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II.

Mecklenburgische Handwerker
auf dem
Lübecker Weihnachtsmarkt

von

Julius Hartwig

 

Vignette
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Am 22. September 1769 erließ der Lübecker Rat eine Verordnung des Inhalts, daß fortan "allen in den Königlich Großfürstl. Holsteinischen, Bischöfl. Lübeckischen, Herzoglich Mecklenburgischen u. Sachsen-Lauenburgischen Städten angesessenen Handwerkern die Freiheit, auf hiesigem Weihnachtsmarkt auszustehen", verstattet sein solle.

Diese Verordnung hat eine längere Vorgeschichte.

Der Lübecker Weihnachtsmarkt, der seit 1612 nachweislich ist und zweifellos noch viel länger besteht, war zunächst nur ein örtlicher Markt, zu dem keinerlei Fremde zugelassen wurden. Als sich 1748 einige Buchbinder aus Plön auf ihm einfanden, wurden sie kurzerhand abgewiesen und ihre Bücher beschlagnahmt. Sie nahmen das aber nicht ruhig hin, sondern schlugen Lärm und erreichten schließlich, daß der König von Dänemark in Lübeck vorstellig wurde. Er bedeutete dem Rat, daß die Lübecker Handwerker und Krämer seit undenklichen Zeiten die Jahrmärkte in seinen Städten und Flecken besuchen dürften, und verlangte, daß Lübeck fortan Gleiches mit Gleichem erwidere; andernfalls werde er zu Vergeltungsmaß regeln greifen. Der Rat setzte sofort die Bürgerschaft von diesem Ersuchen in Kenntnis und bat um ihre Stellungnahme. Daraufhin sprachen sich 11 von den 12 bürgerlichen Kollegen grundsätzlich für die Zulassung fremder Handwerker aus, nur die Handwerker, die in den "4 großen und zubehörlichen Ämtern" organisiert waren, baten, das Königliche Gesuch "mit

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Manir" abzuwenden. Der Rat aber entschied begreiflicherweise im Sinne der Mehrheit und eröffnete am 7. November 1749 dem dänischen Residenten mit vielen höflichen Worten, daß fortan die in den Schleswig-Holsteinischen Städten angesessenen Handwerker und zünftigen Meister gegen Vorlegung eines behördlichen Ausweises den Lübecker Weihnachtsmarkt besuchen könnten.

Man sollte meinen, daß die Holsteinischen Handwerker nun gleich in hellen Scharen nach Lübeck gekommen wären. Merkwürdigerweise geschah das jedoch nicht; in den nächsten 20 Jahren fand sich nur ein einziger Handwerker aus Holstein, ein Weißgerber aus Kiel, zur Weihnacht in Lübeck ein. 1768 begann dann aber ihr Zustrom, und zwar in der Hauptsache wohl deshalb, weil im Sommer des Jahres die Schustergesellen in Lübeck die Arbeit niedergelegt und die Stadt verlassen hatten. Der Zwist war zwar bis Weihnachten wieder beigelegt, die Schuster der Umgegend scheinen aber trotzdem noch mit einem guten Absatz ihrer Ware in Lübeck gerechnet zu haben.

Unter den fremden Handwerkern, die Weihnachten 1768 in Lübeck erschienen, waren nun auch einige Schuster aus Rehna. Als sie sich aber bei der Wette meldeten, wurde ihnen erwidert, daß sie sich "die Befugnis zum Ausstehen - auf dortigem Jahrmarkte erst erwerben müßten". "Wir mußten daher, ohne den mindesten Absatz zu machen, wieder zurückreisen". Sie beklagten sich darüber in einer Eingabe vom 31. Januar 1769 beim Herzog Friedrich und baten, ihnen in Lübeck "zur Erwerbung des Rechts, unsere Waren - [dort] ebenfalls feilhalten zu dürfen, huldreichst behilflich zu sein oder, daferne darunter Schwierigkeiten gemachet werden sollten, die Lübecker Schuster von Beziehung der hiesigen Jahrmärkte auszuschließen". Der Herzog gab diese Klageschrift bereits am 3. Februar an den Lübecker Rat weiter und erbat "in Ansehung des in diesem Supplicato enthaltenen alternativen Gesuchs, deroselben beliebige Erklärung". Der Lübecker Rat beantwortete das Schreiben aber zunächst überhaupt nicht, so daß der Herzog auf Drängen der Rehnaer Schuster am 23. Juni erneut vorstellig wurde, "die darin verlangte Erklärung nicht

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länger auszusetzen". Daß der Lübecker Rat solange schwieg, war begreiflich; er stand nämlich zwischen zwei Feuern. Er konnte nicht verkennen, daß das mecklenburgische Ansinnen berechtigt war; aber die Lübecker Handwerker waren über die ihnen bereits erwachsene und weiter anschwellende fremde Konkurrenz ganz außer sich und bestürmten den Rat mit einer Flut von Eingaben, nur keine weiteren Konzessionen zu machen. Schließlich verlangte aber die Wette, daß er nunmehr eine klare Entscheidung träfe, und darauf gestattete er allen benachbarten städtischen Handwerkern und damit auch denen aus Mecklenburg, durch seine Verordnung vom 22. September 1769 die Marktfreiheit.

Seitdem haben über 100 Jahre mecklenburgische Handwerker auf dem Lübecker Weihnachtsmarkt ausgestanden. 1769 kamen nur 9, 1780 waren es bereits 20 und in den nächsten 30 Jahren stets zwischen 17 und 26. 1808 fanden sich zum ersten Male über 30, nämlich 33, ein und den stärksten Besuch hatte das Jahr 1824 mit 37 auszuweisen. Seit 1830 erschienen aber meist nur noch unter 20 und seit 1840 unter 10 und schließlich hörte der Besuch des Weihnachtsmarkts aus Mecklenburg ganz auf; er lohnte sich nicht mehr; die Handwerker konnten die Konkurrenz mit der sich immer mehr breitmachenden billigeren Fabrikware nicht aushalten.

Dem Berufe nach waren die Mecklenburger Handwerker meist Schuster, ferner Drechsler (Spinnrademacher), Beutler, Hutmacher, Buntmacher (Kürschner) und gelegentlich auch Klempner, Maler, Bürstenbinder, Nadler, Kammacher und Schneider. Sie kamen ganz überwiegend, bis zu 26, aus Rehna, dem Lübeck nächstgelegenen Ort, und regelmäßig, wenn auch in viel geringerer Zahl, höchstens 6, aus Gadebusch. Das Wismarer Handwerk erschien erst 1806 auf dem Markt; seitdem stellten sich aber stets einige Drechsler (bis 6) und gelegentlich auch vereinzelte andere Handwerker ein. Aus Schwerin wurde der Weihnachtsmarkt 19mal von je einem Handwerker, meist Schustern und Pantoffelmachern, aufgesucht. Stove war im 18. Jahrhundert 14mal durch einen Drechsler vertreten. Auch aus Grevesmühlen stand zehnmal ein Drechsler und einmal ein Hutmacher auf dem Markte aus,

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während Boizenburg und Schönberg nur ein einziges Mal in Lübeck anzutreffen waren.

Der Lübecker Weihnachtsmarkt besteht auch heute noch. Aber er hat sein Angesicht gegen früher stark verändert. Insbesondere sind die Handwerker, einheimische wie fremde, ganz von ihm verschwunden.

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