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III.

Zur tecklenburg - schwerinschen
Streitfrage

von

Hans Saring.

 

Vignette
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I.

Der Jahrhunderte alte Streit des Hauses Tecklenburg um die Grafschaft Schwerin ist bisher einer erschöpfenden Darstellung nicht gewürdigt worden. Der Grund mag vornehmlich in der verständlichen Scheu liegen, das in den verschiedensten Archiven verstreute Material zu sichten und durchzuarbeiten. Immerhin besitzen wir aus der Feder des Studienrats Dr. Richter (Gütersloh) 1 ) einen interessanten Überblick über Entstehung und Verlauf des Streits um Schwerin, den zu vertiefen und zu ergänzen der Zweck dieses Beitrags sein soll.

Um darzutun, welche Umstände das westfälische Grafengeschlecht der Tecklenburger in den Besitz der von ihrem Stammland so weit entfernten Grafschaft Schwerin brachten, müssen wir bis ins 12. Jahrhundert zurückgehen.

Nach langwierigen Kämpfen verglich Heinrich der Löwe sich schließlich 1167 mit dem Wendenfürsten Pribislav dahin, daß Pribislav die Obotritenlande bis auf das Gebiet um Schwerin behielt 2 ). Dieses Gebiet hatte Heinrich einem seiner vornehmsten Kriegsmänner, Gunzelin von Hagen, verliehen, der aus einer edlen sächsischen Familie stammte, die im Halberstädtischen und Hildesheimschen Besitz und Lehen hatte 3 ). Das Schweriner Land wurde jetzt zur Grafschaft erhoben und blieb sächsisches Lehn.

Graf Gunzelin VI. aus der Wittenburger Linie der Schweriner Grafen ehelichte zu Anfang des 14. Jahrhunderts 4 ) Richardis, die Schwester des Grafen Otto VII. von Tecklenburg, des letzten aus dem alten westfälischen Grafengeschlecht, dessen Ursprung sich im Dunkel der Sage verliert. Die älteste Linie der Grafen von Tecklenburg bilden nach einwandfreien


1) Richter. Ansprüche der Grafen von Tecklenburg an Schwerin, in: Gütersloher Heimatblätter 55 u. 56 (Juni und Juli 1932).
2) Witte, Meckl. Gesch. I, S. 87 f.
3) Vgl. F. Wigger, Stammtafel der alten Grafen von Schwerin im Jahrb. 34 S. 58 f.
4) Nach A. Rische, Gesch. d. Grafschaft Schwerin, vor 1315; vgl. auch Wigger a. a. O. S. 115.
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Feststellungen die Egbertinger, die 1262 im Mannesstamm mit Otto I. ausstarben. Ihr folgte die erste Linie der Bentheime und als deren erster Graf Otto, ältester Sproß Ottos von Bentheim, Schwiegersohns des letzten Grafen von Tecklenburg. Mit Otto VII. starb auch diese Linie aus. Schon zu seinen Lebzeiten, 1326, hatte der kränkelnde Otto seinem Schwager Gunzelin VI. von Schwerin die Regierung seiner Lande überlassen. Nach Ottos Tode, 1328, trat sein Neffe, Graf Nikolaus III. von Schwerin, Gunzelins ältester Sohn, sein Erbe an. Nikolaus III. ist also der erste Tecklenburger Graf aus der Schweriner oder richtiger der Wittenburger Linie 5 ). Otto, Gunzelins und der Richardis von Tecklenburg zweiter Sohn, sollte, nachdem er mündig geworden, die Grafschaft Schwerin erhalten. Gunzelin VI. hatte einen aus der zweiten Ehe 6 ) seines Vaters Nikolaus I. von Wittenburg stammenden Halbbruder Nikolaus II. mit dem unerklärten Beinamen Pyst. Beide Brüder lebten in Unfrieden miteinander. 1323, nach dem Tode ihres Vaters, kam es zu einer Besitzverteilung, wonach Gunzelin Wittenburg, Nikolaus Boizenburg und Crivitz erhielt. Dringende Schulden zwangen jedoch Nikolaus II., sich in Abhängigkeit seines Vetters, des Grafen Heinrich III. von der Schweriner Linie, zu begeben. Gegen Unterhalt für sich und seine Mutter, Gräfin Merislawa, überließ er 1326 an Heinrich die Lande und Städte Boizenburg und Crivitz, die auch die Erbhuldigung leisteten. Wenngleich der Vertrag zunächst nur auf zehn Jahre geschlossen wurde, so blieb doch nach 1336 alles beim alten. Aber kurz vor dem Tode Heinrichs wurde Nikolaus II. dieses Abhängigkeitsverhältnisses überdrüssig. Wohl um sich Beistand zu sichern, verschrieb er am 7. März 1343 zu Sternberg für den Fall, daß er keine männlichen Erben hinterlasse, ohne Rücksicht auf die Rechte Heinrichs und auf die Ansprüche seiner Neffen, der Grafen Nikolaus III. von Tecklenburg und Otto I. von Wittenburg, den Anfall der


5) 1282 erfolgte, eine Landesteilung unter den Söhnen Gunzelins III., Helmold III. und Nikolaus I. Während jener Schwerin, Neustadt und Warnitz erhielt, fielen Nikolaus die Lande Wittenburg, Boizenburg und Crivitz zu. Der zu Wittenburg residierende Nikolaus hieß darum bei seinen Zeitgenossen schlechthin der Graf von Wittenburg. Wigger a. a. O. S. 86 und Rische a. a. O. S. 34.
6) In erster Ehe war Nikolaus I. mit Elisabeth, Tochter des Grafen Johann I. von Holstein, in zweiter mit Merislawa, Tochter des Herzogs Barnim I. von Pommern, vermählt (Wigger, Stammtafel der Grafen von Schwerin.)
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Lande und Städte Boizenburg und Crivitz und aller ihm sonst etwa zufallenden Gebiete den Herren Albrecht und Johann von Mecklenburg. Zugleich verpflichtete er sich, ihnen Boizenburg und Crivitz huldigen zu lassen, sobald er ihrer mächtig sei. Nachdem dann Heinrich der III. im Herbst 1344 das Zeitliche gesegnet hatte, fielen seine Lande Schwerin, Neustadt und Warnitz an den Grafen Otto, der nun Wittenburg an Nikolaus II. abtrat. 1345 erneuerte dieser seinen Erbvertrag mit den Mecklenburgern unter Einbeziehung Wittenburgs. Gleich darauf fand die Eventualhuldigung des Landes Crivitz, 1347 auch die von Boizenburg statt 7 ).

Die Folge war, daß Graf Otto von Schwerin eine feindliche Stellung gegen die Mecklenburger einnahm. Und als dann 1349 Nikolaus II. eine Ehe mit Elisabeth, der Tochter des Edlen Wedekin vom Berge, des Vogtes am Stifte zu Minden, geschlossen hatte, begann er, sich seinen Vettern von Schwerin ,und Tecklenburg wieder zu nähern, und machte Miene, sich über die Verträge mit Mecklenburg hinwegzusetzen 8 ). Aber er starb bald darauf. Seine Witwe wählte, augenscheinlich auf Anraten ihres Vaters, Johann und Albrecht von Mecklenburg, die inzwischen (1348) zu Herzögen erhoben waren, zu ihren Vormündern und verkaufte ihnen am 21. Februar 1350 Crivitz und fast alle ihre sonstigen Leibgedinge in der Grafschaft.

Unterdessen war die schon 1348 ausgebrochene Fehde zwischen dem Grafen Otto und den Mecklenburgern weiter gegangen. Im Frühjahr 1350 geriet Otto in Herzog Albrechts Gefangenschaft und wurde in Wismar in Haft gehalten. Nach Abschluß eines Waffenstillstandes in Freiheit gesetzt, brachte er schließlich eine Versöhnung dadurch zustande, daß er im Vertrage von Wismar (Oktober 1352) seine einzige Tochter Richardis mit dem zweiten Sohn Albrechts gleichen Namens, dem späteren König von Schweden, vermählte und ihr einen Brautschatz von 4500 Mark lötigen Silbers kölnischen Gewichts zusagte, bis zu dessen Zahlung er Stadt und Land Boizenburg als Pfand hergeben mußte. Auch Crivitz behielt Albrecht wahrscheinlich in seiner Hand.

Otto verblieb die übrige Grafschaft. Nach seinem Tode (Oktober 1356) gingen alle Erbansprüche auf seinen Bruder


7) Rische S. 48 f. Strecker, Die äußere Politik Albrechts II. von Mecklenburg, Jahrb. 78 S. 56 f.
8) Rische S. 49 f.; Strecker S. 72 ff.
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Nikolaus III. und dessen Sohn Otto II. über. Diese hatten Verwicklungen mit dem machtlüsternen Albrecht von Mecklenburg vorausgesehen und sich rechtzeitig in der Person des mit ihnen verwandten Herzogs Erich von Sachsen - Lauenburg einen Bundesgenossen gesichert. In der Tat sann Albrecht auch bald auf Mittel, wie am zweckmäßigsten die Einverleibung der Grafschaft Schwerin zu bewerkstelligen sei. Da er einen wirksamen Rechtstitel nach dem Wismarer Vertrag von 1352 nicht mehr besaß, schien ihm der Weg über die Belehnung am ehesten zum Ziele zu führen. Er wandte sich darum an seinen Oheim, den Kurfürsten Rudolf von Sachsen - Wittenberg, und erhielt am 28. Juli 1357 zu Sandow für seine jüngsten Söhne Albrecht und Magnus und sich selbst als deren Vormund die nach gesuchte Belehnung. In dem Lehnbrief werden Schwerin, Wittenburg, Neustadt, Boizenburg und Crivitz nebst allen zugehörigen Schlössern und Gebieten aufgeführt 9 ). Schon vor dem Hinscheiden Ottos I. war Nikolaus, Graf von Tecklenburg, aus Westfalen herbeigeeilt, um dem Bruder bei der Verwaltung seines Landes beizustehen. Jetzt betrachteten er und sein Sohn Otto II. sich mit Fug und Recht als Erben von Schwerin und Wittenburg und zeigten keine Neigung, sich Herzog Albrecht zu beugen. Es kam zur Fehde. Im Frühling 1358 rückte Albrecht vor Schwerin und schloß die Stadt ein. Von vornherein aussichtslos war die Sache der Tecklenburger nicht; denn es stand ihnen außer dem Herzoge Erich von Sachsen - Lauenburg auch der Dänenkönig Waldemar Atterdag zur Seite. Beide Bundesgenossen machten aber schon im Herbst 1358 mit Albrecht Frieden. Nachdem die Grafschaft fast ein Jahr hindurch unter den Kriegswirren schwer hatte leiden müssen, kam es am 1. Dezember 1358 zur Aussöhnung der Tecklenburger mit ihrem Gegner 10 ). Erbverbrüderung und Bündnis wurden geschlossen. Grevesmühlen, Boizenburg und Crivitz sollten den Tecklenburgern, Schwerin und Wittenburg, wahrscheinlich auch die übrigen Gebiete der Grafschaft, dem Herzoge und seinen Söhnen die Erbhuldigung leisten. Auch gestand man sich das Vorkaufsrecht auf diese Besitzungen zu. Alsbald huldigten Schwerin und Wittenburg den Mecklenburgern. Aber schon gleich darauf, am 7. Dezember zu Plüschow, entschlossen sich Nikolaus und Otto zu dem folgenschweren Schritt, den in ihrem Besitze befindlichen Teil der Grafschaft,


9) MUB. XIV, Nr. 8371.
10) MUB. XIV, Nr. 8534 f., 8537 f.
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nämlich Schwerin, Wittenburg, Neustadt, Marnitz und das halbe Land Lenzen 11 ), sowie ihre Ansprüche auf Boizenburg und Crivitz für 20 000 Mark lötigen Silbers an Albrecht und seinen ältesten Sohn Heinrich zu verkaufen 12 ). Von diesem Zeitpunkt an führte Albrecht den Titel Herzog zu Mecklenburg, Graf zu Schwerin, der Lande Stargard und Rostock Herr".

Die Kaufsumme sollte in vier Raten gezahlt werden 13 ):

1. am 17. März 1359: 5000 Mark nebst 150 Mark Zinsen,

2. am 6. Dezember 1359: 5000 Mark,

3. am 6. Dezember 1360: 5000 Mark,

4. am 6. Dezember 1361: 5000 Mark.

Nach Entrichtung der ersten Rate wollten sich die Herzöge für die Zahlung der zweiten Rate mit dreißig mecklenburgischen, von den Tecklenburgern auszuwählenden Rittern und Knappen verbürgen 14 ) und sich mit diesen im Falle der Nichtbezahlung nach Tecklenburg in Schuldhaft begeben. Für die Zahlung der zwei letzten Raten bürgten außer den beiden Herzögen die Grafen Heinrich und Adolf von Holstein sowie mecklenburgische Mannen. Nach Erlegung der zweiten Rate sollte die Grafschaft Schwerin ausgeliefert werden, während des Ausstandes der beiden letzten Raten Boizenburg als Pfandobjekt den Grafen von Tecklenburg verbleiben.

Schon die erste Rate wurde mit zehntägiger Verspätung (27. statt 17. März 1359) bezahlt. Vom gleichen Tage datieren die Urkunden, denen zufolge sich die Herzöge mit Bürgen zur Zahlung der folgenden Raten verschrieben und Boizenburg zum Pfande setzten, die Tecklenburger dagegen die ihnen geleistete Erbhuldigung der Städte und Lande Crivitz, Grevesmühlen und Boizenburg für ungültig erklärten, sobald die ganze Kaufsumme bezahlt sei, und sich zur Auslieferung der Grafschaft verpflichteten. Laut Urkunden vom 31. März 1359 übergaben die Grafen von Tecklenburg tatsächlich die Lande Schwerin, Neustadt und Wittenburg an die Herzöge. Albrecht, verlegte bald darauf seine Residenz von Wismar nach Schwerin.


11) Neustadt und Marnitz waren märkische Lehen. Die andere Hälfte von Lenzen war seit 1354 von Markgraf Ludwig dem Römer an Albrecht verpfändet.
12) MUB. XIV, Nr. 8541.
13) Für das Folgende vgl. Strecker a. a. O. S. 107 ff. und Anl. 7 (S. 281 ff.): Rische a. a. O. S. 56 ff.
14) Tatsächlich bürgten hernach sechzig Mannen.
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Die am 6. Dezember 1659 fällige zweite Rate konnte nicht in voller Höhe entrichtet werden. Statt der fälligen 5000 Mark erhielten die Bevollmächtigten der Grafen von Tecklenburg in Lüneburg laut Urkunde nur 2850 Mark und gewährten für die noch rückständigen 2150 Mark Aufschub bis zum 2. Februar 1360. Aber auch zu diesem Termin wurde der Rest nicht voll getilgt, sondern nach dem 6. Februar 1360 nur der Betrag von 800 Mark übergeben, der Rest von 1350 Mark bis Pfingsten gestundet. Am Pfingstmontag (25. Mai) 1360 quittierten die Bevollmächtigten der Grafen über 550 Mark, die auf die rückständigen 1350 Mark ausgezahlt waren. Der Rest von nunmehr 800 Mark wurde bis Michaelis und dann weiter bis zum 5. November gestundet. Irgendwelche Zahlungen sind dann nicht mehr geleistet worden.

In der verpfändeten Stadt Boizenburg hatten die Tecklenburger Grafen einen Bevollmächtigten, Werner Struwe, zurückgelassen. Dieser hatte im Auftrage seiner Herren der Hansestadt Lübeck die Übergabe des Pfandobjekts gegen Erlegung einer Summe Geldes angeboten. In Boizenburg aber erfuhren die dorthin abgesandten Lübecker Ratsherren vom Rat der Stadt, daß der Herzog Albrecht mit den Tecklenburgern vereinbart habe, es solle ihm das Schloß Boizenburg jederzeit offenstehen. Angesichts dieser Sachlage bezeigten die Lübecker für das Geschäft nicht mehr die geringste Luft und kehrten schleunigst heim. Herzog Albrecht aber war über dieses Verhalten der Tecklenburger, das er als Verrat ansah, aufs tiefste empört und setzte sich in den Besitz Boizenburgs. Die Tecklenburger Grafen versuchten nun mit Hilfe eines Schiedsgerichts die Stadt zurückzuerlangen und erreichten auch zunächst einen für sie günstigen Spruch 15 ). Später ging der Prozeß um den Besitz der Grafschaft überhaupt. Denn die Herzöge Albrecht und Heinrich führten beim Papst Innozenz VI. Klage darüber, daß die Tecklenburger ihnen die Grafschaft nicht einräumen wollten. Innozenz wies 1362 den Dompropst von Minden an, den Streit zu untersuchen und seinem Spruch appellatione remota per censuram ecclesiasticam Geltung zu verschaffen 16 ). Die Sache verlief aber wohl im Sande; denn von einer Entscheidung verlautet nichts. Graf Otto, Nikolaus V. Sohn, machte später seine


15) MUB. XV, Nr. 8847.
16) MUB. XV, Nr. 9031.
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Rechte beim deutschen Kaiser geltend und erreichte, daß 1369 die Herzöge von Braunschweig und Lüneburg eine kaiserliche Kommission zur Beilegung der Streitfrage erhielten. Gewonnen wurde indessen wieder nichts. Als Otto von Tecklenburg gestorben war und sein Bruder Johann mit seiner Forderung an den Herzog herantrat, lehnte dieser sie mit der Begründung ab, daß der aus der Ehe Albrechts von Mecklenburg mit Richardis von Schwerin - Tecklenburg entsprossene Sohn der rechtmäßige Erbe der Grafschaft sei. 1475 wurden noch vom Kaiser Friedrich III. und 1512 vom Kaiser Maximilian Schlichtungskommissionen eingesetzt, die ebenfalls zu nichts führten. Dann machten Otto VIII. und sein Sohn Konrad 1521 auf dem Reichstag zu Worms ihre Forderungen geltend und erreichten, daß die Angelegenheit einem Ausschuß zur Prüfung übergeben wurde. Zu einem Abschluß ist es wiederum nicht gekommen 17 ). Ottos VIII. Sohn Konrad, der wilde Kord genannt, gab aber den Kampf nicht auf, sondern forderte in zwei Schreiben (Rheda, 14. Mai 1524, und Tecklenburg, 12. August 1524) die Herzoge Heinrich und Albrecht von Mecklenburg zur Zahlung der Restsumme nebst den aufgelaufenen Zinsen, Kosten und Schäden auf, andernfalls sie die Grafschaft wieder herausgeben sollten. Diese Schreiben wurden jedesmal vom Herzog Heinrich im Namen seines Bruders hinhaltend beantwortet 18 ). Am 27. August 1542 richtete Kord ein drittes Schreiben aus Eldena an die Herzoge 19 ). Dieses Mal ging Herzog Heinrich wenigstens auf die Angelegenheit ein. Er, wie sein Bruder Albrecht, so führte er aus, seien sich keiner Schuldverpflichtung gegen den Grafen Konrad bewußt; darum könnten sie erst zu der Forderung Stellung nehmen, wenn ihnen die nötigen Unterlagen vorlägen. Darauf sandte Konrad von Lingen aus am 25. Oktober 1543 eine Abschrift der Schuldurkunde 20 ). Am 5. November 1543 antwortete Heinrich aus Schwerin, sein Bruder befände sich außer Landes; sie würden sich nach seiner Rückkehr gebührlich vernehmen lassen. Bei diesem Versprechen ist es geblieben. Nochmals forderte Konrad am 9. August 1544 von Lingen aus die Brüder zu einem friedlichen Vergleich auf,


17) Richter a. a. O. Nr. 56.
18) Nach Vermerk des meckl. Archivars Johann Schultz von 1705 war von jenem Schreiben weder ein Konzept noch eine Kopie vorhanden. (Haupt - Archiv Schwerin, Ausw., Tecklenburg.)
19) Chemnitz, Chron. Megap. III 2, pag. 1673.
20) Chemnitz a. a. O. pag. 1675.
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um den Rechtsweg zu vermeiden. Darauf erhielt er am 19. September 1544 von ihnen die Antwort, ein Prozeß schrecke sie nicht 20a ). Nun beantragte Konrad die Einsetzung einer kaiserlichen Kommission. Diese und die weiteren, 1550 und 1557 von ihm beantragten Kommissionen traten zwar zusammen, kamen aber zu keinem Abschluß.

Mit Konrad erlosch die männliche Linie der Tecklenburger. Sein einziges Kind, Anna, hatte den Grafen Eberwin von Bentheim geheiratet, war aber bald verwitwet. Sie, die Gräfin von Bentheim - Tecklenburg - Steinfurt, Frau zu Rheda und Wevelinghoven, setzte die Bemühungen ihres Vaters fort und beantragte 1562 beim Kaiser Ferdinand I. wiederum die Einsetzung einer Kommission. Ihrer Bitte wurde entsprochen. Herzog Erich zu Braunschweig - Lüneburg und Graf Hermann Simon zur Lippe wurden zu Kommissaren ernannt. Sie setzten eine Tagfahrt nach Neustadt auf den 29. März 1563 an, wozu die streitenden Parteien Bevollmächtigte schicken sollten. Da sich dort die Mecklenburger wieder unnachgiebig zeigten, wurden die Parteien aufgefordert, in drei Monaten ihre Erklärungen schriftlich der braunschweigischen Kanzlei zu Neustadt einzureichen. Gräfin Anna hat am 19. Mai 1563 ihr Klaglibell übergeben lassen 21 ). Die mecklenburgischen Herzoge Johann Albrecht und Ulrich hingegen suchten am 1. Oktober 1563 um Terminverlängerung nach und erhielten sie auch bis 31. Januar 1564. Es wurden dann zahlreiche Schriften und Gegenschriften eingereicht, ohne daß es zu einer Entscheidung gekommen ist. Jedenfalls sind die beiden Kommissare darüber hingestorben. Nach Feststellungen des mecklenburgischen Archivars Schultz hat erst der Enkel der Gräfin Anna, Graf Adolf zu Bentheim, die Angelegenheit wieder aufgenommen und am 21. März 1616, d. h. also erst nach 52 Jahren, den damaligen Herzog Adolf Friedrich von Mecklenburg aufgefordert, entweder den Rest der Kaufsumme zu zahlen, oder ihm Boizenburg als Unterpfand zu verschreiben, um einen langwierigen Prozeß zu vermeiden. "Hierauf sei", so bemerkt Schultz, "sub dato Schwerin den 19. April nur ein Recepisse zurückgegeben, dabey es bis jetzt (1705) verplieben und beruhen thuet." Das stimmt insofern nicht, als 1578 noch eine Kommission tätig gewesen ist, freilich auch ohne die Angelegenheit zum Schluß


20a) Chemnitz a. a. O. pag. 1675.
21) Chemnitz a. a. O. III 3, pag. 1902 ff.
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zu bringen. Allerdings hat der Sohn der Gräfin Anna, Arnold von Bentheim, ihr kein Interesse mehr entgegengebracht, da sie ihm aussichtslos erschien. Erst sein Sohn Adolf griff sie wieder auf, besorgte sich ein Gutachten der juristischen Fakultät zu Marburg, das sich zwar sehr vorsichtig aussprach, immerhin aber die Möglichkeit eines obsiegenden Urteils offen ließ. Seitdem hat der Streit geruht.

II.

Durch die Verbindung des Hauses Tecklenburg mit dem gräflichen Hause Solms - Braunfels erwuchs im 17. Jahrhundert ein Erbstreit zwischen beiden Häusern, der äußerst verhängnisvolle Folgen für das Haus Bentheim - Tecklenburg hatte, mehrere Jahrzehnte Kaiser und Reich beschäftigte und auch den ersten preußischen König auf den Plan rief. Durch eine merkwürdige Verkettung von Umständen fiel schließlich diesem die Rolle zu, das Recht der alten Tecklenburger Grafen an Schwerin gegenüber dem mecklenburgischen Herzogshause weiter zu verfechten, allerdings nicht mehr im Interesse der Deszendenten, sondern im eigenen.

Zum besseren Verständnis müssen wir auf den schon erwähnten Grafen Otto VIII. von Tecklenburg aus der älteren Linie der Bentheim zurückgehen. Dieser Otto VIII. besaß acht Kinder, von denen fast alle unverheiratet starben, bis auf zwei Söhne, Konrad und Otto, sowie eine Tochter Anna. 1534, ein Jahr vor seinem Tode, trat er wegen Altersschwäche die Herrschaft seinem ältesten Sohn Konrad, dem schon erwähnten wilden Kord, ab 22 ) Dieser behielt die Grafschaft bis zu seinem Tode.

Ottos VIII. Tochter Anna ehelichte den Grafen Philipp von Solms - Braunfels, und des Konrad Tochter, gleichfalls


22) In der gedruckten Species facti, S. K. M. in Preußen wohlerworbene Possession und Gerechtsame der ohnmittelbaren Allodial - Reichsgrafschaft Tecklenburg betr., von 1722, heißt es: "Graf Conrad.so den Vater ins Gefängniß legte und ihn zwang, die Grafschaft Tecklenburg und Herrschaft Rheda noch bey seinem Leben ihm abzutreten. . . . Nach Otto VIII. Ao. 1535 erfolgten Tod urgirte des Conrads Bruder, Otto IX., die Teilung der Grafschaft, wurde aber von Conrad ebenfalls, als einer, der blödsinnig wäre, festgesetzt . . ." (Haupt - Archiv Schwerin a. a. O.) Graf Konrad scheint wirklich ein Urbild des Franz Moor gewesen zu sein, jedenfalls berichtet dies auch W. F. Esselen in seiner Gesch. d. Grafsch. Tecklenburg, S. 131 und 133.
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Anna mit Namen, den Eberwein, Sohn des Grafen Konrad von Bentheim. 23 ) Anna, Gräfin zu Solms, brachte einen Brautschatz von 6000 Gulden in die Ehe und verzichtete mit Zustimmung ihres Gemahls auf jede weiteren Ansprüche. Trotzdem strengte ihr Sohn Konrad 1576, 42 Jahre nach der Vermählung seiner Eltern, nachdem er vom Aussterben der männlichen Deszendenz des Hauses Tecklenburg Kenntnis erhalten, einen Erbschaftsprozeß vor dem Kammergericht zu Speyer gegen seine Base, die Gräfin Anna zu Bentheim - Tecklenburg, und deren Sohn, Grafen Arnold, an; er forderte die Herausgabe der Hälfte aller vom Grafen Otto hinterlassenen Graf- und Herrschaften. Die Beklagten verteidigten sich damit, daß es sich bei der Graf- und Herrschaft Tecklenburg - Rheda um ein Fideikommiß handele. Im Januar 1577 kam es zum ersten Spruch des Reichskammergerichts, der gegen das Haus Bentheim ausfiel. 24 ) Der Prozeß lief aber mit einer längeren Unterbrechung bis 1635 weiter. Dann hörte man nichts mehr davon, bis endlich 1686 der Prozeß vom Grafen Moritz zu Solms - Braunfels gegen den damaligen Grafen Johann Adolf und die übrigen Agnaten, mit Ausnahme des Grafen Friedrich Moritz zu Bentheim - Hohenlimburg, von neuem aufgerollt und vom Kammergericht in Speyer mit solcher Eile geführt wurde, daß der Gegenseite die nötige Zeit zur Beschaffung der Gegenbeweise fehlte. Bereits am 13. Dezember 1686 erging ein endgültiges Urteil dahin, daß die verstorbene Gräfin Anna zu Solms, geb. von Teklenburg, als eine rechte Miterbin der von ihrem Vater Otto VIII. hinterlassenen Graf- und Herrschaften zu erklären sei. Demnach habe der Beklagte, Graf Johann Adolf zu Bentheim - Tecklenburg, dem jetzigen Kläger, Grafen Moritz zu Solms - Braunfels, nicht allein den seiner Mutter gebührenden Kindesanteil, sondern auch die Hälfte des ihren ohne Leibeserben verstorbenen vier Geschwistern (Otto IX. d. Jüngere, Elisabeth, Irmgard und Katharina) damals zukommenden Erbteils auszuliefern. Außerdem sollten auch die bis zu diesem Termin aufgelaufenen Zinsen vergütet werden. Gegen diesen Spruch legte Johann Adolf mit der Begründung, daß er durch Bestechung zustande gekommen sei, Berufung ein. Seine Be-


23) Hieronymus Henniges Tabularium Geneal., tom. III, fol. 418.
24) Franckenbergs Europäischer Herold oder zuverlässige Beschreibung derer Europ. - christlichen Kaiserthums, Königreiche . . . bis Anf. 1705, tom. III, fol. 665.
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rufung wurde jedoch verworfen und die Klage wegen Bestechung vom Hauptprozeß abgetrennt. Während dieser Begebenheiten hatte wegen drohender Kriegsgefahr das Kammergericht von Speyer nach Wetzlar verlegt werden müssen. Da die dortige Einrichtung viel Zeit in Anspruch nahm, fanden die Beklagten die nötige Muße, weitere Schritte zu unternehmen, insbesondere auch an den Kurfürsten von Brandenburg heranzutreten. Als Mittler bedienten sie sich des brandenburgischen Residenten im westfälischen Kreis, Geh. Rats und Marinepräsidenten Johann v. Danckelman. An diesen wandte sich Graf Johann Adolf Anfang Januar 1695 mit der Bitte, durch dessen Bruder, den damals noch allmächtigen Staatsminister Eberhard v. Danckelman, die Angelegenheit vor den Kurfürsten bringen zu lassen. In dieser Zeit scheint auch die Schwerinsche Streitfrage Gegenstand von Besprechungen zwischen Johann v. Danckelman und dem gräflichen Hause gewesen zu sein. Denn der Bentheim - Tecklenburgische Rat Bernhard v. Bentheim 25 ) übergab Johann v. Danckelman einen Extrakt 26 ) aus den im Bentheimschen Archiv vorhandenen Do-


25) Stand in Diensten des Grafen Friedrich Moritz von Bentheim - Hohenlimburg.
26) Ohngefehrlicher Status der Gräfl. Tecklenburgischen Forderung an die H. Hertzogen zu Mecklenburg, die Grafschaft Schwerin betr.: Die alte Grafschaft Sverin ist ein altes Pertinens der Grafschaft Tecklenburg gewesen, aber umbs Jahr 1356 von Grafen Nicolaus von Tecklenburg mit Belieben desselben Sohnes, Grafen Ottonis des Fünften, denen Hertzogen von Mecklenburg, Alberto und Hinrico, für 20 000 M. lötiges Silbers verkaufet worden.
Hierauf seyndt bezahlet 10 000 Marck und 10 000 in resto geblieben, die auch noch unbezahlt hinstehen; diesertwegen ist ein Judicium austregarum gehalten u. die H. Hertzogen von Mecklenburg von vielen herumbliegenden Fürsten u. Grafen condemniret worden, die Gelder zu bezahlen u. inzwischen ein festes Schloß, an der Elbe gelegen, pro hypotheca denen Grafen einzuräumen: nachgehends ist die Zahlung ged. Geldes u. Einräumung des Unterpfandes unter ein u. andern nichtigen Praetexten verzögert worden und auf beyder erfolgetes Absterben ohne Effect geblieben.
Und obwohl bey vorgewesenen guten Gelegenheiten gute Vorschläge obhanden gewesen, zur Possession des Unterpfands zu gelangen oder die Action für eine gute Summe Geldes einem Mächtigen u. der Zuversicht gelebet, es würden der Herr Hertzog endlich in sich selbst gehen u. den Herrn Grafen einig billig - mäßig Contentament geben, weswegen verschiedene kaiserl. Kommissionen ausgebracht seyn, sonderlich zu Zeiten des Kaisers Maximilians II., ist die Sache ordentlich mehrentheils abgethan gewesen, aber durch eingefallene Todesfälle wieder ins Stocken geraten. Darum von folgenden Kaisern solcher (  ...  )
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kumenten, der als Grundlage für die Bentheimschen Ansprüche auf die Grafschaft Schwerin gegenüber dem Herzog von Mecklenburg dienen könnte. Johann v. Danckelman hatte wohl die besten Absichten, dem Hause Bentheim zu nützen, jedenfalls gewinnt man diesen Eindruck aus seinem Briefwechsel, den er mit dem Grafen und seinem Bruder Eberhard führte. Doch scheinen seine Anregungen am Berliner Hof auf wenig Gegenliebe gestoßen zu sein. Denn, wie er dem Grafen mitteilte, wünschte der Kurfürst angesichts des Umstandes, daß es sich bei den streitenden Parteien um Angehörige der reformierten Kirche handelte, den Solms - Bentheimschen Streitfall unter allen Umständen und unter Ausschaltung des Rechtsweges gütlich beigelegt zu sehen. Danckelman erbot sich aus diesem Grunde, bei den Grafen Solms anzufragen, inwieweit sie sich zu einer gütlichen Regelung verstehen würden, sofern er zu diesem Schritt von dem Hause Bentheim bevollmächtigt werden würde. Wegen des übersandten Auszuges, betr. die Schweriner Streitfrage, teilte er dem Grafen mit, daß dieser "zwar gehörenden Orts" übergeben, jedoch dann abhanden gekommen und es überhaupt nötig sei, über eine gründlichere Darlegung des Sachverhalts zu verfügen. Da er nach einer solchen erst kürzlich befragt sei, schließe er, daß seine guten Dienste nicht ohne Erfolg bleiben würden. Die gewünschte Darlegung hat er dann auch wirklich erhalten und der zuständigen Stelle zugeleitet. Doch habe man, so schreibt er am 11. Juni 1695 an Bernhard von Bentheim, ihn wissen lassen, daß der Einwand der Verjährung zu befürchten sei 27 ), da es sich um eine Angelegenheit handele, in der seit 60 bis 70 Jahren nichts mehr unternommen sei. Freilich erinnere er sich, in dem ihm vom Grafen Friedrich Moritz übersandten Extrakt gelesen zu haben, daß dem Herzog


(  ...  ) Commissiones erinnert seien u. noch letzt ao. 1654 eine neuere Kays. Commission von weiland Kaysern Ferdinando III. allerglorwürdigsten Andenkens auf den Hertzogen zu Zell u. Landgrafen zu Hessen - Cassel, beyden jungen Fürsten, erteilet worden, inmaßen vor einigen Jahren, da der Herr Hertzog von Meckl. - Schwerin mit Herrn Grafen Mauritzen zu Tecklenburg Seel. bey Ihro Chl. Dl. zu Brandenburg Friedrich Wilhelm glohrwürdigsten Andenkens an dero Tafel gesessen u. das Mittagmahl gehalten, Hochged. S. F. D. zu Ihro hochgrafl. Gnaden gelegentlich gesaget, daß Sie wegen Schwerin noch einigen Streit halten, denselben aber in Güte abtun wolten, worauf es dan noch beruhet. G. St. A. Berlin - Dahlem, Rep. 37, N. 21.
27) In einem Rechtsgutachten der Universität Tübingen wurde diese Befürchtung auch zum Ausdruck gebracht.
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Christian Ludwig zu Braunschweig - Lüneburg - Celle und dem Landgrafen Wilhelm zu Hessen - Darmstadt vor 20 bis 30 Jahren vom Kaiser dieser Forderung halber eine Kommission aufgetragen sei. Auf jeden Fall getraue er sich wohl, sofern ihm eine gemessene schriftliche Kommission aufgetragen würde, "es dahin zu bringen, daß dem gräflichen Hause die Hälfte alles dessen, was davon kommen werde, ohne daß es einige Kosten darzu anwende und nur den bloßen Nahmen ("Graf zu Schwerin", d. Verf.) verliehre, solte zu theil werden". Die Nachricht vom Verlust des Extrakts, der schon in Hinblick auf die Erwähnung der kaiserlichen Interventionen in der Bentheim - Schwerinschen Angelegenheit wichtig war, muß stutzig machen. Wollte man in Berlin etwa auf diese Weise sich um die Herausgabe des Schriftstücks herumdrücken, in der Absicht, aus ihm zu gegebener Zeit selbst Nutzen zu ziehen? Und wollte man ferner aus dem gleichen Grunde mit dem Vorgeben des Verlusts des Schriftstücks weiteres wichtiges Material dem Grafen entlocken? Dieser Verdacht wird noch durch folgenden Umstand erhärtet. Als noch immer der Prozeß contra Bentheim nicht abgeschlossen werden konnte, hatte sich um die gleiche Zeit, da der Schriftwechsel zwischen Bentheim und Danckelman spielte, der Graf zu Solms an den Kurfürsten von Brandenburg um Hilfe gegen Bentheim gewandt. Am 17. September 1695 N. St. war ihm geantwortet worden, daß, liefe der Prozeß zu seinen Gunsten aus und erfolge sofort das Mandatum de exequendo, der Kurfürst ihn bei der Exekution unterstützen wolle. Tatsächlich wurde auch am 30. Oktober 1696 in Wetzlar die Berufung der Grafen zu Bentheim abgelehnt und am 29. Oktober 1697 das Mandatum de exequendo den Direktoren des Westfälischen Kreises zugeschrieben, demzufolge sie binnen sechs Wochen und drei Tagen die Kläger in die Erbteile an der Grafschaft Tecklenburg und der Herrschaft Rheda einsetzen sollten. Das ist dann freilich erst im August und September 1698 geschehen. Es kann aber kaum einem Zweifel unterliegen, daß man in Berlin durchaus entschlossen war, die Grafen von Bentheim fallen zu lassen, und sich schon damals mit dem Gedanken trug, sich selbst in den Besitz von Tecklenburg zu setzen, nachdem es endgültig dem Grafen zu Solms zugesprochen war. Mit der Erwerbung dieser Grafschaft wurde aber zugleich auch die Schwerinsche Frage brennend. Daß übrigens Johann v. Danckelman in diese Gedankengänge der Berliner Politik eingeweiht worden ist, wird kaum ange-

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nommen werden dürfen. Jedenfalls gewinnt man aus seinem Schriftwechsel mit dem Premierminister Grafen v. Wartenberg diesen Eindruck nicht. Zu der anempfohlenen gütlichen Einigung mit dem Hause Solms empfand Johann Adolf zu Bentheim wenig Neigung. Er begründete seine ablehnende Stellungnahme mit der Befürchtung, ein von vornherein bekundetes Entgegenkommen könne seiner Sache insofern schaden, als bei dem Reichskammergericht der Eindruck erweckt würde, als hätte er zu ihrer Rechtsprechung kein Vertrauen. Lieber wäre es ihm, wenn er ex officio zu dem gütlichen Vergleich veranlaßt werden könnte. Ende Juni erwiderte Danckelman dem Grafen Johann Adolf, daß die Grafen zu Solms zu einem Vergleichsvorschlag bereit wären und deswegen einen Unterhändler unter anderm Vorwand nach Berlin senden wollten. Seine eigene, ihm vom gräflichen Hause in Aussicht gestellte Vollmacht zur Führung der Verhandlungen hielt er nicht mehr, für dringend nötig; er empfahl vielmehr, einen Tecklenburger nach Berlin zu schicken, wenn die Solmsschen Unterhändler dort waren. War Danckelman noch ehrlich willens, sich für das Haus Bentheim einzusetzen? Die Frage darf man nicht unbedingt verneinen, da er in einem Schreiben an den Grafen seinen Vorschlag mit der Notwendigkeit seiner baldigen Abreise von Berlin nach Emden, seinem Dienstort, begründet. Aber auch aus einem Schreiben Danckelmans an den Kurfürsten vom 24. August 1696 N. St. spricht eine ehrliche Gesinnung. In ziemlich offener Weise legte er seinem kurfürstlichen Herrn nahe, das seine zu tun, um die Korruption der Richter in der sowohl am kaiserlichen wie am Reichsgericht schwebenden Sache ans Licht zu bringen. Er erinnerte ferner seinen Landesherrn an die Erklärung, die dem in Berlin anwesenden Grafen Friedrich Moritz zu Bentheim - Hohenlimburg 28 ), dem jüngeren Bruder des Grafen Johann Adolf, am 24. Dezember 1694 gegeben war, wonach das gräfliche Haus sich in seinem Streit gegen Solms der kurfürstlichen Hilfe versichert halten dürfe. Der Kurfürst möchte aus diesem


28) Die beiden Brüder Grafen Joh. Adolf u. Friedr. Moritz v. Bentheim - Tecklenburg hatten durch einen Rezeß vom 13. März 1681 vereinbart, daß während der Dauer des Wittums ihrer Mutter der jüngere Bruder Friedrich Moritz die Grafschaft Hohen - Limburg, das Amt Gronau, die Grafschaft Wevelinghoven mit allen Allod- u. Lehnsgütern, Hoheitsrechten u. sonstigen Gerechtigkeiten erhalten solle.
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Grunde dem Komitialgesandten zu Regensburg 29 ) und dem am kaiserlichen Hof zu Wien beglaubigten Gesandten 30 ) gemessenen Befehl erteilen, bei günstiger Gelegenheit darauf zu dringen, daß die vom Hause Tecklenburg erhobenen Beschuldigungen der Korruption sowohl vor den Reichstag gebracht, als auch durch das Reichskammergericht in Wetzlar untersucht werden. Irgendwelche Schritte sind freilich in Wien und Regensburg nicht erfolgt. Recht aufschlußreich ist übrigens ein in der Solms - Bentheimschen Streitsache geführter Briefwechsel zwischen Johann v. Danckelman und dem Premierminister Grafen v. Wartenberg. Dieser bringt darin unverhohlen zum Ausdruck, daß er von der gerechten Sache des Hauses Solms überzeugt sei und nicht mehr bereue, das Solmssche Angebot, gegen Abtretung von Lingen 31 ) und des Anspruchs auf Schwerin die Durchführung des gegen Bentheim gerichteten Spruchs zuzusagen, angenommen zu haben. Der junge Graf Solms solle aber, um auch wirklich im reformierten Glauben erzogen zu werden, unter die Obervormundschaft des Kurfürsten gestellt werden; denn seine Mutter, eine darmstädtische Prinzessin, sei streng lutherisch. Bisher habe man mit der Exekution gegen Tecklenburg noch gezögert, weil man auf die Nachgiebigkeit der Grafen von Bentheim hoffe. Nach Mitteilung des Hauses Solms sei seitens Tecklenburgs schon die Hälfte der ganzen Erbschaft angeboten worden. Freilich stehe er, Wartenberg, dieser Nachricht zweifelnd gegenüber. "Il n' y a nul moyen au monde pour Teclenbourg". In Wetzlar habe man den Korruptionsfall von der Hauptverhandlung abgetrennt, und im übrigen mangele es an Beweisen. Johann v. Danckelman solle nun den Grafen zu Bentheim dringend zu einem "accomodement à l' amiable" raten. Aus dem Schreiben Danckelmans vom 21. Dezember 1696 an den Premierminister erfahren wir interessante Einzelheiten über den Korruptionsfall:

"Si la chambre de Wetzelar veut séparer causam principalem a causa corruptionis, c' est, de quoy je ne m' estonne


29) Heinrich v. Henniges.
30) Nikolaus Bartholomäus v. Danckelman.
31) Friedrich I. hat sich erst später, 1700, vom Grafen Johann Adolf von Bentheim dessen etwaige Rechte auf die Grafschaft Lingen abtreten lassen. Als er Tecklenburg mit Gewalt an sich gebracht hatte, stützte er seine Rechte auf Lingen darauf, daß diese Grafschaft nur ein Zubehör zu Tecklenburg sei, das früher den Grafen widerrechtlich entrissen worden. (W. F. Esselen a. a. O. S. 201.)
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pas. Elle le fait pour en détourner la honte de tout le collège, a quoy tous les membres d'iceluy [de celui, d. Verf.] travaillent et particulièrement ceux, qui en ont esté coupables, dont je croy ètre encor deux là, dont je viens de parler, qui n'ont pas esté publiquement accusés, le principal a esté Schutz, lequel je croy estre mort au service de quelque comté, proche du Rhin, après avoir esté en arrest à Mayence (Mainz), où il a confessé le crime. Je ne say pas précisément, comme ceux de Teclabourg peuvent prouver la corruption de la sentence, mais je croy, qu'ils en ont des preuves suffisan de Mr. l'Electeur de Mayence, qui en . . . la commission de l'Empereur. Tant y a, que par le constant rapport de feu Mr. (unleserlich) et celuy de Mr. de Gour, à cette heure à Breda et cy - devant demeurant à Linguen, qui a esté expressément dépèché pour cette affaire à Spire et à Mayence, je suis assuré, que ce crime a esté commis, qui ne peut pas estre séparé a causa principali, si l'on ne veut faire violence a Teclabourg. Pour ce, qui est de moy, j'ay nul interest en cette affaire, si ce n'est, que je ne voudrois pas volontiers, que Sa Ser. E et vous fussiez blamer de patrociner une cause injuste, qui fait tant d'esclat dans l'Empire, et cela contre des promesses par écrit, que l'on donna il y a 2 ans à Mr. le comte Frédéric Maurice de Teclabourg à Berlin. C'est pourquoy, Monsieur, je vous demande très humblement pardon de la liberté, que je prens de vous parler si franchement, c'est mon sermon, que j'ay resté au Maître, et l'amour fraternel, que je vous porté, qui m'y obligent. Cependant comme je connois la misérable conduite de ceux de Teclabourg, et que je souhaitterois bien, que l'honneur et la réputation de Mr. le comte de Solms fust conservé, je suis d'avis avec vous Monsieur, que l'on tasche par tous les moyens imaginables, et je veux bien selon vos ordres essayer par une lettre, si Mr. le comte de Teclabourg y veut derechef prester l'oreille, comme il a bien fait cy - devant. Je vous envoye cijoint" 32 ).

Johann v. Danckelman hat keine Bedenken getragen, die ihm vertraulich von Wartenberg gemachten Angaben über die gefährliche Lage des Hauses Bentheim dem Grafen Johann Adolf mitzuteilen, und sich auch ehrlich bemüht, den Grafen


32) G. St. A. Berlin - Dahlem, Reg. 37, N. 21.
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für eine friedliche Verständigung zu gewinnen. Es ist eine diplomatische Sendung seitens des Hauses Bentheim an den Grafen Moritz zu Solms erfolgt. Der Graf, der sich übrigens schon Graf zu Solms und Tecklenburg nannte, schrieb darauf am 3. Mai 1697 an den Grafen Johann Adolf, daß er das Beglaubigungsschreiben des Bentheimschen Abgesandten Dr. Welter empfangen und ihm auch Gehör verstattet habe. Dieser habe aber, statt ihm einen Einigungsvorschlag zu machen, einen solchen von ihm begehrt. Darauf habe ihm der Graf eröffnet, daß er bald das Mandatum de exequendo in Händen haben und dann Vorschläge machen werde, die er "als Gerechtigkeit liebender Mensch und Christ" verantworten könne, jedoch unter der Bedingung, daß die Beleidigungen und Beschuldigungen zuvor zurückgenommen würden, auch gegenüber dem Kammergericht. (Offenbar ist hiermit die Bestechungsaffäre gemeint.) Er habe Beweise in Händen vom Kanzler Winckel, Kanzleidirektor v. Bentheim und Advokaten Dr. Pott 33 ). Graf Johann Adolf erwiderte in sehr versöhnlichem Tone und schlug eine Zusammenkunft vor, die freilich nie zustande gekommen ist. Wie schon oben erwähnt, fand im August 1698 die Exekution gegen Bentheim statt. Dem Spruch zufolge wurden 3/8 als seiner Zeit widerrechtlich vorenthaltenen Erbanteile beschlagnahmt, während wegen der Vergütung der Zinsen und Abnutzungen den Parteien eine Einigung im Wege des Vergleichs innerhalb sechs Monaten vorgeschrieben wurde. Dieser Vergleich ist dann auch zu Lengerich zustande gekommen. Das Haus Solms sollte für alle Ansprüche, die Nutzungen einbegriffen, das Schloß nebst 3/4 der Grafschaft Tecklenburg, sowie 1/4 des Schlosses und der Herrschaft Rheda erhalten. Dieser Vertrag ist später vom Grafen Johann Moritz angefochten worden, freilich ohne Erfolg, zumal der Kurfürst von Brandenburg zu Gunsten des Hauses Solms eingriff. Das geschah schon deswegen, weil bereits 1696 zwischen dem Kurfürsten und dem Grafen zu Solms ein Vertrag geschlossen war, wonach das ganze Schloß Tecklenburg samt 3/4 der Grafschaft als Mannlehen dem Kurfürsten übertragen wurde und dieser in einem Lehnbrief dem Grafen Solms Schirm und Schutz zu-


33) Da es sich bei Bentheim nur um den vorerwähnten Bentheim - Hohenlimburgischen Rat handeln kann, hat dieser offenbar seine Herren verraten. Über die Persönlichkeiten des Winckel und Pott habe ich nichts zu ermitteln vermocht.
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gesagt hatte. 34 ) Der brandenburgische Geheime Rat v. Hymmen teilte dem Grafen von Bentheim die Belehnung mit und warnte ihn dringend vor eigenmächtigen Eingriffen. Solche sind auch nicht erfolgt. Der altersschwache Graf Johann Adolf war des Kampfes müde. Am 30. Juni 1700 kam es zu einem Vergleich zwischen dem König von Preußen einerseits und den Grafen Johann Adolf und dessen Sohn Johann August zu Bentheim - Tecklenburg andererseits, wonach die Grafen für sich und ihre Erben auf alle Ansprüche an die Grafschaft Schwerin zu Gunsten des Königs verzichteten und alle auf diese Ansprüche Bezug habende Dokumente auszuliefern versprachen. 35 )

Das Haus Solms erfreute sich des Besitzes von Tecklenburg nicht lange; denn es verkaufte die Grafschaft 1707 an Preußen. Zu diesem Handel soll ein treuloser Beamter, Geh. Rat Wilhelm Gottfried Meder, dem noch verschiedene andere Unredlichkeiten nachgesagt werden, seinem Herrn, dem Grafen Wilhelm Moritz zu Solms, geraten haben. 36 )

III.

Durch ein von Ilgen entworfenes Schreiben vom 19. Oktober 1705 erinnerte König Friedrich I. den Herzog von Mecklenburg - Schwerin an die Tatsache des Kaufs der Grafschaft Schwerin durch seinen Ahnherrn, sowie an die noch ausstehenden Raten, und teilte gleichzeitig unter Beifügung einer Abschrift des Kaufbriefes mit, daß die Forderung ihm im Jahre 1700 von den Grafen von Tecklenburg abgetreten sei und daß alle auf diese Forderung bezüglichen Dokumente ausgeliefert seien. Das Schreiben schloß mit der deutlichen Mah-


34) In dem Vertrag wurde auch aufgenommen, daß der Graf Wilhelm Moritz zu Solms - Braunfels - Greifenstein "seine an das Hauß Mecklenburg - Schwerin wegen dorthin verkauften Grafschaft Schwerin habende rechtmäßige Anforderung abtritt" und verspricht. "auch über diese Cession noch ferner Instrumenta sambt allen deshalb in Handen bekommenden Documentis, Uhrkunden und Nachrichtungen Seiner Churfürstl. Durchl. in der beständigsten und kräftigsten Form auszustellen . . . " (Haupt - Archiv Schwerin a. a. O.).
35) Ein ähnlicher Vergleich wurde, auch unter Einschluß der Grafschaft Lingen, am 12. November 1701 mit dem Grafen Friedrich Moritz von Bentheim - Tecklenburg - Hohenlimburg geschlossen. (Haupt - Archiv Schwerin a. a. O.).
36) Rudolph Graf zit Solms - Laubach, Gesch. d. Grafen- u. Fürstenhauses Solms S. 95.
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nung: "Und wie nichts billigeres und gerechteres ist, alß daß von Ew. Ld. als Inhaber der Graftschaft Schwerin alles dasjenige, waß durch solchen Kauf bündig geschloßen worden, nicht weniger erfordert worden, daß solches von der andren seiten schon im Jahre 1359 wurcklich geschehen, Wir auch verlangen, daß nach so langer Zeit solches endlich in der That erfolge und Unß nicht nur wegen der an sich richtigen Kauf - Summe fordersambste Satisfaction gegeben werde, sondern auch wegen der Interessen davon a tempore morae biß hierhin umb so vielmehr Vergnugung widerfahre, weil Ew. Ld. Vorfahren diese Grafschaft Schwerin von ged. Zeit an wurcklich in Besitz gehabt und wohl genutzet habe, alßo haben Wihr Ew. Ld. hierdurch freundvetterlich versichern wollen, Unß dero forderlichste Erklährung wegen baldiger Abfuhrung solcher Praetension widerfahren zu laßen, und sind Wihr erbötig, bey dann erfolgter Bezahlung anderweiter Vergnügung alle deshalb in Handen habende Documenta nebst Unserer Quittung gebührend zu extradiren, die Wihr in Erwartung deroselben freundvetterliche Antwort und Versicherung beständiger Affection und Freundschaft verbleiben." 37 )

Am 23. November nahm der Herzog zu der Forderung des Königs Stellung. In dem Schreiben wurde zunächst die Frage aufgeworfen, inwiefern die Forderung der Grafen von Tecklenburg begründet sei, insbesondere ob sie überhaupt als rechtmäßige Inhaber derselben legitimiert seien. Weiter wird auf die Reichsverfassung verwiesen, die eine Cession an einen mächtigeren verbiete. Der Herzog kündigte an, daß er alle "diensahmen Exceptiones et quaevis competentia, wann er gehörigen Orts und in foro competenti darümb wider Vermuhten rechtlich besprochen werden solte, reservire". Endlich gab er seiner Verwunderung darüber Ausdruck, daß der König sich habe bewegen lassen, "eine so alte, erloschene und von mehr als 300 Jahren herrührende und also multoties praescribirte Praetension von Frembden an sich zu bringen und Unß damit zu beunruhigen." Dies stände im Mißklang zu den 1693 zwischen Brandenburg und Mecklenburg geschlossenen Rezessen, in denen der König versprochen habe, dem Herzog und seinem Hause jeglichen Beistand "in- und außerhalb Gerichts" in seinem und seines Hauses Angelegenheiten angedeihen lassen zu wollen. Da nun damit gerechnet werden mußte, daß der Her-


37) G. St. A. Berlin - Dahlem, Reg. 37, N. 21.
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zog von Mecklenburg es auf einen Prozeß ankommen lassen werde, ließ der König bei der juristischen Fakultät der Universität Halle ein Rechtsgutachten einholen. Die Frage, ob die Forderung rechtlich hinreichend begründet sei, wurde von der Fakultät bejaht. Die Forderung bestehe nach den vorhandenen Dokumenten zu recht. Es genüge jedoch nach ihrer Auffassung nicht, daß der Kläger eine ihm von anderer Seite überkommene Schuldforderung in Händen habe; er müsse sich nach den Prozeßordnungen auch ad causam legitimieren, d. h. nachweisen können, auf welche Weise die Schuldforderung auf ihn gekommen sei, und dürfe dabei kein Zwischenglied auslassen. Den Nachweis zu führen, wie die Schwerinsche Forderung des Grafen Nikolaus von Tecklenburg an das Herzogliche Haus Mecklenburg auf die Grafen von Solms - Braunfels gekommen sei, hielten die Juristen für recht verdrießlich. Sie empfahlen darum, der König möge die Cedenten auffordern, diesen Nachweis selbst schlüssig zu erbringen. Bezüglich der von Mecklenburg ins Feld geführten Exceptio cessionis in potentiorem (Einspruch gegen die Abtretung an einen Mächtigeren) gaben die Juristen zu, daß diese in Deutschland tatsächlich verboten sei. Jedoch griffe die prohibitio (Verbot) cessionis in potentiorem erst Platz, si cessio dolosa fuerit, qualis esse non praesumitur, si fiat bona fide, ut v. g. exsecrandae litis causa 38 ). Es wäre aber den Cedenten zu unterstellen, daß sie ihre Forderung exsecratione litis cediert hätten, weil ihre Vorfahren trotz vieler Bemühungen keine Zahlung hätten erhalten können. Ferner würden von den bewährtesten Rechtslehrern unter Potentioribus solche verstanden, die ratione officii, nicht aber ratione bonorum vel divitiarum (in Hinblick auf ihre Stellung, nicht auf ihren Besitz) potentiores seien, die also den Schuldnern vi officii et jurisdictionis tamquam subditis (gewissermaßen als Untertanen) zu befehlen hätten. Da jedoch der König über den Herzog von Mecklenburg als über einen reichsunmittelbaren Fürsten keine Jurisdiction beanspruche, sondern ihn vielmehr als gleichberechtigten Reichsstand ansehe, handele es sich nicht um einen Potentior ratione officii. Dabei sei zu beachten, daß auch der in Betracht kommende Titulus codicis von einem Potentior


38) d. h. also nur in solchen Fällen, wo betrügerische Absicht offen zutage tritt. Eine solche wird nicht als vorliegend erachtet, wenn die Übertragung auf einen Mächtigeren lediglich dem Wunsche, einen Rechtsstreit zu vermeiden, entspringt.
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non intuitu cedentis, sondern intuitu debitoris (nicht hinsichtlich des Cedenten, sondern des Schuldners) spreche. "Und bemerken die Dres. gantz vernünftig", so erklärt das Juristenkollegium weiter, "quod, si debitor sit potentior intuitu cedentis et hic in aeque potentiorem cedat actionem, prohibitio legis non habeat locum, quia tum cedens videatur actionem cedere, non ut dolum inferret, sed potius ut eundem excluderet." (Sei der Schuldner im Vergleich zum Tedenten der Mächtigere und übertrage dieser die Führung seiner Angelegenheit einem Mächtigeren, so greife das gesetzliche Verbot nicht Platz, weil ja der Cedierende offenbar dies tue, um jeden Täuschungsversuch auszuschließen, nicht aber, um solchen zu begünstigen.) Und dies träfe auf den vorliegenden Fall zu. Denn das vorhandene Material beweise, daß die Gläubiger von den Herzogen von Mecklenburg als den Potentioribus bisher keine Zahlung zu erhalten vermochten. Drum sei die juristische Fakultät der Auffassung, daß einem von Mecklenburg erhobenen Einspruch der gerichtliche Erfolg versagt bleiben dürfte.

Hinsichtlich der von Mecklenburg vorgebrachten Exceptio praescriptionis (Einwand der Verjährung) sei zu beachten, daß der 1358 abgeschlossene Kontrakt fast 3 1/2 Jahrhunderte alt und nach gemeinem Recht die Actiones perpetuae binnen 30 Jahren, in außergewöhnlichen Fällen in 100 Jahren, praescribirt, d. h. verjährt wären. Wenn man auch im vorliegenden Falle sogar von einer dreifachen immemorialis praescriptio (Verjährung über Menschengedenken) sprechen dürfe, so könne der Herzog von Mecklenburg sie sich doch nicht zunutze machen, weil nach Lage der Dinge seine Vorfahren als malae fidei possessores anzusprechen seien und in diesem Fall der Einwand der Verjährung unwirksam werde. Als besonders günstig wird noch der Umstand hervorgehoben, daß auch die kaiserlichen Kameralassessoren der Auffassung seien, daß überall da die Praescriptio immemorialis nicht Platz greife, wo von Anfang an ein Vertrag bestünde, der ebenso wie die mala fides die praescriptio immemorialis ausschließe, weil sie den im guten Glauben Befindlichen schaden könnten 39 )


39) quod praescriptio immemorialis excludatur, ubi de initio contractus constat, quod item mala fides impediat praescriptionem immemorialem, et noceat etiam heredibus in bona fide existentibus.
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Auf Veranlassung des Premierministers Grafen von Wartenberg nahm der Philosoph und hervorragende Kenner des positiven und Naturrechts Christian Thomasius noch besonders zu dem Gutachten der Hallischen Juristenfakultät, der er selbst angehörte, Stellung. Seine "Anmerkungen" 40 ) stellen eine noch gründlichere Durcharbeitung der in der Streitfrage enthaltenen Probleme dar und bringen mancherlei Gesichtspunkte, die von der juristischen Fakultät zu Halle gar nicht berührt worden sind.

Zuerst behandelte er die Exceptio legitimationis ad causam, weil er in ihr ein wichtiges Moment der Streitfrage erblickte. Die Nachfolge von Graf Nikolaus von Tecklenburg, der mit seinem Sohn Otto zugleich Verkäufer der Grafschaft Schwerin gewesen, bis auf den letzten Tecklenburger, Grafen Konrad, dessen Tochter Anna des Grafen Philipp zu Bentheim Sohn Eberwein geheiratet habe, könne lückenlos nachgewiesen werden. Auch stehe fest, daß Graf Konrad, Sohn aus der Ehe der Anna von Tecklenburg, Schwester Ottos VIII., mit Graf Philipp zu Solms, bereits 1576 vor dem Kaiserl. Kammergericht gegen Eberweins Sohn Arnold geklagt und 1586 eine "favorable sentenz" erhalten habe. Mit diesen Feststellungen sei aber, wie Thomasius ausführt, die Exceptio legitimationis ad causam doch nicht behoben, denn die neueren Historiker erklärten beständig, daß der Sohn des Käufers, Herzog Albrecht der Jüngere, des letzten Grafen von Schwerin, Otto Rosa, Tochter Richardis, geheiratet habe und mit dessen Tode die Grafschaft durch Erbgang an das mecklenburgische Herzogshaus gefallen sei. Ja einige behaupteten sogar, daß Richardis ihren Gemahl Albrecht mit der Grafschaft "bemorgengabt" habe. Darum sei nach Thomasius' Ansicht damit zu rechnen, daß dem Herzoge unter Berufung auf diese Historiker nahegelegt würde, den Einspruch zu erheben, die Schuld sei durch Familienzusammenschluß längst erloschen. Das werde auch geschehen, obwohl es Autoren gäbe, die die Exceptio debiti per confusionem extincti nicht als stichhaltig ansähen, zumal Herzog Albrecht ja um den Besitz der Grafschaft erst habe Krieg führen und sich erst später mit den Grafen von Tecklenburg habe vergleichen müssen. Auf jeden Fall gingen die Ansichten in dieser Streitfrage unter den Historikern stark auseinander und nirgends herrsche Klarheit. Ja einige wüßten gar von einem Bruder des Otto Rosa, Johann,


40) G. St. A. Berlin - Dahlem, Reg. 37, N. 21.
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zu berichten, von dem sie behaupteten, daß mit ihm der Vergleich geschlossen sei 41 ). Wenngleich Thomasius sich auch anheischig machte, diese historischen Irrtümer aus etlichen mecklenburgischen Chroniken nachzuweisen, so glaubte er doch nicht, daß damit der Sache gedient sei. Denn entscheidend bleibe, daß Albrecht der Jüngere Richardis, Tochter des Otto Rosa, geheiratet habe, und aus dieser Tatsache könne möglicherweise die Gegenseite Nutzen ziehen. Das Lehnrecht bestimme nämlich, daß das aus einem verkauften Feudum erzielte Geld nicht zum Feuda-, sondern zum Allodialgute gehöre 42 ). Daraus folge, daß der letzte Graf von Schwerin (Otto Rosa) von dem schuldigen Kaufpreis eine Hälfte auf seine Tochter Richardis und damit auf das Haus Mecklenburg, die andere Hälfte jedoch auf seinen (angeblichen) Sohn Nikolaus vererbt habe. Nun habe jener Nikolaus einen Sohn gleichen Namens, sowie drei Töchter, Anna, mit Wilhelm Herzog von Berg, Richarde, mit Grafen Otto von Delmenhorst, und Adelheid, mit Grafen Gerhard von Oldenburg vermählt, hinterlassen und somit sich auf Nikolaus nur ein Viertel bzw. ein Achtel der ganzen Schuldsumme vererbt. Von Nikolaus' Sohn Otto, dem Vater des letzten Grafen von Tecklenburg, Konrad, stammen aber eine Tochter Anna, Gemahlin des Grafen Philipp zu Solms - Braunfels, die also wie ihr Bruder Konrad ein Sechzehntel der ursprünglichen Schuldsumme hätte erben müssen. Das Sechzehntel des letzten Tecklenburgers Konrad sei durch die Vermählung seiner Tochter Anna mit dem Grafen Eberwein von Bentheim an dieses Geschlecht gekommen, während das andere Sechzehntel des Solms - Braunfelsers Philipp wieder in fünf Teile zerfallen sei: an den Sohn Konrad und die Töchter Irmgard, Anna, Margarete und Ursula. Somit behalte Konrad von Solms - Braunfels also nur noch ein Achtzigstel der Schuldsumme. Da dieser 1593 gestorben sei, liege auf der Hand, daß in dem nächsten Jahrhundert durch weitere Teilungen nur ein winziger Bruchteil der Forderung an den cedierenden Grafen zu Solms - Braunfels gefallen sein würde und demgemäß der König vom Hause Mecklenburg jure cessionis nicht mehr for-


41) Albert Crautzius, Vandal. lib. 8, cap. 34, und Chytraeus, Chronicon Saxoniae, p. 380.
42) In diesem Zusammenhang zitiert er Georg Adam Struwe, Syntagma juris feudalis, Frkf. ,1672, c. 4 aph. 4 u. 5, aph. 15, und Andreas Gailii Observationes practicae Camerae Imp. München 1673 11 n. 10.
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dern könnte, als ihm cediert wäre. Diese Tatsache würden sich auch, so mutmaßt Thomasius, die Mecklenburger Rechtsgelehrten zunutze machen.

Diese Thomasiussche Beweisführung ist wertlos; denn sie geht von der falschen Voraussetzung aus, daß Otto Rosa einen Sohn namens Nikolaus besessen hat. Wie wir wissen, starb er jedoch bereits 1356, also zwei Jahre vor dem Kaufvertrag, ohne männliche Leibeserben. Offenbar liegt eine Verwechslung mit dem Sohn Nikolaus III., Grafen von Tecklenburg, Otto II., vor. Man darf indessen Thomasius diesen Irrtum nicht zu Sehr verargen; denn mit der Kenntnis der Geschichte Schwerins und besonders der Genealogie der Grafen war es zu jener Zeit allgemein schlecht bestellt. So schrieb der bekannte lutherische Theologe Philipp Jakob Spener in seiner Sylloge genealogica historica, Frankf. 1677, er wisse nicht, wann und wie die Grafschaft Schwerin an die Herzoge von Mecklenburg gekommen sei. Und auch der in der alten deutschen Geschichte damals als sehr erfahren geltende Konrad Samuel Schurzfleisch (ord. Prof. d. Gesch. in Wittenberg und später Direktor der Bibliothek zu Weimar) erwähnt in seiner Dissertatio de rebus Mecklenburgicis nicht das geringste von der Grafschaft Schwerin.

Über die Exceptio cessionis in potentiorem ergeht sich Thomasius in gelehrten Betrachtungen, auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll. Ebenso glauben wir auf das zusammenfassende Ergebnis seiner Anmerkungen zum Hallischen Responsum an dieser Stelle verzichten zu können.

Durch das Hallische Gutachten und Thomasius war der König in den Besitz des notwendigen juristischen Rüstzeugs gekommen und konnte nun seine Maßnahmen treffen. Da Thomasius die Legitimatio ad causam als besonders wichtig bezeichnet hatte, wurden zunächst nach dieser Richtung Erhebungen angestellt und Graf Wilhelm Moritz zu Solms - Braunfels im Februar 1706 aufgefordert, die auf den Verkauf Schwerins bezüglichen Akten und eine zuverlässige Genealogie der Successores auszuliefern 43 ). Darauf berichtete der Graf-


43) In diese Zeit fällt auch die Mission des mecklenburg - schwerinschen Obristen und Gesandten in besonderer Mission v. Krassow Man sollte annehmen, daß diese Mission auch im Zusammenhange mit der schwerinschen Streitfrage gestanden hätte. Das ist indessen nicht der Fall. Wir haben darum keinen Anlaß, uns mit dieser Mission näher zu befassen. Sie betraf lediglich die Fragen der (  ...  )
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er unterzeichnete "Graf zu Solms u. Tecklenburg" -, daß der Graf zu Bentheim - Hohenlimburg, als er mit Solms gemeinsam die Regierung geführt, gegen Treu und Glauben gehandelt, das gemeinschaftliche Archiv zu Tecklenburg beraubt und einen Wagen voll Akten, Briefschaften und Dokumenten, und besonders die mit dem Prozeß zusammenhängenden Papiere, weggeführt hätte. Er habe sie schon längst gerichtlich zurückgefordert, "wenn nicht das justitium camerae imperialis dem entgegenstände". Der König könne aber in Anbetracht dessen, daß der Graf von Bentheim - Hohenlimburg Landsaß und Untertan des Königs sei, diesen anhalten, daß er die gestohlenen Akten usw. wieder zurückerstatte. Der Graf zu Bentheim werde auch nicht leugnen können, daß sich die den schwerinschen Anspruch behandelnden Dokumente tatsächlich im Tecklenburger Archiv befunden hätten, außerdem werde er dessen durch ein mitgesandtes Extractum Genealogiae aus der 1687 von Tecklenburg beim Kammergericht zu Speyer eingereichten Klageschrift pro restitutione in integrum überführt.

Einen gleichen Schritt unternahm auf königliche Anordnunng der Resident im westfälischen Kreis Johann v. Danckelman beim Grafen zu Bentheim - Hohenlimburg. Die darüber eingelieferten umfangreichen Berichte waren inhaltlich doch nicht der Art, daß sie die Sache wesentlich förderten.

Der Schriftwechsel mit Schwerin hat unterdes seinen Fortgang genommen, und aus den juristisch außerordentlich scharfsinnigen Gegenargumenten war man am Berliner Hof doch zu der Überzeugung gelangt, daß der Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg es eher auf einen langwierigen Prozeß ankommen lassen werde, als daß er freiwillig auch nur einen Bruchteil der brandenburgischen Forderungen anerkenne. Aber auch Friedrich I. konnte sich von diesem uralten Streitobjekt nicht trennen und veranlaßte den Geheimen und Magdeburgischen Regierungsrat Ludwig Otto Edlen Herrn v. Plotho im März 1707, am Kammergericht zu Wetzlar "fleißig die Acten zu perlustrieren" 44 ) und alles, was irgendwie gegen Mecklenburg vorgebracht werden könnte, herauszusuchen. Plotho hat


(  ...  ) Eventualhuldigung, des Elbzolls und des Prozesses des Herzogs mit der frondierenden Ritterschaft. Diese Irrungen mit der Ritterschaft wurden zum Vorwand genommen, die Huldigung hinauszuschieben. Kreditiv des v. Krassow v. 24. Jan. 1706. Rekreditiv v. 9. Febr. 1706. G. St. A. Berlin - Dahlem, Rep. 37, N. 21.
44) G. St. A. Berlin - Dahlem, Rep. 37. N. 18 - 20.
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sich auch mit Eifer der Sache angenommen und wunderschöne juristische Ausarbeitungen geliefert. Doch hütete er sich wohl, einen raschen und günstigen Ausgang des Prozesses vorauszusagen. Im Sommer 1707 scheint man preußischerseits alle Hoffnungen begraben zu haben. Auf das letzte ausführliche Schreiben des Herzogs vom 8. April 1707 erfolgte keine Antwort mehr. Eine andere wichtige Angelegenheit trat nun in den Vordergrund des beiderseitigen Interesses: der Abschluß eines immerwährenden Bündnisses. Im Artikel 11 des dieserhalb abgeschlossenen Vertrages vom 31. März 1708 heißt es: "Ferner wollen Wir, der König, wegen der Tecklenb. Praetension, welche Uns von denen Gräfl. Häusern Tecklenburg und Solms cediert worden, an die Hertzogen von Mecklenburg, Schwerinscher Linie, weiter keinen Anspruch machen, respectu der übrigen Hertzogen von Mecklenburg aber behalten Wir Uns diese Praetension ausdrückl. bevor und wollen, so viel selbige betrifft, Uns derselben keineswegs begeben haben." - Wenngleich diesem Vorbehalt irgendwelcher praktische Wert nicht beigemessen werden darf, so war doch dem Selbstgefühl des Königs damit Genüge getan. Freilich ganz gehörte diese in ihrer Eigenart einzig dastehende Streitfrage auch damals nach genau 350 Jahren noch nicht endgültig der Geschichte an; denn er wurden wegen des Verzichts Preußens auf die Grafschaft noch drei Verträge, vom 31. März 1708, 14. Dezember 1717 und 14. April 1752, geschlossen.

 

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