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d. Zeit der Wendengräber.
Wendisches Priestergeräth von Lübberstorf.
In Jahresber. VII, S. 33-44, ist ein höchst merkwürdiger Fund von Bronze beschrieben, welcher im J. 1841 zu Roga bei Friedland gemacht ward; der Fund bestand aus einem gravirten Bronzekessel, einem Diadem, drei Paar Armringen, drei Kopf= oder Halsringen, alles aus Bronze, und einer Spange aus Bernstein. Im J. 1838 war bei Wesenberg ein ähnlicher Fund gemacht, aus einem Kessel und 7 Armringen von gleicher Beschaffenheit bestehend.
Jetzt, im J. 1847, ist zu Lübberstorf bei Friedland, in 1 Meile Entfernung von Roga, merkwürdiger Weise derselbe Fund gemacht, welcher den rogaer Fund bedeutend zu erläutern im Stande sein mag. Diese Sachen, alle aus Bronze, lagen "an der Seite eines Wallgrabens bei Lübberstorf, ungefähr 4 Fuß tief, in Moorerde, in einer Kiste von 6 Sandsteinen, von denen 4 die Seiten, 1 den Boden und 1 den Deckel bildeten." Die Sachen waren also ohne Zweifel nicht verloren gegangen, sondern hier sorgfältig in alter Zeit verborgen. "Darüber lagen wild durch einander liegende, große Baumstämme, welche bereits vergangen waren. Hin und wieder fanden sich in der Nähe Reste von Kohlen." Alle Sachen sind ohne Rost, da sie im Moor gefunden sind.
Der Herr von Oertzen, Besitzer des Gutes Lübberstorf und des Fundes, hat die Sachen dem Vereine zur wissenschaftlichen Benutzung gütigst anvertrauet.
Der Fund hat sicher eine große Bedeutsamkeit durch seinen ungewöhnlichen Reichthum, durch Vergleichung mit dem Funde von Roga und anderen ähnlichen Funden, welche bisher nur im Lande Stargard beobachtet, durch Vergleichung mit den Bronzen von Basedow aus der Bronzeperiode, welche in der voraufgehenden Darstellung beschrieben sind.
L. Giesebrecht hat in den Baltischen Studien XI. H. 1, S. 22 flgd. die in dem rogaer und andern ähnlichen Funden vorkommenden Kessel und sonstigen Geräthe zu deuten versucht. Wir vermögen seinen gewagten Hypothesen nicht zu folgen, können uns also auf dieselben nicht einlassen, sondern müssen uns mit einer genauen Beschreibung und Darstellung der Sachen be=
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gnügen, schon deshalb, weil wir glauben, daß die Erfahrungen noch viel zu jung sind, um ein einigermaßen wahrscheinliches Urtheil fällen zu können. Wir haben aus Giesebrechts Abhandlung hier, wie schon vorher bei der Beschreibung des basedower Fundes, nur die Bezeichnung der Verzierungsstreifen auf den gravirten Kesseln entnommen, um uns verständlicher machen zu können.
Es ward in Lübbersdorf gefunden:
1) Ein gravirter Kessel, ungefähr wie der rogaer. Er hat wie dieser einen kegelförmigen Bauch und auf demselben einen senkrechten Rand. Der ganze Kessel ist 6" hoch, 8" weit in der Mündung, 10" weit im Bauche.
1/3 Größe
Ueber dem scharfen, 7/8" breit eingezogenen Bauchrande ragt die senkrechte Wand der Mündung 15/8" hoch empor und legt sich nach innen gegen 1" breit zu einem Rande um, der mit durchgeschlagenen, mit den Spitzen gegenüber stehenden großen Dreiecken verziert ist, wodurch die stehengebliebenen Bronzestreifen ein Zickzackband zwischen zwei concentrischen Bändern bilden. Auf diesem Rande stehen zwei oblonge, 17/8" lange Henkel, welche wahrscheinlich aus Einem Stücke mit dem Kessel gegossen sind.
Der ganze Kessel ist aus Einem Stücke über einem Kern gegossen und auf der innern Fläche rauh, mit einzelnen, hervorstehenden Bronzestückchen, jedoch ohne Näthe, welche einen zusammengesetzten Kern vermuthen lassen könnten.
Der kegelförmige Boden des Kessels ist polirt und ganz mit gravirten Verzierungen bedeckt, von denen wir einen perpendiculairen Ausschnitt in getreuer Abbildung geben.
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Ganze Größe.
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Diese Verzierungen bestehen aus drei "Bändern", jedes zwischen zwei "Säumen", und der Verzierung auf dem platten Knopfe im Boden oder der "Schlußfläche". Alle Verzierungen sind gravirt; die ganze Außenfläche ist glatt, ohne irgend eine Erhöhung.
Die drei untern "Säume" bestehen aus einem 1/4" breiten Kreise, welcher mit eingegrabenen, dicht stehenden, perpendiculairen Queerlinien verziert und an beiden Seiten durch eingeschlagene, kleine Kreissegmente begrenzt ist.
Von den Bändern sind das obere und untere gleich verziert, nämlich mit zusammenhangenden "Drachenverzierungen", das obere mit 20, das untere mit 10 solcher Windungen. Das mittlere Band aber ist mit frei stehenden Drachen verziert, welche ganz so gestaltet sind, wie die Drachen 1 ) auf dem Kessel von Roga; auf diesem Bande stehen zehn Drachen. Der glatte Knopf im Boden oder die "Schlußfläche" ist sehr abgescheuert und von den Verzierungen ist durchaus nicht mehr zu erkennen, als hier abgebildet ist; dem Anscheine nach haben die Verzierungen aus 4 vollen Kreisverzierungen bestanden, deren jede aus 3 concentrischen Kreisen gebildet ist; der eingestochene Mittelpunkt ist noch in jeder dieser Kreisverzierungen vollkommen erhalten. Der oberste Saum am Bauchende steht etwas hervor
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und ist in Zwischenräumen von ungefähr 3/8" mit Gruppen von eingravirten Perpendiculairlinien verziert.
Die senkrecht stehende Wand der Mündung ist mit 3 erhabenen Reifen geschmückt, welche mit dicht stehenden, eingravirten Schrägelinien verziert sind.
Der innerste Rand innerhalb der durchgeschlagenen Dreiecke bildet einen etwas erhabenen Saum, der mit Gruppen von abwechselnd schräge rechts und schräge links eingegrabenen Linien verziert ist.
Die beiden Henkel haben ohne Zweifel als solche wirklich gedient, da sie in allen Ecken sichtbar ausgeschliffen sind.
2) Zwei Buckel (?), ganz den beiden merkwürdigen Buckeln gleich, welche in der Sammlung zu Neu=Strelitz aufbewahrt werden und welche Giesebrecht B. St. XI, 1, Lithogr. Fig. 11 und 12 hat abbilden lassen. Diese Abbildungen bei Giesebrecht sind ungenau, da weder Beschreibung, noch Zeichnung die innere Einrichtung dieser Buckel zeigen; die innere Einrichtung ist aber sicher von wesentlicher Bedeutung. Die beiden neustrelitzer Buckel, welche ich wiederholt untersucht habe und von welchen ich getreue Abbildungen besitze, sind grade so groß und ähnlich eingerichtet und verziert, wie die lübberstorfer. Die ebenfalls gegossenen Buckel haben eine trichterförmige Gestalt und würden Trichter vorstellen können, wenn nicht die Oeffnungen der Spitzen geschlossen wären. In beiden Funden findet sich ein größerer und ein kleinerer Buckel.
a. Der größere Buckel ist 4 1/2" hoch und gegen 5" weit in der
1/2 Größe
Mündung. Er ist zwischen ähnlich gravirten Säumen, wie sie der Kessel trägt, mit zwei Bändern verziert. Das Band zunächst der Mündung trägt 17 Windungen von Drachenverzierungen, wie sie auf dem Kessel stehen. Das Band zunächst der Spitze hat 10 Windungen von Verzierungen, welche in der
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untern Hälfte aus Drachenhälsen bestehen, also aus Drachenverzierungen und Drachen zusammen gesetzt sind.
Im Innern steht auf einem Stuhle von 3 Bronzestangen grade in der Mitte der Höhlung eine perpendiculaire Bronzestange, welche einen runden, glatten Knopf von 1" Durchmesser trägt, welcher mit seiner ganzen Dicke grade über die Fläche der Mündung hinausragt, so daß es scheint, als wenn der Buckel auf eine Fläche hat aufgeknöpft werden sollen.
b. Der kleinere Buckel ist gegen 4" hoch und 4" weit
1/2 Größe
in der Mündung. Die Außenfläche ist zwischen Säumen mit zwei Bändern verziert, wie die Außenfläche des größern Buckels. Das Band zunächst der Mündung trägt 12 Windungen von Drachenverzierungen. Das Band zunächst der Spitze hat 4 frei stehende, ganze Drachen, grade so, wie sie auf dem Kessel dargestellt sind.
Die innere Einrichtung ist etwas anders, als die des größern Buckels. An einer Seite steht in der Mitte der innern Wandfläche eine perpendiculaire Stange, welche einen platten Knopf von 3/4" Durchmesser trägt. Grade gegenüber stehen auf der innern Wandfläche etwas schräge gegen innen geneigt 2 Stangen, auf welchen, in gleicher Höhe mit dem Knopfe, ein Schemel von 15/8" Länge ruht. Knopf und Schemel ragen grade über die Mündung hervor. Diese Einrichtung hat wahrscheinlich dazu gedient, daß unter dem Schemel weg ein Riemen durchgezogen ist, dessen Ende auf den Knopf geknöpft ward.
Die neustrelitzer Buckel sind in so ferne anders eingerichtet, als in beiden die Stange mit dem Knopfe in der Mitte der Höhlung auf einem dreifüßigen Stuhle steht, also beide so eingerichtet sind als der größere Buckel von Lübberstorf.
Giesebrecht, welcher den ganzen rogaer Fund für einen Apparat zur "Regenbeschwörung" hält, erklärt S. 78 diese Buckel für "Buckel von Schilden des Gerovit, des Frühlingssiegers, des Gottes der Ackerbauer."
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3) Ein Diadem.
1/3 Größe
In dem rogaer Funde befand sich eine, Jahresber. VII, S. 37 abgebildete, reich verzierte Binde aus biegsamem Bronzeblech, welche wir dort ein Diadem nannten. Ein ähnliches Geräth fand sich auch bei den Sachen von Lübberstorf, jedoch von anderer Einrichtung. Es ist ein gegossener, nicht biegsamer, geschlossener Reifen, ähnlich einer niedrigen Krone ohne Zacken. Nach heutigen Begriffen könnte man das Geräth für einen Beschlag oder Ring um ein Gefäß oder dessen Oeffnung halten; es fehlen jedoch alle Anzeichen, daß es je an etwas befestigt gewesen wäre; auch redet hiergegen wohl die Verzierung. Der Reifen ist nach beiden Seiten hinausgebogen, an der einen Seite mehr, als an der andern. Auf der Außenseite sind beide Ausbiegungen mit 3 sauber und regelmäßig eingegrabenen concentrischen Kreisen verziert. Auf der innern Seite ist die breitere Ausbiegung mit einem Kreise, die schmalere mit zwei Kreisen geschmückt. Das Ganze ist sorgfältig geebnet und polirt.
Der innere Durchmesser dieses Reifen ist 7", also grade so groß, als der Durchmesser des rogaer Diadems, und paßt grade auf den Kopf.
Bei gleicher Größe und gleich sorgfältiger Bearbeitung möchte ich also den beiden Geräthen aus den beiden Funden dieselbe Bestimmung zuschreiben.
Giesebrecht a. a. O. S. 49 hält "das rogaer Diadem
Bronzene Stirnbinde von Roga. 1/2 Größe.
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für den Gürtel einer Priesterin." Hatten aber beide Geräthe, von Roga und von Lübberstorf, dieselbe Bestimmung, wie es unter ganz gleichen Umständen den Anschein hat, so kann das Geräth von Roga kein Leibgürtel sein, da sich das Geräth von Lübberstorf nicht um den Leib legen läßt.
4) Sechs geschlossene "Armringe". Die Ringe sind
1/3 Größe
dünne, wie Blech, inwendig gehöhlt, geschlossen, oval, 3" und 21/2" im Durchmesser. An einer langen Seite haben sie als Verzierung zwei hohl getriebene Knäufe, wie die nordischen sogenannten "Eidringe", als wenn sie geöffnet werden sollten, obgleich sie geschlossen sind, und an jeder Seite dieser Knäufe Gruppen von eingravirten Queerlinien. Die Ringe sind so groß, daß sie eine kleine Hand durchlassen. Da sie wahrscheinlich, vielleicht in dem Kessel, fest verpackt gewesen sind, so haben sie etwas Rost angesetzt, der aber so dünne ist, daß überall die Bronze durchschimmert. - Auch bei Roga wurden neben dem Kessel und dem Diadem sechs solcher Ringe, jedoch mit ganz anderer Einrichtung (vgl. Jahresber. VII, S. 36), und bei Wesenberg ebenfalls sieben solcher Ringe, wie bei Roga, gefunden.
5) Ein geöffneter "Armring", mit sehr schönen Ver=
zierungen, welche theils durch den Guß, theils durch Gravirung hervorgebracht zu sein scheinen. Der längste innere Durchmesser ist 21/4" und umschließt einen schmächtigen Unterarm.
6) Zwei Spiralcylinder aus dreieckigem Drath, der eine
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1/3 Größe
von 13, der andere von 14 Windungen, ebenfalls 21/4" im innern Durchmesser.
7) Zwei gewundene "Kopfringe" von der gewöhnlich
1/3 Größe
vorkommenden, häufigen Form, beide von gleicher Größe und Stärke, ungefähr 71/2" im Durchmesser, mit Haken geschlossen.
8) Ein gewundener "Kopfring", von gleicher Größe und Einrichtung, aber etwas dünner und feiner gearbeitet.
9) Ein gewundener "Halsring", mit Haken geschlossen, wie die Kopfringe, von starker, breiter Windung, 53/8" im Durchmesser.
10) Ein gewundener "Halsring", eben so eingerichtet, mit Haken geschlossen, von feiner, schmaler und enger Windung, ebenfalls 53/8" im Durchmesser.
11) Zwei "Kopfringe", mit überfassenden Haken geschlossen, dick und stark, von kräftiger Windung, 8" im innern Durchmesser. Diese Ringe haben das Eigenthümliche, daß an drei Stellen in den Vierteltheilungen des Kreises die Windungen zurückgehen und nach der entgegengesetzten Richtung umschlagen, wie hier ein Stück
in voller Größe
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abgebildet ist. Diese Ringe gleichen daher den in den Begräbnissen bei Ludwigslust gefundenen, in Frid. Franc., Tab. XXXII, Fig. 3, abgebildeten Ringen; in den Begräbnissen bei Ludwigslust, welche keinen Hügel mehr haben, findet sich schon häufig Eisen. Noch zu dem Griffe der nördlichen Pforte des Doms zu Güstrow (vom J. 1226) ist grade ein solcher Ring benutzt.
Dieser Fund von Lübberstorf, welcher in allen Einzelnheiten seiner Auffindung sicher verbürgt ist, kann einst von ungemeiner Wichtigkeit werden, theils weil er alles umfaßt, was bisher vereinzelt im Lande Stargard an ähnlichen Gegenständen gefunden ist, theils weil er den Fund von Roga, welcher durch Diadem und Kessel bisher am deutlichsten redet, vielfach erläutern kann. Dazu kommt noch, daß er in dem Funde von Basedow, welcher ohne Zweifel aus einer viel ältern Zeit stammt, einen Vorläufer zu haben scheint, wenn sich auch nicht leugnen läßt, daß der Kessel von Basedow ein Gefäß zum Verschließen, der Kessel von Lübberstorf ein Kessel zum Aufhängen war; jener hat Oeffnungen zum Durchschieben eines Riegels, dieser hat Henkel zum Aufhängen.
G. C. F. Lisch.