Im beendeten Vereinsjahre ist wiederum, anderthalb
Jahre nach August Rudloff, einer der älteren
mecklenburgischen Geschichtsforscher von uns
geschieden, der Studienrat i. R. Gymnasialprofessor
Dr. Richard Wagner, gestorben zu Schwerin am 15.
April 1928. Wagner gehörte von 1884 bis Ostern 1928
dem Lehrerkollegium des Schweriner Gymnasiums an.
Als Historiker trat er zuerst hervor mit einer
Abhandlung über das Bündnis Karls des Großen mit den
Abodriten, die im Jahrbuche 63 (1898) abgedruckt
ist. Es hat dieses Bündnis, das im Jahre 780
geschlossen wurde, insofern noch seine besondere
Bedeutung, als mit den Nachrichten darüber, also mit
dem Jahre 780, die schriftlichen Quellen für die
mecklenburgische Geschichte beginnen. Die Abhandlung
Wagners war eine Vorstudie zu seinem rühmlichst
bekannten Werke über die Wendenzeit, das 1899 als
zweites Heft der Mecklenburgischen Geschichte in
Einzeldarstellungen veröffentlicht wurde. Die große
Arbeitskraft des Forschers machte es ihm möglich,
bereits wenige Jahre später ein neues umfangreiches
Werk vorzulegen, die eingehende Schilderung des
Güstrower Erbfolgestreites, gedruckt in den
Jahrbüchern 67 und 68 (1902, 1903). Die
Beschäftigung damit führte ihn auf die Geschichte
des Herzogs Christian (Louis) I., über den er 1906
in den Einzeldarstellungen ein starkes Heft
veröffentlichte. Studien zur Geschichte Christian
Louis' hat Wagner ferner in den Jahrbüchern 70 und
74 (1905 und 1909) erscheinen lassen, schließlich im
Jahrbuche 86 (1922) einen kurz vorher im
Geschichtsverein gehaltenen Vortrag über den Feldzug
des Herzogs und des Regiments Halberstadt für Ludwig
XIV. Es ist dies seine letzte historische Arbeit.
Neben seiner wissenschaftlichen Forschung ist Wagner
auch darauf bedacht gewesen, die mecklenburgische
Geschichte und Sagenwelt in einer für die Schüler
der höheren Lehranstalten geeigneten Form
darzustellen
. Die Hoffnung,
daß er nach seinem Ausscheiden aus
dem Schuldienst zu Ostern 1928 sich noch weiter als
Historiker betätigen werde, hat sich leider nicht
erfüllt. Schon die todbringende Krankheit in sich
spürend, versah er sein Amt bis zur letzten Stunde
seiner Dienstzeit, um sich erst dann in die Hände
des Arztes zu begeben, der ihn nicht mehr retten
konnte. Mitglied unseres Vereins ist Wagner seit
1897 gewesen.
Sein Bildnis haben wir diesem Jahresbericht
beigefügt. Ebenso die Bildnisse der beiden
Freiherren von Rodde, die im September 1927 wenige
Tage nacheinander gestorben sind. Der Forstmeister
a. D. Cuno v. Rodde (Vereinsmitglied seit 1895) ist
durch seine erfolgreichen genealogischen Forschungen
weit über die Grenzen unseres Landes hinaus bekannt
geworden. Ein besonderes Verdienst um die
Familiengeschichte erwarb er sich, als er 1908 nach
dem Tode Ottos v. Dassel die von diesem gegründete
Zeitschrift "Familiengeschichtliche
Blätter", deren Bestehen damals in Frage
gestellt war, erwarb, sie bis 1909 von Schwerin aus
herausgab und damit das Werk Dassels rettete. Weil
die Last der Schriftleitung für einen einzelnen auf
die Dauer zu schwer wurde, verkaufte er die
Zeitschrift Ende 1909 an die Dassel-Stiftung bei der
Zentralstelle für deutsche Personen- und
Familiengeschichte in Leipzig. Wie Cuno v. R., so
war auch sein Vetter, der Generalmajor z. D. August
Frhr. v. Rodde (Vereinsmitglied seit 1905), lange
Zeit hindurch ein gerne gesehener Benutzer des
Schweriner Archivs, wo er sich mit der Geschichte
der mecklenburgischen Kavallerie beschäftigte. Sein
zweibändiges Werk über das Dragonerregiment Nr. 17,
dem er von 1866 bis 1885 selber angehört hatte,
nimmt in der militärwissenschaftlichen Literatur
einen ehrenvollen Platz ein.