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Die Arbeit erwuchs aus und neben Studien für die Geschichte der mecklenburgischen Landstände und der finanz-, verwaltungs-, wirtschafts- und regierungspolitischen Verhältnisse Mecklenburgs im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. (Vgl. Meckl. Jahrb. 86 (1922), 88 (1924). Die Zeitverhältnisse gestatteten es nicht, die Arbeit weiter auszubauen. - Jn den letzten Jahren sind in benachbarten Ländern und Hansestädten gleichartige Arbeiten erschienen. Es vernotwendigt sich daher, die Arbeit zu veröffentlichen, und zwar in der Hauptsache so, wie sie z. Zt. niedergeschrieben wurde, ergänzt durch gelegentliche Beobachtungen sowie durch kürzlich gemachte Aktenfunde (auswärtige Korrespondenzen) und durch Auskünfte von auswärtigen Archiven. - Möge die Arbeit zu weiteren Forschungen, insbesondere in den städtischen Archiven, anregen. - Von einem Heranziehen der inzwischen erschienenen Spezialliteratur muß Verf. absehen. Zeitmangel gebietet auch ein Beibehalten der alten Form. Im Interesse der Kultur- und Sprachgeschichte unseres Landes liegt die Beibehaltung des alten Rahmens, der die Aufnahme der hochdeutschen Schriftsprache in Zusammenhang setzte mit dem Aufkommen, Blühen und Vergehen der übrigen Schriftsprachen - der lateinischen und der mittelniederdeutschen -, die einmal in Mecklenburg herrschten.
Es wurde dabei der Versuch gemacht, die geistes- und kulturgeschichtlichen Ursachen dieses Sprachwandels zu ergründen. Da hierbei auf den Gegensatz von Volksdialekt und Schriftsprache einzugehen war, mußte eine kurze Untersuchung über das Verschwinden des wendischen Volksdialektes in Mecklenburg vorangeschickt werden.
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Verdrängen des wendischen Volksdialekts durch den niederdeutschen | 204-207 | |
Herrschaft des Lateinischen als Schriftsprache | 207-208 | |
Erstes Auftreten, weitere Ausdehnung, Sieg und Blüte des Niederdeutschen als Schriftsprache: | ||
in den Urkunden | 208-210 | |
in den Verordnungen und Stadtbüchern | 210-212 | |
in den Akten (Register und Rechnungen) | 212 | |
in der Literatur | 213-216 | |
Ergebnis | 216 | |
Tiefere Gründe für das Verdrängen der lateinischen Schriftsprache durch das Niederdeutsche | 216-218 |
Bisherige Ansicht über äußeren Anlaß der Aufnahme und Zeitpunkt des ersten Auftretens der hochdeutschen Schriftsprache in Mecklenburg (von 1502 ab unter den beiden Kanzlern von Schöneich) | 218-220 | |
Bereits aus der Zeit des Kanzlers Grunwald lassen sich von 1493 ab einige hochdeutsche Original-Urkunden und Urkunden-Abschriften nachweisen | 220-225 |
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Ergänzung und Erweiterung des neuen Ergebnisses durch Heranziehung von Akten: | ||
Hochdeutsche Originalschreiben des Kanzlers Grunwald, des Rentmeisters Trutmann, der mecklenburgischen Herzöge Magnus II., Heinrich V., Albrecht VII. | 225-227 | |
Hochdeutsche Abschriften, bes. für Prozesse beim Reichskammergericht | 227-228 | |
Hochdeutsche Konzepte des Kanzlers Grunwald und ihre sprachlichen Wandlungen zum Niederdeutschen, insbesondere in den für die Stadt Rostock bestimmten | ||
Konzepten; Konzepte für Schreiben an fremde Fürsten und Personen | 228-234 | |
Ergebnis | 234-236 | |
Organisation der mecklenburgischen Kanzlei im allgemeinen | 236-237 | |
Kanzleipersonal unter Grunwald | ||
Der Rentmeister Trutmann | 237-242 | |
Die Sekretäre und Kopisten | 242-244 | |
Ergebnis: Geringe Bedeutung des Rentmeisters, der Sekretäre und der Kopisten für die Aufnahme der hochdeutschen Schriftsprache. Treibende Kraft für die Aufnahme der hochdeutschen Schriftsprache durch die Kanzlei war der Kanzler Dr. Anthonius Grunwald. Sein Werdegang und seine sprachliche Entwicklung | 244-246 | |
Opposition der Stadt Rostock gegen das Hochdeutsche als Schrift- und Verhandlungssprache | 246-248 | |
Endergebnis: Die erste Aufnahme der hochdeutschen Schriftsprache in Mecklenburg äußert sich im internen Kanzleibetrieb, im persönlichen Urkundenwesen und Schriftwechsel der Herzöge sowie bei Verträgen und Korrespondenzen mit hochdeutschen Fürsten und Personen. Eine Einwirkung auf auf die bodenständige Bevölkerung Mecklenburgs ist noch nicht zu spüren. | 248 |
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Mecklenburg wurde durch die nach Niclots Tod (1160) im Westen einsetzende, für die übrigen Gegenden nachhaltig aber erst im 13. Jahrhundert durchgeführte großzügige deutsche Kolonisation wieder ein germanisches, ein deutsches Land. Wenn auch in fast ganz Mecklenburg teils größere, teils geringere Reste von Wenden noch längere Zeit ihr Volkstum und ihre Sprache bewahrten 1 ), so setzte sich bei ihnen doch allmählich mit der höheren Kultur der deutschen Ansiedler auch deren Sprache durch. Die Slaven wurden in ständig steigendem Maße germanisiert. Frühzeitig begannen wendische Edle deutsche Vor- und Zunamen anzunehmen 2 ), und die in
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Stadt und Dorf seit den letzten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts bei den Wenden verschiedentlich bezeugten deutschen Vor- und Zunamen 3 ) zeigen deutlich die Werbekraft und den Fortschritt der deutschen Kultur und Sprache auch bei der niederen wendischen Bevölkerung an. Doch hielt sich die wendische Sprache, welche allerdings "mehr und mehr auf die engsten Kreise der örtlichen und häuslichen Gemeinschaft beschrankt wurde" 4 ), bei den fast durch ganz Mecklenburg verstreuten wendischen Bevölkerungsresten, insbesondere auf dem platten Lande, bis gegen Ausgang des 14. Jahrhunderts. Wenn auch die wendische Sprache nicht mehr so lebenskräftig war, daß sie sich zur Schriftsprache entwickeln konnte, so vermochte sie, als um die genannte Zeit die Bildung von Familiennamen erfolgte, doch noch als lokal begrenzter Volksdialekt eine größere Anzahl von wendischen Familiennamen zu erzeugen 5 ), denen allerdings eine beträchtliche Mehrzahl von deutschen Namen gegenübersteht. Im 15. Jahrhundert und in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts stoßen wir hier und da
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noch auf Lebensäußerungen des Wendentums 6 ). Dann machen sich stärkere sprachliche Zersetzungen an den Familiennamen bemerkbar 7 ). Um die Wende des 16. zum 17. Jahrhundert
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wird die wendische Sprache auch in ihrem letzten Rückzugsgebiet, der Jabelheide, verklungen sein 8 ).
Während die niederdeutsche Sprache, welche die deutschen Siedler aus ihrer Heimat (Westfalen, Holstein, Friesland, Niedersachsen, Mark Brandenburg) mitbrachten, als Volksdialekt genügend Kraft entwickelte, um die bodenständige wendische Sprache allmählich zu verdrängen, war an die Ausbildung und Pflege einer nationalen niederdeutschen Schrift-und Literatursprache noch nicht zu
denken. Bei dem harten Kampf, den die Ansiedler mit dem schwer zu bearbeitenden Lehm- und Waldboden und bei der Erschließung des Koloniallandes für Handel und Verkehr zu führen hatten, mußten die materiellen Interessen überwiegen. Die Pflege des geistigen Lebens lag ausschließlich in den Händen der Geistlichkeit, deren Sprache war aber die internationale Weltsprache, das Lateinische. Bis gegen Ende des 13. Jahrhunderts herrscht das Lateinische so gut wie ganz in den Schriftdenkmälern dieser Zeit, in den Urkunden 9 ), in den Stadtbüchern von Rostock und Wismar 10 ) und in der einzigen Chronik, die uns aus jener
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Zeit überliefert ist, der Wismarschen Chronik über die Vormundschaftsführung der Fürstin Anastasia (1275/78) 11 ).
Um die Wende des Jahrhunderts tauchen zuerst niederdeutsche mecklenburgische Urkunden auf 12 ). Die ersten betreffen die Herrschaft Wenden: Aus dem Jahre 1290/91 ist die beglaubigte Abschrift eines Transsumpts, aus dem Jahre 1292 die erste niederdeutsche Original-Urkunde erhalten 13 ). In derselben Herrschaft folgt dann erst wieder eine Originalurkunde aus dem Jahre 1307 14 ).
Aus der Herrschaft Mecklenburg haben wir die ersten niederdeutschen Urkunden aus den Jahren 1306 und 1307 15 ), aus der Grafschaft Schwerin vom Jahre 1301 eine Abschrift, vom Jahre 1307 eine Originalurkunde 16 ), aus der Herrschaft Rostock eine
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Abschrift vom Jahre 1312 17 ). Alle diese Urkunden sind Fürstenurkunden, d. h. solche Urkunden, die als Aussteller einen der betr. Fürsten nennen, und sind wahrscheinlich auch aus den betr. fürstlichen Kanzleien hervorgegangen 18 ).
Die weitere Aufnahme und Ausbreitung der niederdeutschen Schriftsprache in Mecklenburg weist, wie sich später zeigen wird, wichtige Parallelen mit der Aufnahme der hochdeutschen Schriftsprache auf, daher verlohnt es sich, das weitere Vordringen der niederdeutschen Schriftsprache genauer zu verfolgen.
Aus dem Jahre 1316 stammt die erste niederdeutsche Originalurkunde mecklenburgischer Adliger 19 ). Die ältesten städtischen Urkunden sind drei Originalurkunden der Städte Parchim, Schwerin und Neubrandenburg aus den Jahren 1312, 1326 und 1333 20 ). Die älteste niederdeutsche Originalurkunde der Städte Rostock und Wismar stammt erst aus dem Jahre 1332 21 ). Von einigen nur in Abschriften erhaltenen Urkunden der Geistlichkeit aus den Jahren 1307, (1313), 1315, 1321 abgesehen, - bei denen es zweifelhaft sein mag, ob es wirkliche Abschriften und nicht vielmehr Übersetzungen sind -, stammt die erste geistliche Originalurkunde aus dem Jahre 1323 (Bischof von Schwerin) 22 ). Die niederdeutschen Urkunden nehmen, wie das Mecklenburgische Urkundenbuch zeigt, in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts langsam zu. Um die Mitte des Jahrhunderts halten sich die von mecklenburgischen Fürsten und Adligen ausgestellten lateinischen und niederdeutschen Urkunden so ziemlich das Gleichgewicht, wenn auch noch bei den Städten und bei der Geistlichkeit die lateinischen Urkunden überwiegen. Gegen Ende des Jahrhunderts treffen wir nur
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noch vereinzelte lateinische Urkunden der mecklenburgischen Fürsten und Adligen an, bei den Städten überwiegen bereits die niederdeutschen, und bei der Geistlichkeit halten beide sich das Gleichgewicht. Im 15. Jahrhundert kommen nur noch ganz vereinzelte, fast ausschließlich von der Geistlichkeit ausgestellte lateinische Urkunden vor, die sich mit einigen seltenen Ausläufern bis ins 16. Jahrhundert hinein erstrecken 23 ). Wenn wir noch sehen, daß auch in den eigentlichen Hanserezessen seit den 70er Jahren des 14. Jahrhunderts das Niederdeutsche überwiegt 24 ), so kommen wir zum Ergebnis, daß im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts der Sieg der nationalen Schriftsprache als Sprache der eigentlichen Urkunden entschieden war 25 ).
Länger, zum Teil bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts hinein, wurde noch in den Verordnungen (Bürgersprachen, Willküren) der beiden Seestädte Rostock und Wismar das Lateinische angewandt, d. h. für die offizielle, rechtsverbindliche Formulierung, verkündet wurden sie in der Bürgerschaft natürlich von vornherein in niederdeutscher Sprache 26 ). Doch muß um
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die Mitte des 14. Jahrhunderts bei den bedeutenderen Bürgern das Lateinische als Schriftsprache durchaus üblich gewesen sein, wie das Rechnungsbuch einer Rostocker Handelsgesellschaft aus den Jahren 1345 - 1350, das ganz lateinisch geführt ist, zeigt 27 ).
Auffallend lange hielt sich das Lateinische in den Stadtbüchern (Hausbüchern, Grundbüchern) der beiden Seestädte Rostock und Wismar. Es ist dies typisch für das zähe Festhalten am Althergebrachten, das die beiden Städte auch auf andern Gebieten auszeichnete. Das Rostocker Stadtbuch ist erst seit dem Jahre 1480 niederdeutsch geführt 28 ). Niederdeutsche
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Sätze begegnen vorher in allen Jahrhunderten, sind aber ganz außerordentlich selten 29 ). Noch länger hielt sich das Lateinische im Wismarer Stadtbuch, es ist erst seit dem Jahre 1521 niederdeutsch geführt 30 ). Dagegen ist das von 1424 ab erhaltene Schweriner Stadtbuch niederdeutsch abgefaßt 31 ), und in den 1399 beginnenden, bis zum Jahre 1448 sich erstreckenden Fragmenten des Stadtbuches von Neukalen findet sich von 1399 an bereits eine größere Zahl von niederdeutschen Eintragungen 32 ).
Verhaltnismäßig lange hielt sich das Lateinische auch in den Akten (Registern und Rechnungen) der mecklenburgischen Fürsten und der Stadt Rostock: Sie wurden erst seit den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts niederdeutsch geführt 33 ).
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Auch in der Literatur setzte sich das Niederdeutsche langsam durch, wenn es auch von vornherein mit der hochdeutschen Hof-und Dichtersprache stark zu kämpfen hatte 34 ). Es begegnen uns in mecklenburgischen Archiven Fragmente von verschiedenen niederdeutschen Evangelien-, Andachts- und Gebetsbüchern und von einem Passional. Nach der Handschrift weisen sie auf Mitte oder zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts hin 35 ). Ja, ein niederdeutsches Gedicht, eine Übersetzung der Sprüche des Dionysius Cato, muß, wie der Schriftcharakter zeigt, bereits im Anfang des 14. Jahrhunderts abgefaßt sein 36 ). Aus derselben Zeit etwa stammt auch die niederdeutsche Bearbeitung einer Paraphrase des Heinrich von Krolewitz über das Vaterunser 37 ). Aus dem Jahre 1388 ist ein niederdeutscher Zauberspruch erhalten 38 ). Zwei Jahre später findet sich das Fragment eines niederdeutschen lyrischen Gedichtes vor 39 ). Ein Hochzeitsbitterlied und die Übersetzung eines niederdeutschen Minneliedes sind uns aus den Jahren 1433 - 48 erhalten 40 ). Das Ribnitzer Stadtbuch vom Jahre 1456 hat niederdeutsche ge-
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reimte weise Regeln für Stadtobrigkeiten überliefert 41 ). - Vor etwa 18 Jahren entdeckte Claussen ein um 1478 wahrscheinlich von Rostocker Studenten geschriebenes niederdeutsches Liederbuch 42 ), das neben einigen lateinischen und hochdeutschen Liedern sowie drei lateinisch-niederdeutschen Mischliedern nicht weniger als 42 niederdeutsche Liebes-, Trink-, Scherz- und historische Lieder sowie zwei geistliche Lieder und eine Anzahl von niederdeutschen Sprüchen enthält, die zum größten Teil bislang unbekannt waren.
Trotz dieses wichtigen Fundes wird man zugeben müssen, daß das Niederdeutsche auf dem Gebiete der lyrischen und lehrhaften Dichtung mit der hochdeutschen Dichtung des 14. und 15. Jahrhunderts einen Vergleich nicht abhalten kann. - Der etwas nüchterne Sinn des Norddeutschen dürfte Schuld daran sein. - Daß dagegen in der dramatischen Dichtung im 15. Jahrhundert das Niederdeutsche dem Hochdeutschen durchaus ebenbürtig, wenn nicht überlegen war, zeigt am besten das Redentiner Osterspiel von 1464, welches in seinen realistischen Teufelsszenen mit ihrem echt niederdeutschen, halb gutmütigen, halb derb-drastischen Humor "ein wirkliches dichterisches Kunstwerk" ist 43 ). Aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts haben wir fast nur Übertragungen aus dem Lateinischen oder Hochdeutschen, die allerdings z. T. recht geschickt sind. Es mangelt sichtlich an größeren originellen niederdeutschen Schöpfungen. So wurden die vom Rostocker Professor Hinrich Boger gleich nach 1500 verfaßten lateinischen Gedichte über den Sternberger Judenmord und über die Dithmarschen-Schlacht, ferner die wahrscheinlich gleichfalls von Boger herrührende lateinische Reimchronik über die Rostocker Domfehde vielleicht von dem ans Göttingen stammenden Rostocker Professor Tile mann Heverlingh, der von 1501 bis 1511 an der Universität
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lehrte, zu niederdeutschen Reimgedichten umgearbeitet 44 ). Das 1519 zu Rostock gedruckte "nye schip van Narragonien" wurde, wie es scheint, von dem Rostocker Buchdrucker Ludwig Dietz übersetzt und umgedichtet 45 ). Noch in die letzten Jahre des 15. Jahrhunderts reichen verschiedene Volksbücher zurück, die von den Rostocker Michaelisbrüdern ins Niederdeutsche übersetzt und gedruckt wurden 46 ). Im übrigen blühte im 16. Jahrhundert eine mannigfaltige niederdeutsche Literatur von kleinen Schriften geistlichen und weltlichen, erbaulichen und belehrenden Jnhalts 47 ).
In den Prosachroniken, in denen das Lateinische im 14. Jahrhundert unumschränkt herrschte und seine mehr oder minder dürftigen Ausläufer bis ins 15., ja sogar bis ins 16. Jahrhundert hinein erstreckte 48 ), ist auch im 15. Jahr-
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hundert der Sieg zugunsten des Niederdeutschen entschieden 49 ). Es ist immerhin bezeichnend, daß Rostocker und Wismarer Ratsherren und Geistliche sich bei ihren Chroniken jetzt der niederdeutschen Sprache bedienen. Die Chronik über die Rostocker Fehde von 1487 - 91 stellt eine durchaus beachtenswerte Leistung dar und verdient es, den berühmten Lübecker Chroniken an die Seite gestellt zu werden. Sie zeigt uns die der niederdeutschen Sprache besonders eigentümliche Fähigkeit zur schlichten, anschaulichen und lebendigen Erzählung 50 ). Den späteren hochdeutschen, durchweg trockenen und dürftigen Chroniken ist sie in jeder Hinsicht weit überlegen.
Im 15. Jahrhundert hatte in Mecklenburg die zur Schriftsprache erhobene niederdeutsche Volkssprache der Laien den endgültigen Sieg über die internationale lateinische Schriftsprache der Geistlichen errungen und war durchaus literaturfähig geworden.
Der tiefere Grund für diesen Wandel von der lateinischen zur niederdeutschen Schriftsprache ist in der Geistesgeschichte,
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in der Änderung der Weltanschauung zu suchen. Seit dem Mißerfolge des zweiten Kreuzzuges (1147 - 49) mit seiner katastrophalen Wirkung auf die bis dahin alle Welt beherrschende höchstgespannte international-kirchliche und nur auf das Jenseits gerichtete Weltanschauung setzte eine neue Geistesbewegung: die Nationalisierung und Entklerikalisierung (Entkirchlichung und Verweltlichung) der Gemüter der Menschen langsam ein 51 ). An Stelle der römischen, geistlichen, jenseitigen, weltfeindlichen Jdeale setzte sich langsam eine echt germanische, laienhafte, diesseitige, weltfreudige Weltanschauung wieder durch.
Besonders gut können wir diesen Umwandlungsprozeß an Hand der deutschen Literatur verfolgen: von den Dichtern wurden immer mehr weltliche und im deutschen Volkstum wurzelnde Stoffe und Ideen behandelt. Zuerst durch die Jugend, die fahrenden Schüler und Studenten. Erinnert sei nur an die für das Mittelalter unerhört freigeistigen Carmina Burana. - Zu den wandernden Studenten gesellten sich die fahrenden Spielleute, die die neue Bewegung mehr volkstümlich machten, bis dann in Walter von der Vogelweide und Wolfram von Eschenbach diese Bewegung ihren Höhepunkt fand. Diese Bewegung griff nun auch auf die Sprache über. Zuerst waren die Satiren der fahrenden Schüler und Studenten noch in lateinischer Sprache verfaßt. Dann aber begann die deutsche Sprache sich siegreich durchzusetzen. Mit Energie wurde auf allen Gebieten der Literatur die Freiheit von der Bevormundung durch die römischen Priester und von ihrer Sprache erstrebt. Diese auf die Beherrschung und künstlerische Anwendung der völkischen Sprache gerichtete Bewegung dehnte sich bald auf die Prosaliteratur aus, drang ungefahr seit der Mitte des 13. Jahrhunderts auch in die Kanzleien ein, trotzdem diese ausschließlich von Geistlichen besetzt waren, und nötigte auch sie, dem neuen laienhaften und völkischen Zeitgeiste Rechnung zu tragen und ihre Urkunden in deutscher Sprache abzufassen. - Die erste deutsche Kaiserurkunde stammt aus dem Jahre 1238/39 52 ). Wie wir sehen, hatte etwa 50 Jahre später diese
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Bewegung auch Mecklenburg erreicht, um nach weiteren 100 Jahren zum siegreichen Durchbruch gekommen zu sein. - Diese neue Bewegung machte nicht einmal vor der Kirche Halt. Auch sie sah sich schließlich genötigt, der nationalen niederdeutschen Sprache Zugeständnisse zu machen. Bezeichnend für den Geist der Zeit und für den Widerwillen des Volkes gegen die lateinische Sprache, selbst im Gottesdienst, ist es, wenn wir sehen, daß schon 1429 in Rostock eine Stiftung dafür vorhanden war, daß das Vaterunser und das Glaubensbekenntnis in der Muttersprache durch den Priester hergefagt und erklärt werden sollte 53 ). Ja, die mecklenburgische Geistlichkeit sah sich schließlich genötigt, einige niederdeutsche Kirchenlieder 1492 und 1519 im Gottesdienst zuzulassen 54 ). So wurde schon seit der Mitte des 12. Jahrhunderts die neue Zeit allmählich vorbereitet, bis alle diese Bestrebungen im Humanismus und in der Reformation mit elementarer Kraft an die Oberfläche kamen.
Wie kam es, daß die niederdeutsche Schriftsprache trotz all der kräftigen Lebensäußerungen und trotz einer gewissen Blüte, die sie im 15. Jahrhundert entwickelt hatte, bereits im Laufe des 16. Jahrhunderts der hochdeutschen Schriftsprache erlag? - Diese Frage hat schon seit Rudloffs Zeiten die mecklenburgischen Geschichtsschreiber und -forscher beschäftigt. Sie sehen den äußern Anlaß in der herzoglichen Kanzlei, in welche die hochdeutsche Schriftsprache zu Anfang des 16. Jahrhunderts durch die beiden aus Mitteldeutschland (Sorau in der Niederlausitz) stammenden Kanzler von Schöneich, den alteren Brand (1502
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bis 1507) und seinen Neffen Caspar (1507 - 1547), eingeführt sei 55 ). Ihre knappen Angaben sind aber nicht durch eingehende Untersuchungen näher begründet, sondern stellen nur gelegentliche Bemerkungen dar. Trotzdem haben sie, um das vorweg zu nehmen, wenigstens in dem ersten Punkte richtig gesehen: die hochdeutsche Schriftsprache ist in Mecklenburg tatsächlich durch die Kanzlei und nicht, wie man ja auch annehmen könnte, durch die beiden neuen Geisteserrungenschaften des hochdeutschen Sprachgebiets: Buchdruck und Reformation, einge-führt worden.
Nun wurde vor etwa 20 Jahren die Frage nach dem Auftreten der hochdeutschen Schriftsprache in Mecklenburg von Böttcher in seiner Dissertation über das Vordringen der hochdeutschen Sprache in den Urkunden des niederdeutschen Gebietes vom 13. bis 16. Jahrhundert 56 ) auf Grund von Urkunden des
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Mecklenburgischen Geheimen und Hauptarchivs kurz behandelt. Doch ist Böttcher nicht über die bisherige Ansicht hinausgekommen, denn er gibt an, daß die erste mecklenburgische hochdeutsche Urkunde aus dem Jahre 1502 stammt.
Tatsächlich erfolgte aber die Aufnahme der hochdeutschen Schriftsprache in die herzogliche Kanzlei neun Jahre früher, und zwar zu den Zeiten des aus Nürnberg stammenden Kanzlers Dr. Anthonius Grunwald. Von Ende 1493 bis zu seinem kurz vor dem 10. März 1501 erfolgten Tode stand er der Kanzlei der Herzoge Magnus II. und Balthasar vor.
Ans Grunwalds Amtszeit sind mir bislang fünf bis sechs hochdeutsche Originalurkunden begegnet, die teils in der mecklenburgischen Kanzlei selbst, teils von Kanzleibeamten anläßlich von Reisen des Kanzlers bzw. der Herzöge außerhalb Mecklenburgs geschrieben sind.
Noch ins Jahr 1493 (26. Dezember) reicht eine Kanzleiordnung der Herzöge zurück 57 ). Sie weist einige niederdeutsche Wörter auf. Diese sind aber so gut wie ganz auf das Konto eines Kanzleischreibers (Kopisten) zu setzen, der beim Abschreiben des hochdeutschen, vom Kanzler Grunwald entworfenen Konzeptes gelegentlich in sein gewohntes Niederdeutsch verfiel. So gleich beim Eingang: "Wy Magnus und Baltazar, gebroder etc." An niederdeutschen Wörtern finden sich noch: irsten, cantzelye, breven (neben brive), liebgedinges, fulborth, nemant, drincken, dage, to (1 mal neben 19mal zcu), by (1mal neben 3mal bey). An messingschen bzw. pseudohochdeutschen Formen begegnen: bucker (Bücher), furstenthom, matzen (hd. maßen), etzen (essen), arloff (Urlaub), deyner (Diener). Understeen ist hernach von Grunwald in untersteen, reder in redte verbessert worden, während er an den übrigen niederdeutschen und messingschen Formen merkwürdigerweisfe keinen Anstoß nahm!
Die nächste Urkunde ist vom 1. Januar 1494 datiert. Sie ist ein Hausvertrag bzw. Hofordnung der Herzöge Magnns und Balthasar 57a ) und in der Hauptsache in hochdeutscher Sprache
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verfaßt. Das Hochdeutsche überwiegt so, daß man sie nicht als typisch messingsch bezeichnen kann. An niederdeutschen Ausdrücken finden sich: darboven, hirenboven, holden (halten), gebrucken, benomen, nemant, nemandes neben nymands, wy neben wyr - beide mehrfach vorkommend -, ebenso to neben zu; messingsch: außwisung, brutschatz. Im Eingang heißt es: ". . . Hertzogen zcu Mecklenborg, Fursten to Wenden, Graven zcu Swerin." Man hat hier ganz den Eindruck, daß der Kanzleischreiber an sich nur das Niederdeutsche beherrschte und dieses bei der Anfertigung der Reinschrift des öfteren unwillkürlich anwandte.
Aus demselben Jahr 1494 stammt eine am 8. Mai zu Schwerin von den beiden Herzogen für den Bischof Johann von Ratzeburg ausgestellte Urkunde 58 ), in der sie und ihre Räte zwischen den Bischof einerseits und der Witwe Vicke von Quitzows, Konrad Sperling bzw. dessen Gattin andererseits einen Vergleich aufrichten über Zehnten in einer Keihe von mecklenburgischen, im Klützer Winkel, bei Wismar, Satow und Hagenow gelegenen Dörfern. Die Urkunde ist fast rein hochdeutsch geschrieben. Anzumerken ist nur: van neben von, dorp neben dorf.
Aller Wahrscheinlichkeit nach ist die Originalquittung, die der mecklenburgische Adlige Hartwig von Flotow am 27. Oktober 1497 zu Worms den mecklenburgischen Herzögen über von diesen in seinem Prozeß empfangene Gelder ausstellte 59 ), vom Kanzler Grunwald im Konzept entworfen und von einem mecklenburgischen Kanzleischreiber ins Reine geschrieben. Grunwald war nämlich um diese Zeit in Worms, und die Quittung ist von einer ausgesprochenen Kanzleihand geschrieben. An niederdeutschen Wörtern finden sich nur: myner, myns.
Ein am 28. Mai 1498 zu Güstrow von dem mecklenburgischen Lehnsmann Jörg vom Stein zu Lindow ausgestellter Dienst-
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revers 60 ) ist rein hochdeutsch. Jörg vom Stein zu Lindow - ein fremder, in mecklenburgische Dienste tretender Ritter - verpflichtet sich den beiden Herzögen gegenüber, sein Lebenlang in Mecklenburg zu bleiben.
Schließlich fand sich noch eine am 25. August 1499 von Anthonius Grunwald dem Propste zu Komburg (bei Schwäbisch Hall) zu Worms ausgestellte Schuldurkunde über 50 rh. Gulden, die dieser den mecklenburgischen Herzögen für deren Angelegenheiten beim Reichskammergericht leihen sollte 61 ). Niederdeutsch ist: vlyssig, myn, mynes, bybriefs. Doch sind diese niederdeutschen Formen nach Ausweis des noch erhaltenen, von Grunwald entworfenen Konzeptes auf das Konto des betr. Kopisten zu setzen. Grunwald schrieb: mein, fleißig, beybriefs usw.
Zn diesen Originalen 62 ) gesellen sich bislang noch fünf ganz bzw. überwiegend hochdeutsch verfaßte verbesserte Reinschriften bzw. Abschriften von Urkunden.
Zunächst zwei Stücke aus dem Jahre 1495: Ein zu Worms am 24. Juni ausgestellter Dienstrevers des Hans Smidt zu Wachim, der als Hofhufschmied und Roßarzt sich in den Dienst der mecklenburgischen Herzöge begibt, und ein zu Braunschweig am 6. August von dem herzoglichen Leibarzt Dr. Swestermüller und dem Güstrower Domdechanten Johannes Tigeler ausgefertigtes Protokoll über Befriedigung eines Wirtes zu Braunschweig wegen seiner Forderungen an Herzog Magnus. Beide
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Stücke sind von Dr. Grunwalds Vorgänger Johannes Tigeler eigenhändig geschrieben. - Der damaligen Üblichkeit entsprechend, leistete Tigeler nach seinem Abscheiden aus dem aktiven Dienst als herzoglicher Rat nach Bedarf noch Dienste als Gesandter, Kommissar usw. und half gelegentlich als herzoglicher Sekretar mit aus. - Während Tigeler in seiner Amtszeit (etwa 1480 - 93) seine zahlreichen Konzepte zu Schreiben und Urkunden, seine Protokolle und Rentereiregister niederdeutsch schrieb, sind diese beiden Schriftstücke in der Hauptsache hochdeutsch mit einigen niederdeutschen Wörtern: vor (für), forsten, erer, nottorft, welken, truwelichen, disse, tor (1mal neben siebenmal zcu), - Brunswick, vor, forste, de, eme, frowe (Frau), tidt, wollde, sollde, dorch, folks, velemalen; eetzliken 63 ).
Ab dem Jahre 1500 stammen drei rein hochdeutsche Abschriften (Kanzleihände): Bestallung Dr. Rechlingers zum Prokurator der Herzöge in ihrem Prozeß mit den Flotows (20. April), zwei Schuldverschreibungen, die der Kanzler Grunwald am 10. und 17. Mai zu Worms seinen Wirten ausstellte 64 ).
Vermutlich lassen sich, besonders in auswärtigen Archiven, noch weitere hochdeutsche, aus der herzoglichen Kanzlei stammende Urkunden ausfindig machen. Doch bin ich in Hinblick auf die zahlreichen, mir begegneten niederdeutschen Original-
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Urkunden überzeugt, daß die hochdeutschen nur einen ganz geringen Teil der in dieser Periode (1493/1502) überhaupt ausgestellten Urkunden ausmachen.
Die von den Herzögen für einheimische Adlige, Geistliche, Bürger, für geistliche Korporationen und für Städte ausgestellten Urkunden, die mir begegneten, sind mit ganz vereinzelten Ausnahmen 65 ) in diesem Zeitabschnitt niederdeutsch.
Niederdeutsch sind die Urkunden für benachbarte niederdeutsche Fürsten (Herzoge von Braunschweig-Lünebur g, Sachsen-Lauenburg, Pommern, für den Bischof von Havelberg und für holsteinische Adlige 66 ).
Dagegen scheint es so, als ob für Fürsten, in deren Kanzlei die hochdeutsche Schriftsprache seit alters herrschte 67 ), sowie für fremde, hochdeutsch sprechende Personen im allgemeinen hochdeutsche Urkunden ausgefertigt wurden.
Die beiden Urkunden von 1493 und 1494 sind die einzigen aus diesem Zeitabschnitt erhaltenen Kanzleiordnungen, Hausverträge bzw. Hofordnungen der Herzöge. Der nächte erhaltene
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Hausvertrag von 27. Dezember 1503 und die nächste Hofordnung vom 4. Dezember 1504 sind, wie alle folgenden, hochdeutsch abgefaßt, während die Hausverträge vor Grunwalds Zeiten niederdeutsch sind. Es ist somit sicher, daß in dieser Urkunden-Abteilung seit Grunwalds Zeit die Entwicklung zur hochdeutschen Schriftsprache erfolgt ist.
Einen weit besseren Einblick in die Art und Weise der Aufnahme der hochdeutschen Schriftsprache durch die herzogliche Kanzlei und durch die mecklenburgischen Herzöge erhalten wir, wenn wir unsere Untersuchung auf die Akten 68 ) ausdehnen. Da stoßen wir auf eine ganze Reihe mehr oder minder hochdeutscher Stücke aus Grunwalds Zeit.
Betrachten wir zunächst die Originalschreiben.
Der Kanzler Dr. Grunwald schrieb in drei eigenhändigen, aus dem Jahre 1498 stammenden, an Herzog Magnus bzw. an beide Herzöge, von Frankfurt (6. 1.) bzw. Worms (22. 3., 21. 6.) aus gerichteten Briefen bzw. langen Berichten rein hochdeutsch (das Schreiben vom 6. 1. hat nur: unterdenigkeit). Diese Schreiben betreffen die beim Reichskammergericht hängenden Prozesse gegen die Flotows und gegen Rostock, persönliche Angelegenheiten des Kanzlers sowie Zeitereignisse. - Am 27. 11. 1498 ließ Grunwald von Wismar aus an beide Herzöge über die Ergebnisse seiner Verhandlungen mit Wismar und Rostock hochdeutsch schreiben, anzumerken sind nur zyt, by, darby, doch sind diese Formen zweifelsohne auf die Konten des Kopisten zu setzen. - Hingegen schrieb Grunwald am 28. August 1500 von Wismar aus an Herzog Magnus eigenhändig messingsch. Er beginnt: "Irleuchter, hochgeborner furst, mein willige vorpflichte dinste sind iwen forstliken [gnaden] alle tyt mede willen tovorn beraydt. Genediger her,
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wi woll ich my in aigener persone langste to I. f. g. gefoget solt hebben . . ." Im folgenden sind einige Sätze so gemischt wie diese Textprobe, einige sind fast rein niederdeutsch, andere fast rein hochdeutsch. Es finden sich to (9mal) neben zu (1mal), upp neben auff, myn neben mein, mir neben my, uth neben auß usw.
Ein eigenhändiger Brief des Rentmeisters Claus Trutmann vom 28. 1. 1498 an den Kanzler Grunwald ist in der Hauptsache hochdeutsch abgefaßt. Es finden sich nur vereinzelte, wie es zunächst scheint, niederdeutsche Wörter darin: myne, myn, minen, schribet, ungezcwivelt, bliebet, vlis, bybriefe. Der Brief beginnt: "Minen willigen dinst mit allem vermogen zcuvor, hochgelerter, gunstiger herre und frunt, uwern schriftlich begere an mich habe ich allen vlis verkert." Die Form "uwern", ferner der Umstand, daß Trutmann in diesem Briefe für euch stets uch schreibt, machen es aber wahrscheinlich, daß neben frunt auch die Formen mit i (y) statt ei keine niederdeutsche, sondern Thüringer Dialektformen sind, denn Trutmann stammt aus Thüringen, daß zu seiner Zeit noch nicht von der österreichisch-bayrischen Diphthongierung ergriffen war 69 ). Derselbe Trutmann schreibt an Herzog Magnus am 20. 12. 1498 typisch messingsch. Der Brief beginnt: "Durchleuchtiger, hochgeborner furst, meine underdenige dienste syn I. f. g. bereide. Gnedige herre, Hanns Trutmann, myn sön, hat mich bericht . . ." Dagegen schrieb er am 28. 3. 1498 eigenhändig an denselben Herzog in der Hauptsache niederdeutsch, mit vereinzelten hochdeutschen Wörtern: "Irleuchte, gerne"; messingsch bzw. thüringisch: twey, drie, weigen, gein (wegen, gen).
Herzog Magnus ließ am 24. März 1498 von Güstrow aus an seinen Kanzler Dr. Anthonius Grunwald rein hochdeutsch schreiben 70 ).
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Magnus' Sohn Heinrich (V.), der von 1494 (oder 1492?) ab längere Zeit am Hofe des Markgrafen von Ansbach-Bayreyth und an dem des Kaisers Maximilian weilte, schrieb 1494, 1494 und 1497 von der Plassenburg (bei Kulmbach) bzw. von Ansbach aus an seinen Vater hochdeutsch. Es sind das die ersten eigenhändigen Schreiben eines Angehörigen des mecklenburgischen Fürstenhauses, die vorhanden sind.
Als niederdeutsche Reminiszenzen sind wohl anzusehen: Vatter, fatter, watter (= Vater) und: dack (= Tag). 1497 ließ Heinrich von Nördlingen bzw. Ansbach (2mal) und von Zirzow in Mecklenburg sowie 1498 von Eßlingen und Innsbruck aus an seinen Vater hochdeutsch schreiben. In allen sechs Schreiben findet sich: vatter, in je einem von 1497 und 1498 daneben: vater 71 ). - Überwiegend hochdeutsch ist ein Brief, den Heinrich am 17. 11. 1499 an den Kanzler Grunwald von Mecklenburg aus schreiben ließ. An niederdeutschen Wörtern finden sich: tovore (zuvor), soß (6), syn, frunden, geschreben, bybrieffen, na; messingsch sind gruds (Gruß), vlis (Fleiß). Der Anfang ist fast ganz niederdeutsch: "Henrich, von gots gnaden, hertog to Meckelnborch, furst to Wenden, grave to Swerin . . ."
Außer diesen Originalschreiben finden sich noch einige ganz oder überwiegend hochdeutsch verfaßte Abschriften vor.
Aus dem Jahre 1499 stammen die Abschriften eines Schreibens der Herzöge vom 10. 8. 1494, gerichtet an den Vogt zu Plau, Engelke Frisicke, in der Flotowschen Streitsache, sowie eines Schreibens des Vogtes an die Herzöge vom 15. 8. 1494. Beide Schriftstücke sind hochdeutsch, abgesehen von: nenerly, wyse, gewyset, schryben, de lut (Leute), donde, mynung (neben meynung), myne, myn (neben meyn), wy (neben wir), tho (1mal, neben 10mal zu), sind beide Schriftstücke hochdeutsch. Da beide Abschriften sich auf demselben Blatt befinden und es nicht denkbar ist, daß ein mecklenburgischer Vogt um diese Zeit schon hochdeutsch schreibt bzw. schreiben läßt (Cyriacus von Biswang ausgenommen, aber der stammte aus hochdeutschem
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Sprachgebiet), so ist anzunehmen, daß beide Schriftstücke hochdeutsche Übersetzungen von ursprünglich niederdeutschen Schreiben darstellen, die für die Akten des beim Reichskammergericht hängenden Prozesses der Herzöge gegen die Flotows gebraucht wurden. Bei dem niederdeutschen Konzept eines Schreibens Herzog Magnus' an Otto Maltzan vom 14. 11. 1497 befinden sich zwei gleichzeitige hochdeutsche Abschriften. Von einem einzigen Wort: bi abgesehen, ist hochdeutsch die etwa gleichzeitige Abschrift eines Schreibens der Herzöge an den königlichen Kammerrichter, Markgrafen Jacob von Baden, und an die Beisitzer des Reichskammergerichts wegen des Prozesses mit den Flotows. Die Abschrift eines Schreibens der Herzöge an ihren Prokurator beim Reichskammergericht, Dr. Rechlinger, vom 28. 5. 1499 ist, abgesehen von: schrieben, velen (vielen), hochdeutsch.
Schließlich sind mir noch in größerer Zahl ganz, bzw. mehr oder minder, hd. verfaßte Konzepte begegnet, die von dem Kanzler Dr. Grunwald eigenhändig geschrieben sind. Von diesen Konzepten sollen einige besonders wichtige und aufschlußreiche Reihen und Stücke behandelt werden.
Diese Konzepte geben nämlich ein besseres Bild von der Art und Weise der Aufnahme der hochdeutschen Schriftsprache, als es z. T. die Originale vermögen. Bei den Reinschriften ist, wie die Erfahrung zeigt, mehr oder minder mit der Willkür der Kopisten zu rechnen. Auch geben die Konzepte gelegentlich die Möglichkeit, interessante Einblicke psychologischer Natur in die Gründe für das eigenartige Schwanken in der Verwendung der hochdeutschen, messingschen und niederdeutschen Schriftsprache zu tun, das uns in den Originalen und Abschriften begegnet ist. Ferner erfahren wir durch sie näheres über den Widerstand, der sich gegen die Aufnahme des Hochdeutschen als Schrift- und Verhandlungssprache geltend machte.
Wohl bald nach seinem Übertritt aus dem Dienst am brandenburgischen Hofe in den Dienst der mecklenburgischen Herzöge - etwa Oktober/November 1493 - wird Grunwald das undatierte Memorial zu einer Kanzlei-Ordnung verfaßt haben. Von einem einzigen, später von Grunwald übergeschriebenen Wort: hebben (gegenüber sonstigen: haben) abgesehen, ist das
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Memorial hochdeutsch 72 ). Der Entwurf zu einem Schreiben der Herzöge vom 11. November 1493 an den Meister des Johanniter-Ordens in der Mark Brandenburg ist bis auf: ingedenck, verlatt, hochdeutsch.
Rein hochdeutsch sind drei undatierte Konzepte, die um den 1. Dezember 1493 herum entworfen sind. Zwei sind an den Kurfürsten von Brandenburg gerichtet und betreffen die Biswangschen Händel 73 ) und sonstige Räubereien und Übergriffe. Das dritte ist an den mecklenburg-pommerschen Lehnsmann Bernd Maltzan gerichtet und behandelt Streitigkeiten der Herzöge mit ihm über verschiedene Gerechtsame.
Zwei für den Herzog zu Braunschweig-Lüneburg bestimmte Entwürfe vom 9. Dezember, die Biswangschen Händel betreffend, sind hochdeutsch bis auf: undersaten, sacken (neben sachen), halden, gehalden. Ein Konzept zu einem längeren Schreiben der Herzöge, an den Herzog von Sachsen-Lauenburg in derselben Angelegenheit am 10. 12. gerichtet, ist, abgesehen von gehalden, hochdeutsch. Ein Entwurf aus der Zeit: 10. 12. 1493/20. 1. 1494, bestimmt für den Herzog zu Braunschweig-Lüneburg, ist bis auf holden hochdeutsch. Ein Konzept für ein Schreiben der Herzöge an den Herzog von Sachsen-Lauenburg vom 2. Februar 1494 ist, abgesehen von: undersaten, gleichfalls hochdeutsch.
Ein zu Cöln a. d. Spree am 10. Februar 1494 entworfenes Konzept für ein Schreiben der Herzöge Magnus und Balthasar an den Meister des Johanniter-Ordens in der Mark Brandenburg ist hochdeutsch bis auf: gehalden (neben: vorbehalten).
Vermutlich vom 24. August 1494 ist ein für den Herzog zu Braunschweig-Lüneburg bestimmter Entwurf wegen Räubereien in der Mark. Bis auf: ingedenck ist das Stück hochdeutsch.
Ans der Wende des Jahres 1494/95 stammen zwei undatierte Konzepte: Ein herzoglicher Urteilsspruch in Sachen des Rostocker Bürgers Eler Lange gegen die Stadt Rostock und ein Schreiben der Herzöge an ihre Räte in derselben Angelegenheit; abgesehen von
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1495 ist zwar noch im Prinzip hochdeutsch, enthält aber doch schon eine größere Anzahl von niederdeutschen Wörtern 74 ). Auch das Konzept eines Schreibens der Herzöge an Rostock vom 27. Januar 1495 über eine Geleitserteilung ist in der Hauptsache hochdeutsch, weist aber gleichfalls schon verschiedene niederdeutsche Wörter auf 75 ). In dem Konzept zu dem Rezeß eines Tages zwischen den Herzögen, Mitgliedern der mecklenburgischen Landstände und Städten der wendischen Hanse in Sachen Herzöge von Mecklenburg gegen den Rostocker Ratsherrn Bertold Kerkhoff sind glicker, lut, to (einmal neben verschiedenen zu) die einzigen niederdeutschen Wörter; uß, wue (= wie) haben wir wohl als hochdeutsche Dialektformen anzusehen. Eine wahrscheinlich dazugehörige Anlage ist, abgesehen von: lathen, hochdeutsch. Das Konzept eines Schreibens der Herzöge an Rostock vom 30. Januar 1495, Beschluß des Güstrower Landtags, ist überwiegend hochdeutsch 76 ). Ein gleichfalls für Rostock bestimmtes Konzept vom 5. Februar 1495 ist, abgesehen von ock und aff, hochdeutsch. Ein undatiertes Konzept eines Schreibens der Herzöge an Rostock, das gleich nach dem 4. Februar verfaßt wurde, ist rein hochdeutsch. Dasselbe gilt von einem andern undatierten Konzept, das in dieselbe Zeit fällt. Ein drittes vom 26. Februar hat an niederdeutschen Wörtern: getruen, nha. Ein viertes Konzept, das ungefähr aus derselben Zeit stammt, ist hochdeutsch, abgesehen von geholden und do.
Verschiedenartig sind die sprachlichen Verhältnisse in Konzepten aus der zweiten Hälfte des Monats März 1485 für Schreiben der Herzöge an Rostock: Ein Absagebrief vom 17. März ist in der Hauptsache hochdeutsch mit vereinzelten niederdeutschen Wörtern (guden, upp, na, toven laten). Verhältnismäßig mehr niederdeutsche Wörter hat ein Schreiben wegen Versperrung der Rostocker Tore vor den Herzogen (kurz nach 20. März). Es ist aber noch nicht als messingsch anzusprechen. Hingegen hat ein Schreiben vom 26. März wieder
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nur vereinzelte niederdeutsche Wörter 77 ). Ähnlich sind die Verhältnisse bei einem andern Schreiben vom selben Tage: Auf der ganzen voll beschriebenen Seite finden sich nur zwei niederdeutsche Wörter (beslaten, boven), sonst ist alles hochdeutsch (9mal zu!). Auch in einem Schreiben vom 30. März stoßen wir nur auf vereinzelte niederdeutsche Wörter 78 ). Bemerkenswert ist, daß das Konzept mit niederdeutschen Ergänzungen, besonders in der Anrede, von der Hand von Grunwalds Vorganger Tigeler versehen ist, der um diese Zeit verschiedentlich niederdeutsche Konzepte für Schreiben der Herzöge an Rostock verfaßte.
Zwei Konzepte zu Schreiben der Herzöge an Lübeck in der Rostocker Angelegenheit vom 5. Oktober 1495 sind gleichfalls hochdeutsch mit nur vereinzelten niederdeutschen bzw. messingschen Wörtern 79 ). Rein hochdeutsch sind sechs Konzepte zu Instruktionen von herzoglichen Gesandten bzw. Bevollmächtigten vom 29. Oktober 1495 für Verhandlungen mit dem Kaiser, dem Bischof von Mainz und dem kaiserlichen Kammerrichter. Nur 2mal schleicht sich ein nha in das Datum ein! - Ein für den Meister des Johanniter-Ordens der Mark Brandenburg bestimmter Briefentwurf vom 26. November 1495 ist fast ganz hochdeutsch 80 ).
Allen diesen Konzepten Grunwalds ist bis gegenEndeNovember 1495 das gemeinsam, daß sie entweder rein hochdeutsch sind, oder aber, daß zwar einige oder mehrere niederdeutsche Wörter in ihnen begegnen, daß sie aber in der Hauptsache hochdeutsch sind. Dagegen hat das Konzept zu einem Rezeß zwischen den Herzögen und der Stadt Rostock vom 8. Dezember 1495 bereits von Anfang an sehr viele niederdeutsche Wörter und Wendungen. Sie häufen sich im weiteren Verlauf des Schrift-
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stückes so, daß es schließlich mehr niederdeutsch als hochdeutsch ist! Es finden sich da z. B. uprur, twischen, dat, nha, ansprack, lathen, edder, schelung und twist, in mathen wie hier nha volget, wo boven berurt; verbrochen neben vorbraken, zu neben to, uff neben upp, sollen neben schollen, außtrag neben uthdrages; untherdhan, freuntlick, zu de Wismar, uff disen dag, von beyden telen. - Die Erklärung für diese sehr auffallende Erscheinung wird sich am Schlusse dieses Kapitels ergeben, wenn wir uns mit Grunwalds Persönlichkeit näher zu beschäftigen haben.
Betrachten wir zunachst noch weitere, für Rostock bestimmte Konzepte.
So gut wie ganz hochdeutsch ist aber wieder ein Entwurf für Akzise-Privileg und Revers der Stadt Rostock vom Jahre 1496! 81 ). Hingegen sind vier Entwürf e Grunwalds für Schreiben der Herzöge an Rostock sowie ein Vertragsentwurf aus demselben Jahre 1496 mehr niederdeutsch als hochdeutsch, ja zum größten Teil nahezu ganz niederdeutsch. So findet sich in einem dieser Schreiben 14mal to und nur 1mal zu.
Sehr interessant sind zwei Entwürfe Grunwalds für Schreiben an Rostock wegen der Akzise aus dem Jahre 1497. Das eine (7. September) ist in seinem ersten Drittel rein hochdeutsch, hernach rein niederdeutsch! Bei dem andern (kurz nach 9. September) ist der Eingang rein hochdeutsch, alles übrige rein niederdeutsch, wobei bemerkenswert ist, daß 2mal ursprüngliches zu von Grunwald in: to verbessert wurde! Andererseits ist ein Konzept für ein Schreiben an Rostock vom Ende des Jahres 1498 mehr hochdeutsch als niederdeutsch!
Es sollen nun noch einige Konzepte Grunwalds für Schreiben der Herzöge an fremde Fürstlichkeiten und Personen aus den Jahren 1496 bis 1500 untersucht werden.
Ein für den Kaiser bestimmtes Schreiben aus dem Jahre 1496, den Streit der Herzöge mit den Johannitern betreffend, ist hochdeutsch, bis auf: unterdenig, eldern 82 ). Dasselbe ist
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auch der Fall bei dem Entwurf eines Beglaubigungsschreibens für den herzoglichen Marschall Jörg von Biswang aus dem Jahre 1497, der mit dem Kaiser mündlich verhandeln sollte. (Es begegnet darin nur: unterdeniglich.) Abgesehen von: fridages und nha ist eine Credenz für Magister Reyner Holloger, der 1496 als Gesandter nach Rom in der Johanniter-Angelegenheit reien sollte, hochdeutsch entworfen. Eine etwa aus derselben Zeit stammende Aufzeichnung oder Instruktion über den Stand dieses Streitfalles ist aber überwiegend niederdeutsch verfaßt 83 ).
Elf, zum Teil recht umfangreiche Konzepte aus den Jahren 1496/1500, für Schreiben an die Kurfürsten bzw. Markgrafen von Brandenburg bestimmt - zumeist Straßenraub betreffend -, sind teils so gut wie ganz hochdeutsch, teils hochdeutsch mit wenigen niederdeutschen Wörtern. Ein für den Bischof von Hildesheim bestimmter Briefentwurf aus dem Jahre 1497 (Otto Maltzan betreffend) ist in der Hauptsache hochdeutsch mit einigen niederdeutschen bzw. messingschen Wörtern 84 ). Zwei an den Landgrafen von Hessen gerichtete Briefentwürfe aus den Jahren 1499 und 1500 sind hochdeutsch. Das erste hat nur Brunswigk. Die Konzepte zu drei an den Propst zu Komburg (bei Schwäbisch Hall) in den Jahren 1497 und 1499 gerichteten Briefen sind rein hochdeutsch.
Eine stärkere Beimengung niederdeutscher Wörter hat der Entwurf zu einem Rundschreiben an norddeutsche Fürsten aus dem Jahre 1498. Das Konzept zu einem von Herzog Magnus zwischen Bernd Maltzan und dem Herzog Bogislav von Pommern aufgerichteten Vergleich vom 24. Oktober 1498 ist in der Hauptsache rein niederdeutsch, doch finden sich verschiedentlich rein hochdeutsche Sätze, Wendungen und Wörter. Ein Schreiben an den Pommerschen Marschall Degener Buggenhagen aus dem Jahre 1498 ist, abgesehen von einigen wenigen niederdeutschen Wörtern: dir (neben dy), to (2mal neben 3mal zu), in niederdeutscher Sprache entworfen. Fast mehr niederdeutsch als hoch-
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deutsch, mit gelegentlichen kurzen niederdeutschen Sätzen, ist ein für den Bischof von Havelberg bestimmtes Schreiben wegen allerhand Räubereien und Übergriffen aus dem Jahre 1497. Es begegnen darin u. a.: 9mal to neben 1mal zu, vader, lathen, sick, affrede, dage, ock, rede (Räte), toseggen. Ein im selben Jahr verfaßter Entwurf zu einem Schreiben an den Herzog zu Braunschweig-Lüneburg (wegen einer Reise zu diesem) ist fast ganz niederdeutsch. Hochdeutsch ist im Text nur: weiß und in der Schlußformel ein kurzer Satz: ". . . der wir zu willen und wolgevallen allezeit geneigt." Niederdeutsch ist das Konzept für einen Brief an den Lübecker Kaufmann Bilringk aus dem Jahre 1497, der von den Herzögen beauftragt wird, etliche Briefe nach Rom zu besorgen 85 ).
Wenn es auch bei der Buntheit und Unvollständigkeit des Aktenmaterials schwer hält, zu allgemein gültigen Schlüssen zu gelangen, so läßt sich zusammenfassend etwa folgendes sagen:
Unbeeinflußt von Grunwald bzw. von der mecklenburgischen Kanzlei hat von den mecklenburgischen Fürsten zuerst der junge Herzog Heinrich V., Herzog Magnus II. ältester Sohn (geb. 1477), die hochdeutsche Schriftsprache angenommen. Von 1494 bis 1499 sandte er an seinen Vater bzw. an den Kanzler Grunwald teils eigenhändige, teils durch seinen Privatschreiber geschriebene Briefe, die teils so gut wie ganz oder überwiegend hochdeutsch verfaßt waren. - Der Grund hierfür ist in der Tatsache zu suchen, daß Heinrich jahrelang an hochdeutschen Fürstenhöfen weilte und daher stark von seiner hochdeutschen Umgebung beeinflußt wurde. Bemerkt sei, daß Heinrich, als er nach seines Vaters Tod (1503) zunächst zusammen mit seinem Oheim Balthasar († 1507), sodann allein die Regierung des Landes innehatte, persönlich die hochdeutsche Schriftsprache beibehielt, wenn auch in seinen eigenhändigen Schreiben und Aufzeichnungen gelegentlich einige niederdeutsche Wörter (de, na, breff, egentlich, dochter, bede, naher, gedan usw.) bis in sein Alter (1545) begegnen.
Von Magnus' dritten Sohn Albrecht VII. (geb. 1488) liegen erst aus dem zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts eigenhändige Schreiben vor. Sie sind hochdeutsch. - Auch Albrecht weilte in seinen jungen Jahren lange in Oberdeutsch-
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land. - Hingegen ließ Magnus' zweiter Sohn Erich (geb. 1483, gest. 1508), der die Universität zu Rostock besuchte, 1501 an seinen Vater rein niederdeutsch schreiben.
Eigenhändige Schreiben der Herzöge Magnus II. und Balthasar sind mir nicht begegnet. Doch steht fest, daß sie die hochdeutsche Sprache voll beherrschten 86 ). - Beim Schriftwechsel mit seinem Kanzler Grunwald bediente sich Magnus, wie wir sahen, teils der niederdeutschen, teils der hochdeutschen Schriftsprache.
Die beiden gemeinschaftlich regierenden Herzöge Magnus und Balthafar lassen ihre offiziellen, in ihrer Kanzlei verfaßten, an den Kaiser und an hochdeutsche Fürsten und Personen sowie an das Reichskammergericht gerichteten Schreiben durch ihren Kanzler - ganz oder überwiegend - in hochdeutscher Sprache konzipieren und wohl auch so im Original ergehen 87 ).
Wenn auch die Konzepte für Schreiben an benachbarte niederdeutsche Fürsten und derenUntertanen von Grunwald zunächst (1493/94) ganz oder überwiegend hochdeutsch entworfen wurden, so wandte er doch hernach (1497/99) hierfür fast ganz die niederdeutsche Sprache an! Was aber die betr. Original-Schreiben anbetrifft, so müssen wir annehmen, daß sie ebenso an die Herzöge zu Sachsen-Lauenburg und Pommern, sowie an den Bischof von Havelberg in Grunwalds Amtszeit in niederdeutscher Sprache ergingen, wie das bei den Schreiben an die Herzoginnen Margarethe und Anna von Braunschweig-Lüneburg der Fall war 88 ).
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Niederdeutsch sind in diesem Zeitabschnitt die Originalschreiben der Herzöge an ihre Gesamt-Landstände, an einzelne Mitglieder der Geistlichkeit, der Ritterschaft und Städte, an ihre Vögte und Untertanen. Daß hier ein bestimmtes Prinzip obwaltet, erkennt man am besten aus dem Schriftwechsel der Herzöge mit Rostock. Obwohl eine ganze Anzahl von mehr oder minder hochdeutschen Konzepten Grunwalds vorhanden ist, fand sich unter den umfangreichen, im Rostocker Ratsarchiv vorhandenen Originalschreiben der Herzöge bis zum Jahre 1501 einschließlich kein hochdeutsches vor.
Im eigentlichen Kanzleibetrieb nimmt aber das Hochdeutsche neben dem Niederdeutschen wenigstens zunächst einen breiten Raum ein: Das Memorial zur Kanzleiordnung von 1493 ist ebenso wie die Kanzleiordnung von 1494 - von einigen wenigen niederdeutschen Wörtern abgesehen - hochdeutsch. Der Kanzler Grunwald fertigte seine Konzepte hochdeutsch, messingsch, späterhin aber z. T. mit starkem niederdeutschen Einschlag aus.
Betrachten wir noch kurz die Organisation der mecklenburgischen Kanzlei im allgemeinen, ferner die einzelnen Kanzleibeamten, die unter Grunwald in der Kanzlei tätig waren, sowie ihren Anteil an der Aufnahme der hochdeutschen Schriftsprache.
Kanzleiordnung und Memorial von 1493 unterscheiden als Rangstufen: Kanzler, Sekretäre, Substitute; die Hofordnung von 1504 und der Neubrandenburger Hausvertrag von 1520: Kanzler, Sekretäre, Schreiber (bzw. Kanzleischreiber). -Hinzu kommt noch der Rentmeister. - Substitute bzw. Kanzleischreiber sind die subalternen Schreiber (Unterschreiber, Kopisten.) - Die Sekretäre nehmen eine höhere Stellung ein. Nach Art der späteren Geheimen Kanzleiräte. Sie sind die
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Gehilfen des Vorstandes der herzoglichen Kanzlei. - Diese klare Scheidung von Sekretären und Schreiber vermißt man aber teilweise in den Urkunden, Akten und Registern. Es gehen dort die Bezeichnungen bisweilen etwas durcheinander. Doch sei bemerkt, daß vielfach Schreiber zu Sekretären aufrückten.
Kanzleiordnung und Memorial von 1493 geben Namen und Zahl der Kanzleisekretäre und Schreiber nicht an. Die Hofordnung von 1504 spricht von zwei Sekretären, die Zahl der Schreiber wird dagegen nicht angegeben. 1518 waren in der Kanzlei, vom Kanzler und Rentmeister abgesehen, im ganzen sechs Personen tatig. Wir können daher annehmen, daß in der Kanzlei in der Regel zwei Sekretäre und vier Schreiber beschäftigt waren.
Nächst dem Kanzler Dr. Grunwald war die wichtigste Persönlichkeit in der herzoglichen Kanzlei der Rentmeister und Rat Claus Trutmann. Er stammte aus Waltershausen bei Gotha und wurde 1468 zu Erfurt immatrikuliert 89 ). Trutmann war der erste mecklenburgische Rentmeister - wir würden heute sagen Finanzminister - im modernen Sinne und der Exponent der durch Herzog Magnus 1478 ff. geschaffenen Zentralverwaltung, welche die Grundlage für die Verwaltung des modernen Mecklenburgs bildet. Trutmann ist eine sehr interessante Persönlichkeit: das Mittelalter mit seinem Faustrecht und Fehdewesen und die Neuzeit mit ihrem Sinn für friedliche Wirtschaftspolitik und gute Verwaltung waren in seiner Person noch unausgeglichen verkörpert 90 ). - Wenn er auch in der Kanzleiordnung und in dem Memorial von 1493 nicht genannt wird, so ist doch bereits seit Ende 1492 in den Akten und seit Ende 1493 in den nur fragmentarisch erhaltenen Rentereiregistern seine Tätigkeit festzustellen, zum mindesten als Kanzleisekretär. Mit dem offiziellen Titel Rentmeister ist er mir bislang zuerst am 10. November 1495 begegnet. Nach Grunwalds Tod verwaltete er wahrscheinlich 1501/02 das Kanzleramt mit als Vizekanzler. Als Rentmeister zog er sich anscheinend Ende 1508 von dem aktiven Dienst zurück, doch war er noch bis 1515 nachweisbar gelegentlich im Rentereibetriebe tätig. 1521 vertrat er als Statthalter Herzog
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Heinrich V. in dessen Abwesenheit. Bald nach dem 1. Juli 1522 starb er als Bürgermeister von Schwerin und Besitzer der Lehngüter Gr. Schönfeld und Carpin (Land Stargard).
Claus Trutmann wird, soweit bislang zu ersehen, in den Akten des Archivs zuerst erwähnt in einem undatierten, nach dem 7. Oktober und vor dem 11. November 1492 wahrscheinlich von dem Kanzler Tigeler (rein niederdeutsch) entworfenen Konzept zu einem Schreiben der Herzöge Magnus und Balthasar an den Herzog von Sachsen-Lauenburg. Das erste, von Trutmann ("Trudtman") selbst entworfene Konzept ist vom 12. Dezember 1492. Das Schriftstück ist niederdeutsch bis auf gelimpf, irschinen, latzten; diese beiden Wörter sind wohl Thüringer Dialektformen. Zwei von ihm entworfene Konzepte zu Schreiben des Herzogs Magnus an den Herzog von Sachsen-Lauenburg in der Biswangschen Angelegenheit vom 21. Juli bzw. 1. August 1493 sind niederdeutsch; hochdeutsch ist im zweiten Schreiben: gesetzt; latzten, weigen (wegen), irkennen, irfchienen - entpoden, willin, weighe (Wege) sind wiederum wohl als Thüringer Dialektformen anzusehen. Niederdeutsch ist auch der Entwurf Trutmanns für ein Schreiben Herzog Magnus an den Kurfürsten von Brandenburg in derselben Angelegenheit, datiert: Hagenow, d. 6. 8. 1493; an Thüringer Dialektformen begegnen wieder: weigen, willin. Auf demselben Blatt befindet sich, gleichfalls von Trutmann entworfen, ein an Herzog Magnus gerichtetes Schreiben des Cyriakus von Biswang, in dem er zu einem Schreiben des Kurfürsten Stellung nimmt. Das Schreiben ist datiert: Körchow, 5. August (ursprünglich stand dort der 6. Angust!) und als Anlage zum Schreiben vom 6. August bestimmt. Das Konzept ist aber von Trutmann "messingsch" entworfen. So begegnen z. B.: habe neben hebbe, uf neben up, zu (12mal) neben to (15mal). Man könnte zunächst annehmen, daß das der Einfluß des vorangehenden hochdeutschen Schreibens des Kurfürsten von Brandenburg wäre, zu dem eingehend Stellung genommen wird. Doch kann man sich dem Eindruck nicht entziehen, daß Trutmann absichtlich seine Sprache so stark modifizierte, damit man am brandenburgischen Hofe nicht merken sollte, daß Biswangs Schreiben in der herzoglichen Kanzlei entworfen wurde. So hat Trutmann seinen sonst üblichen Eingang: Unse fruntlik die[nste] durchgestrichen und erneut angefangen: Irleucht hochgeborner furst... Auch treten die Thüringer Dialektformen zurück. Als Folge von
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einigen Verbesserungen an den von den zwei Konzepten angefertigten Reinschriften sind diese zurückgehalten worden. Bemerkenswert ist, daß der Kopist die hochdeutschen Extraturen seines Vorgesetzten nicht mitmachte, und daß Trutmann selbst eine längere Verbesserung rein niederdeutsch vornahm. Man mochte wohl gemerkt haben, daß ein "messingsches" Schreiben den Brandenburgern erst recht verdächtig sein mußte!
Zwei Konzepte für Schreiben des Herzogs Magnus an den Herzog zu Sachsen-Lauenburg vom 6. August und 21. Dezember 1493, die Biswangschen und Trutmannschen Händel 91 ) betreffend, sind niederdeutsch bis auf: todt, montach, vormittage; thüringisch ist: irmergken, irschynen, weigen, winin. Ganz überwiegend niederdeutsch ist auch das von Trutmann in den Jahren 1493/97 geführte "Schulth Register" (Rentereiregister) und eine Abrechnung aus dem Jahre 1494. An hochdeutschen bzw. messingschen Formen begegnen einige Male nur: bezcalt, bezcalen, tusent neben dusent, Heinrick. Als Dialektformen sind anzumerken: toich, vorkoiste, koipen, weige, reidt, leigen.
Aus den Jahren 1495 bis 1500 ist noch eine Anzahl von Konzepten Trutmanns erhalten. Sie sind bestimmt für Schreiben der Herzöge an die Herzöge zu Braunschweig-Lüneburg, Pommern und Sachsen-Lauenburg, an den Kurfürsten von Brandenburg, an den Grafen von Barby, an den Bischof von Havelberg, an den Johanniter-Orden, an den branden-
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burgischen Lehnsmann Kurt Rohr, an herzogliche Räte und an die Stadt Rostock. Die meisten sind rein niederdeutsch bzw. niederdeutsch mit einigen hochdeutschen oder messingschen Wörtern (guts, buchsen, heiligen, bezcalt, beschatzt, todtslags, teder = Täter, anzehen, gethanen, zu). Daneben begegnen an Thüringer Dialektformen: gein, willin, irschynen, irkennen, irlangen, irmordt, irslagen, irteigen, entporen, latzten, koipen, koipman, getoiget, roives = Raubes, geheiget.
Eine etwas größere Anzahl von hochdeutschen Wörtern begegnet in einem Schreiben Herzog Heinrichs (V.) an den Herzog von Pommern vom 11. März 1499 (Reinschrift von Trutmanns Hand, die aus irgendeinem Grunde nicht abgesandt wurde). - Es finden sich darin: uff neben up, herzcog neben hertoge, guts, zcu (5mal) neben to (7mal). Dasselbe ist der Fall in dem Entwurf zu einem Schreiben der Herzöge an einen mecklenburgischen Beauftragten beim Reichskammergericht (wahrscheinlich Hofmarschall Jörg von Biswang), das nach dem 14. Oktober 1499 geschrieben ist. - Darin finden sich: ungezwivel, zcuvorhorige, sachen, wir, uffs nuwe, vertragen, machen, selbstigen, rat.
Sechs Konzepte Trutmanns aus dem Jahre 1501 (Zeit seiner mutmaßlichen Vizekanzlerschaft), bestimmt für Schreiben der Herzöge an den Herzog von Pommern, an den Johanniter-Orden, an die Städte Rostock und Lübeck, sind niederdeutsch mit ganz vereinzelten hochdeutschen Wörtern (gesetzt, sontach) und einigen Thüringer Dialektformen (willin, gein, weigen, leigen = legen; doch schreibt er jetzt: erschenen, erschynen, erteigen). Ein Konzept für eine Urkunde der Herzöge für die Boizenburger Kirche ist niederdeutsch mit zwei hochdeutschen bzw. messingschen Wörtern (tode, nateyl), Thüringer Dialektform ist wohl gloicken = Glocken.
Trutmann ist meines Wissens der einzige Kanzleibeamte, der aus den Zeiten Tigelers und Grunwalds noch in die Zeit der beiden Kanzler von Schöneich hineinragt. Daher soll hier kurz auf den sprachlichen Charakter seiner Schriftstücke nach 1501 eingegangen werden.
Auch in dieser neuen Epoche hielt Trutmann noch längere Zeit an der niederdeutschen Sprache fest. - Die ganz von ihm selbst verfaßte Amtsbeschreibung der Vogtei Strelitz von 1505 ist niederdeutsch mit einigen wenigen hochdeutschen Wörtern (macken neben machet, gerechent, Breytenfelde neben Breydenfelde). Selten stößt man auf kurze hochdeutsche bzw. messing-
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sche Sätze (... dann es trecht des eynes jars mehr als des anders ungeverlik ... , ... wan die jeger des jars eyn mal da hyn kamen, so mussen sehe yn udtrichtigen don). 1510 schrieb er an den Küchenmeister zu Strelitz, von einigen wenigen hochdeutschen Wörtern abgesehen, niederdeutsch. - Auch seine Rentereiregister, die wieder vom Ende des Jahres 1504 ab erhalten sind, führte er bis gegen Ende des Jahres 1507 (1508?) ganz überwiegend niederdeutsch mit einigen wenigen messingschen bzw. hochdeutschen Wörtern 92 ). - Hernach führt Trutmanns Neffe Balthasar Rotermund als Rentschreiber (bzw. Rentmeister) die Hauptregister, und zwar in der Hauptsache hochdeutsch mit einigen wenigen niederdeutschen Wörtern. - Bemerkt sei aber, daß Trutmann in den Überschriften für das Rentereiregister seines Neffen für 1508/09 bereits: rechenschafft, herschafft, zcollen schrieb, und daß zwei Nebenregister von 1509, die Trutmanns Schlußabrechnung mit den Herzögen enthalten, von ihm überwiegend hochdeutsch geschrieben sind.
Hingegen ließ Trutmann sein Testament aus den Jahren 1517/22, das er von 1517 bis 1522 durch eigenhändige Zusätze erweiterte, ganz überwiegend niederdeutsch abfassen. Es finden sich in Urschrift und Zusätzen nur vereinzelte hochdeutsche Wörter.
Man kann also sagen, daß Trutmann, obwohl er auf hochdeutschem Sprachgebiet geboren war, das Niederdeutsche entschieden bevorzugte, und daß in der Hauptsache nur einige hochdeutsche bzw. thüringische Reminiszenzen in den von ihm verfaßten Schriftstücken begegnen. Das Hochdeutsche beherrschte er natürlich völlig, doch wandte er es nur selten an. Insbesondere - aber keineswegs konsequent -, wenn er an hochdeutsch sprechende Personen schrieb bzw. Konzepte entwarf. So ist der schon erwähnte Brief an den Kanzler Grunwald vom 28. Januar 1498 rein hochdeutsch. Von: guden und getruwer abgesehen, ist hochdeutsch ein undatiertes Konzept zu einem Schreiben des Herzogs Magnus an den Grafen von Hohnstein wegen dessen Händel mit Cyriakus von Biswang
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aus den neunziger Jahren. Ein auf demselben Blatt befindlicher Entwurf für ein Schreiben der Herzöge Magnus und Balthasar an den Rat der Stadt Lüneburg ist dagegen bis auf: gantz, gloif, erteigen, rein niederdeutsch! - An seinen Herzog Magnus schrieb er am 28. März 1498 in der Hauptsache niederdeutsch, am 20. Dezember 1498 messingsch. Im Jahre 1521 richtete er an Herzog Heinrich ein eigenhändiges Schreiben, das fast ganz hochdeutsch ist. Niederdeutsch sind: durchluchtigter, gedahn, dener, to (neben zu), Hinrich. In: beroibet, koifman, tritt auch jetzt noch sein Thüringer Dialekt zutage.
Trutmann war also an und für sich doppelsprachig. Wir dürfen wohl annehmen, daß er vor seinem Auftreten in Mecklenburg sich an dem Hofe des Herzogs von Sachsen-Lauenburg als Rat (und Sekretär ?) die völlige Beherrschung der niederdeutschen Sprache aneignete. Soviel dürfte klar sein, daß Trutmann für die Aufnahme der hochdeutschen Schriftsprache durch die mecklenburgische Kanzlei von einer ins Gewicht fallenden Bedeutung nicht gewesen sein kann.
Von dem übrigen Kanzleipersonal lassen sich mit Bestimmtheit bislang fünf Personen während Grnnwalds Amtszeit nachweisen. Sie waren alle Nichtmecklenburger, aber von Geburt aus Niederdeutsche und hatten zumeist in Rostock studiert:
Meynardus Tobingk begegnet als Schreiber (Kanzleischreiber) von 1492 bis 1495, er stammte aus Lüneburg und wurde 1493 zu Rostock immatrikuliert 93 ).
Thomas Dobertzin, als Schreiber nachweisbar von 1493 bis 1498, aus Perleberg, 1491 zu Rostock immatrikuliert 94 ).
Johann (von) Horn ("Johannes vam Horne") tritt von 1496/97 bis 1500 als Schreiber auf, stammte ans Schleswig und wurde 1484 zu Rostock immatrikuliert 95 ).
Nikolaus Pakebusch, der uns von 1495 bis mindestens 1501/02 als Schreiber begegnet, war Priester des Halberstädter Stifts, also Niederdeutscher.
Magister Johannes Rhode, der Mitte 1498 einmal als Schreiber auftritt, wird von Ende 1498 bis 1500 als Sekretär
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bezeichnet. Er stammte aus Stadthagen und wurde 1486 zu Rostock immatrikuliert 96 ).
Da in der Kanzlei durchschnittlich etwa zwei Sekretäre und vier Schreiber beschäftigt waren, so ist anzunehmen, daß die fünf genannten Personen nicht das gesamte Kanzleipersonal darstellen, das unter Grunwald arbeitete. Es ist wahrscheinlich, daß mehrere von den Sekretären bzw. Schreibern, die unter Grunwalds Vorganger Tigeler tätig waren, wenigstens eine Zeitlang unter Grunwald Dienste taten. Das möchte ich in erster Linie von zwei Persönlichkeiten annehmen:
1. Petrus Sadelkow aus Neubrandenburg. Von 1483 bis 1492 ist er mir bislang als Sekretär begegnet. 1474 wurde er zu Rostock immatrikuliert 97 ).
2. Kersten (Kerstianus) Berskamp (auch Kerstianus Knop genannt) aus Hamburg. Er wurde 1483 zu Rostock immatrikuliert 98 ) und begegnet von 1491 bis 1493 (Mai 20.) als Schreiber und Notar. Im Oktober 1494 war er allerdings schon Küchenmeister zu Schwerin.
Vielleicht kommen auch noch in Frage:
Johann Talle, Priester der Halberstädter Diözese, der bislang 1488 bis 1492 (Dez. 7.) als Sekretär begegnet, und der aus der Ratzeburger Diözese stammende Notar Hermann Tymmermann, der mir 1489 als Schreiber begegnet ist.
Auch alle diese Persönlichkeiten stammen also aus dem niederdeutschen Sprachgebiet bzw. aus Mecklenburg. - Das "Schulth Register" wurde 1497/99 von Johann von Horn und 1499 von Nicolaus Pakebusch niederdeutsch geführt. Doch findet sich hier bei Pakebufch einmal ein hochdeutsches Wort: gekofft. In dem von ihm geführten (Teil-) Pachtregister von 1494 sind 15 Eintragungen niederdeutsch, eine ist hochdeutsch bis auf: vogdien, eine messingsch. Ein von ihm geschriebener Originalbericht des Boizenburger Vogtes Ciriacus von Biswang vom 2. Dezember 1496, der an Herzog Magnus gerichtet ist , ist, abgesehen von: schepel und punt, hochdeutsch. - Niederdeutsch sind aber die umfangreichen Eintragungen ins Schweriner Stadtbuch, die Pakebusch 1521/28 als Notar tätigte.
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Sonst sind mir in den 90er Jahren des 15. Jahrhunderts noch einige ganz oder überwiegend hochdeutsche Konzepte von ein bis zwei unbekannten Händen begegnet.
Petrus Sadelkow führte 1487 das Rentereiregister niederdeutsch. Rein niederdeutsch ist auch das wahrscheinlich von ihm geschriebene Landtagsprotokoll von 1488 99 ). 1509 schrieb Sadelkow an Herzog Albrecht niederdeutsch, hochdeutsch sind nur: itzundes, entzeiygunge. Ein eigenhändiger Revers aus dem Jahre 1511 ist so gut wie ganz niederdeutsch. Hochdeutsch ist: nachdeme; messingsch: Heinrick.
Man wurde aber wohl zu weit gehen, wenn man auf Grund dieser wenigen Zeugnisse behaupten wollte, daß, abgesehen von Pakebusch und den ein bis zwei unbekannten Sekretähänden die übrigen Kanzleibeamten nur oder in der Hauptsache das Niederdeutsche beherrscht hätten. Es ist anzunehmen, daß Sie durch die hochdeutsche Sprache ihres Vorgesetzten doch stärker beeinflußt wurden. Da Grunwald sicherlich von maßgebendem Einfluß bei der Besetzung der Sekretär- und Schreiberstellen war, wird er schon in seinem eignen Interesse dafür Sorge getragen haben, daß er wenigstens einige Kanzleibeamte erhielt, die sowohl das Hochdeutsche als auch das Niederdeutsche beherrschten. Man kann wohl annehmen, daß der eine oder der andere der genannten Kanzleibeamten vorher in einer Kanzlei, in der das Hochdeutsche bereits üblich war, arbeitete. Daß unabhängig von Grunwalds Einfluß und ohne daß seine Konzepte vorlagen, hochdeutsche Schriftstücke aus der mecklenburgischen Kanzlei ergehen konnten, ersehen wir übrigens aus dem Schreiben, das Herzog Magnus am 24. März 1498 von Güstrow aus, ferner aus dem Schreiben, das Herzog Heinrich am 17. November 1499 von Mecklenburg aus an Grunwald richten ließ.
Zusammenfassend kann man wohl sagen, daß Rentmeister, Sekretäre und Kopisten für die Aufnahme der hochdeutschen Schriftsprache nur von geringer Begeutung gewesen sind, mit Ausnahme etwa von Nikolaus Pakebusch und von ein bis zwei unbekannten Sekretären.
Somit kommen wir zum Ergebnis, daß Grunwald bei
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seinen Bemühungen, die hochdeutsche Schriftsprache einzuführen, wohl bei einigen seiner Kanzleibeamten, die auch das Hochdeutsche beherrschten, eine Unterstützung fand. Letzten Endes ist aber Grunwald doch so gut wie allein die treibende Kraft dafür gewesen, daß die hochdeutsche Schriftsprache im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts in der herzoglichen Kanzlei Eingang fand.
Wir müssen uns daher zum Schluß noch eingehender mit Dr. Grunwalds Werdegang und mit seiner eigenartigen sprachlichen Entwicklung befassen, auf die wir besonders bei der Betrachtung seiner Konzepte gestoßen sind.
Der Dr. der kaiserlichen Rechte Anthonius Grunwald stammte aus Nürnberg 100 ). 1485 (26. Dezember) begegnet er als Rat des Markgrafen Albrecht Achilles zu Ansbach 101 ). Von 1491 bis Anfang 1493 war er am brandenburgischen Hofe als Rat und Gesandter tätig 102 ). Gegen Ende des Jahres 1493 (1. bislang festgestelltes Konzept vom 11. November) tritt er in Mecklenburg als Kanzler und herzoglicher Rat auf und verwaltet dies Amt bis zu seinem Tode Anfang 1501 (kurz vor 10. März). Von ein paar niederdeutschen Brocken abgesehen, beherrschte er anfangs nur das Hochdeutsche, das ja auch zu seiner
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Zeit in der brandenburgischen Kanzlei üblich war 103 ). Seine eigenhändigen Konzepte sind von 1493 bis Anfang 1495 überwiegend hochdeutsch mit einigen wenigen niederdeutschenWörtern. In seinen Originalschreiben und Konzepten finden sich vielfach Formen, die für die Nürnberger Schriftsprache und für die kaiserliche Kanzleisprache, die damals unter bayrisch-österreichisch-nürnbergischem Einfluß stand, typisch sind: Anlautendes p statt b, ai statt ei, e in tonlosen Silben statt des mitteldeutschen i usw. Es scheint demnach zuerst in Mecklenburg unter Grunwald die kaiserliche Kanzleisprache eingeführt zu sein. Doch macht sich bei Grunwald ein gewisses Schwanken in der Schreibweise bemerkbar 104 ), und bereis 1498 sind, soweit ich sehe, die oben genannten Eigentümlichkeiten aus Grunwalds eigenhändigen Schreiben verschwunden. Es wäre denkbar, daß dies durch den Einfluß des Niederdeutschen geschah. Doch bedurfte dies alles näherer Untersuchungen, die über den Rahmen dieser Arbeit hinausgehen 105 ). - Seit Anfang des Jahres 1495 stellen sich, wie wir sahen, in Grunwalds Konzepten bereits verschiedentlich etwas mehr niederdeutsche Wörter ein. Aber wie mit einem Schlage ist der Entwurf zu dem Rostocker Rezeß vom 8. Dezember 1495 mehr niederdeutsch als hochdeutsch! Daraus ist zu schließen, daß die niederdeutsche Opposition gegen die Einführung der hochdeutschen Schriftsprache noch so stark gewesen sein muß, daß Grunwald sich bemühen mußte, das Niederdeutsche zu erlernen und es anzuwenden.
Über diesen partikular-niederdeutschen Wider stand, der bezeichnenderweise von Rostock ausging, und über Grunwalds Sprache haben wir zwei wichtige Zeugnisse.
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Am 24. November 1495 fanden zu Wismar zwischen der Stadt Rostock und den mecklenburgischen Herzögen Verhandlungen über ihre Streitigkeiten statt. Grunwald trug die Klage der Herzöge gegen Rostock vor. Da erklärten die Rostocker: Sie könnten den Kanzler nicht verstehen, da er "hochdudesch" redete. Sie baten, daß ihnen die Klageartikel schriftlich übergeben wurden. Der Kanzler antwortete, daß er ihnen seinen Merkzettel übergeben wollte. Die Rostocker erklärten daraufhin, daß ihnen dieser nichts nützen könne. Die Herzöge hingegen hielten sich nicht für verpflichtet, die Klageartikel schriftlich zu übergeben, und Magnus fragte die Rostocker, ob sie ihn denn verstehen würden. Da erklärten die Rostocker, daß sie den Herzog wohl verstehen würden, und Magnus trug nun die Klageartikel, sicherlich auf Grund Grunwalds Merkzettel, vor 106 ). Dieser "Merkzettel" fand sich in den Akten vor, und zwar als Konzept und als Reinschrift. Beide sind eigenhändig von Grunwald geschrieben und nahezu ganz hochdeutsch, nur vereinzelte niederdeutsche Wörter, auf der Seite durchschnittlich eins bis zwei, kommen darin vor. Bemerkenswert ist darin der verschiedentlich zutage tretende Nürnberger Dialekt: irleuchten, gepurt, unpillig, gotzhues, fueß, wue, guet, schrieft usw. Wenn auch Grunwald es im "Schriftlichen" etwa halbwegs bis zum Messingsch gebracht hatte, so muß es doch mit dem "Mündlichen" noch sehr gehapert haben. Sein hochdeutscher Vortrag muß für die Rostocker recht unverständlich gewesen sein, da noch eine starke nürnbergische Dialektaussprache hinzukam.
Die auf diesem Wismarer Tag gemachten Erfahrungen trugen offensichtlich dazu bei, daß Grunwald seine Bemühungen, das Niederdeutsche immer besser zu beherrschen, verdoppelte. Jedenfalls fahen wir ja schon, daß sehr bald die von ihm entworfenen Konzepte, insbesondere für Schreiben der Herzöge an Rostock und an niederdeutsche Fürsten und Personen, immer mehr niederdeutsch werden.
Mit dem Sprechen des Niederdeutschen muß es aber bei Grunwald noch 1499 ziemlich schlecht bestellt gewesen sein, denn als am 7. 2. die Stadt Rostock über den Wortlaut eines
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von Grunwald entworfenen Schuldbriefes mit diesem und den Herzögen in Streit geriet, baten die Rostocker, daß die Herzöge ihren Rat Johann Thun, Dekan zu Güstrow und Propst zu Dobbertin, an Stelle von Grunwald zu mündlichen Verhandlungen senden möchten, da Johann Thun mit ihnen "in der Sprake concordert" und Sie mit ihm über die Dinge reden und nach Bedarf ratschlagen könnten, "deß uns myth juwer gnaden doctor (Grunwald) so ghar bequemelick nicht steyt by tho bringhende".
Die Herzöge gingen auf den Wunsch der Rostocker ein und schickten Johann Thun!
Die erste Aufnahme der hochdeutschen Schriftsprache in Mecklenburg zu Zeiten des Kanzlers Dr. Anthonius Grunwald (1493 bis 1501) hat einen vorbereitenden Charakter. Sie äußert sich im internen Kanzleibetrieb, in den persönlichen Urkunden und Schreiben der Herzöge sowie in den für hochdeutsche Fürsten und Personen bestimmten Urkunden und Schreiben. Hauptträger der Einführung ist der Kanzler Grunwald selbst. Unabhangig von ihm nimmt der junge Herzog Heinrich V., Magnus II. ältester Sohn, in Oberdeutschland die hochdeutsche Schriftsprache an.
Eine Einwirkung auf die einheimische Bevölkerung ist noch nicht zu spüren. Im Gegenteil. Es macht sich eine Opposition der Stadt Rostock gegen Grunwalds hochdeutsche Schrift- und Verhandlungssprache geltend, die Grunwald nötigt, das Niederdeutsche zu erlernen und es in seinen für Rostock und für niederdeutsche Fürsten und Personen bestimmten Konzepten in steigendem Maße anzuwenden.
Fortsetzung folgt.