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Das "Hotel du Nord" gegenüber dem zweiten Regierungsgebäude, das 1911 abgerissen wurde, um für den prächtigen Neubau des "Nordischen Hofes" (1911 - 20) Platz zu schaffen, ist nicht der älteste Schweriner Gasthof des Namens gewesen. Auf jenen Gasthof ist der Name von einem anderen Gasthof übergegangen, der ein knappes Jahrzehnt lang (1843 - 52) im Rosenbaumschen Hause Schloßstraße 12 bewirtschaftet wurde. Das Rosenbaumsche Grundstück ist, wie es sich für ein altstädtisches Grundstück ziemt, nur schmal, erstreckt sich aber bis zur Klosterstraße hindurch und hat von alters her zwei Gebäude gehabt. Das Vorderhaus in der Burg-, späteren Schloßstraße trug die Katasternummer 229, dann 707, das Hinterhaus in der Wasser-, späteren Klosterstraße die Katasternummer 256, dann 967. Erst 1861 wurde für die Häuser in Schwerin neben der Kataster- auch eine Straßenzählung eingeführt und von da ab hatte das Vorderhaus die Nummer 12, das Hinterhaus die Nummer 5. Die beigegebenen Ansichten zeigen Aufrisse der beiden Gebäude aus dem Jahre 1843 1 ). Wer sie mit den jetzigen Bauten vergleicht, wird überrascht davon sein, wie wenig diese sich in den vergangenen 86 Jahren verändert haben.
Besitzer des Grundstücks waren seit Anfang des 18. Jahrhunderts:
1. | Klähn | 1726 2 ). |
2. | Schlaf | 1739. |
3. | v. Berckholtz | 1755. |
4. | Geh. Kanzleirat Hermann Ludwig Becker | 1762. |
5. | Apotheker Dr. Clamor Heinrich Klockmann | 1794 Febr. 14. |
6. | Apotheker Gottschalck | 1800 Dez. 12. |
7. | die Kuratel des Georg Heinrich Christoph Gottschalck | 1808 Jan. 29. |
8. | Apotheker Dr. Johann Gottlieb Siedenburg | 1809 Sept. 30. |
9. | Apotheker Jakob Friedrich Vasmer | 1819 Jan. 7. |
10. | Apotheker Heinrich Bernhard Francke | 1835 März 28. |
11. | Mundkoch Wilhelm Rehdantz | 1841 Mai 18. |
12. | das Großh. Geheime Ministerium | 1843 Mai 20. |
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Das Ministerium hatte das Grundstück schon 1842 Nov. 28 von Rehdantz für 13 100 Rtlr. N 2/3 gekauft. Damit beginnt recht eigentlich die Geschichte des Gasthofes. Bauherr war Großherzog Paul Friedrich und Baumeister der Hofbaurat Georg Adolf Demmler, der in seiner Lebensbeschreibung (S. 64) folgendes erzählt:
Großherzog Paul Friedrich beschloß in dem Wunsche, den Fremdenverkehr der Stadt zu heben, einen Gasthof ersten Ranges auf eigene Kosten zu erbauen, und wählte als Bauplatz ein in der Schloßstraße gegenüber der Königstraße gelegenes Gebäude. Demmler machte darauf aufmerksam, daß der Platz ungeeignet sei, "da die Front nur schmal war und die Klosterstraße gegen die Schloßstraße bedeutend tiefer lag". Paul Friedrich blieb aber bei seinem Beschluß, und dann löste Demmler die Aufgabe so, daß er in der Höhe der Schloßstraße von da ab bis zur Klosterstraße die ganze Grundfläche überwölbte und so im Hintergebäude in zwei Stockwerken übereinander Pferdeställe und Räume für Wagen erbaute, so daß man von beiden Straßen bequem hineinfahren konnte. Das war wünschenswert, "da doch damals alles mit eigenem Fuhrwerk kam".
Leider fehlen die eigentlichen Bauakten. Demmler hat sie wohl nicht abgegeben. Trotzdem läßt sich aus gelegentlichen Angaben einiges über den Bau entnehmen. Die Schweriner Amtsbaubehörde, der 1844 die Aufsicht über den Gasthof übertragen war, berichtete in diesem Jahre über den Zustand "des bekanntlich von dem Mundkoch Rehdantz großenteils erbauten, späterhin auf herrschaftliche Kosten vollendeten Gebäudes", und in einem amtlichen Verkaufsangebot vom 30. Juli 1852 ist von "dem vor etwa 10 Jahren neu erbauten Gasthof die Rede". Man muß daraus schließen, daß, nach Verlegung der Franckeschen Apotheke nach dem Markte im Jahre 1841 3 ), Rehdantz einen Neubau an der Schloßstraße begann und ihn bis zum Verkauf von 1842 schon erheblich gefördert hatte. Demmler hat dann das Vorderhaus vollendet und auch wohl die Fassade, die gut zu anderen Werken von ihm paßt, entworfen, den Hof überwölbt und das Hinterhaus und den Verbindungsflügel erbaut. Michaelis, spätestens im Oktober 1843 ist der Gasthof fertig geworden.
Das Vorderhaus (vgl. den Grundriß) enthielt unten neben der Durchfahrt links das Lesezimmer und das Billardzimmer (jetzt Verkaufsräume Gutkind), rechts das Speisezimmer (jetzt Verkaufsräume Rosenbaum), oben Fremdenzimmer. Das
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Hinterhaus hatte unten einen Pferdestall und Wagenraum mit Zufahrt von der Klosterstraße; im ersten Stock desgl. mit Zufahrt von der Schloßstraße; im Zwischenstock einen Heu- und Strohboden; im zweiten Stock einen 24 Fuß hohen Tanzsaal mit Fenstern nach dem Hof, Parkettfußböden und weiß gestrichenen Wänden und Decken, die mit Goldleisten, Rosetten und Malerei geziert waren, davor nach der Straße zu Nebenzimmer. Der Verbindungsflügel enthielt unten die Wohnung des Wirtes (vgl. den Grundriß), oben Fremdenzimmer. Im ganzen faßte der Gasthof 45 Fremdenzimmer und für 21 Pferde Stallraum. Alles war äußerst einfach im Geschmack der Zeit ausgestattet.
Am 16. August 1843 schloß Advokat Bartning für das Ministerium mit dem Oberkellner Friedrich Carl Neudecker, bisher am Hotel de Rome in Berlin, einem gebürtigen Bayer (geb. Schwabach 1811, † Schwerin 1855), einen Mietsvertrag über den Gasthof für die zehn Jahre von Michaelis 1843 bis 1853 ab. Die Jahresmiete betrug 1000 Rtlr. In jedem Gast- und Fremdenzimmer sollte angeschlagen werden, daß Trinkgelder weder gefordert noch angenommen werden dürften.
Über die Größe des Verkehrs im Gasthof und seine Einträglichkeit habe ich nichts ermittelt. Zweifelhaft erscheint es, ob die Absicht Paul Friedrichs, anspruchsvolleren Leuten Unterkunft zu verschaffen, erreicht ist. Dafür war die ganze Anlage doch zu einfach. Neudecker nennt einmal reisende Kaufleute seine Gäste. In den Mecklb. Nachrichten erscheint der Gasthof nur einmal. Am 1. Mai 1852 wurde darin ein öffentlicher Termin zur Verpachtung des Lehnguts Grundshagen abgehalten" 4 ).
Der Regierung ist der Gasthof offenbar bald lästig geworden, wozu nicht wenig beigetragen hat, daß die nur in den Fronten an der Schloßstraße und an der Klosterstraße massiv, sonst in Fachwerk mit Mauersteintafeln aufgeführten Gebäude bei ihrer starken Benutzung häufig ausgebessert werden mußten. Schon im Dezember 1851 erhielt das Amt den Auftrag, Verkaufsbedingungen zu entwerfen. Zunächst wollte Neudecker kaufen, konnte sich dann aber nicht dazu entschließen "wegen der eben nicht besonderen Lokalität, mehr aber noch wegen des weniger guten baulichen Zustandes". Er bat dann wegen einer anderen Erwerbung um frühere Lösung seines Pachtverhältnisses, was ihm für Johannis 1853 bewilligt wurde. Wegen des "Hotel du Nord" wurden drei Verkaufstermine nötig. Der erste brachte
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bei acht Kaufliebhabern ein Höchstgebot von 16 125 Rtlr. Cour., der zweite bei drei Kaufliebhabern, Adv. Walter, Gastwirt Stern und Kaufmann Moritz Pincus, ein Höchstgebot des letzten von 16 130 Rtlr., der dritte, nachdem die Kammer wenigstens 17 000 Rtlr. verlangt hatte, von dem einzigen erschienenen Kaufliebhaber Kaufmann Moritz Pincus ein Gebot von 17 005 Rtlr. Er erhielt dann für sich und seinen Bruder Martin am 26. März 1853 den Zuschlag.
Im November 1852 hatte Neudecker den Betrieb schon eingestellt und das Gasthofschild abgenommen. Man erwog, ob er dazu berechtigt war. Das Amt kam zu dem Ergebnis, aus seinem Vertrag folge nicht, daß er das Grundstück bis zum Ende der Kontraktsjahre als Gasthof benutzen müsse, wenn es nur gehörig erhalten werde, und im Inventar seien Schild und Name nicht aufgeführt, mithin gehöre beides dem Mieter. So blieb Neudecker ungeschoren und konnte den Namen "Hotel du Nord" auf den Gasthof "Stadt Hamburg" in der Schloßstraße (Katasternummer 221 a, dann 714) übertragen, den er von der Witwe des Gastwirts Heinrich Friemann, wiederverehelichten Keßler, 1852 erwarb. Darin war seit 1833 mit bestem Erfolge die Gastwirtschaft betrieben. Das Haus war 1842 ganz neu erbaut und enthielt 32 geschmackvoll tapezierte und möblierte Fremdenzimmer. Es hat wohl von vorneherein die vornehme Kundschaft an sich gezogen. 1852 Nov. 20 ward dieser Gasthof auf Karl Neudecker im Stadtbuch überschrieben.
Stuhr.