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c. Zeit der Kegelgräber.


Die Wohnungen der Germanen
und
die Hausurne von Aschersleben.

Der Herr Geheime=Rath von Olfers zu Berlin, General=Director der königlich preußischen Museen, hat unserm Vereine die Aufmerksamkeit erzeigt, demselben einen Gypsabguß von einer in der königlich preußischen Sammlung der deutschen Grabalterthümer aufbewahrten, höchst merkwürdigen Urne zu schenken, wogegen der Verein dem Museum Gypsabgüsse von den lübbersdorfer und basedower Bronzen (vgl. unten S. 320) wieder zu verehren Gelegenheit hatte.

Die Urne ist "vor mehreren Jahren in einem mit rohen Granitsteinen ausgesetzten Grabe bei Aschersleben" gefunden und hat die Gestalt eines Hauses. 1 )

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Urne

Der untere Theil ist viereckig; auf diesen Seitenwänden steht ein sehr hohes Dach, welches mit hinablaufenden, eingeritzten, graden Linien, wahrscheinlich zur Andeutung eines Rohr= oder Strohdaches, bezeichnet ist.


1) In dem so eben ausgegebenen Vierzehnten Bericht der schlesw.=holst.=lauenb. Gesellschaft für vaterländ. Alterth., 1849, S. 2 flgd. sind ebenfalls Betrachtungen über diese Urne angestellt.
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Eine Seitenwand hat eine viereckige Thüröffnung; diese kann von innen durch eine Platte, welche hineingeschoben werden kann, zugestellt und mit einem Riegel durch einen hervorstehenden Ring von außen zugeschoben werden. Die Urne ist ein Vorbild der norddeutschen Bauerhäuser. Die Masse der Urne, deren Original ich selbst in Berlin zu untersuchen Gelegenheit hatte, ist die bekannte, mit zerstampftem Granit durchknetete Thonmasse der heimischer Grabgefäße aus der heidnischen Zeit; nach der Bearbeitung und der Farbe zu schließen, gehört die Urne der Bronzeperiode an.

Diese Urne hat für Meklenburg eine besondere Wichtigkeit dadurch, daß die in Jahrb. XI, S. 364, zuerst und hier wieder

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Urne

abgebildete, sogenannte bienenkorbförmige Urne von Kiekindemark (vgl. Jahresbericht III, S. 59) wahrscheinlich ebenfalls ein Haus darstellen soll; jedoch hat diese eine kreisrunde Wand und ein kuppelförmiges Zeltdach. Diese Urne gehört sicher in die Bronzeperiode der Kegelgräber und scheint nach allen Merkmalen etwas älter zu sein, als die Urne von Aschersleben. Das Dach dieser Urne gleicht ganz einem Kegelgrabe, und das Kegelgrab würde daher wieder eine ungefähre Nachbildung einer menschlichen Wohnung sein. Da das Grab von Kiekindemark der mittlern, reinen Bronzeperiode angehört, so möchte das hohe Giebeldach, welches in der Urne von Aschersleben nachgeahmt ist, eine etwas jüngere Construction sein und einen Fort=

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schritt in der menschlichen Cultur bezeichnen können, wenn nicht etwa die Urnen zwei ganz verschiedenen Völkerstämmen angehören.

Betrachtet man jetzt die Reihe der bisher bekannt gewordenen Urnen, welche ein Dach und eine Thür an der Seite haben, so läßt sich die Entwickelung der ältesten Architektur klar erkennen. Außer den beiden hier abgebildeten Hausurnen sind nur noch eine in Thüringen gefundene (in Leipziger Jahresber., 1826, zu S. 30, und Klemm Handbuch, Tab. XIV, Nr. 13 abgebildete) und eine auf der Insel Bornholm gefundene (in Historisch=antiquar. Mittheil. 1835, S. 100, und in Leitfaden zur nordischen Alterthumskunde, S. 40, beide von der Gesellschaft für nordische Alterthumskunde, abgebildete) Urne ähnlicher Art bekannt geworden. Diese beiden haben die Thür im Dache. Diese Urnen würden die älteste Gestalt der Wohnhäuser darstellen; die Thür lag zum Schutze gegen wilde Thiere so hoch: man mußte eine Leiter ansetzen, um in das Innere zu gelangen, und zog dann die Leiter nach sich hinauf und war durch die glatten, runden Wände geschützt. Aehnliche Wohnungen mit hochliegenden Thüren und beweglichen Leitern haben noch manche wilde Völkerschaften in Afrika.

Auf diese Urnen würde der Zeit nach die Urne von Kiekindemark folgen, welche zwar noch rund ist, aber schon eine Thür in der Seitenwand hat. Die jüngste von diesen Urnen möchte dann die Urne von Aschersleben sein, welche schon viereckig ist und ein Giebeldach hat.

G. C. F. Lisch.