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VIII.

Herzog Karls
Schwedische Kriegsdienste
Im Dreißigjährigen Krieg

von

Georg Tessin

 

Vignette
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I.

Herzog Karl war der zweite, am 8. März 1626 geborene Sohn des Schweriner Herzogs Adolf Friedrich I. und war später mit der Johanniterkomturei Mirow und einigen anderen Einkünften abgefunden. Im Gegensatz zu seinem Bruder Christian, dem späteren Herzog Christian Louis I., der schon in seiner Jugend ein schwer zu nehmender Charakter war, war er der erklärte Liebling seines Vaters. Seine Jugend fiel in die blutigen Jahre des Dreißigjährigen Krieges, in denen auch am Fürstenhofe in Schwerin das Leben recht einfach und oft dürftig war. Trotzdem unterließ der Vater es nicht, seinem Lieblingssohne die Ausbildung zu geben, die für einen Fürstensohn der damaligen Zeit die übliche war. Vor allen Dingen galt es, durch eine Reise oder, wie man sagte, eine Kavaliertour den Überblick zu erweitern. Reisen in Deutschland waren unmöglich. Kreuz und quer durch das ausgesogene Land zogen die schwedischen, franzöischen und kaiserlichen Heere. So kam es, daß Prinz Karl im Herbst 1644 über Aurich nach Holland und von dort in Begleitung seines Hofmeisters Dietrich von der Lühe nach Frankreich reiste. Längere Zeit hielt er sich auf der französischen Universität Saumur an der Loire auf. Hier spürte man nichts von den Schrecken des Krieges, der die Heimat verwüstete. Frankreich war gerade damals unter dem Kardinal Mazarin in dauerndem Aufstieg begrifen. Die einzige Sorge des jungen Prinzen war, daß die Gelder aus der Heimat für seinen französischen Aufenthalt rechtzeitig und sicher übersandt wurden. Im Herbst des nächsten Jahres führte die Reise den Prinzen über Marseille nach Italien. Im Februar 1646 nahm er am Karneval in Venedig teil. Im Juli war der Prinz in Genf, im September wieder in Paris. Von hier reiste er über Amsterdam und Hamburg in die Heimat zurück. Im nächsten Jahre (1647) wurde Herzog Karl in Begleitung des mecklenburgischen Gesandten nach Stockholm gesandt. Es war notwendig geworden, die Beziehungen zu Schweden mit allen Mitteln zu festigen. Seit Jahren tagten schon die Unterhändler der kriegführenden Parteien in Münster und Osnabrück. Schon war es sicher, daß Mecklenburg in dem zu erwartenden Frieden Wismar endgültig verlieren würde. Es kam jetzt nur darauf an, mit Schwedens Hilfe bei dem westfälischen Länderschacher möglichst große und wertvolle Entschädigungen zu erhalten. Gleichzeitig war es wieder einmal nötig, dort Klage über die Erpressungen und

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Verheerungen der schwedischen Truppen und vor allen Dingen der wismarschen Garnison in Mecklenburg zu führen. An dieser Reise des mecklenburgischen Beauftragten Hein nahm auch Prinz Karl teil.

Für Herzog Karl hatte die Reise noch einen weiteren Grund. Eine Aussicht auf eine Erbfolge in Mecklenburg war für ihn nicht vorhanden, und die Sorge seines Vaters ging dahin, für den jungen zwanzigjährigen Prinzen rechtzeitig ein standesgemäßes Auskommen zu sichern. Dafür kam im Kriege, in dem Bürger und Bauer verarmte, nur der Stand des Offiziers in Frage. Schon hatten mehrere schwedische Obersten von der erworbenen Kriegsbeute sich Güter in Mecklenburg gekauft. Nur im Felde konnte ein junger Prinz hoffen, seine "Fortune" zu machen. So benutzte er die Gelegenheit seines Besuches in Schweden, der jungen Königin Christine seine Dienste anzubieten und ihr seine Bereitschaft zu erklären, zum Besten des gemeinsamen evangelischen Wesens ins Feld zu gehen. Obgleich er noch an keinem Feldzuge teilgenommen hatte, bat er die Königin, ihm ein Regiment zu Pferde als Oberst zu verleihen. Aber man wußte in Stockholm, wie ungern die Feldherren die Anstellung fürstlicher Personen bei der Armee sahen, und wie leicht auch die alten bewährten Reiteroffiziere sich bei einer derartig bevorzugten Beförderung übergangen fühlen konnten. Auch rechnete man jetzt mit einer baldigen Beendigung des langen Krieges. So versuchte man in Stockholm, dem Prinzen abzuraten und ihn zu vertrösten. Da er aber fest bei seiner Absicht verharrte und die schwedische Regierung es nicht zu einem Bruch mit ihm und seinem Vater kommen lassen wollte, erhielt er am 16. August 1647 eine Empfehlung an den Höchstkommandierenden der schwedischen Truppen in Deutschland, Feldmarschall Wrangel, ihn bei der Armee zu verwenden, um ihn, falls er sich wirklich "capabel" machte, später einem Regiment vorzustellen. Gleichzeitig erhielten die Kommandanten der schwedischen Truppen in Wismar, Dömitz, Gardelegen und Leipzig Anweisung, die Reise des Prinzen mit seiner "Suite, Bagage, Pferden, Wagen und allen angehörigen Sachen" nach Möglichkeit zu begünstigen.

Nach Mecklenburg zurückgekommen, galt es, die Feldequipage zu beschaffen. Zur Begleitung des Prinzen ins Feld wurden für nötig erachtet: ein Hofmeister, ein Edelmann, ein Kammerdiener, zwei "in Liberey", von denen der eine ein

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wenig von der Küche verstehen mußte, ein Leibknecht, drei Stallknechte, drei Kutscher, zwei Diener für den Hofmeister und ein Diener für den Edelmann. Im ganzen waren es neben dem Prinzen 15 Personen, dazu kam ein Rüstwagen mit sechs Pferden und eine Kalesche mit vier Pferden, so daß die ganze Suite mit den Reitpferden 26 Pferde umfaßte. Die Kosten an Kleidung, Pferden und Wage wurden auf 1275 Reichstaler veranschlagt. Das Schwierigste an der Ausrüstung war, diese Gelder zu beschaffen. Außer ihnen mußte der Prinz weitere Beträge für Verpflegung und Unterkunft auf der Reise bei sich führen. Die herzogliche Schatulle gab beim besten Willen diese Gelder nicht mehr her, und so begann man im Januar und Februar 1648 von Schwerin aus mit Versuchen, dies Geld zu beschaffen. Der Kommandant von Wismar war bereit, 1000 Taler von dem ihm zustehenden und von der Admiralitäat in Stockholm versprochenen Geldern vorzuschießen, aber ein Versuch, 1000 Taler von den schwedischen Licentgeldern freizumachen, schlug fehl. Gleichzeitig wurde der Oberstleutnant und Kommandant von Lübeck, Heinrich Lübbecke, um 500 Taler angepumpt. Empfehlungsschreiben ergingen an den Feldmarschall Wrangel und an den Generalleutnant Hans Christoph von Königsmark. Nach dem mitgegebenen Memorial sollte der junge Prinz sich bei der Armee Quartier und Unterhalt geben lassen, um sich und die seinigen notdürftig zu versorgen, denn es wäre unmöglich, ihm von Hause aus etwas nachzuschicken. Vor einer wirklichen Anstellung habe er hoffentlich soviel Zeit, den Rat des Vaters einzuholen. Falls er vor Antritt einer Charge wider Verhoffen gefangen würde, werde man ihn hoffentlich als Volontär behandeln und ohne Rantzion freilassen. Auf alle Fälle stellte ihm der Herzog ein väterliches Zeugnis aus, daß der Prinz nur als Volontär zur Armee geschickt sei, um etwas zu sehen und zu lernen, das ihm in Kriegs- und Friedenszeiten nützlich und seinem Vaterlande ersprießlich sein möge.

Die zahlreichen persönlichen Briefe des jungen Prinzen von der Reise und während des Aufenthalts bei der Armee geben ein hübsches Bild seiner Liebe zu seinen Eltern und Geschwistern. Immer wieder spricht aus ihnen die Sorge um das Wohlergehen seines meist kranken Vaters, seiner Mutter und seiner Geschwister. Daneben geben sie aber auch Einblick in die trostlosen Zustände in allen Teilen unseres Vaterlandes in diesem letzten Jahre des blutigen Dreißigjährigen Krieges.

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Die Schwedische Armee unter Wrangel war in den letzten Tagen des Dezember 1647 bei Oldendorf 1 ) zusammengezogen. Aus Hessen marschierte Wrangel südwärts an den Main, um die Ankunft der Franzosen unter dem Feldmarschall Turenne abzuwarten. Auf der Gegenseite waren die Kaiserlichen auf seinen Anmarsch hin bis in die Gegend von Nürnberg zurückgewichen. Am 26. Februar 1648 brachen die beiden verbündeten Armeen der Schweden und Franzosen südwärts auf, um den Feind aus Franken zu vertreiben. Am 8. März wurde Windsheim genommen, die Kaiserlichen wichen über die Donau bei Ingolstadt zurück. Jetzt bestand Uneinigkeit zwischen den Verbündeten. Wrangel wollte die schwedische Besatzung in dem von den Kaiserlichen hart blockierten Eger entsetzen, die Franzosen dagegen die Verbindung an den Rhein nicht aufgeben und lieber in Schwaben operieren. Schließlich entsandte Wrangel den Grafen Königsmark mit 2000 Mann, um Eger mit Lebensmitteln zu versorgen, während die Hauptarmee weiter in Franken operierte. Am 1. April stand Wrangel bei Feucht und Turenne bei Dinkelsbühl. An diesem Tage kam der Herzog Karl bei der schwedischen Hauptarmee an.

Der Prinz hatte am 25. Februar 1648 Schwerin verlassen und war über Hagenow, Boizenburg, Bleckede, Altenstadt nach Celle gereist. Seinen französischen Lakai sandte er schon nach wenigen Tagen zurück in derBefürchtung, daß er bei der Armee zu wenig zu gebrauchen sein werde, da er der Sprache unerfahren sei. Er solle solange seiner Schwester Sophie Agnes aufwarten. Von Celle ging die Reise weiter über Hannover, wo Prinz Karl am 4. Mai eintraf und drei Tage Aufenthalt nahm, dann über Braunschweig, Quedlinburg, Ballenstedt, Frankenhausen nach Erfurt. In Erfurt traf er am 14. März ein und berichtete von hier seinem Vater über den bisherigen Verlauf der Reise:

"Hochgeborner Fürst, gnediger herzvielgeliebter und hochgeehrter Herr Vater! Euer Gnaden kan ich unberichtet nicht lassen, daß, nachdem ich mich mit dem Obersteutnant Peege (welcher die desmundirte Reuter im Lande zu Braunschweich und Lüneburch wieder beritten gemacht und in 600 Pferde starck nach der Armee zu gehen gedenckt) conjungirt, ich den 14. Martii alhier zu Erffurt glücklich und wohl angelanget. Gedachter Oberstleutnant hat mich bis dato sehr höflich traktiret, und ist mir lieb, daß ich zu seine Geselschaft gekommen.


1) In Hessen.
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Ich hette sonst nicht gewußt, wie ich sicher hette sollen zur Armee kommen, denn noch eine keyserliche Partey von 50 Pferden vor drey oder vier Tagen über die Saale gegangen, welche mich, da ich allein gewesen, wohl hetten bey Nachtzeiten pussen machen können. Er hat hüpsche Truppen bey sich, wen er sie nur so zur Armee gebracht hette, den fiele davon schon wieder zu Fuße lauffen. Es gehet mir vor meine Persohn auch noch gar wol. Die Bauren müssen das Gelach bezahlen, und jammert mir man der armen Leute ihr Weheklagen. Da wir hinkommen, finden wir auch halt keine Leute, müssen also alles mit uns führen, wovon wir und unsere Pferde uns unterhalten müssen. Habe also noch zwey Rüstwagen zulegen müssen, Proviant mit mir zu füren, und mus ich so viel von hier mitnehmen, daß ich genug bis zur Armee habe, den die Dörffer hier herumb so ruiniret und man nicht eins Heu vor die Pferde bekommen kan, daß ich also mein bahr Geld verzehren mus, und, solte ich nicht Hoffnung haben, in Künftige was wieder dabey zu erwerben, würde mir der Krieg sehr beschwerlich vorkommen, den wen man das Seinige verzehren wil, kan mans ja mit besserm Gemach tun und darf anders keine Molestie, wie schon geschehen, machen Es scheinet aber wol, wie ich von die Offizierer verstanden, daß weinig beim Krieg itziger Zeit zu prosperiren und das, was sie vor diesem dabey erworben, zusetzen müssen, daß ich ni größer Fortune werde machen als sie. Als ist mein kindgehorsamliche Bitte, Euer Gnaden wollen sich gnedich belieben lassen und mir noch was Geld übermachen zu lassen (weil das mitgenommene aus angezogener Ursachen mehrenteils darauf gegangen), damit ich in keinen Schimpf möge geraten. Von der Armee, wils Gott, will ich Euer Gnaden ausführlicher schreiben, wie mir der Krieck ansteht, und was ich vor Tractament dabey zu verhoffen. Wir haben noch etliche Weil bis zur Armee. Der Feldmarschall hat Winsen bey Nurenberg attaquiret und schon eingenommen, wird also nicht lange da bestehen bleiben. Nun ich befehle Euer Gnaden in Gottes Schutz und mich zu Euer Gnaden beharlichen Affection. Bitte alle Zeit mein gnediger Herr Vater zu sein und zu verbleiben. Ich sterbe Euer Gnaden getreuer und gehorsamer Sohn und Diener bis an mein Ende. . . . Carl, HzM., mpp."

Übermäßig erbaut von seinen soldatischen Aussichten scheint der Prinz schon nach diesem ersten Schreiben an seinen Vater nicht mehr gewesen zu sein. Von Erfurt reiste er über Mühl-

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berg, Schmalkalden, Kissingen, Schweinfurt, Neustadt nach Nürnberg und traf am 1. April im Hauptquartier der schwedischen Armee, drei Meilen von Nürnberg, ein. Im Verbande der Armee marschierte er auf Dinkelsbühl. Aus dem Lager vor der Stadt ist sein nächster Brief datiert. Außer mit seinem Vater korrespondiert er auch mit dem Geh. Sekretär Simon Gabriel zur Nedden; ist dieser es doch, der dafür sorgen soll, daß er weitere Geldmittel von zu Hause erhielt. Nach Eroberung von Dinkelsbühl, das mit einer Kompanie zu Fuß und zu Pferde besetzt wurde, marschierten die Schweden nach Göppingen. Turenne nahm sein Hauptquartier in Reutlingen, eine halbe Stunde von dort. "Die kaiserliche und kurbayrische Armee steht jenseits der Donau bei Donauwörth; was sie beiderseits traktieren werden, lehret die Zeit", schreibt der Prinz am 23. April aus Göppingen. Über seine Aussichten bei der Armee sollte der Oberstleutnant Markwart Ernst Pentz, der nach Schwerin reiste, dem Herzog mündlich berichten.

Die Reise des Herzogs Karl zur schwedischen Armee war nicht unbemerkt von kaiserlicher Seite geblieben. Der mecklenburgische Gesandte in Osnabrück, Dr.Keyser, berichtete, daß die kaiserlichen Gesandten ihm vorgeworfen hätten, alle Zeitungen seien voll davon, daß ein Herzog zu Mecklenburg mit Völkern zur schwedischen Armee gekommen wäre und sich gegen das Reich und die kaiserliche Majestät habe bestellen lassen. Er habe ihnen darauf geantwortet, Herzog Karl habe sich auf keine wirklichen Dienste eingelassen, sondern sei nur als Volontär zur Armee gereist. Trotzdem habe ihm der eine kaiserliche Gesandte geantwortet, vom Kaiser wolle Mecklenburg Wohltaten und Hilfe und gleichzeitig helfe man, diesen mit eigenem Blut bekriegen. Auf seine Entgegnung, ob denn ein einzelner Herr so großen Schaden tun könne, der nur etwas sehen und lernen wolle, um später dem Kaiser und dem Reich in Notfällen dienen zu können, hätte der andere Gesandte geantwortet, warum man dann ihn nicht zu ihrer Armee gesandt hätte. Das sei nicht möglich, solange die Schweden Herr im Lande wären, antwortete Keyser, gab aber gleichzeitig dem Herzog zur Erwägung, ob man nicht den anderen Sohn, Herzog Hans Georg, zur kaiserlichen Armee des Erzherzogs Leopold Wilhelm senden könne, damit dieser sich bei jener Armee vervollkommnen und des Krieges gewohnt werden könne. Man entschloß sich jedoch, diesen nach Möglichkeit zur französischen

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Armee zu senden. Herzog Karl erhielt aber mit Schreiben vom 28. April die Aufforderung seines Vaters, sich nicht in wirkliche Kriegsdienste einzulassen, zumal bei diesen doch zur Zeit nichts zu prosperieren und zu erwerben sei, vielmehr solle er sich angelegen sein lassen, mit guter Manier und Reputation davon abzukommen, zumal der Herzog keine Mittel habe, mehr Gelder nachzuschicken. Diesen Brief erhielt Herzog Karl am 19. Mai.

Inzwischen hatte die verbündete Armee bei Ulm einen Übergang über die Donau versucht. Aber erst, als die Kaiserlichen und Bayern sich auf Augsburg zurückzogen, überschritten Wrangel und Turenne mit neun Reiterregimentern die Donau und überraschten das feindliche Heer am 6. Mai im Lager bei Zusmarshausen. Am folgenden Tage wurde in der Verfolgung die feindliche Arrieregarde von 3200 Mann unter Montecuculi völlig aufgerieben, während die Hauptmacht der Gegner sich nach Augsburg retten konnte. Über diese Ereignisse berichtet Herzog Karl am 5. Mai aus dem Lager von Langenau bei Ulm: "Die Armee betreffend, stehen wir itzunder jegen dem Feinde bey Ulm und seindt wir auf diese Seite und war auf der ander Seiten der Donau der Feindt, ist aber schon wieder aufgebrochen und marschieret nach Augsburg zu, hat alle Brucken, über die Donau zu kommen, ruiniert. Wir werden aber welche wieder bauen, ihn zu verfolgen, und weil wir uns mit Tourein conjungieret, versuchen, ob der Feindt zum Stande zu bringen sei, da es dann wol lustige Hendel setzen dürfte. Gott dirigiere es alles nach seinem väterlichen Willen, daß es zu seiner Ehren und den Evangelischen zum Besten aufschlagen möge. Sollte eine oder ander Partei unterliegen, dürfte es wohl schwerlich Friede werden." Diesem Brief liegt ein mit Bleistift geschriebenes Postskriptum folgenden Inhalts bei: "Nach geschlossenem Briefe seind wir aufgesessen und den Feind verfolget, haben ihn ranccontrieret 4 Meilen von Augsburg, dahin wir ihn auch confoyrt 2 ). Graf Holtzappel ist geblieben und 2 Obersten, 2 Obristleutnants und 1000 Mann vom Feinde geblieben. Wir haben uns heute wieder zum Fechten präsentiert, hat aber nicht stehen wollen." Das letzte Schreiben des Herzogs ist aus dem Hauptquartier bei Augsburg vom 10. Mai


2) convoyiert.
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datiert. Am 17. Mai gab Gronsfeld 3 ) den Lech auf und ging über die Isar auf den Inn zurück. Bayern wurde von den Verbündeten besetzt. Ein Übergang über den Inn scheiterte aber. Erst Mitte Juni konnte die kaiserlich-bayrische Armee wieder an den Vormarsch denken. Ihnen gegenüber bezogen die Verbündeten ein Lager bei Dingolfing auf dem rechten Ufer der Isar. Die Kaiserlichen standen ihnen mit 24 000 Mann bei Landau gegenüber, wie der Sekretär des Herzogs am 21. Juli berichtet. Der Herzog selbst war nicht mehr bei der Armee, sondern war zu einer Besprechung bei dem erkrankten Vater nach Hause geeilt, wo er Ende Juni eintraf.

II.

Zum Oberbefehlshaber aller schwedischen Armeen in Deutschland war am 23. Mai 1648 der Pfalzgraf Karl Gustav, der Vetter der jugendlichen Königin Christine und ihr späterer Nachfolger auf den schwedischen Thron, ernannt worden. Er landete Mitte Juli mit Verstärkungen in Pommern und brach einen Monat später von Havelberg zum Marsch nach Böhmen auf, wo der Graf Königsmarck bereits einen Teil der Stadt Prag besetzt und Verstärkungen aus Schlesien herangezogen hatte. Auch Herzog Karl entschloß sich, wieder zur Armee zu gehen. Über den ersten Teil seiner Reise berichtet er aus Leipzig am 6. September an seinen Vater: "Wasmaßen, nachdem ich den 20. Augusti von E. Gn. meinen unterthenigen Abscheidt genommen, ich meinen Wegk recta nach Leipzig angestellet. Wie ich aber verstanden, als ich nach Sandau gekommen, daß, wan ich des Pfaltzgraven Marsch wurde folgen, ich keine Lebensrnittel so wol vor mir als vor meine Pferde finden wurde, habe ich meinen Wegk nicht nach Jericho genommen, da sonst der rechte Marsch ist hin gegangen, sondern habe mich mit Kahnen zu Sandow über die Elbe setzen lassen und so nach Tangermunde ubergangen. Von dannen bin ich nach Salsen, Kalbe und so nach Hal zu gegangen, alda ich mich 4 Tage aufgehalten. Meine Schwester 4 ) hat unter der Zeit eine junge Tochter bekommen und ist allda große Freude vorhanden. Sie war zimlich krank, aber nun ist sie, Gott lob, wieder lustig. Ich habe gestrigen Tages meinen Abscheidt wieder


3) Bayr. Feldmarschall, führte nach Holzapfels Tode das bayrisch-kaiserliche Heer.
4) Anna-Maria, verh. mit dem in Halle residierenden Herzog August von Sachsen, Administartor von Magdeburg.
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genommen und nach Leipzich, alda ich mich itznder befinde, verreiset, alda ich den Pfaltzgraven nebenst Graf Magnus 5 ), welcher Juverneur über diesen Estat verbleibet, angetroffen. Er wird zwar noch was mit nach der Hauptarmee gehen, aber seine Gemahlin wird wol alhie verbleiben. Des Pfaltzgraven Marsch betreffend, ist derselbe von Sandow auf Jericho, von da auf Cerbst und so auf Aques 6 ), alda er über die Elbe gegangen, gewesen. Unser itziges Hauptquartier ist zu Eulenberch und ist die Vermutung, das wir morgendes Tages von hier aufbrechen werden. Wo wir aber eigentlich hingehen werden, kann ich nicht erfahren. Die Keyserlichen sindt aufgebrochen aus Beyern und gehen, Prag zu entsetzen. Ich halte wol, das unser Marsch auch dahin gerichtet ist. Es durffte wol was dafür setzen. Gott dirigiere es zu seinen Ehren und unser aller Besten. Vom Frieden ist es gantz stil und stößt sichs an der Franzosen ihrer Satisfactio. Sie haben eine herliche Bataille wider den Erzherzog Leopolt erhalten, da über 5000 gefangen und ebensoviel auf der Wahlstatt geblieben 7 ). Er selber sol mit genauer Noht davon kommen sein. Die Studenten dieses Orts haben dem Pfaltzgraven eine herrliche Music gebracht und seindt die Vornempsten von ihnen gar freundtlich empfangen worden. Landtgraff Fritz ist Juverneur in Westphalen geworden und wirdt er wol schwerlich wieder zu Armee kommen."

Die Armee des Pfalzgrafen brach am 11. September von Leipzig auf, überschritt bei Presnitz das Erzgebirge und traf am 24. September mit 8000 Mann bei Prag ein. Sofort wurde die Moldau auf der durch Königsmarck gebauten Brücke überschritten und die Belagerung der Ostseite begonnen. Aber die Besatzung und die Bürgerschaft verteidigten sich tapfer, und es fehlte an schwerer Artillerie. Auf die Nachricht von dem Anmarsch eines feindlichen Entsetzungskorps hob der Pfalzgraf am 24. Oktober die Belagerung auf. Zur Schlacht kam es nicht mehr. Die Nachricht vom abgeschlossenen Westfälischen Frieden machte allen Bewegungen ein Ende. Aus dem Feldlager vor Prag liegt wiederum ein interessantes Schreiben des Herzogs Karl vom 8. Oktober vor: "Liegen itzunder vor Prag, welches wir sehr hart beschossen, also das die Turmer und


5) Graf Magnus de la Gardie.
6) Aken a. d. Elbe.
7) Schlacht bei Lens.
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Mauern schon gesellet, haben auch schon einmal gesturmet undt die Schantz, so vor dem Galgenbergstor liegt, erobert. Weil aber die Schantz einen Abscheidt gehabt, haben wir das Mahl nicht weiter kommen können. Wir haben ihnen sonsten mit Miniren sehr zugesetzt, in Meinung, die Mauern über den Haufen zu werfen. Weil sie aber gutte Minierers in der Stadt haben, contraminiren sie und machen unsere Werck zunicht. Itzunder aber seindt wir ihnen so nahe gekommen, das wir die Mauern entlang miniren und Stützen darunter setzen, damit sie, wenn Feuer an die Stützen gemacht wird, herrumb fallen möge, welches mit Gottes Hulff morgendes Tages geschehen wirdt, und wird alsdan wol zugleich ein Generalstorm vorgehen. Gott gebe nur zu Glück. Die Stadt ist wol gewis unser, den sie sich keines Succurs zu vermuten, und da die Bürger und Studenten, welche sich bis dato mitgewehret, kleinmuhtich werden, weil sie sehen, wan es mit Gewalt solte übergehen, das es ihr Haab und Gut, auch wol ihr Leben, treffen würde. Zu dem mach auch wol Mangel an Pulver und Lunten, wie die Gefangenen aussagen, darin sein. Der Coloredo hat vor etzlichen Tagen herausgeschickt und, zu accordieren, Conditiones vorgeschlagen, nemlich, das sich der Pfaltzgraf belieben lassen möchte, die Stadt und die Kleineseiten (welche ohne das unser ist) neutral zu halten, und begerten sie so viel Soldaten, als der Pfaltzgraf auf der Kleinen Seiten lassen wollen, auch da als Salveguardie zu lassen. Ingleichen möchte der Pfaltzgraf in der Alten Stadt eben so viel Volcks als sie hineinlegen, das übrige Volck aber solte von beyden Teilen abgefuhret werden. Darauf der Pfaltzgraf geantwortet: Er verstunde sich zu keinem andern Accort, als daß er die Stadt übergeben solte und mit seinen Knechten abziehen, werde er solches nicht tun, so möchte er erwarten, was davon kehme. Darauf Coloredo gebeten umb einen halben Tag Dilation, sich mit den Stenden zu bereden, welches ihm erlaubet, und hat er heut den 8. Octobris seine Resolution wieder schriftlich herausgeschickt, nemlich, daß er sich mit den Stenden beredet, und befunden sie nebst ihm, das sie hierinnen nichts tun könnten, sie müßten Ordre von Ihr Keyerliche Maytt. oder von Graf Schligk erwarten, begerten also, daß man ihnen, einen Trompeter, dahin zu reisen, verlauben möchte, würde ihnen das abgeschlagen werden, müsten sie sich als Soldaten wehren. Wie das nun weiter ablaufen wirdt, gibt die Zeit. Die Hauptarmee befindet sich, wie man saget, bey Regensburch. Möchte wünschen, das sie bei uns were, damit ich zu meinem Regiment gelangen könnte.

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Ich muß hier vor mein bahr Gelt leben, da rint herumb nicht viel zu bekommen, welches mich dan sehr verdrislich feldt. Meine Pferde fangen an, den Wurm zu bekommen. Der Pfucks helt sich Gott lob noch recht wol und weis er sich wol in die Possen zu schicken. Nun weil ich keine Materie mehr zu schreibn, befehle ich E. Gn. in Gottes Schutz, mich aber zu dero beharrlicher väterlicher Affection, als der ich zu leben und sterben gedencke, an was Orth ich sein magk, E. Gn. getreuer und gehorsamer Sohn und Diener auch bis in mein Grab Carl, HzM. Mpp. P.S. Ich hette gern an die Frau Mutter undt Sophia-Agnes 8 ) auch geschrieben, habe aber, weil der Sturm vorgehen sol, der Weile nicht. Sollen also mit E. Gn. Permission ihre Begrüßung alhier finden auf ein ander Mahl. Wen die Stadt über, wil ich mich desto fleißiger mit Schreiben einstellen. . . ."

Die Hoffnung des Herzogs auf baldige Einnahme von Prag erfüllte sich, wie gesagt, nicht. Aus dem Schreiben geht hervor, daß Herzog Karl zu Mecklenburg jetzt endlich zum Chef eines schwedischen Regiments ernannt war. Die Bestallung ließ sich unter nachgelassenen Papieren des Herzogs nicht finden, auch das schwedische Kriegsarchv in Stockholm konnte keinerlei Mitteilungen machen. Aus dem weiteren Briefwechsel geht hervor, daß er sich um das Regiment zu Pferde handelte, das bisher den Obersten Kettler zum Inhaber gehabt hatte. Das Regiment hatte nach einer schwedischen Liste 8 Kompanien und 319 Reiter. Es hatte bei der Hauptarmee gestanden und war nach Abschluß des Friedens in nürnbergisches Gebiet verlegt worden. Der Vater hatte sich über die Bestallung des Sohnes gefreut, riet ihm aber, nach abgeschlossenem Frieden nach Hause zurückzukehren und die überzähligen Diener zu entlassen. Zunächst begab sich Herzog Karl aber doch zu seinem Regiment nach Rothenburg ob der Tauber. Die Abdankung der schwedischen Truppen zog sich monatelang hin, da die deutschen Stände hierfür 5 Millionen Taler aufbringen mußten. Am 8. Januar 1649 war der Herzog zu Plochingen 9 ), am 18. in Marbach 9 ). Dort stand er auch am 13. Februar. Zwischendurch war der Herzog nach Erfurt gereist, um vom Pfalzgrafen zu erfahren, ob das Regiment in schwedischen Dienst behalten oder abgedankt werden sollte. Es ging das Gerücht, daß ein


8) Sophie Agnes, Schwester des Herzogs Karl, sp. Äbtissin von Rühn.
9) Beide Orte am Neckar, heute würtembergischer Neckarkreis.
9) Beide Orte am Neckar, heute würtembergischer Neckarkreis.
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Teil der Regimenter an die Franzosen überlassen werden sollte, andere sollten abgedankt und die Mannschaften auf die bestehen bleibenden Regimenter verteilt werden, um stärkere Regimenter mit weniger Offizieren zu haben. Der Herzog glaubte nicht, daß die deutschen Regimenter sich ohne weiteres nach Frankreich schicken lassen würden. Er würde das tun, was die übrigen deutschen Obersten ebenfalls täten. Im Frühjahr 1649 war der Herzog auf die dringende Bitte seines Vaters nach Schwerin gereist. Am 9. April traf er wieder in Erfurt ein und berichtete, daß die vier Regimenter, die von den weimarschen Truppen zu den Schweden gekommen waren, zuerst abgedankt werden sollten, die andern Regimenter sollten nur reduziert werden, und zwar sollten immer aus acht Kompanien vier gebildet werden. Von Erfurt reiste der Herzog nach Nürnberg und berichtete am 19. April, daß dort in Kürze der schwedische Generalissimus und der kaiserliche Feldmarschall Picolomini zu den Verhandlungen über die gegenseitige Abdankung der Truppen erwartet würden. Beide Teile würden große Pracht aufwenden, für etliche tausend Taler seien stattliche Livreen bestellt worden. Nürnberg sei ein recht teures Pflaster, und er werde so bald wie möglich zu seinem Regiment reiten. Der Befehl, die Regimenter auf vier Kompanien zu reduzieren, sei schon widerrufen worden. Sollte das Regiment abgedankt werden, so werde er sich gerne an des Vaters Bitte erinnern, einige Einspännige mit nach Mecklenburg zu nehmen, "die die Straßen mochten rein halten". Am 31. Mai berichtete Herzog Karl aber doch aus Marbach, wo das Regiment offenbar stand, daß er vier Kompanien seines Regiments reduziert und alle Offiziere dieser Kompanien gegen einen Drei-Monatssold als Abdankung entlassen habe. Noch einmal schrieb Herzog Karl am 30. Juli 1649 aus Marbach und vermutete, daß er in den nächsten Tagen abgedankt werden würde. Auch aus den schwedischen Listen geht hervor, daß das Regiment des Herzogs zu Mecklenburg mit zu der ersten Gruppe der aufzulösenden Regimenter gehörte. Die Abdankung dürfte danach im Laufe des August in Marbach erfolgt sein.

Dieser Schilderung der schwedischen Kriegsdienste des Herzogs Karl im Dreißigjährigen Kriege mag noch hinzugesetzt werden, daß Herzog Karl noch einmal im schwedisch-polnischen Krieg ein schwedisches Reiterregiment befehligt hat.

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