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In Jahrb. XIV, S. 381, ist ein Urtheil des Herrn Bauraths Stüler zu Berlin über die Ziegelbauten der deutschen Ostseeländer aus einem von demselben gehaltenen Vortrage mitgetheilt. Derselbe hat nun auch im "Notiz=Blatt des Architekten=Vereins zu Berlin, Neue Folge, Nr. 3, 1. April 1849", einen Beitrag zur Kenntniß des Ziegelbaues in den Ostseeländern", S. 31-32, drucken lassen und zwei Tafeln mit interessanten Abbildungen beigegeben. Stüler geht zunächst von der Vergleichung des italienischen und deutschen Ziegelbaues im Mittelalter aus und setzt den wesentlichen Unterschied beider darein, daß in Italien größere Mauerflächen und reiche Architekturgliederung der einfach conturirten Gebäudetheile mit vielfacher Anwendung von fein modellirten, dünnen, kachelartigen Reliefs, in Deutschland die Zerlegung der Mauerflächen in schematische Architekturformen zur Bildung eines vielgezackten Umrisses mit Gliedern und Simswerken von aufgemauerten Formsteinen vorherrschend ist. Beide, so sehr verschiedene Architekturformen sind zum größten Theile im Klima und im Material begründet und durch ältere Traditionen veranlaßt. Ich füge noch einen dritten Grund hinzu: die Beschränkung des Raumes. Die norddeutschen Städte des Mittelalters hatten einen nur geringen Umfang, um die Vertheidigungslinie der künstlichen Befestigung in den flachen Gegenden nicht zu weit auszudehnen, und dabei eine große Bevölkerung. Damit die Bewohner Platz finden konnten, war jedem Besitzer nur eine geringe Fronte, in Stralsund z. B. von höchstens 36 Fuß, erlaubt; und dabei hatte man für die Aufbewahrung und Bereitung sämmtlicher häuslichen Bedürfnisse zu sorgen, indem man seine Lebensbedürfnisse nicht so leicht für baares Geld kaufen konnte, wie jetzt. Dazu forderten bei dem reichen Handelsverkehr die Waaren sehr viel Raum zur Lagerung. Man war also genöthigt, mit vielen Oeffnungen und starken Gliederungen in die Höhe zu bauen und weit nach hinten hinauszugehen. So erlangte das Giebelhaus in Deutschland seine vollendete Ausbildung, nachdem es in klimatischen Verhältnissen seine Begründung gefunden hatte. Die Beschränkung des
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Raumes war aber sicher eine Hauptveranlassung zur Ausbildung des Giebelhauses; die meisten Giebelhäuser finden sich an den Hauptstraßen des lebhaften Verkehrs. In kleinern Nebenstraßen, auf dem Grund und Boden der Communen und geistlichen Stiftungen, welche über größere Arealflächen zu gebieten hatten, findet man häufig Queerhäuser, mit den Langseiten an der Straße.
— Stüler geht nun auf einzelne Eigenthümlichkeiten der norddeutschen Ziegelbauten weiter ein und giebt "einige der schönsten Beispiele mittelalterlicher Wohnhaus=Architektur der Küstenstädte Rostock und Wismar" auf 2 malerisch gezeichneten, interessanten Tafeln bei; auf Tafel 2 sind vier Wohnhäuser in Rostock (am Schilde, an der Blutstraße und an der Ecke der Wasserstraße) und auf Tafel 3 die Häuser der Marienkirche und das Haus am Markte in Wismar abgebildet. — Im Stadt=Archive zu Rostock wird eine wohl 100 Fuß lange, im J. 1585 entworfene Abbildung sämmtlicher Häuser der Stadt, einen Gang durch die Straßen darstellend, aufbewahrt (vgl. Lisch Meklenb. in Bildern III, S. 44); ist die Malerei auch nicht besonders gut, so giebt sie doch ein lebhaftes Bild von dem Architektur=Reichthum der alten Stadt.
G. C. F. Lisch.