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Die Grabplatten in Messingschnitt.

Bekanntlich besitzt der Dom zu Schwerin zwei große, geschnittene Messingplatten auf den Gräbern der vier Bischöfe aus dem Hause von Bülow, welche am Ende des Jahres 1845 aufgenommen und in einer Seitencapelle aufgerichtet sind. Die kleinere Platte auf den Gräbern der Bischöfe Gottfried († 1314) und Ludolph († 1339) ist in dem ernstern Style der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, die größere Platte auf den Gräbern der Bischöfe Heinrich († 1347) und Friederich († 1375) in dem vollen Reichthume und dem höchsten Aufschwunge des Spitzbogenstyles in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts gearbeitet. Beide Platten aber sind ungewöhnlich groß, da sie Doppelplatten sind, und wahrscheinlich die schönsten in Norddeutschland, sowohl durch Geist, als durch Arbeit. Aber mehr Platten dieser Art besitzt Meklenburg auch nicht.

Erst in neuem Zeiten ist die Aufmerksamkeit auf diese wunderbaren Kunstwerke gelenkt. Es sind Messingplatten, auf dessen polirter Fläche die darzustellenden Gegenstände mit mehr oder minder starken Umrissen eingegraben und in glatter Fläche stehen blieben, der Grund dagegen bis zu einer gewissen Tiefe durch Schaben oder Graben vertieft, das Darzustellende also durch Aussparen zur Anschauung gebracht ward. Das Verfahren bei diesem Messingschnitt ist also wesentlich dem Verfahren beim Holzschnitt gleich, nur daß bei den Messingplatten die Bearbeitung des Grundes, weil er ganz sichtbar blieb, mehr Sorgfalt erforderte, wenn er auch nicht ganz eben gearbeitet ward. Sotzmann hat in seiner Aeltesten Geschichte der Xylographie und der Druckkunst in v. Raumer's Histor. Taschenbuch VIII, 1837, S. 490 flgd. diese Arbeit zur Betrachtung gezogen und sie nach Plinius Vorgange opus interrasile genannt, da sie schon den Alten bekannt war. Theils um die wenn auch geringe Unebenheit des Grundes zu verdecken, theils um die ausgesparten Figuren und Ornamente durch den Gegensatz mehr hervorzuheben, dieselben auch vor der Zerstörung durch Fußtritte mehr zu sichern, pflegte man den vertieften Grund mit einem schwarzen oder bunten Kitt auszufüllen, welcher jetzt meistentheils durch das Alter zerstört ist. Und so ward dieser Messingschnitt gewissermaßen mit einer Art Niellirung verbunden. Diese Ausfüllung der gravirten Vertiefungen der Grabplatten war überhaupt vom 13. bis in das 16. Jahrh. Mode. So wurden auch auf den steinernen Grabplatten, auf denen die darzustellenden Gegenstände durch bloßes Eingraben der Umrisse, die Buchstaben mitunter nur durch Eingrabung der Züge zur An=

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schauung gebracht wurden, die Vertiefungen mit einem schwarzen Kitt von Pech und Kalk ausgefüllt; ja es giebt im Dome zu Schwerin einen sehr alten, ganz abgetretenen Leichenstein, auf welchem die Vertiefungen mit einem farbigen Kitt, in roth, blau und grün, ausgefüllt sind.

Dieser Messingschnitt oder das opus interrasile unterscheidet sich wesentlich von den bloß gravirten Messing=, auch wohl Kupferplatten, welche sich in den norddeutschen Ländern aus dem Mittelalter sehr häufig finden. Auf diesen sind die darzustellenden Gegenstände, wie auf andern Grabsteinen, nur durch die eingegrabenen Umrisse dargestellt und der ganze Grund, mit Ausnahme dieser Umrisse, ist stehen geblieben. Dieses Verfahren ist also wesentlich das beim Kupferstiche angewandte. Man findet seltener ganze Platten dieser Art; gewöhnlich sind es nur die durch Zeichnung sich hervorhebenden Theile des Leichensteins, wie Figur, Wappen, Evangelisten=Symbole, Inschrift etc. ., welche ausgeschnitten, gravirt und auf dem Leichensteine befestigt wurden. - Hiebei ist aber zu bemerken, daß auch die Grabplatten in Messingschnitt auf einen Stein gelegt wurden.

Diese Grabplatten in Messingschnitt sind vorzugsweise über die nördlichen Länder verbreitet und enthalten gewöhnlich die Figur des Verstorbenen in Lebensgröße in einer sehr reich und auch im Kleinsten sorgfältig gearbeiteten Nische, welche allen Reichthum des ausgebildeten Spitzbogens und die ganze Symbolisirung der christlichen Kirche, je nach den Beziehungen zu dem Verstorbenen, enthält. Vorzüglich reich ist Lübeck an solchen Platten in Messingschnitt; ich habe einmal an zwölf derselben in den verschiedenen Kirchen zusammengezählt. Es scheint, als wenn sie in Lübeck gemacht, oder durch Lübeck vielleicht in England bestellt und eingeführt wurden, da nach Sotzmann a. a. O. S. 492 England deren mehr als 100 besitzen soll. Der Styl erinnert allerdings an Gegenden, in welchen der Spitzbogenbau zu einer reichern Entwickelung gelangte, als der einfachere Ziegelbau in den norddeutschen Ländern.

Von allen Platten im nördlichen Deutschland sind die schweriner die schönsten; der Styl derselben ist edler und reicher, als z. B. der aller lübecker, auch der Platte auf dem Grabe des dänischen Königs Erich Menved, in Antiq. Ann. III abgebildet. Nur eine Platte kommt den schwerinern gleich, nämlich die stralsunder.

Pommern besitzt nur Eine Platte dieser Art. In einer Kapelle der Nicolaikirche zu Stralsund steht, jetzt an der Wand aufgerichtet, eine solche Platte, welche Kugler in seiner Pommerschen Kunstgeschichte, Balt. Studien, VIII, 1, 1840,

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S. 179, "ein höchst vorzügliches Meisterwerk und eine der vorzüglichsten Zierden der Stadt" nennt. Kugler irrt jedoch wesentlich, wenn er sagt, daß die Platte eine "Bronzeplatte" sei, auf welcher die "Darstellungen in einfacher Weise durch eingegrabene "Umrißlinien bezeichnet" seien. In der Regel sind aber wohl alle diese Platten, die bekannten alle, aus Messing, da Bronze für den Zweck zu weich sein würde, und in dem Ausgraben des Grundes, wodurch grade die Bezeichnung der Umrisse durch vertiefte Linien verschwindet, liegt eben die Eigenthümlichkeit der in Messing geschnittenen Grabplatten. Bloß gravirte Messing= oder Kupferplatten (?), welche ganz grün oxydirt sind, besitzt die Nicolaikirche zu Stralsund mehrere, welche sich auf den ersten Blick durch ihre Flachheit wesentlich von der in Messing geschnittenen Platte unterscheiden.

Die stralsunder Grabplatte in Messingschnitt gehört dem Grabe des im J. 1357 gestorbenen stralsundischen Burgemeisters Albert Hövener (1341 † 1357, vgl. Brandenburg Gesch. des Magistrats der Stadt Stralsund, S. 82, zum J. 1328) und ist aus einem andern Grunde im höchsten Grade wichtig. Sie ist nämlich, nach genauer persönlicher Vergleichung, den schweriner Platten, wenigstens der jüngern derselben, in jeder Hinsicht, sowohl im Styl, als auch in der Architectur und den Ornamenten, auch in der Arbeit völlig ähnlich, selbst die Gesichtszüge der dargestellten Personen sind gleich.

Zwischen der stralsunder und der jüngern schweriner Platte liegt nur ein Zeitraum von 18 Jahren, vielleicht nicht so viel, wenn die stralsunder Platte spät, die schweriner gleich nach dem Tode dessen, den sie verherrlichen sollte, bestellt ward. Es ist also wahrscheinlich, daß beide Platten von demselben Meister oder in derselben Werkstätte verfertigt wurden. Für die künftige Bearbeitung dieser Kunstwerke diese Ansicht hier niederzulegen, ist der Hauptzweck dieser Zeilen. Die künftige Forschung wird sich zunächst vorzüglich mit den Platten in Schwerin und Stralsund und dann mit den Platten in Lübeck beschäftigen müssen. Außer dem bedeutenden Interesse für die Kunst gewähren diese Platten auch noch Stoff für manche andere Untersuchung, z. B. für die Musik, indem auf den Platten mittelalterliche Musikanten aller Art dargestellt sind.

G. C. F. Lisch.