![]() ![]() |
Seite 442 |
![]() ![]() ![]() ![]() |
![]() ![]() ![]() |
|
:
Von der größten Wichtigkeit für die
vaterländische Alterthumskunde ist die
Verbreitung gleicher Alterthümer nach allen
Seiten von den germanischen Ostseeländern,
besonders aber wichtig ist die Erkenntniß, wie
weit sich die deutschen Alterthümer gegen Osten
hin erstrecken. Die Petersburger Sammlungen
enthalten nach brieflichen Berichten nur einige
in den Küstenländern des schwarzen Meeres
ausgegrabene Alterthümer, welche mit den
deutschen in keinerlei Weise zu vergleichen
sind, und Kruse's Necrolivonica haben die
Erkenntniß auch nicht sehr gefördert, da sie
sehr einseitig sind und sich vorzüglich nur um
einige wenige, nicht sehr alte, ziemlich
eigenthümliche Funde bewegen. Alle Bemühungen,
zunächst in das Dunkel der polnischen und
gallizischen Vorzeit einzudringen, blieben
durchaus vergeblich und hatten aus bekannten
Gründen ihre eigenthümlichen Schwierigkeiten.
Endlich gelang dem rastlosen Eifer des
Reichsfreiherrn Albrecht Maltzan auf Peutsch,
für unsern Verein redende Zeugen
herbeizuschaffen. Der Oheim desselben, Se.
Excellenz der Herr Adolph Christian August von
Maltzan, Reichsfreiherr zu Wartenberg und
Penzlin, Commandeur des Stanislaus=Ordens, auf
Duchnow
. besitzt in Polen 6 Meilen hinter
Warschau viele Güter, welche er bisher selbst
bewohnt hat. Dieser berichtete schon früher, daß
sich in Polen heidnische Gräber nach Art unserer
Kegelgräber fänden und öfter Alterthümer
ausgegraben würden, und ward, bei seiner Liebe
für die Beförderung der deutschen
Alterthumskunde, leicht veranlaßt, für unsern
Verein polnische Grabalterthümer zu gewinnen.
Der Reichsfreiherr von Maltzan auf Duchnow fand auf einem Gute ungefähr 12 Meilen hinter Warschau in einem Garten zur Zierde eine riesenmäßige Urne aufgestellt, in welcher eine große Urne stand; in dieser lagen wieder eine ganz kleine Urne und einige kleine Bronzeringe. Das Ganze ist, so wie es da stand, zusammen in einem Steinhügel zu Lippiny 1 ) (d. i. Linde), 12 Meilen hinter Warschau, Poststation Jerusal bei Minsk polski, gefunden. Die Riesenurne ward durch Zufall zertrümmert; das Uebrige ward von dem Reichsfreiherrn
![]() ![]() |
Seite 443 |
![]() ![]() ![]() ![]() |
von Maltzan gewonnen und unserm Vereine zugewandt. Dies ist folgendes:
1) Eine große Urne aus gebranntem Thon, gegen 12 " hoch, 9 " weit in der Oeffnung, 13 " weit im Bauche und 5 " weit im Boden. Sie ist, zur größten Ueberraschung, den norddeutschen Urnen aus der mittlern oder jüngern Zeit der Kegelgräber in jeder Hinsicht völlig gleich; sie hat ganz die Gestalt der in Jahrb. XI, S. 356, abgebildeten Urne,
ist, wie unsere Urnen, aus Thon, mit zerstampftem Granit durchknetet, gebildet, mit einer fein geschlämmten, reinen Thonschicht überzogen und röthlichbraun und geflammt gebrannt. Auf dem obern Theile des Bauchrandes läuft unter zwei horizontalen Parallellinien eine Verzierung aus Zickzacklinien umher, welche aus drei Linien gebildet ist, wie oben S. 429, Nr. 1. Kurz, die Urne ist von den meklenburgischen Urnen gar nicht zu unterscheiden.
2) Eine Schale, 3 1/2 " hoch, 9 1/2 " weit in der Oeffnung und 3 " im Bodendurchmesser. Sie hat ebenfalls ganz die Gestalt der Schalen unserer Kegelgräber und ungefähr die Form der in Jahrb. X, S. 283 abgebildeten Bronzeschale von Dahmen, nur daß der Rand nicht eingebogen ist, sondern sich mit einer leisen Schwingung nach innen öffnet. Sie hat einen kleinen Henkel und ist ganz so wie die große Urne Nr. 1 angefertigt und gebrannt und bildete wahrscheinlich den Deckel zu dieser Urne, wie es bei unserer in Jahrb. XI, S. 365 abgebildeten meyersdorfer Urne der Fall war. Unter dem Rande sind zwei Reihen rundlicher oder halbmondförmiger Vertiefungen eingeschnitten, so
![]() ![]() |
Seite 444 |
![]() ![]() ![]() ![]() |
daß die Schale eine ähnliche Verzierung hat, wie die Bronzeschale von Dahmen, eine Verzierung, welche meklenburgische Schalen öfter haben.
3) Eine ganz kleine Urne, 2 3/4 " hoch und ungefähr 2 " weit, ungefähr von der Gestalt des in Jahrb. XI, S. 362 abgebildeten perdöhler kleinen Gefäßes, jedoch ohne Henkel, mit einem einpassenden Deckel, wie ihn die gallentiner Urne, Jahrb. XI, S. 365, hat. Statt der Henkel oder kleinen durchbohrten Knöpfe sind das Gefäß und der Deckel vor dem Brande je mit zwei Löchern durchbohrt, durch welche eine Schnur gegangen ist, wie gewöhnlich bei den ältern skandinavischen Urnen, jedoch gar nicht bei meklenburgischen Urnen, welche immer statt der Löcher in den Wänden angesetzte durchbohrte Knötchen oder Henkelchen haben. Die Urne ist ebenfalls wie die beiden andern Gefäße aus Thon mit Granitgrus gebildet, mit Thon überzogen, dunkel röthlich braun und sehr fest gebrannt und wie die große Urne auf den Seitenwänden und dem Deckel mit Parallel= und Zickzacklinien verziert.
4) Ein spiralcylindrischer Fingerring von 2 1/2 Windungen, aus dünnem, runden Drath, aus der Bronze unserer Kegelgräber.
5) Zwei spiralcylindrische Fingerringe von 1 1/2 Windungen, ebenfalls aus Bronze, aus 2/10 " breiten Blechstreifen gebildet.
Alle drei Ringe haben wenig Rost.
Was bei diesem Funde in die Augen fällt, ist die völlige, durchgehende Gleichheit mit den Alterthümern der deutschen Ostseeländer. Es ist hier nicht die Rede von allgemeinen Merkmalen, in welchen z. B. alle heidnischen Grabgefäße der germanischen Länder übereinstimmen, wobei dennoch ein individueller Charakter vorherrschend sein kann, wie z. B. bei den nordischen Urnen, welche gröber, dicker und einfacher, und bei den lausitzer und nordschlesischen Urnen, welche künstlicher, aber auch mehr gekünstelt und geziert, und daher auf den ersten Blick zu erkennen sind: es ist hier eine völlige Gleichheit des Charakters in Bereitungsweise, Form und Farbe gemeint. Eben so sind diese Altertümer von den Alterthümern der russischen Ostsee=Provinzen, wie sie Kruse in Necrolivonica dargestellt hat, durchaus verschieden.
Diese polnischen Alterthümer sind daher das erste Zeichen von der Fortsetzung des Volksstammes der norddeutschen Bronzezeit über Pommern hinaus gegen Osten hin.
G. C. F. Lisch.