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II.

Ueber

die wendischen Burgen Rostock
und Kessin,

von

G. C. F. Lisch.


S o viel auch über die wendische Burg (castrum, urbs) Rostock vermuthet und geschrieben ist, so wenig Kritisches und Zuverlässiges ist doch bisher über den Ort geliefert, welcher bald und rasch der bedeutendste in Meklenburg ward. An dem untern Laufe der Warnow, des bedeutendsten Flusses des Landes, lagen zur wendischen Zeit viele fürstliche Burgen und wichtige Ortschaften: Werle 1 ) beim Dorfe Wiek in der Nähe von Schwan, Kessin beim Dorfe Kessin in der Nähe von Rostock, Rostock, Goderak 2 ) bei Goorstorf am Breitling.

Gewöhnlich verlegt man die Stelle der alten wendischcn Burg oder Stadt Rostock auf die Höhe, auf welcher die Petri=Kirche steht. Dagegen läßt sich aber mit Recht sagen, daß die Stelle durchaus nicht den Charakter einer wendischen Feste trägt; die Höhe des Petrikirchhofes ist gewissermaßen das höchste Vorgebirge einer großen natürlichen Hochebene mit festem Boden, welches an der Ausbreitung der Warnow am Petrithore schroff und tief in die Flußniederung abfällt. Nur an dieser Seite ist die Höhe von Natur fest; landeinwärts hängt sie, wenn auch durch das ziemlich tiefe Thal der Grube von der Neustadt geschieden, doch mit dem festen Boden der landeinwärts liegenden Hochebene zusammen. Wäre diese Stelle eine wendische Burg gewesen, so würde sie für jene Zeit ganz


1) Vgl. Jahrb. VI, S. 88 flgd.
2) Vgl. Jahrb. VI, S. 70 flgd.
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ungewöhnlicher Befestigungsmittel bedurft haben und sehr bedeutend gewesen sein; Rostock nimmt aber unter den fürstlichen Burgen die letzte Stelle ein, denn Kessin war in diesen Gegenden die wichtigste Feste, welche damals dem ganzen Landestheile den Namen und den Landesfürsten den Titel gab.

Die wendischen Burgen lagen dagegen immer in tiefen Sümpfen, Morästen oder Wiesen 1 ) oder waren von tiefen Wiesen her in Seen hinaus gebauet. Diese Burgen waren aufgeschüttete, gewöhnlich länglich=viereckige Wälle, deren Hauptbefestigungsmittel die Lage im Sumpfe war. Diese Burgwälle sanken mit der Zeit immer tiefer in den Sumpf hinein und bedurften fortwährender Ausschüttung und Erhöhung; daher war der in den wendischen Ländern übliche Unterthanendienst des Burg= und Brückenbaues bei weitem der wichtigste, daher er auch am häufigsten genannt wird. Es gingen ohne Zweifel Jahrhunderte darauf hin, ehe ein großer Burgwall fest stand und hoch genug war; es giebt Fälle, daß man Menschenalter hindurch an Legung von Dämmen durch tiefe Wiesen gearbeitet hat, die oft in ganz kurzer Zeit wieder so sehr versunken sind, daß man sie in einer Tiefe von 30 Fuß noch nicht hat wiederfinden können. Aber in Sümpfen lagen alle wendischen Festen, und daher müssen wir auch die wendische Burg Rostock in einem Sumpfe suchen.

Bei der Untersuchung sind jedoch für die alte Burg Rostock mehrere Perioden anzunehmen, welche sie durchmachen mußte, ehe die jetzige Stadt Rostock vollendet war.

Diesen Sumpf, in welchem die alte Burg Rostock gelegen haben kann, finden wir nun allerdings am Petrithore, jedoch vor demselben, am rechten Ufer der Warnow der Höhe der Petrikirche gegenüber. Hier breiten sich am rechten Warnowufer der ganzen Ausdehnung der Stadt Rostock gegenüber sehr weite, tiefe Wiesen aus, welche fast immer wässerig sind und welche so große Ausdehnung haben, daß sie von den Uferhöhen der Stadt Rostock von einer und der Dörfer Bartelsdorf und Riekdahl von der anderen Seite mit den Angriffsmitteln der alten Zeit nicht beherrscht werden konnten. Durch diese Wiesen geht vom Petrithore der künstliche Damm zur Landstraße nach Ribnitz, welcher wohl erst seit Gründung der neuen Stadt gelegt ist. Rechts an diesem Damme entlang, in kurzer Entfernung von demselben, von Rostock aus, liegen in dem Wiesengrunde mehrere aufgeschüttete Wälle, welche


1) Man vgl. Jahrb. VI, S. 98, und die Beschreibung alter wendischer Burgen in den früheren Jahrgängen der Jahrbücher.
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jetzt zwar sehr versunken, aber wohl ohne Zweifel die Stelle der ältesten Burg und Stadt Rostock sind; sie sind mit den Höfen mehrerer Ackerwirthe besetzt, welche jetzt einen Theil der Petri=Vorstadt bilden. Im Ganzen sind es drei aufgeschüttete Wälle, von denen die Bleiche der Warnow, der Stadt und der Petrithorbrücke am nächsten ist. Von der Petrithorbrücke führt nämlich am rechten Ufer der Warnow ein schmaler Damm zu einem viereckigen Plateau, auf welchem jetzt die Bleiche ist. Hinter diesem Plateau liegt an der Landstraße entlang ein zweites, und hinter diesem ein drittes, welches noch jetzt den Namen "Wik" führt. Diese drei Wälle sind jetzt nur einige Fuß hoch, aber für wendische Burgwälle weit genug und haben sehr viel Schutt und Scherben; die Bewohner versicheren, daß sie zuweilen bei Urbarmachung des Landes, welches ihr Erbe ist, an manchen Stellen auf große Scherbenlager gestoßen seien und ganze Fuder Scherben fortgefahren hätten. Während der Local=Untersuchung hat es jedoch nicht gelingen wollen, Scherben aus der heidnischen Zeit aufzufinden, da man tief graben muß, indem diese Stellen seit Einführung des Christenthums bewohnt gewesen, also immerfort erhöhet worden sind.

Stadtwärts wird diese Wallreihe an der Bleiche von der Warnow begrenzt nördlich von dem Damme der Landstraße nach Ribnitz und an der entgegengesetzten Seite von einem kleinen Flusse, der jetzt sehr versumpft, jedoch breit genug ist und in alten Zeiten tief genug gewesen sein mag, um nicht zu kleine Fahrzeuge zu tragen; dieser Fluß heißt noch jetzt der "Witingstrang", kommt von den Höhen von Bartelsdorf und Rikdahl und ergießt sich bei der Bleiche in die Warnow.

Außer diesen Wällen ist in den Warnow=Wiesen in der Nähe von Rostock keine Aufschüttung zu entdecken. Daß aber diese Sumpfinseln am Witingstrang vor dem Petrithore die Stellen der alten Burg Rostock seien, dafür redet auch die Geschichte.

Die wendische Burg Rostock kommt im J. 1161 zuerst in der Geschichte vor. Saxo erzählt 1 ) nämlich: der Dänenkönig Waldemar habe auf seinen Verheerungszügen im


1) Saxo Gr. ed. Soroe 1644, p. 295: Noctu redeunte Absalone rex - - in longinquos paludis recessus praedatum mittit. Urbem quoque Rostock, oppidanorurn ignavia destitutam, nullo negotio perussit. Statuam etiam, quam gentis profana credulitas perinde ac coeleste numen diuinis honoribus prosequebatur, incendio mandauit. - - Post haec - - cum exercitu suo - - preparato ponte trajecit etc.
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Wendenlande die Burg (urbem) Rostock, welche er von den Einwohnern feige verlassen gefunden habe, so wie das Götzenbild daselbst verbrannt; Saxo sagt dabei ausdrücklich, daß die Gegend sumpfig gewesen, und fügt hinzu, daß eine Brücke über den Fluß geschlagen worden sei. Es geht aus dieser Beschreibung hervor, daß Rostock in einer sumpfigen Gegend an der Warnow und zwar an der Oberwarnow vor der Erweiterung des Flußbettes gelegen habe, und daß an dem andern Ufer festes Land gewesen sei, weil eine Brücke die Stadt Rostock mit dem Heere Heinrichs des Löwen, der zu Lande angekommen war, vereinigte.

Nachdem Pribislav sich in den neuen Zustand der Dinge gefügt hatte, baute er im J. 1170 die Burgen Meklenburg Ilow und Rostock wieder auf und besetzte sie mit Wenden 1 ). Nach dem Tode Pribislavs erhielt dessen Sohn Borwin während der durch seinen Vetter Niclot erregten Unruhen, im J. 1183 die Burgen Rostock und Meklenburg 2 ). Nach Herstellung des Friedens trat Borwin dem Niclot Rostock ab 3 ) und begnügte sich mit dem westlichen Landestheile, welches er von den Burgen Meklenburg und Ilow regierte. Und wirklich sehen wir den "Wendenfürsten" Niclot oder Nicolaus in Urkunden von Rostock aus regieren, indem er dem im J. 1186 von Borwin wieder hergestellten Kloster Doberan im J. 1190 mehrere Begünstigungen ertheilte. Die beiden bekannten Urkunden 4 ) hierüber sind von Rostock aus datirt; der Fürst hielt damals Märkte in Rostock, hatte zu Rostock und noch zu Goderac Kapellane, jedoch kommen noch keine Pfarrer vor.

Wahrscheinlich ist bis hierher die Burg Rostock noch immer die alte wendische Burg in den Wiesen, da nur von der Wiederaufbauung des alten Rostocks und überhaupt nur von wendischen Verhältnissen die Rede ist. Auch Borwin bedauerte die alten Burgplätze wieder, und Städte neuern Styls waren noch nicht gegründet.

Hiemit stimmt auch die bei Kirchberg aufbewahrte Tradition einigermaßen überein, indem er sagt, die Burg Rostock sei wieder aufgebauet gegen die Burgmänner,


1) Helmoldi Chron. Slav. II, cap. XIV. §. 5: Pribizlaus, deposita diuturnae rebellionis obstinatia, - - sedit quietus et contentus funiculo partionis sibi permissae et aedificauit urbes Mekelenburg, Ilowe et Rozstock et collocauit in terminos eorum Slauorum populos.
2) Arnoldi Lub. Chron. Slav. III, cap. IV, §. 5: Boruinus, tilius Pribislai, - - obtinuit castra Rostock et Mekelenburg.
3) Ibid. §. 10. Boruinus - - recessit a castro Rostock, tradens illud nepoti; ipse vero Ilowe et Mekelenburg in possessionem sortitus est.
4) Die beiden Urk. vom J. 1190 sind öfter gedruckt, z. B. in Franck A. u. N. M. III, S. 208.
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welche auf der Höhe der Petri=Kirche eine Burg gehabt hätten:

In der czid der furste alsus
von Kyssin Nycolaus
Rodestok irnuwete,
daz borgwal her do buwete,
daz waz wider dy borgman da,
den buwete her syne borg zu na,
dy hattin eyne burg zu der czid,
da sante Petirs kirche lyd,
doch kunden sy mit keynre schicht
des buwes ym weren nicht.

                               Kirchberg CIII.

Man könnte annehmen, daß Kirchberg unter "borgwal" nicht den alten wendischen Burgwall in der Wiese, sondern den noch jetzt als Straße so genannten "Borgwall" bei der Marienkirche, mitten in der jetzigen Stadt, also an der entgegengesetzten Seite der Petri=Kirche, verstanden habe. Dies ist allerdings auch möglich; aber dann bleibt doch so viel gewiß, daß auch die Anlage der Burgmänner auf dem Berge der Petri=Kirche eben so ein junger Bau war, als des Fürsten Burg auf dem "Borgwall".

Die deutsche Stadt Rostock ward erst am 24. Junii 1218 gegründet 1 ). Der alte Borwin zog sich seit dieser Zeit zurück und gönnte seinen Söhnen, von denen Heinrich, Borwin II, Herr von Rostock ward, thätigen Antheil an der Landesregierung. Seit dieser Zeit nennen sich die Fürsten: Herren von Rostock; aber noch im J. 1218 nannte sich der alte Borwin Herr der Kissiner (Magnopolitanorum et Kyzenorum princeps).

Diese neu gegründete Stadt Rostock ist die jetzige Altstadt, der alten Burg Rostock gegenüber, auf der Höhe um die Petri=Kirche. Ob Borwin innerhalb dieser Stadt sich eine Burg erbauet habe, ist nicht zu bestimmen; die alte Sage weiset ihr die Stelle bei S. Petri an; aber diese Sage ist durch nichts begründet und hat wohl darin ihre Veranlassung, daß man die alte wendische Burg auf diese Höhe versetzen zu müssen meinte, weil man keine andere Stelle dafür finden konnte. Es ist freilich wahrscheinlich, daß die Fürsten, wie seit dem Durchdringen der neuern Bildung alle Bewohner des Landes, sich aus den Sümpfen entfernten und ihre Burgen nach


1) Vgl. Franck A. u. N. M. IV, S. 36.
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deutscher Weise erbaueten; aber es ist auch eben so wahrscheinlich, daß sie die Burg von Rostock, wie an andern Orten, dicht vor die Stadt setzten. Daher mag denn die älteste deutsche Burg bei der Marien=Kirche gestanden haben; denn hier trägt eine Straße auf der Höhe noch den Namen " auf dem Burgwall", wo nach dem Vorstehenden vielleicht schon Nicolaus eine Feste gegen seine Burgmänner anlegte. Doch fanden auch hier die Fürsten nicht lange Ruhe. Die Neustadt wuchs so schnell und mächtig, daß schon am 18. Junius 1262 die Alt= und Neustadt zu Einer Verwaltung vereinigt 1 ) wurden. Durch die Vollendung der Stadt kam der Burgwall mitten in der Stadt zu liegen. Der Fürst Borwin III. von Rostock hatte es zwar versucht, am bramower Thore am äußersten Ende der Neustadt, eine Burg anzulegen. Aber am 27. October 1266 mußte sich sein Sohn Waldemar verpflichten, diesen Burgwall wieder abzutragen 2 ); ja im J. 1278 gab er sogar das Versprechen, eine Meile weit keine Burg anzulegen, und verkaufte die bei Schmerle gelegene Hundsburg an die Stadt 3 ). Wie zu Wismar, wollten die Bürger Rostocks keine feste Fürstenburg auf ihrem Gebiete dulden; im ganzen Mittelalter ist daher von einem Schlosse zu Rostock nicht die Rede. Wahrscheinlich hatten die Fürsten zu Rostock, wie zu Wismar, nur einen Hof zu Stadtrecht, welcher vermuthlich beim Johanniskloster in der Nähe des Steinthores lag 4 ), da hier auf einer Abbildung der Stadt aus dem 16. Jahrh. ein großes Prachthaus mit vielen fürstlichen Wappen abgebildet ist und die Unternehmungen der Fürsten gegen Rostock im 16. Jahrh. sich häufig um die Localitäten am Steinthore drehen.

Nach dieser geschichtlichen Entwickelung werden wir also den Wall der alten wendischen Burg Rostock in den Wieseninseln vor dem Petrithore zu suchen haben. Und hierfür reden außerdem noch besondere Urkunden.

Als im J. 1264 die Stadt abgebrannt war, schenkte der Fürst Borwin den Bürgern die freie Mühlenfuhr und außerdem:

den fürstlichen Besitz auf dem Bruche zwischen dem festen Lande und der Warnow auf der einen, und dem St. Clemens=Damme


1) Vgl. Ditmar's Landesfürst in Rostock, Urk. Nr. 4.
2) Vgl. Das. Urk. Nr. 6.
3) Vgl. Das. Urk. Nr. 9.
4) Nach einer Urkunde des Fürsten Albrecht von vig. Simonis et Judae 1344 soll Gericht gehalten werden:
"in curia nostra Rostock sita";
vgl. Schröder P. M. I, S. 1263.
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und dem bartelsdorfer Flusse auf der anderen Seite 1 ).

Dies sind wohl der Fischer= und der Gärberbruch (brôk) außerhalb der Stadtmauer an der linken Seite der Warnow, zwischen dem Mühlen= und dem Petri=Thore.

Durch die Bestimmung der Lage zwischen dem festen Lande und der Warnow ist die Breite des Landstriches angegeben. Durch die andere Bestimmung: vom St. Clemens=Damme bis zum bartelsdorfer Flusse, wird wohl die Länge bezeichnet: von dem Damme vom Mühlenthore zum Fischerbruche bis zur Mündung des Witingstranges gegenüber. Denn die letztere Bezeichnung von den dem Bruche am rechten Warnowufer gegenüberliegenden Wiesen, unmittelbar am Witingstrang, zu verstehen, dazu ist kein Grund vorhanden.

Es geht aus dieser Verleihung hervor, daß die Fürsten ihren alten Besitz in der Nähe ihrer alten Burg noch lange festzuhalten suchten, ja selbst dann noch, als sie im J. 1266 den Burgwall am Bramower Thor wieder abzutragen sich verwillkührten. Denn erst am 27. Febr. 1286 verkaufte der Fürst Nicolaus der Stadt

sein Dorf Wendisch=Wik mit den angrenzenden Wiesen und den Burgwall mit der angrenzenden Wiese, bis zum Mühlendamme 2 ),

d. h. den Wiesen an dem rechten Warnow=Ufer von der Bleiche (dem Burgwall) am Petrithore bis zum Mühlendamme am Mühlenthore.

Durch diese beiden Urkunden veräußerten die Landesherren ihren ganzen aus der wendischen Zeit stammenden Besitz zu Rostock.


1) Vgl. Urk. vom 12. October 1264 in Ditmar's Landesfürst in Rostock, Urk. Nr. 5:

"Ceterum in palude quicquid ad nos pertinere videtur, iacento inter aridam et fluuium ex una parte, et inter aggerem sancti Clementis etamnem, qui decurritab amne (?) Bartoldes dorfie ex parte altera eorundem (burgensium ciuitatis Rostoc) vsibus assignamus."

Das Wort palus ist niederdeutsch: Brôk (Bruch), wie noch heute die Gegend heißt. Der bartelsdorfer Fluß ist der Witingstrang, der an der Wik vorbeifließt. Der St. Clemens=Damm muß der Mühlendamm sein oder in der Nähe desselben gelegen haben, vielleicht der Damm, der zum Brôk führte.
2) Vgl. Urk. in Ditmar's Landesfürst in Rostock, Urk. Nr. 10:

"Notum esse uolumus, - - nos dilectis nobis burgensibus de Rozstock - - villam nostram Wendischwic cum omni utilitate, proprietate, iudicio, cum pratis adiacentibus vendidisse, vallem castri insuper cum prato adiacente et ad dammonem molendinorum ascendente, cum aliis eorum pascuis, pratis et aquis infra dictos terminos constitutis, - - libere perpetuo possidendum."

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Es leidet also durchaus keinen Zweifel, daß

die alte wendische Burg Rostock an dem rechten Ufer der Warnow rechts vor dem Petrithore an der Stelle der jetzigen Bleiche, zwischen der Warnow und dem Dorfe Wendisch=Wik, beide am bartelsdorfer Flusse oder dem Witingstrang gelegen,

zu suchen sei.

Der Fluß führt jedenfalls einen bezeichnenden Namen. Alle anwohnenden Ackerleute nennen ihn "Witingstrang", genau wie hier geschrieben steht: in der Mitte ist nach dem -g- nur Ein -s- zu hören und am Ende ein -g; auch sprechen die Leute den dritten Buchstaben jetzt deutlich wie ein -t-. Es liegt nun nahe, wenn man diesen Namen hört, an Wikings=Strand, Strang oder Strom zu denken und an die Seeräuber= oder Wikings 1 ) =Züge zur Zeit der Dänen und Wenden.

Eine besondere Unterstützung giebt dieser Untersuchung das Dorf Wendisch=Wik, da dieses noch mit gartenbauenden Eigenthümern am Ende der Petri=Vorstadt unter dem Namen "de Wik" existirt. Seit dem Ankaufe des Dorfes führte die Stadt über die Verwaltung desselben besondere Rechnungen 2 ),


1) Im Sonnenberge bei Parchim giebt es noch heute einen Witingsberg, an welchen sich alte Sagen von Räubern knüpfen; die alte deutsche Form für Wikinger war nach Adam von Bremen: Withinger; vgl. Jahresber. VIII, S. 152. - Uebrigens könnte man bei der Etymologie des Namens Witingstrang auch an den Namen des Dorfes Wik denken, welches der Fluß berührt.
2) Die Rechnungen über die Wik sind gedruckt in Nettelbladt Hist.=dipl. Abhandl. vom Urspr. der Stadt Rostock, Cod. prob. p. XIII flgd.

"Anno domini MCCCXXV infra octavas pasche iste liber inceptus est de redditibus, quos habet annuatim in pratis versus Warnemunde et de agris, qui Wich in vulgo dicuntur, et de ortis singulis.
Civitas locauit antiquo Rever carnifici quoddam spacium agrorum supra Wich, ubi quondam fuerat locus ville, pro quinque marcis denariorom.
Civitas locauit Johanni Beschalow pratum foris valvam sancti Petri secus dammonem pro XI marcis.
Notandum sit, quod civitas redemit a Hinrico de Dulmen octo marcarum redditus, quos habuit in ortis ciuitatis extra portam sancti Petri et in ortis supra Wich sitis; memorandum, quod ciuitas habet extra valuam sancti Petri quadraginta iugera ortorum cum dimidio iugero in vno tramite secus dinstinctionem ville Derckowe situata.
Ciuitas liberauit pratum situm snper Wych iuxta pratum Boltonis ad usus suos perpetuo disponendum.
Viceman ortulanus dabit ciuitati duarum marcarum redditus de quodam agro supra Wich iuxta pratum secus dammonem."

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welche die angegebene Lage noch mehr bestätigen, indem sie genau und ausdrücklich angeben, daß das Dorf vor dem Petrithore am Damme in der Wiese gelegen habe. Im J. 1325 existirte das Dorf nicht mehr.

Auffallend ist es, daß die alten Wohnstätten neben den wendischen Fürstenburgen nach deren Untergange den Namen Wik tragen. So liegt z. B. unmittelbar neben dem alten Burgwalle von Werle auch ein Dorf, jetzt Hof Wik 1 ). Dies waren gewiß die alten "Orte des Verkehrs" oder die "Städte" neben den Burgen 2 ).

Die alten wendischen Wohnstellen in den Sümpfen wurden nach Anlegung der deutschen Städte zuerst gewöhnlich noch von Wenden bewohnt; daher heißt noch heute ein zu den Wiesen und der Warnow führendes Thor Rostocks: das wendische Thor.

Man kann sich also die Verhältnisse der Lage so denken:

das Plateau rechts vor dem Petrithore, wo jetzt die Bleiche ist, unmittelbar an der Warnow, ist die alte wendische Burg Rostock;
   das dahinter am Petri=Damm liegende Plateau gehörte noch zur Burgstätte (Vorburg);
   das dahinter liegende dritte Plateau zwischen dem Petri=Damm und dem einst für kleinere Fahrzeuge schiffbaren Flusse Witingstrang war die alte wendische Stadt Rostock 3 ) oder das spätere Dorf Wendisch=Wik.


1) Vgl. Jahrb. VI, S. 88 flgd.
2) Vgl. Fabricius Urkunden des Fürstenthums Rügen II, S. 92. So lagen am Ausflusse der Hilda (Rik oder Reke) beim Kloster Eldena bei Greifswald zwei Wiken: Wendesche Wic und Densche Wic, zusammen Wicus ante claustrum genannt; vgl. S. 85. So lag eine Vik bei Arkona, jetzt vielleicht der Ort Vitte; vgl. das. I, S. 79. Auch an der Recknitz bei Marlow, welches eine alte wendische Burg hatte, an dem alten Passe nach Pommern, ist eine Wik; vgl. Jahresber. VIII, S. 80.
Vermuthlich ist der Ausdruck nordischen Ursprungs: vik=Bucht, Hafen; - vielleicht rein deutschen Ursprunges, da althochdeutsch wich=Dorf (vicus) heißt; vgl. Graffs Ahd. Sprachschatz.
3) Ein ähnliches Verhältniß findet sich bei Güstrow. Hier lag auch die alte Stadt am rechten Ufer der Nebel an der Stelle der jetzigen Vorstadt vor dem Mühlenthore, bis die Stadt bald nach dem J. 1226 auf die linke Seite des Flusses verlegt ward.
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Die wendische Burg Kessin

hat sich bei einer Untersuchung nicht finden wollen. Bei dem Dorfe Kessin, unweit Rostock, treten die Höhen hoch, steil und zerrissen weit in das Warnow=Thal hinein. Wahrscheinlich ist die Burgstätte in dem Dorfe untergegangen und in diesem Falle schwer und nur durch fortgesetzte Aufmerksamkeit zu finden.