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Nachdem die charakteristischen Urnen der Stein=Periode in Jahrb. X, S. 253 flgd. und der Bronze=Periode in Jahrb. XI, S. 353 flgd. betrachtet und dargestellt sind, mögen schließlich die Gefäße der sogenannten Wendenkirchhöfe zur Anschauung kommen. Wir haben die Begräbnißplätze der dritten oder Eisen=Periode des Heidenthums Wendenkirchhöfe genannt, weil sie sowohl im Munde des Volkes, als auch in den ältern Acten so genannt werden; so z. B. hatte nach dem Visitations=Protocolle von 1662 der Kirchenbauer zu Walkendorf Acker auf der "Dorfstätte" und auf dem "Wendischen Kirchhofe auf der Heyde" hinter der "Fünte" und im J. 1584 lag in der Grenze des Gutes Fahrenholz der "Wendische Kirchhof" bei dem "wendischen Wege" nach "Wendthagen" (vgl. auch Jahresber. III, S. 124); daher werden die häufigen "Wendfelder" auf den Feldmarken, z. B. 1580, auch "Schottelfelder" genannt, d. i. Schüsselfelder, wegen der in denselben stehenden schüsselförmigen Grabgefäße. Im Munde des Landvolkes hört man noch häufig die Bezeichnung "Wendenkirchhof" für die oft in der Nähe der Dörfer liegenden Begräbnißfelder.
Die durchgehende Eigenthümlichkeit dieser jüngsten Begräbnißstätten des Heidenthums ist, daß ihnen beständig ein Hügelaufwurf (tumulus), kurz jeder Bau über der Erde fehlt. Während die Todten der Stein= oder Bronze=Periode beständig auf der natürlichen Erdoberfläche unter Steinbauten oder aufgeschütteten Hügeln beigesetzt sind, sind die Urnen auf den Wendenkirchhöfen beständig in die Erde eingegraben; man hat weder in Meklenburg, noch in andern Ländern des nordöstlichen Deutschlands, so viel zu Ohren gekommen ist, Urnen der Eisen=Periode unter Hügeln gefunden 1 ). Diese Bestattungsweise bildet den
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Uebergang zu dem Begraben der christlichen Todten. Die Urnen sind häufig zwischen drei bis vier kleine, flache Steine, ungefähr von der Größe der Urnen, verpackt und mit einem solchen Steine zugedeckt; oft aber finden sich die Urnen auch ohne allen weiteren Schutz eingegraben. Gewöhnlich stehen die Urnen 1 bis 2 Fuß tief unter der Erdoberfläche; wenn zwei Schichten Urnen über einander stehen, was sich mitunter findet, so steht die untere Schicht verhältnißmäßig tiefer. Ist nun ein solcher Wendenkirchhof in neuern Zeiten zur Ackercultur gebracht, so faßt der Pflug oft den obern Theil der Urnen und reißt die Scherben zu Tage. Daher ist ein Wendenkirchhof durch nichts weiter aufzufinden, als durch asgepflügte Scherben oder durch Volkssagen; gewöhnlich zeigt sie der Zufall an, oft zu spät. Hin und wieder, jedoch selten, ist freilich ein von Natur etwas erhöheter Platz zu einem solchen "Kirchhofe" gewählt, am Ende eines Ackerstückes oder am Rande eines Baches oder eines Holzes; aber dies giebt, da die Oberfläche immer eben ist, kein Kennzeichen, da Millionen von Erhöhungen auf den Feldern stehen, ohne Begräbnißplätze zu sein.
Auf diesen "Kirchhöfen" stehen nun die Begräbnißurnen in großer Zahl, oft zu Hunderten, in geringen Entfernungen neben einander.
Die Leichen der Wendenkirchhöfe sind verbrannt und die verbrannten Gebeine mit einigen Geräthen in die Urnen gepackt. Jedoch sind einige wenige Fälle beobachtet, daß unverbrannte Leichen, zuweilen an den Rändern der Wendenkirchhöfe, eingegraben waren. So fand Ritter auf dem Wendenkirchhofe zu Helm zwei in Särge gelegte Leichen eingegraben (vgl. Jahresb. IV, S. 46, und V, S. 66), und ich selbst fand bei Börzow an den äußersten Rändern eines Wendenkirchhofes voll der charakteristischen Urnen mehrere Leichen begraben (vgl. Lisch Erster Bericht über das großherzogl. Antiquarium zu Schwerin, 1844, S. 17-18).
Das charakteristische Kennzeichen dieser Wendenkirchhöfe ist nun, daß in den in die Urnen gelegten Geräthen das Eisen bei weitem vorherrschend ist; die Periode dieser Begräbnisse ist daher mit Recht die Eisen=Periode genannt, um so mehr, da dieses Metall ganz plötzlich und in vielfacher Anwendung in die Geschichte tritt. In den beiden voraufgehenden Perioden ist die Verarbeitung und der Gebrauch des Eisens noch nicht bekannt. In der Steinperiode der Hünengräber ist, mit äußerst wenigen Ausnahmen, gar kein Metall beobachtet; nur einige Male haben sich Geräthe der Hünengräber, namentlich Keile, jedoch auch schon Halsringe, aus unpolirtem, rothen Kupfer ge=
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funden, jedoch mag dies in allen Ostseeländern ungefähr ein Dutzend Male beobachtet worden fein. Man kann also im Allgemeinen annehmen, daß die Gräber der Stein=Periode kein Metall enthalten, am allerwenigsten Eisen. Es ist zwar "Eisen" in Hünengräbern gefunden, aber nicht auf dem Bestattungsraume. Die Auffindung von Eisen in Gräbern der Stein=Periode beruht theils gewissermaßen auf einer Mystification, indem es bei frühern Aufgrabungen oder bei Schatzgräbereien verloren gegangen ist: so waren die Eisenstücke in dem Hünengrabe von Brüsewitz (vgl. Jahresber. IV, S. 23) Eimerbände oder dgl. aus dem J. 1779, indem dieses Grab in diesem Jahre aufgedeckt und zur Erhaltung des Monuments wieder aufgebauet war (vgl. Jahresber. V, S. 102): es kann daher auch nur zu Mystificationen führen, wenn man auf solche isolirte, zweifelhafte Vorkommenheiten neue Systeme bauen will, welche nicht bei jeder Aufgrabung die Regel bilden. Oefter aber stammt Eisen in Hünengräbern aus jüngern Bestattungen. Es finden sich nämlich zuweilen sowohl in Gräbern der Stein=Periode, als in Gräbern der Bronze=Periode dicht unter der Rasendecke Urnen aus der Eisen=Periode nachbestattet (vgl. Erster Jahresber. des altmärk. Vereins, 1838, S. 44). Verschiedene Bestattungen aus verschiedenen Perioden und jüngere Bestattungen in alten Hügeln können durchaus nicht zweifelhaft sein, wenn man Gräber, wie das Grab von Waldhausen bei Lübeck (vgl. Mittheilungen des lübecker Vereins zur nordischen Alterthumskunde, I, 1844), das Grab von Moltzow (vgl. Jahrb. X, S. 264-267) u. a. vorurtheilsfrei betrachtet. Immer aber ist in Hünengräbern das Eisen, oft von zweifelhafter Form, dicht unter der Rasendecke gefunden, wenn es vorhanden war.
Die Kegelgräber der Bronze=Periode enthalten immer Bronze, aus Kupfer und Zinn legirt, und oft naturwüchsiges Gold. Beispiele, daß von der einen Seite steinernes Geräth, von der andern Seite Eisen in dieser Art von Gräbern gefunden ist, sind fast noch seltener, als das angebliche Vorkommen von Eisen in Hünengräbern, obgleich Stein und Eisen nicht immer durch Zufall in Kegelgräber gekommen sind, sondern oft die Uebergänge von einer Periode zur andern bezeichnen, wie z. B. die mattfarbige, sparsame Bronze, welche sich neben Eisen zeigt, zur Genüge darthut.
Immer aber werden Stein und Eisen in den Gräbern der Stein= und Bronze=Periode so selten gefunden, daß man sicher annehmen kann, es werde in tausend Gräbern kaum Ein Mal getroffen; solche vereinzelte Erscheinungen können also nimmermehr die Regel für alle andern, immer gleichen Fälle bilden.
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Eben so wenig finden sich steinerne Geräthe in den Wendenkirchhöfen der Eisen=Periode. Es ist gesagt, daß auf den Wendenkirchhöfen von Kothendorf (vgl. Frid. Franc. Erl. S. 92) und Camin (vgl. Jahresber. II, S. 65 flgd.) Sachen aus Feuerstein gefunden seien. Man bemerkt aber leicht, daß diese Feuersteinbildungen nichts weiter als Naturbildungen sind; wenn in einer Urne Echiniten, Belemniten, Orthokeratiten und andere Petrefacten gefunden werden, so wird ein gewissenhafter Forscher dies ruhig berichten, da er nicht voraussehen kann, ob nicht ein glücklicher Fund einst beweiset, daß man im Alterthume solchen Naturbildungen eine gewisse Bedeutung beilegte. Der Forscher wird aber noch weiter gehen und berichten müssen, wenn sich andere, ungewöhnlich geformte, vielleicht durch Kunst oder Natur gespaltene Steine u. dgl. in den Urnen finden. Es läßt sich nicht immer beurtheilen, ob solche Bildungen durch Zufall oder aus Absicht in die Urnen gekommen sind; jedoch muß es angeführt und beschrieben werden. Aber damit ist nicht gesagt, daß z. B. ein langer, rundlicher, etwa der Länge nach gespaltener Feuerstein das sei, was man einen Keil der Stein=Periode nennt. Wenn man diese in Urnen der Eisen=Periode gefundenen Feuersteine sieht, so kann man sie in Wahrheit für nichts anders als für Naturbildungen halten; sie aber für Keile oder andere kunstmäßig gearbeitetete Geräthe auszugeben und hieraus Folgerungen für die Alterthumskunde zu ziehen, kann nur für ein von vorne herein verunglücktes Unternehmen gehalten werden. Es soll damit nicht geleugnet werden, daß in den flachen Feldern der Wendenkirchhöfe nicht steinerne Keile sollten gefunden werden können, denn diese steinernen Keile sind überall auf den offenen Feldern so sehr verbreitet, daß sie in zahlloser Menge gefunden sind und immer noch gefunden werden, also auch auf den Wendenkirchhöfen verloren gehen oder auch hier (jedoch nicht in Urnen) schon liegen konnten, ehe ein solcher Platz zu einer Begräbnißstätte erwählt ward. Aber im Allgemeinen kann man dreist mit großer Bestimmtheit behaupten, daß sich die steinernen Geräthe der Hünengräber nie in den Urnen der Wendenkirchhöfe finden; dies läßt sich ohne Bedenken als Regel für Tausende von Fällen feststellen, ohne Ausnahmen und Zufälligkeiten wegleugnen zu wollen.
Mit den Kegelgräbern haben aber die Wendenkirchhöfe das gemein, daß sich in diesen neben dem Eisen noch häufig Schmucksachen aus Bronze finden, jedoch auch schon dieselben Sachen aus Eisen , z. B. Hefteln von derselben Art aus Bronze und aus Eisen, oder aus beiden Metallen construirt, auf einem und demselben Wendenkirchhofe. Aber es sind nur untergeordnete
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Geräthe, welche sich aus Bronze in der Eisen = Periode finden, namentlich Hefteln mit Springfedern, kleine Ringe, kleine Beschläge und Verzierungen u. dgl. Es sinden sich keine Hauptgeräthe aus Bronze mehr; es fehlen durchaus die bekannten Schwerter, Dolche, Frameen, Lanzen, Kopf=, Hals= und Armringe, Handbergen, Hefteln mit zwei Spiralplatten, Diademe, kurz alle die vielen Prachtarbeiten, welche das classische Alter der Bronze=Periode charakterisiren. Auch hat die Bronze der Wendenkirchhöfe eine andere, leichtfertigere Mischung und mattere Farbe (vgl. Jahrb. IX, S. 341-344) und der edle Rost fehlt ganz, wenigstens ist er in einzelnen Fällen höchst unbedeutend.
Dagegen tritt mit dem Eisen ein anderes Metall auf, das Silber, welches den Gräbern der voraufgehenden Perioden durchaus fremd ist. Es ist in Meklenburg kein einziges Beispiel bekannt geworden, daß in einem Kegelgrabe Silber gefunden wäre. Dagegen ist in keinem Wendenkirchhofe Gold bemerkt. Das Silber tritt jedoch nicht sehr häufig, wenn auch nicht selten in Wendenkirchhöfen auf und ist in den bekannten Hefteln, in Spangen ("Hakenfibeln"), Nadeln, Ringen, auch Siegelringen u. dgl. wahrgenommen. Zugleich treten Filigranarbeiten mit kufischen und deutschen Silbermünzen aus der Zeit vom 7. - 11. Jahrhundert auf (vgl. Jahrb. IX, S. 389 flgd.).
Endlich charakterisirt die Wendenkirchhöfe das häufige Vorkommen von Glas in allen Farben und Bearbeitungsweisen. In der Bronze=Periode ist Glas sehr selten; in Meklenburg ist es in Kegelgräbern nur zwei Male (zu Lehsen und Peccatel) in Form kleiner Perlen von blaugrüner oder meerblauer ("coeruleus") Farbe beobachtet. In den Wendenkirchhöfen kommt aber sehr viel Glas vor, namentlich ward es zu Pritzier (vgl. Jahrb. VIII, S. 58 flgd.) viel gefunden; vorzüglich häufig sind: dunkelblaue Perlen, mit Kupfer gefärbt, da sie vor Kerzenlicht hell und grünlich erscheinen und nicht den violetten Schein haben, welchen Kobaltfärbung erzeugt, ferner mattgrüne und mattweiße Perlen; sehr häufig finden sich jedoch auch musivische Glasflüsse und eingeschmolzene Glasverzierungen von allen Farben. Auch kleine Gefäße von weißlichem und grünlichem Glase sind beobachtet.
Man ist genötigt, diese Wendenkirchhöfe für die jüngsten Begräbnisse der heidnischen Zeit zu halten, also für das, wofür sie die Volkssage ausgiebt, für die Begräbnisse der Wenden. Es liegt schon in dem Gange der menschlichen Cultur, daß das Eisenschmieden und das Silberscheiden jüngerm Ursprunges sei als das Bronzegießen und Goldhämmern; das Eisenschmieden
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bewirkte einen eben so bedeutenden Umschwung in der Technik, als einst der Kupfer= und Bronzeguß. Dazu kommt, daß alle Geräthe der Wendenkirchhöfe mehr modern, als die ganz eigenthümlichen Geräthe der Bronze=Cultur, und verhältnißmäßig wohl erhalten sind, d. h. so gut als man es von Eisen erwarten kann, offensichtlich aber die Urnen. Es giebt aber auch besondere Zeichen für das jüngere Alter der Wendenkirchhöfe. Ihr Inhalt stimmt im Allgemeinen mit den unzweifelhaft jüngsten Gräbern des Nordens überein. Die Urnen und Geräthe der Wendenkirchhöfe sind allein den Urnen und Geräthen gleich, welche auf den bekannten wendischen Burgwällen gefunden werden, die erweislich in der zweiten Hälfte des 12. Jahrh., bei der Einführung des Christenthums, verwüstet wurden. Die Silbersachen sind denen gleich, welche mit deutschen Münzen des 10. und 11. Jahrh. zusammen vorkommen. Die ältesten eisernen Geräthe, welche in Meklenburg gefunden sind, werden diejenigen sein, welche mit Silber und römischen Bronzen aus dem 2ten Jahrh. n. C. bei Hagenow gefunden wurden (vgl. Jahrb. VIII, S. 38 flgd., 49 und Lithographie). Die heidnische Eisen=Periode scheint in Meklenburg in den ersten Jahrhunderten n. C. allmählig zu beginnen und bis zur Einführung des Christenthums in der zweiten Hälfte des 12. Jahrh. fortzudauern.
Die Verbreitung der eigenthümlichen Cultur der Wendenkirchhöfe läßt sich sehr klar und bestimmt verfolgen. Sie reicht in Norddentschland von Osten her über ganz Meklenburg bis in Wagrien (das südöstliche Holstein) hinein und über die Elbe hinaus über die Altmark, also so weit als die Wenden gewohnt haben. Im ganzen Norden, in Schleswig und Holstein und im nordwestlichen Deutschland jenseit der lüneburger Haide fehlt die Eisencultur der Wendenkirchhöfe ganz, einzelne ähnliche, jedoch wesentlich ganz verschiedene Verkommenheiten ungerechnet, welche in die letzten Zeiten des germanischen Heidenthums fallen, welches in allen Ländern viel früher aufgehört hat, als in den jetzigen deutschen Ostseeländern.
Dieser Ueberblick war hier nöthig, um die Urnen dieser Periode bestimmen zu können. Ein genauerer Beweis ist nicht erforderlich, da er in allen Jahrgängen der Jahrbücher des meklenburgischen Vereins und in vielen andern Schriften, namentlich dänischen Werken, geführt ist.
Alle diese Eigenthümlichkeiten aber sind die charakteristischen Kennzeichen der Eisen=Periode oder der Wendenkirchhöfe in Meklenburg. Ein eben so bestimmtes Gepräge haben nun aber auch die Urnen dieser Wendenkirchhöfe, so daß sie sich auf den ersten Blick erkennen lassen.
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Was zuerst die Bereitungsweise der Urnen betrifft, so ist sie von der aller andern heidnischen Grabgefäße aus den verschiedenen Perioden im wesentlichen nicht verschieden (vgl. Jahrb. X, S. 237 flgd.). Die Grabgefäße der Wendenkirchhöfe sind ebenfalls aus Thon mit zerstampftem Granit, auch wohl mit Kiessand, durchknetet, aus freier Hand geformt, mit einer feinen Thonschicht zur Glättung überzogen und am freien Feuer gedörrt. Von Töpferscheibe und Ziegel= oder Töpferofen findet sich noch keine Spur; beide wandern mit der christlich=deutschen Cultur ein: mit dieser erscheinen plötzlich im Ofen gebrannte Ziegel und fein geschlemmte, blaugraue Töpfe ohne Granitdurchknetung. Wenn Lehmstücke, welche durch Feuersbrunst röthlich gefärbt wurden, wendischeZiegel genannt sind, so hat dies nur gewissermaßen und gleichnißweise geschehen können. Wenn ferner auch gesagt ist, in Wendenkirchhöfen seien Gefäße gefunden, welche beim Anschlagen einen "klingenden" Ton von sich gäben, so heißt dies nur so viel, daß sie so laut klingen, als wohl erhaltene, nicht gerissene, aber nur am offenen Feuer gebackene Töpfe klingen können; ein vollkommener Vergleich mit dem heutigen Töpfergeschirr oder Porcellan hat natürlich nicht gemacht werden können.
Ist nun aber auch im Allgemeinen die Bereitungsweise der wendischen Urnen der aus früheren Zeiten gleich, so unterscheiden sich die Urnen der Wendenkirchhöfe sehr häufig, jedoch nicht immer, von den übrigen dadurch, daß sie häufig feinkörniger sind, als die Urnen der andern Perioden; so grobkörnige Urnen findet man in den Wendenkirchhöfen wohl nie, wie in den Hünen= und Kegelgräbern, wenn sich auch in diesen häufig eben so feinkörnige Urnen finden, wie in jenen.
Auch das darf nicht unbemerkt bleiben, daß die Urnen der Wendenkirchhöfe, wenn sie der Pflug nicht zerstört hat, gewöhnlich viel besser erhalten, häufig ganz unversehrt sind, obgleich sie der Erdoberfläche so nahe stehen, daß sie dem Witterungswechsel nicht entrückt sind.
Vorzüglich unterscheiden sich aber die Urnen der Wendenkirchhöfe von allen andern durch Gestalt und Verzierung, viele auch durch eine besondere Bekleidungsweise. Die Urnen der Hünengräber sind mehr kugelförmig und der Bauchrand liegt mehr nach unten. Die Urnen der Kegelgräber haben mehr senkrechte oder Cylinder=Formen und der Bauchrand liegt mehr in der Mitte. Die Urnen der Wendenkirchhöfe nähern sich mehr der Scheibenform, um einen mathematischen Ausdruck zu gebrauchen, und der Bauchrand liegt mehr nach oben; die Schüsselform ist im Allgemeinen ihr bestimmter Formcharakter.
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Die Urnen der Wendenkirchhöfe laufen nach unten sehr spitz zu, der Boden hat einen sehr geringen Durchmesser, die Oeffnung ist sehr weit und der Bauchrand liegt oben nahe an der Oeffnung; es fehlt daher in der Regel das, was man einen Hals nennt, und der große Henkel.
Es lassen sich aber bis zur vollkommenen Ausbildung dieser Schüsselform mehrere Uebergänge beobachten, wenn auch der Inhalt der verschiedenartig geformten Urnen derselbe ist.
Wahrscheinlich die ältesten Urnen der Eisen=Periode sind diejenigen, welche den Urnen der Bronze=Periode gleich, wenn auch etwas plump sind. Zu diesen Urnen gehören die mit Eisengeräthen versehenen großen Cylinder=Urnen, welche bei Ludwigslust in die Erde gegraben und Frid. Franc. Tab. VI, Fig. 1, abgebildet sind; vgl. Erläut. S. 63 flgd. Vielleicht wurden die Urnen von Deutschen gefertigt, welche von den Wenden in das Dickicht der Jabelhaide zurückgedrängt wurden.
Der Wendenkirchhof von Helm (vgl. Jahrb. IV, S. 39 flgd. und V, S. 66 flgd.) gab eine sehr große Mannigfaltigkeit von Urnen, so daß gar keine bestimmte Form vorherrscht.
Dergleichen Eigenthümlichkeiten liegen nun aber in gewissen Uebergängen, da zuverlässig keine Cultur= Epoche plötzlich eingetreten ist, sondern sich erst nach und nach Bahn gemacht hat.
Betrachten wir aber die größere Masse der Urnen der Wendenkirchhöfe, so lassen sich vorzüglich zwei Arten unterscheiden.
I. Die eine Art, wir wollen sie die ältere nennen, nähert sich noch etwas den Urnen der Kegelgräber; die geradwandige Cylinderform blickt noch etwas durch, der Bauchrand liegt noch häufiger in der Mitte und daher sind die Linien des Körpers vom Bauchrande bis zum Fuße und der Durchmesser der Oeffnung noch nicht so weit ausgedehnt und gewissermaßen so übertrieben, als es bei der Schüsselform der Fall ist; dennoch ist an diesen Urnen der Fuß kleiner und die Oeffnung größer, als an den meisten ältern Urnen. Die Urnen dieser Art sind wie alle übrigen gebrannt: bräunlich, gelblich, röthlich, oft geflammt, wie ein Schmauchfeuer diese Farben hervorbringt. Die Verzierungen bestehen gewöhnlich aus parallelen Schräglinien, welche zwischen horizontalen Bändern in Zickzackform gegenüberstehen, mitunter auch guirlandenförmigen Verzierungen aus Halbkreisen. Als Nebenverzierungen finden sich mitunter Augen oder ausgeschnittene runde Vertiefungen, auch Kreise. Alle diese Verzierungen sind in langen Linien eingeschnitten. Henkel fehlen in der Regel.
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Urnen dieser Art sind nicht selten. Besonders reich an solchen Urnen zeigte sich der in Jahresber. VIII, S. 58-75 beschriebene Wendenkirchhof von Pritzier mit seinem reichen Inhalt an Eisen, Silber und Glas. Die beiden hier abgebildeten Urnen
Nr. 1. | 1/4 Größe. |
Nr. 2. | 1/4 Größe. |
sind gute Repräsentanten dieser Gattung von Gefäßen; es wurden in diesem Begräbnißplatze sehr viele Urnen gefunden und fast alle vollständig erhalten.
Zu dieser Gattung gehört z. B. die in Jahrb. II, Lithogr. T. 1, Fig. 1 (vgl. S. 69) abgebildete Urne von Malchin mit ihrem charakteristischen Inhalt aus der Eisen=Periode.
II. Ganz anders ist die zweite Art der Wendenkirchhofsurnen, welche wir die jüngeren nennen wollen. Diese Urnen
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haben vorherrschend die vollständig ausgebildete Schüsselform, sind sehr groß und sehr weit geöffnet; sehr häufig, ja gewöhnlich haben sie zwei am Rande angesetzte kleine Knötchen, welche durchbohrt sind, um ein Band durchziehen zu können. Von allen Urnen sind sie die feinkörnigsten und festesten.
Diese Urnen sind vor allen andern heidnischen Gefäßen des Nordens durch zwei Eigenthümlichkeiten ausgezeichnet, zu denen sich kein Uebergang zeigt. Sie sind nämlich
1) mit vielfachen Linien verziert, welche durch Fortbewegung eines kleinen gezahnten Rades entstanden sind; die Linien bestehen daher aus neben einander stehenden, eingedrückten kleinen Quadraten; wenn mehrere Linien neben einander stehen, so berühren und decken sich die Punctlinien oft: die hier abgebildete Probe ist ungefähr die Hälfte von dem ganz erhaltenen Boden einer zerbrochenen Urne aus dem Wendenkirchhofe von Camin (vgl. Jahresber. II, S. 61, Nr. 13); das diesem Boden eingedrückte Kreuz mit fächerförmig auslaufenden Balken ist auf dem Originale ganz vollständig.
Nr. 3. | Volle Größe. |
Ferner sind diese Urnen
2) mit einer überall gleichfarbigen, tief schwarzen letzten Thonschicht, in welche diese Verzierungen eingedrückt sind, zur Glättung überzogen, jedoch nicht immer, da sich auch also verzierte braune und flammige Urnen finden, welche diese Farbe nicht haben. Alle Urnen aber, welche diese Färbung besitzen, sind immer gleichmäßig schwarz. Bei dieser vollkommenen
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Regelmäßigkeit kann diese Färbung nicht durch Zufall oder Absicht beim Brennen, sondern muß durch eine künstliche Bereitung der bekleidenden Thonschicht vor deren Auftragung hervorgebracht sein, um so mehr, da auch die Eindrücke immer gleichmäßig schwarz gefärbt, auch nirgends zugeklebt sind; die Urnen sind also auch nicht nach ihrer Vollendung und Verzierung angemalt. Der Herr Apotheker, Senator von Santen zu Cröpelin, welcher als gründlicher Chemiker bekannt ist, hat diesen Ueberzug einer chemischen Analyse unterworfen und berichtet darüber also:
"Die schwarze Farbe der Topfscherben ist durch die "Glasur", mit welcher dieselben überzogen sind, entstanden, also weder durch Bläuchern (Ruß), noch durch einen theerartigen Ueberzug hervorgebracht. Die Glasur" aber ist bleihaltig, da das Blei durch Glühen mit Aetzkali, Auflösung der Masse in Säuren und Verhalten gegen schwefelwasserstoffiges Ammonium unzweifelhaft auszuscheiden ist. In welchem Zustande der Oxydation oder möglichen Verbindung mit einer fixen Säure das Blei der "Glasur" sich gegenwärtig befindet, kann nur durch eine genauere Analyse ermittelt werden".
Der Herr von Santen war mit dem Verfahren bei der Verfertigung der Urnen nicht genauer bekannt, nennt daher den schwarzen Ueberzug gradezu eine "Glasur". Daß im technischen Sinne von einer deckenden, festen Glasur, welche zuerst in den schwarz glasurten Ziegeln in den Sockeln, Gliederungen und Verzierungen der Kirchen seit dem 13. Jahrh. vorkommt, nicht die Rede sein kann, versteht sich von selbst. Es kann hier nur die Rede von einer besondern Bereitung des letzten Thonüberzuges der Urnen die Rede sein; daß dieser aber durch künstliche Mittel gefärbt ward, ist wohl unzweifelhaft. Man könnte aber sagen, daß man in diesem gefärbten Ueberzuge die ersten Anfänge der Glasur hätte.
Diese schwarz gefärbten, mit Punctlinien verzierten Urnen sind in Meklenburg und jenseit der Elbe in der Altmark, sowohl in einzelnen Stücken, als in großen Lagern häufig ausgegraben. Sicher ist ihr Vorkommen in der ganzen westlichen Hälfte Meklenburgs und jenseit der Elbe bis an die lüneburger Haide und in der ganzen Altmark (in vielen Exemplaren jetzt in der berliner Sammlung) beobachtet. Aus Holstein ist nur ein einziges Exemplar in Scherben, welches in Wagrien gefunden sein soll, in der Sammlung zu Kiel vorhanden. In Kopenhagen und Lund findet sich keine Spur von Urnen dieser Art.
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Die hier zunächst abgebildeten 4 Exemplare welche als Repräsentanten gelten können, sind mit einer sehr großen Menge gleicher Art in dem von mir aufgedeckten Wendenkirchhofe von Camin (vgl. Jahresber. II, S. 53 flgd.) gefunden worden.
Nr. 4. | 1/4 Größe. |
Nr. 5. | 1/4 Größe. |
Diese beiden Urnen Nr. 4 und 5 haben nur wenige Verzierungen; Gefäße dieser Art, jedoch immer verschieden verziert, finden sich in den Wendenkirchhöfen sehr häufig. Etwas seltener
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finden sich die folgenden in Nr. 6 und 7 abgebildeten Urnen mit reichern Verzierungen und gewöhnlich auch mit reicherm Inhalte; jedoch sind sie grade nicht selten zu nennen.
Nr. 6. | 1/4 Größe. |
Nr. 7. | 1/4 Größe. |
Abbildungen von Urnen dieser Gattung, mit den sie stets begleitenden Hefteln mit Springfedern, sind schon im Frid. Franc. T. XXXIV in vielen Exemplaren gegeben, von denen Fig. 1-6 in dem großen Wendenkirchhofe von Kothendorf (vgl. Frid. Franc. Erl. S. 89 flgd.) gefunden wurden.
So sehr sich diese Urnen auch durch die Technik ihrer Färbung und Verzierung auszeichnen, so ist doch die Art und Weise,
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in welcher die verzierenden Linien gezogen und zusammengestellt sind, nicht weniger bemerkenswerth. Man sieht aus den Abbildungen der caminer Urnen, daß man es liebte, die Urnen mit sehr vielen Linien zu verzieren, welche bald parallel laufen, bald sich kreuzen oder gebrochen sind.
Die merkwürdigste Verzierung, welche ohne Zweifel
eine gottesdienstliche Bedeutung hat, ist das
Kreuz mit gebrochenen Balken
welches auf dem Bauche der in
Frid. Franc. T. XXXIV, Fig. 2 abgebildeten Urne
drei Male angebracht ist. Dasselbe Kreuz findet
sich auf einer bei Bützow gefundenen
Wendenkirchhofsheftel eingravirt (vgl. Jahrb.
IX, S. 393). Diese mit diesem Kreuze
bezeichneten Geräthe werden wohl mit den
nordischen Goldbracteaten, auf denen sich dieses
Kreuz häufig findet, in dieselbe Zeit fallen.
Eine andere auffallende Verzierung ist das oben
abgebildete Kreuz mit fächerförmig endenden
Balken auf dem Boden einer caminer Urne; mit
einem nicht verzierten rechtwinkligen Kreuze war
auch der Boden einer andern caminer Urne verziert.
Die häufigste Verzierung der Wendenkirchhofsurnen besteht aber aus rechtwinklig gebrochenen Linien, welche in ihren Hauptrichtungen parallel laufen, und so allerlei rechtwinklige Züge bilden, welche jedoch wohl nichts weiter als Linearverzierungen vorstellen sollen. Durch die vielfache Anwendung dieser Verzierungen und Uebung in denselben gelangte das Volk, dem diese Urnen angehören, fast ganz zu demselben Ornamente des Mäanders, welches die Griechen erfanden und häufig anwandten; die auf den vorstehenden Blättern abgebildeten caminer Urnen geben diese auffallende Erscheinung in ihrer Entwickelung. Man braucht wohl nicht zu der Annahme seine Zuflucht zu nehmen, daß das Volk der Wendenkirchhöfe dieses Ornament von den Griechen oder Römern entlehnt habe.
Diese hier beschriebenen und abgebildeten Urnen bilden ungefähr die Regel in der Form und Verzierung der Urnen der Wendenkirchhöfe. In dem südwestlichen Theile Meklenburgs, namentlich in der Gegend zwischen Ludwigslust und Wittenburg, finden sich noch Urnen aus der Eisen=Periode, in welchen die beschriebenen Formen, um sich so auszudrücken, fast übertrieben sind, welche einen ungewöhnlich schmalen Boden, eine sehr weite Oeffnung und einen sehr hoch liegenden, scharfen Bauchrand haben und dadurch von den übrigen abweichen, daß der Bauch nicht nach außen gebogen, sondern nach innen etwas eingezogen ist. Solche, bei Krams, A. Hagenow, gefundene Urnen sind
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schon in Frid. Franc. T. XXXIV, F. 9 und 16, dargestellt; hier ist eine abgebildet,
Nr. 8. | 1/4 Größe. |
welche in dem Wendenkirchhofe von Perdöhl bei Wittenburg (vgl. Jahresber. VI, S. 42-43) gefunden ist. Diese Urnen sind ebenfalls gleichmäßig schwarz, jedoch nicht mit Punctlinien mit dem laufenden Rade, sondern mit zusammenhangenden, eingeritzten Linien verziert.
Alle diese Gefäße, von denen es natürlich viele geringe Abweichungen in Größe, Gestalt und Verzierung giebt, sind Grabgefäße zur Aufnahme der verbrannten Leichenreste und haben wohl wegen ihrer Bestimmung eine besonders sorgfältige Verzierung erhalten. Es liegt nun nahe, nach den Gefäßen zu suchen, welche den Wenden zum häuslichen Gebrauche dienten. Die Cultur der Wenden läßt sich sicher in den Burgwällen beobachten, welche der letzte Wendenfürst Niklot zuletzt bewohnte und entweder neu aufführte oder vergrößerte und befestigte, in den Burgwällen von Meklenburg, Dobin, Schwerin, Ilow, Werle u. a., welche in den Jahrbüchern nach und nach untersucht und beschrieben sind. Die Zerstörung dieser historisch gesicherten Burgen fällt in die ersten Zeiten nach der Mitte des 12. Jahrh. Auf allen diesen Burgwällen liegen nun von der Oberfläche bis mehrere Fuß tief hinab, neben den Resten der verbrannten, aus Holz, Lehm und Stroh aufgeführt gewesenen Gebäude, zahllose Scherben zertrümmerter Gefäße, welche ohne Zweifel zum häuslichen Gebrauche dienten. Alle diese Gefäße waren ganz auf dieselbe Weise angefertigt, wie die heidnischen
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Graburnen, d. h. aus Thon, welcher mit zerstampftem Granit durchknetet ist, an offenem Feuer gehärtet und mit einer bekleidenden, dünnen Thonschicht überzogen, - jedoch viel sorgloser ausgeführt nnd lange nicht so geschmackvoll und regelmäßig verziert; nur auf den Burgwällen, welche erweislich noch zur christlichen Zeit bewohnt waren, wie z. B. auf dem Burgwalle von Meklenburg, finden sich neben den Scherben aus heidnischer Zeit und den gelbroth gebrannten Lehmstücken ("Klehmstaken") auch die bekannten, fest und in Brennöfen gebrannten, blaugrauen Scherben von Töpfen des christlichen Mittelalters nnd gebrannte Ziegel von größtem Format. Die Verzierung der heidnischen Töpfe, welche auf den heidnischen, in Mooren liegenden Burgwällen gefunden werden, bestehen nun fast regelmäßig in wellenförmigen Linien, welche unter dem Oeffnungsrande, wie es scheint mit einem Holzspan, eingedrückt oder eingekratzt sind; oft sind es einfache, oft parallele Wellenlinien, oft sind mit einem breiten Spane viele, dicht bei einander stehende Parallellinien eingekratzt. Der hier abgebildete
Nr. 9. | Volle Größe. |
Rand eines auf dem Burgwalle von Werle (vgl. Jahrb. VI, S. 88 flgd.) gefundenen Gefäßes ist ein Beispiel von Tausenden von verzierten Scherben, welche sich in den genannten Burgwällen finden. Diese Wellenlinien, einfach oder in mehrern parallelen Linien, sind ohne alle Aengstlichkeit und sehr anspruchslos gemacht, zeugen aber von einer ungemeinen Fertigkeit und Leichtigkeit in der Anbringung dieses Ornaments. Freilich finden sich hin und wieder auch andere Verzierungen. Es giebt z. B. viele Gefäße, welche mit Ornamenten von eingedrückten kleinen Stempeln verziert sind, mitunter in Form kleiner Münzen, wie auf Gefäßen, welche in Holland mit römischen Ziegeln gefunden sind; zu lesen sind diese Ornamente schwerlich, wenn es auch versucht ist. Aber die Wellenverzierung bildet vorherrschend die Regel. Eine andere auf dem Walle von Meklenburg (vgl.
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Jahrb. VI, S. 79 flgd.) gefundene Verzierung eines Gefäßes Nr. 10.
Nr. 10. | Volle Größe. |
zeigt z. B. zwischen den Wellenlinien eingedrückte Kreise oder Augen, wie sie sich auch wohl auf Grabgefäßen finden.
So leicht nun auch Scherben von häuslichen Gefäßen aus der wendischen Zeit gefunden werden, so schwierig ist die Erlangung von solchen ganzen Gefäßen. Die Sammlung des Vereins besitzt nur das eine hier abgebildete Gefäß dieser Art, welches zu Bobzin bei Lübz an der Elde 4 Fuß tief in sumpfigem Boden beim Bau einer Schleuse gefunden ist (vgl. Jahresbericht I, S. 14). Das Gefäß ist nur klein, ohne Zweifel eine Art Becher, und trägt in jeder Hinsicht den Charakter der
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Scherben der wendischen Burgwälle. - Durch den Anhaltspunct, welchen bie niklotschen Burgen geben, sind die Scherben dieser Gefäße 1 ) von der größten Wichtigkeit für die Bestimmung anderer Burgplätze.
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Alle diese bisher beschriebenen Gefäße lassen sich nun mit der größten Sicherheit einer bestimmten Culturepoche, der Eisen=Periode, zuschreiben; mag der Zeitraum, in welche diese Epoche fällt, auch von diesem und jenem anders bestimmt werden: die Epoche selbst in ihrer technischen Ausbildung liegt abgerundet und klar vor Augen.
Es werden jedoch hin und wieder einzelne Gefäße aus der Heidenzeit gefunden, welche kein bestimmtes Merkmal zur Zeitbestimmung an sich tragen; für die Bestimmung dieser Gefäße muß man denn zu andern Mitteln seine Zuflucht nehmen. So Z. B. ist das hier abgebildete
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Gefäß ganz eigenthümlich, welches in dem Torfmoore von Gnoien 8 Fuß tief gefunden ward. Es hat an dem Obertheile des Bauches 4 starke, durchbohrte Knoten, in welchen beim Auffinden noch Reste einer Schnur steckten (vgl. Jahrb. X, S. 296). Ohne Zweifel ist dieses Gefäß ein häusliches Geräth, ein Tragetopf oder wie es noch heute heißt, ein "sêlpot": d. i. ein Topf (pot), welcher an einer Schnur oder an einem Seile (sêl) getragen ward, wie es noch heute geschieht, freilich auf weniger künstliche Weise. Dergleichen Funde gehören zu den allerseltensten. Vor kurzem (vgl. unten S. 439) hat Herr von Kardorf auf Remlin dem Vereine noch einen zweiten Topf ähnlicher Art geschenkt, welcher in demselben Moore gefunden ist.