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III. Zur Baukunde

des Mittelalters.


Der Dom zu Ratzeburg

Der Dom zu Ratzeburg ist bekanntlich in der zweiten Hälfte des 12ten Jahrhunderts im byzantinischen oder Rundbogen=Style aus Ziegeln erbauet und in mehrfacher Hinsicht ein ausgezeichnetes und unter den Ziegelbauten seltenes Bauwerk. Von größeren Kirchen im nordöstlichen Deutschland ist ihm an Alter wohl nur der Dom zu Lübeck gleich, welcher jedoch nur noch das Mittelschiff vom ursprünglichen Bau erhalten hat. Der Dom zu Ratzeburg hat ein günstigeres Schicksal gehabt, indem mit Sicherheit nur die Fenster der Kreuzschiffe und durch Anbau von Kapellen die Außenwände der Seitenschiffe ihre ursprüngliche Gestalt verloren haben; vgl. Jahresber. VII, S. 61 flgd. Eine besondere Beachtung fordern jedoch die Gewölbe. Die Gewölbe des Chores, der Kreuzschiffe und des Mittelschiffes sind nämlich im Spitzbogenstyle aufgeführt. Nach einer Sage (vgl. Masch Gesch. des Bisth. Ratzeburg, S. 382) soll der Bischof Johannes von Parkentin (1479 - 1511) den Hauptganghaben erhöhen lassen. Dagegen behauptet der Architect Lauenburg (vgl. Masch a. a. O. S. 749), und nach ihm Andere, es leide keinen Zweifel, daß die jetzt vorhandenen Gewölbe gleichzeitig mit der Kirche aufgeführt seien. Daß dies unglaublich, ja unmöglich sei, lehrt der erste Anblick: alle Spitzbogengewölbe in der ratzeburger Kirche sind so unregelmäßig und leichtfertig angesetzt, daß sie unmöglich nach dem Grundplane des Baumeisters haben ausgeführt werden können, wenn man auch zur Zeit des Rundbogenstyls eine Wölbung im Spitzbogenstyle annehmen wollte, was auch wohl behauptet ist. Ein solcher Zwiespalt und eine solche Unsauberkeit, wie sie die Hauptgewölbe des ratzeburger Domes zeigen, sind aber in der Geschichte der Baukunst unerhört, und es ist wenigstens das außer Zweifel, daß zur Zeit des Rundbogenstyls die Rundbogengewölbe mit Rücksicht auf die Höhenverhältnisse und die Lage und Größe der Fenster sehr sauber und sorgfältig angesetzt sind, was im Schiffe des ratzeburger Domes durchaus nicht der Fall ist.

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Eine treffende Vergleichung giebt der bekannte Dom zu Roeskilde. Dieses im 11. Jahrhundert im Rundbogenstyle von rothen Ziegeln aufgeführte Gebäude hat die größte Aehnlichkeit mit dem Dome zu Ratzeburg. Nicht allein die Außenwände sind denen des ratzeburger Domes sehr ähnlich, sondern auch das Innere beider Kirchen bietet viele Vergleichungen dar. Der Dom von Roeskilde ist nämlich ohne Ausnahme ganz im Spitzbogenstyle mit starken Rippen gewölbt und die Gewölbe sind eben so unsauber angesetzt, als die Gewölbe des ratzeburger Domes: bald liegt ein Fenster nicht in der Mitte des Gewölbes, bald schneidet eine Gewölbekappe sogar ein Fenster, bald steht ein Gewölbe hoch, bald niedrig über einem Fenster: kurz, man sieht auf den ersten Blick, daß auch hier, wie zu Ratzeburg, das Gebäude im 15. Jahrhundert ausgebauet ist. Von dem Dome zu Roeskilde ist aber die Zeit der Spitzbogenwölbung bekannt. Im J. 1443 legte nämlich eine heftige Feuersbrunst ganz Roeskilde in Asche und brannte auch den Dom aus. Der Ausbau währte 20 Jahre und erst 1464 konnte die Kirche neu geweihet werden. (Vgl. Behrmann, Grundrids til Roeskilde Domkirkes, S. 31 - 33).

Uebrigens stimmt der Dom zu Roeskilde im Aeußeren ganz mit andern Kirchen des Rundbogenstyls überein. Von den charakteristischen Merkmalen will ich zur Vergleichung nur das eine hervorheben, daß, was die Abbildungen nicht angeben, die Steine in den Giebeln der Kreuzschiffe in Zickzacklinien gestellt sind, eine Erscheinung, welche sich nicht allein an der Vorhalle des ratzeburger Domes findet, sondern auch an Kirchen aus der Uebergangsperiode; (vgl. Jahresber. III. S. 143; VI, S. 87; VII, S. 62.).

G. C. F. Lisch.