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von
Dr. G. C. F. Lisch
Die Kirche zu Lüssow ist ein bemerkenswerther Bau im Uebergangsstyl, wahrscheinlich aus dem ersten Viertheil des 13. Jahrh. stammend und älter als die Domkirche zu Güstrow 1 ). Sie besteht aus einem quadratischen Chor mit einer im Süden vorgebaueten, gleich alten Vorhalle, einem etwas breitern Schiffe von 2 Gewölben Länge und einem breiten Thurme, welcher unten nicht zur Kirche gezogen und vor ungefähr 50 Jahren (in meiner Gegenwart) durch einen Blitzstrahl entzündet und ausgebrannt ist. Die früher sehr hohe, pyramidale Thurmspitze war seitdem durch eine ungewöhnlich häßliche "kuppelartige" Bedachung ersetzt, welche jedoch im J. 1866 wieder zu einer Spitze umgestaltet und um 30 Fuß erhöhet ist. In den letztverflossenen Jahren ist die ganze Kirche restaurirt.
Der Bau ist in allen seinen Theilen ein sehr sorgfältig und stark ausgeführter Feldsteinbau; der Thurm ist etwas jünger, jedoch noch alt. Die Wände sind von sorgfältig gespaltenen, großen Feldsteinen, welche in ungefähr gleich hohen horizontalen Schichten liegen, aufgebaut. Chor und Schiff haben einen behauenen und gegliederten Granitsockel und alle Ecken und alle Thürpfeiler sind von behauenen Granitquadern aufgeführt. Die Fensteröffnungen, die Thürbogen, die schmucklosen Giebel und die jetzt verzierungslosen Dachgesimse sind Ziegelbau. Die Lücken zwischen den dunkelgrauen Feldsteinen an der Außenwand des Chors und
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des Schiffes sind durch festen, glatten, hellgrauen Kalkputz ausgefüllt, in welchen zum Schmuck breite, große Quadern bildende Fugen durch Einreißen nachgebildet und roth bemalt sind. Die Fugen am Thurme sind weiß bemalt.
Der Chor hat in jeder Wand (also auch in der Altarwand) zwei ganz einfache Fenster im Uebergangsstyl (wie die ähnlich gebauete Kirche zu Hohen=Sprenz). Die beiden Altarfenster haben einen Bogen, welcher abwechselnd von rothen und gelblichen Ziegeln in einem sinnigen Muster gebauet ist. Dieser Schmuck ist im J. 1866 verschwunden, da 1865-66 der Chor, da er für die jetzigen Bedürfnisse zu klein war, nach Osten hin durch einen Ziegelbau verlängert und deshalb die Altarwand abgebrochen ist. Der östliche Theil des Schiffes hat an jeder Seite drei neben einander stehende Fenster, von denen das mittlere höher ist als die beiden andern, wie häufig im Uebergangsstyl; der westliche Theil des Schiffes hat nur zwei gleich hohe Fenster neben einander. Der Chor und die beiden Theile des Schiffes sind durch zwei sehr breite und starke Gurtbogen von einander getrennt, von denen der östliche den sogenannten Triumphbogen bildet.
Jede dieser drei Abtheilungen der Kirche ist mit einem starken Gewölbe bedeckt, welches acht Rippen von quadratischem Durchschnitt zeigt. Die Rippen des Chores lehnet sich im Scheitel an einen großen Kreis von gleicher Stärke in der Mitte des Gewölbes; die Rippen der Schiffgewölbe stoßen in einem einfachen Schlußsteine zusammen.
Nach dieser Art der Wölbung und nach aller übrigen Eigenthümlichkeit gehört diese Kirche zu der Gruppe der Kirchen, deren gleichmäßiger Bau schon früher (Jahrb. II, B, S. 87 flgd.) an mehrern Kirchen zwischen Sternberg und Schwaan nachgewiesen ist. Die Kirche zu Lüssow gleicht namentlich, sowohl im Bau, als auch in der Ausschmückung, ganz der Kirche zu Gägelow (vgl. Jahrb. XXIV, S. 336-344).
Alle innern Wände sind geputzt, wie häufig überhaupt die Kirchen im Uebergangsstyl, und zwar mit einem festen, glatten, grauen Kalk, wie stets die Feldsteinkirchen in diesem Styl: es ist überhaupt für die innere Decoration die Farbe des Baumaterials zur Richtschnur genommen. Die Fenster sind zur Einfassung mit einer Kante von rothen und gelben Ziegeln von größerm Format, als die wirklichen Ziegel in der Außenwand, bemalt.
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Es ergab sich aber bei der Restauration, bei der Abnahme der jungen Kalktünche, daß die ganze Kirche im Innern mit Malereien bedeckt war, welche nicht allein sehr alt, sondern auch zum Theil sehr schön und werthvoll waren: wieder ein Beweis, daß die meisten alten Kirchen einen reichen Schmuck an Malerei hatten.
Die Seitenwände unten bis an die Fenstereinfassungen waren mit Teppichen mit rothen Einfassungen bemalt, auf welchen auf dem grauen Putzgrunde Scenen aus der biblischen und Heiligen=Geschichte in kleinen Figuren dargestellt waren. Die Zeichnung war gut, die Färbung lebhaft und reich. Leider waren diese Gemälde nicht mehr klar zu erkennen und auch nicht mehr zu erhalten, da der Kalkputz auf den Granitwänden auch hier, wie gewöhnlich, sehr gelitten und oft eine Ausbesserung erfahren hatte. Aehnliche Malerei fand sich auch in der Kirche zu Gägelow.
Ueber diesen Teppichen war auf die Wandfläche an jeder Seite der Fenster eine Heiligenfigur, fast in Lebensgröße, gemalt. Diese Figuren waren sehr edel und einfach, jedoch durch das Alter und die Uebertünchung so sehr verblichen, daß sie kaum zu erkennen waren.
Die Unterseiten der quadratischen Rippen waren sämmtlich mit rothen Ornamenten auf weißem Grunde bemalt, jede mit einem andern Muster, also grade wie in der Kirche zu Gägelow, nur in umgekehrten Farben.
Von den Gewölben waren das östliche und mittlere mit Lilienranken, welche von den Rippen ausgingen, bemalt.
Der breite östliche Gurtbogen, der Triumphbogen, war mit einem großen Lilienornament in grau bemalt, von dem jedoch nur sehr wenig übrig geblieben war.
Den reichsten Schmuck trug das westliche Gewölbe.
Der breite Gurt bogen war an jeder Seite mit einer riesenmäßigen Figur bemalt; diese Figuren waren so groß wie die ganze Bogenwölbung bis in die Spitze und mögen wohl 10 Fuß hoch sein. Genau dieselbe Art der Bemalung fand sich in der Kirche zu Gägelow, nur daß hier die beiden Figuren andere sind (Jungfrau Maria und Erzengel Michael).
Auf der nördlichein Laibung des Bogens stand der Heil. Christoph der Eingangspforte für die Gemeinde
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gegenüber; dies stimmt zu dem alten Aberglauben,
daß man an dem Tage nicht sterben werde, an
welchem man den Heil. Christoph sehe; daher ward
auch der Heil. Christoph an solchen Stellen und
so angebracht, wo er den Gläubigen gleich in die
Augen fallen mußte. Ueber der Figur steht in
sehr großen Buchstaben des 13. Jahrhunderts
h
RIS
OEORVS (ohne Sanctus). Der Heil.
Christoph mit dem Stabe (Baum) in der Hand, auf
den Schultern das Christkind durch das grünliche
Wasser tragend, in welchem rothe und weiße
Fische schwimmen. Ob eine unklare, kleine
Gestalt auf dem Grunde des Wassers mit einem
menschenähnlichen Gesicht ein Meerungeheuer oder
der leuchtende Eremit sein sollte, war nicht zu erkennen.
Auf der südlichen Seite des Gurtbogens stand der
Heil. Georg, über dem Haupte mit gleichen
Schriftzügen mit der Inschrift:
heor
ius; es waren nur noch sicher die
3 Buchstaben
h
-
zu erkennen. Der Heilige, im
rothen Waffenrock oder Panzer, hatte auf dem
Haupte einen ganz antik gestalteten Stülphelm,
von der Seite dargestellt, mit
heruntergeschlagenem Visir, von der Form, wie
die Wappenhelme im 13. und auch noch zum großen
Theile im 14. Jahrhundert dargestellt werden.
Mit der linken Hand hielt er eine aufgerichtete
Lanze; mit der rechten Hand holte er über den
Kopf zum Schlagen mit einem Schwerte aus, dessen
Klinge in gleicher Linie mit dem Rücken lag; das
zweischneidige Schwert war kurz und breit, mit
kurzem Griff und grader, einfacher Parierstange,
wie die Schwerter des 12. und 13. Jahrhunderts
gestaltet sind. Der Drache zu seinen Füßen war
nicht mehr erkennbar. Vor ihm knieete eine
kleine menschliche Figur, mit ausgestreckten
Armen, wahrscheinlich die Jungfrau, welche dem
Drachen geopfert werden sollte.
Den vorzüglichsten Schmuck trugen aber die 8 Gewölbekappen des westlichen Gewölbes. Diese stellten Gruppen von je 2 Heiligenfiguren oder Scenen aus der biblischen Geschichte dar, welche so gut gemalt waren und eine so schöne Wirkung machten, wie wohl sicher keine andere alte Malerei im Lande.
Sowohl nach dem Styl, als nach den Buchstaben der Inschriften, der Bekleidung der Figuren und den Waffen müssen alle diese Malereien sicher aus dem 13. Jahrhundert und wahrscheinlich aus der Zeit der Erbauung der Kirche, also aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts stammen.
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Leider ist dieser ganze bildliche Schmuck bei der letzten Restauration 1865 flgd. übertüncht, da die Bedeutung der Malereien nicht überall zu erkennen, das Geld zur Wiederherstellung nicht vorhanden und der Schmuck mit Heiligenbildern nicht mehr passend befunden war.
Der jetzt zurückgesetzte Altar der Kirche ist ein kleiner, unansehnlicher geschnitzter Flügelaltar mit doppelten Flügeln aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts. Die geschnitzten Verzierungen sind schon ziemlich modern; die Baldachine fehlen sämmtlich. Auf der Mittel=Tafel ist Maria in der Sonne, auf dem Halbmonde, unter der Krone, im Wolkenkranze dargestellt; in den Wolken sind 4 musicirende, zu ihren Füßen zwei knieende Engel angebracht. Neben dem Marienbilde stehen 4 kleine Heiligenfiguren, unter diesen 3 gekrönte Jungfrauen, die drei Noth=Helferinnen:
S. Katharina. | S. Margaretha. |
S. Johannes d. T. | S. Barbara. |
In den Flügeln stehen die 12 Apostel. Alle Figuren sind klein und mittelmäßig, die Hauptfigur sogar schlecht. Die Gemälde auf den Rückwänden sind zum Theil ganz vergangen. Dieser Altar ist bei der letzten Restauration verworfen.
In der Predelle ist in einer Nische die Maria sitzend mit dem Leichnam des Sohnes auf dem Schoße dargestellt. Dies ist die "Maria tor ladinge" oder die Darstellung der "medelidinge Mariae", deren Dienst sich in den Ostseeländern erst am Ende des 15. Jahrhunderts verbreitete (vgl. Jahrb. I, A, S. 82, Not. 2).
Vor dem Altar liegt ein großer Leichenstein aus
Kalkstein. Unter einem gotischen Baldachin steht
ein den Kelch segnender Priester, dessen Füße in
den untern Inschriftrand hineinragen. An seiner
rechten Schulter steht ein Schild mit dem Namen
(Jesus) unter einer Krone
. In den vier Ecken stehen die Evangelisten=Symbole.
Die Umschrift lautet, ohne mit dem Worte Anno zu beginnen, folgendermaßen:
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Diese Inschrift bildet drei leoninische Hexameter:
Mille tricenteno sexto simul octuageno. (1386)
post natale dei, fuerant dum festa Mathaei. (Sept. 21),
Hie fit plebanus de Warnemunde Johannes (Lücke).
Diesen Stein hat sich also ein Priester Johannes von Warnemünde, welcher am 21. September 1386 Pfarrer zu Lüssow ward, bei seinen Lebzeiten legen lassen, um einst unter demselben begraben zu werden. Ob dies geschehen ist, läßt sich nicht ermitteln; jedenfalls ist es verabsäumt worden, seinen Tod in das Ende des Inschriftsrandes einzumeißeln.
Nördlich neben dem Altar liegt ein großer Leichenstein mit dem. halb erhabenen Bilde eines betenden Ritters und darüber an der nördlichen Wand unten zwischen den Chorfenstern ist eine kleine Sandstein=Tafel mit dem gut gearbeiteten und erhaltenen Wappen der v. Fineke eingemauert. Der unten etwas abgetretene Leichenstein und die Wappentafel haben dieselbe, nur in einzelnen Selben abweichende Inschrift:
ANNO . 1577 . DEN . 10. MARTY . IS . DER . EDELER . VND . ERENTVESTER . IASPER . FINEKE . THO . KAROW . IN . GOD . SALICH . ENTSLAEEEN .
Außerdem besitzt die Kirche noch mehrere Epitaphien der Familie v. Fineke auf Karow.
Der verstorbene Herr Pastor Kossel zu Tarnow hat eine Inschrift mitgetheilt, welche unter einem alten Bilde in der Kirche zu Lüssow stand.
Anno 1686 ist Er als Rittmeister v. der Hochfürstl. Leib=Güardie bestellet, und Anno 1688 d. 1 Mai mit seiner Compägni und andren Mechlenpürge Troupe nach Ungern gegen den Erbfeind Marchieret, alwo Er in der belagerung der Festung Belgrad Krank worden." -