![]() ![]() |
[ Seite 70 ] |
![]() ![]() ![]() ![]() |
![]() ![]() ![]() |
|
:
in Meklenburg,
von
G. C. F. Lisch.
G leich darauf als der thätige livländische Erzbischof Albert die Stadt Riga nicht weit von der Mündung der Düna gegründet hatte, stiftete er im J. 1201 an der Mündung dieses Flusses ein Kloster für Mönche des Cistercienser=Ordens, welcher "in Livland und Esthland sehr ausgebreitet ward 1 ). "Er nannte das Kloster St. Nicolaus=Berg; es hieß jedoch, nach seiner Lage, in der gewöhnlichen Rede schon dazumal Dünamünde. Des Bischofs Bruder, der durch seinen frommen Wandel und seine Schicksale bekannte Dietrich von Thoreida, ward Abt, und bald wird das Kloster, der erste bewohnte Ort, den heransegelnde Kreuzfahrer an der öden Küste erblickten und wo sie Aufnahme fanden, bei frommen und freigebigen Männern in Deutschland Theilnahme erweckt und von ihnen thätige Unterstützung erhalten haben 2 )."
Schon vor dem J. 1232 hatte das Kloster Dünamünde Besitzungen im Lande Lieze, südlich von Witstock, erworben, indem die Edlen Herren, die Brüder Johann und Gebhard von Plote, die Stifter und Besitzer von Kiritz und Wusterhausen, am 2. Mai 1232 dem altmärkischen Kloster Arendsee 42 Hufen
![]() ![]() |
Seite 71 |
![]() ![]() ![]() ![]() |
verliehen, welche zwischen Netzeband und den Besitzungen des Klosters Dünamünde an dem Flusse Temnitz lagen 1 ); diese Hufen lagen ohne Zweifel auf der an Netzeband grenzenden, überaus großen und vielfach zertheilten 2 ) Feldmark Rögelin, auf welcher das Kloster Dünamünde nach spätern Urkunden bereits 30 Hufen besaß. Das Kloster Dünamünde erbauete auf seinen Hufen einen Wirthschaftshof und nannte denselben: Hof Dünamünde 3 ), welcher später an den Bischof von Havelberg kam und im 17. Jahrhundert wüst lag. Der Bruder Conrad von Dünamünde, welcher im J. 1256 in einem Vergleiche wegen der Anlegung der Mühle zu Zechlin als Zeuge bei den Verhandlungen vor dem Fürsten Nicolaus von Werle zu Röbel auftritt, ist wohl der Hofmeister (magister curiae) dieser Besitzungen 4 ).
Diese Besitzung lag damals im Gebiete der Fürsten von Werle, da das Liezland demselben gehörte, so viel die Landesherrlichkeit derselben auch zu allen Zeiten von den Markgrafen von Brandenburg angefochten und zuletzt auf weiten Wegen von denselben erworben ist 5 ). Jedoch ist es wohl unzweifelhaft, daß das Kloster Dünamünde diese Besitzung unmittelbar von den Edlen Herren von Plote erwarb, welche dieselbe von den Markgrafen zu Lehn getragen hatten.
Zu gleicher Zeit werden die Edlen von Plote dem Kloster Dünamünde auch 30 Hufen in dem Dorfe Trampiz, jetzt Tramnitz, Filial der Kirche von Brunn bei Wusterhausen, geschenkt haben. Denn schon am 6. Jan. 1238 schenkten die Markgrafen Johann und Otto von Brandenburg auf Bitte der Brüder Johann und Gebhard von Plote dem Kloster Dünnamünde das Eigenthumsrecht an 30 Hufen des Dorfes Trampiz und an 30 Hufen des Dorfes Rogelin, welche Dörfer die genannten Brüder von Plote von den Markgrafen zu Lehn getragen hatten 6 ).
Der Papst Honorius IV. bestätigte im J. 1285 ("pontificatus nostri anno primo ") dem Kloster Dünamünde das Patronat der Kirchen zu Trampis, Snethlinge und Quedlinghe (in den Diöcesen Camin und Havelberg), die Dörfer daselbst, den Wirthschaftshof (grangiam) in Trampis, die
![]() ![]() |
Seite 72 |
![]() ![]() ![]() ![]() |
Mühlen zu Tornow und Griep und einige andere Besitzungen in den Bisthümern Camin und Havelberg 1 ).
Diese 60 Hufen in Rögelin und Tramnitz waren also sicher die Besitzungen, welche das Kloster Dünamünde in der Mark Brandenburg hatte und die später auf unbekannte Weise auf den Bischof von Havelberg übergingen 2 ).
Zu derselben Zeit erhielt das Kloster Dünamünde auch Besitzungen innerhalb der jetzigen Grenzen des Landes Meklenburg.
Schon am 23. Dec. 1236 bestätigte der Papst Gregor IX. dem Kloster die Güter Bentwisch, Wustrow und Volkenshagen 3 ). Dies sind ohne Zweifel die Dörfer Bentwisch und Volkenshagen (Indago Volquini) bei Rostock und Wustrow auf Fischland bei Ribnitz. Wir haben aber über diese in der Herrschaft Rostock belegenen Güter des Klosters und deren Schicksale in dem nächsten Zeitraume weiter gar keine Nachricht, als die in der eben erwähnten, im pommerschen Archive liegenden, päpstlichen Bulle enthaltene. Die Güter müssen bald aus dem Besitze des Klosters gekommen sein, da sie schon im folgenden Jahrhundert zu Lehn an Vasallen ausgegeben waren und nun oft ihre Besitzer wechselten und zerstückelt wurden.
Bald darauf erhielt das Kloster die Güter Siggelkow und Zachow bei Parchim, in der Vogtei Marnitz; wenigstens ist das gewiß, daß diese Güter im J. 1262 im Besitze des Klosters waren. Zwar sind die über diese Besitzungen redenden Urkunden vollständig vorhanden; aber es tritt dem Beobachter hier eine eigenthümliche Erscheinung in der norddeutschen Geschichtsforschung entgegen: die Urkunden sind falsch, mit Ausnahme einer einzigen, vom 25. Oct. 1262. Die genannten Besitzungen des Klosters Dünamünde gingen schon im 13. Jahrh. an das holsteinsche Cistercienser=Mönchskloster Reinfelden über, welches in Meklenburg sehr reichen Grundbesitz hatte. Die meisten Urkunden dieses Klosters, welche bei dem Erwerb der Güter durch die Herzoge von Meklenburg nach der Säcularisirung desselben an diese ausgeliefert wurden, sind falsch. Die Urkunden sind von derselben Hand oder doch sehr ähnlichen Händen geschrieben; die Handschrift der Urkunden des 13. Jahrh. fällt unzweifelhaft in die erste Hälfte des 14. Jahrh. und es ist von den unverkennbaren Eigenthümlichkeiten der Schrift aus der Mitte des 13. Jahrh. in allen Urkunden aus dieser Zeit keine Spur vorhanden;
![]() ![]() |
Seite 73 |
![]() ![]() ![]() ![]() |
alle Urkunden haben dasselbe jüngere, frischere Ansehen; ungewöhnlich vielen Urkunden fehlt die Angabe des Tages der Ausstellung; alle Siegel hangen an Schnüren von Seide aus derselben Fabrik, während ächte Original=Urkunden des 13. Jahrh. die Siegel gewöhnlich an linnenen Schnüren oder an Pergamentstreifen tragen; endlich sind die Siegel, und dies ist vorzüglich entscheidend, entweder von andern Urkunden genommen, oder durch nachgegrabene Stempel oder Abdrücke aus Thonnachdrucken hergestellt, und durch absichtliches Zerbrechen und Beschmieren mit Firniß mit einem falschen Schimmer der Aechtheit umkleidet. Es giebt Urkunden des Klosters Reinfelden aus dieser Fabrik, welche so plump verfälscht sind, daß die Unächtheit augenblicklich in die Augen fallen muß; eine Urkunde z. B. des Fürsten Johann I. des Theologen (1229 † 1264) über Hufen in Questin vom J. 1237, welche auch nach den Zeugen in diese Zeit fallen muß, trägt das Siegel seines Sohnes Johann II. von Gadebusch (1276 † 1299); es ist freilich rund umher sehr plump mit einem Messer zerhackt, um demselben ein altes Ansehen zu geben, aber das Siegelbild steht vor den Augen des Forschers zu klar, um den Betrug nicht gleich zu erkennen; zwar hat der Verfälscher zuerst ein L vor XXXVII geschrieben gehabt, um aus 1237 die Jahreszahl 1287 zu bilden; aber diese stimmt wohl zu dem Siegel, jedoch nicht zu den Zeugen, und deshalb ist die Ziffer L in der Folge wieder ausradirt. Und von der Hand, welche diese Fälschung vollbracht hat, sind die übrigen falschen Urkunden geschrieben. Bekennt das Kloster Reinfelden doch selbst zu der Urkunde über Siggelkow vom J. 1235, daß sie sehr geringe Beweiskraft habe!
Der Vorwurf der Fälschung trifft jedoch nur die Form der Urkunden; es läßt sich gerade nicht behaupten, daß auch der Inhalt derselben falsch sei, vielmehr stimmt in der Regel dieser zu den unleugbaren Thatsachen. Es ist wahrscheinlich, daß diese Urkunden im Kloster Reinfelden gemacht sind, nicht um zu täuschen und unbegründete Rechte zu beurkunden, sondern nur um verloren gegangene Originale zu ersetzen. Viele der noch vorhandenen ächten Original=Urkunden des Klosters Reinfelden sind nämlich von Mäusen so ungewöhnlich stark zerfressen, daß sie nur noch in Fetzen zusammenhangen. Es ist daher wahrscheinlich, daß die falschen Ausfertigungen im Kloster Reinfelden nach den Resten der Original=Urkunden, als man, vielleicht nach Ueberwindung unruhiger Zeiten, den Verlust bemerkte, und nach Grundbüchern und Urkundenauszügen die Original=Urkunden wiederherstellte; daher sind die falschen Urkunden in manchen Dingen, z. B. im Datum und in den Zeugen=
![]() ![]() |
Seite 74 |
![]() ![]() ![]() ![]() |
reihen, oft lückenhaft: manches mag auch wohl nach andern gleichzeitigen Original=Urkunden gefälscht sein 1 ).
Wenn nun auch die Fälschung der Ausfertigungen nicht zu bezweifeln ist, so ist doch der Inhalt der Urkunden zur geschichtlichen Darstellung, wenn auch mit Behutsamkeit, zu benutzen.
Die Besitzungen des Klosters Dünamünde bei Parchim waren die Dörfer Siggelkow, Zachow und Crutzen, deren Feldmarken gegenwärtig in den Dörfern Siggelkow und Zachow in dem jetzigen Amte Marnitz vereinigt sind. Das Dorf Crutzen, welches wohl schon im 15. Jahrh. untergegangen ist, lag westlich an Siggelkow bis an die Elde, zwischen Siggelkow und Slate. Nach einer Vermessung vom J. 1726 hieß die Feldmark noch das Feld Krusen oder Krützen, oder das Kreutzfeld und gehörte zu Siggelkow; auf der "Dorfstätte" hatte ein Bauer ein Ackerstück an der Elde; auf dem Kreutzcamp am zachower Wege lagen die Krützer Sählen oder Kreutzsählen bis an den zachower Weg, und der Kreutzberg, welcher auf der großen schmettauschen Charte in einer Biegung der Elde Slate gegenüber steht, lag mit seinem Abhange an der "slater Scheide" und der "Queerfähre". Auch lagen Aecker beim Maden=See an der Landwehr. In der Beschreibung des Amtes Marnitz vom J. 1654 heißt es:
"Vom Felde Creutz genannt, welches J. f. g. Untertahn zu Siggelkow im gebrauch haben, geben sie an allerhand Korn den Fünften".
Ferner heißt es zum J. 1659 bei Siggelkow:
"Dann ist noch ein Feld, das Kreutz genandt, von welchem die Koßaten, so im Dorff gewohnet, ihren Acker gehabt".
Zu Siggelkow war eine eigene Pfarre; im J. 1411 war Heinrich Molenbeke Pfarrer zu Siggelkow. Im J. 1654 war die Pfarre abgebrannt und deshalb wohnte der Pfarrer auf der Pfarre zu Pankow, welche ihm zugelegt war; hiebei ist es bis auf unsere Zeit geblieben. In Siggelkow hatte das Kloster Dünamünde einen Hof, auf welchem ein Hofmeister (magister curiae) des Klosters wohnte; im 17. Jahrh. war Zachow ein Meierhof. Ferner war bei Siggelkow ein Zoll und eine Mühle. Endlich besaß das Kloster Dünamünde und später das Kloster
![]() ![]() |
Seite 75 |
![]() ![]() ![]() ![]() |
Reinfelden einen zu diesen Gütern gehörenden Hof oder einen Speicher in der Stadt Parchim auf dem Brook. In dem Verzeichnisse der festen Einkünfte der Stadt Parchim 1 ) vom J. 1364, welches dem alten Stadtbuche vorgeheftet ist, heißt es:
"Magister curie (Hofmeister) in Zigghelcowe annuatim dabit consulibus XXIIII pullos de granario (Speicher, Scheure) stante in palude" (Brook, eine Straße auf der Neustadt).
Im J. 1452 lag diese Stätte wüst, da das Kloster Reinfelden nur eine "wurt (Hausstätte) binnen Parchim" an die Herzoge vertauschte.
Wann und von wem das Kloster Dünamünde die Güter Siggelkow, Zachow und Crucen erworben habe, ist nicht bestimmt ausgesprochen, da die ersten Verleihungsurkunden verloren gegangen sind. Aber so viel wird gewiß sein, daß die Hauptmasse der Güter schon vor dem J. 1228 im Besitze des Klosters waren; denn im J. 1235 schenkte der Graf Gunzelin III. von Schwerin dem Kloster Dünamünde 12 Hufen zu Siggelkow 2 ) zum Ersatz des Schadens, welchen sein Vater, der berühmte Graf Heinrich, dem Klosterhofe Siggelkow zugefügt hatte, und der Graf Heinrich I. starb im J. 1228. Am 17. Julius 1238 schenkten die Markgrafen Johann und Otto von Brandenburg, als Oberlehnsherren, dem Kloster das Eigenthumsrecht über 30 Hufen des Dorfes Zachow und 52 Hufen des Dorfes Siggelkow, welches bis dahin die Grafen von Danneberg und Schwerin von den brandenburgischen Markgrafen zu Lehn getragen 3 ), und verliehen ihnen dazu die ausschließliche Fischereigerechtigkeit auf den Flüssen Elde und Siggelkow, so weit diese die Grenzen der genannten Dörfer berührten, und auf dem See Sabelke 4 ) zum Bedarf des Klosterhofes.
Die Schenker werden also die Grafen von Danneberg und von Schwerin gewesen sein. Von dem Grafen von Gunzelin III. von Schwerin haben wir Schenkungsurkunden. Aus dem dannebergischen Grafenhause nahm der Graf Heinrich II. von Danneberg das Kreuz gegen die Heiden in Litthauen und fiel hier am 22. Sept. 1236 in einer Schlacht neben dem letzten
![]() ![]() |
Seite 76 |
![]() ![]() ![]() ![]() |
Meister des Schwertbrüderordens. Es ist also wahrscheinlich, daß die Grafen von Danneberg dem Kloster Dünamünde, als einer wichtigen Stiftung des Erzbisthums Riga, für das Seelenheil eines Helden aus ihrem Hause sehr geneigt waren.
Die Landesherrlichkeit über diese Güter war in jenen Zeiten sehr streitig. Das Land zwischen den Südgrenzen der Grafschaft Schwerin und den Nordgrenzen der Mark Brandenburg, von der Elbe über die Berge von Marnitz hinaus gehörte den Grafen von Danneberg. Am westlichen Ende dieses Ländergebietes war aber die Lage so, daß mehrere Herrschaften nicht allein an einander traten, sondern auch in einander griffen. Die Burg Marnitz mit ihrem Gebiete gehörte in alten Zeiten den Grafen von Danneberg. Zur Grafschaft Schwerin gehörte aber die Vogtei der spätern Stadt Neustadt oder das Land Brentz 1 ), zwischen welchem und dem dünamündischen Klostergebiete von Siggelkow und Zachow nur das schmale Gebiet der fürstlich=richenbergischen Stadt Parchim lag; die Grenzen waren hier streitig und der Fürst Pribislav von Parchim=Richenberg entsagte im J. 1247 gegen den Grafen Gunzelin III. von Schwerin seinen Ansprüchen an das Land Brenz 2 ). An der östlichen Seite von Parchim zog sich das Land Ture (Lübz) bis zu den östlichen Grenzen von Siggelkow hinab 2 ) und vielleicht mochte Siggelkow in den ältesten Zeiten zu diesem Lande gehören. Die Grafen von Schwerin, denen auch die Stadt Crivitz mit der Umgegend, nordwestlich an der Ture, gehörte, hatten auch Besitzungen im Lande Ture, welche sie im J. 1247 gegen die Rechte an Brenz an den Fürsten Pribislav von Parchim=Richenberg abtraten 3 ). Von der dritten Seite griffen von Marnitz her die Gebiete der Grafen von Danneberg und Schwerin in einander. Als am 20. April 1262 der Bischof Rudolph von Schwerin einen Frieden zwischen den Grafen von Danneberg und Schwerin 4 ) schloß, vermittelte er auch, daß der Graf Gunzelin III. von Schwerin seinen Antheil an den Gütern Zachow und Siggelkow den Grafen von Danneberg abtrat:
"Item de bonis Zachowe et Syglecowe dimittet ei partem suam et ius suum, uel in aliis bonis infeodatis restaurabit".
![]() ![]() |
Seite 77 |
![]() ![]() ![]() ![]() |
Nach manchen Streitigkeiten 1 ) verpfändeten die Grafen von Danneberg im J. 1275 den Grafen von Schwerin das Schloß und Land Marnitz 1 ), welches seit dieser Zeit ununterbrochen bei der Grafschaft Schwerin blieb.
Zu allen diesen Verwickelungen kamen noch die ununterbrochenen Streitigkeiten mit den Markgrafen von Brandenburg über Lehnsoberherrlichkeit und Landesgrenzen und die Verwickelungen über die Länder des Fürsten Pribislav von Parchim=Richenberg, nachdem dieser der Herrschaft entsagt hatte 2 ). Ueberdies hatten die Grafen von Schwerin längs der märkischen Grenzen viele zerstreuete Besitzungen, namentlich seit der Pfandherrschaft über Stadt und Vogtei Lenzen 3 ).
Aus diesen verwickelten und wechselnden Zuständen, bei welchen es sich nicht selten um die Landeshoheit und die Landesgrenzen bei Siggelkow und Zachow handelte, ist es begreiflich, daß der Besitz der Güter des Klosters Dünamünde oft gefährdet erscheinen konnte. Und daher läßt sich auch annehmen, daß der Inhalt der Urkunden von 1235 und 1238 zuverlässig sei, wenn auch die Form derselben falsch ist.
Es geht also aus der ganzen Lage der Dinge hervor, daß bis zum J. 1262 die Grafen von Danneberg und von Schwerin zusammen, seit dem 20. April 1262 aber die Grafen von Danneberg allein Landesherren der allem Anscheine nach immer eng verbunden gewesenen Güter Siggelkow und Zachow waren; mit dem Verkaufe des Landes Marnitz ging im J. 1275 wohl die Landesherrschaft über die Güter auf die Grafen allein über.
Demnach muß den Grafen von Schwerin sehr viel an den Dörfern Siggelkow und Zachow gelegen gewesen sein. Der Graf Gunzelin III. hatte von dem Herzoge Barnim von Pommern, seinem spätern Schwiegervater, am 10. Jun. 1257 ohne bisjetzt bekannte Veranlassung 4000 Hufen wahrscheinlich unbewohnten Landes in Hinterpommern an dem Flusse Drage und den Grenzen des Landes Daber geschenkt erhalten 4 ). Der Graf mochte aber wohl nicht seine Rechnung bei der unmittelbaren Verwaltung dieser entfernten Einöde finden und suchte sich des Geschenkes bald wieder zu entledigen. Bald nach der Gewinnung der Länderstrecke vertauschte er 800 Hufen von derselben gegen
![]() ![]() |
Seite 78 |
![]() ![]() ![]() ![]() |
die Güter Siggelkow und Zachow an das Kloster Dünamünde, welches in jenen fernen Gegenden schon andere Besitzungen hatte und der Besitzung näher lag; auch mochte das Cistercienser=Kloster Aussicht haben, bei der eigenthümlichen landwirthschaftlichen Betriebsamkeit dieses Ordens das Land mit Vortheil urbar zu machen. Jedoch schon am 25. Oct. 1262, vielleicht in Folge der am 20. April 1262 durch den Bischof von Schwerin vermittelten Abtretung der Dörfer Siggelkow und Zachow an die Grafen von Danneberg, widerrief zu Schwerin der Abt Wilhelm von Dünamünde, in Gegenwart mehrerer Klosterbrüder, mit Genehmigung des Grafen Gunzelin diesen Tausch 1 ) und der Graf von Schwerin machte andere Anstalten zur Colonisirung seiner hinterpommerschen Besitzungen.
Die über diesen Tausch ausgestellte Urkunde ist von allen dünamünder Urkunden die einzige, welche in ihrer äußern Form sicher ächt ist; sie stimmt auch dem Inhalte nach mit der unzweifelhaft ächten Urkunde über die sonst nirgends erwähnte Schenkung der 4000 hinterpommerschen Hufen an den Grafen Gunzelin und in andern Dingen mit andern gleichzeitigen ächten Urkunden überein: so daß an dem geschilderten Verlaufe der Verhandlungen über die dünamünder Klostergüter wohl nicht zu zweifeln ist.
Der Graf Gunzelin III. von Schwerin ward am 21. Dec. 1267 zum Schirmherrn und Verweser oder "Kastenherrn" des Erzbisthums Riga erwählt und trat dadurch in ein näheres Verhältniß auch zu dem Kloster Dünamünde, welches er wohl ohne Zweifel besuchte, da er persönlich zu Riga war.
Wie aber die meisten auswärtigen Cistercienser=Klöster, namentlich die sehr entfernten, ihre in Meklenburg liegenden Besitzungen nach und nach veräußerten, nachdem ihre Sendung, die Hebung der Landescultur, erfüllt war, so verkaufte auch das Kloster Dünamünde seine meklenburgischen Güter bald an das nicht weit von den Grenzen Meklenburgs liegende holsteinsche Cistercienser=Mönchskloster Reinfelden, welches in den meklenburgischen Landen von allen auswärtigen Klöstern die meisten und zwar sehr bedeutende Besitzungen hatte.
Im J. 1270 verkaufte das Kloster Dünamünde dem Kloster Reinfelden die Dörfer Siggelkow und Crucen, mit
![]() ![]() |
Seite 79 |
![]() ![]() ![]() ![]() |
dem Wirthschaftshofe und der Mühle. Das Datum der darüber ausgestellten Urkunde ist sicher erst nach Verlauf von wenigstens 50 Jahren hinzugeschrieben und eben so unächt, wie die ganze Form der Urkunde 1 ), welche mehr wie eine kurze Nachricht, als wie ein Document über ein Rechtsgeschäft aussieht; wahrscheinlich ist die Jahreszahl später hinzugefügt, weil die Bestätigungs=Urkunde, welche freilich auch falsch ist, die Jahreszahl 1270 hat. In demselben Jahre 1270 bestätigte 2 ) nämlich der Graf Gunzelin III. mit seinem Sohne Helmold diesen Verkauf der Dörfer Siggelkow und Crucen und beschrieb die Grenzen 3 ) beider Dörfer. Am 22. Febr. 1271 schenkte der Bischof Heinrich von Havelberg dem Kloster Reinfelden den Zehnten des Dorfes Crucen 4 ), welches 24 Hufen umfaßte, und bestätigte demselben Kloster den Zehnten des Dorfes Siggelkow, wie dieser das Kloster Dünamünde bis dahin besessen hatte.
Das Dorf Crucen wird hier zum ersten Male genannt; vielleicht war es erst in der Mitte des 13. Jahrh. wieder auf einer alten wendischen Feldmark aufgebauet.
Wie der Graf von Schwerin zu der Bestätigung kommt, ist nicht klar. Ursprünglich mochte den Grafen von Schwerin die Landesherrlichkeit wenigstens über einen Theil der dünamünder Klostergüter gehört haben; aber im J. 1262 hatte der Graf Gunzelin seinen Antheil an den Dörfern Siggelkow und Zachow an die Grafen von Danneberg abgetreten, und erst im J. 1275 überließen die Grafen von Danneberg den Grafen von Schwerin als Pfand das Land Marnitz, zu welchem wohl ohne Zweifel die genannten Dörfer gehörten. So viel ist gewiß, daß in der Folge die Dörfer immer zur Grafschaft Schwerin gerechnet wurden, also in alten Zeiten nicht zum Lande Parchim gehört haben können; als nämlich der Herzog Albrecht im J. 1371 die Gerechtsame und Besitzungen des Klosters Reinfelden bestätigte, führte er unter den Gütern, welche in der Grafschaft Schwerin lagen, die Dörfer Siggelkow und Crucen auf (in terra Swerinensi: - - villas - - - - - Sycklekouwe et Crucen). Es wird also wohl in dem falschen Datum der Urkunden liegen,
![]() ![]() |
Seite 80 |
![]() ![]() ![]() ![]() |
daß dem Kloster Reinfelden die Dörfer von den Grafen von Schwerin bestätigt wurden; wenn dies aber wirklich der Fall gewesen ist, so wird es nach dem J. 1275 geschehen sein.
Dasselbe gilt von den Urkunden über Zachow. Im J. 1272 verkaufte nämlich der Graf Gunzelin III. mit seinem Sohne Helmold dem Kloster Reinfelden das Dorf Zachow 1 ) mit dem Eigenthumsrechte und allen Freiheiten. Nun aber besaß das Kloster Dünamünde dieses Dorf längst und zwar mit dem Eigenthumnsrechte; wenn also dieses Kloster das Dorf nicht etwa einige Zeit vorher an den Grafen von Schwerin gegen das Dorf Crucen vertauscht gehabt hat, so hat dieser Verkauf gar keinen Sinn. Auch scheint die Grenzbestimmung dieses Dorfes nicht richtig zu sein, da die Grenzen bis Bergrade ("Berichroth") hinabgeführt werden; Bergrade liegt aber nördlich von Parchim, wohl eine Meile von Zachow entfernt. Am 5. April 1273 soll der Bischof Heinrich von Havelberg die Zehnten der Dörfer Siggelkow, Zachow und Trampitz dem Kloster Dünamünde geschenkt haben 2 ); nun aber besaß dieses Kloster den Bischofszehnten von Siggelkow schon vor dem 22. Febr. 1271, indem derselbe Bischof ihn damals dem Kloster Reinfelden nur bestätigte, und im J. 1272 soll das Kloster Reinfelden das Dorf gekauft haben; es läßt sich aber annehmen, daß der Bischof von Havelberg den Besitzer des Dorfes und der Zehnten wohl kannte.
Alle über diese Veräußerungen redenden Urkunden sind freilich falsch, wenigstens im Datum und einem Theile ihres Inhaltes; dennoch wird man aus denselben entnehmen können, daß das im 13. Jahrh. zuerst das Kloster Dünamünde die Dörfer besaß und um das dritte Viertheil desselben Jahrhunderts das Kloster Reinfelden sie von jenem Kloster erwarb.
In der Mitte des 14. Jahrh. besaß das Kloster Reinfelden. nach der oben angeführten Stelle vom J. 1364 aus dem parchimschen Stadtbuche, zu diesen Dörfern einen Speicher (granarium) in der Stadt Parchim, nach der Weise der Cistercienser=Klöster, welche die Erzeugnisse ihrer Landgüter in den zunächst gelegenen Städten aufspeicherten, zum Theil verarbeiteten und hier verwertheten.
Im J. 1371 (sabbato post festum s. Johannis ante portam latinam) bestätigte der Herzog Albrecht dem Kloster Reinfelden alle seine Besitzungen und unter diesen in der Graf=
![]() ![]() |
Seite 81 |
![]() ![]() ![]() ![]() |
schaft Schwerin ("in terra Swerinensi") die Dörfer Siggelkow und Crucen. Es wird also schon damals das Dorf Zachow wüst gelegen haben.
Das Kloster Reinfelden besaß nun diese Dörfer über 150 Jahre. Aber wie früher die Grafen von Schwerin, wahrscheinlich wegen ihrer Lage an den Grenzen der Mark und wegen der Zollverhältnisse, nach denselben lüstern gewesen waren, so trachteten späterhin auch die Herzoge von Meklenburg nach dem Besitze derselben. Im J. 1447 hatte das Kloster Reinfelden die Dörfer Siggelkow, Zachow und Crucen an den Herzog Heinrich auf 5 Jahre verheuert ("verhuret ") oder verpachtet und als Pacht 30 Mark guten Geldes jährlicher Hebung auf die herzogliche Mühle zu Wittenburg angewiesen erhalten; für den Fall, daß der herzogliche Amtmann diese Zahlung nicht leisten sollte, hatte sich der Rath der Stadt zur Zahlung verpflichtet 1 ).
Nach Ablauf dieser 5 Jahre, am 5. Julius 1452, vertauschte das Kloster Reinfelden, wahrscheinlich in unangenehmer Rückerinnerung an die märkischen Raubfehden, während der ersten Hälfte des 15. Jahrh., das Dorf Siggelkow mit den dazu gehörenden beiden Feldmarken Zachow und Crutzen und eine Haus= oder Hofstätte (wurt = Wort) in der Stadt Parchim an den Herzog Heinrich von Meklenburg für eine jährliche Rente von 40 lüb. Mark aus der Orbör der Stadt Grevismühlen 2 ), in welcher das Kloster Reinfelden einen Hof zu seinen großen Gütern in der Gegend der Stadt besaß. Die Dörfer Zachow und Crutzen waren damals also wüst und wahrscheinlich in den märkischen Raubfehden kurz zuvor zerstört. Das Dorf Crutzen ist nie wieder aufgebauet. Das Dorf Zachow lag noch im J. 1577 "seit undenklicher Zeit" wüst und ist erst später wieder aufgebauet. Der Speicher in der Stadt Parchim existirte im J. 1452 auch nicht mehr und wird hier zuletzt genannt.
Bald nach dem J. 1452 besaßen die von Koppelow das Dorf Siggelkow als Lehn. Vicke von Koppelow ward um das J. 1458 herzoglicher Vogt zu Marnitz und war es noch im J. 1463; im J. 1472 war Reimar Weisin Vogt zu Marnitz. Im J. 1468 kaufte dieser Vicke v. Koppelow "auf Siggelkow" die in der Nähe dieses Gutes liegenden wüsten Feldmarken Möllenbek, Bobzin und Menzendorf von den Gans, nachdem im J. 1442 Jaspar Gans zu Putlitz mit diesen
![]() ![]() |
Seite 82 |
![]() ![]() ![]() ![]() |
"wüsten Feldmarken Bobbezin, Menzendorf und Mollenbeke" von dem Herzoge Heinrich belehnt worden war. Im. J. 1487 war der "Knappe Hans Koppelow wohnhaft zu Siggelkow"). Seit dem J. 1468 ward Möllenbek mit den Dörfern Mentin, Pankow und Siggelkow der Hauptsitz der Familie von Koppelow.