zurück zur Metadatenansicht auf dem Dokumentenserver
zurück
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen [ Seite 51 ] zur nächsten Seite zur letzen Seite
Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

II.

Ueber die Sprache der alten Wenden

in

Meklenburg.


S o lange es eine meklenburgische Geschichte giebt, ist stark das Bemühen hervorgetreten, in die Sprachverhältnisse der alten Wenden einzudringen. An dem Mangel einer gesunden Sprachforschung ist dieses Bemühen mehr oder weniger gescheitert, bis auf die neuere Zeit, deren kräftiges sprachwissenschaftliches Leben nicht wenigen andern Disciplinen erst die feste Grundlage gegeben hat und noch mehr geben wird. Auch der Verein wandte sein Augenmerk auf diesen Gegenstand, indem er umfassendern Arbeiten dieser Art Unterstützung verhieß und vorbereitenden Beiträgen seine ernste Aufmerksamkeit widmete. Was in den verflossenen Jahren seines Bestehens an kleinern Beiträgen eingegangen ist, wird nach sorgsamer Prüfung in den folgenden Abhandlungen mitgetheilt, theils um künftigen Forschern eine Richtung anzudeuten, theils um sie auf die Quellen hinzuweisen.

1.
Uebersicht

der meklenburgischen Ortschaften wendischen Ursprungs, welche nach einheimischen Naturkörpern benannt sind,

vom

wail. M. Siemssen zu Rostock 1 ),

revidirt

vom Bibliothekar Wenceslav Hanka zu Prag.

Ueber die einheimischen Naturalien zur Wendenzeit ist uns leider gar nichts aufbehalten worden. Einige dunkle Spuren


1) Diese Arbeit ist dem Vereine von dem Sohne des uns rühmlichst bekannten Litteraten, dem Herrn Dr. med. Siemssen, aus dem väterlichen Nachlasse (  ...  )
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 52 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

finden wir jedoch noch in den, größtentheils durch das Germanisiren sehr verstümmelten Benennungen unserer Ortschaften, die nach gewissen einheimischen Naturkörpern und physischen Gegenständen benannt worden sind. Die Ueberbleibsel der alten wendischen Namen sind bekanntlich noch im heutigen Polnischen, Böhmischen, Russischen und Lettischen zu finden. Und diese Sprachen slavischen Ursprungs scheinen überhaupt nur in Ansehung des Dialekts von der alten wendischen verschieden zu sein, weil ein Kenner der slavischen Sprache, wie es bei dem Könige von Ungarn Matthias Corvinus der Fall war, mit Türken, Bulgaren, Böhmen, Polen, Russen, Dalmatiern, Serviern und andern slavischen Nationen ohne Dolmetscher sich unterreden kann. Man ist darin einverstanden, daß die Endungen der wendischen Namen ihre bestimmte Bedeutung haben; die Endsylbe (-itz) bedeutet so viel als: Sitz, Wohnung oder Ort, (-ow) oder (-owe): Aue, Gegend, und die Endsylbe (-in) ist mit: Feld einerlei. Die erstern Sylben in den wendischen Namen scheinen aber die natürliche Beschaffenheit des Orts anzuzeigen. Einige dieser Benennungen erhalten ihre Bestätigung durch die alten wendischen Ritterwappen.

1. Benennungen nach Körpern aus dem Thierreich.

Barendorf: die ersten Sylben scheinen altwendisch zu sein, von Baran: Schaaf.

Barnekow: bedeutet eine Schaafgegend, vom böhmischen Beranek: ein Lamm. Die Herrn von Barnekow führen einen halben Widder im Wappen.

Barkow: Bienengegend, von Bari: Bienenstock.

Belitz: Ort, wo Weißfische zu haben sind, von Belice: Weißfisch == Witing.

Doberan: von Dobra: gut, und Beran: das Lamm == agnus dei. (In Böhmen ist eine Stadt Dobran: der Gütige. W. Hanka.)

Konow: Pferdeort, von Kon: Pferd.

Kassow: Entengegend, von Kaczka: Ente. (Bei uns ist auch ein Kasow, wir leiten es aber von Kase: Grütze, Brey, her. W. H.)

Kossow: Amselort, von Kos: die Amsel.

Koebelich: von Kobilka: Heuschrecke. (Lieber von Kobyla: Stute; die Bedeutung könnte: Gestüt, sein. W. H.)


(  ...  ) mitgetheilt. Hanka äußerte sich sehr günstig über diese Arbeit und theilte einige Nachträge zu derselben mit, welche in ( ) mit W. H. eingeschaltet sind. - Einen ähnlichen Versuch von Rudolphi enthält Patriot. Archiv IV, 1, S. 56.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 53 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Karwitz: Kuhort, von Karwe: Kuh (litthauisch).

Krepelin: Wachtelfeld, von Krepelice: Wachtel.

Krukow: Rabenort, von Kruk: Rabe.

Jeese, Jesendorf, Jesenitz, Jesow: vom poln. Jez: Igel. (In Böhmen giebt es mehrere Jessenitz und wir leiten es von Jesen: die Esche, Eschenholz. Jeese und Jesow können von Jez: Igel, abgeleitet werden. W.H.)

Labenz: Schwaan (polnisch). (Könnte auch: Elbdorf, von Labe sein. W. H.)

Lanken: von dem lettischen Lanka: Aue.

Lischow: Fuchsgegend, von Lis, Liska: Fuchs.

Maslow: Buttergegend, von Maslo: Butter.

Muchow: Fliegenort, von Mucha: Fliege.

Muess: Maus (böhmisch).

Pannstorff: Jungferndorf, von Panna: Jungfer.

Rakow: Krebsgegend, von Rak: Krebs.

Ribnitz: Fischort, von Ryba: Fisch. - Die Herrn von Rieben führen auch einen Fisch im Wappen.

Schabow: Bratenort, von Schab: Schweinebraten. (Ich möchte es lieber von Zaba: Frosch, ableiten. W. H.)

Sukow: Hundeort, von Suka: Hund. (Könnte auch von Suk: Ast, deducirt werden. W. H.)

Teterow: Auerhahnsgegend, von Tetrew: Auerhahn.

Turow: Auerochsengegend, von Tur: Auerochs.

Wewerin: Eichhörnchenfeld, von Wewerice: Eichhörnchen.

Wilsen: Wolfsgegend, von Wilczg: Wolf.

Woserin: Wespenfeld, von Wosa: Wespe.

Zapel: Froschgegend, von Z'aba: Frosch. (Eher von Czapla: Reiher. W. H.)

Zena: Frauenort, von Zena: Frau.

2. Benennungen nach Körpern aus dem Pflanzenreich.

Beselin: Feld, wo Flieder wächst, von Bez: Flieder, Hollunder.

Bobbin: Bohnenfeld, von Bob: Bohne. (In Böhmen ist ein Berg mit einer Burgruine Baubin, als Hexenberg bekannt. W. H.)

Brütz: Birkenort, von Bryza: Birke.

Bukow: Buchenort, von Buk: Buche.

Drewitz: Holzort, von Drewo: Holz.

Gessin: Eschenfeld, von Gesen: zähe Esche.

Grabow: Ort, wo Hagebuchen wachsen, von Grab: Hagebuche.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 54 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Lipen: von Lipa: Linde.

Lusewitz: Kienort, von Luczywo: Kien, Harz. (Morastort, von Luz'o: Pfütze; Luz'ice heißt: Lausitz, eben daher. W. H.)

Lukow: Zwiebelort, von Luk: Zwiebel.

Mechelsdorf: von Mech: Moos.

Passée und Passow: Viehweidegegend, von Pasza: Viehweide.

Pieversdorf: von Piwo: Bier.

Rez: von Rez: Korn.

Steblow: von Steblo: Grashalm.

Tarnow: Dornenort, von Tarn: Schwarzdorn.

Tellow: Kälberort, von Tele: Kalb.

Tressentin: Kirschengegend, von Tressne: Kirsche. (Wäre dort Moorerde, so könnte es von tresu: zittern, abgeleitet werden; wir haben Tresetin; das mittlere n ist ein Rhinismus. W. H.)

Wesenberg: von Wes: Laus. (:Dorf, in allen Dialekten. W. H.)

Wischendorf: von Wischni: Pflaume.

Zehlendorf: von Zely: Kraut.

Zibühl: Zwiebelort, von Cybule: Zwiebel.

Zittow: Korngegend, von Zyto: Korn, Getraide.

3. Benennungen nach Körpern aus dem Mineralreich.

Brühl: von Bryla: Erdscholle.

Glinke: Ort, wo sich Lehm findet, von Glina: Lehm.

Gorow und Goritz: bergige Oerter, von Gora: Berg.

Ilow: Mergelort, von Il: Mergel zum Düngen.

Kahlden: Morastort, von Kal: Morast, Koth.

Kamin: von Kamien: Stein.

4. Benennungen nach andern physischen Eigenschaften.

Goelnitz: von Golnitza: ein kahles Land.

Kreien: von Krey: Landschaft.

Flotow: kothige Gegend, von Blotow: Koth.

Gnoyen: von Gnoy: Koth.

Priwall: stürmische Gegend, von Prywal: Sturmwind.

Reknitz: von Reka: Fluß.

Rohlsdorf: von Rola: Acker.

Rowa: von Row: der Graben.

Seran: von Ser: Käse.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 55 zur ersten Seite zur vorherigen Seite

Stawenhagen: von Staw: der Teich.

Wostrow: Halbinsel.

Anm. Die Endsylbe:
    - itz bedeutet: Sitz, Wohnung, Ort.
    - ow oder owe: Aue, Gegend.
    - in: Feld.