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b. Urvolkgräber.

Begräbniß von Plau.

Am Weinberge bei Plau in dem dort zur Chaussee gegrabenen Kiessande ward 6 Fuß tief unter der Oberfläche ein menschliches Gerippe in hockender 1 ), fast knieender Stellung, mit etwas rückwärts gelehntem Oberleibe, gefunden.

Neben dem Gerippe lagen folgende Geräthschaften, sämmtlich aus Knochen:

1) eine Streitaxt aus dem Wurzelende eines Hirschhorns, 6 1/2" lang, mit einem durchbohrten Schaftloche am stärkern Ende; das dünnere Ende ist zugespitzt;

2) zwei der Länge nach aufgeschnittene, halbe Eberhauer, von denen der eine nach der Außenseite hin einen, der andere nach derselben Seite hin drei regelmäßige Ausschnitte in Form eines Kreissegmentes oder Halbmondes hat;

3) drei Schneidezähne von einem Hirsche 2 ), deren zwei (die mittlern Schneidezähne ans dem Unterkiefer) an der Wurzelspitze regelmäßig durchbohrt sind, um auf eine Schnur gezogen zu werden; die Krone eines dieser Zähne ist gabelförmig ausgeschnitten. (Vgl. Zimmermann's Nachricht von einigen bei Uelzen aufgegrabenen Urnen, Titel=Vignette.)

Diese Geräthschaften waren in den Besitz der Frau Chaussee=Baumeisterin Mühlenpfort gekommen, welche dieselben sorgfältig aufbewahrte; auf Verwendung des Herrn Pastors Ritter zu Vietlübbe, welchem der Verein auch die erste, ausführliche und sichere Nachricht von diesem Funde verdankt, machte Frau Mühlenpfort diese Sachen dem Vereine zum Geschenk.

Das Gerippe, auch der Schädel, ward von den Arbeitern zerschlagen; der zerschlagene Schädel, und mit diesem die durchbohrten thierischen Schneidezähne, kam in den Besitz eines Mannes in Plau, von welchem wiederum der Herr Pastor Ritter dieselben zum Geschenk erlangte. Von dem übrigen Theile des Gerippes ist nichts mehr aufzufinden gewesen.

Der sehr zerbrochene Schädel ist in hohem Grade merkwürdig und es ist zu beklagen, daß er so sehr zerschlagen ist, daß eine Zusammensetzung nicht hat gelingen wollen. Fast ganz gerettet sind das Stirnbein und der Unterkiefer, welche


1) Vgl. über die hockende Stellung der Leichen in alten Gräbern oben den Bericht des Herrn Troyon, S. 394.
2) Nach der Bestimmung des Herrn Professors Stannius zu Rostock.
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beide einen merkwürdigen Bau haben. Die Augenhöhlen liegen fast ganz horizontal. Aber ganz ungewöhnlich stark hervorragend ist die Erhöhung der Stirnhöhle, so weit sie von den Augenbrauen bedeckt gewesen ist, und des Jochfortsatzes des Stirnbeins bis zur Nasenwurzel. Die Stirn liegt fast ganz hintenüber und ist nicht 1 Zoll breit; durch unfehlbar starke Augenbrauen und starkes Haar muß sie fast gar nicht zu sehen gewesen sein. Die äußern Höhlenränder des Stirnbeins über den äußern Augenwinkeln sind ungewöhnlich stark und ragen über 1/2 Zoll über die Schläfe hervor. Der Jochfortsatz des Stirnbeins ist ebenfalls ungewöhnlich breit und an der Nasenwurzel bei der Nath 1 1/4 Zoll breit. (Dieses Stirnbein ist dem Stirnbein des Oberschädels, welcher tief im Moore von Sülz gefunden ward und in die großherzogliche Sammlung kam, auffallend ähnlich; auch dieser zeigt ungewöhnlich starke Erhöhungen des Stirnbeins über den Augenhöhlen und fast gar keine Stirn.) Der Unterkiefer ist sehr stark und breit und fast senkrecht, so daß er fast gar keine Hervorragung und Modellirung zeigt. Die Zähne sind alle vorhanden, alle vollkommen gesund; aber die Backenzähne sind schon stark abgeschliffen. Es gehörte der Schädel einem Menschen von reifern Jahren, jedoch noch keinem Greise.

Dieses im Vorstehenden beschriebene Begräbniß ist in hohem Grade merkwürdig und das erste dieser Art, welches in Meklenburg gefunden ist. Zwar waren bisher schon zwei Streitäxte aus Hirschhorn gefunden, die eine in der Lewitz, jetzt in der Vereinssammlung (vgl. Jahresber. I, S. 15), die andere in der großherzoglichen Sammlung; ein ganzes Begräbniß von lauter Knochen war aber noch nicht gefunden.

Diesem Grabe von Plau muß man nun ein sehr hohes Alter zuschreiben; denn

1) fehlt jeder Schutz des Grabes durch Steinbauten u. dgl.;

2) fehlt der Leichenbrand, welcher in Meklenburg schon in der Steinperiode eintritt;

3) fehlt jedes Geräth aus Stein, Thon oder Metall.

Dagegen weiset die Bildung des Schädels auf eine sehr ferne Periode zurück, in welcher der Mensch auf einer sehr niedrigen Stufe der Entwickelung stand. Wir wagen jedoch hieraus keine Schlüsse über den Entwickelungsgang des Menschengeschlechts zu machen, sondern überlassen Studien dieser Art tiefer blickenden Forschern. Wahrscheinlich ist aber, daß dieses Grab dem Autochthonen=Volke angehört und der Steinperiode voraufgeht.

G. C. F. Lisch.