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Bei Gelegenheit des Chausseebaues zwischen Waren und Stavenhagen ward im Sommer des J. 1846 auf der Feldmark des Gutes Kittendorf ein Stein= und Kiesberg abgetragen, in welchem, 2 bis 3 Fuß unter der Oberfläche des Hügels, unter einem Haufen von Feldsteinen, namentlich unter 4 anscheinend in gewisser Ordnung niedergelegten großen Steinen, - also ohne Zweifel in einer sogenannten Steinkiste, -ein Menschenschädel und mehrere andere Menschen= und Thierknochen mit folgenden Alterthümern aufgefunden und demnächst als Geschenk des Herrn von Oertzen auf Kittendorf durch den Herrn Landrath von Oertzen auf Jürgensdorf, Dirigenten des genannten Chausseebaues, mit den Aufgrabungsberichten dem Vereine zum Geschenk überwiesen wurden.
Die Alterthümer sind folgende:
1) zwei Stücke eines etwas gebogenen Bleches von Bronze, 4 1/2 Zoll und 4 Zoll lang und 3/4 Zoll breit. An dem Ende des größern Stückes ist ein starkes Oehr eingenietet, in welchem ein Ring von 3/4 Zoll Durchmesser und in diesem ein doppelter Blechstreifen von 2 Zoll Länge mit einem Nietloche am untern Ende hängt: alles von Bronze. An beiden Rändern des Bleches läuft eine grade Linie, welche eingravirt ist, und an einem Rande befinden sich, in Abständen von ungefähr 1 1/2 Zoll, kleine Löcher, in deren zweien kleine, etwas über 2 Zoll lange silberne Blechstreifen mit silbernen Nieten befestigt sind und welche am untern Ende gleichfalls Nietlöcher haben; in einem derselben sitzt noch das silberne Niet. Beide Stücke sind an dem einen Ende grade abgeschnitten, und an diesem Ende befinden sich gleichfalls Nietlöcher, in deren einem noch das bronzene Niet sitzt. Beide Stücke werden zusammengehören, wenn auch die eingravirten Randlinien auf diesen beiden Bruchstücken nicht ganz genau zusammenfallen, sondern in der Verlängerung etwas divergiren, da der Blechstreifen nicht ganz regelmäßig ist. Das Ganze hat augenscheinlich als Beschlag irgend eines Werkzeuges oder einer Bekleidung, etwa einer Degenkoppel oder sonst eines Lederzeuges gedient. Nach dem Berichte des Herrn Landraths von Oertzen haben diese Bruchstücke an dem ganz zerfallenen Schädel gehangen.
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2) Ein zierliches Messer von Bronze mit einem Griffe von gleichem Metall, Klinge und Griff jedes 3 1/4 Zoll lang, erstere in der Mitte etwa 1/2, letzterer 1/4 Zoll breit. Das Ende des Griffes ist ringförmig gestaltet.
3) Ein Bruchstück einer Scherenklinge aus Bronze.
4) Ein menschlicher Backenzahn.
Bei genauerer Betrachtung dieses Fundes drängt es
sich sofort auf, daß derselbe römischen
Ursprunges sei. Schon darin weicht die
Bestattungsweise von dem Inhalte der heimischen
Kegelgräber ab, daß nach den
Aufgrabungsberichten die Leiche nicht verbrannt
war; der noch gerettete Backenzahn beweiset ohne
Zweifele daß der Leichenbrand nicht zur
Anwendung kam. Eben so spricht die ganze
Bearbeitungsweise der Bronze für römischen
Ursprung; alles deutet auf eine ausgebildetere
Technik und auf vollkommnere Werkzeuge; die
eingravirten Randlinien sind entweder auf der
Drehbank gemacht oder von einer so sichern und
geübten Hand eingegraben, wie wir sie an den
Bronzen der Kegelgräber nicht wahrnehmen; auch
die Hammerarbeit, das Nieten, das Biegen
. ist ganz ungewöhnlich. Wollte
man nun auch eine so ausgebildete Fertigkeit dem
Volke unserer Bronze=Periode einräumen, so redet
gegen die einheimische Fabrik ferner die
Metallmischung; die Bronze der kittendorfer
Alterthümer ist jene dunkle, glühende, dem
Ducatengolde an Farbe völlig gleiche Bronze,
welche bekanntlich aus Kupfer, Zinn und Zink
zusammengesetzt ist, während die heimische nur
aus Kupfer und Zinn gemischte Bronze stets viel
matter und heller an Farbe ist: in Meklenburg
ist diese glühende Farbe der Bronze nur an den
römischen Alterthümern von Gr. Kelle, namentlich
an dem Messer und der Schere, wahrgenommen (vgl.
Jahrb. III, S. 52 flgd.). Diese Geräthe führen
uns denn noch weiter in der Forschung. Das
Messer ist ganz ungewöhnlich zierlich. Das
Bruchstück der Schere ist die mittlere Hälfte
einer Scherenklinge von der bekannten alten
Gestalt der Schafscheren. Grade diese Geräthe,
Messer und Schere, und zwar von derselben
Bronze, wurden zu Gr. Kelle mit andern römischen
Alterthümern gefunden; diese sind auf der
Lithographie zu Jahresber. V, Tab. I, Fig. 6 und
7, abgebildet und den kittendorfer Stücken
durchaus ähnlich. Auch bei den römischen
Alterthümern von Hagenow ward eine gleiche
Schere gefunden, abgebildet auf der Lithographie
zum Jahresber. VIII, Tab. I, Fig. 7, vgl. S. 40.
Bronzene Scheren sind in heimischen Kegelgräbern
noch nie gefunden. Noch näher zum Ziele führt
die Vergleichung mit diesen römischen
Alterthümern von Hagenow, namentlich die
Vergleichung der Zusammensetzung der Metalle,
des Silbers mit der Bronze,
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und die Form des Beiwerkes. Die silbernen Nietstreifen und Nietnägel und deren Köpfe, auch der bronzene Nietstreifen, sind ganz wie die hagenower gestaltet, gearbeitet und angewendet, wie sie an dem silbernen Ringe Fig. 15 hangen. Die kittendorfer Nietstreifen haben dieselbe Größe und in den Rändern ganz dieselbe Schwingung, wie die kittendorfer, wenn auch die Umrisse grade nicht congruiren; eben so hängt der größere, bronzene Nietstreifen an dem kittendorfer Beschlage oder Ringe, wie die hagenower Nietstreifen an demselben Ringe.
Die Aehnlichkeit der Schere und des Messers von Kittendorf mit denen von Gr. Kelle und die Aehnlichkeit der kittendorfer Nietstreifen mit denen von Hagenow ist so groß, daß man die kittendorfer Alterthümer durchaus für römisch und sicher mit denen von Hagenow für gleichzeitig halten muß.
G. C. F. Lisch.