorhanden. Die Figur habe an einer Fallklappe gestanden, und wäre das Schlachtopfer, nachdem es durch die Umarmung der Figur getödtet sei, durch die Fallklappe in ein unteres Gewölbe auf eine mit Messern versehene Maschine gefallen und durch diese in kleine Stücke zerschnitten; nach Mayers Vermuthung wären die Messer auf hölzernen Wellen befestigt gewesen, die durch das Gewicht des Körpers in Bewegung gesetzt wären und den Körper zerschnitten hätten. Pearsall giebt p. 236, Tab. XV, eine Abbildung von dieser muthmaßlichen Einrichtung. Die Kammer, zu der ein dunkler, enger Gang mit 4 eisernen Thüren führt, ist noch vorhanden und hat m der Mitte des Fußbodens eine viereckige Oeffnung,

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an deren Rande noch Spuren von Angeln sind etc. . Die Figur fand Pearsall endlich auf dem Schlosse zu Feistritz in Steiermark, dessen Besitzer sie zur Zeit der französischen Invasion aus dem Zeughause zu Nürnberg gekauft hatte. Die Figur ist genau 7 Fuß hoch, kann geöffnet werden und hat im Innern 21 vierschneidige Dolchspitzen gegen die Brust und 2 gegen die Augen, durch welche der Hinzurichtende todt gedrückt sein mag.

Pearsall hörte auf seinen Reisen von mehreren "eisernen Jungfern"; namentlich hörte er, daß in Berlin in dem Schloßthurme, "der grüne Hut" genannt, und im Schlosse zu Schwerin früher eine solche Hinrichtungsmaschine gestanden habe. Hiergegen erhob sich der Professor und Schloßbaumeister Martin Friedrich Rabe in einer eigenen Schrift:

"Die eiserne Jungfer und das heimliche Gericht im königlichen Schlosse zu Berlin, von Martin Friedrich Rabe, Berlin, 1847, in der Haude und Spenerschen Buchhandlung",

in welcher er sich zu beweisen bemüht, daß weder im Schlosse zu Berlin, noch überhaupt in Deutschland je eine solche Hinrichtungsmaschine existirt habe, sondern die "eiserne Jungfer" nichts weiter, als eines von den vielen Folterwerkzeugen 1 ) alter Zeit gewesen sei, die so sehr verschiedene Namen gehabt hätten.

Bald nach dem Bekanntwerden der Forschungen Pearsall's nahm auch ich die Forschung auf und theilte in unsern Jahrb. VI, 1841, S. 198, treu und gewissenhaft das mit, was sich über die eiserne Jungfer im Schlosse zu Schwerin noch ermitteln ließ. In Schwerin ist die Ueberlieferung von einer Hinrichtungsmaschine unter dem Namen der "eisernen Jungfer" sehr bekannt. In dem alten, bei dem gegenwärtigen Umbau des Schlosses erhaltenen Burgverließ, lagen an der Erde fünf gewaltige zweischneidige, scharfe, eiserne Schwerter, welche zu der zerstörten Maschine der eisernen Jungfer gehört haben sollen und aus dem Burgverließ in die großherzogliche Alterthümersammlung versetzt sind. Ich fügte hinzu, daß diese Schwerter offenbar zu einer Maschine gehört" haben und beschrieb sie so genau, daß ein Baumeister ihre Bestimmung wohl hätte erkennen sollen.

Dagegen erhebt sich Rabe, um consequent zu sein, a. a. O. S. 67 flgd. und zieht die von mir gemachten Angaben in der


1) In Rabe über die eiserne Jungfer S. 43 wird unter den Folterwerkzeugen auch das sogenannte meklenburgische Instrument aufgeführt, durch welches ein kreuzweises Zusammenpressen der Daumen und großen Zehen hervorgebracht ward.
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Weise in Zweifel, daß er die von mir gegebenen Maaße für ganz gewöhnliche Schwertermaaße ausgiebt. Er sagt:

"Wie wenig Vertrauen Pearsall's Nachrichten zum Theil verdienen, zeigt das, was er von Berlin und Schwerin erzählt. —  — Eben so unwahr ist auch, was Pearsall von dem Vorhandensein einer "Jungfer" im Schlosse zu Schwerin sagt. Eine dergleichen ist dort nicht mehr vorhanden — — und das Ganze scheint nur auf einer Sage zu beruhen. — — Die Nachricht des Hrn. Archivar Lisch (in Jahrb. a. a. O. ist indessen wohl nicht zur größern Bestätigung jener Sage geeignet. Der Raum war ein wirklicher Gefangenraum gewesen. Die 5 Schwerter bewahrheiten jene Sage nicht, sind ihr entgegen. Sie sind zweischneidig, — so waren auch die gewöhnlichen Schlachtschwerter, aber bei einer Maschine für den hier in Rede stehenden Zweck waren nur einschneidige Klingen erforderlich (?), und was beweiset, daß sie früher in einer Maschine gesessen haben? — Doch nur die Gestaltung ihrer untersten Enden. Konnten dieselben nicht eben so zur Befestigung des Handgriffs, welchen doch die Schlachtschwerter hatten, gedient haben? Hätten diese fünf Schwerter wirklich einer so künstlichen Maschine angehört, wie würden von ihr nur jene allein übrig geblieben, alles Uebrige aber verschwunden sein? — Nein! es sind gewiß wirkliche Schlachtschwerter aus andern Räumen des Schlosses, vielleicht aus dem ehemaligen Zeughause desselben, hierher gebracht; als Beweis einer hier vorhanden gewesenen "Jungfer" können sie aber nicht gelten!"

Es verlohnt sich nicht der Mühe, diese sämmtlich unbegründeten Behauptungen, welche die genaue Beschreibung gänzlich ignoriren, zu widerlegen. Wenn z. B. Herr Rabe fragt, wie es gekommen sei, daß nur die fünf Schwerter übrig geblieben seien, so antworte ich einfach darauf, daß es eben so wahrscheinlich ist, daß überhaupt nicht mehr als fünf vorhanden gewesen oder die übrigen gestohlen oder sonst verloren gegangen sind, wenn mehr vorhanden waren; übrigens war von jenen 5 Schwertern schon eins völlig hinreichend, um einem Menschen den Lebensfaden abzuschneiden.

Statt aller Widerlegung wiederhole ich hier die schon ein Mal gegebene Beschreibung und begleite dieselbe mit genauen Abbildungen, welche auf den ersten Blick zeigen, daß hier von "wirklichen Schlachtschwertern" gar nicht die Rede sein

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könne, man müßte denn eine eigene Menschenrace und einen ganz isolirten Culturzustand, der nirgends einen Vergleichungspunct hat, dazu annehmen.

Jede Klinge wiegt acht Pfund! Sie ist also wahrlich nicht als Schlachtschwert zu regieren. Dazu sind die Klingen sämmtlich nicht als Schwertklingen gestaltet; sie sind durchschnittlich 4 Zoll breit und unten abgerundet. Wollte man aber auch annehmen, diese Klingen hätten eine besondere Art von Schlachtschwertern gebildet, so beweiset doch grade "die Gestaltung ihrer untersten Enden, daß sie früher in einer Maschine gesessen haben."

Es gehören von den fünf Schwertern zwei Paare zusammen, das fünfte steht allein.

Umschrift

1. Die Schwerter des ersten Paares haben ein kurzes, grades, gespaltenes Heft von 6" Länge, mit zwei großen, durchgehenden Löchern, durch welche ein fingerdicker Bolzen oder eine Schraube getrieben werden konnte; das gespaltene Heft faßte ohne Zweifel über einen schmalen Balken.

2. Die Schwerter des zweiten Paares haben ein gebogenes, nicht gespaltenes Heft von 12" Länge, am Ende mit einem großen Loche, zum Einschrauben in einen Arm oder einen Balken.

3. Das fünfte Schwert ist den Schwertern des zweiten Paares gleich, nur mit dem Unterschiede, daß das Heft ganz grade ist.

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Jede Klinge ist, wie gesagt, acht Pfund schwer, 33 bis 34 Zoll lang, am Hefte gegen 5 Zoll und kurz vor der abgerundeten Spitze gegen 3 Zoll breit, zweischneidig und mit erhabenem Mittelrücken. Die 3 langen Hefte sind 12 Zoll lang, 1 3/4 Zoll breit und gegen 5/8 Zoll dick.

Aus den Abbildungen, zusammengehalten mit den ganz ungewöhnlichen und gewiß allein stehenden Maaßen, ergiebt sich nun wohl ohne Zweifel, daß an eine Verwendung der Klingen zu Schlachtschwertern nicht gedacht werden kann. Es ist vielmehr außer Zweifel, daß diese seltsamen Klingen in einer Maschine gesessen haben. Ob sie in der "eisernen Jungfer" gesessen haben, weiß ich nicht; die Sage bejahet es, und mehr weiß ich auch nicht. Wenn man aber irgendwo Ueberbleibsel einer Hinrichtungsmaschine unter dem Namen der "eisernen Jungfer" suchen will, so kann man sie wohl nur in den schweriner Schwertern suchen.

G. C. F. Lisch.